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1 EinfĂŒhrung in die Allgemeine Chemie

Chemische Grundgesetze – Historischer RĂŒckblick . . . 3 | Aufbau

der Atome . . . 5 | Periodensystem der Elemente (PSE) . . . 13 |

Chemische Bindung . . . 17

1.1 Chemische Grundgesetze – Historischer RĂŒckblick

Als der russischeGelehrteM.Lomonossow (–) unddann der französischeChemiker A.L. Lavoisier (–) bei ihren Untersuchungen ĂŒber die Verbrennungdie VorgĂ€nge mit der Waage quantitativ verfolgten, trat in der Chemie die messende undquantitative Fragestellung in denVordergrund. Lomonossow und Lavoisier entdeckten un-abhĂ€ngig voneinander das Gesetz von der Erhaltung der Masse ().

. MERKE Bei allen chemischen Umsetzungen bleibt die Gesamtmasse der Reaktionsteilneh-mer erhalten.

Aufgrund desMasse-Energie-Äquivalenz-Gesetzes E = m ⋅ c2 von Albert Einstein (–) weiß man heute, dass das vorstehende Gesetz nur ein Grenzfall des allgemeinenPrinzips von der Erhaltung der Energie ist.

Durch Zusammenfassung zahlreicher quantitativer Untersuchungsergebnisse for-mulierte dann Ende des . Jahrhunderts der französische Chemiker Joseph-LouisProust (–) das erste chemische Grundgesetz, das Gesetz von den konstantenProportionen ().

. MERKE Zwei oder mehrere Elemente treten in einer Verbindung stets in einem konstantenGewichtsverhÀltnis zusammen.

Das zweite chemische Grundgesetz, das Gesetz von den multiplen Proportionen ()von John Dalton (–), stellt eine Erweiterung des ersten dar. Es berĂŒcksichtigt dieMöglichkeit, dass zwei Elementemehrere verschiedeneVerbindungen miteinander bildenkönnen. fassteDalton diese Gesetze zu seinerAtomhypothese zusammen.

. MERKE Bilden zwei Elemente mehrere Verbindungen miteinander, so stehen die Ge-wichtsverhÀltnisse, die die Elemente in den einzelnen Verbindungenmiteinander bilden,im VerhÀltnis kleiner ganzer Zahlen.

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4 1.1 Chemische Grundgesetze – Historischer RĂŒckblick

. MERKE Jede Materie ist aus kleinsten, nicht weiter zerlegbaren Teilchen aufgebaut, dieAtome genannt werden. Alle Atome eines chemischen Elements sind untereinandergleich. Atome verschiedener Elemente unterscheiden sich durch ihre Masse und GrĂ¶ĂŸe.Bei chemischen Reaktionen verbinden sich die Atome verschiedener Elemente in kleinen,ganzzahligen VerhĂ€ltnissen zu Verbindungen, die entweder aus kleinen Einheiten – denMolekĂŒlen – oder ausgedehnten VerbĂ€nden wie z. B. den Salzen bestehen.

Der direkte Beweis der Atomhypothese ist heute u. a. durch die hochauflösende Elektro-nenmikroskopie möglich, derenAuflösung im Bereichder Atomdurchmesser liegt, sodassman bei geeigneter Blickrichtung die Projektion der Atompositionen in einem Kristallerkennen kann.

Die heute ĂŒbliche Bezeichnung der Atome durch Buchstabensymbole und deren Kom-bination zu Verbindungsformeln, in denen die AtomverhĂ€ltnisse durch Indizes wiederge-geben werden, geht auf J. J. Berzelius (–) zurĂŒck, der sie vorschlug.

DerNachweis vonMolekĂŒlenwurde bereits durch den italienischenPhysikerAma-deo Avogadro (–) erbracht. Er stellte aufgrund von Untersuchungen an Gasen dienach ihm benannte Hypothese auf.

. MERKE Gase bestehen aus MolekĂŒlen oder einzelnen Atomen. Gleiche Gasvoluminaenthalten bei gleichem Druck und gleicher Temperatur die gleiche Anzahl von Teilchen.

Erst diese Erkenntnis gestattete das Aufstellen sinnvoller Formeln und Reaktionsgleichun-gen und damit auch die Ermittlung relativerAtommassen. Diese wurden zunĂ€chst auf denWasserstoff als leichtestes Atom bezogen, dessen Masse gleich 1,0000 gesetzt wurde. DaSauerstoffverbindungen hĂ€ufiger als Wasserstoffverbindungen auftreten, wurde spĂ€ter diegleich 16,0000 gesetzteMasse von Sauerstoff als BezugsgrĂ¶ĂŸe gewĂ€hlt. Heute beziehen sichdie relativenAtommassenauf die gleich 12,0000 gesetzteMasse des Kohlenstoffisotops C(7Kap. .., S. ). Als Einheit fĂŒr die Stoffmenge in Gramm wurde dasMol eingefĂŒhrt.

. MERKE 1Mol ist diejenige Stoffmenge, die aus genauso vielen Teilchen besteht, wie Atomein 12,000g des Kohlenstoffnuklids 12C enthalten sind. Teilchen können dabei z. B. Atome,MolekĂŒle, Ionen oder Elektronen sein.

Die zugehörige Anzahl Teilchen wird als Avogadro’sche Zahl oder auch als Loschmidt’-sche Zahl NA bezeichnet (NA = 6,022142 ⋅ 1023 ± 0,000001 ⋅ 1023).

Die Vielzahl der entdeckten Elemente regte die Wissenschaftler an, nach Beziehun-gen zwischen den Elementen zu suchen. Das Endergebnis war das Periodensystem derElemente, das von Dimitri Mendelejeff (–) und Lothar Meyer (–) un-abhĂ€ngig voneinander im Jahr entwickelt wurde. Als Ordnungsprinzip diente dierelative Atommasse. Sie ordneten die Elemente nach steigender Atommasse in mehrereuntereinander stehende, als Perioden bezeichnete Reihen, sodass Elementemit Ă€hnlichenEigenschaften in dazu senkrechten Spalten, den Gruppen untereinander angeordnet sind(7Kap. .).

Beim Einordnen der Elemente nach der relativen Atommasse zeigte sich jedoch, dassin einigen FĂ€llen Umstellungen notwendig wurden: Argon (39,948) und Kalium (39,098),Cobalt (58,93) und Nickel (58,69) sowie Tellur (127,60) und Iod (126,90) mussten auf-

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1.2.1 Atommodell nach Rutherford 5

grund ihrer chemischen Eigenschaften ausgetauscht werden. Diese und andere Beobach-tungenwiesendarauf hin, dass dieAtommasse kein eindeutigesOrdnungsprinzip darstellt.

Die Entdeckung der Ionisation verdĂŒnnter Gase im elektrischen Feld, wobei positivgeladene Teilchen (Kanalstrahlen, entdeckt durch Goldstein) und negativ geladeneTeilchen sehr kleiner Masse (Kathodenstrahlen, entdeckt durch PlĂŒcker) entstehen,sowie vor allem die Entdeckung der RadioaktivitĂ€t (Henri Becquerel, ) fĂŒhrten zurAnnahme, dass Atome entgegen derHypothese vonDaltonnicht unteilbar sind.Die darauffolgenden Untersuchungen, die u. a. mit den Namen des Ehepaares Curie (Marie Curie–; Pierre Curie –) und Ernest Rutherford (–) verknĂŒpft sind, er-gaben ein neues Bild vom Aufbau der Materie. So konnte z. B. Rutherford zeigen, dassα-Strahlen, die aus Heliumkernen bestehen, feste Materie sehr leicht durchdringen, wasauf erheblichen freienRaumhinwies.Dabeiwurde nur ein sehr kleinerTeil derHeliumker-ne stark aus der Flugrichtung abgelenkt. Vor allem auf GrĂ¶ĂŸe und HĂ€ufigkeit der starkenAblenkung grĂŒndete Rutherford das nach ihm benannte Atommodell.

1.2 Aufbau der Atome

1.2.1 Atommodell nach RutherfordRutherford konnte abschĂ€tzen, dass der Durchmesser der Atomkerne mit einer GrĂ¶ĂŸen-ordnung von etwa 10−14 m um Zehnerpotenzen kleiner ist als der Durchmesser derAtome mit etwa 10−10 m. Er erkannte außerdem in den Bestandteilen der Kanalstrahleneines mit verdĂŒnntem Wasserstoffgas gefĂŒllten Kanalstrahlrohrs die H-Atomkerne unddamit die gesuchten Kernbestandteile mit positiver Elementarladung und nannte sie Pro-tonen.

. MERKE Ein Atom besteht aus einem sehr kleinen, positiv geladenen Kern, der nahezudie gesamte Atommasse enthĂ€lt, und aus einer HĂŒlle aus negativ geladenen Elektronen,die den Kern umkreisen. Dabei ist die elektrostatische Anziehung zwischen Kern undElektronen mit der Zentrifugalkraft im Gleichgewicht. Jedes Elektron trĂ€gt eine negativeElementarladung. Im neutralen Atom entspricht die Anzahl der positiven Kernladungengenau der Anzahl der Elektronen.

Van den Broek vermutete , dass die Anzahl Protonen in einem Atomkern, d. h.die Kernladungszahl, der Ordnungszahl des Elements im Periodensystem entspricht.Im selben Jahr gelang Henry Moseley (–) die experimentelle Bestimmung derKernladungszahlen aufgrund der charakteristischen Röntgenspektren der Elemente.Damit konnten die chemischen Elemente genauer definiert werden:

. MERKE Unter einem chemischen Element versteht man einen Stoff, dessen Atome diegleiche Kernladungszahl besitzen.

Das experimentell nachgewiesene Vorkommen verschieden schwerer Atome bei ein unddemselben Element (J. J. Thomson, –) und die im Vergleich zum Produkt ausKernladungszahl und Protonenmasse viel grĂ¶ĂŸere Atommasse erklĂ€rte manmit noch un-bekannten neutralen Elementarteilchen, die schließlich von Chadwick entdeckt undalsNeutronen bezeichnet wurden.

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6 1.2 Aufbau der Atome

. MERKE Der Atomkern besteht aus Protonen und Neutronen. Die Protonen weisen einepositive Elementarladung und ungefĂ€hr eine atomare Masseneinheit auf; die Neutronensind ungeladen und besitzen wie die Protonen ungefĂ€hr eine atomare Masseneinheit.Die Anzahl der Protonen im Kern entspricht der Ordnungszahl des Elements. Die Anzahlder Neutronen kann bei den einzelnen Atomen eines Elements unterschiedlich sein.Atomarten (Nuklide) eines Elements mit unterschiedlicher Neutronenzahl im Kern heißenIsotope. Die natĂŒrlichen Elemente stellen in vielen FĂ€llen ein Isotopengemisch dar.

Die Tatsache, dass die relativen Atommassennicht ganzzahlig sind, erklĂ€rt sich u. a. durchdasAuftreten verschiedener Isotope. So ist der natĂŒrlicheKohlenstoff ein Isotopengemischaus ,% C und , % C. Hieraus ergibt sich die mittlere relative Atommasse von12,011. Der Fehler der mittleren Atommasse ist dabei abhĂ€ngig von der Schwankungs-breite der relativen IsotopenhĂ€ufigkeit. Außerdem bedeutet der Energieumsatz bei derBildung derAtome durchKernreaktionennach der Einstein’schenMasse-Energie-Äquiva-lenz E = m ⋅ c2 (7Kap. .) auch eine geringe MassenverĂ€nderung, sodass die Kernmassekein genaues ganzzahliges Vielfaches der Massen seiner Protonen und Neutronen seinkann.

1.2.2 Bohr’sches Modell des WasserstoffatomsNach dem Rutherford’schen Atommodell (7Kap. ..) kreisen die Elektronen auf belie-bigen Bahnen um den positiv geladenenAtomkern. Die klassische Elektrodynamik besagtjedoch, dass eine bewegte elektrische Ladung, wie sie das Elektron darstellt, stĂ€ndig elek-tromagnetische Strahlung emittiert und damit stĂ€ndig Energie verliert. Ein Atom dĂŒrftesomit nicht stabil sein. Die Elektronen wĂŒrden auf Spiralbahnen in den Kern stĂŒrzen.

Niels Bohr (–) ĂŒberwand diese Probleme, indem er postulierte, dass fĂŒr dieElektronen nur eine begrenzte Anzahl ausgewĂ€hlter Kreisbahnen möglich ist, auf denender Umlauf strahlungslos, also ohne Energieverlust möglich ist (. Bohr’sches Postulat).

Bohr legte seinen Annahmen die Planck’sche Quantentheorie zugrunde, die besagt,dass WirkungsgrĂ¶ĂŸen eines Naturvorgangs keinen beliebigen Wert annehmen können,sondern nur in ganzzahligen Vielfachen der kleinsten ĂŒberhaupt beobachtbarenWirkung,demPlanck’schenWirkungsquantum h auftreten können. Entsprechend kann auch Ener-gie nur in Form von Energiequanten E = h ⋅ Îœ (mit Îœ = c/λ; c = Lichtgeschwindigkeit,λ = WellenlĂ€nge) absorbiert oder abgestrahlt werden. FĂŒr die erlaubtenElektronenbahnenstellte Bohr zwei weitere Postulate auf (. und . Bohr’sches Postulat):

. MERKE

1. Bohr’sches Postulat (stationĂ€re ZustĂ€nde)Atome können sich in bestimmten stationĂ€ren ZustĂ€nden befinden, in denen sie keineEnergie abstrahlen.

2. Bohr’sches Postulat (Quantelung des Bahndrehimpulses)Der Bahndrehimpuls m ⋅ υ ⋅ 2πr ist durch das Produkt aus Bahnradius r, Masse m undGeschwindigkeit υ des Elektrons gegeben. Er hat die Dimension einer Wirkung und

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1.2.3 Bahnradien und GrĂ¶ĂŸe des H-Atoms 7

darf daher nur ganzzahlige Vielfache n des Wirkungsquantums h annehmen. n wird alsHauptquantenzahl bezeichnet.

m ⋅ υ ⋅ 2πr = n ⋅ h mit n = 1,2, 3, . . .3. Bohr’sches Postulat (Bohr’sche Frequenzbedingung)Die Kreisbahnen des Elektrons stellen stationĂ€re ZustĂ€nde dar, die jeweils eine bestimm-te Energie En besitzen. Die Kreisbahn mit der Quantenzahl n = 1 ist der energieĂ€rmsteZustand, der Grundzustand. Durch Energieaufnahme kann das Atom in angeregteZustĂ€ndemit höherer Energie und n > 1 ĂŒbergehen. Die angeregten ZustĂ€nde sind jedochnicht stabil. Das Atom fĂ€llt unter Abgabe der Energiedifferenz ΔE = Em − En in Formelektromagnetischer Strahlung wieder in den Grundzustand zurĂŒck.

ΔE = Em − En = h ⋅ Îœ mit m > nDa nur bestimmte Elektronenbahnen und damit auch nur bestimmte konstante Energie-differenzen möglich sind, erklĂ€rt sich somit zwanglos das beobachtete Linienspektrumdes H-Atoms. Bohr gelang es mithilfe seiner Theorie, das Linienspektrum des H-Atomsgenau zu berechnen und sogar noch nicht bekannte Linienserien vorauszusagen, die dannauch tatsĂ€chlich an den berechneten Stellen gefundenwurden. EinNachteil des Bohr’schenModells ist jedoch, dass es nur fĂŒr das H-Atom und einige wenige Ionen wie He+ undLi+ anwendbar ist. Bei Atomen oder Ionen, die mehr als ein Elektron enthalten, versagt esjedoch. Dennoch ist dasModell sehr anschaulich und es beinhaltet wichtige Aussagen ĂŒberdie Elektronengeschwindigkeit υ, den Bahnradius r und die Energie der stationĂ€ren Zu-stĂ€nde, die als Termenergie bezeichnet wird. Aus den Differenzen zwischen den verschie-denen Termenergien können mit der Beziehung ΔE = h ⋅ Îœ die Frequenzwerte des Linien-spektrums des H-Atoms berechnet werden. Wir wollen hier nicht alle zugehörigen Bezie-hungen ableiten, sondern nur einige wichtige Ergebnisse der Bohr’schenTheorie darlegen.

1.2.3 Bahnradien und GrĂ¶ĂŸe des H-AtomsFĂŒr die erlaubten Bahnradien des H-Atoms errechnet sich nach dem Bohr’schen Modell:

rn = n2 ⋅ 0,529 ⋅ 10−10 mIm Grundzustand mit n = 1 betrĂ€gt der Radius in guter Übereinstimmung mit der Vor-aussage von Rutherford (7Kap. ..) r = 0,529 ⋅ 10−10 m. Bei den angeregten ZustĂ€ndennehmen die Bahnradien bei steigender Energie mit n2 zu ( Abb. .). Hieraus folgt letzt-endlich das Schalenmodell der Atome. Die einzelnen Schalen werden durch die Quan-tenzahlen n = 1, 2, 3 usw. oder auch durch die Buchstaben K, L, M usw. charakterisiert( Abb. .). Obwohl das Bohr’sche Modell auf Atome mit mehr als einem Elektron nichtexakt anwendbar ist, kann man annehmen, dass auch die elektronenreicheren Atome ei-nen schalenartigen Aufbau der ElektronenhĂŒlle aufweisen. Die einzelnen Schalen könnendabei bis zu maximal 2n2 Elektronen aufnehmen ( Tab. .). Abb. . zeigt den sche-matischen Aufbau der Elemente Na bis Ar entsprechend dem Schalenmodell. Die Atomewerden in dieser Reihe kleiner, da die Kernladungszahl und damit die Anziehungskraftauf die Elektronen zunimmt.

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8 1.2 Aufbau der Atome

KL

M

N

Abb. 1.1 Schalenmodell des H-Atomsnach Bohr

Tab. 1.1 Maximale Besetzung der Elektronenschalen (Elektronenanordnung der Elementes. a. Tab. 1.2)

Anzahl der AtomorbitaleElektronen-

schaleHaupt-

quantenzahlNeben-

quantenzahl s p d f

Maximale

Besetzung 2n2

K 1 0 1 2

L 2 0, 1 1 3 8

M 3 0, 1, 2 1 3 5 18

N 4 0, 1, 2, 3 1 3 5 7 32

Na

Atomkern Elektron

M-SchaleL-Schale

K-Schale

Mg Al Si P S Cl Ar

Abb. 1.2 Schematische Darstellung des Atomaufbaus der Elemente Na bis Ar nach demSchalenmodell

1.2.4 TermenergieFĂŒr die Termenergie des H-Atoms ergibt sich:

En = − 1n2

⋅ 13,60 eVSie Ă€ndert sich mit 1

n2 . Im Grundzustand mit n = 1 hat das H-Atom eine Energie von−13,60 eV. Der Wert ist negativ, da das Elektron bei der AnnĂ€herung an den Kern

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1.2.5 Orbitalmodell 9

n = ∞

Hα

Balmer-Serie

Lyman-Serie

656,

3

121,

57

91,1

75

364,

618

75,1

820,

4

4051

,2

1458

,474

00,0

2278

,8

Paschen-Serie

Bracket-Serie

Pfund-Serie

HÎČ HÎŽ

Hγ HΔ

n = 5n = 4n = 3

n = 2

n = 1

–0,9–1,5

–3,4

–13,6

0E/

eV

Abb. 1.3 Termschema desH-Atoms mit den erstenfĂŒnf Spektralserien. DieSeriengrenzen sind in nmangegeben.

Energie verliert. Bei n = ∞ ist der Abstand des Elektrons vom Kern ebenfalls unendlichund die Termenergie ist dann Null, d. h., das Elektron ist vom Kern völlig getrennt –das Atom ist ionisiert. Der Betrag der Termenergie im Grundzustand entspricht somit– in Übereinstimmung mit dem experimentellen Wert – der Ionisierungsenergie desH-Atoms (7S. ). In Abb. . ist das Termschema des H-Atoms, aus dem auch diemöglichen ÜbergĂ€nge ersichtlich sind, schematisch wiedergegeben.

Die Vorstellung der Elektronenbewegung auf genau vorgeschriebenen Bahnen, wie sieBohr postuliert hat, stimmt nur nĂ€herungsweise. Nach derHeisenberg’schen UnschĂ€rfe-relation (W.Heisenberg, –) lassen sichOrt und Impuls und damit auch bestimmteElektronenbahnennicht genau angeben. Dies wird verstĂ€ndlich, wennmandavon ausgeht,dass die Elektronen im AtomWellencharakter aufweisen.

1.2.5 OrbitalmodellEine wesentlich verfeinerte Beschreibung des Aufbaus der ElektronenhĂŒlle des H-Atomsgewinnt man, wenn man das Elektron des H-Atoms nicht als Teilchen ansieht, sonderndavon ausgeht, dass esWellencharakter besitzt. Diese Annahme geht auf die BeobachtungzurĂŒck, dass ein Elektronenstrahl, wie er z. B. im Kathodenstrahlrohr (7S. ) erzeugt wer-den kann, je nach Experiment entweder die Eigenschaften eines Teilchenstrahls oder dieEigenschaften einer Welle aufweist. Man spricht in diesem Zusammenhang vom Welle-Teilchen-Dualismus (L.-V. Duc de Broglie, –). So kannman bei geringer IntensitĂ€tdes Elektronenstrahls auf einem Leuchtschirm die einzelnen Lichtblitze der auftreffendenElektronen beobachten undmankanndenElektronenstrahl im elektrischen Feld ablenkenund daraus Masse und Ladung des Elektrons bestimmen. Andererseits kann man miteinem Elektronenstrahl Beugungsbilder erzeugen, die fĂŒr Wellen typisch sind und darausdie WellenlĂ€nge berechnen. Auch zeigt die Tatsache, dass es Elektronenmikroskope gibt,denWellencharakter eines Elektronenstrahls.

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10 1.2 Aufbau der Atome

Das Orbitalmodell beschreibt das Elektron des H-Atoms als dreidimensionale stehen-de Welle, die man auch anschaulich als negative Ladungswolke interpretieren kann, dieim elektrischen Feld des positiv geladenen Kerns schwingt. Wie bei einer schwingendenSaite gibt es eine Grundschwingung und Obertöne höherer Energie, die sich durch ihreSchwingungsformunterscheiden.Die einzelnenSchwingungszustĂ€nde bezeichnetmanalsOrbitale. fand Erwin Schrödinger (–) eine Gleichung, aus der die rĂ€umlicheFormder verschiedenen stehendenWellen und ihre Energie berechnet werden kann.DieseGleichung wird nach ihm als Schrödinger-Gleichung bezeichnet. Die Form der Orbitalewird dabei durch die Wellenfunktion ψ und die Ortskoordinaten x, y, z beschrieben. DieElektronendichte bzw. die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Elektron im VolumenelementdV anzutreffen ist, ist nachM. Born (–) durch ψ2dV gegeben.

WĂ€hrend die Schrödinger-Gleichung fĂŒr das Einelektronensystem des H-Atoms exaktlösbar ist, sind beiMehrelektronensystemen (7S. ) NĂ€herungslösungen erforderlich. Sieergeben jedoch, dass die Orbitale der elektronenreicheren Atome denen des H-AtomsĂ€hnlich sind. Sie entsprechen denH-Atomorbitalen in ihrer Orientierung und Symmetrie.

Die verschiedenen ElektronenzustÀnde lassen sich durch vier Quantenzahlen charak-terisieren, wobei die erstendrei die Form undOrientierung derOrbitale bestimmen. JedesOrbital kann die Schwingungsform von zwei Elektronen reprÀsentieren, die sich dannnoch in der vierten Quantenzahl, der Spinquantenzahl unterscheiden.

. MERKE Charakterisierung der ElektronenzustĂ€nde durch Quantenzahlen1. Hauptquantenzahl n mit den Werten 1, 2, 3, . . .2. Nebenquantenzahl l mit den Werten 0, 1, 2, . . . ,n − 1.3. Magnetquantenzahl oder Orientierungsquantenzahlm mit allen ganzzahligen Wertenzwischen −l und +l.4. Spinquantenzahl s mit den Werten + 1

2 und − 12 .

Die Hauptquantenzahl n ist ein Maß fĂŒr die Energie und fĂŒr die radiale Verteilung derElektronendichte. Der Wert von n gibt außerdem die Anzahl der KnotenflĂ€chen des Or-bitals wieder. Sie entsprechen den Nullstellen der Wellenfunktion. Hierbei ist auch dieĂ€ußere BegrenzungsflĂ€che der Orbitale, die im Unendlichen liegt, mitgezĂ€hlt.

DieNebenquantenzahl l bestimmt imWesentlichen die Form derOrbitale. Sie gibt dieAnzahl der KnotenflĂ€chen an, die durch denAtommittelpunkt gehen. Sie können Knoten-ebenen oder -kegelflĂ€chen sein. FĂŒr die Nebenquantenzahlen werden anstelle der Zahlen-werte meist kleine Buchstaben benutzt, die sich ursprĂŒnglich von den Eigenschaften derSpektrallinien ableiten: s (sharp): l = 0; p (principal): l = 1; d (diffuse): l = 2; f (funda-mental): l = 3. Bei gleicherHauptquantenzahl steigt die Termenergiemit steigendemWertvon l .

Die Orientierungsquantenzahl m bestimmt die Orientierung der Orbitale mit glei-chem n und l im Raum. Zu jedemWert von l gehören 2l + 1Orientierungsmöglichkeiten.

Zur Bezeichnung der Orbitale wĂ€hlt man eine Kombination aus der vorangestelltenHauptquantenzahl, derNebenquantenzahl als BuchstabenundderOrientierungsquanten-zahl als Index, der die Richtung bezĂŒglich der Koordinatenachsen wiedergibt. DemgemĂ€ĂŸspricht man von einem 1s-, 2px - oder 3dx y-Orbital. In Abb. . sind das 1s- sowie die2p-Orbitale dargestellt (d-Orbitale7S. ).

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1.2.6 Aufbau von Mehrelektronensystemen 11

z

s

+

y

x

z

+

–

y

x

z

+

–

y

x

z

2pz 2pₓ 2py

+

–

y

x

Abb. 1.4 Darstellung der Orbitale 1s und 2p

1.2.6 Aufbau von MehrelektronensystemenJedem Schwingungszustand der Elektronen und damit jedem Orbital kommt eine be-stimmte Energie zu. Dabei haben Orbitale gleicher Form (gleicher Wert der Quanten-zahlen n und l) auch gleiche Energie. Bei Mehrelektronensystemenwerden die einzelnenZustÀnde in der Reihenfolge ihrer Energie besetzt, wobei im Grundzustand des Atomsimmer die energetisch am tiefsten liegenden Niveaus besetzt sind. Die Elektronenanord-nung oder Elektronenkonfiguration wird durch die Haupt- und Nebenquantenzahl undden Besetzungsgrad als Exponent dargestellt. Der Grundzustand kann dementsprechenddurch eine Symbolik wiedergegeben werden, wie sie im Folgenden durch einige Beispielegezeigt wird:

He∶ 1s2

C∶ 1s22s22p2

O∶ 1s22s22p4

Nach der Hund’schen Regel (F. Hund, –) werden Niveaus gleicher Energie zu-nĂ€chst einfach besetzt, da dabei die sogenannte Spinpaarungsenergie eingespart wird. Be-trachtet man die Orbitale als Aufenthaltsraum von Elektronen, so haben zwei gepaarteElektronen im selben Orbital einen kleineren Abstand zueinander und wirken nach demCoulomb’schen Gesetz (7Kap. ..) stĂ€rker abstoßend aufeinander als zwei Elektronen,die sich in verschiedenenOrbitalen befinden und daher einen grĂ¶ĂŸeren Abstand zueinan-der aufweisen. Die Spinpaarungsenergie ist die Energiedifferenz zwischen den ZustĂ€ndeneinfacher Besetzung von zwei energiegleichen Orbitalen ( ) und doppelter Besetzungvon nur einem der beiden Orbitale ( ).

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12 1.2 Aufbau der Atome

Tab. 1.2 Besetzung der Orbitale im Grundzustand der Atome H bis Kr

1s

1 H

2 He

2s 2p

3 Li

4 Be

5 B

6 C

7 N

8 O

9 F

10 Ne

3s 3p 3d

11 Na

⋼15 P

⋼18 Ar

4s 4p

19 K

20 Ca

21 Sc

⋼25 Mn

⋼30 Zn

31 Ga

⋼36 Kr

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1.3.1 Allgemeine ZusammenhÀnge 13

Der Physiker W. Pauli (–) erkannte , dass in einem Mehrelektronensystemniemals mehrere Elektronen auftreten können, die in allen vier Quantenzahlen ĂŒber-einstimmen, d. h. sich im gleichen Zustand befinden. Da die drei ersten Quantenzahlen(7Kap. .., S. ) die verschiedenen Orbitale festlegen, kann entsprechend dieser alsPauli-Prinzip bezeichneten Regel jedes Orbital Schwingungsform von einem odermaximal zwei Elektronen sein, die sich dann noch in der Spinquantenzahl unterscheidenund antiparallelen Spin aufweisen.

Hieraus und aus den möglichen Kombinationen der Quantenzahlen lÀsst sich ableiten,dass die maximale Anzahl Elektronen bei festgelegtemWert von n (n-te Schale) 2n2 be-trÀgt ( Tab. .).

Stellt man bei Mehrelektronensystemen die möglichen Atomorbitale durch KĂ€stchendar und symbolisiert ihre Besetzung mit Elektronen durch Pfeile, die gleichzeitig die Ori-entierung des Elektronenspins veranschaulichen sollen, so erhĂ€lt man fĂŒr den Grundzu-stand der Elemente H bis Kr die in Tab. . dargestellten Elektronenanordnungen.

1.3 Periodensystem der Elemente (PSE)

1.3.1 Allgemeine ZusammenhĂ€ngeDas Periodensystem der Elemente (PSE) wurde von D. Mendelejeff und L. MeyerunabhĂ€ngig voneinander entwickelt. Das heutige Ordnungsprinzip ist die Kernladungs-zahl oderOrdnungszahl Z in Verbindung mit der zuvor besprochenen Orbitalbesetzung.Im vorderen Einbanddeckel dieses Lehrbuchs ist ein Periodensystem abgebildet. Die Ele-mente sind in horizontalen Zeilen, die als Perioden bezeichnet werden, und in vertikalenSpalten – denGruppen – so eingeordnet, dass jeweils Elementemit Ă€hnlichen Eigenschaf-ten in den Gruppen untereinander stehen.

Nach der modernen Nomenklatur werden die Elemente entsprechend der Besetzungder s-, p- und d-Orbitale mit insgesamt Elektronen in Gruppen eingeteilt. Eine Ă€ltereNomenklatur ordnet die Elemente nach jeweils acht Hauptgruppen und acht Nebengrup-pen. Im vorliegenden Lehrbuch werden wir die Ă€ltere, gut eingefĂŒhrte Bezeichnung derElemente nach Haupt- und Nebengruppen beibehalten.

DieGrundzustĂ€nde derHauptgruppenelemente sind durch die Besetzung der Ă€ußerenn s- oder der n s- und n p-Orbitale charakterisiert, wobei die Hauptquantenzahl n derĂ€ußersten Schale zugleich die Periodennummer darstellt. Bei den Edelgasen (. Haupt-gruppe) sind die n s- und n p-Orbitale mit insgesamt Elektronen in der Ă€ußersten Schalevoll besetzt. Voll besetzte Elektronenniveaus, wie sie die Edelgase aufweisen, stellen einenbesonders stabilen Zustand dar. Die Edelgase sind daher besonders reaktionstrĂ€ge. Manspricht in diesem Zusammenhang von der Edelgas-Elektronenkonfiguration.

Bei denHauptgruppenelementenwerdendie Elektronender Ă€ußeren Schale alsValenz-elektronen bezeichnet. Sie bestimmenwesentlich die chemischen Eigenschaften. Ihre An-zahl entspricht der Gruppennummer. Die Valenzelektronen der Nebengruppenelementebefinden sich im n s-Orbital der Ă€ußersten Schale sowie in den (n − 1)d-Orbitalen, derdirekt darunter liegenden Schale.

Die (n − 2) f -Elektronen, die bei denLanthanoidenundActinoiden aufgefĂŒllt werden,spielen bei chemischen Reaktionen nur eine relativ untergeordnete Rolle. Hier sind wiebei den eigentlichen Nebengruppenelementen, die auch als d-Elemente bezeichnet wer-

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14 1.3 Periodensystem der Elemente (PSE)

den, die n s- und (n − 1)d-Elektronen fĂŒr die Eigenschaften der Elemente von grĂ¶ĂŸererBedeutung.

Innerhalb der Hauptgruppenelemente unterscheidet man zwischen Metallen undNichtmetallen. Diese sind durch eine Diagonale, die etwa vom Bor zum Astat verlÀuft,voneinander getrennt. Die Nichtmetalle befinden sich rechts der Diagonalen, wÀhrenddie Metalle links der Diagonalen angeordnet sind. Die Elemente in unmittelbarerNachbarschaft der Diagonalen weisen halbmetallische Eigenschaften auf. Die Neben-gruppenelemente haben alle Metallcharakter.

1.3.2 PeriodizitÀt der EigenschaftenDie physikalischen und chemischenEigenschaftender Elemente Àndern sich in den einzel-nen Perioden und Gruppenmit steigenderOrdnungszahl weitgehend gleichsinnig. Daherkann man aus der Stellung eines Elements im PSE grundsÀtzliche Eigenschaften ablesen.

Von den Eigenschaften, die sich periodisch Àndern, seien als wichtigste genannt: Atom-und Ionenradien, Atomvolumina, Ionisierungsenergien,Metallcharakter, Elektronegativi-tÀt, Schmelz- und Siedepunkte.

Atom- und IonenradienNeben Anzahl und Art der Valenzelektronen bestimmen vor allem die Radien der Atomedie Eigenschaften der Elemente. Elemente, bei denen Valenzelektronen und AtomradiusĂŒbereinstimmen, haben nahezu gleiche Eigenschaften. Dies ist beispielsweise bei Zirconi-um und Hafnium oder Niob und Tantal sowie bei benachbarten Lanthanoidenelementender Fall.

