Transcript

KOMPENDIUM 2013

Dermatologie

■ Atopische Dermatitis ■ Akne ■ Psoriasis ■ Allergologie ■ Dermatologische Onkologie ■ Trichologie ■ Mykologie ■ Wundmanagement ■ Ästhetische Dermatologie und Anti-Aging

News & Standards

19. Jahrgang April 20131–44

U1-U2.indd 1 09/04/13 09:15

Bleiben Sie auf dem Laufenden!www.contactmeda.de/updates-erhalten

Das Mittel der Wahlbei AllergischerRhinitis1,2

PZN 02834904

Dymista® Nasenspray. Wirkstoffe: Azelastinhydrochlorid und Fluticasonpropionat. Zusammensetzung: Arzneilich wirksamer Bestandt.: Ein Sprühstoß (0,14 g) enth. 137 µg Azelastinhydrochlorid u. 50 µg Fluticasonpropionat. Sonst. Bestandt.: Natriumedetat, Glycerol, Mikrokristalline Cellulose und Carmellose-Natrium (84:16), Polysorbat 80, Benzalkoniumchlorid, 2-Phenylethan-1-ol, Gereinigtes Wasser. Anwendungsgebiete: Zur Linderung d. Sympt. der mittelschweren bis schweren saisonalen u. perennialen allerg. Rhinitis, wenn eine Monotherapie entw. mit einem intranasalen Antihistaminikum od. einem Glukokortikoid nicht als ausreichend erachtet wird. Gegenanzeigen: Überempfi ndlichkeit gegen den/die Wirkstoff(e) oder einen der sonst. Bestandteile. Warnhinweise: Enth. Benzalkoniumchlorid. Dies kann Reizungen d. Nasenschleimhaut u. Bronchospasmen verursachen. Bei längerer Anwend. eine Schwellung d. Nasenschleimhaut hervorrufen. Nebenwirkungen: Sehr häufi g: Nasenbluten. Häufi g: Kopfschmerzen, Dysgeusie, unangenehmer Geruch. Gelegentlich: Beschwerden an d. Nase (einschließl. Nasenreizung, Brennen, Jucken), Niesen, trockene Nasenschleimhaut, Husten, Halstrockenheit, Rachenreizung. Selten: Mundtrockenheit. Sehr selten: Überempfi ndlichkeitsreaktionen einschließl. anaphylaktische Reaktionen, Angioödem, Bronchospasmus, Schwindel, Somnolenz, Glaukom, Erhöhung des Augeninnendrucks, Katarakt, Perforation d. Nasenscheidewand, Schleimhauterosion, Übelkeit, Hautausschlag, Pruritus, Urtikaria, Abgeschlagenheit, Schwächegefühl. Weitere Einzelheiten u. Hinweise: s. Fach- u. Gebrauchsinformation. Verschreibungspfl ichtig.Stand: Januar 2013, MEDA Pharma GmbH & Co. KG, 61352 Bad Homburg, www.medapharma.de

Literatur: 1. Carr et al. A novel intranasal therapy of azelastine with fl uticasone for the treatment of allergic rhinitis. J Allergy Clin Immunol. 2012; 129(5): 1282-1289. 2. Leung et al. MP29 -02: A major advancement in the treatment of allergic rhinitis. J Allergy Clin Immunol. 2012; 129(5): 1216.

NEU

U1-U2.indd 2 09/04/13 09:15

ImpressumVerlag: Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York Rüdigerstraße 14 70469 Stuttgart www.thieme.deRedaktion: Anna Trawicka Tel.: 07 11 / 89 31­281 Fax: 07 11 / 89 31­107 [email protected]­ Andreas Schweigerleitung: Tel.: 07 11 / 89 31­245 Fax: 07 11 / 89 31­624 [email protected]: Digital Access, FriolzheimLayout, Satz: F.­M. Stephan, StuttgartDruck: Kliemo AG, Eupen / BelgienErscheinungsweise: Das Kompendium Der­matologie erscheint un re gel mäßig, jedoch mit mindestens einer Ausgabe jähr lich. ISSN 1860­0565Beilage in der Zeitschrift Aktuelle Dermato-logie, vereinigt mit „Zeitschrift für Dermato­logie, gegr. 1882.Diese Beilage erscheint außerhalb des Ver­antwortungsbereiches der Herausgeber der Zeitschrift.Mit dem Abdruck des Beitrags erwirbt der Verlag das alleinige und ausschließliche Recht für die Veröffentlichung in sämtlichen Publi­kumsmedien sowie Übersetzungen in fremde Sprachen. Nachdruck, fotomechanische Wie­dergabe und Speicherung in den Datenverar­beitungsanlagen, auch auszugsweise, nur nach schriftlicher Genehmigung des Verlags.

Dieses Kompendium enthält Beiträge, die auf Unternehmensinformationen basieren. Einzelne Beiträge sind ganz oder teilweise von einem Unternehmen gesponsert und separat gekennzeichnet.

Wichtiger HinweisWie jede Wissenschaft ist die Medizin stän­digen Entwicklungen unterworfen. For­schung und klinische Erfahrung erweitern unsere Erkenntnis, insbesondere was Be­handlung und medikamentöse Therapie an­belangt. Soweit in diesem Heft eine Dosie­rung und Applikation erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren und Verlag große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung der Beilage entspricht.Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Jeder Benutzer ist angehalten, durch sorgfältige Prüfung der Beipackzettel der verwendeten Präparate und ggf. nach Konsultation eines Spezialisten festzustellen, ob die dort gege­bene Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegen­über der Angabe in dieser Beilage abweicht. Eine solche Prüfung ist besonders wichtig bei selten verwendeten Präparaten oder sol­chen, die neu auf den Markt gebracht wor­den sind. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers.

© 2013 Georg Thieme Verlag KGRüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart

Editorial

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

rechtzeitig zur 47. Tagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) vom 1.–4. Mai in Dresden präsentieren wir Ihnen das Kompendium Dermatologie 2013. Im diesjährigen Programmheft der Tagung sind erst­mals thematisch verwandte Symposien entlang des Zeitplans als farblich hinterlegte „Tracks“ (z. B. zu den Themen Onkologie oder Infektiologie) aneinandergereiht, um hier einen konsekutiven Besuch ohne terminliche Überschneidungen zu ermöglichen.

Auch wir möchten Ihnen mit dem diesjährigen Kompendium eine Anleitung dazu geben, was sich im letzten Jahr von der Ästhetischen Dermatologie, über neue Methoden in der Mykologie bis hin zum Wundmanagement im Fachbereich getan hat: Anfang des Jahres wurde die neue S3­Leitlinie „Diagnose, Therapie und Nachsorge des Melanoms“ veröffentlicht. Mehr zu den aktuellen Forschungsergebnissen unter anderem zur Kombinations­therapie aus BRAF­ und MEK­Inhibitoren beim Melanom lesen Sie in diesem Heft ab S. 12. Auch auf dem Gebiet der Allergologie gibt es viele Neuentwicklungen. In den letzten 1,5 Jahren haben Medikamenten­ Neuzulassungen zu einer erheblichen Verbesserung des potenziell tödlichen Verlaufs des hereditären Angioödems geführt. In Deutschland stehen der­zeit 5 Medikamente zur Akutversorgung zur Verfügung. Näheres erfahren Sie im State­of­the­Art­Beitrag „Allergologie“ ab S. 19.

Wir freuen uns, Ihnen auch dieses Jahr wieder eine anregende und informa­tive Lektüre – abgerundet mit neuen Entwicklungen aus der Industrie – bieten zu können.

Viel Spaß beim Lesen wünscht

Ihre

Anna Trawicka

Titelbilder: © Pixland; Moll I, Duale Reihe Dermatologie, Thieme 2010

3Kompendium Dermatologie 9. Jahrg. 2013, Nr. 1

KompDerm2013.indb 3 08.04.13 17:05

KOMPENDIUM 2013

Dermatologie Editorial 3 Kompendium Dermatologie 2013

Atopische Dermatitis 6 State of the Art

Akne 9 State of the Art

Dermatologische Onkologie12 State of the Art

15 Therapie aktinischer Keratosen: Vielfältige Behandlungsoptionen erfordern praktikable Therapiealgorithmen

18 Hautkrebs-Diagnostik: Konfokale Laserscanmikroskopie bietet optische Biopsie in Echtzeit

Allergologie19 State of the Art

24 Angioödeme können gefährlich werden

Ästhetische Dermatologie26 State of the Art

28 Rosazea-Therapie mit Rosaliac AR Intense:Studienergebnisse belegen Wirksamkeit beim Einsatz

29 Flüssigstickstoff in der Dermatologie – sichere Anwendung mit CRYOSPEED® MED

Psoriasis30 State of the Art

Trichologie33 State of the Art

Mykologie 36 State of the Art

Wundmanagement 40 State of the Art

4 Kompendium Dermatologie 9. Jahrg. 2013, Nr. 1

Inhalt

KompDerm2013.indb 4 08.04.13 17:05

ü mildert die Sichtbarkeit erweiterter Äderchenü mindert Rötungenü stärkt die Haut

Dermatologische Pfl egeserie bei empfi ndlicher und zu Couperose neigender Haut.

Dr. Theiss Naturwaren GmbH | 66424 Homburg | www.medipharma.de

Apothekenexklusiv!

Unsere Anwender bestätigen:*

55% Reduziert Hautrötungen

50% Kleine Äderchen scheinen gemildert

55% Bildung neuer Hautrötungen wird vorgebeugt

80% Beruhigt die Haut

* Haut in Balance Coupeliac Beruhigende Tagespfl ege, Anwendungsstudie über 6 Wochen mit 20 Probanden

� ohne Konservierungsstoffe� ohne Para� n- und Silikonöle� ohne allergene Duftstoffe

Atopische Dermatitis – State of the Art Dr. Christiane Rödiger, Prof. Dr. Johannes Norgauer, Jena

Die atopische Dermatitis ist v. a. in den Industriestaaten weit verbreitet:

Je nach statistischer Untersuchung sind 5–20 % der Kinder und bis zu

3 % der Erwachsenen betroffen. Die Hauterkrankung tritt bei ca. 60 % der Betroffenen im 1. Lebensjahr und bei ca. 90 % erstmals bis zum 5. Lebens-

jahr auf. Meist reduzieren sich die Symptome deutlich mit Beginn der

Adoleszenz [1].

