Funktionaler Analphabetismus in
Deutschland – das
Stillschweigen der Mitwisser
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Kapitel
Funktionaler Analphabetismus in Deutschland
Mitwissen bei Beschäftigungsträgern und Sozialen Diensten
PIAAC – Weiterbildungsbeteiligung nach Levels
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Funktionaler Analphabetismus in Deutschland
1. LEO – 14,5% der Bevölkerung im unteren Bereich des Level One, das entspricht 7,5 Millionen funktionalen Analphabet/inn/en
2. PIAAC - über 17% der Bevölkerung im Level One, internationaler Vergleich, in anderen Ländern auch im Zeitvergleich. Norwegen und Kanada erleben Absinken der Durchschittswerte – Composite Effects? Alternde Bevölkerung? Zunehmende Einkommensspreizung und Armut?
3. CiLL – Ältere (65-80) erreichen im Durchschnitt 236 statt 270 Punkte (16-64), das sind 34 Punkte oder fast eine volle Kompetenzstufe oder so viel wie die Differenz von Japan bis Spanien. Age matters!
4. Umfeldstudie (mitwissendes Umfeld): Stillschweigen der Mitwisser
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Literalität, Level One, Alpha-Levels
α1
α2
α3
α4
I = Level One
IV / V
III
II
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leo. auf einen Blick
AES mit leo.-Testheft: deutsch sprechende Bevölkerung (n=8.436)
Ergebnis: 7,5 Mio fkt. Analphabet/inn/en, davon liegen…
0,3 Millionen auf Alpha-Level 1 (Buchstabe)
2,0 Millionen auf Alpha-Level 2 (Wort)
5,2 Millionen auf Alpha-Level 3 (Satz)
Plus 13,3 Millionen auf Alpha-Level 4 (Text)
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So sieht funktionaler Analphabetismus aus:
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Struktur des funktionalen Analphabetismus
80% mit Schulabschluss, 60% Männer, 70% deutsche Staatsangehörige, 58% mit deutscher Erstsprache, 57% mit Arbeitsplatz (alle: 66%), 41% arbeiten Vollzeit (alle: 47%)* 58% leben in einer Ehe (alle: 58%), 51% mit Kindern (alle: 47%), ca. 1/3 über Fünfzig (alle: 1/3).*von den erwerbstätigen f.A. sind 1,7% im zweiten Arbeitsmarkt beschäftigt.
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So fühlt sich funktionaler Analphabetismus an:
7H15 M3554G3 53RV35 7O PR0V3 H0W 0UR M1Nd5
C4N D0 4M4Z1NG 7H1NG5! 1MPR3551V3 7H1NG5! 1N
7H3 B3G1NN1NG 17 WA5 H4RD BU7 N0W, 0N 7H15
LIN3 Y0UR M1ND 1S R34D1NG 17 4U70M471C4LLY
W17H 0U7 3V3N 7H1NK1NG 4B0U7 17, B3 PROUD!
0NLY C3R741N P30PL3 C4N R3AD 7H15.
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Kleingärtner (2010)
Aufregung im Verein wegen fehlender Einladung zur
Mitgliederversammlung.
Stellv. Vorsitzende krank, Vorsitzender soll endlich einladen.
Einladung folgt zu spät, ist lediglich als Termin vor dem Vereinshaus
ausgehängt.
MV platzt. Stellv. Vorsitzender ist wieder gesund. MV folgt.
Mitwisser?
Betroffener?
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Mitwissen-Vorstudie – Beschäftigungsträger
Über 66% der 352 Befragten einer nichtrepräsentativen Mitwissen-Vorstudie bei Beschäftigungsträgern kennen jmd, der nicht gut schreiben kann.
Sie sprechen das Thema nicht an.
Sie schicken den Betroffenen nicht zur WB.
Sie kennen weder Alpha-Telefon noch ich-will-lernen.de.
Vernetzung ist daher unabdingbar, Verweisstrukturen der sozialen Beratung, Bildungssektoren, Arbeitsmarktakteure (front desk)
NL-Beispiel: Screening am Front Desk, dann Angebot >> 3.000 neue TN! (Maurice de Greef, Screening ginge auch via leo.-app, (iPhone & Android)
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Mitwissen-Nebenstudie – Soziale Dienste
Erhebung Februar / März 2014 in der Schuldnerberatung, Ambulanten Hilfe, Migrationsberatung und Wohnungslosen-Tagesaufenthaltsstätte zweier großer, anerkannter Träger in Hamburg (über 50% der 68 Befragten kennen jemanden)
Erster Eindruck: Die dort aufzufindende Klientel kann insgesamt ein passend zugeschnittenes Weiterbildungsangebot gut brauchen, sehr wenige verfügen über einen PC, digitale Kompetenzen liegen völlig brach.
Frage nach Mitwissen: Überraschend oft offen und mit ausführlicher Erzählung beantwortet.
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Stichprobe
Stichprobe: 68 Personen, die mit dem Existenzminimum auskommen müssen
Testung bei Tagesaufenthaltsstätte, Schuldnerberatung, Migrationsberatung, Sozialberatung
Teil 1: Items zu Rechnen im Bereich Finanzieller Grundbildung
Teil 2: Hintergrund-Fragebogen incl. Skills Use
Teil 3: Fragen zu funktionalen Analphabet/inn/en (Mitwisser-Fragen)
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Mitwissen – InzidenzKennen Sie Personen in Ihrem Umfeld, die nicht gut schreiben oder das Lesen und Schreiben vermeiden?