Die Atom- und Ionenradien nehmen innerhalb einer Gruppe des PSE von oben nachunten zu, da jeweils eine neue Elektronenschale hinzukommt. Innerhalb einer Periodenehmen die Atomradien von links nach rechts ab, da die hinzukommenden Elektronen indieselbe Schale eingebaut werden, wegen der zunehmenden Kernladungszahl die Anzie-hungskraft, die auf die Elektronen wirkt, aber stÀrker wird.

EineAusnahme bilden dieNebengruppenelemente der zweiten und drittenÜbergangs-reihe (4d- und 5d-Elemente) ab den Elementen Zr und Hf. Nach dem Element LanthanfĂŒgen sich die Lanthanoidenelemente in das PSE ein. Innerhalb der Reihe der Lan-thanoiden nimmt wie in jeder Periode der Radius der Atome ab, wie eine Betrachtungder Radien in kovalenten Bindungen (Kovalenzradien) von Ce (165pm) und Lu (156pm)zeigt. Dieser als Lanthanoiden-Kontraktion bekannte Effekt ist nahezu ebenso groß wiedie Zunahme des Kovalenzradius beim Übergang von einem 4d- zu einem 5d-Element(z. B. Y: 162pm, La: 169pm), sodass der Radius von Zr (145pm) und Hf (144pm) wieauch bei den entsprechenden folgenden Nebengruppenelementen gerade fast gleich istund daher sehr Ă€hnliche Eigenschaften resultieren.

Bei der Aufnahme bzw. Abgabe von Elektronen, also bei der Bildung von Anionen undKationen, verĂ€ndern sich die Radien der Atome sehr stark. Ein Anion istwegen der negati-venÜberschussladungund der damit verbundenen verstĂ€rktenAbstoßung der Elektronenuntereinander stets deutlich grĂ¶ĂŸer als das zugehörige neutrale Atom. Hingegen ist einKation wegen der verstĂ€rkten Anziehung durch die ĂŒberschĂŒssige Kernladung stets er-heblich kleiner. Die folgenden Daten fĂŒr Kovalenz- und Ionenradien vom Stickstoff sollendies beispielhaft verdeutlichen: Kovalenzradius: 75 pm, Ionenradius: N−: 146 pm.

Aus den gleichen GrĂŒnden Ă€ndern sich auch die Radien isoelektronischer Ionen, d. h.von Ionen mit gleicher Gesamtelektronenanzahl, sehr stark ( Tab. .).

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1

1.3.2 PeriodizitÀt der Eigenschaften 15

Ionenradien

C4− N3− O2− F− Na+ Mg2+ Al3+ Si4+

260 146 140 136 95 65 50 41

Kovalenzradien

C N O F Na Mg Al Si

77 75 73 72 154 136 118 111

Tab. 1.3 Radien (inpm) isoelektronischerIonen. Zum Vergleichsind außerdem dieKovalenzradien der Atomeangegeben.

IonisierungsenergieMan unterscheidet zwischen der ., . und höheren Ionisierungsenergien. Die . Ionisie-rungsenergie nimmt bei den Hauptgruppenelementen innerhalb einer Gruppe von obennach unten und innerhalb einer Periode von rechts nach links ab, da die AtomgrĂ¶ĂŸe zu-nimmt und somit entsprechenddemCoulomb’schenGesetz (7Kap. ..) dieAnziehungs-kraft auf das Ă€ußerste Elektron abnimmt.

. MERKE Die 1. Ionisierungsenergie ist diejenige Energie, die aufgewandt werden muss,um einem isolierten Atom (oder MolekĂŒl) im Grundzustand das energetisch am höchstenliegende und damit am schwĂ€chsten gebundene Elektron zu entreißen. Die 2. undhöhere Ionisierungsenergien sind entsprechend diejenigen Energien, die notwendigsind, ein zweites oder weitere Elektronen abzuspalten. Die Ionisierungsenergie wirddabei um so grĂ¶ĂŸer, je höher die resultierende Ladung des entstehenden Kations ist.

Die Unterschiede sind innerhalb einer Periode grĂ¶ĂŸer als in einer Gruppe, da hier nochandere Effekte hinzukommen. So geben die Edelgase nur ungern Elektronen ab, da dabeider energetisch gĂŒnstige Zustand einer abgeschlossenen Elektronenschale verloren geht.Sie haben sehr hohe Ionisierungsenergien. Hingegen geben z. B. die Alkalielemente ihrValenzelektron leicht ab. Sie haben die niedrigsten Ionisierungsenergien, da sie auf dieseWeise eine Edelgas-Elektronenkonfiguration erreichen und da außerdem die tiefer liegen-den Elektronenschalen die Anziehungskraft, die vom Kern auf das Ă€ußere Elektron wirkt,weitgehend abschirmen. Elemente, die leicht Elektronen abgeben und daher zur Bildungvon Kationen neigen, werden auch als elektropositiv bezeichnet.

MetallcharakterMetalle sind durch niedrige Ionisierungsenergien gekennzeichnet. Der Metallcharakternimmt daher bei den Hauptgruppenelementen gemĂ€ĂŸ demVerlauf der Ionisierungsener-gien von rechts nach links und vonobennach unten zu. ImZusammenhangmit der niedri-gen Ionisierungsenergie weisen dieMetalle gute elektrische LeitfĂ€higkeit auf. Metalle sindaußerdem durch metallischenGlanz, guteWĂ€rmeleitfĂ€higkeit und einfache, hochsymme-trische Kristallstrukturen gekennzeichnet.

Einige Elemente, die wie Ge und Sb in der NÀhe der Trennungslinie zwischen Me-tallen und Nichtmetallen angeordnet sind, sind Halbmetalle. Sie bilden hÀufig mehrereModifikationen, die entweder mehr metallischen oder mehr nichtmetallischen Charakteraufweisen.

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16 1.3 Periodensystem der Elemente (PSE)

ElektronenaffinitÀtNichtmetalle haben höhere Ionisierungsenergien als Metalle. Vor allem die weiter rechtsim PSE stehendenHauptgruppenelemente erreichen eine Edelgas-Elektronenkonfigurati-on leichter durch Aufnahme als durch Abgabe von Elektronen.

. MERKE Man bezeichnet diejenige Energie, die bei der Aufnahme von einem Elektron durchein isoliertes Atom im Grundzustand umgesetzt wird, als 1. ElektronenaffinitÀt.

Im Unterschied zur Ionisierung von Atomen, die stets ein endothermer Vorgang ist, kanndie Aufnahme von Elektronen je nach Element sowohl exotherm als auch endothermerfolgen. Die Halogene haben unter den Elementen die im Betrag grĂ¶ĂŸten negativen Elek-tronenaffinitĂ€ten. Bei Sauerstoff erfolgt die Aufnahme des ersten Elektrons exotherm. DieAufnahme des zweiten, zum Erreichen einer Edelgas-Elektronenkonfiguration notwendi-gen Elektrons (. ElektronenaffinitĂ€t) ist hingegen ein so stark endothermer Prozess, dassdie zugehörige gesamte ElektronenaffinitĂ€t fĂŒr die Bildung des O−-Ions positiv ist.

Mit zunehmender Ionenladung wird die Bildung eines Anions immer unwahrschein-licher, da die Aufnahme von mehr als einem Elektron stets positive ElektronenaffinitĂ€tenerfordert und diese Energie mit zunehmender Ladung des entstehenden Anions schnellgrĂ¶ĂŸer wird.

ElektronegativitĂ€tIm Unterschied zur ElektronenaffinitĂ€t, die eine EnergiegrĂ¶ĂŸe ist, stellt die Elektronega-tivitĂ€t eine dimensionslose Vergleichszahl dar, die die FĂ€higkeit eines Elements charak-terisiert, Elektronen einer Atombindung (7Kap. ..) anzuziehen. Die Elektronegativi-tĂ€t wird ausfĂŒhrlich in 7Kap. .. behandelt. Sie nimmt im Periodensystem innerhalbder Hauptgruppenelemente von unten nach oben und von links nach rechts zu, da indieser Richtung der Atomradius abnimmt, und dementsprechend die Anziehungskraftnach dem Coulomb’schen Gesetz (7Kap. ..) zunimmt. Die ElektronegativitĂ€t nimmtvon links nach rechts stĂ€rker zu, da hier auch die Zunahme der Kernladung gleichsin-nig wirkt, wĂ€hrend innerhalb einer Hauptgruppe die Änderung geringer ist. Hier hat dieKernladung einen entgegengesetzten Einfluss.

IonenpotenzialZum Vergleich der Eigenschaften von Ionen mit verschiedener Ladung und verschiede-nem Radius wird das sogenannte Ionenpotenzial z/r, der Quotient aus der Ladungszahl(z) und dem Radius (r) eines Ions herangezogen. Das Ionenpotenzial kann als ungefĂ€h-res Maß fĂŒr die StĂ€rke des vom Ion ausgehenden elektrischen Felds betrachtet werden.Jedoch ist streng genommen der Vergleich der chemischen Eigenschaften aufgrund desIonenpotenzials nur auf Ionen mit gleicher Elektronenanordnung anwendbar. Weiterhinist die Tatsache zu berĂŒcksichtigen, dass die Ionen in wĂ€sseriger Lösung eine HydrathĂŒlleaufweisen.

Beispiele fĂŒr Ionenpotenziale sind in Tab. . aufgefĂŒhrt, in der Ionen angegeben sind,bei denen die Ă€ußere ElektronenhĂŒlle eine abgeschlossene Zweier- oder Achterkonfigura-tion aufweist (Angaben in 1/(10−8 cm)).

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1

1.4.1 Ionenbindung 17

Tab. 1.4 Ionenpotenziale fĂŒr Ionen mit abgeschlossener Zweier- oder Achterkonfiguration

Cs+ Rb+ NH+4 K+ Na+ Li+ Ra2+ Ba2+ Sr2+ Ca2+ La3+

z/r 0,6 0,7 0,7 0,8 1,0 1,3 1,3 1,4 1,6 1,9 2,5

Ce3+ Mg2+ Y3+ Sc3+ Zr4+ Hf4+ Al3+ Be2+ Ti4+ Si4+ B3+

z/r 2,5 2,6 2,8 3,6 4,6 4,6 5,3 5,9 6,2 9,8 15,0

1.4 Chemische Bindung

Die ReaktionstrĂ€gheit der Edelgase zeigt, dass abgeschlossene Elektronenschalen einenbesonders gĂŒnstigen elektronischen Zustand darstellen. Die chemische ReaktivitĂ€t undverbunden damit auch die chemische Bindung wird durch das Bestreben der Elemente,eine abgeschlossene Edelgas-Elektronenkonfiguration zu erreichen, wesentlich geprĂ€gt.Der einfachste Fall liegt vor, wenn durch einen Austausch von Elektronen zwischen ei-nem Metallatom und einem Nichtmetallatom beide eine Edelgas-Elektronenkonfigura-tion erreichen. Das Metallatom gibt dabei so viele Elektronen ab, bis es die Elektronen-konfiguration des im Periodensystem vor ihm stehenden Edelgases erreicht, wĂ€hrend dasNichtmetall seine unvollstĂ€ndige Ă€ußere Schale voll auffĂŒllt. Dabei entstehen KationenundAnionen, die im festenZustand durch elektrostatischeAnziehung zusammengehaltenwerden und so ein Salz bilden. Man nennt diese Art der Bindung Ionenbindung.

Wenn zwei oder mehrere Nichtmetallatome miteinander reagieren, bilden sie unter-einanderAtombindungen oder kovalente Bindungen aus, die durch Elektronenpaare, diezwei oder mehreren Atomen gemeinsam angehören, charakterisiert sind.

Metalle werden im kondensierten Zustand durch dieMetallbindung zusammengehal-ten. Hier liegt eine Vielzentrenbindung vor, bei der die Elektronen vielen Metallatomen(Zentren) gleichzeitig angehören.

Diese drei genannten Bindungsarten Ionenbindung, Atombindung undMetallbindungstellenmodellhafteGrenzfĂ€lle dar.Meist liegenÜbergĂ€nge zwischendiesendrei Bindungs-typen vor. Die genannten drei Bindungsarten reprĂ€sentieren die starken BindungskrĂ€fte.Daneben gibt es noch schwĂ€chere Bindungen, die alsVan-der-Waals-Bindungen bezeich-net werden.

1.4.1 IonenbindungWie oben erlĂ€utert, gebenMetallatome leicht Elektronen ab, d. h., sie haben niedrige Ioni-sierungsenergien und bilden bevorzugt Kationen. Nichtmetalle haben hohe Elektronen-affinitĂ€ten und bilden leicht Anionen. Vereinigt man ein Metall mit niedriger Ionisie-rungsenergie und einNichtmetall mit hoher ElektronenaffinitĂ€t, so entsteht ein Salz. Salzesind dadurch charakterisiert, dass sie aus Ionen aufgebaut sind. Außerdem stellen sie festeVerbindungen mit hohem Schmelzpunkt dar.

Der Zusammenhalt der Ionen in einem Salz wird durch die Ionenbindung, d. h. durchdie Coulomb’sche Anziehung zwischen Kationen und Anionen, bewirkt. Die Anziehungs-

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18 1.4 Chemische Bindung

kraft K, die zwischen einemKation und einemAnion wirkt, wird durch dasCoulomb’scheGesetz beschrieben:

K = 14πΔ0

⋅ z+e+ ⋅ z−e−r2

| e+, e− positive bzw. negative Elementarladung in C/mol | z+ , z− Anzahl der positiven bzw. negativen Ele-mentarladungen | r Abstand zwischen Kation und Anion | Δ0 DielektrizitĂ€tskonstante in As/(Vm)Die entgegengesetzt geladenen Ionen nĂ€hern sich einander so weit, bis die elektrostatischeAnziehung durch die AbstoßungskrĂ€fte der gleichsinnig geladenen ElektronenhĂŒllen undKerne kompensiert wird. DieAbstoßung kann auch damit erklĂ€rt werden, dass sich die vollbesetztenOrbitale von Kation undAnion aufgrund des Pauli-Prinzips nicht durchdringenkönnen, das ja besagt, dass sich im gleichen Orbital bzw. Aufenthaltsraum nur maximalzwei Elektronen befinden dĂŒrfen.

Da das elektrische Feld, das von Kation bzw. Anion ausgeht, kugelsymmetrisch ist undsomit in alle Raumrichtungen gleich stark wirkt, bilden sich in einem einfachen Salz keineIonenpaare. Vielmehrumgibt sich jedes Ionmit so vielenGegenionen, wie aus rĂ€umlichenGrĂŒnden möglich ist. Hieraus resultiert in der Regel eine hochsymmetrische Anordnungin einemKristallgitter. Die Anzahl der Anionen, die ein Kation umgeben können, d. h. dieKoordinationszahl, wird dabei durch den Radienquotienten festgelegt. So hat Na+ in derNaCl-Struktur sechs Cl−-Nachbarn in oktaedrischer Anordnung ( Abb. .). Im CsCl-Gitter ist das grĂ¶ĂŸere Cs+ (KZ ) wĂŒrfelförmig von acht Cl−-Ionen umgeben. Das relativkleineZinkatom inZinkblende (ZnS) ( Abb. .) ist vonvier Schwefelatomen tetraedrischumgeben. Entsprechend nimmt der Radienquotient r(Kation)/r(Anion) von 0,402 beiZnS ĂŒber 0,525 bei NaCl auf 0,934 bei CsCl zu.

Anhand der Radienquotienten kann man fĂŒr diese drei AB-Strukturtypen und analogauch fĂŒr die AB-Typen SiO (Cristobalit), TiO (Rutil) und CaF (Fluorit) Existenzberei-che ( Tab. .) angeben. Die untere Grenze entspricht dabei genau der GrĂ¶ĂŸe der jeweili-gen LĂŒcke ( Abb. .). Dies bedeutet, dass die von den grĂ¶ĂŸeren Anionen gebildeten LĂŒ-ckenniemals von einemKation besetzt werden, das kleiner ist als die entsprechende LĂŒcke.

Abb. 1.5 Struktur von NaCl (Ausschnitt)

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1.4.1 Ionenbindung 19

A B

Abb. 1.6 Elementarzellen der Kristallgitter von CsCl (A) und Zinkblende, ZnS (B); blau = Anio-nen; weiß = Kationen

Tab. 1.5 AB-Strukturtypen und Radienquotient

Zinkblende Natriumchlorid Caesiumchlorid

(TetraederlĂŒcke) (OktaederlĂŒcke) (WĂŒrfellĂŒcke)

0,225 ≀ r(Kation)r(Anion) < 0,414 0,414 ≀ r(Kation)

r(Anion) < 0,732 0,732 ≀ r(Kation)r(Anion) < 1,0

2rX₋

a = 1

1⁄2 a

r M+

r X₋

Abb. 1.7 Berechnung des Radien-verhĂ€ltnisses, das beim NaCl-Typ nichtunterschritten werden darf:rM+ + rX− = √2rX−rM+ = (√2 − 1)rX−rM+

rX−

= √2 − 1 = 0,414

Bei der AnnÀherung der entgegengesetzt geladenen Ionen wird erhebliche potenzielleEnergie gewonnen. Man spricht in diesem Zusammenhang von der Gitterenergie.

. MERKE Die Gitterenergie ist diejenige Energie, die bei der Vereinigung von je einem Molvoneinander getrennter freier, gasförmiger Kationen und freier, gasförmiger Anionen zumkristallinen Salz freigesetzt wird.

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20 1.4 Chemische Bindung

Naâș(g)

Ionisierungspotenzial (–e⁻)fĂŒr Na = 495,4 kJ/mol

SublimationsenergiefĂŒr Na = 108,4 kJ/mol

DissoziationsenergiefĂŒr Cl₂ = 120,9 kJ/mol

StandardbildungsenthalpiefĂŒr NaCl = –410,8 kJ/mol

ElektronenaffinitĂ€t (+e⁻)fĂŒr Cl = –348,5 kJ/mol

Cl⁻(g)

Na(g) Cl(g)

Na(s) 1⁄2Cl₂(g)

NaCl(s) kristallines NaCl

GitterenergieU = –787 kJ/mol

gasförmige Ionen

Abb. 1.8 Born-Haber-Schema zur Ermittlung der Gitterenergie von NaCl

Aufgrund der hohen Gitterenergie erklĂ€rt sich auch die hohe BildungswĂ€rme der Salzeund ihre große StabilitĂ€t, obwohl fast alle Prozesse, die zur Bildung der freien gasförmigenIonen aus denElementen fĂŒhren, stark endotherm sind. ImFalle der Bildung vonNaCl ausNatriummetall und Chlor muss Natrium verdampft und ionisiert werden. Beide Prozessesind endotherm und entsprechendmit positiven Energiewerten verbunden. Ebenfalls po-sitiv ist die Dissoziationsenergie, die aus den Cl-MolekĂŒlen Chloratome bildet. Nur diemit der Elektronenaufnahme zum Cl−-Ion verbundene ElektronenaffinitĂ€t ist negativ. Beider Bildung von Oxiden z. B. ist auch die ElektronenaffinitĂ€t positiv. Die Gitterenergieist aber so groß, dass sie alle endothermen Prozesse weit ĂŒberkompensieren kann. Dieenergetischen VerhĂ€ltnisse sind qualitativ in Abb. . durch das Born-Haber-Schemaverdeutlicht.

Ionentypen und ihre BestĂ€ndigkeitAn dieser Stelle soll noch auf die StabilitĂ€t unterschiedlicher Ionentypen eingegangen wer-den.Wir hatten bereits die relativ hohe StabilitĂ€t der Ionenmit einer Edelgas-Elektronen-konfiguration behandelt, wie sie z. B. bei Na+, Sc+ oder auch Cl− vorliegt; in Klammernist jeweils das Edelgas mit gleicher Elektronenkonfiguration angegeben:

Na+∶ 1s22s2p6 = [Ne]Sc3+, Cl−∶ 1s22s2p63s2p6 = [Ar]

Eine Ă€hnlich gute StabilitĂ€t weisen Ionen wie Ag+ oder Zn+ mit einer Pseudo-Edelgas-Elektronenkonfiguration auf. Sie verfĂŒgen neben der abgeschlossenen Elektronenschale

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1

1.4.1 Ionenbindung 21

der Edelgase noch ĂŒber ein volles d-Niveau und erfĂŒllen somit die Bedingung, dass keineunvollstĂ€ndig besetzten Elektronenschalen vorhanden sind.

Ag+∶ 1s22s2p63s2p6d104s2p6d10 = [Kr]4d10

Zn2+∶ 1s22s2p63s2p6d10 = [Ar]3d10

Eine vergleichbar hohe StabilitĂ€t wie voll aufgefĂŒllte Elektronenniveaus besitzen auch halbgefĂŒllteNiveaus, bei denen dieOrbitale jeweils einfach besetzt sind, z.B. wie beiMn+ undFe+:

Mn2+, Fe3+∶ 1s22s2p63s2p6d5 = [Ar]3d5

Ein Sonderfall liegt bei den schweren Hauptgruppenelementen vor. Hier findet man diestabilen Ionen Tl+, Pb+ und Bi+ mit einem vollen 6s-Niveau. Eine Edelgas-Elektronen-konfiguration liegt hier nicht vor, da das 6p-Niveau leer ist.

Tl+, Pb2+, Bi3+∶1s22s2p63s2p6d104s2p6d10 f 145s2p6d106s2 = [Xe]4 f 145d106s2

Man bezeichnet das volle 6s-Niveau im Englischen als „inert pair“ und spricht in diesemZusammenhang vom Inert-Pair-Effekt. Diese Ionen sind deutlich stabiler als die zugehö-rigen Ionen mit unbesetztem 6s-Niveau: Tl+, Pb+ und Bi+. Letztere sind dementspre-chend starke Oxidationsmittel.

Neben den aufgefĂŒhrten Ionentypen existieren bei den Nebengruppenelementen vieleebenfalls recht stabile Ionen wie z. B. Cr+, Co+ oder Cu+, bei denen keine der angege-benen Regeln zutrifft.

Ionische FlĂŒssigkeitenIonische FlĂŒssigkeiten sind Salze, deren Ionen durch Ladungsdelokalisierung und steri-sche Effekte die Bildung eines stabilen Kristallgitters behindern. Bereits geringe thermi-sche Energie genĂŒgt daher, umdieGitterenergie zuĂŒberwindenunddie festeKristallstruk-tur aufzubrechen. Es handelt sich definitionsgemĂ€ĂŸumSalze, die auch ohne Lösemittel beiTemperaturen unter °C flĂŒssig sind. beschrieb Paul Walden (–) die ers-te Ionische FlĂŒssigkeit. Ethylammoniumnitrat ([(CH)N]

+NO− ), weist einen Schmelz-punkt von °C auf.

Beispiele fĂŒr verwendete Kationen, die insbesondere alkyliert sein können, sind Am-monium, Phosphonium, Imidazolium oder Pyridinium. Als Anionen kommen Haloge-nide und komplexere Ionen, wie Tetrafluoridoborate, Trifluoracetate, Hexafluoridophos-phate oder Phosphinate in Frage.

Durch Variation der Substituenten eines gegebenen Kations und durch Variation desAnions können die physikalisch-chemischen Eigenschaften einer ionischen FlĂŒssigkeit inweiten Grenzen variiert und auf technische Anforderungen hin optimiert werden.

Ionische FlĂŒssigkeiten zeichnen sich durch eine Reihe interessanter Eigenschaften aus.Sie sind thermisch stabil, nicht entzĂŒndlich, haben einen sehr niedrigen, kaummessbarenDampfdruck und verfĂŒgen ĂŒber sehr gute Lösungseigenschaften fĂŒr zahlreiche Substan-zen. Auch besitzen sie aufgrund ihres rein ionischen Aufbaus interessante elektrochemi-sche Eigenschaften, wie z. B. elektrische LeitfĂ€higkeit.

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4

65

4 SĂ€uren und Basen

Definition nach BrĂžnsted . . . 65 | Definition nach Lewis . . . 66 | Schwache

SĂ€uren und Basen: SĂ€urekonstante, Basenkonstante . . . 67 |

Wasserstoffionenkonzentration und pH-Wert . . . 68 | pK-Werte von SĂ€uren

und Basen . . . 70 | Hydrolyse . . . 74 | Pufferlösungen . . . 77 | AusgewÀhlte

SĂ€uren und Basen . . . 79

4.1 Definition nach BrĂžnsted

. MERKE Nach der heute ĂŒblichen Definition von SĂ€uren und Basen nach J. N. BrĂžnsted(1879–1947) wird als SĂ€ure ein Stoff bezeichnet, der Protonen abgeben kann (Proto-nendonator). Eine Base ist ein Stoff, der Protonen aufnimmt (Protonenakzeptor).

Wenn eine SĂ€ure ein Proton abgibt, bleibt ein SĂ€urerest zurĂŒck, der seinerseits eine Base ist,da er unter RĂŒckbildung der SĂ€ure auch wieder ein Proton aufnehmen kann. Eine SĂ€ureund eine Base, die auf diese Weise verknĂŒpft sind, werden als korrespondierendes oderkonjugiertes SĂ€ure-Base-Paar bezeichnet; man spricht von der mit der SĂ€ure korrespon-dierenden oder konjugierten Base:

HBïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ B− + H+SĂ€ureïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ Base + Proton

Da es sich bei einem Proton lediglich um einen H-Atomkern ohne ElektronenhĂŒlle han-delt, können Protonen in Lösungen oder anderen kondensierten Phasen nicht isoliert auf-treten. Dies bedeutet, dass eine SĂ€ure nur dann ein Proton abgeben kann, wenn eine Basevorhanden ist, die das Proton ĂŒbernimmt und kovalent bindet. Wichtige VoraussetzungfĂŒr eine Base ist daher, dass sie ĂŒber mindestens ein freies Elektronenpaar fĂŒr die koordi-native Bindung (7Kap. ..) zum Proton verfĂŒgt.

Eine SĂ€ure-Base-Reaktion besteht somit in einemAustausch des Protons von der SĂ€urezur Base. Dies fĂŒhrt zwangslĂ€ufig dazu, dass stets zwei SĂ€ure-Base-Paare wechselwirken.

Den Sachverhalt kann man sich anhand der EssigsĂ€ure HAc (Ac− = CH3COO−) klarmachen. Reine EssigsĂ€ure leitet den elektrischen Strom nicht, da keine geeignete Basevorhanden ist, die das Proton aufnehmen kann und daher praktisch keine Dissoziation

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66 4.2 Definition nach Lewis

in Ionen erfolgt. Erst wenn beispielsweiseWasser als Base zugefĂŒgt wird, kann EssigsĂ€uredissoziieren:

HAcïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ Ac− + H+H2O + H+ ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ H3O

+

HAc + H2Oïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ H3O+ + Ac−

SĂ€ure 1 + Base 2ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ SĂ€ure 2 + Base 1Da zwei SĂ€ure-Base-Paaremiteinander wechselwirken, fĂŒhrt die Protonenaustauschreak-tion zu einem Gleichgewicht.

Die StĂ€rke einer SĂ€ure hĂ€ngt davon ab, wie leicht sie ihr Proton abspalten kann. Entspre-chend ist die StĂ€rke einer Base proportional zu ihrer FĂ€higkeit, das Proton zu binden. Einestarke SĂ€ure spaltet ihr Proton leicht ab und korrespondiert daher mit einer schwachenBase, wĂ€hrend umgekehrt eine starke Base mit einer schwachen SĂ€ure korrespondiert.Eine quantitative Angabe der StĂ€rke von SĂ€uren und Basen ist ĂŒber das MWG durch dieSĂ€urekonstante und Basenkonstante (7S. ) möglich.

SchwefelsÀure HSO besitzt zwei Protonen, OrthophosphorsÀure HPO drei Pro-tonen, die sie nacheinander abgeben können. In diesen FÀllen liegen mehrwertige odermehrprotonige SÀuren vor.

Einige Stoffe, wie z. B. HPO− , können sowohl als SĂ€ure als auch als Base reagieren. Sie

werden als Ampholyte oder als amphoter bezeichnet:

HPO2−4 ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ PO3−4 + H+HPO2−4 + H+ ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ H2PO

−4

ObeinAmpholyt als SÀure oder als Base reagiert, hÀngt vonderArt undKonzentration desjeweiligen Reaktionspartners ab. Ist der Reaktionspartner eine stÀrkere SÀure, so reagiertder Ampholyt als Base. Ist der Reaktionspartner die stÀrkere Base, so reagiert er als SÀure.

Die spezielle SĂ€ure-Base-Reaktion der SĂ€ure HO+ mit der Base OH− wirdNeutralisa-

tion genannt.H3O

+ + OH− ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ 2H2O

Die Neutralisation ist eine stark exotherme Reaktion, die mit der Freisetzung von 57,6 kJproMol HO verbunden ist. Die RĂŒckreaktion der Neutralisation entspricht der Eigendis-soziation oder Autoprotolyse des Wassers (7Kap. ..).

4.2 Definition nach Lewis

Eine Erweiterung der Definition von SĂ€uren und Basen hat Lewis () eingefĂŒhrt.

. MERKE Nach Lewis ist eine SĂ€ure ein Elektronenpaar-Akzeptor und eine Base ein Elektro-nenpaar-Donator.

Zur Unterscheidung von SĂ€uren und Basen nach der BrĂžnsted’schen Definition sprichtman hier von Lewis-SĂ€uren und Lewis-Basen. Bei der Reaktion einer Lewis-SĂ€ure miteiner Lewis-Base wird eine koordinative Bindung (7Kap. .., S. ) ausgebildet. EineLewis-Base muss daher ĂŒber mindestens ein freies Elektronenpaar verfĂŒgen. Hier zeigtsich die Gemeinsamkeit mit der Definition einer Base nach BrĂžnsted; denn eine BrĂžnsted-Base kann nur dann ein Proton aufnehmen, wenn sie fĂŒr die Bindung zum Proton ein

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4

4.3.1 Einwertige SĂ€uren und Basen 67

freies Elektronenpaar zur VerfĂŒgung stellen kann. Die Definitionen unterscheiden sichjedoch in Bezug auf die SĂ€ure. Nach Lewis ist das Proton die SĂ€ure, denn es wird vonder Base unter Bildung einer koordinativen Bindung aufgenommen und ist damit derElektronenpaar-Akzeptor. Ganz allgemein ist eine Lewis-SĂ€ure ein Ion oder ein MolekĂŒlmit einer Elektronenpaar-LĂŒcke. Dies ist beispielsweise bei den Borhalogeniden BX (X =F, Cl, Br, I) (7S. ) oder bei PCl der Fall. So reagiert BF mitNH unter Ausbildung einerkoordinativenB−N-Bindung.Wiewir bei derTheorie derKomplexe (7Kap. ) noch sehenwerden, sind Komplexe das Ergebnis einer Reaktion einer Lewis-SĂ€ure mit Lewis-Basen.Hier ist das Zentralatom des entstehenden Komplexes die Lewis-SĂ€ure.

4.2.1 HSAB-Konzept nach PearsonPearson ĂŒbernimmt die Definition von Lewis, er geht jedoch in seinem HSAB-Konzeptvon harten und weichen SĂ€uren und Basen (Hard and SoftAcids and Bases) noch weiter.Danach sind harte SĂ€uren wenig polarisierbare Kationen oder MolekĂŒle wie z. B. H+, Li+,Mg+, Al+, BF, PF.Weiche SĂ€uren sind gut polarisierbar, z. B. Cs+, Ag+, Hg+. Analogesgilt fĂŒr Basen: hart sind z. B. F−, HO, OH

− und weich sind Br−, I−, S−. Starke Bindungenmit hohem Ionenbindungsanteil entstehen zwischen harter Base und harter SĂ€ure bzw.weicher Base und weicher SĂ€ure, z. B.:

Li+ + F− ïżœïżœâ†’ LiF bzw. Cs+ + I− ïżœïżœâ†’ CsI

SchwĂ€chere Bindungen ĂŒberwiegend kovalenter Art bilden sich aus harter SĂ€ure und wei-cher Base oder umgekehrt, z. B.:

Cr3+ + 6 SCN− ïżœïżœâ†’ [Cr(SCN)6]3− bzw. Hg2+ + 2 Cl− ïżœïżœâ†’ HgCl2

4.3 Schwache SĂ€uren und Basen: SĂ€urekonstante, Basenkonstante

4.3.1 Einwertige SĂ€uren und BasenSchwache einwertige SĂ€uren HA und schwache einwertige Basen B nach BrĂžnsted reagie-ren mit Wasser unter Ausbildung eines Gleichgewichts fĂŒr das das MWG formuliert wer-den kann.

FĂŒr eine schwache SĂ€ure gilt:

HA + H2Oïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ H3O+ + A−

cH3O+ ⋅ cA−

cHA ⋅ cH2O= Kâ€ČS

Da in verdĂŒnnterwĂ€sseriger Lösung die Konzentration desWassers als konstant angenom-men werden kann, gilt:

cH3O+ ⋅ cA−cHA

= Kâ€ČS ⋅ cH2O = KS

FĂŒr eine schwache Base gilt:B + H2Oïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ HB+ + OH−

Page 23: Jander/Blasius Anorganische Chemie I

68 4.4 Wasserstoffionenkonzentration und pH-Wert

cHB+ ⋅ cOH−

cB ⋅ cH2O= Kâ€ČB und

cHB+ ⋅ cOH−

cB= Kâ€ČB ⋅ cH2O = KB

KS wird als SĂ€ure-Dissoziationskonstante oder einfach als SĂ€urekonstante und KB alsBasen-Dissoziationskonstante oder Basenkonstante bezeichnet. HĂ€ufig werden an ihrerStelle auch die negativen dekadischen Logarithmen pKS und pKB angegeben.

− logKS = pKS und − logKB = pKB

4.3.2 Mehrwertige SĂ€urenDie Dissoziation einer mehrwertigen SĂ€ure erfolgt schrittweise und jeder einzelnen Stufeder Protonenabgabe entspricht ein eigenesGleichgewicht und eine eigeneGleichgewichts-konstante bzw. SĂ€urekonstante. Die Gleichgewichtskonstante der Summenreaktion ist dasProdukt der Einzelkonstanten.