TerminologieDie atopische Dermatitis, auch als Neurodermitis oder endogenes Ek­zem bezeichnet, ist, wie der Fach­begriff bereits beschreibt, eine ent­zündliche Hauterkrankung aus dem atopischen Formenkreis.

Bereits in der Antike finden sich erste Beschreibungen zur atopischen Dermatitis. Der römische Schrift­steller und Gelehrte Gaius Suetonis Tranquillus (ca. 70 – 122 n. Chr.) be­schrieb in seinen Biografien typische Ekzemsymptome bei Kaiser Augus­tus (63 v. Chr. – 14 n. Chr.). Im ersten Dermatologiebuch „De morbis cu­taneis“ aus dem Jahre 1572 stellte der italienische Arzt Girolamo Mer­curiale (1530–1606) Symptome dar, die dem atopischen Ekzem entspre­chen könnten [2].

Anfang des 19. Jh. wurde die Ek­zemerkrankung von Robert Willan (1808) und Ferdinand von Hebra (1844) erstmals als eigenständiges Krankheitsbild beschrieben [3]. Es waren fortan verschiedene Begriffe in der Verwendung: Disseminierte Neurodermitis (1891 Louis A. Brocq und L. Jacquet), Dermatitis multifor­

Bild

: © M

oll,

Dua

le R

eihe

Der

mat

olog

ie. T

hiem

e 20

05

mis pruriginosa (1892 Ernest Henri Besnier) sowie Prurigo Besnier.

Der Begriff Atopie wurde von den amerikanischen Allergologen Arthur Fernandez Coca (1875–1959) und Robert A. Cooke (1890–1960) als neuer medizinischer Terminus 1923 eingeführt [4]. 1933 definier­ten Fred Wise und Marion B. Sulz­berger schließlich den Begriff atopi­sche Dermatitis [3], der sich seit dem weltweit durchsetzt. Synonym werden v. a. im deutschsprachigen Raum immer noch die Begriffe Neu­rodermitis oder endogenes bzw. ato­pisches Ekzem verwendet.

AtopieDer Terminus „Atopie“ kommt

aus dem Griechischen und bedeutet „falscher Ort“ (atopos) und meint das Ungewöhnliche. Man versteht darunter die vererbte Neigung zu einer empfindlichen Haut und / oder Schleimhaut und die daraus folgen­de Wahrscheinlichkeit, atopische Er­krankungen wie atopische Dermati­tis, allergische Rhinokonjunktivitis oder allergisches Asthma bronchiale entwickeln zu können.

State of the Art

6 Kompendium Dermatologie 9. Jahrg. 2013, Nr. 1

KompDerm2013.indb 6 08.04.13 17:05

Abb. 1 Der atopische Marsch.

Nur die Bereitschaft, eine atopi­sche Haut und / oder Schleimhaut zu bekommen, wird vererbt, nicht die einzelne Erkrankung. Es ist möglich, dass mehrere atopische Erkrankun­gen gleichzeitig oder nacheinander auftreten können, dann spricht man vom sogenannten atopischen Marsch (siehe Abb. 1).

Klinik Die atopische Dermatitis zeigt ab­hängig vom Stadium der Erkrankung und dem Alter der Patienten ver­schiedene klinische Symptome. Im akuten Stadium finden sich meist exsudative Ekzeme mit erythematö­sen Papeln, Bläschen, Erosionen und flächigen Erythemen. Bei längerem Verlauf sind hingegen vorrangig Zei­chen der chronischen Hautentzün­dung wie Lichenifikation mit Ver­dickung der Haut und Vergröberung der Hautfelderung zu sehen.

Im Säuglings­ und Kleinkindalter überwiegen die Zeichen der akuten Hautentzündung. Die Hautverände­rungen finden sich typischerweise im Gesicht, am Kapillitium und an den Streckseiten der Extremitäten. Meist erst im Jugend­ und Erwach­senenalter ist die atopische Derma­titis im Wesentlichen auf die Beuge­seiten der Extremitäten, aber auch

an Hals und Stamm konzentriert. In allen Stadien und Altersgruppen dominiert der Pruritus der oft sehr trockenen Haut.

Nicht immer ist die atopische Dermatitis vollständig ausgeprägt. Es gibt zahlreiche atopische Mini­malvarianten bei vielen Menschen, die nur selten in ihrem Leben oder auch gar nicht typische Ekzemefflo­reszenzen ausbilden (Tab. 1).

Außerdem kann man gehäuft bei Menschen mit atopischer Haut­ und / oder Schleimhautdiathese ver­schiedene Stigmata bzw. körperliche Merkmale finden, die relativ gut zur Diagnosesicherung geeignet sind (Tab. 2)

TherapieDrei große Säulen bilden die Grund­lage der Therapie der atopischen Dermatitis.

ProvokationsfaktorenAls erstes gilt es, die Provokati­

onsfaktoren aus der Umwelt als sol­che zu erkennen und wenn möglich zu meiden oder zumindest zu redu­zieren. Zu diesen Provokationsfakto­ren zählen die Allergene, hier beson­ders die Aeroallergene wie Haus­staubmilben, Pollen oder Tierhaare aber auch bestimmte Nahrungsmit­

telallergene, z. B. Milch, Hühnerei oder Weizenmehl. Daneben spielen Irritanzien aus der Umwelt eine gro­ße Rolle. Feuchtigkeit und Kontakt zu alkalischen Seifen sollten soweit möglich gemieden werden. Klimati­sche Bedingungen, bestimmte Klei­dung (Wolle, synthetische Stoffe) und manche Nahrungsmittel gelten ebenso als Reizstoffe der Haut. Nicht zuletzt zählen auch psychische Um­stände zu diesen Provokationsfakto­ren. Es ist bekannt, dass sowohl posi­tiver als auch negativer Stress den Hautbefund deutliche beeinflussen kann.

Symptomatische TherapieDie 2. große Säule umfasst die

symptomatische Therapie. Grund­lage und unabdingbar erforderlich ist eine regelmäßige und konsequente Basistherapie in Form von Pflege­anwendungen an der Haut. Zudem sind je nach Stadium und Ausprä­gung der Hautentzündung oft anti­inflammatorische und antiprurigi­nöse Therapien entsprechend des Stufenplans der S2­Leitlinie [5] not­wendig (Tab. 3). Zusätzlich ist die UV­Behandlung zur Interventions­therapie der atopischen Dermatitis

AtopischeDermatitis

Asthmabronchiale

AllergischeRhinitis

0 ½ 1 3 7 15 Alter inJahren

Präv

alen

z

Tab. 1 Atopische Minimalformen.

●Xerosis cutis ●Pityriasis alba ●Ohrrhagaden / -ekzem ●Perlèche (Mundwinkelrhagaden) ●Dyshidrosiformes Handekzem ●Pulpitis sicca (sog. Winterfuß) ●Mamillenekzem

Tab. 2 Atopische Stigmata.

●Dermographismus albus (weiße Hautzeichnung durch Vasokonst-riktion) ●palmare Hyperlinearität ●Hertoghe’sches Zeichen (Ausfall der seitlichen Augenbrauen) ●Dirty neck ●Keratosis pilaris ●Denni-Morgan-Falte (doppelte untere Lidfalte) ●periorbitale Verschattung ●pelzmützenförmiger Haaransatz ●Akrozyanose

State of the Art

7Kompendium Dermatologie 9. Jahrg. 2013, Nr. 1

KompDerm2013.indb 7 08.04.13 17:05

sehr gut geeignet. Entsprechend des Schweregrades kann UVB­ (Breit­ oder Schmalspektrum) oder UVA­Strahlung (in Kombination mit UVB, als Hochdosistherapie UVA1 oder als PUVA­Therapie) zur Anwendung kommen.

SchulungsmaßnahmenIn den letzten Jahren haben

Schulungsmaßnahmen zunehmend an Bedeutung gewonnen. Sie bilden neben der Bestimmung der Provo­kationsfaktoren und der sympto­matischen Therapie die 3. Säule der Behandlungsmaßnahmen. Es konnte gezeigt werden, dass geschulte Pa­tienten einen besseren Verlauf der atopischen Dermatitis aufweisen [6]. In den Schulungen werden neue Erkenntnisse aus den Bereichen Medi zin, Pädagogik, Psychologie und Ernährungswissenschaften in koor­dinierter Form an Hand des Kon­zeptes der Arbeitsgemeinschaft Neu­ro dermitis schulung e. V. (AGNES) den Patienten bzw. deren Angehö­rigen dargeboten. Bereits seit 2007 empfehlen die Spitzenverbände der Krankenkassen die Kostenübernah­me für Schulungsmaßnahmen für Kinder und Jugendliche sowie deren Eltern. Derzeit laufen Untersuchun­

Tab. 3 Stufenplan der Therapie entsprechend der S2-Leitlinie [5].

Stufe Klinik Therapie

Stufe 1 trockene Haut topische Basistherapie zur Hydratation der Haut mittels Emollientien

Stufe 2 leichte Ekzeme Stufe 1 + antipruriginöse und antiseptische Wirkstoffetopische Steroide der Klasse 1/2und / oder topische Calcineurin-Inhibitoren

Stufe 3 moderate Ekzeme Stufe 2 + topische Steroide (Klasse 2/3)und / oder topische Calcineurin-Inhibitoren

Stufe 4 peristierende, schwer ausgeprägte Ekzeme

Stufe 3 + systemische Therapien (Kurzzeitbehandlung mit Steroiden, Langzeittherapie mit Ciclosporin)

gen zur Wirksamkeit solcher Stu­dien an Erwachsenen. Die Ergeb­nisse und v. a. die Reaktionen der Krankenkassen werden gespannt er­wartet.

Literatur1. Fritsch P. Dermatologie Venerologie. 2.

