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Marcus MillerAfrodeeziaBlue Note Records 006025472144161Universal Music

ln den 80er Jahren wurde der relativunbekannte, anonyme StudiomusikerMarcus Miller innerhalb von 10 Jahrenzur wichtigsten Stütze des elektrischenMiles Davis. Richtig bekannt wurde derElektrobassist und Komponist besondersmit dessen Album ,,Tutu", für das ernahezu alle stücke komponierte unddessen gewandelten Spielstil er mitkre-ierte. Dessen neue,,Erkennungsmelo-die" ist eng mit ihm verbunden undfindet sich auch im ersten stück desneuen Albums,,Afrodeezia", genannt,, Hylife". Nach vielen Veröffentlichun-gen unter eigenem Namen seit den90er Jahren ist die neueste CD MarcusMillers eine Bestandsaufnahme derVer-gangenheit und ein Blick in die Zukunft.Nach vielen Tourneen quer durch dieWelt, der Mitwirkung auf mehr als 500Alben mit den Stars aus Jazz, Pop undRock, ist Miller nun auf der Suche nachseiner eigenen ldentität als Menschund als Musiker, nach einem Prolog imAlbum ,,Renaissance" und dem viel-leicht aufrüttelndsten Song darauf mitdem Titel ,,Gor6e, benannt nach dergleichnamigen lnsel vor der Küste vonSenegal, wo die für Amerika benötigtenSklaven in die Frachträume der Schiffegepfercht wurden.Auf ,,Afrodeezia" zollt Miller seinenafrikanisch-nigerianischen VorfahrenTribut. Zu seiner festen Band mitTrom-peter Lee Hogans, dem SaxophonistenAlex Han, dem Pianisten BrettWilliams,dem Gitarristen Adam Agati und demSchlagzeuger Louis Cato kommen inden Aufnahmen aus Marokko, von Riode Janeiro, Paris, aus Louisiana, Kalifor-nien, Detroit und NewYork lokale Starswie die Trompeter Ambrose Akinmusire,Etienne Charles und Patches Stewart,der Keyboarder Robert Glasper, dersenegalesische Sänger Alune Wade, derbrasilianische Songwriter Djavan, derRapper Chuck D, die Gitanisten Keb'Mo'und Wah Wah Watson, der malischeKoraspieler Cherif Soumano und dieSoulsängerin Lalah Hathaway. Wiedrückt es Miller selber aus? ,,DurchSpirituals, Jazz und Soul konnten wirunsere Geschichte überliefern, weil alleanderen Erinnerungen ausgelöscht wor-den waren. Was mir am Herzen lag, war,zu den Quellen der Rhythmen zurückzu-gehen, ihnen wie Fußspuren zu folgen,von ihren Ursprüngen in Afrika den gan-zen Weg bis in dle USA, von Mali nachParis, von New Orleans nach Sao Paulound durch die Karibik. Als ich in SaoPaulo mit lokalen PerkussionistenSamba spielte, stelhe ich fest, dass ichdiesen Rhythmus schon kannte. lchhatte ihn in Marokko von Gnawa-Musikern gehört".Und obwohl Marcus Miller auf ,,Afro-deezia" durch alle Rhythmen und Ein-flüsse der Geschichte der schwarzenBevölkerung wandert, vergisst er seineSpielweise nicht, den harten Anschlagseines Elektrobasses und den etwasmelancholischen Klang seiner Bass-klarinette wie z.B. in ,,Preacher's kid",seinem Song für William H. Lassen wirerneut Miller zu Wort kommen: ,,,Afro-deezia' reflektiert, wer ich heute bin: ein

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Marcus Miller

Musiker; der allem gegenüber offen undstets wachsam ist und der seine wahrePersönlichkeit vor ungefähr zehn Jahrenentdeckte. Um die.iungen Musiker mei-ner Band kreisen Solisten aus all' denLändern, die wir gekreuzt haben. AII'dat was sie eingebracht haben, verhalfmeiner Musik zu einer neuen Dynamik,mit neuen Klängen wie denen einerKora, einer Gimbri und jeder MengePerkussionsinstrumenten", wenn manso will, einer neuen Dimension, diesich diesem faszinierenden Musikererschließt.

Ulfert Goeman

Fabienne Ambühl

GlitterwoodsTraumton CD 461 3

Musik hat auch etwas mit Emotionenund Naturverbundenheit zu tun. Dasbeginnt schon mit der Wahl der Album-Verpackung, in diesem Fall mit derCovergestaltung, einem Blick in einendunkelgrünen Wald, in den die Sonneihre Lichtstrahlen wirft und in ihrer Bün-delkreuzung oder beim Auftreffen aufWassertropfen G litzerpunkte entstehen.Ein erster Hinweis. Hier wird Musikgespielt, die Geschichten erzählt, ineiner heilen Natur Anknüpfungspunkte'findet. Von der Pianistin und SängerinFabienne Ambühl heißt es, dass sie sichmit der Natur verbunden fühlt, gernemit Pferden umgeht (im einzigen Solo-stück mit dem Titel ,, Black horsesSuite") und in all' ihren Stücken pro-funde Jazzhaltung mit romantischerlmaginationskraft vereint. Das zeigt sichbereits in ihrer einleitenden dreiteiligen,, Glitterwoods" -Komposition und endetmit ,,Betvveen yours eyes", wobei ihredurchgehend eigenen Stücke zwischenüberlegter Reduktion und emotionalerTiefe changieren, Versponnenes, Klassi-sches, Alpenländisches und Urbanes ineiner sehr persönlichen Ausdeutung zuWort kommen. Einige songs, fast sym-metrisch aufgereiht, sind mit poetischenWorten bestückt, Ambühls eher spar-