H2A +H2O ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ H3O+ +HA− ; cH3O

+ ⋅ cHA−

cH2A= KS1

HA− +H2O ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ H3O+ +A2− ;

cH3O+ ⋅ cA2−

cHA−= KS2

H2A + 2H2O ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ 2H3O+ +A2− ;

c2H3O+ ⋅ cA2−

cH2A= KS1 ⋅ KS2 = KS

4.4 Wasserstoffionenkonzentration und pH-Wert

4.4.1 Dissoziation von WasserWasser ist ein Ă€ußerst schwacher, amphoterer Elektrolyt, der in sehr schneller, reversiblerReaktion in hydratisierte HO

+- und OH−-Ionen dissoziiert:

2H2Oïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ H3O+ + OH−

Der Dissoziationsgrad ist sehr klein und betrĂ€gt bei °C α = 3,6 ⋅ 10−9. Wegen diesernur geringfĂŒgigen Eigendissoziation besitzt reines Wasser nur eine geringe spezifischeLeitfĂ€higkeit von χ = 1 ⋅ 10−8 Ω−1 ⋅ cm−1 bei °C. NatĂŒrliches Wasser weist wegen derdarin gelösten Elektrolyte eine bedeutend höhere LeitfĂ€higkeit auf.

Infolge der geringenKonzentration anH+- (vereinfachte Schreibweise,7Kap. ., S. )undOH−-Ionen in reinemWasserkönnen imMWGanstelle derAktivitĂ€ten die Stoffmen-genkonzentrationen angesetzt werden:

Ka = aH+ ⋅ aOH−

aH2O= cH+ ⋅ fH+ ⋅ cOH− ⋅ fOH−

aH2O≈ cH+ ⋅ cOH−

aH2O= 1,8 ⋅ 10−16

Page 24: Jander/Blasius Anorganische Chemie I

4

4.4.3 Definition des pH-Werts 69

4.4.2 Ionenprodukt von WasserIn verdĂŒnnten Lösungen ist der Überschuss an undissoziiertenWassermolekĂŒlen im Ver-gleich zu den gelösten Stoffen so groß, dass ihre AktivitĂ€t als konstant betrachtet werdendarf undmit in die Konstante einbezogen werden kann. Hieraus ergibt sich das Ionenpro-dukt des Wassers KW:

cH+ ⋅ cOH− = Ka ⋅ aH2O = KW = 1 ⋅ 10−14 mol2/L2 bei 22 ○CFĂŒr eine neutrale wĂ€sserige Lösung oder reines Wasser gilt:

cH+ = cOH− = 10−7 mol/LFĂŒr eine saure Lösung gilt:

cH+ > 10−7 mol/L > cOH−

FĂŒr basische Lösungen gilt:

cH+ < 10−7 mol/L < cOH−

VersetztmanWassermit einer SĂ€ure oder einer Base, so bleibt das Ionenprodukt konstant,d. h., die OH−- bzw. H+-Ionenkonzentration wird entsprechend vermindert. Es sind je-doch auch in saurer Lösung noch OH−-Ionen und in alkalischer Lösung noch H+-Ionenvorhanden.

Beispiel: Berechnung der OH−- und H+-IonenkonzentrationIn 0,1mol/L HCl ist cH+ = 10−1 mol/L und cOH− = 10−13 mol/L, in 0,01mol/L NaOH ergibt sichcOH− = 10−2 mol/L und cH+ = 10−12 mol/L.4.4.3 Definition des pH-WertsStatt der Stoffmengenkonzentrationen cH+ und cOH− gibt man ĂŒblicherweise den negati-ven dekadischen Logarithmus der Konzentrationen, den pH- bzw. pOH-Wert, an:

pH = − log aH+ ≈ − log cH+

pOH = − log aOH− ≈ − log cOH−

Temp. /○C KW /mol2⋅ L−2 pKW pH

0 0,13 ⋅ 10−14 14,89 7,4

10 0,36 ⋅ 10−14 14,45 7,2

20 0,86 ⋅ 10−14 14,07 7,0

22 1,00 ⋅ 10−14 14,00 7,0

30 1,89 ⋅ 10−14 13,73 6,8

50 5,6 ⋅ 10−14 13,25 6,6

100 74 ⋅ 10−14 12,13 6,0

Tab. 4.1 TemperaturabhÀngigkeit desIonenprodukts des Wassers

Page 25: Jander/Blasius Anorganische Chemie I

70 4.5 pK-Werte von SĂ€uren und Basen

Aus dem Ionenprodukt des Wassers folgt:

pH + pOH = 14

Die Dissoziation von Wasser ist ein endothermer Vorgang. Daher steigen die Gleichge-wichtskonstante und der Dissoziationsgrad entsprechend dem Prinzip von Le Chatelier(7Kap. ..) bei Temperaturerhöhung an. Die pH-Wert-Skala verengt sich entsprechend( Tab. .). Bei °C sind demnach 10−6,07 mol/L H+ und gleichviel OH−-Ionen vor-handen und der verkleinerte pH-Wert bedeutet nicht, dass eine saure Reaktion vorliegt.

Beispiel: Berechnung von pH-Wert und H+-Ionenkonzentrationa) cH+ = 5 ⋅ 10−1 mol/L; pH = −(log5 + log10−1) = −(0,7 − 1) = 0,3b) pH = 5,8; cH+ = 10−5,8 mol/L = 100,2 ⋅ 10−6 mol/L = 1,59 ⋅ 106mol/L4.5 pK-Werte von SĂ€uren und Basen

Die StÀrke von SÀuren und Basen ist durch den pKS- bzw. den pKB-Wert definiert(7Kap. .). Eine Einordnung der pKS-Werte gibt Tab. ..

pKS bzw. pKB-Werte

Starke SĂ€uren bzw. Basen 0 bis 4,5

Schwache SĂ€uren bzw. Basen 4,5 bis 9,5

Sehr schwache SĂ€uren bzw. Basen 9,5 bis 14

Tab. 4.2 pKS- undpKB-Werte von SĂ€uren undBasen

Bei einem korrespondierendem SĂ€ure-Base-Paar sind die zugehörigen KS- und KB-Wertenicht unabhĂ€ngig voneinander. Wie die nachfolgende Betrachtung zeigt, sind sie ĂŒber dasIonenprodukt des Wassers KW miteinander verknĂŒpft:

HA + H2Oïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ H3O+ + A−

A− + H2Oïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ HA + OH−2H2Oïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ H3O

+ + OH−cH3O

+ ⋅ cA−cHA

⋅ cOH− ⋅ cHA

cA−= cH3O

+ ⋅ cOH− = KS ⋅ KB = KW

KS ⋅ KB = KW

pKS + pKB = 14

4.5.1 Starke SÀuren und starke BasenBei starken einwertigen SÀuren kann man annehmen, dass sie vollstÀndig in HO

+-Ionenund die korrespondierende Base dissoziiert sind, sodass dieGesamtkonzentration der SĂ€u-re c0 derHO

+-Ionenkonzentration entspricht. Entsprechend gilt fĂŒr starke Basen, dass sie

Page 26: Jander/Blasius Anorganische Chemie I

4

4.5.2 Schwache SĂ€uren und schwache Basen 71

vollstĂ€ndigmitWasser zur korrespondierenden SĂ€ure und OH− reagiert haben und somitc0 = cOH− ist.

HA + H2Oïżœïżœâ†’ H3O+ + A−

B + H2Oïżœïżœâ†’ BH+ + OH−Eine angenĂ€herte Rechnung unter VernachlĂ€ssigung der IonenstĂ€rke (AktivitĂ€tskoeffizi-ent = ) ergibt fĂŒr starke einwertige SĂ€uren:

cHA 1 0,1 0,01 0,001mol/LcH+ 1 ⋅ 100 1 ⋅ 10−1 1 ⋅ 10−2 1 ⋅ 10−3 mol/LcOH− 1 ⋅ 10−14 1 ⋅ 10−13 1 ⋅ 10−12 1 ⋅ 10−11 mol/LpH 0 1 2 3

(Analoges gilt fĂŒr starke Basen.)FĂŒr eine genaue Rechnung mĂŒssen die AktivitĂ€ten angesetzt werden:

aH+ = f ⋅ cH+pHa = − log( f ⋅ cH+)pHa = pH − log f

Beispiel: pHa-Wert einer Lösung von 0,1mol/L HClDer mittlere AktivitÀtskoeffizient f von 0,1mol/L HCl betrÀgt 0,796.

pHa = 1 − log(0,796) = 1 − (−0,1) = 1,14.5.2 Schwache SĂ€uren und schwache BasenEine schwache SĂ€ure ist nur teilweise dissoziiert:

HA + H2Oïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ H3O+ + A−

Unter VernachlĂ€ssigung der IonenstĂ€rke gilt fĂŒr die SĂ€urekonstante:

cH+ ⋅ cA−cHA

= KS

Da die Dissoziation der schwachen SĂ€ure nur gering ist, kann fĂŒr cHA nĂ€herungsweise dieGesamtkonzentration c0 angenommen werden. Außerdem ergibt sich aus dem Dissozia-tionsgleichgewicht, dass genauso vieleHO

+-Ionen wie A−-Ionen gebildet werden, sodasscH+ = cA− . Hieraus folgt:

cH+ = √KS ⋅ c0

cH+ und pH-Wert einer 0,1mol/L CHCOOH:

cH+ ⋅ cCH3COO−

cCH3COOH= KS = 10−4,75 mol/L

Page 27: Jander/Blasius Anorganische Chemie I

72 4.5 pK-Werte von SĂ€uren und Basen

Vereinfachend kann gesetzt werden:

cH+ = cCH3COO− ; cCH3COOH = c0 = 0,1mol/Lc2H+ = 10−4,75 ⋅ 10−1 = 10−5,75 mol2/L2cH+ = 10−2,88 mol/LpH = 2,88

FĂŒr schwache Basen gilt entsprechend:

cOH− = √KB ⋅ c0 bzw. cH+ = KW

cOH−= KW√

KB ⋅ c0 =ïżœïżœïżœïżœ K2

W

KB ⋅ c0Durch Ersetzen von KB durch KS in obiger Gleichung mithilfe der Beziehung KS ⋅ KB =KW (7S. ) ergibt sich fĂŒr die Wasserstoffionenkonzentration einer schwachen Base:

cH+ =ïżœïżœïżœïżœK2

W ⋅ KS

KW ⋅ c0 = √KW ⋅ KS

c0

Beispiel: Berechnung des pH-Werts einer 0,1mol/L CH3COO−-Lösung (KS = 10

−4,75)

cH+ =ïżœïżœïżœïżœ10−14 ⋅ 10−4,75

10−1mol/L = √10−17,75 mol/L = 10−8,88 mol/L

pH ≈ − log cH+ = 8,88

4.5.3 pH-Indikatoren

. MERKE pH-Indikatoren sind organische Farbstoffe, die den Charakter schwacher SĂ€urenoder schwacher Basen aufweisen. Dabei hat die SĂ€ure eine andere Konstitution und Farbeals die korrespondierende Base.

Auf das Dissoziationsgleichgewicht einer IndikatorsÀure HA lÀsst sich das MWG anwen-den:

cH+ ⋅ cA−cHA

= KS

DerUmschlagspunkt des Indikators liegt bei demjenigen pH-Wert, fĂŒr den die Konzentra-tion der farbigen korrespondierenden Base A− ebenso groß ist wie die Konzentration derfarbigen oder gelegentlich auch farblosen IndikatorsĂ€ure HA. FĂŒr den Umschlagspunktgilt also:

cH+ = KS ; pH = pKS

Somit hat die Wasserstoffionenkonzentration am Umschlagspunkt numerisch denselbenWert wie die Gleichgewichtskonstante KS. Das menschlicheAuge vermag jedoch die 1 ∶ 1-Mischung der Farbkomponenten nur selten scharf zu erkennen, wohl aber sind Abwei-chungen von den reinen Grundfarben der IndikatorsÀure und ihrer korrespondierenden

Page 28: Jander/Blasius Anorganische Chemie I

4

4.5.3 pH-Indikatoren 73

Tab. 4.3 Eigenschaften einiger SĂ€ure-Base-Indikatoren

Farbe imIndikator pH-BereichdesUmschlags-intervalls

pHdes Um-schlags-punktes

saurenGebiet

alkalischenGebiet

Farbe beimUmschlags-punkt

KonzentrationderIndikatorlösung

Methyl-orange

3,1–4,4 4,0 Rot Orangegelb Orange 0,1%ig in Wasser

Methylrot 4,2–6,3 5,8 Rot Gelb Orange 0,2%ig in 60%igemEthanol

Bromthy-molblau

6,0–7,6 7,1 Gelb Blau GrĂŒn 0,1%ig in 20%igemEthanol

Lackmus 5,0–8,0 6,8 Rot Blau Blaurot 0,5% in 90%igemEthanol

Phenol-phthalein

8,2–10,0 8,4 Farblos Rot Schwachrosa

0,1%ig in 70%igemEthanol

Thymol-phthalein

9,3–10,6 10,0 Farblos Blau SchwachblĂ€ulich

0,1%ig in 90%igemEthanol

Tashiro 4,2–6,3 5,8 Violett-rot

GrĂŒn Grau 60mg Methylrotin 200mL Ethanol+30mgMethylenblauin 30mL Wasser

Base wahrnehmbar, wenn das KonzentrationsverhĂ€ltnis cHA ∶ cA− = 9 ∶ 1 bzw. 1 ∶ 9 be-trĂ€gt. Das pH-Gebiet der Mischfarben in der NĂ€he des Umschlagspunkts wird als Um-schlagsintervall bezeichnet. Es erstreckt sich ĂŒber – pH-Einheiten. Innerhalb des Inter-valls liegen Zwischenfarbtöne, bei denen eine optimal erkennbare FarbĂ€nderung durchZugabe kleiner Mengen an SĂ€ure bzw. Base eintritt.Mischindikatoren bestehen entweder aus einem Indikator und einem indifferenten Farb-stoff oder aus zwei Indikatoren. ImUmschlagsintervall entsteht ein Gemisch komplemen-tĂ€rer Farben, sodass eine graue Lösung erhalten wird. Gegen Abweichungen von diesemGrauton ist das Auge besonders empfindlich.

Als ein Beispiel fĂŒr einen Mischindikator aus einem indifferenten Farbstoff und einemIndikator ist in Tab. . Tashiro aufgefĂŒhrt.

Bei qualitativen Arbeiten verwendet man hĂ€ufig Mischindikatoren, unter denen dasUniversal-Indikator-Papier, dessen FĂ€rbung im Bereich von pH = 0–14 eine grobe pH-Bestimmung zulĂ€sst, die grĂ¶ĂŸte Bedeutung hat.

Versuch: Farbumschlag von IndikatorenMan prĂŒft die ausstehenden SĂ€uren und Basen mit den in Tab. 4.3 aufgefĂŒhrten Indikatoren.

Page 29: Jander/Blasius Anorganische Chemie I

74 4.6 Hydrolyse

4.6 Hydrolyse

. MERKE Eine Hydrolyse ist eine chemische Reaktion, bei der unter Einwirkung von Wasserdie kovalente Bindung einer Verbindung gespalten wird.

Beispiele hierfĂŒr sind die Reaktionen von SiCl oder PCl mit Wasser.

PCl3 + 3H2Oïżœïżœâ†’ H3PO3 + 3HClIn der Ă€lteren Literatur wurde als Hydrolyse auch die Reaktion eines Salzes mit Wasserbezeichnet, wenn die Ionen des Salzes mit Wasser als SĂ€ure oder Base reagieren oder mitWasser eine SĂ€ure bilden. Im Folgenden verwenden wir den Begriff Hydrolyse auch indiesem Sinne.

So reagiert beispielsweiseeine Lösung von NHCl inWasser sauer, da das Ammonium-ion eine SÀure ist:

NH+4 + H2Oïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ H3O+ + NH3

Salze wie NaCN, NaCO oder NaCHCOO ergeben in Wasser eine alkalische Reaktion,da ihre Anionen Basen sind:

CN− + H2Oïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ HCN + OH−CO2−3 + H2Oïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ HCO−3 + OH−

Die Ionen von Salzen wie ZnCl oder AlCl werden hydratisiert. Die Aquakomplexe derhöher geladenen Kationen sind SÀuren. Dementsprechend reagieren Lösungen dieser Sal-ze sauer:

Al3+ + 6H2Oïżœïżœâ†’ [Al(OH2)6]3+[Al(OH2)6]3+ + H2Oïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ [Al(OH2)5(OH)]2+ + H3O+Interessant sind FĂ€lle, bei denen ein Salz wie beispielsweise NH+

CHCOO− aus einerschwachen SĂ€ure und einer schwachen Base besteht. In diesem Fall tritt eine Reaktion mitWasser ein, ohne dass sich jedoch der pH-Wert wesentlich verĂ€ndert, da sich die gebildetenHO

+- und OH−-Ionen zu Wasser vereinigen:

NH+4 + H2Oïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ H3O+ + NH3

CH3COO− + H2Oïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ CH3COOH + OH−

H3O+ + OH− ïżœïżœâ†’ 2H2O

Versuch: Hydrolyse von SalzenFolgende wĂ€sserige Salzlösungen werden mit dem Indikator Tashiro ( Tab. 4.3) geprĂŒft:NaCH3COO, Na2CO3: Alkalische Reaktion, grĂŒne FarbeNH4CH3COO, NaCl: Neutrale Reaktion, graue Farbe (ausgekochtes Wasser)NH4Cl, ZnCl2, AlCl3: Saure Reaktion, violettrote Farbe

Page 30: Jander/Blasius Anorganische Chemie I

4

4.6.2 Änderung der Konzentration der Reaktionsprodukte 75

4.6.1 VerdĂŒnnung und TemperaturĂ€nderungMit steigender VerdĂŒnnung und mit steigender Temperatur nimmt die Hydrolyse zu.

Versuch: Einfluss von VerdĂŒnnung und Temperatur auf die HydrolyseHydrolyse von NaCH3COO

−: Eine 0,1mol/L Natriumacetatlösung wirdmit einigen Tropfen Phe-nolphthalein versetzt und erwĂ€rmt. Die anfangs farblose Lösung fĂ€rbt sich infolge zunehmenderHydrolyse rot.Hydrolyse von [Zn(OH)4]

2− (7S. 397): Zu einer Zn2+-Lösung fĂŒgt man so viel NaOH zu, dasssich das zunĂ€chst gebildete Zn(OH)2 noch nicht völlig auflöst. Nach Filtration erhitzt man dasFiltrat zum Sieden. Es fĂ€llt wieder weißes Zn(OH)2 aus.

[Zn(OH)4]2− ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ Zn(OH)2 ↓ + 2OH−Zu weiteren Versuchen zur AbhĂ€ngigkeit der Hydrolyse von der Temperatur siehe beiAl(III) (7S. ) und Fe(III) (7S. ).

4.6.2 Änderung der Konzentration der ReaktionsprodukteWerden die bei der Hydrolyse entstehendenH+- bzw. OH−-Ionen aus demGleichgewichtentfernt, so kann die Hydrolyse praktisch quantitativ verlaufen. UnterstĂŒtzt wird dieserVorgang, wenn die gebildete wenig dissoziierte Verbindung gasförmig entweicht oderschwer löslich ist.

Bildung flĂŒchtiger VerbindungenCyanide reagierenmitWasser als Base und bilden teilweiseHCNundOH−. Durch Zugabevon SĂ€uren wie HCO− und Vertreiben von HCN wird die Hydrolyse vollstĂ€ndig:

CN− + H2Oïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ HCN ↑ + OH−OH− + HCO−3 ïżœïżœâ†’ H2O + CO2−3

Vorsicht! Cyanide dĂŒrfen nur bei Beachtung besonderer Schutzmaßnahmen mit SĂ€u-ren oder anderen OH−-bindenden Stoffen in BerĂŒhrung gebracht werden, da dabei diehöchst giftige BlausĂ€ure HCN entsteht.

BeimVersetzen einer Ammoniumsalzlösungmit Lauge bildet sich NH, das durch ErwÀr-men vertrieben werden kann.

NH+4 + H2Oïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ NH3 ↑ + H3O+H3O

+ + OH− ïżœïżœâ†’ 2H2O

Diese Reaktion kann als Nachweis von NH aus NH+ -Salzen benutzt werden (7Nach-

weis 625 ).

Page 31: Jander/Blasius Anorganische Chemie I

76 4.6 Hydrolyse

Bildung schwer löslicher VerbindungenWie oben erlĂ€utert wurde, sind die Aquakomplexe der höher geladenen Kationen, wieAl+ oder Fe+, SĂ€uren. In Gegenwart von Ionen oder MolekĂŒlen, die als Basen wirken,z. B. CHCOO− undNH, oder dieWasserstoffionen in einerNebenreaktion verbrauchen,wie z. B. Urotropin N(CH) (7S. ) und NO− , verlĂ€uft die Hydrolyse bis zur FĂ€llungeines stark wasserhaltigenHydroxidgels. Urotropin und Acetat haben bei der sogenanntenHydrolysentrennung (7S. ,7S. und7S. ) Bedeutung.

Urotropin liegt in NH und Formaldehyd teilweise hydrolysiert vor. Unter Einwirkungschwacher SĂ€uren wie [Al(OH)]

+ wird das Ammoniak aus demGleichgewicht entferntund so das Gleichgewicht (s. u.) nach rechts verschoben. Der Aquakomplex geht dabei indas schwer lösliche Hydroxidgel ĂŒber.

[Al(OH2)6]3+ ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ [Al(OH)3(OH2)3] ↓ + 3H+N4(CH2)6 + 6H2Oïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ 4NH3 + 6HCHO

NH3 + H+ ïżœïżœâ†’ NH+4

Vorteil dieser Methode ist, dass die Lösung im schwach sauren Gebiet verbleibt und da-durch eine Abtrennung der Hydroxide M(OH)x mit x ≄ 3 von denjenigen mit x = 2 ge-lingt. Außerdem ist die FĂ€llung von amphoterem Al(OH) vollstĂ€ndig, da kein Hydroxo-komplex gebildet werden kann. Auch wird die imAlkalischen leicht erfolgende Oxidationvon Mn+ durch Luftsauerstoff zu MnO verhindert, sodass kein MnO mitfĂ€llt.

Die Abtrennung der drei- und vierwertigen Kationen im schwach sauren Gebiet(pH=–) gelingt auch mit einem EssigsĂ€ure/Acetat-Puffergemisch. Dies ist besondersfĂŒr die Trennung von Eisen und Mangan eine gute Methode. Hierbei wird vom Fe+

zunÀchst ein löslicher, dreikerniger Acetatokomplex [Fe(O)(CHCOO)]+ gebildet, der

beim Aufkochen zum Eisen(III)-hydroxidgel hydrolysiert wird.Im stark alkalischen Milieu geht das schwer lösliche, amphotere Aluminiumhydroxid-

gel in lösliche Hydroxokomplexe ĂŒber:

[Al(OH)3(OH2)3] + OH− ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ [Al(OH)4(OH2)2]− + H2O[Al(OH)4(OH2)2]− + OH− ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ [Al(OH)5(OH2)]2− + H2O[Al(OH)5(OH2)]2− + OH− ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ [Al(OH)6]3− + H2OAus den Hydroxokomplexen kann man das Hydroxid wiederum ausfĂ€llen, wenn man dieHydroxidionen mit einer schwachen SĂ€ure wie der KohlensĂ€ure oder dem Ammonium-kation wegfĂ€ngt:

[Al(OH)4]− + CO2 ïżœïżœâ†’ [Al(OH)3] + HCO−3[Al(OH)4]− + NH+4 ïżœïżœâ†’ [Al(OH)3] + NH3 + H2OVersuch: Verringerung der OH−-Konzentration einer [Al(OH)4]

−-LösungEine Hydroxoaluminatlösung wird mit festem NH4Cl versetzt. Es fĂ€llt Al(OH)3 aus.

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8

119

8 Komplexchemie

Eigenschaften von Komplexen . . . 119 | Aufbau der Komplexe . . . 121 |

Bildung und StabilitÀt von Komplexen . . . 126 | Chemische Bindung in

Komplexen . . . 130

Die Koordinationslehre, die sich mit der Zusammensetzung und dem Aufbau von Kom-plexverbindungen befasst, wurde von Alfred Werner (–) begrĂŒndet.

Das Verhalten der Komplexe ist fĂŒr die analytische Chemie von besonderer Bedeutung,da alle Metallkationen mehr oder weniger zur Komplexbildung befĂ€higt sind. VielfachfĂŒhrt die gezielte Komplexbildung bei Ionen, die sich Ă€hnlich verhalten, zu differenziertenchemischen Eigenschaften. Dies kann fĂŒr die Abtrennung, Bestimmung und Maskierungvieler Kationen ausgenutzt werden.

8.1 Eigenschaften von Komplexen

Komplexe entstehen durch die Vereinigung von mehreren einfachen, in der Regel che-misch bestĂ€ndigen Komponenten. In Lösung dissoziieren sie oft nur in geringemMaße indie Ionen oder MolekĂŒle, aus denen sie entstanden sind. Deshalb bleiben die charakteris-tischen Reaktionen der einzelnen Bestandteile ganz oder teilweise aus. Dementsprechendkann man eine Komplexverbindung wie folgt definieren: Eine Komplexverbindung istein Kollektiv aus Atomen, MolekĂŒlen oder Ionen, das bei vielen Reaktionen als Ganzesauftritt, obwohl andererseits die einzelnen Komponenten in einemDissoziationsgleichge-wicht miteinander stehen.

Ein Komplex kann als Produkt der Reaktion einer Lewis-SĂ€ure mit mehreren Lewis-Basen (7S. ) angesehen werden. Die Lewis-SĂ€ure ist in der Regel ein Kation, das alsZentralatom fungiert. Es bindet ĂŒber koordinative Bindungen (7S. ) die Lewis-Basen,die in einem Komplex als Liganden bezeichnet werden. Die Anzahl der Bindungspartnerist dabei grĂ¶ĂŸer, als nach der Ladung und Stellung des Zentralatoms im Periodensystemzu erwartenwĂ€re. Ein Komplex ist weiterhin durch dieKoordinationszahl charakterisiert,die die Zahl der am Zentralatom gebundenen nĂ€chsten Nachbarn angibt. Einige Beispielesollen die Begriffe verdeutlichen:

Bei [Ag(NH)]+ ist das Ag+-Ion das Zentralatom, die beiden NH-MolekĂŒle sind die

Liganden und die Koordinationszahl ist zwei. In Lösung tritt [Ag(NH)]+ weitgehend

undissoziiert auf. DemgemĂ€ĂŸ erfolgt bei der Zugabe von Cl− keine FĂ€llung von AgCl.Die Beispiele der Komplexe Cr(CO) und Co(CO)− zeigen, dass das Zentralatom auch

mit der Oxidationsstufe 0 oder mit einer negativen Oxidationsstufe auftreten kann. Im

Page 33: Jander/Blasius Anorganische Chemie I

120 8.1 Eigenschaften von Komplexen

Cr(CO) ist Chrom(0) das Zentralatom. Die CO-Liganden, die ĂŒber ihre C-Atome amZentralatom gebunden sind, ergeben die Koordinationszahl sechs. BF− entsteht formalaus einem B+-Kation als Zentralion und vier F−-Ionen, die als Liganden am Zentralionkoordinativ gebunden werden. Die Ladung des Komplexes entspricht der Summe der La-dungen seiner Bestandteile. Zn+ tritt mit OH− zu schwer löslichem Zn(OH) zusammen(7S. ). Dagegen erfolgt bei Zugabe von NH aufgrund der Bildung von [Zn(NH)]

+

keine FĂ€llung.Anstelle der normalen Reaktionen der Einzelionen können andersartige, fĂŒr den Kom-

plex charakteristische Reaktionen auftreten. Typische Beispiele sind die Hexacyanidofer-rat-Komplexe: Fe+ bildet mit S− in ammoniakalischer Lösung schwarzes FeS (7S. ),mit OH− farbloses Fe(OH) (7S. ). Das Hexacyanidoferrat(II)-Ion [Fe(CN)]

− gibtdagegen mit S− und OH− keine NiederschlĂ€ge. DafĂŒr setzt sich das [Fe(CN)]−-Ion mitFe+ zu Berliner Blau (7S. ) und mit Zn+ zu weißem KZn[Fe(CN)] (7S. ) um.

Komplexe kann man also an den anders verlaufenden chemischen Reaktionen erken-nen. Außerdem gibt es eine Reihe anderer Merkmale, die auf ihr Vorliegen hinweisen:. FarbĂ€nderung bei der Komplexbildung: [Ni(OH)]

+ ist grĂŒn, bei Zugabe von NHbildet sich der tiefblaue [Ni(NH)]

+-Komplex, Bis(dimethylglyoximato)nickel(II)(7S. ) ist intensiv rot; CuSO ist weiß, CuSO ⋅ HO ist blau, in ammoniakalischerLösung entsteht der tiefblaue Komplex [Cu(NH)]

+; [Fe(OH)]+ ist gelb, in konz.

HCl bildet sich dagegen ein tiefgelber Chloridokomplex, mit SCN− entsteht intensivrotes Fe(SCN). Solche FarbĂ€nderungen zeigen qualitativ Komplexbildung bzw. denÜbergang von Aquakomplexen in andere Komplexe an.

. Änderung der elektrischen LeitfĂ€higkeit: Die elektrische LeitfĂ€higkeit einer LösunghĂ€ngt in erster Linie davon ab, in wie viele Ionen ein Salz dissoziiert. Die Art der Ionenist bei großer VerdĂŒnnung fĂŒr die LeitfĂ€higkeit von geringerem Einfluss.WĂŒrde beispielsweise K[Fe(CN)] beim Lösen vollstĂ€ndig in vier K+-, ein Fe+- undsechs CN−-Ionen dissoziieren, so mĂŒsste die LeitfĂ€higkeit der Lösung ungefĂ€hr gleichder Summe der LeitfĂ€higkeiten der Einzelionen sein. Das ist nicht der Fall, denn durchdie Komplexbildung verringert sich die Anzahl freier Ionenund damit die LeitfĂ€higkeit.Sobald die gemessene LeitfĂ€higkeit der verdĂŒnnten Lösung einerVerbindung kleiner istals die Summe der LeitfĂ€higkeiten aus den Einzelbestandteilen, ist mit dem Vorliegeneines Komplexes zu rechnen.

. Änderung desWanderungssinns im elektrischen Feld: Freie Ag+-Ionen aus einfachenSalzen wandern im elektrischen Feld zur Kathode und werden dort als Metall abge-schieden. Negativ geladene Dicyanidoargentat(I)-Ionen [Ag(CN)]

− wandern jedochzur Anode. Zur Metallabscheidung ist aber natĂŒrlich eine Reduktion erforderlich, dienur an derKathode durchZufuhr vonElektronen eintritt. Das heißt, auch aus Lösungenmit negativ geladenenKomplexionen scheidet sich bei der Elektrolyse dasMetall an derKathode ab.

. Änderung der Eigenschaften, die vomosmotischenDruck abhĂ€ngen:DurchMessungder Gefrierpunktserniedrigung (Kryoskopie) bzw. Siedepunktserhöhung (Ebulliosko-pie) (7S. ) gewinntmanAufschluss ĂŒber dieAnzahl der in einer Lösung vorhandenenTeilchen. Kryoskopische Messungen gestatten die ÜberprĂŒfung der LeitfĂ€higkeitsmes-sungen auf unabhĂ€ngigem Wege. Sie bieten außerdem den Vorteil der Erfassung vonNeutralteilchen, die bei der Komplexbildung oft eine Rolle spielen.

. Kristallstrukturanalyse:DieKristallstrukturanalyse durchRöntgenbeugungbietet einesehr gute Möglichkeit zur genauen Bestimmung der Zusammensetzung und Strukturder Komplexe.

Page 34: Jander/Blasius Anorganische Chemie I

8

8.2.1 Zentralatome und Liganden 121

8.2 Aufbau der Komplexe

Wie bereits im vorausgehenden Kapitel erlÀutert, bestehen einkernige Komplexe aus ei-nem Zentralatom und daran koordinativ gebundenen Liganden. Die Anzahl der gebun-denen, nÀchsten Nachbarn des Zentralatoms wird Koordinationszahl genannt.

Liganden können auch BrĂŒckenfunktionen ausĂŒben und zwei oder mehrere Zen-tralatome miteinander verknĂŒpfen. Man spricht dann von zwei- oder mehrkernigenKomplexen.

8.2.1 Zentralatome und LigandenZentralatomeAls Zentralatom fungieren bei den klassischenKomplexenmeistMetallkationenmit hoherOxidationsstufe. Die oben angefĂŒhrten Beispiele Cr(CO) und Co(CO)− zeigen jedoch,dass bei Komplexen aus demBereich dermetallorganischenChemie das Zentralatom auchin niedrigen Oxidationsstufen auftreten kann. Außerdem können auch Nichtmetallkatio-nen als Zentralatom in Komplexen wie ClO− oder SO−

vorkommen.

LigandenHĂ€ufig sind die Liganden einfache Anionen wie F−, Cl−, Br−, I−, OH− oder CN−. Aberauch MolekĂŒle wie HO, NH oder CO treten als Liganden auf. Handelt es sich um Ver-bindungen oder Ionen, die odermehrere funktionelle Gruppen besitzen und somitmeh-rere Koordinationsstellen des Zentralatoms besetzen können, spricht man von bi- odermultidentalen bzw. zwei- oder mehrzĂ€hnigen Liganden. Beispiele sind Ethylendiamin(NH−CH−CH−NH), Oxalat oder EDTA (7S. ). Man muss dabei unterscheiden,ob der mehrzĂ€hnige Ligand die Koordinationsstellen am selben Zentralatom besetzt oderals BrĂŒckenligand wirkt und Koordinationsstellen an zwei oder mehreren verschiedenenZentralatomen einnimmt. Im ersten Fall spricht man von Chelatliganden und Chelat-komplexen (griech. χηλη=Krebsschere).Die Bindung eines zweizĂ€hnigenChelatligandenfĂŒhrt zur Bildung eines Chelatrings. Die Bildung von Chelatkomplexen erfolgt vorzugs-weise, wenn dabei ein spannungsfreier - oder -gliedriger Ring entsteht.