Aufl. Berlin: Springer; 2004 2. Ring J. The History of Atopic Eczema / Der-

matitis. In: Ring J, Przybilla B, Ruzicka T, eds. Handbook of atopic eczema. 2nd ed. Berlin / Heidelberg / New York: Springer; 2006: 10–20

3. Zollner T, Boehncke WH, Kaufmann R, Hrsg. Atopische Dermatitis. Berlin / Wien: Blackwell, 2002

4. Matthys H, Seeger W, Hrsg. Klinische Pneumologie. 3. Aufl. Heidelberg / Berlin: Springer, 2001

5. Leitliniengruppe, Werfel T, Aberer W, Au-gustin M et al. Neurodermitis S2 Leitlinie. J Dtsch Dermatol Ges 2009; 7 (Suppl. 1): S1–S46

6. Kupfer J, Gieler U, Diepgen TL. Structured education program improves the coping with atopic dermatitis in children and their parents – a multicenter, randomized controlled trial. J Psychosom Res 2010; 68: 353–358

Korrespondenz:Dr. Christiane RödigerKlinik für Dermatologie und AllergologieUniversitätsklinikum JenaErfurter Str. 3507743 [email protected]

Seite 8Anzeige 1/3 hoch, links

Thieme.de

KompDerm2013.indb 8 08.04.13 17:05

www.thieme.de

Der offi zielleOnline-ShopDie komplette Thieme-Auswahl,auch bei Ihnen zu Hause.

Einfach aussuchen undbequem bestellen.

.de_55x248_4c 1 14.09.11 0

Sans titre-1 1 09/04/13 09:31

Akne – State of the ArtAikaterini I. Liakou, Prof. Dr. Christos C. Zouboulis, Dessau

Akne ist die häufigste dermatologi-sche Erkrankung und manifestiert sich mit verschiedenen klinischen Bildern und in unterschiedlichem Lebensalter jedoch überwiegend bei

ca. 70–95 % aller Jugendlichen im Alter von 15–18 Jahren. Akne-Läsionen

treten besonders im Gesicht und am oberen Stammbereich auf. Die Mehr-

zahl der Patienten weist nach der Pu-bertät eine spontane Rückbildung auf; in 10 % der Fälle persistiert allerdings die Erkrankung über das 25. Lebens-

jahr hinaus.

Akne wird abhängig vom klini­schen Bild, vom Alter des Auf­tretens und vom Schweregrad

klassifiziert (Tab. 1). Für die Patho­genese der Erkrankung wurden verschiedene Theorien entwickelt. Traditionell wird behauptet, dass Seborrhoe, gestörte follikuläre Diffe­renzierung mit verstärkter Verhor­nung, mikrobielle Hyperkolonisation und eine begleitende Entzündung zur Entstehung der Akne führen. Aktuelle Befunde stellen jedoch die Entzündung des Talgdrüsenfollikels in den Vordergrund und geben u. a. der genetischen Disposition sowie proinflammatorischen Lipiden im

Bild

: © O

cska

y Be

nce

/ Fot

olia

.com

Sebum eine pathogenetische Bedeu­tung. Auch die Entwicklung eines bakteriellen Biofilms und bakterielle Proteine, Neuropeptidsignalwege und bestimmte Ernährungsformen werden verdächtigt, zur Entstehung der Akne beizutragen.

In diesem Beitrag werden die verschiedenen therapeutischen Mög­lichkeiten und die therapeutischen Schemata nach den deutschen S2k­Leitlinien (Abb. 1) zusammengefasst.

Topische AntibiotikaEine topische antimikrobielle

Monotherapie ist nicht empfehlens­wert. Eine topische Therapie mit Anti biotika sollte nur bei leichter bis mittelschwerer Akne in Kombina­tionen mit topischen Retinoiden, Benzoylperoxid (BPO) oder Azelain­säure angewendet werden. Bei Frauen mit mittelschweren Formen der Akne wird zusätzlich die Kombina­tion mit systemischen hormonellen Antiandrogenen empfohlen. Kontra­indiziert sind Erythromyzin bei be­kannten Lebererkrankungen, Clin­damycin bei Schwangerschaft und Stillzeit sowie Tetrazykline bei Schwangerschaft, Stillzeit, schweren Leberfunktionsstörungen und Nie­reninsuffizienz. Die topische antimi­

Tab. 1 Klassifikation der Akne.

Nach dem klinischen Bild

●Acne comedonica ●Acne papulopustulosa ●Acne papulopustulosa / nodosa ●Acne conglobata ●Acne fulminans

Nach demAlter des Auftretens

●Acne neonatorum ●Acne infantum ●Acne praecox ●Acne vulgaris ●Acne tarda

Nach demSchwere-grad

● leichte Akne ●mittelschwere Akne ● schwere Akne

State of the Art

9Kompendium Dermatologie 9. Jahrg. 2013, Nr. 1

KompDerm2013.indb 9 08.04.13 17:05

Abb. 1 Therapie der Akne nach der deutschen S2k-Leitlinie. © 2010 Blackwell Verlag GmbH, Berlin [Nast A, Bayerl C, Borelli C et al. S2k-Leitlinie zur Therapie der Akne. J Dtsch Dermatol Ges 2010; 8 (Suppl. 2): S1–S59].

Therapiealgorithmus „Deutsche S2k-Akne-Leitlinie 2010“

leicht mittelschwer schwer

A. comedonica1,2 A. pap. pust.1 A. pap. pust.1 A. pap. pust. nodosa1,3

A. congoblata

1. Wahl top. Retinoid BT4,5

oderKombination der BT4

oderBT4 + top. AB

Kombination der BT4

oderBT4 + top. ABoder

orales AB + BT4

orales AB+ ein oder zwei BToder

orales AB+ Azelainsäure

orales AB+ BPO+ top. Retinoidoder

orales AB+ Azelainsäure

Alternativen Azelainsäure Azelainsäure(allein5, oder Kombi. mit top. BT / AB)

Azelainsäure + BToder

orales AB + Azelainsäure

orales Isotretinoin orales Isotretinoin

Bei Frauen siehe oben siehe oben orales antiandrogenes Kontrazeptivum+ siehe 1. Wahl

orales antiandroge-nes Kontrazeptivum+ siehe 1. Wahl

orales antiandroge-nes Kontrazeptivum+ siehe 1. Wahl

Im Falle von Schwanger- schaft

Azelainsäure Azelainsäure + BPOoder

top. Erythromyzin + BPO

orales Erythromyzin+ Azelainsäureoder

+ BPO

orales Erythromyzin+ Azelainsäure+ BPO

orales Erythromyzin+ Azelainsäure + BPOevt. orales Predni-solon kurzfristig

Erhaltungs- therapie

top. Retinoid top. Retinoid top. Retinoid + BPO

1 zusätzlich mechan. Komedonenentfernung;2 bei starker Ausprägung kann eine A. comedonica auch als eine mittelgradige bzw. schwere Akne bewertet werden;3 A. pap. pust. mit Knötchen (0,5–1 cm); 4 Basistherapeutikum = topisches Retinoid oder Benzoylperoxid (BPO);5 bei leichten Formen; BT = Basistherapeutikum; AB = Antibiotikum; top. = topisch

krobielle Therapie wird 1–2­mal täglich angewendet und sollte 2–12 Wochen dauern. Eine längere Be­handlung ist nicht sinnvoll, da keine deutliche Besserung des erzielten therapeutischen Ergebnisses zu er­warten ist. Auch die erhöhte Prä­valenz von Resistenzbildung von P. acnes gegenüber dem applizierten Antibiotikum spricht gegen eine län­gere Therapiedauer.

Benzoylperoxid (BPO)Eine topische Therapie mit BPO

wird bei leichter Acne papulopus­tulosa als Basistherapie empfohlen. Bei mittelschweren und schweren Akneformen ist eine Kombination

mit topischen Retinoiden, Antibio­tika, Azelainsäure und / oder syste­mischen Antibiotika angeraten. Eine bekannte Sensibilisierung gegen BPO ist die einzige Anwendungsein­schränkung. BPO wird 1–2­mal täg­lich appliziert und sollte über einen Zeitraum von 8–12 Wochen ange­wendet werden.

Topische RetinoideEine topische Therapie mit Reti­

noiden wird bei Acne comedonica und leichter Acne papulopustulosa als Basistherapie (Adapalen > Isotre­tinoin, Tretinoin), bei mittelschwe­ren und schweren Akneformen mit bzw. in topischen Kombinationen

mit BPO, Antibiotika, Azelainsäure und / oder systemischen Antibiotika empfohlen. Die wesentlichen Kontra­indikationen sind, wegen des dosis­unabhängigen teratogenen Risikos, Schwangerschaft und Stillzeit. Für topische Retinoide wird eine externe Anwendung von 1–2­mal täglich empfohlen, die Therapiedauer be­trägt meistens 8–12 Wochen. Die fixe Kombination aus Adapalen und BPO kann bis zu 12 Monaten lang angewendet werden.

AzelainsäureEine topische Therapie mit Az­

elain säure kann bei Acne comedonica und leichter Acne papulopustulosa

State of the Art

10 Kompendium Dermatologie 9. Jahrg. 2013, Nr. 1

KompDerm2013.indb 10 08.04.13 17:05

bzw. bei mittelschweren und schwe­ren Akneformen in Kombinationen mit BPO, Antibiotika, Retinoiden und / oder systemischen Antibiotika empfohlen werden. Die topische Therapie mit Azelainsäure wird 2­mal täglich appliziert und soll län­ger als 12 Wochen dauern.

Systemische AntibiotikaEine systemische Therapie mit

Antibiotika (Doxyzyklin > Minozyklin, Tetrazyklin) wird bei mittelschwerer bis schwerer entzündlicher Akne als Basistherapie sowie bei jeder Form entzündlicher Akne empfohlen, die nicht ausreichend auf eine topische Therapie anspricht. Systemische An­tibiotika werden nicht als Monothe­rapie empfohlen, sondern in Kombi­nation mit topischen Retinoiden, BPO, Azelainsäure und bei Frauen mit oralen hormonellen Antiandro­genen. Die täglichen Dosisempfeh­lungen sind in Tab. 2 aufgelistet.

Die Therapiedauer liegt bei 1–3 Monaten. Wenn keine Lebervorer­krankung besteht, sind Laborkont­rollen während dieser kurzen Anti­biotikatherapie nicht erforderlich. Je nach Jahreszeit und individueller UV­Exposition ist bei Doxyzyklin, Minozyklin und Tetrazyklinen ein Lichtschutz gegen UVA­Strahlung erforderlich.