Anzahlen Anteil
Ja 31 45,6%Ich vermute es nur 5 7,4%Nein 19 27,9%Keine Angabe zu dieser Frage 13 19,1%
Hohe Inzidenz: über 50% (inkl. der Vermutungen) Der Wert ist in der Höhe vergleichbar mit den Ergebnissen der Mitwisserbefragung im Rahmen der Verlinkungsstudie (bei Beschäftigungsträgern)
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Mitwissen – Offen oder verdeckt?Woher wissen Sie, dass die Person nicht gut lesen und schreiben kann? [n=36]
Anzahlen Anteil
Die Person hat es mir gesagt 9 25,0%Die Person hat es mir auf Nachfrage bestätigt 9 25,0%Habe es gemerkt, die Person aber nicht angesprochen 6 16,7%Keine Angabe zu dieser Frage 12 33,4%
Weiß die Person, das Sie von den geringen Lese- und Schreibfähigkeiten wissen? [n=36]
Anzahlen Anteil
Ja 12 33,3%Ich weiß es nicht genau 4 11,1%Nein 10 27,8%Keine Angabe zu dieser Frage 10 27,8%
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Mitwissen – Erklärungsversuche
Woran, vermuten Sie, liegt es, dass die Person nicht gut lesen und schreiben kann? [n=36, Mehrfachantworten]
Anzahlen
Die Person ist zwar zur Schule gegangen, hat es aber nie richtig gelernt 13
Die Person hat eine andere Muttersprache als Deutsch 8Die Person hat nicht die Schule besucht 7Die Person hatte einen Unfall oder Krankheit 4Die Person hat eine Behinderung 2Fehlende Übung 2Familiäre Gründe 2Hohes Alter der Person 1Weiß nicht 2Keine Angabe zu dieser Frage 4
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Mitwissen – Perspektiven
Anzahl und Anteile der Befragten, die Hilfemöglichkeiten kennen (Mehrfachnennungen möglich)
Mitwisserinnen und Mitwisser [n=36]
Alle Befragten [n=68]
Kurse 30 83,3% 47 69,1%Online-Portal 6 16,7% 7 10,3%Alfa-Telefon 4 11,1% 5 7,4%
Unabhängig vom Mitwissen: Es ist mehrheitlich bekannt, dass es Lese- und Schreib-Kurse für Erwachsene gibt. Wer persönlich im Umfeld mit dem Phänomen in Kontakt steht, ist darüber noch besser informiert.Die Kenntnis des Online-Portals und des Alfa-Telefons sind dagegen weitaus schwächer ausgeprägt.
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Mitwissen – Perspektiven
Glauben Sie, das er/sie etwas an der Situation verbessern möchte? [n=36]
Anzahlen
Ja 12Ich weiß es nicht genau, kann es nicht einschätzen 4Nein 10Keine Angabe zu dieser Frage 4
Aber: nur drei der Mitwisser/innen haben ihre Bekannten auf Kurse aufmerksam gemacht.
Das Wissen über Kurse einerseits und Lernbereitschaft andererseits führt nur selten zur Kursempfehlung.
Im Schnitt sieht das dann so aus…
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Likelihood of participating in adult education and training, by level of literacy proficiency (Folie aus Andreas Schleichers’ OECD-Präsentation vom 08.10.2013 via Slideshare)
Cyprus
Norway
Netherlands
Flanders (B
elgium)Ita
ly
Czech
Republic
Finland
Ireland
SwedenJapan
England/N. Ir
eland (UK)
Average
United States
Denmark
Estonia
Austria
PolandSpain
Slovak Republic
Australia
CanadaKorea
Germany
1
2
3
4
5
6
7
8 Level 1 Level 2 Level 3 Level 4/5
Reference group: Below Level 1
Odds Ratio
Höchstliteralisierte haben in DE eine achtmal so hohe Wahrscheinlichkeit sich weiterzubilden als diejenigen unter Level 1. Vergleicht man mit unter/auf Level 1, bleibt die Chance dreifach.
Fehlerhaftes Schreiben (a4) - Student 2013
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ZusammenfassungFunktionaler Analphabetismus in Deutschland
7,5 Mio. normale Leute plus ca. 15 Mio. Mitwissende
Mitwissen bei Beschäftigungsträgern (66%) und Sozialen Diensten (50%), Mitwissen ist verbreitet (30% oder mehr – je nach Zirkel)Mitwissen ist nicht immer aus erster Hand (Small World Theory)Mitwissen ist häufig offen, ohne Tabu, und folgenlosNichtoffenes Mitwissen existiertMitwissende Berufs- und Personengruppen (folgt bald…) Mitwissen führt nicht zu WeiterbildungMitwissen führt zu erhöhter Kenntnis der Angebote, Kampagne kann mehr erreichenGatekeeper sollten nicht Gatecloser, sondern Gateopener sein.
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VIELEN DANK FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT
http://skills.oecd.org/skillsoutlook.htm - All national and international publications, auch die Folien von Andreas Schleicher
http://blogs.epb.uni-hamburg.de/leo - leo.-app (iPhone und Android), leo.-News, lea.-Diagnostik etcetera