Beispiel fĂŒr einen Chelatkomplex ist [Cu(en)]+ (en = Ethylendiamin). Zwei Ethylen-

diaminmolekĂŒle bilden ĂŒber die freien Elektronenpaare der Stickstoffatome vier koordina-tive Atombindungen (7S. ) zu einemCu+-Zentralion aus, sodass dieKoordinationszahl resultiert. Es sind dabei zwei FĂŒnfringe entstanden:

⎡⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎣Cu

H2N

NH2

H2N

NH2

⎀⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎊

2+ ⎡⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎣Cu

NH3

NH3

NH3

NH3

⎀⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎊

2+

Der Chelatkomplex hat wie das Zentralion die Ladung +. Man erkennt die Ähnlichkeitmit dem Kupfertetrammin-Komplex, [Cu(NH)]

+.Die Chelatbildung bewirkt eine Zunahme der KomplexstabilitÀt. Man spricht in die-

sem Zusammenhang vom Chelateffekt (7S. ). So ist beispielsweise der Chelatkomplex[Ni(en)]

+ mit einem pK-Wert von 18,3 um etwa GrĂ¶ĂŸenordnungen stabiler als dervergleichbare Amminkomplex [Ni(NH)]

+ (pK = 8,6). Der Chelateffekt zeigt sich u. a.

Page 35: Jander/Blasius Anorganische Chemie I

122 8.2 Aufbau der Komplexe

auch in der Stabilisierung wenig bestĂ€ndiger Oxidationsstufen, z. B. Ag(II) im Bis(,â€Č-bipyridin)silber(II)-peroxodisulfat [Ag(bipy)]SO (7S. ).

In der analytischen Chemie sind hĂ€ufig neutrale Chelatkomplexe von Bedeutung, beidenen sich die Ladungen des Zentralions und der Liganden gerade kompensieren. DieseneutralenChelatkomplexe sind inWassermeist schwer löslich, weil alleKoordinationsstel-len abgesĂ€ttigt sind oder aus sterischen GrĂŒnden eine weitere Koordination auch kleinerLiganden infolge der UmhĂŒllung des Zentralions durch die großen organischen Chelat-liganden unmöglich ist. Ihre UnfĂ€higkeit zur Hydratation und die organische Liganden-hĂŒlle bewirken die Schwerlöslichkeit in Wasser, wĂ€hrend sie in organischen Lösemittelngut löslich sind. Geladene Chelatkomplexe wie die Kupfer-WeinsĂ€ure-Komplexe (7S. )oder die EDTA-Komplexe (7S. ) sind dagegen infolge ihres Ionencharakters in Wasserleicht löslich und schwer löslich in unpolaren organischen Solvenzien. Als Beispiele fĂŒrschwer lösliche Chelatkomplexe können Magnesium-oxinat (7S. und Abb. .) undBis(dimethylglyoximato)-nickel(II) (7S. und Abb. .) angefĂŒhrt werden: Bei Bis-(dimethylglyoximato)nickel(II) (Ni-Diacetyldioxim) gehen die koordinativen Bindungenvon den vier Stickstoffatomenaus. Außerdem tritt zwischendemH-AtomderOH-Gruppeeines Liganden und dem O-Atom des Aminoxids des benachbarten Liganden eine starkeWasserstoffbrĂŒckenbindung (7S. ) auf.

Die sogenannten Komplexone, zu deren wichtigsten Vertretern Ethylendiamintetraes-sigsĂ€ure (HEDTA) und NitrilotriessigsĂ€ure zĂ€hlen, sind Komplexbildner, die mit fast al-len Kationen einschließlich der Erdalkaliionen zum Teil sehr stabile, wasserlösliche Che-latkomplexe bilden. Im Handel wird die EthylendiamintetraessigsĂ€ure als DinatriumsalzNaHEDTA angeboten. In Komplexen tritt sie deprotoniert als sechszĂ€hniger Chelatli-gand EDTA− auf. Abb. . zeigt die Struktur eines 1 ∶ 1-EDTA-Komplexes mit einemzweifach positiv geladenen Kation M+.

Mg

O

NO

N

OH2

OH2

Abb. 8.1 Struktur undValenzstrichformel vonMagnesium-oxinat-dihydrat

Page 36: Jander/Blasius Anorganische Chemie I

8

8.2.1 Zentralatome und Liganden 123

Ni

N

O

N

O H

N

OH

N

O

Abb. 8.2 Ni-Diacetyldioxim: Struktur und Valenzstrichformel

Mn

OO

N

OO

OO

N

O

O

Abb. 8.3 Struktur des [Mn(EDTA)]2−-Komplexes mit sechszĂ€hnig gebundenem EDTA-Liganden

HO

O

N

O

OH

O

OH

NitrilotriessigsÀure(SÀureform)

⎡⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎣

O

O⊖

NH⊕

OO⊖

HN⊕

OO⊖

O

O⊖

⎀⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎊

2−

Dihydrogenethylendiamintetraacetat (H2EDTA2−)

(Betainform)

Chelatkomplexe haben auch Bedeutung fĂŒr die Nachweise und quantitative Bestimmungvon BorsĂ€ure (7S. ) und GermaniumsĂ€ure (7S. ) durch Umsetzung mit mehrwer-tigen Alkoholen wie z. B. Glycerin oder Mannit. Es erfolgt eine Veresterung der drei OH-Gruppen der BorsĂ€ure B(OH) mit zwei MolekĂŒlen Polyalkohol. Da Bor jedoch die Ko-

Page 37: Jander/Blasius Anorganische Chemie I

124 8.2 Aufbau der Komplexe

ordinationszahl anstrebt, tritt eine weitere Bindung zum Sauerstoff einer benachbartenalkoholischen Hydroxylgruppe auf. Dadurch wird die Bindung zum H-Atom gelockertund dieses teilweise als Proton abgespalten.

Aus der sehr schwachen BorsÀure (pKS = 9,25,7S. ) entsteht eine mittelstarke ein-basische Mannito-BorsÀure (pKS = 6,44), die titriert werden kann.

H2C OH

CH OH

CH OH

CH OH

CH OH

CH2 OH

+ BOH

OH

OH +CH2HO

CHHO

CHHO

CHHO

CHHO

CH2HO

⎡⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎣

⊖

BO CH

CHOH

CH2OH

CH

CHOH

CH2OH

O

OCH

CH OH

CH2 OH

CH

CH OH

CH2 OH

O

⎀⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎊

−

Mannito-BorsÀure

+ H3O+ + 2H2O

Koordinationszahl und StrukturDa es sich bei den Liganden meist um untereinander nicht verbundene Ionen oder Mole-kĂŒle handelt, ordnen sie sich infolge gegenseitiger Abstoßung symmetrisch um das Zen-tralatom an. Ein hochsymmetrisches Polyeder gestattet die maximalen AbstĂ€nde der Li-ganden untereinander und die beste RaumausfĂŒllung.

Weitaus am hĂ€ufigsten ist bei Komplexen der Übergangsmetalle die Koordina-tionszahl mit oktaedrischer Struktur. Man findet sie insbesondere bei Fe+, Fe+,Cr+, Co+, Cd+ und Pt+, die alle beispielsweise Hexahalogenido- und meist auchHexamminkomplexe zu bilden vermögen. Auch die Koordinationszahl tritt oft auf, z. B.bei Oxokomplexen wie CrO−

oder ClO− und bei Halogenido- und Hydroxokomplexen

A B

Abb. 8.4 (A) [Fe(CN)6]4− als Beispiel eines oktaedrischen und (B) [NiCl4]

2− als Beispiel einestetraedrischen Komplexes

Page 38: Jander/Blasius Anorganische Chemie I

8

8.2.2 Isomerie bei Komplexverbindungen 125

wie [NiCl]− oder [Zn(OH)]

−. Hier liegt eine tetraedrische Struktur vor. Es ist eineBesonderheit der Koordinationszahl , dass in besonderen FĂ€llen (bei Metallkationen miteiner d8-Elektronenkonfiguration) auch eine quadratisch-planare Ligandenanordnungauftretenkann. Beispiele sind [Ni(CN)]

− und [AuCl]−. Seltener findetmankleinereKo-ordinationszahlen als , wie die Koordinationszahl bei Ag+ oder Au+ (z. B. [Ag(NH)]

+

und [Au(CN)]− mit linearer Struktur). Ebenso selten sind Koordinationszahlen grĂ¶ĂŸer

als , wie z. B. die Koordinationszahl im [ZrF]−, [NbF]− oder [TaF]

− und dieKoordinationszahl im [W(CN)]

−. Noch seltener tritt die Koordinationszahl auf.In Abb. . sind ein oktaedrischer und ein tetraedrischer Komplex dargestellt. Ange-

deutet sind die Umrandungen des Polyeders und die Bindungen zum Zentralatom.

8.2.2 Isomerie bei KomplexverbindungenIsomerie spielt vor allem in der organischen Chemie eine wichtige Rolle. Sie trÀgt wesent-lich zur ungeheuren Vielfalt der organischen Verbindungen bei. Je nach Art der struktu-rellen Unterschiede wird zwischen verschiedenen Isomeriearten unterschieden. Auch beidenKomplexverbindungen tritt die Erscheinung der Isomerie vielfÀltig auf. Sie soll an denKomplexen mit den Koordinationszahlen und erlÀutert werden.

. MERKE Als Isomere bezeichnet man Stoffe mit gleicher Bruttoformel aber unterschiedli-cher Struktur.

StereoisomerieWie aus Abb. . ersichtlich ist, können Komplexe mit der Koordinationszahl undder Zusammensetzung MXY bei Oktaederstruktur in zwei isomeren Formen auftre-ten, die als cis- und trans-Form bezeichnet werden. Beispiele sind die cis- und trans-Tetrammindinitrocobalt(III)-Komplexe, [Co(NO)(NH)]

+, bei denen die beidenNO− -Liganden, die ĂŒber ihrN-Atom koordiniert sind, in der cis-Form einander benachbart sindoder im trans-Isomer gegenĂŒber stehen.

A B

Abb. 8.5 cis- (A)und trans-Form (B) beioktaedrischen Komplexen

cis-trans-Isomere sind bei tetraedrischer Koordination nicht möglich. Bei einer quadra-tisch-planaren Anordnung von vier Liganden treten jedoch derartige Isomere auf, wie dieBeispiele von cis- und trans-[PtCl(NH)] zeigen. Das Auftreten von cis-trans-Isomerenist somit zugleich ein Beweis fĂŒr das Vorliegen einer quadratisch-planaren Koordination.

Page 39: Jander/Blasius Anorganische Chemie I

126 8.3 Bildung und StabilitÀt von Komplexen

PtCl

Cl NH3

NH3

cis

PtCl

Cl NH3

NH3

trans

Stereoisomere, die rĂ€umlich wie Bild und Spiegelbild aufgebaut sind, heißen Enantiome-re. Sie unterscheiden sich durch die entgegengesetzte Drehung der Ebene des polarisier-ten Lichts. Fast alle anderen chemischen und physikalischen Eigenschaften sind hingegensehr Ă€hnlich oder gleich. Die Enantiomerie tritt in der organischen Chemie beispiels-weise auf, wenn ein C-Atom vorliegt, das vier verschiedene Substituenten gebunden hat.Auch bei anorganischenKomplexen kennt man das PhĂ€nomender Enantiomerie. Sie wirdbei oktaedrischen Komplexen beobachtet, wenn drei gleiche zweizĂ€hnige Liganden wieim [Co(en)]

+ (en = Ethylendiamin) vorliegen ( Abb. .). Ferner sind Hydratisome-rie (siehe Versuch zur Hydratisomerie auf 7S. ) und Bindungsisomerie (7S. und7S. ) zu beobachten.

Spiegel-ebene

el-e

Abb. 8.6 Enantiomere des [Co(en)3]3+-Komplexes; CoN−CH2−CH2−NH2

8.3 Bildung und StabilitÀt von Komplexen

8.3.1 KomplexbildungskonstanteDieBildungderKomplexe inhomogener Lösung aus verschiedenen IonenoderMolekĂŒlenist eine Gleichgewichtsreaktion:

Ni2+ + 4CN− ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ [Ni(CN)4]2−Bei Anwendung des MWG erhĂ€lt man die Komplexbildungskonstante oder StabilitĂ€ts-konstante KBldg:

c[Ni(CN)4]2−cNi2+ ⋅ c4CN− = KBldg

Page 40: Jander/Blasius Anorganische Chemie I

8

8.3.2 Löslichkeitsprodukt und Komplexbildungskonstante 127

Der reziproke Wert der Bildungskonstante entspricht derKomplexdissoziationskonstan-ten KDiss:

cNi2+ ⋅ c4CN−c[Ni(CN)4]2−

= KDiss

KBldg = 1KDiss

, pKBldg = −pKDiss

Cyanidokomplexe sind hÀufig sehr stabile Komplexe, d. h., sie sind nur zu einem sehrgeringen Anteil dissoziiert, wie die Beispiele der Komplexe von Eisen(II) und Kupfer(I)zeigen. Beispielsweise betrÀgt die Komplexbildungskonstante von [Cu(CN)]

− KBldg =1027 L4/mol4. Man bezeichnet stabile Komplexe auch als starke Komplexe. Die meistenAmminkomplexe sind dagegen wesentlich unbestĂ€ndiger, sie sind schwach. Noch schwĂ€-cher sind Aquakomplexe.

Stufenweise DissoziationNur bei sehr starken Komplexen, bei denen das Bildungsgleichgewicht praktisch ganz aufder Seite des undissoziierten Komplexes liegt, findet man in Lösung einheitliche Komple-xe. Bei schwachen Komplexen treten auch die Komponenten der stufenweisen Dissoziati-on auf. Das oben angegebene Beispiel der Bildung von [Ni(CN)]

− ist demnach nur alsdie Bruttoreaktion aus einem System von unabhĂ€ngigen Gleichgewichten aufzufassen, fĂŒrdie die einzelnen Bildungskonstanten angegeben werden können:

[Ni(H2O)4]2+ + CN− ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ [Ni(CN)(H2O)3]+ +H2Oc[Ni(CN)(H2O)3]

+

c[Ni(H2O)4]

2+ ⋅ cCN− = k1

[Ni(CN)(H2O)3]+ + CN− ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ [Ni(CN)2(H2O)2] +H2Oc[Ni(CN)2(H2O)2]

c[Ni(CN)(H2O)3]+ ⋅ cCN− = k2

[Ni(CN)2(H2O)2] + CN− ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ [Ni(CN)3(H2O)]− +H2Oc[Ni(CN)3(H2O)]

−

c[Ni(CN)2(H2O)2] ⋅ cCN− = k3

[Ni(CN)3(H2O)]− + CN− ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ [Ni(CN)4]2− +H2Oc[Ni(CN)4]

2−

c[Ni(CN)3(H2O)]− ⋅ cCN− = k4

Die Brutto-Bildungskonstante KBldg ergibt sich als Produkt der Einzelkonstanten:

KBldg = k1 ⋅ k2 ⋅ k3 ⋅ k48.3.2 Löslichkeitsprodukt und KomplexbildungskonstanteEin Stoff, der mit dem Zentralion oder den Liganden eines Komplexes eine schwer lös-liche Verbindung bilden kann, reagiert nur dann mit den Bestandteilen des Komplexes,wenn dessen Dissoziation so groß ist, dass das Löslichkeitsprodukt der schwer löslichenVerbindung ĂŒberschritten wird. Einige Beispiele sollen das verdeutlichen. Die genaue Be-rechnung erfolgt wie fĂŒr die Auflösung von CaCO in HCl (7S. ), sodass hier einigeVereinfachungen vorgenommen werden können.

Page 41: Jander/Blasius Anorganische Chemie I

128 8.3 Bildung und StabilitÀt von Komplexen

Berechnung der Löslichkeit von AgCl in NH3Ag+ + Cl− ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ AgCl, cAg+ ⋅ cCl− = KL = 10−9,96 mol2/L2

Bei Zusatz von NH3 bildet sich:

Ag+ + NH3 ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ [Ag(NH3)]+[Ag(NH3)]+ + NH3 ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ [Ag(NH3)2]+Dadurch wird cAg+ kleiner und cCl− nimmt zu:

CAgCl = cCl− = cAg+ + c[Ag(NH3)]+ + c[Ag(NH3)2]+Wie die genaue Rechnung zeigt, werden cAg+ und c[Ag(NH3)]

+ beim Vorliegen eines Überschus-ses an Komplexbildner so klein, dass sie als additive GrĂ¶ĂŸen vernachlĂ€ssigt werden können.c[Ag(NH3)2]

+ steht mit der Brutto-Bildungskonstanten KBldg in Beziehung:

c[Ag(NH3)2]

+

cAg+ ⋅ c2NH3 = KBldg = 107,14 L2/mol2cCl− = KBldg ⋅ cAg+ ⋅ c2NH3cCl− = KBldg ⋅ KLcCl− ⋅ c2NH3

c2Cl−

= C2AgCl = KBldg ⋅ KL ⋅ c2NH3CAgCl = cNH3 ⋅ √KBldg ⋅ KL

Die Löslichkeit von AgCl bei cNH3 = 1mol/L betrĂ€gt demnach:CAgCl = 1 ⋅ √107,14 ⋅ 10−9,96 = √10−2,82 = 10−1,41 mol/L

In reinem Wasser lösen sich dagegen nur ≈ 10−5 mol/L.Berechnung der Löslichkeit von CdS in KCN

Cd2+ + S2− ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ CdS

Cd2+ + 4 CN− ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ [Cd(CN)4]2−cCd2+

⋅ cS2−

= KL = 10−27 mol2/L2CCdS = cS2− ≈ c[Cd(CN)4]2−

c[Cd(CN)4]

2−

cCd2+

⋅ c4CN−

= KBldg = 1016,85 L4/mol4cS2= KBldg ⋅ cCd2+ ⋅ c4CN−

c2S2−

= C2CdS = KBldg ⋅ KL ⋅ c4CN−CCdS = c2CN− ⋅ √KBldg ⋅ KL

Die Löslichkeit von CdS bei cCN− = 1mol/L betrĂ€gt demnach:CCdS = 1 ⋅ √1016,85 ⋅ 10−27 ≈ 10−5,1 mol/L

Page 42: Jander/Blasius Anorganische Chemie I

8

8.3.2 Löslichkeitsprodukt und Komplexbildungskonstante 129

Berechnung der Löslichkeit von Cu2S in KCN

2 Cu+ + S2− ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ Cu2S

Cu+ + 4 CN− ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ [Cu(CN)4]3−c2Cu+

⋅ cS2−

= KL = 10−46,7 mol3/L3CCu2S = cS2− = 0,5 ⋅ c[Cu(CN)4]3− ≈ c[Cu(CN)4]3−c[Cu(CN)4]

3−

cCu+ ⋅ c4CN− = KBldg = 1027,3 L4/mol4CCu2S = cS2− = KBldg ⋅ cCu+ ⋅ c4CN−

cS2−

= KBldg â‹…ïżœïżœïżœïżœïżœ KL

cS2−

c8CN−

c3S2−

= C3Cu2S = K2Bldg ⋅ KL ⋅ c8CN−CCu2S = 3

√K2Bldg ⋅ KL ⋅ c8CN−

Die Löslichkeit von Cu2S betrĂ€gt bei cCN− = 1mol/L demnach:CCu2S = 3√

1054,6 ⋅ 10−46,7 = 102,63 mol/LDie beiden letzten Beispiele sind Grundlage der Cu/Cd-Trennung ĂŒber die Cyanidokomplexe(7S. 351 und7S. 357). In 1mol/L KCN fĂ€llt Cd2+ mit S2− quantitativ als CdS (CCdS = 10−5,1 mol/L),wĂ€hrend Cu+ als [Cu(CN)4]

3− in Lösung bleibt (CCu2S = 102,63 mol/L).Die unterschiedliche StabilitĂ€t von Komplexen gegenĂŒber FĂ€llungsmitteln wird vielfachzur Trennung von Elementen herangezogen. Neben dem oben dargelegten Beispiel sieheauch die Trennung von Ni(II) und Co(III) (7Nachweis 409 ). Auch der Nachweis von Cl−neben Br− und I− ist ein Beispiel fĂŒr den Zusammenhang zwischen der StabilitĂ€tskonstan-ten eines Komplexes und dem Löslichkeitsprodukt eines schwer löslichen Salzes.

Oft entstehen bei der Bildung von Chelatkomplexen, z. B. mit EthylendiamintetraacetatEDTA− (7S. ), H+-Ionen:

H2EDTA2− +M2+ ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ [M(EDTA)]2− + 2H+

H2EDTA2− +M3+ ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ [M(EDTA)]− + 2H+

Die Lage desGleichgewichts und damit auch die KomplexstabilitĂ€t sind also pH-abhĂ€ngig.Deshalb sind nur die sehr starken Chelatkomplexe mehrfach geladener Kationen im sau-ren Gebiet bestĂ€ndig, wĂ€hrend große Kationen mit kleiner Ladung erst in neutraler oderalkalischer Pufferlösung, die die entstandenen H+-Ionen abfĂ€ngt, Komplexe bilden.

Page 43: Jander/Blasius Anorganische Chemie I

12

177

12 Arbeitstechniken und Methodenin der Analytischen Chemieund in der Qualitativen Analyse

Allgemeine Arbeitsregeln im Labor . . . 177 | Mikroskopieren und

TĂŒpfelreaktion . . . 179 | Papierchromatographie . . . 190

12.1 Allgemeine Arbeitsregeln im Labor

FĂŒr das Arbeiten im Labor gelten eine Reihe von Regeln, von denen die fĂŒr den AnfĂ€ngerwichtigsten nachstehend aufgefĂŒhrt sind.. GrundsĂ€tzlich muss geprĂŒft werden, ob anstelle eines Gefahrstoffes eine gleich gut ge-

eignete, aber weniger gefÀhrliche Chemikalie verwendet werden kann.. Die Augen sind beim Arbeiten im Laboratorium immer durch eine splittersichere

Schutzbrillemit Seitenschutz zu schĂŒtzen.. Substanzen dĂŒrfen niemalsmit derHaut inBerĂŒhrung gebracht werden, also auchnicht

mit der Hand angefasst werden. Gegebenenfalls sind Gummihandschuhe zu tragen.. FĂŒr die Sauberhaltung des Arbeitsplatzes ist Sorge zu tragen. Verspritzte Chemikalien

sind sofort in geeigneter Weise zu entfernen. Konzentrierte SĂ€uren und Basen werdenneutralisiert und die FlĂŒssigkeit anschließend aufgewischt.

. Reaktionen mit giftigen und ĂŒbel riechenden Stoffen mĂŒssen unter einem gut zie-henden Abzug durchgefĂŒhrt werden. Vor allem ist beim Arbeiten mit giftigen Gasenund DĂ€mpfen grĂ¶ĂŸte Vorsicht geboten (z. B. beim Einleiten von Schwefelwasserstoff,Abrauchen von schwefliger SĂ€ure, SchwefelsĂ€ure, SalzsĂ€ure, SalpetersĂ€ure, Königswas-ser). Der geschlosseneAbzug, der durch ein Arbeitsfenster bedient werden kann, bietetSchutz gegen verspritzende Substanzen (heftige Reaktion, Siedeverzug usw.).

. Die sachgemĂ€ĂŸe Lagerung der Chemikalien ist auch fĂŒr den Erhalt der Reinheit vonausschlaggebender Bedeutung. FĂŒr feste Substanzen, besonders fĂŒr solche, die leichtBestandteile der Luft (z. B. HO, CO) aufnehmen oder die selbst einen hohen Dampf-druck besitzen, verwendet man gut verschließbare Pulverflaschen aus Polyethylen. Siesind besonders geeignet fĂŒr die Aufbewahrung alkalischer Substanzen, da diese Be-standteile des Glases lösen.

Page 44: Jander/Blasius Anorganische Chemie I

178 12.1 Allgemeine Arbeitsregeln im Labor

. FĂŒr FlĂŒssigkeiten sind Glasflaschen mit Schliffstopfen geeignet. Jedoch sollte man fĂŒrdie Aufbewahrung von Laugen Gummistopfen benutzen, da sich Schliffstopfen schonnach einiger Zeit festsetzen. Besser ist auch hier die Verwendung von Polyethylenfla-schen. Diese sind jedoch ungeeignet fĂŒr die Aufbewahrung von konzentrierter Schwe-fel- und SalpetersĂ€ure, organischenLösemitteln und lichtempfindlichenVerbindungen.FlusssĂ€ure darf nicht in GlasgefĂ€ĂŸen, sondernmuss in Plastikflaschen aufbewahrt wer-den.

. Lichtempfindliche Verbindungen, wie Silber- und Iodverbindungen oder Kohlenstoff-disulfid, werden in braunen Flaschen aufbewahrt.

. Um Explosionen beim Abdampfen etherhaltiger Lösungen infolge der darin u.U. ent-haltenen Peroxide zu vermeiden, muss man auch Ether stets in braunen Flaschen auf-bewahren.

. Flaschen ohne genaue Kennzeichnung sind im Labor unzulÀssig! Chemikalienfla-schen sollten mit folgenden Angaben gekennzeichnet sein:. Bezeichnung des Inhalts (Name, chemisches Symbol oder die Bestandteile einerMi-

schung),. Gefahrensymbol und Gefahrenbezeichnung.

. Zur Bezeichnung der Chemikalienflaschen verwendetman die imAnhang7Kap. ..nÀher erlÀuterten Symbole.

. Feste Stoffe entnimmt man mit einem sauberen Spatel oder Löffel der Pulverflasche,deren Stopfen man umgekehrt auf den Tisch legt. Beim Ausgießen einer FlĂŒssigkeithĂ€lt man die Flasche so, dass beim Herunterfließen von FlĂŒssigkeitstropfen die Be-schriftung nicht beschĂ€digt wird. Beim direkten UmfĂŒllen sind stets FlĂŒssigkeits- oderPulvertrichter zu verwenden. BeimUmfĂŒllen vonFlĂŒssigkeiten, insbesondere toxischeroder Ă€tzender Art (im Abzug) ist das Unterstellen von Wannen, beim UmfĂŒllen vonFeststoffen das Unterlegen einer Papierunterlage zu empfehlen.

. Es kommt vor, dass sich Flaschen mit Glasstopfen nicht öffnen lassen. Durch Klopfenmit einem hölzernen Gegenstand an den Stopfen oder durch vorsichtiges ErwĂ€rmendes Flaschenhalsesmit einemHeißluftgeblĂ€se oder Föhn lĂ€sst sich der Stopfen lockern.Es besteht große Unfallgefahr bei brennbarem oder tief siedendem Inhalt.

. Jede Apparatur ist exakt und sauber aufzubauen. Jedes Glasrohr soll gerade eingesetztsein, jede Waschflasche fest aufgebaut und jeder Korken senkrecht durchbohrt sein.

. Die meisten Reaktionen lassen sich in kleinen Substanzmengen durchfĂŒhren. Es genĂŒ-gen kleine ReagenzglĂ€ser, die nur mit 1mL Lösung oder 0,1 g fester Substanz gefĂŒlltsind. Man spart dadurch beim Eindampfen, Kristallisieren oder Filtrieren viel Zeit undvermeidet unnötige AbfĂ€lle.

. Eine Reagenzlösung wird im Allgemeinen bis zum Ende der Reaktion tropfenweisezugesetzt. Ein zu großer Überschuss schadet hĂ€ufig.

. Beim Erhitzen von FlĂŒssigkeiten im Reagenzglas darf dieses nur zu einem Drittel ge-fĂŒllt sein, außerdem ist durch SchĂŒtteln ein Siedeverzug zu verhindern.

. Konzentrierte SĂ€uren und Basen dĂŒrfen erst nach demVerdĂŒnnen und nur, wenn einezentrale Neutralisationsanlage vorhanden ist, in den Ausguss.

. Beim VerdĂŒnnen konzentrierter SchwefelsĂ€ure ist diese stets in Wasser, nie umge-kehrt Wasser in konzentrierte SchwefelsĂ€ure zu gießen! Sonst besteht die Gefahr desVerspritzens infolge starker Erhitzung.

. Verspritzte Quecksilberteilchen sind sofort unschÀdlich zu machen. Dies geschiehtentweder durch Einsammeln (Quecksilberzange, Einsaugen in eine Quecksilberpipette

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12

12.2.1 GerÀte 179

u. a.) oder durch chemischeUmsetzung (MercurisorbÂź, Zinkpulver, Iodkohle). Grund-sĂ€tzlich fĂŒhrt man Arbeiten mit Quecksilber in einer geeigneten Wanne durch, in dermögliche verspritzte Quecksilberteilchen aufgefangen werden.

. AusAlkalicyaniden entsteht bei Einwirkung von SĂ€ure Cyanwasserstoff!Diese Chemi-kalien dĂŒrfen daher nicht mit SĂ€uren vereinigt werden (zur Entsorgung s. Anhang).

. Da Natrium und KaliummitWasser heftig reagieren, mĂŒssen beide unter einer sauer-stofffreien FlĂŒssigkeit (Paraffin, Petroleum oder dergleichen) aufbewahrt werden.

. Weißer Phosphormuss unter Wasser in einemGlasgefĂ€ĂŸ, das in einermit Sand gefĂŒll-ten BlechbĂŒchse steht, aufbewahrt werden.

. Chlorate undkonzentriertePerchlorsÀureneigen inGegenwart oxidierender Stoffe so-wie in Gegenwart von Aziden zur Explosion; desgleichen Chlorate und Permanganatebei Zugabe konz. SchwefelsÀure.

. Bei Ätz- und Reizgasen muss man sich auf jeden Fall vorher ĂŒber AGW-Werte oderTechnische Richtkonzentrationen informieren. FĂŒr alle diese Gase sind Einzelbetriebs-anweisungen zu erstellen. Zu denÄtz- undReizgasen (SchĂ€digung derAtmungsorgane)zĂ€hlen u. a. die Halogene, die HalogenwasserstoffsĂ€uren, Schwefeldioxid, Schwefeltri-oxid, Ammoniak und Phosphorhalogenide. Als Giftgase wirken u. a. Schwefelwasser-stoff, Stickstoffoxide, Phosphorwasserstoff,Arsenwasserstoff, Kohlenmonoxid, Kohlen-stoffdisulfid (Schwefelkohlenstoff), Cyanwasserstoff, QuecksilberdĂ€mpfe und flĂŒchtigeBleiverbindungen sowie eine Anzahl in anorganischen Laboratorien benutzter organi-scher Verbindungen, wie Benzol, Anilin, Chloroform, Ether u. a.

12.2 Mikroskopieren und TĂŒpfelreaktion

Bei derHalbmikroanalyse (HM-Analyse) arbeitetmanĂŒblicherweisemit Substanzmengenvon etwa 10–100mg und Volumina von etwa 0,5–5mL. In einigen FĂ€llen, z. B. beim Ar-beiten unter dem Mikroskop und bei der TĂŒpfelanalyse, werden nur noch Mikromengeneingesetzt.

12.2.1 GerĂ€teReagenzienflaschenDa in der HM-Analyse FlĂŒssigkeiten fast ausnahmslos tropfenweise dosiert werden, sindfĂŒr Lösungen Reagenzienflaschen aus Polyethylen mit aufgesetztem Tropfrohr und einemFassungsvermögen von 30–50mL zu empfehlen ( Abb. .).

Aufgrund ihrer ElastizitĂ€t ist durch Druck mit dem Daumen eine sehr elegante Do-sierung möglich. Neben Unzerbrechlichkeit und geringem Gewicht ist ihre Nichtbenetz-barkeit von großem Vorteil, da sie eine Verkrustung des Tropfrohres durch LösungsrĂŒck-stĂ€nde verhindert. Infolge ihrer großen Resistenz gegen SĂ€uren und besonders Laugensowie des Fehlens von FĂŒllstoffen und Weichmachern treten auch nach monatelangemStehen von Lösungen keine Verunreinigungen durch GefĂ€ĂŸbestandteile auf, wie dies beiGlasflaschen unvermeidlich ist.

Konzentrierte SĂ€uren (HSO, HNO, HCl und HPO) und leicht flĂŒchtige organi-sche Lösemittel (CS, Ether, Methanol, Ethanol) werden am besten in Glasflaschen miteingeschliffener Tropfpipette und Ball aus Polyethylen aufbewahrt. Lichtempfindliche Lö-sungen (AgNO-Lösung usw.) mĂŒssen in braunen Schliffflaschen aufbewahrt werden.

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180 12.2 Mikroskopieren und TĂŒpfelreaktion

Abb. 12.1 Polyethylentropfflasche

DieVerwendung vonGummibÀllen kannnicht empfohlenwerden, da derGummi vondenerwÀhnten Reagenzien zersetzt und als Folge davon der Inhalt der Flaschen verunreinigtwird.

FlaschengestellZurAufstellung der Reagenzienflaschen eignen sich ambesten rechteckigeHolzblöckemitentsprechenden Bohrungen.

Im Allgemeinen wird es zweckmĂ€ĂŸig sein, fĂŒr jeden Praktikanten Blöcke fĂŒr je eineFlaschengrĂ¶ĂŸe, also z. B. fĂŒr Flaschen von 50 und 30mL bereitzustellen.

Flaschen fĂŒr feste SubstanzenAuch fĂŒr die Aufbewahrung fester Substanzen sind Flaschen aus Polyethylenmit Schraub-verschluss hervorragend geeignet. SelbstverstĂ€ndlich können aber auch die herkömmli-chen Pulverflaschen aus Glas verwendet werden. Reagenzien, von denen nur sehr klei-ne Mengen benötigt werden, werden zweckmĂ€ĂŸigerweise in PrĂ€parateglĂ€schen von etwa2–3mL Inhalt mit Polyethylenverschluss aufbewahrt.

SpatelZur Entnahme kleiner Mengen fester Substanzen dienen Mikrospatel aus korrosionsfes-tem / Stahl von etwa 150mmLĂ€nge und 2mm Spatelbreite.Diese Spatel können unbe-denklich mit allen hier infrage kommenden Reagenzien in BerĂŒhrung gebracht werden.

Spatel aus Glas oder Porzellan sind fĂŒr Arbeiten imHM-Maßstab nicht geeignet. Spatelaus Reinnickel sind gegenĂŒber jenen aus Edelstahl korrosionsempfindlicher und bietenauch sonst keinerlei Vorteile.