Systemische RetinoideEine systemische Therapie mit

Isotretinoin wird als Basistherapie bei schwerer Akne (Acne papulopus­tulosa / nodosa oder conglobata) emp­fohlen, die nicht auf topische und systemische Antibiotikatherapie an­spricht. Die Tagesdosisempfehlung liegt bei Acne papulopustulosa / no­

dosa bei mindestens 0,3 mg/kg KG als Initialdosis und bei Acne conglo­bata bei mindestens 0,5 mg/kg KG. Die Therapiedauer beträgt bei der oben genannten Tagesdosis mindes­tens 6 Monate. Zu Beginn der Thera­pie, einen Monat nach Therapiebe­ginn und alle 3 Monate während der Therapie sollen die Leberenzyme und die Fettwerte (Cholesterin, Tri­glyzeride) im Serum überprüft werden. Frauen im gebärfähigen Alter müssen vor der Isotretinoin­therapie eine Einverständniserklä­rung unterschreiben. Ein Schwan­gerschaftstest muss 2­mal vor, jeden Monat während der Therapie und 5 Wochen nach dem Therapieende durchgeführt werden.

Hormonelle antiandrogene TherapieDie hormonelle antiandrogene

Therapie (Ethinylestradiol in Kombi­nation mit Cyproteronacetat, Chlor­madinonacetat, Dienogest, Desoges­trel, Drospirenon) wird nicht als primäre Monotherapie einer un­komplizierten Akne empfohlen. Sie wird bei weiblichen Patienten mit mittelschwerer Acne papulopustu­losa bis Acne conglobata und bei jungen Frauen im reproduktiven Alter mit Zeichen eines peripheren

Hyperandrogenismus mit / ohne Hy­perandrogenämie empfohlen. Auch bei Frauen mit Acne tarda als Zei­chen eines peripheren Hyperandro­genismus, bei erwachsenen Frauen mit persistierender Akne trotz durchgeführter klassischer Therapie und bei Patientinnen mit SAHA­Syn­drom (Seborrhoe, Akne, Hirsutis­mus, androgenetische Alopezie) wird diese Therapie ebenfalls emp­fohlen. Ein erhöhtes Thrombophi­lierisiko ist bei der Einleitung einer Therapie mit hormonellen Antian­drogenen zu berücksichtigen; die Therapie sollte mindestens 12 Mo­nate dauern.

GlukokortikoideSystemische Glukokortikoide

werden für den standardmäßigen Einsatz bei Akne nicht empfohlen, sondern nur in Sonderfällen wie z. B. bei systemischen entzündlichen Komplikationen (z. B. Acne fulmi­nans) oder bei Exazerbation unter systemischer Isotretinointherapie.

Zusammenfassend ist Akne eine komplizierte dermatologische Er­krankung mit multifaktorieller Pa­thogenese und verschiedenen The­rapiemöglichkeiten, die heute vom Dermatologen evidenzbasiert einge­setzt werden sollten.

Korrespondenz:Prof. Dr. Christos C. ZouboulisKlinik für Dermatologie, Venerologie, Allergologie Immunologisches Zentrum Städtisches Klinikum DessauAuenweg 3806847 [email protected]

Tab. 2 Dosierung bei systemischer Antibiotikagabe.

Antibiotikum Dosierung

Doxyzyklin 2 × 50 mg bzw. 1 × 100 mg

Minozyklin 2 × 50 mg

Tetrazyklin-HCl 2 × 500 mg

Erythromyzin 2 × 500 mg

State of the Art

11Kompendium Dermatologie 9. Jahrg. 2013, Nr. 1

KompDerm2013.indb 11 08.04.13 17:05

Dermatologische Onkologie – State of the ArtDr. Dirk Debus, Nürnberg

Die Zulassungen von Ipilimumab im Juli 2011 und Vemurafenib im Februar 2012 haben die Therapie des metas-

tasierten Melanoms maßgeblich verändert. Insbesondere auf den Jah-

reskongressen von ASCO und ESMO wurden im Jahr 2012 vielverspre-

chende Studienergebnisse weiterer Substanzen präsentiert, die das the-

rapeutische Arsenal erweitern und die Überlebensrate der Patienten

hoffentlich noch weiter verlängern werden. Aufgrund der zahlreichen Neuentwicklungen beim Melanom

fokussiert die vorliegende Übersichts-arbeit auf ebendiese. Zusätzlich wer-

den therapeutische Neuerungen beim Basalzellkarzinom und bei den akti-nischen Präkanzerosen besprochen.

Zielgerichtete Therapie beim MelanomVemurafenib (BRIM-3-Update)In einem Daten­Update der Zu­

lassungsstudie Vemurafenib vs. Da­carbazin [1] bestätigte sich der deut­liche Vorteil für Vemurafenib, einen Inhibitor des Protoonkogens BRAF, für das mediane progressionsfreie Überleben (PFS: progression free survival, 6,9 vs. 1,6 Monate; Hazard Ratio [HR] 0,38). Aufgrund der aus­reichend langen Nachbeobachtung konnte dieser nun auch für das me­diane Gesamtüberleben (OS: overall survival, 13,6 vs. 9,7 Monate; HR 0,70) gezeigt werden. Die Gesamtan­sprechrate (ORR: overall response rate; Summe aus kompletter und partieller Remission) betrug 57 % unter Vemurafenib vs. 8,6 % unter Dacarbazin. Im Sicherheitsprofil er­gaben sich keine wesentlichen neu­en Erkenntnisse.

Dabrafenib (BREAK-3)Dieser weitere BRAF­Inhibitor

wurde in einer Phase­III­Studie [2] first­line gegen Dacarbazin getestet. Es wurden 250 Patienten einge­schlossen und 3:1 in die Behand­lungsarme Dabrafenib 150 mg 2­mal täglich peroral vs. Dacarbazin 1000 mg i. v. alle 3 Wochen randomi­siert. Bei Progress unter Dacarbazin war ein Crossover erlaubt. Es zeigte sich ein medianes PFS von 6,7 vs. 2,9 Monaten in der unabhängigen Beur­Bild: © Benice / Fotolia.com

teilung (HR 0,30). Die ORR lag bei 50 % vs. 6 %. An schwerwiegenden Nebenwirkungen (Grad 3–4 nach CTCAE) traten unter Dabrafenib ins­besondere Plattenepithelkarzino­me / Keratoakanthome (5 %) und Fie­ber (4 %) auf. Bei nur 3 % der mit Da­brafenib behandelten Patienten musste die Therapie abgebrochen werden. Dabrafenib konnte somit nach Vemurafenib als zweiter BRAF­Inhibitor eine sehr gute Wirksam­keit und Verträglichkeit zeigen. Da­ten zum medianen Gesamtüberle­ben stehen allerdings aus.

Trametinib (METRIC)In vorausgegangenen Studien

konnte auch die Inhibition der Pro­teinkinase MEK (im MAP­Kinase­Si­gnalweg dem BRAF­Molekül nach­gelagert) bei BRAF­mutierten meta­stasierten Melanomen vielverspre­chende Ergebnisse zeigen. Erstmals wurde der MEK­Inhibitor Trameti­nib nun in einer Phase­III­Studie [3] ebenfalls first­line gegen eine Che­motherapie mit Dacarbazin oder Pa­clitaxel getestet. Es wurden 322 Pa­tienten eingeschlossen und 2:1 ran­domisiert, bei Progress unter Chemo­therapie war ein Crossover möglich. Das mediane PFS betrug 4,8 vs. 1,5 Monate (HR 0,45), die ORR lag bei 78 % (Trametinib) vs. 39 % unter Che­motherapie.

Das mediane OS konnte aufgrund der kurzen Nachbeobachtungszeit

State of the Art

12 Kompendium Dermatologie 9. Jahrg. 2013, Nr. 1

KompDerm2013.indb 12 08.04.13 17:05

noch nicht ermittelt werden. Nach 6 Monaten unter Trametinib waren noch 74 %, unter Chemotherapie nur noch 56 % der Patienten am Leben (HR 0,54), obwohl 47 % der Chemo­therapie­Gruppe nach Progress in den Trametinib­Arm wechselten.

Die häufigste und dosislimitie­rende Nebenwirkung waren aknei­forme Hautveränderungen. Schwer­wiegende Nebenwirkungen unter Trametinib waren v. a. arterielle Hy­pertonie (12 %), Hautausschläge (8 %) und Fatigue (4 %). Beobachtet wur­den außerdem eine Abnahme der linksventrikulären Ejektionsfraktion (7 %) und eine Chorioretinopathie (< 1 %) unter MEK­Inhibition. Inter­essanterweise wurde die Entwick­lung von Plattenepithelkarzinomen nicht beobachtet.

Kombination von BRAF- und MEK-InhibitorenAufgrund verschiedener Resis­

tenzmechanismen (vgl. Abb. 1) kommt es bei BRAF­Inhibitoren nach einigen Monaten häufig zum Wirk­verlust. Die additive MEK­Blockade

zur Vermeidung bzw. Verzögerung dieser Resistenz und die verstärkte Blockade des Signalwegs stellt die Rationale zur Kombination von BRAF­ und MEK­Inhibitoren dar.

Dabrafenib/TrametinibDie Kombination aus den BRAF­

und MEK­Inhibitoren Dabrafenib und Trametinib hat in einer Phase­I/II­Studie [4, 5] vielversprechende Er­gebnisse erbracht, was die Rate und Dauer des Ansprechens und das Ne­benwirkungsprofil angeht. In der Dosierung Dabrafenib 150 mg 2­mal täglich und Trametinib 2 mg 1­mal täglich konnte ein PFS von 9,4 Mona­ten vs. 5,8 Monaten unter Dabrafe­nib­Monotherapie erreicht werden (HR 0,39). Das mediane Gesamt­überleben war im Oktober 2012 noch nicht erreicht. Nach 12 Mona­ten lebten jedoch noch 79 % der Pa­tienten im Kombinationsarm vs. 70 % unter Dabrafenib. Die objektive Ansprechrate betrug 76 % vs. 54 %, die mittlere Ansprechdauer 10,5 vs. 5,6 Monate. Diese gute Wirksamkeit war nicht mit stärkeren Nebenwir­

kungen verbunden, im Gegenteil war die Kombinationstherapie sogar besser verträglich. Insbesondere se­kundäre Hauttumoren traten selte­ner auf als unter Dabrafenib­Mono­therapie: Plattenepithelkarzinome (7 % vs. 19 %), Papillome (4 % vs. 15 %), Hyperkeratosen (9 % vs. 30 %). Dage­gen waren Fieber und Schüttelfrost, Neutropenie oder Hyponatriämie im Kombinationsarm häufiger. Akneifor­me Hautveränderungen mit Grad 3–4 traten unter der Kombinationsthera­pie gar nicht auf. Inzwischen sind 2 Phase­III­Studien mit dieser Kombi­nationstherapie angelaufen, die Stu­die COMBI­d (vs. Dabrafenib mono­therapeutisch) ist bereits vollständig rekrutiert, die COMBI­v (vs. Vemura­fenib) wurde kürzlich initiiert.