Foto: Hyou Vielz

samer Gesang wirkt dabei suggestiv,weniger narrativ. Und sie drückt es soaus: ,,lch schreibe keine Songs im klas-sischen Sinne, die Texte oder kurzenAusrufe sind dazu gedacht, Stimmun-gen zu unterstützen oder zu verdich-ten." Ambühl schiebt das darauf zurück,dass sie früher einmal Saxophon spieltqehe sie mit dem Singen begann.Letzteres steht aber beileibe nicht imVordergrund für die Pianistin, die mit1 4 Jahren in einer Big Band begann,beim Studium in Luzern Soul spieltgin Kopenhagen ihre Liebe auch zumGesang entdeckte.Fabienne Ambühls Kompositionen sindklare, strahlende, bisweilen großzügigeMelodiebögen, die sich mit rhythmisch-zupackenden Passagen, phantasievollenMotiven und einigen lautmalerischenMomenten abwechseln. Sie sind feinstaustariert und trotzdem energiegeladen.Hinzu fallen bei dem vorliegendenAlbum noch einige positive Faktorenins Gewicht: ein exzellentes Tonstudio(Artesuono Recording Studio Udine,Toningenleur Stefano Amerio), ein Label,das für sich spricht (Traumton) und zweiMitspieler; die ihresgleichen suchen, derin ltalien lebende vorzügliche BassistYuri Goloubev und der gleichermaßenvielseitige Perkussionist Asaf Sirkis auslsrael, sozusagen der Traum einer opti-malen Begleitung, deren Mitwirken dieCD zu dem macht, was sich eine nochjunge Debütantin am Klavier nur wün-schen kann. Die Drei ergänzen sich wieein Rädenruerk, sie finden traumwand-lerisch die Einsätze und ergänzendenPassagen. Welch' ein Potential, das indiesem Trio steckt, das sich hier zueinem gemeinsamen Treffen gefundenhat!

Ulfert Goeman

Jens Fossum

Bass Detector0zella music 02057/Galileo MC

Bassgewitter und Basswunder, das istwohl das erste. was einem zu ..Bass

Detector" einfällt. Und ein Groove, derhält, was er ,.,erspricht, nämlich richtigabgehen. Jens Fossum spielt auf dieserScheibe al prj "3; -isl'1 nur den Bass(sein Marken:: :-.- r:rdern bedientauch eine Re he .-:='=' S, :.rinstru-mente, darunter Er:::- .'. = : : chinesi-sche Er-hu und g'e: :=:'. -=z:-tiauch gern zum Celto :-' ':'.=". -:z'zur Mandoline. Fossu- ,'.:'= -geschlossenerAlbumk a'; ,'. :^- : r:'hundertprozentig nacl. ir- , - .- '- -:dass erjedoch die Szenerre:::: :: -niert. Und so integriert er in .. I ..,Detector" ein Team weiterer li',. . ='u.a. Hävard Fossum an Alto- uno l=-: '

Sax, BorgeAre Halvorsen am Baritc'-Sax sowie Tore Bjarne Blelland anDrums und Perkussion, die damit zumintegralen Bestandteil des Fossum-Klangs werden. Und der ist massiv lässtmit energisch flirrenden Bassliniendurchaus Erinnerungen an Jaco Pasto-rius erscheinen. Doch es geht gelegent-lich auch bläserlastig zu, oder elektro-nisch-rhythmisch getrieben von MidiBässen und Keyboards. Dann wiederumlehnt Fossum sich zurück und öffnetdie Perspektive für meditativ gezupfteleise Passagen. ,,Bass Detector" ist einAlbum, das überrascht, musikalischgehaltvoll ist, aber gleichzeitig auch dengeneigten lnstrumentalisten unter denHörern staunen macht, ob dieser hierzur Schau gebrachten Fingerfertigkeitund unglaublich schnell und präzisegespielten Bass Licks.

Carina Prange

Mathias Eick

MidwestECM 241 0470891 0

Mathias Eick hat einen Trompetensoundfür sich gefunden, der nicht strahlt, ehersanft leuchtet und immer ein wenigbedeckt klingt, gerade so, dass dieAndeutung einer melancholischen Stim-mung erzeugt wird. Müsste ein mono-chromes Bild für diesen sanften Soundgefunden werden, ein blauer Himmelbeim Ubergang vom Tag zur Dämme-rung mit der Andeutung von grauemDunst wäre passend. Wenn die Atmo-sphäre seines dritten Albums für ECMdann doch bedeckter und wehmütigerwirkt als bei früheren Aufnahmen, dannhat das vor allem mit dem Violinspielvon Gjermund Larsen zu tun:Trompeteund Violine entwickeln die sanften, lied-haften Melodien der Eick-Kompositio-nen phasenweise parallel, mal folgensie für ein paar Takte aufeinander; dieseDopplung der Melodieführung, die sichmitunter ins verhalten Hymnische stei-gert, führt zu einem melancholischenGrundton gerade in den langsamen,balladesken Titeln. Dem 5og zu verhal-tener Klage widersetzt sich die Rhyth-musgruppe mit Jon Balke, p, MatsEilertsen, b, und Helge Norbakken, perc,mit der Konsequenz reizvoller Kontrastezwischen hellem und dunklem, klarkonturiertem und eher verhangenemKlangbild. Und ja, Sound und Melodie-führung sind durchaus etwas §pischSkandinavisches mit seiner Distanz zumJazz abstrakter Prägung und swingen-den Rhythmen.

Heribert lckerott

Zollt mit ,,Afrodeezia" seinen afrikanisch-nigerianischen Vorfahren Tribut:

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