TropfpipettenZumÜberfĂŒhren vonFlĂŒssigkeitenwerden, evtl. selbst gefertigte, Tropfpipetten aus JenaerGerĂ€teglas verwendet, die mit SaugbĂ€llen aus Polyethylen oder Gummi versehen sind. DiePipetten werden in Formen mit kurzer und lang ausgezogener Spitze vorrĂ€tig gehalten.

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12

12.2.1 GerÀte 181

PipettentrocknerPipetten sind stets unmittelbar nach Gebrauch sorgfĂ€ltig mit destilliertemWasser zu rei-nigen. Es empfiehlt sich, GummibĂ€lle gelegentlich mit lauwarmem Wasser sorgfĂ€ltig zuspĂŒlen und nach dem Abtrocknen innen und außen ganz leicht mit Talkum zu pudern.Zum Abtropfen der Pipetten dient Glaszylinder mit eingelegter Lochplatte.

PipettenauflageUmdie Pipetten bei wiederholtemunmittelbaremGebrauch vor demVerschmutzen durchHerumliegen auf dem Arbeitsplatz zu schĂŒtzen, bedient man sich einer Ablage aus Holzoder Ähnlichem.

ZentrifugenglĂ€serIm Allgemeinen wird man sich in der HM-Analyse zur Abtrennung von NiederschlĂ€geneiner Zentrifuge bedienen. Die erforderlichen ZentrifugenglĂ€ser mĂŒssen dickwandig seinund eine lang ausgezogene, konische VerjĂŒngung zur Spitze aufweisen. Durch die starkeVerjĂŒngung ist eine bessere Beurteilung von Menge und Farbe bei kleinen Niederschlags-mengen möglich. Die GlĂ€ser sollen aus DuranÂź-Glas sein. Sie dĂŒrfen nur im Wasserbaderhitzt werden, um ein Springen des Glases beim Zentrifugieren zu vermeiden.

FiltrieranordnungenGelegentlich ist auch durch lĂ€ngeres Zentrifugieren keine vollstĂ€ndige Sedimentation dersuspendierten Teilchen zu erzwingen. Die FlĂŒssigkeit bleibt entweder trĂŒb oder einzelne,z. T. auch gröbere Teilchen werden durch die OberflĂ€chenspannung am Absetzen gehin-dert. Solche Störungen treten besonders hĂ€ufig bei elementarem Schwefel auf. In diesemFalle ist es unvermeidlich, die Lösung zu filtrieren. HierfĂŒr kann besonders eineHahn’scheFilternutsche empfohlen werden ( Abb. ., links). Ihr Vorteil gegenĂŒber den im Prinzipgleichartig arbeitenden, herkömmlichen Glasfiltern besteht in ihrer Zerlegbarkeit.

Oberteil

Filterpapier

Sinterglas

Zur Saugpumpe

ObjekttrÀger

Trichterartige Auflage fĂŒr die Filterplatte Kapillare

Tropfen

Filterpapier

Abb. 12.2 FiltriergerĂ€t mit Hahn’scher Filternutsche; Kapillarfiltration

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182 12.2 Mikroskopieren und TĂŒpfelreaktion

Die Nutsche besteht aus dem zylindrischen Oberteil aus Jenaer Glas, der als Filterplattedienenden Scheibe aus Sinterglas (∅ etwa 10mm) und der trichterartigen Auflage fĂŒr dieFilterplatte. Vor Gebrauch wird das GerĂ€t in der in Abb. ., links angegebenen Artzusammengesetzt. Die Einzelteile werden durch den von der Saugpumpe innerhalb desFiltersystems erzeugten Unterdruck zusammengehalten. Nach dem Gebrauch wird dieFilterplatte herausgenommen. Eventuell weiter zu verarbeitende NiederschlĂ€ge könnennun leicht mit dem Spatel von der Platte abgehoben oder mit der Spritzflasche abgespritztwerden. Ferner kann zwischenOberteil und Filterplatte eine passende Scheibe Filterpapiergelegt werden, wodurch die Isolierung sehr kleiner Niederschlagsmengen hĂ€ufig erleich-tert wird. Nach dem Filtrieren wird dann das Papier samt Niederschlag mit einer Pinzetteabgehoben und entweder direkt in ein geeignetes Lösemittel getaucht oder in einem Por-zellantiegel verascht. Der VeraschungsrĂŒckstand kann dann gelöst oder aufgeschlossenwerden. Dazumuss allerdings sogenanntes aschefreies Filterpapier verwendet werden. Dievon der Herstellerfirma angegebenen anorganischen RĂŒckstĂ€nde sind selbstverstĂ€ndlichzu berĂŒcksichtigen (Blindprobe!).

Die Filterplatten haben genormte Porenweite G1, G2, G3, G4. Die Wahl der Poren-weite richtet sich nach dem Verteilungs- oder Dispersionsgrad des Niederschlages. Daman bei einer qualitativen Analyse hĂ€ufig nicht ĂŒbersehen kann, welche NiederschlĂ€gegebildet werden und unter welchen FĂ€llungsbedingungen sie entstehen, empfiehlt es sich,von vornherein die GrĂ¶ĂŸe G4 zu verwenden, die auch feinste NiederschlĂ€ge, wie z. B.BaSO, zurĂŒckhĂ€lt. Bei kolloidaler Suspension legt man ein Membranfilter auf die Fil-terplatte, desgleichen bei Gegenwart grĂ¶ĂŸerer Mengen von schleimigen NiederschlĂ€gen,wie Fe(OH), SiO-Gallerte, Al(OH) usw., da Letztere sowohl Filterplatte als auch Fil-terpapier in kĂŒrzester Zeit verstopfen. Im Allgemeinen lassen sich aber gerade schleimigeNiederschlĂ€ge durch Zentrifugieren sehr leicht entfernen.

In der HM-Analyse kommt es hĂ€ufig vor, dass im Verlauf einer Nachweisreaktion, diemit einem Tropfen durchgefĂŒhrt wird, eine Filtration notwendig ist, bei der lediglich dasFiltrat weiter geprĂŒft werden soll. In diesem Falle bedient man sich der in Abb. .,rechts wiedergegebenen Anordnung:

Ein Tropfen der zu prĂŒfenden Lösung wird auf dem ObjekttrĂ€ger mit einem TropfenReagenzlösung versetzt, wobei sich ein Niederschlag bildet. Nun wird an den Rand einkleines StĂŒck Filterpapier gelegt, auf das dem Tropfen abgekehrte Ende des Papiers einKapillarrohr mit seinem plangeschliffenen Ende fest aufgesetzt und die Lösung vorsichtigin das Kapillarrohr eingesaugt, wobei der in ihr suspendierte Niederschlag vom Filterpa-pier zurĂŒckgehalten wird. Nach dieser Operation wird das Kapillarrohr von dem Papierabgehoben und die klare Lösung zur weiteren PrĂŒfung auf einen ObjekttrĂ€ger oder dieTĂŒpfelplatte geblasen.

ReagenzglĂ€serZur AusfĂŒhrung von Reaktionen im HM-Maßstab werden ReagenzglĂ€ser von etwa8–10mm ∅ und 80–100mm LĂ€nge aus Jenaer Glas verwendet. Engere und kĂŒrzereFormen können nicht empfohlen werden. Zur Aufstellung dieser GlĂ€ser dienen ein recht-eckiger Holzblock oder die ĂŒblichen Reagenzglasgestellemit entsprechenden Bohrungen.

BunsenbrennerZum Erhitzen verwendet man im Labor den von Robert Bunsen entwickelten Gasbren-ner. In seinem unteren Teil befindet sich eine DĂŒse, aus der das Gas ausströmt, und eine

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12

12.2.1 GerÀte 183

4. Oberer Oxidationsraum

3. Unterer Oxidationsraum

Flammen-mantel

innererFlammen-kegel

2. Schmelzraum

5. u. 6. Reduktions- rÀume

1. Flammenbasis

Abb. 12.3 Schema der Flamme einesBunsenbrenners

Vorrichtung, um Luft in verschiedenen Mengen in das Brennerrohr einzulassen. Ist dieLuftzufuhr vollstĂ€ndig abgedrosselt, so verbrennen die im Leuchtgas befindlichen brenn-baren Gase (Wasserstoff und Kohlenwasserstoffe) mit leuchtender Flamme. Ein Teil derKohlenwasserstoffe geht zunĂ€chst bei ungenĂŒgender Luftzufuhr inKohlenstoffundWasserĂŒber, die kleinen, festen Kohlenstoffpartikelchen (Ruß) glĂŒhen auf und bringen damit dieFlamme zum Leuchten. LĂ€sst man Luft von unten zutreten, so verbrennen die Kohlen-wasserstoffe zu Kohlendioxid und Wasser. Man erhĂ€lt eine nicht leuchtende Flamme. Indieser sind zwei Zonen zu erkennen ( Abb. .), ein innerer Flammenkegel, in demkeineVerbrennung stattfindet und der verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig kalt ist, und der Flammenmantel. Manunterscheidet noch folgende ReaktionsrĂ€ume:. Flammenbasis:Diese (.) ist verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig kalt.. Schmelzraum: Er befindet sich etwas oberhalb des ersten Drittels der ganzen Flam-

menhöhe (.) und ist von der inneren und Ă€ußeren Begrenzung des Flammenmantelsgleich weit entfernt; hier herrscht die höchste Temperatur.

. OxidationsrĂ€ume: Zwischen unterem (.) und oberem Oxidationsraum (.) ist Luft-ĂŒberschuss vorhanden. Hier herrschen oxidierende Bedingungen. FĂŒr kleinere Probenwie Phosphorsalzperlen und dergleichen verwendet man am besten den Raum .

. ReduktionsrĂ€ume: Von den ReduktionsrĂ€umen (. und .) ist die Temperatur im obe-ren Reduktionsraum (.) am höchsten und die Reduktionswirkung daher am stĂ€rksten.Eine noch bessere Reduktion erreicht man in der Spitze einer kleinen, etwa 2–3 cmhohen leuchtenden Flamme. Damit die Substanz beim AkĂŒhlen nicht wieder oxidiertwird, hĂ€lt man sie einige Zeit in das Innere des Brennerrohres.

Ist die Luftzufuhr im VerhĂ€ltnis zur Gaszufuhr zu groß, so „schlĂ€gt der Brenner durch“,d. h., das Gas brennt im Inneren des Brennerrohres an der GasaustrittsdĂŒse. Man mussdann die Gaszufuhr völlig abstellen, die Lufteintrittsöffnung verkleinern und nach Öffnendes Gashahnes erneut entzĂŒnden. Ein zurĂŒckgeschlagener Brenner riecht nach kurzerZeit, er wird heiß und der Gummischlauch fĂ€ngt an zu schmoren oder zu brennen. Soll

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184 12.2 Mikroskopieren und TĂŒpfelreaktion

bis −20 ○C Eis-Kochsalz (3 ∶ 1)bis −30 ○C Eis-MgCl2 (3 ∶ 2)bis −40 ○C Eis-CaCl2 (2 ∶ 3)bis −78 ○C Aceton-Trockeneis (CO2)

bis −196 ○C FlĂŒssiger Stickstoff

Tab. 12.1 Auswahl gebrÀuchlicher KÀltemi-schungen

daher eine Gasflammeunbeaufsichtigt brennen, so muss unbedingt durchDrosselung derLuftzufuhr ein ZurĂŒckschlagen verhindert werden.

FĂŒr hohe Temperaturen wird einGeblĂ€sebrenner benutzt, bei dem die Luft in kompri-mierter Form (Stahlflaschen bzw. Kompressor) zugefĂŒhrt wird. Noch höhere Temperatu-ren erreicht man, wenn man Luft durch Sauerstoff aus einer Stahlflasche ersetzt.

Kryostate und KĂ€ltemischungenZum KĂŒhlen unter den Gefrierpunkt dienen KĂ€ltemischungen, von denen eine Auswahlder gebrĂ€uchlichsten in Tab. . nachstehend beschrieben ist. Wesentlich ist eine Zer-kleinerung des Eises auf ErbsengrĂ¶ĂŸe und eine gute Durchmischung.

Speziell fĂŒr Bereiche bis −60 °C finden Kryostate Anwendung, die mit entsprechendtief schmelzenden KĂ€ltemitteln (z. B. Methanol) gefĂŒllt werden.

WasserbadDa beim Erhitzen kleiner FlĂŒssigkeitsmengen die Gefahr der Überhitzung und des Siede-verzuges besonders groß ist, mĂŒssen Lösungen bei der HM-Analyse nach Möglichkeit imWasserbad erwĂ€rmt werden. Als solches kann ein Becherglas mit Einsatz benutzt werden,wie er in Abb. . dargestellt ist. Der Einsatz kann aus wasserbestĂ€ndigemMetall (z. B.

Abb. 12.4 Einsatz fĂŒr ein Wasserbad

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12

12.2.1 GerÀte 185

Messing) oder aus Polypropylen angefertigt werden. Der Einsatz soll mehrere BohrungenfĂŒr ReagenzglĂ€ser sowie wenigstens zwei Bohrungen fĂŒr BecherglĂ€ser besitzen.

GasprĂŒfapparateZum Nachweis von Gasen dient eine im Prinzip von Scholander entwickelte GasprĂŒfap-paratur ( Abb. .). Die zu prĂŒfende feste Substanz oder Lösung wird in das Generator-rohrG gefĂŒllt, nachdemvorher das Einleitungsrohr E abgenommenworden ist. Dannwirdeine zur Gasentwicklung aus der Substanz geeignete Reagenzlösung (z. B. verd.HSO zurZersetzung von Carbonaten) in das Einleitungsrohr E gesaugt, der Schliffhahn S geschlos-sen und E mit etwas Filterpapier außen trockengewischt. Nun wird E durch einen gutsitzenden Verschluss aus Gummischlauch fest auf G gesetzt. Die eingesaugte Reagenzlö-sungwird nachÖffnendes Schliffhahnes durch ein inertes TrĂ€gergas in dasGeneratorrohrgedrĂŒckt und dadurchmit der zu prĂŒfenden Substanz inKontakt gebracht. Die inG freige-setztenGasewerden unter weiteremDurchleiten vonTrĂ€gergas ĂŒber dasAbleitungsrohr Ain die Vorlage V geleitet und dort von einer geeigneten Reagenzlösung (z. B. Ba(OH)-Lösung zum Nachweis von CO) absorbiert. Diese Reagenzlösung darf nicht höher alsetwa 2 cm in der Vorlage stehen. Das Ableitungsrohr A soll möglichst tief in die Lösungeintauchen, ohne jedoch den Boden von V zu berĂŒhren. Um ein langsames und gleichmĂ€-ßiges Durchperlen der Gase durch die Vorlage zu gewĂ€hrleisten, wird das Ende von A zueiner Spitze ausgezogen, die eine Öffnung von etwa 0,5mm∅ haben soll. Zur RegulierungdesGasstroms dient die oberhalb von S angebrachteÖffnungO.Man lĂ€sst zunĂ€chst bei ge-schlossenemHahn S das TrĂ€gergas ausO austreten, um die Zuleitung von Luft zu befreien(wichtig beimNachweis vonCO!). Dannöffnetman S unter gleichzeitigem Schließen vonO durch denDaumen der rechtenHand und reguliert denGasstromdurch Daumendruckso, dass in der Vorlage V nicht mehr als – GasblĂ€schen pro Sekunde austreten. Dasuntere Ende des Einleitungsrohres E muss in die in G befindliche Lösung eintauchen.

Einleitungsrohr ESchliffhahn S

Öffnung O

zur TrÀgergasanlage

Generator-rohr G

Vorlage V

Ableitungsrohr A

Abb. 12.5 GasprĂŒfapparat;Reagenzglas mit GĂ€rröhrchen

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186 12.2 Mikroskopieren und TĂŒpfelreaktion

Zur leichteren Reinigung empfiehlt es sich, A durch ein StĂŒck Gummischlauch mit G zuverbinden. Anstelle des Schliffhahnes S kann als Behelf auch ein StĂŒck Gummischlauchmit Quetschhahn verwendet werden. Die Wahl des TrĂ€gergases hĂ€ngt von der Art desNachweises ab. Sofern Pressluft vorhanden ist, kann stets auf diese zurĂŒckgegriffen wer-den. Zur PrĂŒfung auf CO mĂŒssen allerdings Gaswaschflaschen mit %iger Kalilaugezur Absorption des CO in der Pressluft vorgeschaltet werden. Auch Stickstoff aus einerDruckgasflasche mit Reduzierventil kann verwendet werden, da Stickstoff keinen der ĂŒb-lichen Nachweise stört.

Wesentlich einfacher in der Handhabung und fĂŒr die meisten FĂ€lle ausreichend istdas ebenfalls in Abb. . wiedergegebene Reagenzglas mit GĂ€rröhrchen. Hier wird dieSubstanz in einem HM-Reagenzglas mit einem geeigneten Reagenz zersetzt und die sichbildenden Gase in dem aufgesetzten GĂ€rröhrchen aufgefangen, das mit einer geeignetenAbsorptionslösung gefĂŒllt ist. Zum vollstĂ€ndigen Austreiben der Gase wird das Reagenz-glas vorsichtig erwĂ€rmt.

MikrogaskammerZumNachweis vonGasenoder schwerer flĂŒchtigenDĂ€mpfen (CrOCl), die bei einerUm-setzung entstehen, ist die in der Abb. ., oben skizzierte Mikrogaskammer besondersgeeignet. Sie besteht aus zwei ObjekttrĂ€gern und einem 10mm hohen Ring, der aus einemGlasrohr von etwa 15mm∅ geschnitten wird. Der Ring ist an beiden Enden plangeschlif-fen. Bei der Anwendung wird ein Probetropfen auf den unteren ObjekttrĂ€ger aufgetropftund der Glasring so aufgesetzt, dass der Tropfen von ihm umschlossen wird. Dann wirddie zur Gasentwicklung erforderliche Menge Reagenzlösung zugesetzt und der Glasringmit dem zweiten ObjekttrĂ€ger abgedeckt. Am zweiten ObjekttrĂ€ger hĂ€ngt ein Tropfeneiner zumNachweis des gesuchten Gases geeigneten Reagenzlösung. Nun wird der untereObjekttrĂ€ger vorsichtig erwĂ€rmt (Luftbad). Die sich entwickelndenGase werden von demTropfen amDeckglas absorbiert und können dort durchweitereReaktionen nachgewiesenwerden.

Wattebausch

Tropfen

FĂŒllmasse aus Paraffin-SchwefelblĂŒte

Abb. 12.6 Mikrogaskammer; H2S-Entwicklungsapparatur nach Seel

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332 14.3 Schwefelwasserstoff-Gruppe

lÀsst es sich umkristallisieren, wodurch eine Abscheidung von eventuell mitgerissenemBis(dimethylglyoximato)platin möglich ist. In verd. SÀuren ist es ebenfalls schwer löslich,jedoch löslich in Ammoniak und verd. Alkalihydroxiden. Aus diesen Lösungen wird dasBis(dimethylglyoximato)palladium durch SÀuren unzersetzt wieder ausgefÀllt.

265 Nachweis von Pd(II) neben Au(III) und Pt(IV)Pd(II) wird auf Papier mit Hg(CN) als weißes Pd(CN) gefĂ€llt, wĂ€hrend Au(III) undPt(IV) wasserlöslicheCyanidokomplexe bilden. Nach demWaschenmitWasser reduziertman das verbliebene Pd(CN) mit SnCl zum elementaren Pd.

Tropfen gesĂ€ttigte Hg(CN)-Lösung wird auf Filterpapier mit Tropfen Probelösungund wieder mit Tropfen Hg(CN)-Lösung versetzt. Nach Auswaschenmit einigen Trop-fen Wasser tĂŒpfelt man mit Tropfen SnCl-Lösung Bei Anwesenheit von Pd entsteht eingelber bis orangefarbener Fleck.Reagenz: GesĂ€ttigte Hg(CN)-LösungEG: , ÎŒg Pd (in ,mL); pD: ,

14.3 Schwefelwasserstoff-Gruppe

Zu der Schwefelwasserstoff-Gruppe gehören die in Tab. . aufgefĂŒhrten Metalle undHalbmetalle, die in saurer Lösung mit HS entweder schwer lösliche Sulfide bilden, zu denElementen reduziert werden oder als Iodide ausfallen (Tl-Iodid).

Ferner werden unter den genannten Bedingungen auch die Elemente Pd, Pt und Au alsSulfide gefĂ€llt. Da sie jedoch den ĂŒblichen Trennungsgang erschweren, ist es zweckmĂ€ĂŸig,diese Elemente in einer sogenannten Reduktionsgruppe vorher abzuscheiden. In diesemFall kommen auch Se und Te in diese Gruppe. Tl wird zu Beginn des Trennungsganges zuTl(III) oxidiert und in der Schwefelwasserstoff-Gruppe als Iodid abgeschieden.

Mowird wegen seinerÄhnlichkeit mitWolfram und seiner oft unvollstĂ€ndigen FĂ€llungmitHS in saurer Lösung auf7S. besprochen, SeundTewurden schon auf7S. bzw.7S. behandelt.

Die SulfideAsS, AsS, SbS, SbS, SnS, SnS,MoS, GeS sowie SeundTe lösen sichin (NH)Sx , wĂ€hrend die ĂŒbrigen Sulfide und TlI im RĂŒckstand verbleiben.Hierdurch isteine Aufspaltung der Schwefelwasserstoff-Gruppe in zwei Untergruppen, die sogenannteCu-Gruppe und die As-Sn-Gruppe, gegeben.

Die Sulfide des As, Sb, Sn undMo bildenmit (NH)Sx löslicheThiosalze. Hier kommtdie Ähnlichkeit des Schwefels mit dem in der gleichen Gruppe des PSE stehenden Sauer-stoff zum Ausdruck. Analog der Bildung von Salzen aus „basischen“ und „sauren“ Oxiden

3. Hauptgruppe: Tl,

4. Hauptgruppe: Ge, Sn, Pb, 1. Nebengruppe: Cu,

5. Hauptgruppe: As, Sb, Bi, 2. Nebengruppe: Cd, Hg,

6. Hauptgruppe: Se, Te, 6. Nebengruppe: Mo.

Tab. 14.2 ÜberblickH2S-Gruppe

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14

Hg

14.3.1 Quecksilber 333

vereinigen sich zwei Sulfide zu einem Salz, das im Gegensatz zu dem Oxosalz alsThiosalzbezeichnet wird:

Na2O + SO3 ïżœïżœâ†’ Na2(SO4) (Sulfat)3CaO + As2O3 ïżœïżœâ†’ Ca3(AsO3)2 (Arsenit)3Na2S + As2S3 ïżœïżœâ†’ 2Na3(AsS3) (Thioarsenit)3Na2S + As2S5 ïżœïżœâ†’ 2Na3(AsS4) (Thioarsenat)Na2S + SnS2 ïżœïżœâ†’ Na2(SnS3) (Thiostannat)

Auch V und W bilden in ammoniakalischer Lösung mit (NH)Sx lösliche Thiosalze, siegehören aber nicht in die Schwefelwasserstoff-Gruppe, da ihre Sulfide nicht mit HS aussaurer Lösung gefÀllt werden. HgS, das in saurer Lösung gefÀllt wird, löst sich nicht inAmmoniumsulfid, wohl aber in Alkalisulfid (7S. ).

Die freienThiosÀuren, also etwas HAsS oder HSnS, sind unbestÀndig und zerfallenin HS und Sulfid:

6H+ + 2AsS3−3 ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ 3H2S + As2S3 ↓Da hierbei das Löslichkeitsprodukt der Sulfide weit ĂŒberschritten wird, geht die Reaktionin wĂ€sseriger Lösung stets quantitativ vor sich.

Die Analogie zwischen Sauerstoff und Schwefel zeigt sich auch in gemischten Thio-oxosalzen, z. B. Natriummonothiotrioxoarsenat NaAsOS oder Natriumdithiodioxoarse-nat NaAsOS.

Im systematischenGang der Analyse werden die Sulfide der Schwefelwasserstoff-Grup-penelementemit (NH)Sx digeriert (7S. ). Dabei bleiben die Sulfide derKupfer-Grup-pe als HgS, PbS, BiS, CuS und CdS, sowie, in Gegenwart des selteneren ElementesThal-lium, TlI ⋅ I, im RĂŒckstand.

14.3.1 Quecksilber

QuecksilberHg, Z: 80, RAM: 200,59, 5d106s2

HĂ€ufigkeit: 4 ⋅ 10−5 Gew.-%; Smp.: −38,84 ○C; Sdp.: 356, 73○C; D25: 13,5336g/cm3; Oxida-tionsstufen: +I, +II; Ionenradius rHg+ : 127pm, rHg2+ : 110pmStandardpotenziale: Hg2+2 + 2e− ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ 2Hg; E0 = 0,7973 V / Hg2+ + 2e− ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ Hg; E0 = 0,851 VVorkommen: Das wichtigste Quecksilbermineral ist der Zinnober HgS.Darstellung: Die zinnoberhaltigen Erze werden im Luftstrom erhitzt, der entweichende Queck-silberdampf wird in Kammern kondensiert. Reines Quecksilber wird dann durch Vakuumdestil-lation sowie Oxidation von Verunreinigungen mit verd. HNO3 erhalten.Bedeutung: Metallisches Quecksilber findet Verwendung in physikalischen Apparaten (Ther-mometern, Barometern, Quecksilberdampfpumpen und -lampen) und GerĂ€ten der Elektroche-mie (Polarographie, Kalomelelektrode). Quecksilber wird in großer Menge bei der Chloralkali-Elektrolyse (Amalgamverfahren) benötigt, die allerdings zukĂŒnftig durch das Membranverfahrenersetzt wird. HgO ist ein Depolarisator in Quecksilberbatterien, jedoch enthalten auch ande-re Trockenbatterien bis zu 1% Hg. Silberamalgam dient als ZahnfĂŒllung. Die Bedeutung vonQuecksilber geht jedoch wegen seiner ToxizitĂ€t stark zurĂŒck.

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334 14.3 Schwefelwasserstoff-Gruppe

Chemische Eigenschaften: In der 2. Nebengruppe des PSE folgt auf die Elemente Zink undCadmium das Quecksilber. Im Gegensatz zu den allgemeinen Regeln fĂŒr die Nebengruppen(7Kap. 7.3) nimmt die Tendenz zur Bildung niederer Oxidationsstufen mit steigender Ord-nungszahl zu. WĂ€hrend Zn und Cd nur in der Oxidationsstufe +II auftreten, bildet Hg auchVerbindungen mit der Oxidationsstufe +I. In der Reihe Zn-Cd-Hg nimmt die Löslichkeit derSulfide ab, was sich durch ihre FĂ€llbarkeit in sauren Lösungen mit fallendem pH-Wert be-merkbar macht. Jedoch ist der Eigenschaftssprung zwischen Cd und Hg wesentlich grĂ¶ĂŸer alsder zwischen den ersten beiden Elementen. So hat auch Hg eine wesentlich höhere Elektro-nenaffinitĂ€t. Es hat im Gegensatz zu Zn und Cd in der Spannungsreihe (7S. 104) ein positivesNormalpotenzial und unterscheidet sich weiterhin durch die große FlĂŒchtigkeit sowohl desunter Normalbedingungen flĂŒssigen Metalls als auch seiner Verbindungen von den anderenElementen dieser Gruppe. Quecksilber in der Oxidationsstufe +I kommt nur in Verbindungenmit einer Hg–Hg-Bindung vor, wie z. B. Hg2Cl2. In wĂ€sseriger Lösung liegt das Ion Hg2+2 vor.Dieses disproportioniert leicht:

Hg2+2 ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ Hg + Hg2+Die Lage eines solchen Redoxgleichgewichtes wird von der Konzentration der dabei beteiligtenIonen beeinflusst. LĂ€sst man die Hg2+-Konzentration gegenĂŒber der von Hg2+2 klein werden,so tritt Disproportionierung ein (7Nachweis 268 bis7Nachweis 273 ). Ist dagegen die Hg2+-Konzentration grĂ¶ĂŸer, so wird der umgekehrte Vorgang beobachtet, z. B.:

Hg + HgCl2 ïżœïżœâ†’ Hg2Cl2

Die meisten Hg(I)-Salze sind schwer löslich, Ausnahmen bilden das Nitrat, Chlorat und Perchlo-rat. Die Lösungen reagieren infolge ihrer Hydrolyse sauer. Die Neigung zur Komplexbildung istgering.Dagegen sind viele Hg(II)-Salze leicht löslich. Einige wie Hg(II)-nitrat und Hg(II)-perchlorat,sind stark dissoziiert. Beim starken VerdĂŒnnen bilden sich durch Hydrolyse oft schwer löslichebasische Salze. Die Halogenide und Pseudohalogenide (HgCl2, HgBr2, Hg(CN)2, Hg(SCN)2) sindzwar löslich, aber nur wenig dissoziiert (eine Erscheinung, die im wesentlich geringeren Maßauch Zink und Cadmium zeigen). Die Folge davon ist, dass manche Reaktionen anomal ver-laufen. Hg(II)-Salze können in wĂ€sseriger Lösung mit NH3 Verbindungen folgender Art bilden(7Nachweis 269 ):

HgCl2 + 2NH3 ïżœïżœâ†’ [H3⊕N−Hg−⊕NH3]Cl2 ↓ „schmelzbares PrĂ€zipitat“,

HgCl2 + 2NH3 ïżœïżœâ†’ [HgNH2]Cl ↓ + NH+4 + Cl− „unschmelzbares PrĂ€zipitat“,

2HgCl2 + 4NH3 + H2Oïżœïżœâ†’ [Hg2N]Cl ⋅ H2O + 3NH+4 + 3Cl− „Salz der Millon’schen Base“.

Das „unschmelzbare PrĂ€zipitat“ besteht aus langen gewinkelten −⊕NH2−Hg–Ketten. Die „Mil-lon’sche Base“ besitzt ein Raumgitter.Hg(II) neigt stark zur Bildung von Komplexen mit hohem kovalentem Bindungsanteil.ToxizitĂ€t: Elementares Hg (MAK-Wert 0,1mg/m3) und seine Verbindungen sind sehr giftig(letale Dosis 0,2–1g HgCl2). VerhĂ€ltnismĂ€ĂŸig ungiftig sind schwer lösliche Verbindungen wieHg2Cl2 und HgS.

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14

Hg

14.3.1 Quecksilber 335

266 VorprobenWeder FlammenfĂ€rbung, Perlreaktion nochLötrohrprobe sind als Vorprobe geeignet.We-gen der FlĂŒchtigkeit aller Quecksilberverbindungen dient das Erhitzen im GlĂŒhröhrchenals Vorprobe. Dazu wĂ€rmtman in einem einseitig geschlossenen, trockenen Glasröhrchenvon etwa 5mm Innendurchmesser und 50mm LĂ€nge einige mg der Substanz langsam inder Bunsenflamme unter dem Abzug. Dabei entsteht ein Sublimat, das bei Chlorid weiß,bei Sulfid schwarz oder rot und bei Iodid gelb (nach Reiben mit einem Glasstab rot) ist;Sauerstoffverbindungen zeigen eine graue Farbe. Verreibt man vorher die Substanz mitSoda, so liefern alle Quecksilberverbindungen einen grauen Metallspiegel.In einemAnfĂ€ngerpraktikum sollte auf Experimente mit Quecksilber und seinen Verbin-dungen verzichtet werden. Auf jeden Fall muss man sich vor Beginn der Experimentemit Quecksilberverbindungen ĂŒber die ordnungsgemĂ€ĂŸen EntsorgungsmöglichkeitenfĂŒr QuecksilberabfĂ€lle informieren!

Gemeinsame Nachweise fĂŒr Hg(I) und Hg(II)

267 Nachweis als Amalgam mit unedleren MetallenDieser empfindliche und selektive Hg-Nachweis eignet sich auch als Vorprobe aus derAnalysensubstanz.

Hg2+ + Cuïżœïżœâ†’ Hg ↓ + Cu2+5–10mg Substanz werden mit Tropfen 5mol/L HCl und Tropfen 5mol/L NaClO imWasserbad erhitzt. Wenn nichts mehr in Lösung geht, wird mit HO auf 0,5mL verdĂŒnntund das ĂŒberschĂŒssige Cl in der WĂ€rme mit einem Luftstrom aus der Lösung vertrieben.In Tropfen dieser Lösung oder in Tropfen der imTrennungsgang aufHg+ zu prĂŒfendenHCl-sauren Lösung wird auf einemObjekttrĂ€ger ein kleines StĂŒckchen blanker Cu-Drahtgebracht und der Tropfen auf demWasserbad zur Trockne verdampft.Der RĂŒckstand wirdmit Tropfen HO befeuchtet und der Cu-Draht, an dem sich Hg, Ag u. a. edlere Metalleabgeschieden haben, vorsichtig, ohne zu reiben, zwischen Filterpapier getrocknet. Dasabgeschiedene Hg wird in einer flachen Mikrogaskammer oder zwischen zwei kleinenUhrglĂ€sern ĂŒber kleiner Flamme vom Cu-Draht abdestilliert. Am oberen ObjekttrĂ€geroder Uhrglas scheiden sich kleine Hg-Tröpfchen ab, die mit einer Lupe oder unter demMikroskop bei geringer VergrĂ¶ĂŸerung leicht zu erkennen sind.EG: ca. , ÎŒg Hg+

Aus Lösungen, die nur Quecksilber als edleres Metallion enthalten, kann Hg an einemKupferblech als grauer Beschlag abgeschieden werden (Amalgambildung), der beim Po-lieren mit einem Filterpapier silberglÀnzend wird.

Reaktionen und Nachweise fĂŒr Hg(I)

FĂŒr die nachfolgenden Reaktionen verwendet man eine Hg(NO)-Lösung.268 NaOHSchwarzer Niederschlag eines Gemisches von Hg +HgO, der schwer löslich im Über-schuss des FĂ€llungsmittels, aber löslich in HNO ist.