Vemurafenib/GDC-0973In einer Phase­Ib­Dosisfindungs­

studie [6] mit der Kombination der BRAF­ und MEK­Inhibitoren Vemu­rafenib und GDC­0973 bei 44 Patien­ten mit BRAF­mutiertem Melanom wurden zunächst in 10 Kohorten verschiedene Dosierungen und Ver­abreichungsintervalle getestet. Die häufigsten Nebenwirkungen (alle Grade) waren Durchfälle (54,5 %), ku­tane Nebenwirkungen (50 %), Übelkeit (38,6 %), Fatigue / Schwäche (34,1 %), Transaminasenanstieg (25 %) und Photosensitivität (25 %). Die weitere Untersuchung wurde mit 2 Dosie­rungen durchgeführt: Vemurafenib 720 mg bzw. 960 mg 2­mal täglich und GDC­0973 60 mg 1­mal täglich – 21 Tage on / 7 Tage off. Präliminäre Daten zeigen bei den bisher evaluier­baren Patienten eine Tumorverklei­nerung.

ImmuntherapieNach langen Jahren des Stillstands

erlebt die Immuntherapie beim meta­stasierten Melanom aktuell eine Re­naissance. Für Ipilimumab liegen in­zwischen längere Nachbeobachtungs­daten vor, für ein weiteres Wirkprin­zip, die Blockade des PD­1­Signals (programmed death­1), wurden 2012 vielversprechende Daten vorgestellt.

Abb. 1 Unter BRAF-Inhibition führen Mutationen im Protoonkogen RAS oder im MEK-Gen sowie eine Überexpression von COT zu einer MEK-abhängigen Tumorprogression. Daneben existieren MEK-unabhängige Resistenzmecha-nismen wie der Verlust des Tumorsuppressors PTEN mit einer resultierenden Überaktivierung des PI3K-AKT-Signalwegs.

Bild

: © K

irste

n Bo

chm

ann

PTEN: Phosphatase and Tensin Homolog

PI3K: Phosphoinositid-3-Kinase AKT3: v-Akt murine Thymoma viral

Oncogene Homolog 3 MEK: MAP- / ERK-Kinase RAS: Rat Sarcoma COT: Cancer Osaka Thyroid BRAF: v-Raf murine Sarcoma viral

Oncogene Homolog B1 ERK: Extracellular-signal regulated

Kinase : Mutationen

State of the Art

13Kompendium Dermatologie 9. Jahrg. 2013, Nr. 1

KompDerm2013.indb 13 08.04.13 17:05

IpilimumabDas 4­Jahres­Update der Phase­

III­Studie CA184­024 [7], welche bei nicht vorbehandelten Patienten (Da­carbazin + Ipilimumab 10 mg / kg KG vs. Dacarbazin alleine) eine statis­tisch signifikante mediane Überle­bensverlängerung nachwies, zeigte nun eine Überlebensrate von 19 % im Vergleich zu 9,6 % unter alleiniger Chemotherapie (HR 0,72). Die Zuga­be von Ipilimumab konnte also das 4­Jahres­Überleben verdoppeln und macht Hoffnung auf ein Langzeit­überleben.

PD-1-Antikörper BMS-936558Die Blockade von PD­1, einem von

T­Zellen exprimierten inhibierenden Rezeptor, kann die Immunresistenz von Tumorzellen überwinden. Der PD­1­Antikörper BMS­936558 zeigte in einer Phase­I­Studie [8, 9] den Nachweis einer klinischen Wirk­samkeit für das fortgeschrittene Me­lanom und ein milderes Toxizitäts­profil als Ipilimumab. Ein objektives Ansprechen wurde in allen Dosis­kohorten (0,1–10 mg/kg) beobach­tet, das PFS der Patienten lag nach 24 Monaten bei 42 %. Grad 3–4 Neben­wirkungen traten in 21 % auf, insbe­sondere Lymphopenie, Fatigue, Diar­rhoe, Bauchschmerzen und Lipase­anstieg. Die bisherigen Daten spre­chen dafür, dass die PD­1­Expression in vortherapeutisch entnommenen Tumorproben mit dem klinischen Outcome deutlich korreliert. Somit wäre (bei bioptisch zugänglichen Metastasen) ein prädiktiver thera­peutischer Marker verfügbar, was im Vergleich zu Ipilimumab einen wichtigen Fortschritt darstellt. Eine Phase­III­Studie [10] mit BMS­936558 first­line gegen Dacarbazin wird aktuell initiiert, auch 8 deut­sche Zentren nehmen an der welt­weiten Studie teil.

PD-L1-Antikörper BMS-936559In einer weiteren Phase­I­Studie

[11] mit dem Antikörper BMS­

936559 gegen PD­Ligand­1 ergaben sich ebenfalls ermutigende Resultate, bei 9 von 52 Melanompatienten zeig­te sich ein objektives Ansprechen.

PD­1­Antikörper anderer Phar­mahersteller befinden sich ebenfalls in der klinischen Erprobung. Auf­grund der unterschiedlichen An­griffspunkte in der zellulären Im­munantwort sind auch Kombinati­onstherapien zwischen CTLA­4­ und PD­1­Inhibitoren (CTLA­4: Cytotoxic T­lymphocytic Antigen 4) bereits Gegenstand klinischer Stu dien in der Hoffnung, synergistische Effekte erzielen zu können.

AusblickWeitere Studien, auch Kombina­

tionen zwischen zielgerichteter The­rapie und Immuntherapie sowie Kombinationen mit Chemotherapie werden folgen. Chemotherapien werden insbesondere für Patienten mit BRAF­Wildtyp (50–60 % der me­tastasierten Melanome) weiterhin eine Rolle spielen. Gerade für diese Patientengruppe ist die Entwicklung weiterer Therapieoptionen wie z. B. der metronomischen Chemothera­pie oder Multikinaseinhibitoren von großer Bedeutung.

Die Auswahl der verschiedenen Behandlungsoptionen wird uns dem Ziel der individualisierten Therapie weiter näherbringen und uns gleich­zeitig vor die Herausforderung stel­len, geeignete Therapiealgorithmen zu entwickeln.

S3-LeitlinieHierzu bietet die erste S3­Leit linie

zu „Diagnostik, Therapie und Nach­sorge des Melanoms“ Unterstüt­zung, die im Januar 2013 erschienen ist. Die Leitlinie kann auf der jeweili­gen Homepage der Arbeitsgemein­schaft Dermatologische Onkologie (ADO) sowie der Arbeitsgemein­schaft der Wissenschaftlichen Medi­zinischen Fachgesellschaften (AWMF) eingesehen werden [12].

BasalzellkarzinomAktuell kann bei Patienten mit

inoperablen, fortgeschrittenen oder metastasierten Basalzellkarzinomen, bei denen eine Strahlentherapie er­folglos war oder kontra indiziert ist, in einem Expanded­ Access­Pro­gramm der Smoothened­Inhibitor Vismodegib eingesetzt werden. Für das zweite Quartal 2013 wird mit der Zulassung auch in Europa gerechnet, nachdem die Zulassung in den USA bereits im Januar 2012 erfolgte.

Ein weiterer Smoothened­Inhi­bitor, Erismodegib, wird derzeit in einer Phase­II­Studie (BOLT) geprüft.

Aktinische KeratoseÜber die Zulassung von Ingen­

olmebutat in den USA im Januar 2012 sowie über Wirkmechanismus und Wirksamkeitsdaten des Wolfs­milch­Extraktes wurde bereits im letzt jährigen Kompendium Derma­tologie berichtet. Die Ergebnisse der 4 zur Zulassung führenden Studien wurden im März 2012 im New Eng­land Journal of Medicine veröffent­licht [13]. Im November 2012 wurde das Präparat zur topischen Behand­lung nicht hyperkeratotischer, nicht hypertropher aktinischer Keratosen bei Erwachsenen auch in Europa zu­gelassen. Läsionen an Gesicht und Kopfhaut werden 1­mal täglich an 3 aufeinanderfolgenden Tagen mit ei­ner Konzentration von 150 µg/g be­handelt, Areale am Stamm und den Ex tremi täten für nur 2 Tage, dafür mit einer höheren Konzentration von 500 µg/g. Die Nebenwirkungen bestehen aus lokalen Hautreaktionen, welche innerhalb von 2–4 Wochen abheilen.

Literatur beim Autor.

Korrespondenz:Dr. Dirk Debus Hautklinik, Klinikum Nürnberg Prof.-Ernst-Nathan-Straße 1 90419 Nürnberg [email protected]

State of the Art

14 Kompendium Dermatologie 9. Jahrg. 2013, Nr. 1

KompDerm2013.indb 14 08.04.13 17:05

Therapie aktinischer Keratosen

Vielfältige Behandlungsoptionen erfordern praktikable TherapiealgorithmenAktinische Keratosen (AK) stellen mittlerweile eines der häufigsten Krankheits-bilder in der dermatologischen Praxis dar und repräsentieren mit weitem Abstand das häufigste dermatoonkologische Problem. Jüngste Untersuchungen zeigen, dass in Deutschland die Prävalenz aktinischer Keratosen in der Alters-gruppe der 60–70-Jährigen bei 11,5 % liegt; insgesamt wird geschätzt, dass jährlich ca. 1,7 Millionen aktinische Keratosen in Deutschland diagnostiziert werden. Für diese Entwicklung müssen eine steigende Lebenserwartung und veränderte Freizeitgewohnheiten mit hoher kumulativer ultravioletter Belastung verantwortlich gemacht werden. Die Therapie aktinischer Keratosen in der dermatologischen Praxis weist in Anbetracht der vielen zur Verfügung stehenden verschiedenen Therapieverfahren eine hohe Variabilität auf. Die Therapieent-scheidung hängt von persönlichen Erfahrungen und Vorlieben der Dermatologen, technischen Voraussetzungen in der Praxis sowie der persönlichen Situation und den Wünschen der Patienten ab.