Hg2+2 + 2OH− ïżœïżœâ†’ Hg ↓ + HgO ↓ + H2O

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336 14.3 Schwefelwasserstoff-Gruppe

269 AmmoniakSchwarzer Niederschlag eines Gemisches von Quecksilber, das in fein verteiltemZustandschwarz aussieht, und weißem Quecksilber(II)-amidonitrat:

Hg2+2 + NO−3 + 2NH3 ïżœïżœâ†’ Hg ↓ + [HgNH2]NO3 ↓ + NH+4270 HCl, lösliche ChlorideWeißer Niederschlag von HgCl:

Hg2+2 + 2Cl− ïżœïżœâ†’ Hg2Cl2 ↓Schwer löslich in verdĂŒnnten SĂ€uren, löslich in Königswasser, da Oxidation eintritt:

Hg2Cl2 + Cl2 ïżœïżœâ†’ 2HgCl2

HgCl fĂŒhrt denNamen „Kalomel“ (schönes Schwarz), weil es sich beimÜbergießenmitAmmoniak tiefschwarz fĂ€rbt. Dabei bildet sich ein Gemisch von fein verteiltem Queck-silber (schwarz) und Quecksilber(II)-amidochlorid, [HgNH]Cl (unschmelzbares PrĂ€zi-pitat). Wichtige Reaktion zum Erkennen von Hg+ .

271 KIZunĂ€chst bildet sich ein grĂŒnlich gelber Niederschlag von HgI, der beim ErwĂ€rmenleicht zerfĂ€llt und dabei schwarz wird. Im Überschuss von KI löst sich HgI auf (7Nach-weis 277 ). HgI disproportioniert mit einem Überschuss von KI in [HgI]

− und Hg:

Hg2+2 + 2 I− ïżœïżœâ†’ Hg2I2 ↓Hg2I2 ïżœïżœâ†’ Hg + HgI2

272 H2SIn saurer Lösung entsteht ein schwarzer Niederschlag von HgS und Hg, der in HCl schwerlöslich ist, sich jedoch in Königswasser sowie teilweise in halbkonz. HNO löst. In Kö-nigswasser wird der gesamte Niederschlag oxidiert und aufgelöst, in halbkonz. HNOnur Quecksilber. In Ammoniumsulfid und -polysulfid ist der Niederschlag schwer löslich,konz. Alkalisulfidlösung löst dagegen HgS heraus, Alkalipolysulfid auch Hg:

HgS + S2− ïżœïżœâ†’ [HgS2]2−Hg + S2−2 ïżœïżœâ†’ [HgS2]2−

273 KCNDisproportionierung zu löslichemHg(CN) und Hg. Letzteres fÀllt aus:

Hg2+2 + 2CN− ïżœïżœâ†’ Hg(CN)2 + Hg ↓274 K2CrO4In der Hitze entsteht rotes HgCrO.

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14

Hg

14.3.1 Quecksilber 337

Reaktionen und Nachweise fĂŒr Hg(II)

FĂŒr die nachstehenden Reaktionen verwendet man eine HgCl- oder Hg(NO)-Lösung.

275 NaOHGelberNiederschlag von HgO, der schwer löslich im Überschuss, jedoch löslich in SĂ€urenist.

276 AmmoniakWeißerNiederschlag der entsprechendenQuecksilber(II)-amidoverbindung, [Hg(NH)]Cl.In Gegenwart von viel NHCl entsteht ein Komplex, z. B. [HN−Hg−NH]Cl, derebenfalls schwer löslich ist und schmelzbares PrĂ€zipitat genannt wird. Zersetzt man HgI,bzw., da dieses schwer löslich ist, das Komplexsalz K[HgI] mit Ammoniak, so bildetsich ein roter Niederschlag von [HgN]I. Verwendung von „Neßlers Reagenz“ fĂŒr denAmmoniaknachweis im Trinkwasser (7Nachweis 627 ).

277 KIRoter Niederschlag von HgI, der sich im Überschuss von KI löst. Aus solchen LösungenfĂ€llt mit NaOH kein HgO aus:

Hg2+ + 2 I− ïżœïżœâ†’ HgI2 ↓HgI2 + 2 I− ïżœïżœâ†’ [HgI4]2−

278 H2SHgS kommt in zwei Modifikationen vor, der metastabilen schwarzen und der stabilenroten. Nach der Ostwald-Volmer-Stufenregel wird bei derartigen Systemen der energie-Àrmere Zustand mit höherer Dichte nicht direkt, sondern stufenweise erreicht.

Bei HS-Einleitung fĂ€llt schwarzer Niederschlag von HgS aus, der schwer löslich inHCl und halbkonzentrierter HNO ist, sich jedoch in Königswasser löst. HĂ€ufig entstehtzunĂ€chst ein weißer Niederschlag, der aus Mischsalzen besteht, so beim Arbeiten mitChlorid: HgSCl. Auch dieses ist sowohl in HCl als auch in halbkonzentrierter HNOschwer löslich. Ebenso kann sich ein Mischsalz bilden, wenn man HgS mit HNO behan-delt.

HgS ist nicht in (NH)S-Lösung, aber in konzentrierter Alkalisulfidlösung unter Bil-dung einesThiosalzes löslich (7Nachweis 272 ). BeimEinleiten vonHS in dessenLösungfĂ€llt infolge der Herabsetzung der S−-Konzentration – es bilden sich HS−-Ionen – HgSwieder aus, wobei sich die roteModifikation anstelle der sonst beim analytischen Arbeitenentstehenden schwarzen bilden kann.

279 Wenig dissoziierte Hg2+-SalzeDie geringe Dissoziation mancher Hg(II)-Salze erkennt man an folgenden Versuchen:a) Festes HgCl2 (Sublimat) und konz. H2SO4: Es entweicht keinHCl. Bei stĂ€rkeremErhitzendestilliertmit HSO zugleichHgCl ab, das sich an den kĂ€lteren Teilen des Reagenzglaseswieder absetzt (zugleich Zeichen fĂŒr die leichte FlĂŒchtigkeit!).b) Frisch bereitetes HgO und KCN-Lösung: HgO löst sich auf. Aus Hg(CN)-Lösung fallenmit NaOH oder KI keine NiederschlĂ€ge, weil so wenig Hg+-Ionen zugegen sind, dass dasLöslichkeitsprodukt vonHgO bzw. HgI nicht ĂŒberschrittenwird (7S. f.). Nur mit HSerfolgt aus Hg(CN)-Lösung die FĂ€llung von HgS.

HgO + 2CN− + H2Oïżœïżœâ†’ Hg(CN)2 + 2OH−

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338 14.3 Schwefelwasserstoff-Gruppe

280 K2CrO4Aus neutralen Lösungen FÀllung von gelbem HgCrO, das beim Erhitzen rot wird.KCrO gibt mit Hg(NO) eine gelbbraune FÀllung, reagiert dagegen nicht mit HgCl.

281 Nachweis durch ReduktionsmittelZurReduktion kannnebenunedlenMetallen u. a. SnCl in saurer Lösung benutzt werden.

2HgCl2 + Sn2+ + 4Cl− ïżœïżœâ†’ Hg2Cl2 ↓ + [SnCl6]2−Hg2Cl2 + Sn2+ + 4Cl− ïżœïżœâ†’ 2Hg ↓ + [SnCl6]2−

Bei tropfenweiser Zugabe tritt zunĂ€chst eine FĂ€llung von weißem HgCl auf. Hg+ wird

zu Hg+ reduziert. Bei Überschuss von SnCl GraufĂ€rbung durch Hg (weitere Reduktion).Eventuell vorhandenesHgCl kanndurchÜbergießenmit Ammoniak erkanntwerden

(7Nachweis 269 ).

282 Nachweis als Cobaltthiocyanatomercurat(II)Die Bildungsweise und Eigenschaften dieses Salzes werden bei Cobalt (7Nachweis 412 )beschrieben.

Hg2+ + 4SCN− + Co2+ ïżœïżœâ†’ Co[Hg(SCN)4] ↓Zum Nachweis von Hg+ wird Tropfen der Lösung auf dem ObjekttrĂ€ger mit Trop-fen konz. HNO vorsichtig zur Trockne eingedampft. Der RĂŒckstand wird mit Tropfen1mol/L CHCOOH und danach mit einem kleinen Tropfen Reagenzlösung versetzt. Beisehr geringen Hg-Mengen wird die Reagenzlösung direkt auf den getrockneten RĂŒckstandgegeben. Die Bildung blauer, keilförmiger Kristalle von Co[Hg(SCN)] zeigt Hg an. Be-trachtung unter demMikroskop ( Abb. .).Störungen: GrĂ¶ĂŸere Mengen Pb+ und Ag+ mĂŒssen vorher durch FĂ€llung als Chlorideentfernt werden.Reagenz: 3,3 g NHSCN und 3 g Co(NO) ⋅ HO in 5mLWasserEG: , ÎŒg Hg; pD: ,

283 Nachweis als Hg(II)-ReineckatHg+ bildet in HCl-saurer Lösung mit NH[Cr(SCN)(NH)] (Reinecke-Salz) einenschwer löslichen rosaroten Niederschlag.

Hg2+ + 2 [Cr(SCN)4(NH3)2]− ïżœïżœâ†’ Hg[Cr(SCN)4(NH3)2]2 ↓Zum Nachweis von Hg wird die HCl-saure, mit HNO oxidierte Lösung von evtl. gefĂ€ll-tem PbCl dekantiert, auf ca. °C erhitzt und mit kalter, frisch bereiteter Reinecke-Salz-Lösung versetzt. Ein rosaroter Niederschlag zeigt Hg an.Störungen: Au, Ag, Tl und Cu(I) stören. Viel Pb+ kann in der KĂ€lte gleichfalls einenNiederschlag bilden, der sich jedoch beim ErwĂ€rmen auflöst.Reagenz: %ige Reinecke-Salz-LösungEG: , ÎŒg Hg; pD: ,

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14

Hg

14.3.1 Quecksilber 339

284 Nachweis als Cu2[HgI4]Hg+ reagiert in saurer Lösung mit CuI in Gegenwart von KI unter Bildung von rotemCu[HgI].

Hg2+ + 2 CuI + 2 I− ïżœïżœâ†’ Cu2[HgI4] Tropfen KI-NaSO-Lösung wird auf eine TĂŒpfelplatte oder ein Filterpapier aufgetra-gen, mit Tropfen CuSO-Lösung versetzt und anschließend mit Tropfen ProbelösunggetĂŒpfelt, die 1mol/L HCl oder HNO enthalten soll. In AbhĂ€ngigkeit von der Hg+-Konzentration tritt eine rote bis orangerote Farbe auf.

Eine Blindprobe ist stets durchzufĂŒhren, da sich CuI in feuchtem Zustand nach kurzerZeit rötlich braun fĂ€rbt.Störungen: Innerhalb der Reduktions- und Schwefelwasserstoff-Gruppe stören nurPd(II), das schwarzes PdI bildet, sowie Oxidationsmittel (Au+, Pt+, MoO−

, WO−

usw.). Pd wird durch FÀllung mit Diacetyldioxim aus saurer Lösung, Au durch Reduktionmit NaSO entfernt. Pt wird durch NaSO maskiert (Bildung von [Pt(SO)]

−).MoO−

undWO− werdenmit NaF (Bildung von [MoOF]- bzw. [WOF]-)maskiert.

Hg+ und Ag+ werden mit HCl gefĂ€llt und abfiltriert.Reagenz: Kaliumiodid-Natriumsulfitlösung: 5 g KI und 20 g NaSO ⋅ HO, gelöst in100mLWasser; Kupfersulfatlösung: 5 g CuSO ⋅ HO in 100mL Wasser gelöst.EG: , ÎŒg Hg+; pD:

285 Hg(II)-Nachweis als Diphenylcarbazon-ChelatHg+ bildet mit Diphenylcarbazid bzw. dessen Oxidationsprodukt Diphenylcarbazon inneutraler bis schwach saurer Lösung eine rotviolette Komplexverbindung (7S. ).

Hg2+ + 2 NN

OHN

HN Hg

NN

ON

HN

NN

O NNH + 2H+

Der Niederschlag der Schwefelwasserstoff-Gruppe wird mit halbkonzentrierter HNOaufgekocht, der HgS-RĂŒckstand gut gewaschen und in möglichst wenig Königswassergelöst. Die Lösung wird mit HNO im Überschuss bis fast zur Trockne vorsichtigeingedampft, mit möglichst wenigWasser aufgenommen und mit Ammoniak annĂ€herndneutralisiert. – Tropfen der neutralen Lösung werden auf Filterpapier getĂŒpfelt, dasvorher mit einigen Tropfen Reagenzlösung getrĂ€nkt wurde. In Gegenwart von Hg(II)entsteht ein rotvioletter Fleck, dessen Farbe sich beim RĂ€uchern mit NH vertieft. DieFĂ€rbung verblasst im Allgemeinen nach kurzer Zeit.

Liegt Hg+ vor, so wird der Niederschlag der SalzsĂ€ure-Gruppe nach Auswaschen vonPbCl mit heißem Wasser und von AgCl mit Ammoniak in Königswasser gelöst. DannverfĂ€hrt man wie oben, sofern bei sehr kleinen Hg-Mengen die Kalomelreaktion nichteindeutig verlĂ€uft.

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340 14.3 Schwefelwasserstoff-Gruppe

Störungen: Cd(II), CrO− und andere Oxidationsmittel sowie grĂ¶ĂŸere Mengen Cu(II)

stören.Reagenz: GesĂ€ttigte Lösung von Diphenylcarbazid oder Diphenylcarbazon in AlkoholEG: ÎŒg Hg; pD: ,

14.3.2 Blei

BleiPb, Z: 82, RAM: 207,2, 6s26p2

HĂ€ufigkeit: 1,8 ⋅ 10−3 Gew.-%; Smp.: 327,5 ○C; Sdp.: 1749 ○C; D25: 11,3 g/cm3; Oxidationsstu-fen: +II, +IV; Ionenradius r

Pb2+: 120pm

Standardpotenzial: Pb2+ + 2 e− ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ Pb; E0 = −0,126 VVorkommen: Das wichtigste Bleierz ist der Bleiglanz PbS. Zu erwĂ€hnen sind noch WeißbleierzPbCO3, Anglesit PbSO4 und Pyromorphit Pb5[Cl(PO4)3].Darstellung: Die Bleigewinnung erfolgt noch ĂŒberwiegend durch Röstreduktionsarbeit, dabeiwird das Sulfid völlig abgeröstet (Verblaserröstung) und entstandenes Oxid reduziert:

2PbS + 3O2 ïżœïżœâ†’ 2PbO + 2 SO2 ↑PbO + Cïżœïżœâ†’ Pb + CO ↑

Röstreaktionsarbeit wĂŒrde weniger Energie verbrauchen, dabei wird das Sulfid nur teilweiseabgeröstet und das entstandene Oxid mit noch vorhandenem Sulfid unter Luftabschluss erhitzt:

2 PbO + PbSïżœïżœâ†’ 3Pb + SO2 ↑Bedeutung: Metallisches Blei dient zur Herstellung von Akkumulatorplatten, Kabelummante-lungen, Rohren, Blechen (Auskleidung von GefĂ€ĂŸen), Geschossen und Flintenschrot. BleiwĂ€ndewerden zum Strahlenschutz (Îł-Strahlen) verwendet. Wichtig sind Legierungen, wie Lettern-metall (Sn- und Sb-haltige Pb-Legierung), Weichlot und Lagermetall (Bahnmetall, Li-haltigePb-Legierung). Von den Bleiverbindungenwerden PbO2 fĂŒr Akkumulatoren, Bleiweiß (basischesBleicarbonat), Mennige Pb3O4 und Chromgelb PbCrO4 als Pigmente, PbO zur Herstellung vonGlĂ€sern mit hohem Brechungsindex (optische GlĂ€ser, Kristallglas) und von Sikkativen (Beschleu-nigung der Verharzung von Ölen im Anstrich) benutzt.Chemische Eigenschaften: Blei steht in der 4. Hauptgruppe des PSE. Obwohl Blei ein negativesStandardpotenzial hat, löst es sich nicht in HCl und H2SO4. Selbst konzentrierte H2SO4 bis etwa75–80% und ebenso HF bis etwa 60% greifen es kaum an, da sich festhaftende ÜberzĂŒ-ge bilden. Dagegen wird es von heißer hoch konzentrierter H2SO4 unter Komplexbildung zu[Pb(SO4)2]

2− gelöst. Das beste Lösemittel ist HNO3.In den meisten Verbindungen tritt Blei in der Oxidationsstufe +II auf. In seiner höchsten Oxida-tionsstufe +IV ist es nur in PbO2, Pb(C2H5)4, Pb(CH3COO)4 und einigen Komplexsalzen bestĂ€ndig.PbO2 hat schwach sauren Charakter, löst sich in heißer konzentrierter KOH als [Pb(OH)6]

2− undbildet Plumbate(IV) wie K2[Pb(OH)6]. Schmelzen von PbO mit Ca(NO3)2 ergibt das ternĂ€re OxidCa2PbO4, ein sogenanntes Orthoplumbat. Mennige Pb3O4 enthĂ€lt Ketten kantenverbundenerPbIVO6-Oktaeder. Pb(II)-Ionen verbinden die Ketten miteinander. Pb3O4 kann daher als Blei(II)-polyplumbat(IV) aufgefasst werden. HNO3 löst nur Pb(II) heraus.ToxizitĂ€t: Schon bei tĂ€glicher ZufĂŒhrung von 1–2mg Bleiverbindungen treten chronische Ver-giftungen auf.

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14

Pb

14.3.2 Blei 341

286 Vorproben auf Pba) FlammenfĂ€rbung: Fahlblaue Flamme, die wenig charakteristisch fĂŒr Pb-Verbindungenist.b) Lötrohrprobe: Beste Vorprobe. Alle Bleiverbindungen werden leicht reduziert. Es bil-det sich ein duktiles Metallkorn, außerdem ein gelber Oxidbeschlag. Mit dem Lösen desMetalls in verd. HNO werden nach Neutralisation mit Soda folgende Reaktionen durch-gefĂŒhrt: HS: schwarzes PbS, HSO: weißes PbSO und KCrO: gelbes PbCrO.

FĂŒr die nachstehenden Reaktionen verwendet man eine Pb(NO)-Lösung bzw. die ent-sprechend vorbereitete Analysenlösung.

287 NaOHWeißer Niederschlag von Pb(OH), der löslich in SĂ€uren und starken Basen ist. Als am-photeres Hydroxid bildet es mit Letzteren Hydroxoplumbate(II). Mit HO fĂ€llt aus die-sen Lösungen PbO. Auch in ammoniakalischer konz. Ammoniumacetat- und besondersTartratlösung ist Pb(OH) löslich. Mit Tartrationen bildet Pb(II) dabei einen Ă€hnlichenChelatkomplex wie Cu(II).

Pb2+ + 2OH− ïżœïżœâ†’ Pb(OH)2 ↓Pb(OH)2 + OH− ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ [Pb(OH)3]−

288 AmmoniakWeißer Niederschlag von Pb(OH), schwer löslich im Überschuss. In wĂ€sserigen Lösun-gen vermag Pb+ keine Amminkomplexe zu bilden.

289 HCl und ChlorideAus nicht zu verdĂŒnnter Lösung fĂ€llt weißes, kristallines PbCl aus. Es ist bei °C zu etwa% in reinemWasser löslich, bei °C betrĂ€gt die Löslichkeit etwa %.Man löst in einemReagenzglas etwas PbCl in siedendem Wasser, trennt das Filtrat vom RĂŒckstand heißdurch ein Faltenfilter und lĂ€sst abkĂŒhlen. Man findet charakteristische lange, glĂ€nzendweiße Nadeln ( Abb. .).

Pb2+ + 2Cl− ïżœïżœâ†’ PbCl2 ↓Abb. 14.1 Bleichlorid-Nadeln

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342 14.3 Schwefelwasserstoff-Gruppe

290 H2SAus nicht zu stark saurer Lösung FĂ€llung von schwarzemPbS, das löslich in starken SĂ€urenist (Ă€ußerst empfindliche Reaktion).

291 H2SO4Neben HS dient HSO hĂ€ufig als FĂ€llungsmittel fĂŒr Pb+.

Der weiße Niederschlag von PbSO ist etwas löslich in verd. HNO, löslich in konz.HSO unter Bildung desKomplexes [Pb(SO)]

−. Um eine quantitative FĂ€llung zu erzie-len, muss man die Lösung nach dem Versetzen mit HSO so weit eindampfen, bis weißeNebel entstehen. Nur dann ist man sicher, dass HCl und HNO vollstĂ€ndig entfernt wor-den sind. Anschließend verdĂŒnnt man mit Wasser. (Vorsicht! konz. HSO und Wasserspritzen leicht!)

PbSO wird ebenso wie Pb(OH) durch ammoniakalische Tartrat- sowie konz. Ammo-niumacetatlösung unter Komplexbildung gelöst. Desgleichen löst sich PbSO in starkerNaOH unter Bildung von Hydroxoplumbaten(II) auf.

292 HNO3Man erwÀrmt Mennige mit verd. HNO. Die Farbe schlÀgt von Rot nach Braun (PbO)um, im Zentrifugat lÀsst sich Pb+ nachweisen.

Pb3O4 + 4H+ ïżœïżœâ†’ 2Pb2+ + PbO2 + 2H2O293 Nachweis als PbI2Mit KI erhĂ€lt man einen gelben Niederschlag von PbI ( Abb. .A), der im Überschussdes FĂ€llungsmittels unter Bildung von [PbI]

− löslich ist. Der Komplex ist aber nur beiKI-Überschuss bestĂ€ndig.

Pb2+ + 2 I− ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ PbI2 ↓PbI2 + 2 I− ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ [PbI4]2−

PbI ist in Wasser bei °C zu etwa ,%, bei °C zu ,% löslich. Aus heißgesĂ€ttigten Lösungen kristallisiert es beim AbkĂŒhlen in gelben glĂ€nzenden BlĂ€ttchenaus ( Abb. .B).

294 Nachweis als PbCrO4PbCrO bildet einen gelben, in CHCOOH und Ammoniak schwer löslichen, in NaOHund HNO löslichen kristallinen Niederschlag ( Abb. .A).

Pb2+ + CrO2−4 ïżœïżœâ†’ PbCrO4 ↓NebenAgCrO ( Abb. .) kann PbCrO an seinerKristallform – gelbe, durchsichtigeStĂ€bchen, evtl. auch kleine monokline Kristalle ( Abb. .B) – unter dem Mikroskoperkannt werden. Die alkalische Probelösungwirdmit Tropfen 0,5mol/LKCrO versetztund dann mit 5mol/L CHCOOH schwach angesĂ€uert. In Gegenwart von Pb fĂ€llt gelbesPbCrO aus. Zur mikroskopischen Untersuchung wird Tropfen der Pb+-Lösung mit5mol/L HNO schwach angesĂ€uert und auf demObjekttrĂ€ger erwĂ€rmt. Man bringt einenkleinen Kristall KCrO in die Mitte des ProbetrĂ€gers und beobachtet die beim Erkalteneinsetzende Kristallisation unter demMikroskop.Störungen: Kationen, die mit CrO−

-Ionen ebenfalls in saurer Lösung schwer löslicheChromate bilden, dĂŒrfen nicht mit vorliegen.EG: , ÎŒg Pb; pD: ,

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14

Pb

14.3.2 Blei 343

Abb. 14.2 PbI2: FĂ€llung im Reagenzglas (A) und Mikrokristalle auf ObjekttrĂ€ger (B, VergrĂ¶ĂŸe-rung: 1 ∶ 100)

Abb. 14.3 PbCrO4: FĂ€llung im Reagenzglas (A) und Mikrokristalle auf ObjekttrĂ€ger (B, Vergrö-ßerung: 1 ∶ 100)295 Nachweis als K2CuPb(NO2)6Zu Bildung und Eigenschaften dieses quaternĂ€renNitrits siehe Kalium (7Nachweis 618 ): Tropfen der essigsauren Lösung wird auf dem ObjekttrĂ€ger bis fast zur Trockne einge-dampft und der abgekĂŒhlte RĂŒckstand mit Tropfen Reagenzlösung versetzt. Bei Zugabevon etwas festem KNO scheiden sich sofort schwarze WĂŒrfel des quaternĂ€ren Nitrits ab.Falls PbSO vorliegt, wird Letzteres auf demObjekttrĂ€ger mit Reagenzlösung in mĂ€ĂŸigemÜberschuss durchfeuchtet und KNO hinzugegeben. Das durch NHCHCOO gelöstePbSO reicht zur Bildung des quaternĂ€ren Nitrits aus, das sich neben ungelöstem PbSOunter demMikroskop erkennen lĂ€sst ( Abb. .).Störungen: Innerhalb der Schwefelwasserstoff-Gruppe stören lediglichHg in 300-fachemÜberschuss sowie Bi und Sn.

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344 14.3 Schwefelwasserstoff-Gruppe

Reagenz: Mischlösung aus gleichen Volumina Eisessig, gesĂ€ttigter NHCHCOO-Lösung und %iger KupferacetatlösungEG: , ÎŒg Pb; pD: ,

296 Nachweis als Dithizon-ChelatPb(II) bildet in neutraler oder alkalischer Lösung mit Dithizon (Diphenylthiocarbazon)ein rotes Komplexsalz (vgl.7S. ), das sich mit CHCl ausschĂŒtteln lĂ€sst.

Pb2+ + 2 NN

SHNN

H

Dithizon

Pb

NN

SNN

H

NN

S NN

H+ 2H+

In einigen Tropfen der neutralen oder schwach alkalischen Lösung wird etwas KCN undK-Na-Tartrat gelöst und diese Lösung mit – Tropfen frisch bereiteter Reagenzlösunggemischt. Ein Farbumschlag der CHCl-Schicht von GrĂŒn nach Rot zeigt Pb(II) an. Unterdiesen Bedingungen stören in der SalzsĂ€ure- und Schwefelwasserstoff-Gruppenur Tl undSn (Blindprobe!).Störungen: Zahlreiche andere Schwermetallionen, die gleichfalls mit Dithizon farbigeKomplexe bilden, können mit KCN oder K-Na-Tartrat maskiert werden.Reagenz: Frisch bereitete Lösung von 2mg Dithizon in 100mL CHClEG: , ÎŒg Pb; pD: ,

14.3.3 Bismut

BismutBi, Z: 83, RAM: 208,9804, 6s26p3

HĂ€ufigkeit: 2 ⋅ 10−5 Gew.-%; Smp.: 271,4 ○C; Sdp.: 1564 ○C; D25: 9,79 g/cm3; Oxidationsstufen:+III, +V; Ionenradius r

Bi3+: 117 pm

Standardpotenzial: BiO+ + 2H+ + 3e− ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ Bi + H2O; E0 = +0,32 VVorkommen: Bismut kommt sehr selten gediegen vor, sonst hauptsĂ€chlich als Bismutglanz,Bi2S3, auch verwittert zu Bismutocker, Bi2O3. Spuren sind in vielen anderen Sulfiderzen ent-halten.Darstellung: Oxidische Erze werden mit HCl/HNO3 aufgeschlossen und das erhaltene BiOCl mitKohle reduziert. Beim sulfidischen Erz wendet man das Röstreduktionsverfahren oder die Nie-derschlagsarbeit (7S. 340) an. Bismut wird ĂŒberwiegend als Nebenprodukt der Blei- und Kup-ferverhĂŒttung gewonnen.Bedeutung: Bismut ist Hauptbestandteil leicht schmelzender Legierungen (Wood’sche Legie-rung, Rose’sches Metall), die fĂŒr elektrische Sicherungen, SicherheitsverschlĂŒsse an Dampf-kesseln und als ausschmelzbare Kerne fĂŒr die Herstellung von Hohlkörpern benutzt werden.Gewisse Bismutlegierungen, die sich ebenfalls wie das Bismut selbst beim Erstarren ausdehnen,werden zur Herstellung von Klischees verwendet. Bismutverbindungen sind wichtige Katalysa-toren in einigen organischen Synthesen. Die Anwendung in der Chemotherapie und Kosmetik(Schminke) ist wegen Nebenwirkungen stark eingeschrĂ€nkt worden.

Page 66: Jander/Blasius Anorganische Chemie I

14

Bi

14.3.3 Bismut 345

Chemische Eigenschaften: Bismut steht in der 5. Hauptgruppe des PSE (7S. 263). Aufgrundseines Standardpotenzials wird elementares Bismut nur von oxidierenden SÀuren (HNO3) gelöst.Die Hauptoxidationsstufe ist +III. Da Bi(OH)3 bzw. BiO(OH) eine sehr schwache Base ist, trittbei den Salzen leicht Hydrolyse ein. Es entstehen meist schwer lösliche, basische Salze derZusammensetzung BiOX (Bismutoxidverbindungen).Von der Oxidationsstufe +V sind nur Bismutpentafluorid, die Bismutate(V) und das Bismutpen-taoxid bekannt. Die Bismutate(V) sind starke Oxidationsmittel (7S. 395 f.). Man erhÀlt sie durchOxidation von Bi(OH)3 mit Br2 in alkalischer Lösung. Beim AnsÀuern solcher Lösungen fÀllt alsnicht eindeutig definierte Verbindung ein gelbbraunes bis purpurrotes Bismutpentaoxid aus.

297 Vorproben auf Bia) FlammenfĂ€rbung, Phosphorsalzperle und GlĂŒhröhrchenprobe ergeben keine charakte-ristische Reaktion.b) Lötrohrprobe: SprödesMetallkorn und gelber Beschlag von BiO. Mit der Lösung desMetalls in HNO werden folgende Reaktionen ausgefĂŒhrt, nachdemman so weit neutrali-siert hat, dass noch kein Niederschlag auftritt: VerdĂŒnnen mit HO: weißes BiONO; mitHS: braunschwarzes BiS und mit Na[Sn(OH)]: schwarzes Bi.c) Reaktion mit Thioharnstoff (Bismut-Rutsche): Wie in Abb. . gezeigt, wird auf eingefaltetes Filterpapier der Reihe nach die zu prĂŒfende Probe, NaF, NaCl, Na/K-TartratundThioharnstoff gegeben. Dann hĂ€lt man das Papier schrĂ€g und tropft mit einer PipetteverdĂŒnnte HNO auf die Probe. Die SĂ€ure löst etwas Substanz auf und durchlĂ€uft in derFalte die verschiedenenFeststoffe.MitNaFbilden Fe+ undAl+ stabile Fluoridokomplexe,NaCl fĂŒhrt zur FĂ€llung schwerlöslicher Chloride, z. B. AgCl bzw. HgCl, und das Na/K-Tartrat zur Komplexierung von Sb+ und Sn+. Bi+ bildet schließlich mit Thioharnstoffeinen löslichen gelben Komplex (7Nachweis 306 ).

A B

Probe

NaF

NaCl

Na/K-Tartrat

Thioharnstoff

Abb. 14.4 Bismut-Rutsche: (A) Schema; (B) Filterpapier, der gelbe Fleck zeigt den Bi-Thioharnstoff-Komplex an (7Nachweis 306 ).

Page 67: Jander/Blasius Anorganische Chemie I

346 14.3 Schwefelwasserstoff-Gruppe

FĂŒr die nachfolgenden Reaktionen verwendet man eine saure BiCl- oder Bi(NO)-Lösung bzw. die entsprechend vorbereitete Analysenlösung.

298 H2OMan gibt BiCl oder Bi(NO) in Wasser. Es scheidet sich BiOCl bzw. BiONO aus. BeiZugabe von MineralsĂ€uren löst es sich, beim VerdĂŒnnen mit Wasser tritt wiederum Aus-fĂ€llung ein.

Bi3+ + H2O + Cl− ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ BiOCl ↓ + 2H+299 NaOH, Ammoniak und Na2CO3Weißer Niederschlag von basischen Salzen oder Bi(OH). Beim Kochen wird Letzteresgelb, wahrscheinlich unter Bildung von BiO(OH). Bi(OH) ist im Gegensatz zu Pb(OH)kaum amphoter. Nur mit ganz hoch konzentrierten Laugen bilden sich Hydroxosalze.

300 H2SAus nicht zu stark saurer Lösung braunschwarzer Niederschlag von BiS, löslich in konz.SĂ€uren sowie heißer verdĂŒnnter SalpetersĂ€ure. Von NaS-Lösung wird BiS in geringemMaße mit grĂŒnlich gelber Farbe gelöst; die Löslichkeit wĂ€chst mit der Konzentration derNaS-Lösung sowie bei gleichzeitigerAnwesenheit vonNatriumhydroxid. In 100mL alka-lischerNaS-Lösung (1mol NaS und 1mol NaOH/100mL) werdenmaximal 80mg BiSgelöst. KS- und alkalische KS-Lösung verhalten sich Ă€hnlich gegenĂŒber BiS.

301 Nachweis als elementares BiHydroxostannat(II)-Lösung reduziert Bi(III) zumMetall, das als schwarzes Pulver ausfÀllt,wÀhrend Sn(II) zu Sn(IV) oxidiert wird.

2Bi(OH)3 + 3 [Sn(OH)4]2âˆ’ïżœïżœâ†’ 2Bi ↓ + 3 [Sn(OH)6]2−Indie Reagenzlösung lĂ€sstmandiemöglichst neutralisierte, ggf.mit einigenTropfenKCN-Lösung versetzte Bismutsalzlösung einfließen. In der KĂ€lte(!) bildet sich ein schwarzerNiederschlag.Störungen: Edelmetalle,Cu(I,II) undHg(I,II) stören. Edelmetalle werden durch Redukti-onmitHydraziniumchlorid entfernt.Hg(I,II) verflĂŒchtigtmandurch vorsichtiges Erhitzenin eine Vorlage. Die Reduktion von Cu(I) wird durch Zugabe von KCN verhindert.Reagenz: Alkalische Stannat(II)-Lösung aus gleichenVolumina %igerNaOHund einerLösung von 5 g SnCl und 5mL konz. HCl in 90mLWasserEG: ÎŒg Bi; pD: ,

302 Nachweis durch Reduktion mit Na2[Sn(OH)4] in Gegenwart von BleisalzenDie Empfindlichkeit der vorstehenden Reaktion wird durch Bleisalze erheblich gesteigert,da vermutlich infolge einer induzierenden Wirkung durch intermediÀr gebildete niedereBi-Oxide die Reduktion des Pb(II) zumMetall katalysiert wird. Auf dieseWeise gelingt es,sehr geringe Bi-Mengen zu identifizieren.