Wurden AK lange Zeit als mehr oder minder kosmetisches

Problem angesehen, hat sich seit ca. 10 Jahren eine pathogenetische Sicht etabliert, die AK als (frühes) in­situ Plattenepithelkarzinom der Haut mit einem Entwicklungskontinuum in Richtung eines invasiven Tumorge­schehens interpretiert. 60 % aller ku­tanen invasiven Plattenepithelkarzi­nome entstehen auf dem Boden prä­existenter AK und es wird geschätzt, dass 6–16 % aller AK binnen 10 Jah­ren in ein invasives Plattenepithel­karzinom übergehen. Besondere Auf­merksamkeit muss dabei immun­supprimierten Patienten zukommen (z. B. Organtransplantierten), da in dieser Gruppe etwa 30 % der AK in invasive Plattenepithelkarzinome übergehen und Hautkrebs allmäh­lich zur häufigsten Todesursache or­gantransplantierter Menschen wird. Des Weiteren wird das Risiko der Tu­morprogression durch hyperkerato­tisches Wachstum und disseminier­te Ausdehnung von AK erhöht. Es lässt sich bislang hingegen nicht ge­nau vorhersagen, welche AK an wel­cher Lokalisation in welchem Zeit­raum einen Tumorprogress aufweisen wird. Deshalb muss eine möglichst frühzeitige und effektive Behand­lung aller AK angestrebt werden. AK sind damit auch zu einer relevanten

gesundheitsökonomischen Größe geworden.

AK lassen sich heute sehr varia­bel unterteilen (Tab. 1). Der Stellen­wert derartiger Einteilungen im kli­nischen Alltag besitzt jedoch nur

Tab. 1 Mögliche Einteilungen aktinischer Keratosen.

Histologische Klassifikation (I) ● hyperkeratotische AK ● atrophe AK ● akantholytische AK ● bowenoide AK ● pigmentierte AK

Histologische Klassifikation (II) nach Röwert-Huber et al., Br J Dermatol 2007; 156 (Suppl. 3): 8–12

● AK I (early in situ-SCC Typ AKI) ● AK II (early in situ-SCC Typ AK II) ● AK III (in situ SCC Typ AK III)

Klinische Klassifikation (I) ● atrophe AK ● hypertrophe AK ● lichenoide AK ● pigmentierte AK ● Cornu cutaneum-artige AK

Klinische Klassifikation (II) nach Olsen et al. J Am Acad Dermatol 1991; 24: 738–743

● Olsen °I ● Olsen °II ● Olsen °III

Klassifikation nach Lokalisationen ● Kopfhaut ● Gesicht ● Ohren ● Lippen ● Dekolleté ● Hände / Arme ● Beine

Klassifikation nach Mutationsstatus ● p-53 ● p16 ● BCL-2 ● PTCH ● ras

eine begrenzte Aussagekraft hin­sichtlich klinischer Parameter wie Progression, Rezidivverhalten und Ansprechen auf verschiedene Thera­piemodalitäten.

TherapieverfahrenDie Etablierung von Therapieal­

gorithmen, die die verschiedenen klinischen Formen, Ausprägungen und Ausdehnungstypen aktinischer Keratosen mit den heute zur Verfü­gung stehenden Behandlungsmoda­litäten sinnvoll verknüpfen, könnte zur Vereinheitlichung und besseren Vergleichbarkeit der Therapie bei­tragen.

Unter klinischen Gesichtspunk­ten muss ein derartiger Algorithmus leicht im praktischen Alltag umsetz­bar sein. Es hat sich deshalb grund­sätzlich bewährt, isolierte, einzelne AK (sogenannte „Läsionen“) von einer flächigen Ausdehnung (so ge­nanntes „Feld“) zu unterscheiden. In diesem Zusammenhang wurde auch

Aktinische Keratosen

15Kompendium Dermatologie 9. Jahrg. 2013, Nr. 1

KompDerm2013.indb 15 08.04.13 17:05

Abb. 1 a) Aktinische Keratose im Bereich der Stirn. Olsen III°, histologisch AK II.b) Optische Kohärenztomographie der Aktinischen Keratose. Deutliche Hyperkeratose der AK im rechten Bildabschnitt erkennbar, normale Epidermis im linken Bildausschnitt.

der Begriff der „Feldkanzerisierung“ eingeführt.

Einzelne Läsionen werden mit läsionsgerichteten Therapien („lesion directed“), Felder mit feldgerichte­ten Therapien („field directed“) be­handelt. Diese einfache Einteilung besitzt jedoch deutliche Unschärfen und erlaubt nicht ohne Weiteres eine Zuordnung jeder klinischen Situation.

Läsionsgerichtete Therapie Für Einzelläsionen stehen läsions­

gerichtete Therapien zur Verfügung. AK mit ausgeprägter Hyperkeratose (Olsen Grad III) können per Exzision, Kürettage oder Laserablation behan­delt werden (Abb. 1). Alle anderen Therapiemodalitäten erfordern zu­nächst eine keratolytische Vorbe­handlung; für die Indikation AK zu­

gelassene Arzneimittel besitzen eine Anwendungsbeschränkung auf AK, Olsen Grad I und II (Alacare®­Pflaster: nur Olsen Grad I).

Der Therapieeffekt sollte spätes­tens 6 Wochen nach Therapieende überprüft werden. Im Falle einer Abhei lung („complete response“) er­folgen Kontrolluntersuchungen in 6­monatigen Intervallen. Bei Rezidi­ven oder partieller Abheilung („par­tial response“) kann die gewählte Therapie wiederholt oder eine andere geeignete läsionsgerichtete Therapie eingesetzt werden. Im Falle von Frührezidiven (Rezidiv nach < 6 Wo­chen) oder eines fehlenden thera­peutischen Ansprechens („no res­ponse“), muss ein anderes Therapie­verfahren oder eine Kombinations­therapie (ggf. auch eine Kombination

mit einer feldgerichtete Therapie) gewählt werden.

Treten unter Therapie neue Lä­sionen auf, wird die Durchführung einer feldgerichtete Therapie emp­fohlen.

Feldgerichtete TherapieMultiple Einzelläsionen oder

eine sogenannte „Feldkanzerisierung“ erfordern eine feldgerichtete Thera­pie. Auch hier gilt, dass hyperkera­totische Läsionen vom Typ Olsen III zunächst keratolytisch vorbehandelt werden müssen. Therapieeffekte sollten gleichsam spätestens 6 Wo­chen nach Therapieende beurteilt werden. „Partial response“, und Re­zidive erfordern die Therapiewie­derholung oder den Therapiewech­sel. Frührezidive und „no response“ erfordern den Therapiewechsel oder die Kombinationstherapie.

Bestehen nach erfolgter feldge­richteter Therapie noch Einzelläsio­nen, so können diese mittels einer läsionsgerichteten Therapie behan­delt werden.

Hochrisiko-PatientenBesondere Bedeutung kommt

Hochrisiko­Patienten zu, die immu­nologisch kompromittiert sind, z. B. Organtransplantierten, Rheumapa­tienten oder Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Das besondere Risiko dieser Patien­tengruppe, Plattenepithelkarzinome zu entwickeln, erfordert zukünftig neue Therapiestrategien. Unter an­derem ist eine proaktive Therapie der Hautpartien denkbar, auf denen sich verstärkt AK bilden. Die Vorstel­

Tab. 2 Läsionsgerichtete Therapien.

Therapieverfahren (läsionsgerichtet)

Bemerkungen

Kryotherapie ● weit verbreitet ● meistens im offenen Sprayverfahren eingesetzt ● sehr variable Abheilquoten publiziert (32 %–88 %) ● schlecht standardisiertes Verfahren im Hinblick auf Gefrierzeit, Gefrier- und Auftauzyklus

Lasertherapie ● CO2- und Erbiumlaser ● schwache Studienlage, geringe Vergleichbarkeit der Studien

0,5 % 5-FU, 10 % Salizyl-säure (Actikerall®)

● leicht bis moderat hyperkeratotische Einzel-läsionen (Olsen Grad I und II) ● histologische Clearance nach 12 Wochen Therapie und 8 Wochen Nachbeobachtungszeit: 72 %

Pflaster-Fotodynamische Therapie (PDT) (Alacare®)

● für bis zu 6 Einzelläsionen ● Beschränkung auf leicht hyperkeratotische Läsionen (Olsen Grad I) ● Abheilquote: 62 % (Studie AK 3) / 67 % (Studie AK 4)

a b

Bilder: © Prof. Dr. Thomas Dirschka, Wuppertal

Aktinische Keratosen

16 Kompendium Dermatologie 9. Jahrg. 2013, Nr. 1

KompDerm2013.indb 16 08.04.13 17:05

lung, dass bei diesen Patienten nach klinischer Abheilung subklinische AK einen besonderen Risikofaktor darstellen, erfordert wiederholte Behand lungen auch dann, wenn keine klinischen Zeichen für AK be­stehen.

LichtschutzberatungDas Risiko für die Entstehung

von AK wird wesentlich von der ku­mulativen ultravioletten Strahlung bestimmt. Ein Schutz vor UV­Strah­lung durch eine adaptierte Licht­schutzberatung in der dermatologi­schen Praxis bildet deshalb einen entscheidenden Faktor des Behand­lungserfolgs. Dabei ist das Zusam­menwirken von UV­Vermeidung, textilem und topischem Lichtschutz sowie zunehmend oralem Licht­schutz wichtig. Das ärztliche Ge­spräch mit den Patienten verfolgt dabei u. a. das Ziel, die für den einzel­nen Patienten am besten angepasste Therapie auszuwählen. Darüber hin­aus soll es auch das Verständnis zur Entstehung von AK und damit die Einsicht in erforderliche, mitunter vielschichtige Therapie­ und Präven­tionsmaßnahmen stärken.

KombinationsbehandlungenDa AK in zunehmendem Maße

als chronischer Prozess angesehen werden, ist das Ziel der Behandlung, eine möglichst lange Erscheinungs­freiheit oder „time­to­relapse“ zu erreichen. Sinnvoll erscheinen in speziellen klinische Situationen (z. B. „early relapse“ oder „partial respon­se“) Kombinationstherapien, um das

Tab. 3 Feldgerichtete Therapien.

Therapieverfahren (feldgerichtet)

Bemerkungen

3 % Diclofenac, 2,5 % Hyaluronsäure (Solaraze®)

● keine Begrenzung der Behandlungsfläche ● histologische Clearance nach 12 Wochen Therapie und 8 Wochen Nachbeobachtungszeit: 59,1 %, ● histologisches „Down-grading“ bestehender AK unter Therapie

Imiquimod 3,75 % (Zyclara®)

● keine Begrenzung der Behandlungsfläche ● Abheilquote: 25,9–45,6 %

Imiquimod 5 % (Aldara®)

● Begrenzung der Behandlungsfläche auf 25 cm2

● starke Lokalreaktionen möglich ● Abheilquote: ca. 55 %

5-Fluorourazil (Efudix®)

● starke Lokalreaktion möglich ● sehr selten toxische Agranulozytose möglich ● Abheilquote in Publikationen sehr variabel: 30–84 %

Ingenol-Mebutat (Picato®)

● Begrenzung der Therapiefläche auf 25 cm2 pro Behandlungstag ● Kurzzeittherapie aktinischer Keratosen ● starke Lokalreaktion ● Abheilquote in Gesicht und auf Kopfhaut: 42,2 %

Fotodynamische Therapie (PDT) mit ALA / Methyl-ALA (Ameluz® / Metvix®)

● starke Schmerzen unter der Behandlung möglich ● entzündliche Abheilreaktion für 1–2 Wochen ● Abheilquote in Gesicht und auf Kopfhaut: 85 % (Ameluz®); 68 % (Metvix®)

rezidivfreie Intervall zu verlängern bzw. die Wirksamkeit der Therapie zu erhöhen. Leider liegen zu solchen Kombinationstherapien bislang nur wenige klinische Daten vor.

FazitAK werden zukünftig eine noch

größere Rolle im Alltag des Derma­tologen spielen. Die präzise Beschrei­bung klinischer Formen, Ausdeh­nungen, Lokalisationen und letztlich auch des Rezidivverhaltens und des immunologischen Status des Patien­ten (z. B. Immunsuppression bei Or­gantransplantierten) muss durch

praktikable Therapiealgorithmen den inzwischen vielfältigen Behandlungs­optionen zugeordnet werden.

Prof. Dr. Thomas Dirschka, WuppertalDr. Lutz Schmitz, Wuppertal

Literatur beim Verfasser.

Mit freundlicher Unterstützung der Almirall Hermal GmbH, Reinbek.

Prof. Dr. Dirschka ist nieder- gelas se ner FA für Dermatologie und Venero logie. Dr. Lutz Schmitz ist Mitarbeiter in der Praxis von Prof. Dr. Dirschka.

Aktinische Keratosen

17Kompendium Dermatologie 9. Jahrg. 2013, Nr. 1

KompDerm2013.indb 17 08.04.13 17:05

Hautkrebs-Diagnostik

Konfokale Laserscanmikroskopie bietet optische Biopsie in EchtzeitDie frühe Diagnostik des malignen Melanoms kann die Mortalität dieses lebens-bedrohlichen Tumors senken. Die konfokale Laserscanmikroskopie (KLSM) ermöglicht Dermatologen in der Hautkrebs-Diagnostik eine optische Biopsie in Echtzeit – die Haut kann am lebenden Gewebe ohne pathologische Probe beur-teilt werden. Die Vorteile für Arzt und Patient liegen auf der Hand: Die KLSM bietet eine schnelle, schmerzfreie und zuverlässige Befundung bösartiger Haut-tumore. Studien belegen zudem, dass die KLSM eine noch höhere Spezifität als die Dermatoskopie aufweist [1].

Durch die KLSM lassen sich Schichten der Epidermis bis zur obe­ren Dermis in zellulärer Auflösung Ebene für Ebene horizontal abbilden. Die konfokale Anordnung ermöglicht ein scharfes Bild der Fokusebene ohne störende Effekte der darüber liegenden Schichten. Für die Bildge­bung werden die unterschiedlichen Reflexionseigenschaften des Gewe­bes ausgenutzt, das mit einem Infra­

rotlaser (830 nm) abgetastet wird. Untersuchte Hautareale können falls notwendig zu einem späteren Zeit­punkt unverändert standard­histo­logischen Methoden zugeführt wer­den. Analog zum Standardgerät kann für besonders differenzierte Frage­stellungen ein Multilaser­Gerät hin­zugezogen werden, das reflektieren­de und fluoreszierende KLSM mitei­nander kombiniert.

> Optische Biopsie > Nicht-invasiv und schmerzfrei > Untersuchungsdauer: ca. 10 min > Schneller Start durch effi zientes

Trainingsprogramm an renommierten Einrichtungen

VivaScope© 1500

Sofortige Gewissheit: Konfokale Laserscanmikroskopie ermöglicht praxistaugliche Diagnostik auf höchstem Niveau!

Detaillierte Infos und eine Referenzliste mit bereits ausgestatteten Praxen und Kliniken: www.vivascope.de

>>>> Trainingsprogramm an renommierten Einrichtungen

VivaScope

Detaillierte Infos und eine Referenzliste mit bereits ausgestatteten Praxen und Kliniken:

Vivascope_RZ_210x140+3.indd 1 30.05.11 15:08

Mit dem Basisgerät VivaScope 1500 und dem Handgerät VivaScope 3000 bietet die MAVIG GmbH moder­ne KLSM für den In­vivo­Einsatz an. VivaScopes werden bereits in 15 dermatologischen Praxen und 7 Kli­niken in Deutschland eingesetzt. An­wender erhalten zusätzlich in einem kostenlosen, modular aufgebauten Trainingsprogramm Einführungstrai­nings, Module für das Training in Eigen regie, Online­Schulungen sowie ergänzende Studienmaterialien. Die 360 bisher erschienenen Abstracts zur KLSM wurden in einem Online Booklet unter www.vivascope­pub.com zusammengestellt.

Stephanie Kunz, Frankfurt a. M.Literatur1. Guitera P et al. J Invest Dermatol 2009;

129: 131–138

Mit freundlicher Unterstützung der MAVIG GmbH, München. Die Autorin ist Mitarbeiterin der Hill + Knowlton Strategies GmbH, Frankfurt a. M.

KompDerm2013.indb 18 08.04.13 17:05

Allergologie – State of the ArtProf. Dr. Torsten Zuberbier, Berlin

Nach wie vor auf Platz 1 aller chronischen Erkrankungen stehen in

Deutschland, Europa und allen anderen industrialisierten Ländern

die allergischen Erkrankungen. Noch immer ist die Allergie auch diejenige

chronische Erkrankung, welche die höchsten sozioökonomischen Kosten

verursacht. Nicht dadurch, dass direkte Medikamenten-, sowie Arzt-

und Betreuungskosten entstehen, sondern durch die indirekten Kosten im Rahmen der Leistungsminderung

bei unbehandelten allergischen Erkrankungen.

Bereits bei Schülern liegt das Risiko, eine Note in der schuli­schen Leistungsbeurteilung ab­

zufallen, während der Pollensaison, bei einem unbehandelten Heu­schnupfen bei 40 %. Die hohen sozio­ökonomischen Kosten entstehen jedoch auch schlichtweg durch die demografische Verteilung der Er­krankung. Wie keine andere der häufigen chronischen Volkskrank­heiten ist von der Allergie in hohem Maße die junge Bevölkerung betrof­fen, die sich in Ausbildung und Be­rufsleben befindet. Die Rate an Typ­I­Sensibilisierungen hat in Europa in den meisten Ländern bereits bei der jüngeren Bevölkerung die 50 %­Marke überschritten. In der Altersgruppe der 20–40­Jährigen leiden mehr als 40 % unter klinisch relevanten atem­wegsallergischen Symptomen.

Wichtige Entwicklungen in der Forschung Die Ursache für den hohen Prä­

valenzgrad der Allergien ist nach wie vor nicht sicher geklärt. Unklar

Bild

: © Lo

chst

ampf

er / F

otol

ia.c

om

ist damit nicht nur, warum allergi­sche Erkrankungen mittlerweile zu den häufigsten chronischen Erkran­kungen in allen industrialisierten Ländern zählen. Es bleibt ebenfalls die Frage, warum sie auch in den Schwellenländern rapide zunehmen.

Als bekannteste Thesen gelten noch immer die Folgen des west li­chen Lebensstils in industrialisierten Ländern. Dazu gehören die Hygiene­these, sowie Veränderungen bei der Umweltverschmutzung. Inzwischen sind hier mehrere Zusammenhänge eindeutig belegt. Um nur einige zu nennen: Kinder, die auf Bauernhöfen einer hohen frühkindlichen Belas­tung mit teils hoch pathogenen Kei­men ausgesetzt sind, entwickeln deutlich weniger Allergien, als Kin­der aus Vergleichsgruppen, die in städtischer Umgebung aufwachsen. Kinder in städtischen Umgebungen entwickeln allerdings heute auch deutlich mehr Allergien als vor 100 Jahren. Es ist gezeigt worden, dass insbesondere Rußpartikel aus Diesel­abgasen auf Pollen an Straßenbäu­

State of the Art

19Kompendium Dermatologie 9. Jahrg. 2013, Nr. 1

KompDerm2013.indb 19 08.04.13 17:05

men haften bleiben und diese für das Immunsystem deutlich immuno­gener machen.

Andererseits hat sich die Er­kenntnis verfestigt, dass die geneti­sche Prädisposition zur Typ­I­Aller­gie nicht plötzlich in der Bevölke­rung entstanden sein kann. Dies ist sehr anschaulich in Studien an Kin­dern aus der ehemaligen DDR direkt nach der Wende nachgewiesen wor­den. Diese Kinder entwickelten unter einer Veränderung der Lebens­bedingungen eine höhere Rate an Allergien.