Tropfen der Probelösung wird im Mikrotiegel vorsichtig geglĂŒht, der RĂŒckstand inmöglichst wenig HCl gelöst und mit Tropfen gesĂ€ttigter PbCl-Lösung versetzt. Dannwird mit 2mol/L NaOH alkalisch gemacht, Tropfen %ige KCN-Lösung zugegeben undmit einigen Tropfen alkalischer Stannat(II)-Lösung reduziert. In Gegenwart grĂ¶ĂŸerer Bi-Mengen erfolgt sofortige SchwarzfĂ€rbung. Bei sehr geringen Bi-Mengen tritt innerhalb

Page 68: Jander/Blasius Anorganische Chemie I

14

Bi

14.3.3 Bismut 347

von ca. 2–3min eine BraunfĂ€rbung auf. Da Pb-Salze auch in Abwesenheit von Bi lang-sam zu Pb reduziert werden, ist bei kleineren Bi-Mengen eine entsprechende Blindprobeerforderlich.EG: , ÎŒg Bi; pD: ,

303 Nachweis als Bismutdimethylglyoxim-KomplexEine BiCl-Lösung versetzt man in der Hitze mit einer %igen alkoholischen Dimethyl-glyoximlösung und hierauf mit Ammoniak bis zur deutlich alkalischenReaktion. Es bildetsich ein intensiv gelber, sehr voluminöser Niederschlag der Bi-Verbindung. Die ĂŒberste-hende FlĂŒssigkeit erscheint wasserklar.

2Bi3+ +NOH

NOH

+ 2H2O

OBiO

N

NO

Bi O

+ 6H+

In schwach alkalischer Lösung ist die FĂ€llung gelblich weiß; in der KĂ€lte entsteht anfangsnur ein Niederschlag von basischem Salz, der aber nach einiger Zeit in die gelbe Verbin-dung ĂŒbergeht. GeringeMengenBi bewirkennach demVersetzenmit Ammoniak nur eineGelbfĂ€rbung der FlĂŒssigkeit; nach einigem Stehen scheiden sich gelbe Flocken aus, diemanzur genaueren Beobachtung durch Zentrifugieren von der FlĂŒssigkeit trennt. Liegt Bi alsSulfat oder Nitrat vor, so setzt man vor dem Erhitzen etwas NaCl hinzu.Störungen: As, Sb, Sn, Ni, Co, Fe(II), Mn, grĂ¶ĂŸere Mengen Cu und Cd und Tartrat stören.pD: ,

304 Nachweis als [BiI4]−

Aus schwach schwefel- oder salpetersaurer Lösung fĂ€llt mit KI zunĂ€chst ein schwarzerNiederschlag von BiI, der sich im Überschuss von KI unter Bildung des orangegelbenTetraiodidobismutat(III)-Komplexes ( Abb. .) löst.

Bi3+ + 3 I− ïżœïżœâ†’ BiI3 ↓BiI3 + I− ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ [BiI4]−

Abb. 14.5 Tetraiodidobismutatkomplex[BiI4]

−

Page 69: Jander/Blasius Anorganische Chemie I

348 14.3 Schwefelwasserstoff-Gruppe

305 Nachweis als Oxiniumtetraiodidobismutat(III)Die organischen Basen Chinolin und Oxin (7S. ) bilden unter Addition eines Protonsam Stickstoff Kationen, die mit Tetraiodidobismutat(III) schwer lösliche orange bis hell-rote Verbindungen ergeben.

[BiI4]− +

⎡⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎣ OH

N⊕

H

⎀⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎊

+ ⎡⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎣ OH

N⊕

H

⎀⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎊+ BiI4 ↓

– Tropfen der HNO-sauren Probelösung werden auf der TĂŒpfelplatte mit – TropfenReagenzlösung und einem kleinen KI-Kristall versetzt. Die Bildung eines orange- bis hell-roten Niederschlags zeigt Bi an ( Abb. .). Bei weniger als ÎŒg Bi entsteht eine orangebis gelbe TrĂŒbung.Störungen: Unter den gleichen Bedingungen geben Sb(III), Pb(II), Hg(II) und Ag(I)schwarze NiederschlĂ€ge, die nur bei einem Überschuss dieser Ionen stören. Iodausschei-dungen durch Fe+ und Cu+ (Oxidation von I− zu I) können durch Zugabe von KSOverhindert werden.Reagenz: GesĂ€ttigte Lösung von Chinolin oder Oxin in AlkoholEG: ÎŒg Bi; pD: ,

306 Nachweis als Thioharnstoff-KomplexBi(III) bildet mitThioharnstoff einen löslichen gelben Komplex.

Bi3+ + 3 SNH2

NH2

Thioharnstoff

⎡⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎣

Bi S⊕

NH2

NH2S⊕

NH2

H2N

S⊕H2N

NH2⎀⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎊

3+

Tropfen Probelösung wird auf der TĂŒpfelplatte mit Tropfen 2mol/L HNO und einerSpatelspitze Thioharnstoff versetzt. Bei Anwesenheit von Bi(III) tritt eine intensive gelbeFarbe auf ( Abb. .).Störungen: SeO−

, Pt(IV), Os(IV), Fe(III), CrO− , MnO− , und UO+

mĂŒssen vorher re-duziert werden. Sb(III) und Sn(II) sind mit WeinsĂ€ure zu maskieren oder abzutrennen.Hg(I) und Ag(I) werden als Chloride gefĂ€llt. Au(III) gibt eine BraunfĂ€rbung.EG: ÎŒg Bi; pD: ,

Unter analogen Bedingungen kristallisiert Pb(II) als [Pb(SC(NH))](NO) infarblosen, stark lichtbrechenden Nadeln aus. Diese Reaktion kann zur Trennung vonPb(II)/Bi(III) herangezogen werden.Störungen: Cu(II) und Tl(I) kristallisieren Àhnlich.

Page 70: Jander/Blasius Anorganische Chemie I

14

Cu

14.3.4 Kupfer 349

Abb. 14.6 Bismut-Thioharnstoff-Komplex

14.3.4 Kupfer

KupferCu, Z: 29, RAM: 63,546, 3d104s1

HĂ€ufigkeit: 1,0 ⋅ 10−2 Gew.-%; Smp.: 1084,62 ○C; Sdp.: 2562 ○C; D25: 8,96 g/cm3; Oxidations-stufen: +I, +II; Ionenradius rCu+ : 96pm, rCu2+ : 72pmStandardpotenziale: Cu2+ + 2e− ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ Cu; E0 = +0,3419 V / Cu+ + e− ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ Cu; E0 = +0,521 VVorkommen: Kupfer findet man mitunter gediegen, hauptsĂ€chlich aber als Kupferkies CuFeS2,Kupferglanz Cu2S, sowie verbreitet, aber weniger bedeutend, als Buntkupferkies Cu5FeS4. Wich-tige oxidische Mineralien sind Malachit Cu2(OH)2CO3 und Azurit (Kupferlasur) Cu3(OH)2(CO3)2.Darstellung: Viele sulfidische Erze enthalten nur 3–6% Cu. Man konzentriert durch Flotationund schmilzt unter Teilröstungmit O2 zu Schlacke und Kupferstein (unreine Kupfersulfidschmel-ze mit 40–70% Cu). Letzterer ergibt in Röstreaktionsarbeit (7S. 340) Rohkupfer, das durchRaffinationsschmelze und elektrolytisch gereinigt wird. Mitunter wird Kupfer nasschemisch ge-wonnen, z. B. aus oxidischen Erzen.Bedeutung: Reines Kupfer besitzt sowohl eine sehr gute elektrische LeitfĂ€higkeit (Herstel-lung von Elektromaterial) als auch eine hohe WĂ€rmeleitfĂ€higkeit und KorrosionsbestĂ€ndigkeit(Kessel, Heiz- und KĂŒhlschlangen, Installationsrohre). Wichtige Kupferlegierungen sind u. a.Messing (Cu, Zn), Bronzen (Cu, Sn), Aluminiumbronzen (Cu, Al) und Neusilber (Cu, Ni, Zn). Kon-stantan (60% Cu, 40% Ni) und Manganin (Cu, Mn, Ni, Fe) benutzt man fĂŒr MesswiderstĂ€nde.Im Laboratorium verwendet man Devarda’sche Legierung (7S. 274) als Reduktionsmittel undMonelmetall fĂŒr Apparaturen (7S. 383). Gewisse Kupferverbindungen besitzen Bedeutung alsPflanzenschutzmittel, zur Cuprocelluloseherstellung und fĂŒr die Gasanalyse als Absorptionsmit-tel. FĂŒr höhere Lebewesen ist Kupfer ein wichtiges Spurenelement.Chemische Eigenschaften: Kupfer steht in der ersten Nebengruppe des PSE. ElementaresKupfer wird aufgrund seines stark positiven Standardpotenzials nur durch oxidierende SĂ€urengelöst. Auf unedlen Metallen schlĂ€gt es sich nieder. Das hydratisierte, farblose Cu+-Iondisproportioniert zu Cu und Cu2+. Dagegen bilden sich aus Cu und [Cu(NH3)4]

2+ farblose[Cu(NH3)2 ⋅ aq]+-Ionen. Schwer lösliche Cu(I)-Verbindungen sind in Analogie zu Ag(I) dieChalkogenide, Halogenide und Pseudohalogenide. BestĂ€ndig und an der Luft haltbar sind Cu2O(rot), Cu2S (schwarz), CuI (weiß) und CuSCN (weiß). Lösliche Cu(I)-Verbindungen, auch CuCl, sind

Page 71: Jander/Blasius Anorganische Chemie I

350 14.3 Schwefelwasserstoff-Gruppe

leicht oxidierbar. [Cu(CN)4]3− besitzt Krypton-Elektronenkonfiguration und ist daher besonders

stabil.Im Gegensatz zu den allgemeinen Regeln im PSE (7S. 113) ist die Hauptoxidationsstufe +II. Das[Cu(H2O)4]

2+-Ion ist blĂ€ulich. Kupfer(II)-Salze haben im Allgemeinen eine blaue oder grĂŒneFarbe. Cu(II) bildet zahlreiche Komplexe.ToxizitĂ€t: Kupferionen sind fĂŒr viele Mikroorganismen (Algen, Kleinpilze, Bakterien) ein starkesGift. FĂ€ulniserreger sterben in Wasser, das sich in KupfergefĂ€ĂŸen oder ĂŒber einer blank gerie-benen KupfermĂŒnze befindet. Dagegen sind Kupferverbindungen fĂŒr den Menschen nur mĂ€ĂŸiggiftig.

307 Vorprobena) FlammenfĂ€rbung: In Gegenwart von Halogenidionen zeigt sich eine grĂŒne Flamme.b) Phosphorsalzperle: Oxidationsflamme heiß: gelb, kalt: blau ( Abb. .). Reduktions-flamme heiß: farblos, kalt: rotbraun. Bei starker Reduktion: Kupferflitterc) Lötrohrprobe: Schwammiges rotes Metall, kein Beschlag. Man löst in verd. HNO undfĂŒhrt Mikroreaktionen mit HS, Ammoniak und K[Fe(CN)] durch.

Abb. 14.7 Blaue Boraxperle durch Kupfer

308 Einwirkung von SÀuren auf das MetallMan versetzt reines Kupfer mit:a) verd. HCl: Keine Reaktionb) verd. HNO3: Auflösung, weil HNO oxidierend wirkt:

3Cu + 8H+ + 2NO−3 ïżœïżœâ†’ 3 Cu2+ + 2NO ↑ + 4H2Oc) verd. H2SO4: Keine Reaktiond) konz. H2SO4: Auflösung, da konz. HSO als Oxidationsmittel wirkt:

Cu + 4H+ + SO2−4 ïżœïżœâ†’ Cu2+ + SO2 ↑ + 2H2O309 Bildung von Cu+Eine schwach saure, konz. CuSO-Lösung erhitzt man mit Kupferpulver. Ein Teil löst sichauf, wĂ€hrend gleichzeitig die blaue Farbe des Cu+ verschwindet und Cu+ gebildet wird.Beim Erkalten wird die Lösung wieder blau, da das Gleichgewicht bei Zimmertemperaturweitgehend nach links verschoben ist.

Cu2+ + Cu ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ 2 Cu+

Page 72: Jander/Blasius Anorganische Chemie I

14

Cu

14.3.4 Kupfer 351

310 KIWĂ€hrend CuCl sehr leicht oxidiert wird, ist CuI bestĂ€ndig. Dagegen ist CuI unbestĂ€ndigund zerfĂ€llt in CuI und Iod, weil CuI wesentlich schwerer löslich ist als CuCl und daherdas Redoxgleichgewicht Cu+ ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ Cu2+ + e− infolge der sehr geringen Konzentration anCu+ so weit nach links verschobenwird, dass I− zu Iod oxidiert werden kann. Das Bromidsteht bezĂŒglich dieser Eigenschaft zwischen Chlorid und Iodid.

2 Cu2+ + 4 I− ïżœïżœâ†’ 2CuI ↓ + I2I2 + SO2 + 2H2Oïżœïżœâ†’ 2 I− + SO2−4 + 4H+

Man versetzt eine Kupfersulfatlösung mit KI-Lösung. Es fĂ€llt weißes CuI aus, das durchdasmitausfallende Iod braun gefĂ€rbt ist. BeimKochen entweichen violette IoddĂ€mpfe.DieFarbe des CuI erkennt man nach Reduktion des I durch schweflige SĂ€ure.

311 KCNCu+ reagiert mit CN− in analogerWeise wie mit I−. Es fĂ€llt zunĂ€chst gelbes Cu(CN) aus,das beim ErwĂ€rmen in weißes CuCN und Dicyan (CN) zerfĂ€llt. Im Überschuss löst sichCuCN zu dem farblosen, sehr bestĂ€ndigen Komplexion [Cu(CN)]

− auf.Cu2+ + 2CN− ïżœïżœâ†’ Cu(CN)2 ↓2 Cu(CN)2 ïżœïżœâ†’ 2CuCN + (CN)2 ↑

CuCN + 3CN− ïżœïżœâ†’ [Cu(CN)4]3−Man versetzt CuSO-Lösung tropfenweise mit KCN-Lösung und erwĂ€rmt. Vorsicht:(CN) ist sehr giftig! In die Lösung von [Cu(CN)]

− leitet man HS ein. Es fĂ€llt keinCuS aus, da der Komplex so bestĂ€ndig ist, dass das Löslichkeitsprodukt von CuS nichtĂŒberschritten wird. Der entsprechende Cadmiumkomplex ist unbestĂ€ndiger, es fĂ€llt CdS(Trennung von Cd!). Weiteres siehe7S. f. und7Nachweis 318 .

312 NH4SCNAuch mit SCN− erfolgt aus konzentrierter Lösung zunĂ€chst die allmĂ€hliche Bildung vonschwarzemCu(SCN), das langsam, jedoch bei Zusatz von SO schnell, in weißes CuSCNĂŒbergeht. Diese Reaktion kann zur quantitativen Bestimmung von Cu herangezogen wer-den.

2 Cu(SCN)2 + H2SO3 + H2Oïżœïżœâ†’ 2CuSCN ↓ + H2SO4 + 2HSCN313 NaOHIn Cu+-Lösung fĂ€llt ein blĂ€ulicher Niederschlag von Cu(OH) aus, der beim Erhitzenunter Wasserabspaltung in schwarzes CuO ĂŒbergeht.

Cu(OH)2 ïżœïżœâ†’ CuO ↓ + H2OFrisch gefĂ€lltesCu(OH) und auchCuO lösen sich imÜberschuss vonNaOHundNaCOteilweise zu Natriumcuprat(II), Na[Cu(OH)]. Aus diesemGrunde kann man Kupfer imSodaauszug finden.

Page 73: Jander/Blasius Anorganische Chemie I

352 14.3 Schwefelwasserstoff-Gruppe

314 Fehling’sche LösungDie Cu(OH)-FĂ€llung mit NaOH bleibt aus in Gegenwart organischer Verbindungen, diemehrereOH-Gruppen enthalten, wie CitronensĂ€ure,WeinsĂ€ure, Zucker usw. Es entstehentiefblaue Lösungen. Mit Tartrat erhĂ€lt man „Fehling’sche Lösung“, die als Reagenz aufleicht oxidierbare organische Stoffe, besonders auf die Aldehydgruppe enthaltende, ver-wendet wird. Sie dient zur Zuckerbestimmung im Harn. Die gebildeten Komplexe weisenein Tartrat ∶ Cu2+-VerhĂ€ltnis von 2 ∶ 1 auf.

Man setzt einige Tropfen Fehling’scher Lösung zu Traubenzuckerlösung und erwĂ€rmt.Es fĂ€llt zunĂ€chst fein verteiltes, wasserhaltiges gelbes CuO aus, das in ziegelrotes CuOĂŒbergeht. Wie Traubenzucker verhalten sich auch Hydroxylamin, Hydrazin u. a. Redukti-onsmittel.Reagenz: „Fehling’sche Lösung“ aus frisch gemischten, gleichen Volumina Lösung Aund BLösung A: 7 g CuSO ⋅ HO in 100mLWasserLösung B: 34 g Kaliumnatriumtartrat, KNaCHO ⋅ HO und 10 g NaOH in 100mLWasser

315 AmmoniakZuerst blĂ€ulicher Niederschlag von Cu(OH), der sich im Überschuss von Ammoniak zutiefblauem [Cu(NH)]

+ löst ( Abb. ., empfindliche Reaktion!).

Cu2+ + 4NH3 ïżœïżœâ†’ [Cu(NH3)4]2+Salze des Tetraamminkupfer(II)-Ions lassen sich leicht kristallin erhalten, wenn man dieLöslichkeit durch Alkoholzusatz verringert.

Abb. 14.8 Tiefblaue Lösung desKupfertetrammin-Komplexes

316 H2SIn saurer Lösung schwarzer Niederschlag von CuS und CuS, der sich in konzentriertenSĂ€uren sowie in heißer verdĂŒnnter HNO löst. Ist die Lösung neutral oder sehr schwachsauer, so fĂ€llt CuS kolloidal und in schlecht filtrierbarer Form aus. Man fĂ€llt daher ambesten aus etwa 2mol/L HCl enthaltenden Lösungen.

In gelbem Ammoniumpolysulfid ist Kupfersulfid unter Bildung eines Thiosalzes einwenig löslich (s. a.7S. f.).

Page 74: Jander/Blasius Anorganische Chemie I

14

Cu

14.3.4 Kupfer 353

317 Unedle MetalleKupfer ist edler als z. B. Eisen, Zink und andere und wird daher von diesen reduziert(Spannungsreihe7S. ).

Cu2+ + Feïżœïżœâ†’ Cu ↓ + Fe2+Diese Reaktion wird in der Technik zur Kupfer-Reindarstellung benutzt (Zementation).Man taucht ein blankes EisenstĂŒck (Nagel oderMesserklinge) in eine CuSO-Lösung. Aufdem Eisen schlĂ€gt sich Kupfer nieder ( Abb. .). Die Bildung von Fe+ erkennt manbesser, wenn man anstelle eines EisenstĂŒckes einige EisenspĂ€ne oder Eisenpulver in dieverd. CuSO-Lösung eintrĂ€gt. Es tritt eine sehr lebhafte Reaktion ein. Nachdem diesebeendet ist, filtriert man ab; die Lösung sieht jetzt hellgrĂŒn aus. Man weist die Fe+-Ionenmit K[Fe(CN)] nach.

Abb. 14.9 Kupferabscheidung auf einemEisennagel

318 Nachweis mit Ammoniak und anschließender Abtrennung von CadmiumIn ammoniakalischer Lösung entwickelt sich kein (CN), da dieses analog den Halogenendurch OH− in Cyanid und Cyanat disproportioniert:

2 [Cu(NH3)4]2++ 10 CN−+ 2OH− ïżœïżœâ†’ 2 [Cu(CN)4]3−+ 8NH3 + CN−+ OCN−+ H2O(CN)2 + 2OH− ïżœïżœâ†’ CN− + OCN− + H2ODurch Kombination der Reaktionen aus 7Nachweis 315 und 7Nachweis 311 ist Kup-fer zunĂ€chst an der Bildung der tiefblauen Lösung mit Ammoniak und der EntfĂ€rbungdieser Lösung durch Zusatz von festem KCN erkennbar. In der entfĂ€rbten Lösung kannCadmiummitHS nachgewiesenwerden. GelbesCdSmuss anschließend noch als solchesidentifiziert werden (7Nachweis 329 ), da bei großem Überschuss von KCN auch gelber,aus (CN) und HS entstandenerRubeanwasserstoff (HN(S)CC(S)NH) ausfallen kann.

319 Nachweis als Cu2[Fe(CN)6]Mit K[Fe(CN)] fÀllt ein brauner Niederschlag von Cu[Fe(CN)] aus, der schwer löslichin verd. SÀuren, jedoch löslich in Ammoniak unter Bildung von [Cu(NH)]

+ ist (sehrempfindliche Reaktion!).

2Cu2+ + [Fe(CN)6]4− ïżœïżœâ†’ Cu2[Fe(CN)6] ↓

Page 75: Jander/Blasius Anorganische Chemie I

354 14.3 Schwefelwasserstoff-Gruppe

320 Nachweis als Cu[Cr(SCN)4(NH3)2]Cu+ bildet mit Reinecke-Salz (7Nachweis 283 ) in HCl-saurer Lösung schwer löslich gel-bes Cu[Cr(SCN)(NH)]. Daher kann man Cu auch in Gegenwart von Hg und Tl nach-weisen.

Cu+ + [Cr(SCN)4(NH3)2]− ïżœïżœâ†’ Cu[Cr(SCN)4(NH3)2] ↓DieHCl-saure Probelösung, in der Cu+ vorliegt, wirdmit einemÜberschuss einer Reine-cke-Salzlösung versetzt. Nach Abtrennung des Hg- und Tl-Reineckats wird zu dem Zen-trifugat HSO-Lösung gegeben. Es fĂ€llt gelbes Kupfer(I)-Reineckat aus.Reagenz: Frisch bereitete %ige Reinecke-SalzlösungEG: , ÎŒg Cu/mL; pD: ,

321 Nachweis als Cu[Hg(SCN)4] bzw. (Cu,Zn)[Hg(SCN)4]Cu+ bildet in neutraler bis schwach essigsaurer Lösung ein Thiocyanatomercurat vongelbgrĂŒner Farbe ( Abb. .). Liegen Cu und Zn nebeneinander vor, so bilden sich vio-lette bis schwarze Mischkristalle.

Cu2+ + [Hg(SCN)4]2− ïżœïżœâ†’ Cu[Hg(SCN)4] ↓ Tropfen der neutralen oder essigsauren Probelösung wird auf der TĂŒpfelplatte oder aufFilterpapier mit Tropfen %iger ZnSO-Lösung und Tropfen Reagenzlösung versetzt.Eine ViolettfĂ€rbung zeigt Cu an.Störungen: In der Schwefelwasserstoff-Gruppe stört lediglich ein grĂ¶ĂŸerer Überschussvon Bi.Reagenz: 6 g HgCl und 6,5 g NHSCN in 10mLWasserEG: , ÎŒg Cu; pD: ,

Abb. 14.10 CuHg(SCN)4VergrĂ¶ĂŸerung: 1 ∶ 100

Page 76: Jander/Blasius Anorganische Chemie I

14

Cu

14.3.4 Kupfer 355

322 Nachweis als K2CuPb(NO2)6Die Eigenschaften dieses quaternÀren Salzes werden unter Kalium (7Nachweis 618 undAbb. .) beschrieben. Tropfen der neutralen oder schwach essigsauren Lösung wird mit so viel Pb-Acetatlö-

sung versetzt, dass Pb gegenĂŒber Cu im geringen Überschuss vorliegt. Die Mischung wirdauf dem ObjekttrĂ€ger vorsichtig bis fast zur Trockne eingedampft und der erkaltete RĂŒck-stand mit einem kleinen Tropfen einer stets frisch zubereiteten Reagenzlösung versetzt.Ein Überschuss an Reagenzlösung ist unbedingt zu vermeiden, da sich das quaternĂ€reNitrit darin auflöst. HĂ€ufig empfiehlt es sich, nach Zugabe der Reagenzlösung noch einenkleinen Kristall festes KNO zuzugeben.

In Gegenwart von Tl+ bildet sich das schwerer löslich TlCuPb(NO) in kubischenKristallen von schwarzer bis brauner Farbe und ca. 3 ÎŒm KantenlĂ€nge.Störungen: SO−

stört nicht, da sich ggf. gebildetes PbSO durch NHCHCOO in aus-reichender Menge wieder löst.Reagenz: GesĂ€ttigte NHCHCOO-Lösung, gesĂ€ttigte KNO-Lösung und %igeCHCOOH, 1 ∶ 1 ∶ 1EG: , ÎŒg Cu; pD: ,

323 Cu(I)-Nachweis als Cuproin-ChelatCuproin (,’-Bichinolin,7S. ) bildet mit Cu+ in schwach saurer Lösung einen purpur-roten, in Wasser schwer löslichen Chelatkomplex, der jedoch in organischen Lösemittelnlöslich ist. Da Cuproin praktisch nurmit Cu+ reagiert, liegt hier der selteneFall eines wirk-lich spezifischenReagenzes vor. Normalerweise vorliegendeCu+-IonenmĂŒssen reduziertwerden.

Cu+ + 2 NN

Cuproin

⎡⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎣

Cu

NN

N N

⎀⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎊

+

– Tropfen der schwach sauren Probelösung (pH > 3) werden mit etwas festemHydroxylammoniumchlorid gut durchmischt und auf der TĂŒpfelplatte mit – TropfenReagenzlösung versetzt. Eine purpurrote Farbe zeigt Cu(I) an. Soll der Nachweis direktaus der Ursubstanz gefĂŒhrt werden, so wird die Analysensubstanzmit Königswasser abge-raucht, in verd. HCl aufgenommen und gegebenenfalls vomNiederschlag abzentrifugiert.Das klare Zentrifugat prĂŒft man dann wie vorstehend beschrieben (Blindprobe!).Störungen: Fe(III) in großem Überschuss stört und wird mit WeinsĂ€ure maskiert. Starkfarbige Ionen können den Nachweis sehr geringer Cu(I)-Mengen beeintrĂ€chtigen.Reagenz: GesĂ€ttigte alkoholische Lösung von CuproinEG: , ÎŒg Cu; pD: ,

Page 77: Jander/Blasius Anorganische Chemie I

356 14.3 Schwefelwasserstoff-Gruppe

324 Cu(II)-Nachweis als Cu(II)-rubeanatCu(II) bildet in schwach saurer oder ammoniakalischer, auch weinsĂ€urehaltiger Lösung,jedoch nicht in Alkalicyanidlösung, mit Rubeanwasserstoff (7S. ) einen dunkelgrĂŒnenbis schwarzen Niederschlag.

n

⎡⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎣SNH2

S NH2

ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ SHNH

SH NH

⎀⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎊+ n Cu2+ ïżœïżœâ†’

⎡⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎱⎣Cu

HN S

NH

S

⎀⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎄⎊npolymere Ketten

####$ + 2n H+

Tropfen der möglichst neutralen Probelösung wird auf Papier getĂŒpfelt, mit NH gerĂ€u-chert undmit TropfenReagenzlösung nachgetĂŒpfelt. Ein schwarzer oder olivgrĂŒner Fleckzeigt Cu(II) an (Blindprobe!).Störungen: Unter den gleichen Bedingungen bilden nur Co(II) und Ni(II) braune bzw.rotviolette NiederschlĂ€ge. GrĂ¶ĂŸere Mengen von NH+

-Salzen vermindern die Empfind-lichkeit des Nachweises.Reagenz: %ige Lösung von Rubeanwasserstoff in AlkoholEG: , ÎŒg Cu; pD: ,

14.3.5 Cadmium

CadmiumCd, Z: 48, RAM: 112,41, 4d105s2

HĂ€ufigkeit: 3 ⋅ 10−5 Gew.-%; Smp.: 321,07 ○C; Sdp.: 767 ○C; D25: 8,69 g/cm3; Oxidationsstufen:+II; Ionenradius r

Cd2+: 97pm

Standardpotenzial: Cd2+ + 2 e− ïżœïżœâ‡€â†œïżœïżœ Cd. E0 = −0,4030 VVorkommen: Cadmium ist ein steter Begleiter des Zinks. Reine Cadmiummineralien wie Cad-miumblende (Greenockit) CdS und Cadmiumspat (Otavit) CdCO3 sind sehr selten.Darstellung: Cadmium fĂ€llt als Nebenprodukt bei der Zinkgewinnung (7S. 397) an. CdO wirdvor ZnO reduziert und das Metall destilliert frĂŒher ab. Außerdem wird bei der elektrolytischenZinkgewinnung das Cadmium vorher durch Zementation mit Zinkstaub abgetrennt.Bedeutung: Cadmium dient als MetallĂŒberzug zum Korrosionsschutz von Eisen, insbesonde-re aber als Elektrodenmaterial in Ni-Cd-Akkumulatoren. Einige Lagermetalle, Schnelllote undleicht schmelzende Legierungen (Wood’sches Metall,7S. 344) sowie Selengleichrichter und dasWeston-Normalelement enthalten Cadmium. Als Absorber fĂŒr thermische Neutronen wird esin den RegelstĂ€ben von Kernreaktoren benutzt. Cadmiumsulfid und -selenid sind gelbe bisorangerote Farbpigmente fĂŒr Keramik, Glas und Kunststoffe.Chemische Eigenschaften: Cadmium steht in der 2. Nebengruppe des PSE. Elementares Cad-mium ist in verdĂŒnnter HNO3 leicht, in verd.HCl und H2SO4 schwerer löslich. Cadmium tritt in derOxidationsstufe +II auf. Das Ion ist farblos. Die Reaktionen sind denen des Zinks sehr Ă€hnlich.Es bestehen zum großen Teil nur graduelle Unterschiede. So fĂ€llt CdS schon aus verdĂŒnntermineralsaurer Lösung, wĂ€hrend ZnS erst in essigsaurer Lösung gebildet wird (7S. 398 f.). Auchist Cd(OH)2 im Gegensatz zu Zn(OH)2 nicht amphoter.ToxizitĂ€t: Cadmiumverbindungen sind wesentlich giftiger als Zinkverbindungen: DahermĂŒssen Zn bzw. Zn-Legierungen, die mit Nahrungsmitteln in BerĂŒhrung kommen, weitgehendCd-frei sein.

Page 78: Jander/Blasius Anorganische Chemie I

16

515

16 Kationennachweise –Systematik und TrennungsgĂ€nge

SÀureschwerlösliche und SalzsÀure-Gruppe . . . 515 |

Reduktionsgruppe . . . 518 | Schwefelwasserstoff-Gruppe . . . 521 |

Ammoniumsulfid-Urotropin-Gruppe . . . 538 |

Ammoniumcarbonat-Gruppe . . . 560 | Lösliche Gruppe . . . 564

Dieser Trennungsgang kann sowohl imMakro- als auch imHalbmikro-Maßstab durchge-fĂŒhrt werden. Er ist einmal nur fĂŒr die Elemente des sogenannten „Schultrennungsganges“(siehe Taschenfalter), zum anderen fĂŒr eine zusĂ€tzliche Anzahl von „seltenen“ ElementenaufgefĂŒhrt. In den Übersichtsabbildungen und -tabellen sind die Bestandteile, die in Lö-sung verbleiben, blau und die gefĂ€llten Produkte rot unterlegt. Der Taschenfalter gibt dieAbb. ., Abb. ., Abb. ., Abb. . und Abb. . (durchgehende Numme-

rierung der Nachweisschritte) wieder.Je nachArt der Analysensubstanz kannman an verschiedenenStellenVereinfachungen

oder Änderungen des Trennungsganges vornehmen. Bevor man den eigentlichen Tren-nungsgang ausfĂŒhrt, mĂŒssen störende Verbindungen wie OxalsĂ€ure, BorsĂ€ure, organischeVerbindungen, Cyanide und Fluoride nachgewiesen und an der richtigen Stelle entferntwerden. Auch die Abtrennung von Wolframat, evtl. Molybdat, Vanadat sowie Niobat undTantalat vor dem Trennungsgang ist zweckmĂ€ĂŸig. Das geschieht in der bei den einzelnenVerbindungen beschriebenen Weise. In den Abbildungen und Tabellen sowie auf demTaschenfalter wird auch auf die geeignetestenNachweisreaktionen hingewiesen.

16.1 SÀureschwerlösliche und SalzsÀure-Gruppe: Trennungund Nachweis von Ag, Pb, Hg(I), W(VI), Nb(V) und Ta(V)

BeimLösen der Analysensubstanz inKönigswasser verbleibenAgCl, PbCl,WO ⋅ aq undalle ĂŒbrigen schwer löslichen Verbindungen im RĂŒckstand. Da PbCl in Wasser etwaslöslich ist, gelangt Pb+ zum Teil beim Auswaschen dieses RĂŒckstandes in die Schwefel-wasserstoff-Gruppe,wo es als PbS gefĂ€llt wird.

In Gegenwart von PO− , AsO−

, SiO− , BO

− und von organischen SĂ€ureanionen

kann die FĂ€llung von WO infolge der Bildung löslicher komplexer SĂ€uren unvollstĂ€n-dig sein bzw. ganz ausbleiben. Lösliches W(VI) gelangt dann bei der Kationentrennungentweder beim Kationenaustausch (HPO-Abtrennung mit dem Ionenaustauscherharz7S. ) alsWolframophosphation in die Anionenlösung, oder es bilden sich bei der Am-moniumsulfid-Gruppe WS− -Ionen. Nach Eindampfen der Anionenlösung scheidet sichbeimErhitzen des RĂŒckstandesmit konz.HSO einTeil desWolframs als schwer löslichesWO ab oder es wird beim AnsĂ€uern des Zentrifugates gelbbraunes WS gefĂ€llt.

Page 79: Jander/Blasius Anorganische Chemie I

516 16.1 SÀureschwerlösliche und SalzsÀure-Gruppe

16.1.1 SĂ€ureschwerlösliche Gruppe (s. Taschenfalter)VorprobenAg, Pb LötrohrprobeW, Nb Phosphorsalz- bzw. BoraxperleHg Erhitzen im GlĂŒhröhrchenW Reduktion mit metallischemNatrium

Ist eine Vorprobe auf Tl positiv, so behandelt man die Analysensubstanz zu Beginn desKationentrennungsganges in einer Porzellanschalemit Königswasser. Tl(I) undHg(I) wer-den dabei zu Tl(III) und Hg(II) oxidiert und gelangen in die Schwefelwasserstoff-Gruppe.Bei Abwesenheit von Tl löst man die Analysensubstanz soweit wie möglich in HNO undzentrifugiert denRĂŒckstand ab. VomungelöstenRĂŒckstand löstman so viel wiemöglich inKönigswasser. Den löslichen Teil vereinigt man mit dem Zentrifugat der SalzsĂ€ure-Grup-pe. ZurĂŒck bleibenWO ⋅ aq, NbO ⋅ aq, TaO ⋅ aq, gegebenenfalls Silberhalogenide undPbSO.W Dieser RĂŒckstand wird mit 2mol/L NaOH in der WĂ€rme digeriert. WolframsĂ€uregeht als Wolframat in Lösung und wird als Ammonium- bzw. Kaliumwolframophosphat(7S. ), durch Reduktionsmittel (7S. ) und mit KHSO/HSO/Hydrochinon(7S. ), nachgewiesen. Wolframmetall, geglĂŒhtes WO und andere schwer löslicheW-Verbindungen mĂŒssen durch Schmelzen mit NaOH, NaCO/KCO oder NaOaufgeschlossen werden.Ag Aus dem verbleibenden RĂŒckstand wird AgCl mit halbkonzentriertem Ammoniakherausgelöst. Man sĂ€uert das Zentrifugat mit HCl an. Bei Anwesenheit von Silber ergibtsich ein weißer Niederschlag von AgCl, der zum Nachweis als Diamminsilberchlorid(7Nachweis 238 ) geeignet ist. Schwer lösliche Silberhalogenide können entwedermit NaCO/KCO (7S. ) oder durch Behandlung mit Zn in verdĂŒnnter HSOzu elementarem Ag reduziert werden. Im ersten Falle wird die Schmelze mit Wasserextrahiert, zentrifugiert, gewaschen und der RĂŒckstand mit verdĂŒnnter HNO gelöst. Dasbeim zweiten Verfahren entstehende Ag wird ebenfalls in verdĂŒnnter HNO gelöst.Pb Schließlich wird zurĂŒckgebliebenes PbSO (7Nachweis 291 ) in Lösung gebracht.Ta/Nb Im RĂŒckstand verbleibendes NbO ⋅ aq und TaO ⋅ aq werden durch Aufschlussmit KCO oder KOH in lösliche Verbindungen ĂŒberfĂŒhrt und anschließend nachgewie-sen (7S. ).

16.1.2 SalzsÀure-Gruppe (s. Taschenfalter)Zum Zentrifugat der HNO-sauren Lösung der Analysensubstanz gibt man in der KÀlteso lange tropfenweise HCl hinzu, bis nichts mehr ausfÀllt ( Abb. . und Tab. .). DerNiederschlag kann aus AgCl, HgCl und PbCl bestehen. Pb(II) fÀllt aber nicht quanti-tativ aus und findet sich dementsprechend ebenso wie Hg(II) auch in der Schwefelwas-serstoff-Gruppe. Die Bildung von [AgCl]

− kann bei unsachgemĂ€ĂŸem Arbeiten (starkerHCl-Überschuss beim FĂ€llen von AgCl) dazu fĂŒhren, dass Ag(I) teilweise in die Schwefel-wasserstoff-Gruppe gelangt und die Hg-Nachweise beeinflusst.Pb Der Niederschlag wird abzentrifugiert, zunĂ€chst mit kaltem Wasser grĂŒndlich gewa-schen, dann mit Wasser zum Sieden erhitzt und sofort zentrifugiert. Das in der Hitzegelöste PbCl kristallisiert aus demZentrifugat beimErkalten in charakteristischenweißenNadeln aus. Pb(II) wird als PbSO nach7Nachweis 291 gefĂ€llt und identifiziert.

Page 80: Jander/Blasius Anorganische Chemie I

16

16.1.2 SalzsÀure-Gruppe 517

In eine HNO₃-saure Lösung HCl geben

Hg₂Cl₂ WeißAgCl WeißPbCl₂ Weiß

PbÂČâșsiehe 1

AgClHg₂Cl₂

HgHg(NH₂)Clsiehe 2

[Ag(NH₃)₂]âșsiehe 3

Mit Ammoniak versetzen

Mit heißem Wasser behandeln

Abb. 16.1 SalzsÀure-Gruppe: Trennungs-schema (s. a. Tab. 16.1 und Taschenfalter)

Tab. 16.1 SalzsÀure-Gruppe: Trennungsgang (s. Taschenfalter)

In Gegenwart von Tl wird die Analysenlösung mit HNO3/H2O2 oder Königswasser behandelt,damit Tl(I) zu Tl(III) oxidiert wird und somit in der SalzsÀure-Gruppe nicht ausfÀllt. In diesemFalle wird auch Hg(I) oxidiert, sodass in der SalzsÀure-Gruppe dann nur Ag(I) und Pb(II)abgeschieden werden.

1 Pb2+ Liegt in Lösung vor, diese wird eingedampft

Nachweis: 1. Beim AbkĂŒhlen kristallisiert PbCl2 in Nadelform (7Nachweis 289 )2. Durch Zugabe von H2SO4 fĂ€llt PbSO4 aus (7Nachweis 291 )3. Mikrochemisch als K2PbCu(NO2)6 (7Nachweis 295 )

2 Hg/Hg(NH2)Cl FĂ€llt aus

Nachweis: Die Bildung eines schwarzen Niederschlags geht auf elementares Hg zurĂŒck.Hg(NH2)Cl bildet einen weißen Niederschlag (7Nachweis 276 ).

3 [Ag(NH3)2]+ Ist in Lösung

Nachweis: Beim AnsĂ€uern mit HNO3 fĂ€llt weißes AgCl aus (7Nachweis 238 ).

In Lösung: Elemente der Reduktions-, H2S-, (NH4)2S-, (NH4)2CO3- und der lösl. Gruppe

Hg Einen Teil des RĂŒckstandes aus HgCl und AgCl, der zur völligen Entfernung vonPbCl mit heißem Wasser ausgewaschen wird, behandelt man in einem PorzellanschĂ€l-chen mit halbkonz. Ammoniak. Eine tiefschwarze FĂ€rbung von Hg und [HgNH]Cl zeigtHg(I) an.Ag Man zentrifugiert ab und sĂ€uert das Zentrifugat mit HCl wieder an. Bei Anwesenheitvon Ag bildet sich ein weißer Niederschlag von AgCl (7Nachweis 238 ), der sich in Am-moniak löst.

Page 81: Jander/Blasius Anorganische Chemie I

518 16.2 Reduktionsgruppe

Ist wenig Ag(I) neben viel Hg(I) vorhanden, so kann die Trennung mit Ammoniak ver-sagen. VerlĂ€uftdie Probe aufAgCl negativ, so erhitztman einen anderenTeil des RĂŒckstan-des mit einigen Tropfen konz. HNO. Dadurch wird HgCl oxidiert und gelöst, wĂ€hrendAgCl zurĂŒckbleibt. Nach VerdĂŒnnenmitWasserwird zentrifugiert und der RĂŒckstandmitAmmoniak behandelt. Dadurch löst sich von eventuell vorhandenem AgCl so viel, dassbeim darauffolgenden AnsĂ€uern mit HNO eine weiße FĂ€llung eintritt.

Übungsfragen zur SalzsĂ€ure-Gruppe (Lösungen7S. 609)

1. Löst sich AgCl in konz. HCl auf?

2. Was versteht man unter Königswasser?

3. Löst sich AgBr besser in Ammoniak oder in einer Thiosulfatlösung? Was entstehtdabei?

16.2 Reduktionsgruppe: Trennung und Nachweis der ElementePd, (Pt), Au, Se und Te

Das Zentrifugat der SalzsĂ€ure-Gruppe wird sehr stark eingeengt, wodurch auch eventuellĂŒberschĂŒssige HNO entfernt wird ( Abb. . und Tab. .). Es darf jedoch nicht biszur Trockne abgedampft werden, da sich sonst Se verflĂŒchtigt. Man nimmt in HO bzw.verd. HCl auf, sodass die (möglichst konzentrierte) Lösung ca. 1mol/L an HCl enthĂ€lt. Instark saurer Lösung wird Pd nicht mehr reduziert, andererseits dĂŒrfen Bi(III) und Sb(III)nicht in Form ihrer Oxidchloride ausfallen.

Zu der erhaltenenLösung wird imÜberschuss festesHydraziniumchlorid gegeben underwĂ€rmt, wobei Au, Se, Te, und Pd elementar abgeschieden werden. Pt wird nur in Ge-genwart der anderen Elemente mitreduziert. Sonst gelangt es in die Schwefelwasserstoff-Gruppe und findet sich sowohl in der Cu- als auch in der As/Sn-Gruppe wieder, da PtSin gelbem Ammoniumpolysulfid teilweise löslich ist.

Die VollstÀndigkeit der Reduktion kann mit SnCl-Lösung in einem kleinen Teil derLösung kontrolliert werden.

Wie beiThallium beschrieben, erhĂ€ltman bei gleichzeitigerAnwesenheit von Pt und Tlschwer lösliches Tl[PtCl]. Der Niederschlag der Reduktionsgruppe wird oxidierendmitHCl/HO gelöst und eventuell vorhandenes Thallium mit 2mol/L NaOH als Tl(OH)abgetrennt. Der Tl(OH)-Niederschlag wird in 2mol/L HCl gelöst und die Lösung zumZentrifugat der Reduktionsgruppe gegeben.Au Das Zentrifugat des Tl(OH)-Niederschlags, welches die Elemente der Redukti-onsgruppe enthĂ€lt, wird stark eingeengt, mit Wasser aufgenommen und mit einemÜberschuss fester OxalsĂ€ure versetzt. Beim ErwĂ€rmen scheidet sich ein rotbraunerAu-Niederschlag ab.Pd Das Zentrifugat wird unter KĂŒhlung mit einer %igen alkoholischen Dimethylgly-oximlösung versetzt, wobei sich gelbes Pd(CHON) bildet. Dieser Niederschlag ist inNaOH mit gelber Farbe löslich.Pt Anschließend wird durch Zugabe von festem KCl K[PtCl] ausgefĂ€llt. Dieses kannnach7Nachweis 249 und7Nachweis 250 fĂŒr Pt(II) weiter identifiziert werden.

Page 82: Jander/Blasius Anorganische Chemie I

16

16.2 Reduktionsgruppe 519

Filtrat der SalzsÀure-Gruppe stark einengen, auf 1mol/L HCl bringen, mit Hydraziniumchlorid reduzieren

In konz. HCl + 30%igem H₂O₂ lösen, stark einengen, mit H₂O aufnehmen

Mit OxalsÀure reduzieren

Mit 1%iger alkoholischer Dimethylglyoximlösung versetzen

Mit KCl versetzen

Einengen, mit rauchender HCl aufnehmen, SO₂ einleiten

Au Braun

[AuCl₄]ÂŻ [PdCl₄]ÂČÂŻ [PtCl₆]ÂČÂŻ SeOÂČ₃¯ TeOÂČ₃¯

[PtCl₆]ÂČÂŻ SeOÂČ₃¯ TeOÂČ₃¯

[PtCl₆]ÂČÂŻ SeOÂČ₃¯ TeOÂČ₃¯

SeOÂČ₃¯ TeOÂČ₃¯

Se Rotsiehe e

TeOÂČ₃¯siehe f

Au Braunsiehe b

Pd(C₄H₇O₂N₂)₂siehe c

K₂[PtCl₆]siehe d

[PdCl₄]ÂČÂŻ

Pd Schwarz

Pt Schwarz

Te Schwarz

Se Rot

(Tl₂[PtCl₆]) Hellgelbsiehe a

Abb. 16.2 Reduktionsgruppe: Trennungsschema (s. a. Tab. 16.2)

Se Die verbleibende Lösung, die Se und Te enthĂ€lt, wird stark eingeengt, mit rauchenderHCl aufgenommen und in der Hitze SO eingeleitet. Es fĂ€llt rotes Se aus.Te Die abermals eingedampfte Lösung nimmt man mit Wasser auf. Beim Einleiten vonSO fĂ€llt schwarzes Te aus.Man identifiziert Se und Te durch Lösen in heißer konz. HSO(7Nachweis 127 und7Nachweis 134 ).

Behandlung von Gold-, Silber- und Platin-Spuren in einem Erzoder in einem unedlen Metall nach dem KupellationsverfahrenZum Nachweis mĂŒssen die Edelmetalle zunĂ€chst angereichert werden. Je nach Art des zuuntersuchendenMaterials dienen dazu Abrösten, Ansieden und Abtreiben.. Röstprozess: Falls die Erzprobe sulfidischerNatur ist, wird sie zunĂ€chst abgeröstet. Da-

zu erhitzt man 5 g Erz bei Luftzutritt unter UmrĂŒhren am besten in demselben Tiegel,in dem spĂ€ter das sogenannte Ansieden ausgefĂŒhrt wird, bis kein SO mehr entweicht(Abzug!).

Page 83: Jander/Blasius Anorganische Chemie I

520 16.2 Reduktionsgruppe

Tab. 16.2 Reduktionsgruppe: Trennungsgang

a Bei gleichzeitiger Anwesenheit von Pt(IV) und Tl(I) fÀllt Tl2[PtCl6] aus. Tl(I)wird wie folgt von den Elementen der Reduktionsgruppe abgetrennt:Niederschlag der Reduktionsgruppe in HCl/H2O2 lösen, mit 2mol/L NaOHTl(OH)3 ausfÀllen, zentrifugieren, waschen und Tl(OH)3 nach Lösen in verd.HCl zum Filtrat der Reduktionsgruppe geben. Zentrifugat der Tl(OH)3-FÀllungstark einengen, mit H2O aufnehmen zur Au-Abscheidung mit OxalsÀurereduzieren usw.

b Au FĂ€llt als brauner Niederschlag aus

Nachweis: (7Nachweis 245 )

c Pd(C4H7O2N2)2 FĂ€llt als gelber Niederschlag aus

Nachweis: Der Niederschlag wird in NaOH gelöst: gelb (7Nachweis 264 ).

d K2[PtCl6] Hellgelber Niederschlag. Niederschlag in HCl lösen, mit SO2 reduzieren

Nachweis: Mit CH3COONa puffern. Festes Dimethylglyoxim zugeben: Pt(C4H7O2N2)2braun, blau (7Nachweis 250 )

e Se FĂ€llt als roter Niederschlag aus

Nachweis: Der Niederschlag löst sich in konz. H2SO4 mit grĂŒner Farbe(7Nachweis 127 ).

f TeO2−3 Ist in Lösung

Nachweis: Die Lösung wird eingedampft. Der RĂŒckstand wird mit H2O aufgenommenund SO2 eingeleitet. Dabei fĂ€llt schwarzes Te aus, das sich in konz. H2SO4 mitroter Farbe löst (7Nachweis 134 ).

In Lösung: Elemente der H2S-, (NH4)2S-, (NH4)2CO3- und der lösl. Gruppe

. Ansiedeprozess:Das so entstandeneOxid oder 5 g einer schon in oxidischer Form vor-liegenden Erzprobe werden in einem Tontiegel, der sich nach unten stark verjĂŒngt, mit12 g edelmetallfreiemPbO, zur Bereitung desBleiregulus, 5 gNaCO und 1 gNaBOals Flussmittel sowie 1,3 g Kaliumhydrogentartrat (Weinstein) als Reduktionsmittel in-nig gemischt.Die GrĂ¶ĂŸe des Tontiegels ist so zu wĂ€hlen, dass er etwa zu zwei Drittel gefĂŒllt ist. IneinemGas- oder elektrischenOfen erhitztmandannbis zumklaren Schmelzfluss. NachBeendigung der Umsetzung wird der Tiegel aus dem Ofen genommen und mehrmalsfest auf eine Unterlage gestellt, damit sich möglichst das gesamte geschmolzene Pb amBoden vereinigt. Der erkaltete Tiegel wird zerschlagen und der Bleiregulus (Bleikönig)von der Schlacke befreit.Hat man eine Metalllegierung auf Spuren von Edelmetall zu untersuchen, soverschmilzt man sie, falls es sich nicht um Pb selbst handelt, mit etwa der vierfachenMenge Pb (etwa 2 g Legierung mit 5 g Pb) auf Holzkohle.

Page 84: Jander/Blasius Anorganische Chemie I

16

16.3 Schwefelwasserstoff-Gruppe 521

. Abtreibeprozess: Der so vorbereitete Bleiregulus kommt entweder in eine Kupelle, ei-nen flachen Tiegel aus porösen, basischen, feuerfesten Steinen oder in eine kleine Ver-tiefung aus Kalkstein, wo er mit dem Lötrohr oder der spitzen GeblĂ€seflamme oxidie-rend verschmolzenwird. Das sich bildende PbO zieht in die poröse Unterlage, wĂ€hrenddas metallische Pb immer weniger wird und sich dadurch an Edelmetall anreichert.Man treibt so weit ab, bis der Bleiregulus noch etwa 1mm Durchmesser hat.Bei den hier verwendetenMengen erweist es sich nicht als gĂŒnstig, so weit abzutreiben,bis alles Pb oxidiert ist, wie es bei der quantitativen Analyse ĂŒblich ist. Der Bleireguluswird gelöst und die Elemente nach den bekannten Methoden identifiziert.

Übungsfragen zur Reduktionsgruppe (Lösungen7S. 609)

4. Wie wĂŒrden Sie Gold auflösen?

5. Sn2+ reduziert AuCl−4 in saurer Lösung bis zum Gold (Cassius’scher Goldpurpur).Formulieren Sie den Oxidations- und den Reduktionsschritt.

6. Mit der Cyanidlaugerei löst man elementares Gold in cyanidhaltigen Lösungen auf. Esbildet sich ein Gold(I)dicyanidokomplex. Welches Oxidationsmittel wird verwendet?Formulieren Sie die Reaktionsgleichung.

7. Ni, Pd und Pt bilden mit Dimethylglyoxim schwerlösliche Komplexe. Geben Sie dieValenzstrichformel des Nickelkomplexes an. Welcher der Komplexe ist der stabilste?Warum?

16.3 Schwefelwasserstoff-Gruppe

ImFolgendenwird derHS-Trennungsgang zweimal beschrieben (Überblick s. Tab. .,Abb. . und Abb. .). Je nach Anforderung ist zu entscheiden, welcher HS-

Trennungsgang ausgefĂŒhrt werden soll. Am Ende dieses Abschnitts befinden sichzusammengefasst die Übersichtstabellen, die diese Beschreibungen schematisch skiz-zieren.

Die Kationen dieser Gruppe fÀllt man aus salzsaurer Lösung durch HS als charakteris-tisch gefÀrbte, schwer lösliche Sulfide. [SeO]

− und [TeO]− werden von HS in saurer

Tab. 16.3 Überblick H2S-TrennungsgĂ€nge

Trennungsgang I:(7S. 522)

Standardtrennungsgang der Schwefelwasserstoff-Gruppe( Abb. 16.3). Nachweis der Elemente Hg, Pb, Bi, Cu, Cd, As, Sb undSn; FĂ€llung mit H2S-Gas (s. a. Taschenfalter)

Trennungsgang II:(7S. 528)

Erweiterter Trennungsgang der Schwefelwasserstoff-Gruppe( Abb. 16.4) unter zusĂ€tzlicher BerĂŒcksichtigung von Ge, Se, Te, Mound TlPraktische DurchfĂŒhrung im HM-Maßstab; FĂ€llung mit H2S-Gas oderThioacetamid

Page 85: Jander/Blasius Anorganische Chemie I

522 16.3 Schwefelwasserstoff-Gruppe

Lösung zu Se bzw. Te reduziert. Tl(III) wird unter den gleichen Bedingungen zu Tl(I)reduziert und primĂ€r als Gemisch von TlCl und TlS gefĂ€llt. Dieses geht beim anschlie-ßenden Digerierenmit (NH)Sx vollstĂ€ndig in TlS ĂŒber, das in (NH)Sx schwer löslichist. ZweckmĂ€ĂŸiger ist jedoch die im Folgenden beschriebene Reduktion und FĂ€llung vonTl als TlI ⋅ I (7S. ).

Aufgrund der unterschiedlichen Löslichkeit der Sulfide in Alkalisulfidlösung und inAlkalihydroxid kann die Schwefelwasserstoff-Gruppe in zwei Untergruppen, die As/Sn-Gruppe und die Cu-Gruppe, aufgeteilt werden. Die Sulfide werden bei lĂ€ngerem Stehenan der Luft, besonders in feuchtem Zustand, leicht zu löslichen Sulfaten oxidiert. Dadurchkönnen die gefĂ€lltenKationen in die Ammoniumsulfid-Gruppe gelangen. Die Sulfide sinddaher möglichst schnell von der ĂŒberstehenden Lösung zu trennen und stets mit HS-haltigemWasser auszuwaschen.

Da einige der Elemente der Schwefelwasserstoff-Gruppe in unterschiedlichen Oxida-tionsstufen auftreten können, werden durch nachfolgende Reaktionen die Oxidationsstu-fen ermittelt.As Den Sodaauszug mit HNO ansĂ€uern, AgNO zusetzen, von etwa ausgefallenemAgClabzentrifugieren und mit Ammoniak ĂŒberschichten: Ein gelber Ring deutet auf AsO−

,ein brauner Ring auf AsO−

hin. Den Sodaauszug dann weiter mit HSO ansĂ€uern undKI zugeben. Eine Iodausscheidung zeigt AsO−

oder SbO− an.

Sb Der Sodaauszug wird mit einem Überschuss von Ammoniak versetzt und ammonia-kalische AgNO-Lösung zugegeben. Die Ausscheidung von schwarzgrauem Ag deutetauf Sb(III) hin. Weiter wird der mit HSO angesĂ€uerte Sodaauszug mit KI geprĂŒft. EineIodausscheidung macht die Anwesenheit von Sb(V) wahrscheinlich.Sn Die salzsaure Lösung der Ausgangssubstanz geht in Gegenwart von Sn(II) mit HgCldie bekannte Reaktion unter Ausscheidung von HgCl bzw. Hg ein. Das Ausbleiben derReaktion weist auf Sn(IV) hin.

Bei der Beurteilung dieser Reaktionen muss man sehr vorsichtig sein, da sie zum Teilmehrdeutig sind.

16.3.1 Trennungsgang I: Standardtrennungsgang fĂŒr dieSchwefelwasserstoff-Gruppe (s. Taschenfalter)

In der Analysenlösung können enthalten sein: Hg, Pb, Bi, Cu, Cd, As, Sb und Sn( Abb. . und Tab. .).

VorprobenHinweise auf die genannten Elemente kann man durch die Lötrohrprobe erhalten. WĂ€h-rend die FlammenfĂ€rbung nur allgemein auf Schwermetalle schließen lĂ€sst, kannmanmitder Phosphorsalz- bzw. Boraxperle Cu und Sn erkennen. Durch dieGlĂŒhröhrchenprobekann man auf Hg und As, evtl. auch auf Cd schließen. DieMarsh’sche Probe ist die Vor-probe auf As und Sb. Die Leuchtprobe auf Sn ist recht spezifisch und gegebenenfalls auchals Nachweis zu verwenden.

Lösen und AufschließenAuch hier wird man zunĂ€chst versuchen, die Substanz mit HCl in Lösung zu bringen.Vielleicht wird dies jedoch nicht gelingen, wenn schwer lösliche Sulfide vorliegen. BeiVerwendung von Königswasser ist die HNO weitgehend abzudampfen, um eine grĂ¶ĂŸereSchwefelabscheidungbeimErhitzen vonHS zu vermeiden. Ein völliges Eintrocknenmussunbedingt vermieden werden, da sich hierbei Hg- und As-Verbindungen verflĂŒchtigen.

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16.3.1 Trennungsgang I: Standardtrennungsgang fĂŒr die Schwefelwasserstoff-Gruppe 523

Mit gelbem (NH₄)₂Sₓ digerieren

In die HCl-saure Lösung H₂S einleiten, dann langsam mit Wasser verdĂŒnnen

HgS SchwarzPbS SchwarzBi₂S₃ Braun

CuS SchwarzCdS GelbAs₂S₃ Gelb

Sb₂S₃ OrangeSnS₂ BraungelbMoS₃ Schwarzbraun

Kupfer-Gruppe Arsen-Gruppe

HgS SchwarzPbS SchwarzBi₂S₃ Braun

CuS SchwarzCdS Gelb

AsS₄³⁻SbS₄³⁻

SnS₃ÂČ⁻MoS₄ÂČ⁻

As₂S₅ GelbSb₂S₅ OrangeSnS₂ BraungelbMoS₃ Schwarz

Mit 4mol/L HNO₃ bei mĂ€ĂŸiger WĂ€rme

behandeln

Bis zur sauren Reaktion

HCl zugeben

Mit H₂SO₄ eindampfen und nach AbkĂŒhlen mit 2mol/L H₂SO₄ verdĂŒnnen

7mol/L HCl zugeben

NH₃ im Überschuss zugeben

HgSsiehe 4

PbÂČâșBiÂłâș

CuÂČâșCdÂČâș

PbSO₄siehe 5

BiÂłâș CuÂČâșCdÂČâș

[SbCl₆ ]⁻[SnCl₆ ]ÂČ⁻

Mit Eisen reduzieren

SnÂČâșsiehe12

Sbsiehe11

Mit konz. (NH₄)₂CO₃-

Lsg. behandeln

As₂S₅MoS₃

MoS₃siehe 9

Bis zur EntfĂ€rbung KCN zugeben, dann mit H₂S

fÀllen

Bi(OH)₃siehe 6

[Cu(NH₃)₄]ÂČâșsiehe 7

[Cd(NH₃)₆]ÂČâș

CdSsiehe 8

[Cu(CN)₄]³⁻

AsS₄³⁻AsO₄³⁻AsOSâ‚ƒÂłâ»siehe 10

Abb. 16.3 Trennungund Nachweis derSchwefelwasserstoff-Gruppe (bei Abwesenheitder selteneren Elemente):Trennungsgang I(s. a. Tab. 16.4 undTaschenfalter)

Als in SĂ€uren schwer lösliche Verbindungen kommen hier Zinnstein SnO, weiß, bzw.SnO, schwarz, infrage. Diese werden durch den Freiberger Aufschluss aufgeschlossen(7S. ). Die entstandene Schmelze laugt man mit Wasser aus, filtriert und versetzt mitHCl, wobei gelbes SnS ausfĂ€llt. Der Sulfidniederschlag kann je nachArt derAnalyse alleinoder zusammenmit den gefĂ€llten Sulfiden desTrennungsgangesweiterverarbeitetwerden.

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524 16.3 Schwefelwasserstoff-Gruppe

Tab. 16.4 Trennung und Nachweis der Schwefelwasserstoff-Gruppe (bei Abwesenheit derselteneren Elemente): Trennungsgang I (s. Taschenfalter)

4 HgS Löst sich in HNO3/HCl

Nachweis: 1. Durch Amalgambildung mit unedleren Metallen (7Nachweis 267 )2. Durch Reduktionsmittel (SnCl2) Bildung von Hg2Cl2 (weiß) und Hg(schwarz) (7Nachweis 281 )

5 PbSO4 Löst sich in Ammoniumtartrat-Lösung

Nachweis: 1. Durch Zusatz von K2Cr2O7 fÀllt gelbes PbCrO4 (7Nachweis 294 )2. Durch Zusatz von Cu-acetat und KNO2 fÀllt K2CuPb(NO2)6(7Nachweis 295 ) aus

6 Bi(OH)3 Löst sich in HCl

Nachweis: 1. Mit Dimethylglyoxim+NH3 gelber Niederschlag (7Nachweis 303 )2. Neutralisieren und mit alkal. Stannat(II)-Lösung versetzen (Bischwarz) (7Nachweis 301 )

7 [Cu(NH3)4]2+ Ist an der blauen Farbe der Lösung zu erkennen (7Nachweis 305 )

8 CdS Ist an der gelben Farbe des Niederschlags zu erkennen(7Nachweis 329 )

9 MoS3 Der Niederschlag ist mit Schwefel vermischt und löst sich inKönigswasser; nach Abrauchen wird in 2mol/L HCl gelöst.

Nachweis: Bei Zusatz von NH4Cl und Na2HPO4 scheiden sich feine gelbe Kristallevon Ammoniummolybdophosphat ab (7Nachweis 577 ).

10 AsS3−4 /AsO3−4 /AsOS3−3 Die Lösung wird mit H2O2 versetzt; beim ErwĂ€rmen bildet sich AsO3−4 .

Nachweis: H2O2 und Mg2+ zugeben; MgNH4AsO4 ⋅ 6H2O kristallisiert weiß

(7Nachweis 357 )

11 Sb Löst sich in 7mol/L HCl+wenig HNO3Nachweis: Stark verdĂŒnnen und H2S einleiten: Sb2S3 (orange) fĂ€llt aus

(7Nachweis 364 )

12 Sn2+ Verbleibt in der Lösung

Nachweis: 1. Mit HgCl2 bilden sich weißes Hg2Cl2 und schwarzes Hg(7Nachweis 281d ).2. Leuchtprobe (7Nachweis 374d )

In Lösung: Elemente der Urotropin-(NH4)2S-Gruppe und der lösl. Gruppe

Bei einer Schmelze mit der vierfachen Menge KCN (Abzug!) entsteht metallisches Zinn,das durch lĂ€ngeres KochenmitHCl in Lösung gebracht werden kann. Als weitere in SĂ€urenschwer lösliche Verbindung kann weißes PbSO vorliegen, das sich in ammoniakalischerTartratlösung oder konz. Laugen auflöst.

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16.3.1 Trennungsgang I: Standardtrennungsgang fĂŒr die Schwefelwasserstoff-Gruppe 525

Störende Anionen, wie z. B. Oxalat und Tartrat, mĂŒssen vor Beginn des Trennungsgan-ges, wie auf7S. beschrieben, entfernt werden.

H2S-FĂ€llungZur FĂ€llung der Sulfide wird unter dem Abzug in die heiße, auf ein geringes Volumeneingeengte, noch 2–3mol/LHCl enthaltende LösungHS eingeleitet und zurAbscheidungdes CdS mit kleinen Portionen Wasser auf das FĂŒnffache verdĂŒnnt. FĂŒr die SulfidfĂ€llungeignet sich auch frisch bereitetes HS-Wasser. Aus der Reihenfolge des Auftretens ver-schieden farbiger Sulfide können wichtige Hinweise auf die Zusammensetzung der Probeerhaltenwerden. Der Reihe nach gefĂ€llt werden: AsS, gelb, SnS, hellgelb, SbS, orange,HgS, PbS, CuS, SnS, und BiS, braun bzw. schwarz, CdS, gelb.

Der Niederschlag wird sofort abzentrifugiert und mit HS-Wasser, dem einige Körn-chen Ammoniumacetat zugesetzt werden, gewaschen, bis keine Cl−-Ionen mehr nachzu-weisen sind. DasWaschwasserwird verworfen. Das Zentrifugat selbst dient zumNachweisder anderen Elemente.

Trennung in Kupfer-Gruppe und Arsen/Zinn-Gruppe mit (NH4)2SxDie Sulfide ĂŒberfĂŒhrt man in eine Porzellanschale und behandelt sie bei mĂ€ĂŸiger WĂ€r-me (etwa °C, nicht in der Siedehitze) unter UmrĂŒhren etwa min lang mit gelbem(NH)Sx . Beim Digerieren lösen sich As, Sb, Sn und spurenweise Cu, wĂ€hrend Hg, Pb,Bi, Cu und Cd zurĂŒckbleiben.

Trennung in Kupfer-Gruppe und Arsen/Zinn-Gruppe mit LiOH/KNO3Die HS-NiederschlĂ€ge werden einige Minuten in mL einer (% LiOH, % KNO-Lösung auf demWasserbad digeriert. Die Sulfide gehen dabei unter Bildung vonHydroxy-,Thio- bzw. Oxothiokomplexen in Lösung. Sn(II)-Sulfid wird nur langsam in Sn(OH)ĂŒberfĂŒhrt. Das Nitrat beschleunigt die Reaktion zum Hydroxostannat(IV) [Sn(OH)]

−durch die Oxidation des Sn(II) zum Sn(IV). Beim AnsĂ€uern solcher S− enthaltendenLösungen fallen dann wieder die Sulfide (SnS, AsS, AsS, SbS, SbS) im Gemischmit Sn(OH) und Sn(OH) aus. Der Vorteil dieser Methode ist die Vermeidung derBildung von HS und Schwefel. Außerdem bleiben CuS und HgS quantitativ in derKupfergruppe, sofern nicht ĂŒber °CerwĂ€rmt wird.

Trennung und Nachweise der Kupfer-GruppeHg Der abgetrennte RĂŒckstand wird mit (NH)S-haltigem Wasser gewaschen und– min mit einer Mischung aus einem Teil konz. HNO und Teilen Wasser behandelt.Der RĂŒckstand, der nach der Behandlung mit HNO verbleibt, kann schwarzes HgSoder auch weißes HgS(NO), vermischt mit weißlichem Schwefel, enthalten. Erwird in Königswasser gelöst, dann wird bis fast zur Trockne verdampft und mit wenigWasser aufgenommen. In der Lösung wird Hg durch Amalgambildung mit Kupferblech(7Nachweis 267 ), durch Zugabe von SnCl (7Nachweis 281 ) sowie als Co[Hg(SCN)](7Nachweis 282 ) nachgewiesen. Zur Identifizierung eignen sich auch die Bildung vonHg(II)-Reineckat (7Nachweis 283 ) und von Cu[HgI] (7Nachweis 284 ).Pb Das Zentrifugat des HgS-RĂŒckstandes wird unter Zusatz von –mL konz. HSO ineiner Porzellanschale so weit eingedampft, bis weiße Nebel entstehen und die gesamteHNO restlos entfernt ist.Man lĂ€sst erkalten und fĂŒgt ungefĂ€hr das gleiche Volumen verd.HSO hinzu. Ist Pb zugegen, bildet sich ein weißer Niederschlag von PbSO. Bei starker


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