Die aktuelle Forschung konzent­riert sich daher in der Epidemiologie auf die Epigenetik, d. h. auf die Akti­vierung von Genen unter bestimm­ten Umwelt­ und Lebensbedingun­gen, die während des Lebens erfol­gen kann, allerdings auch vererbbar ist. Das aus dem EU­Netzwerk GA²LEN („Global Allergy and Asthma European Network“) hervorgegan­gene Forschungsprogramm MeDALL („Mechanisms of the Development of ALLergy“) fasst in der Arbeits­gruppe „Geburtenkohortenstudie“ die europaweit verfügbaren Daten aus Geburtskohorten zusammen. Seit 2011 wurde in dieser Arbeits­gruppe eine klare Definition der klassischen Phänotypen allergischer Erkrankungen, ein harmonisierter Fragebogen sowie eine Datenbank entwickelt, die aktuell laufende Langzeit­Geburtenkohorten über al­lergiebezogene Phänotypen zusam­menfasst. Die Datenbank basiert auf historischen Daten von 14 europa­weiten Geburtenkohorten, die mit MeDALL vernetzt sind. Ziel ist es, frühkindliche Prädiktoren für die Entwicklung allergischer Erkran­kungen, sowie geschlechtsspezifi­sche Unterschiede im Krankheits­verlauf festzustellen. Aktuell werden neue Phänotypen allergischer Er­krankungen identifiziert und mit den klassischen Phänotypen ver­glichen.

Die Epigenetik­Forschung konnte mittlerweile zeigen, dass Nikotin­konsum in der Großelterngeneration

noch Auswirkungen auf die Suszep­tibilität für Asthma bei den Enkeln hat [1].

Neues aus den Leitlinien zur klinischen Versorgung2012 wurden mehrere aktuali­

sierte Leitlinien veröffentlicht, so­wie Konferenzen wie das Urtikaria­Meeting 2012 in Berlin abgehalten. Deren Ergebnisse werden 2013 zum Teil veröffentlicht. Die deutschspra­chigen Leitlinien aus 2012 betreffen das hereditäre Angioödem (HAE) und die Histaminintoleranz. Das

HAE ist die Erkrankung in der Aller­gologie, bei der Medikamenten­Neuzulassungen in den letzten 1,5 Jahren zu einer erheblichen Verbes­serung des potenziell tödlichen Ver­laufs geführt haben. In Deutschland stehen jetzt 5 Medikamente zur Akut­versorgung zur Verfügung (Tab. 1).

Der Leitlinie zufolge sind alle 5 Substanzen zur Behandlung akuter Attacken im Erwachsenenalter ge­eignet. Eine Gewichtung ist aufgrund der bisherigen Datenlage nicht mög­lich. Frisches Gefrierplasma sollte jedoch nur verwendet werden, wenn im Notfall die C1­INH­Präparate (C1­INH: C1­Esterase­Inhibitor) oder Icatibant nicht verfügbar sind. And­rogene und Tranexamsäure sind nach der Leitlinie für die Behand­lung akuter Attacken aufgrund ihres verzögerten Wirkungseintritts nicht geeignet [2].

Kritisch festgestellt werden muss hier jedoch, dass vom ersten Auftre­ten von Angioödemen bis hin zur Di­agnosesicherung im Schnitt noch immer Jahre vergehen. Die Ver­dachtsdiagnose besteht insbesonde­re bei Patienten mit Angioödemen ohne begleitende Quaddeln, aber mit positiver Familienanamnese. Oft wird vergessen, dass die meisten Patienten auch Angioödeme im Magen­Darm­Trakt entwickeln, die aufgrund krampfartiger Schmerzen zum Hauptanlass für den Arztbe­such werden. In der Leitlinie werden neben der detaillierten Darstellung der Diagnostik und Therapie auch eine Reihe praxisnaher Empfehlun­gen gegeben (Tab. 2).

Die Leitlinie zur Histaminintole­ranz fasst den aktuellen Wissens­stand zusammen. Sie betont vor dem Hintergrund neuer Erkenntnisse insbesondere die Feststellung, dass Histaminintoleranz, anders als in früheren Empfehlungen dargestellt, bei vielen Patienten durchaus passa­ger auftreten kann, z. B. im Zusam­menhang mit entzündlichen Darm­erkrankungen. Neu ist auch die Empfehlung, nicht die DAO­Aktivität (DAO: Di amino oxidase) bevorzugt in

Tab. 1 Medikamente zur Akut-versorgung bei hereditärem Angio-ödem und Histaminintoleranz.

●C1-INH-Konzentrat ●nanofiltriertes C1-INH-Konzentrat ●Conestat alpha (rekombinater humaner C1-INH) ● Icatibant ● frisches Gefrierplasma

Tab. 2 Praxisnahe Empfehlungen bei Angioödemen [2].

● Jeder Patient mit einem HAE durch C1-INH-Mangel sollte mit einem mehrsprachigen Notfallausweis ausgestattet sein, erhältlich u. a. bei der Fa. CSL Behring GmbH, Philipp-Reis-Str. 2, 65795 Hatters-heim. ●Patienten mit einem HAE durch C1-INH-Mangel sollten als Notfall-medikament C1-INH-Konzentrat oder Icatibant ausreichend für 2 Dosierungen zu Hause vorrätig halten, sowie bei Reisen mit sich führen. Patient und Krankheit sollten im nächstgelegenen Kran-kenhaus bekannt sein. ●Lehrer betroffener Schulkinder sollten darüber informiert sein, dass akute Attacken auftreten können. ●Vor zahnärztlichen Operationen, auch Zahnextraktionen, sowie anderen Operationen im Mund- Rachen-Bereich sollten Patienten mit HAE durch C1-INH-Mangel 1 Stunde vor dem Eingriff 500–1000 U C1-INH-Konzentrat erhalten [3]. Für die Kurzzeitpro-phylaxe ist seit Juni 2011 ebenfalls nanofiltriertes C1-INH-Konzentrat zugelassen.

State of the Art

20 Kompendium Dermatologie 9. Jahrg. 2013, Nr. 1

KompDerm2013.indb 20 08.04.13 17:05

Abb. 1 Diagnostischer Algorithmus für Patienten mit: ausschließlich Quaddeln, Quaddeln und Angioödem sowie ausschließlich Angioödem [5]. AAE: erworbenes Angioödem aufgrund von C1-Inhibitor-Mangel; ACE-Inh: Angiotensin-umwandelnder Enzym-Hemmstoff; AE: Angioödem; AH: Antihistamin; AID: autoinflammatorische Erkrankung; HAE: hereditäres Angioödem.

Quaddeln Angioödem

Anzeichen von Vaskulitis

in Biopsie? 7

SindSymptome

induzierbar? 8

Provokations-test 9

erworbene /hereditäre

AID 10

Urtikaria-Vaskulitis

chronischespontane

Urtikaria 11

chronischeinduzierbare

Urtikaria

HAE I–IIIAAE

Interleukin-1 Histamin und andere Mastzellenmediatoren Bradykinin

Verdacht auf auto-inflammatorische

Erkrankung? 2,3

Durchschnittliche Dauer der Quaddel-erscheinung > 24 h? 4

unerklärtes, wiederkehrendes Fieber?Gelenk / Knochenschmerzen? Malaise?

Verdacht auf HAE 2,5

oder AAE ? 2,5

Remissionnach Stop? 6

ACE-Hemmer-Behandlung?1

ACE-Inhinduziertes

AE

1 Andere (neue) Medikamente könnten bradykininvermitteltes Angioödem auslösen.

2 Patienten sollten nach einer detaillierten Familienanamnese gefragt werden sowie nach ihrem Lebensalter bei Ausbruch der Erkrankung.

3 Test für erhöhte Entzündungsmarker (C-reaktives Protein, Erythro-zyten- Sedimentationsrate), Untersuchung auf Paraproteinämie bei Erwachsenen, Überprüfung auf Anzeichen für neutrophilen-reiche Infiltration in Biopsie, Durchführung einer Genmutations-analyse bei periodischen hereditären Fiebersyndromen (z. B. cryopyrinassoziiertem periodischem Syndrom), wenn dringender Verdacht besteht.

4 Patienten sollten gefragt werden: „Wie lange dauern die Quaddeln an?”

5 Test auf Komplementfaktor C4, C1-INH-Stufenwerte und Funktion, zusätzlich Test auf C1q- und C1INH-Antikörper bei Verdacht auf AAE; Vornehmen einer Genmutationsanalyse, wenn vorherige Tests unauffällig sind, aber die Patientenanamnese hereditäres Angioödem nahelegt.

6 Bis zu 6 Monate Remission abwarten; zusätzlicher Diagnosetest auf C1-Inhibitor-Mangel sollte nur dann vorgenommen werden, wenn die Familienanamnese hereditäres Angioödem nahelegt.

7 Zeigt die Biopsie der erkrankten Haut Schädigung kleiner Blut-gefäße in der papillären und retikulären Haut und/oder fibrinöse Ablagerungen an perivaskulären und interstitiellen Orten, die auf Urtikaria-Vaskulitis schließen lassen?

8 Patienten sollten gefragt werden: „Können Sie einen Quaddel-ausbruch selbst provozieren?”

9 Bei Patienten mit einer Krankengeschichte, die auf induzierbare Urtikaria schließen lässt, sollte eine standardisierte Provokations-testung entsprechend der internationalen Konsens-Empfehlungen durchgeführt werden.

10 Erworbene AIDs umfassen das Schnitzler-Syndrom sowie die systemisch beginnende Form der juvenilen idiopathischen Arth-ritis (sJIA) und das Still-Syndrom im Erwachsenenalter (AOSD); hereditäre AIDs beinhalten cryopyrinassoziierte periodische Syndrome (CAPS) wie familiäres autoinflammatorisches Kältesyn-drom (FCAS), Muckle-Welles Syndrom (MWS) und Neonatal onset multi-systemic inflammatory disorder (NOMID), seltener das Hyperimmunglobulin-D-Syndrom (HIDS) und das tumorrezeptor-assoziierte periodische Syndrom (TRAPS).

11 In einigen seltenen Fällen ist das periodisch auftretende Angio-ödem weder mastzellenmediatorvermittelt, noch bradykinin-vermittelt und der dahinter liegende Pathomechanismus bleibt unbekannt. Diese seltenen Fälle werden von einigen Autoren als „idiopathisches Angioödem“ bezeichnet.

State of the Art

21Kompendium Dermatologie 9. Jahrg. 2013, Nr. 1

KompDerm2013.indb 21 08.04.13 17:05

der Diagnostik einzusetzen, da de­ren Ergebnisse einen zu geringen prädiktiven Vorhersagewert haben. Stattdessen sollte bei begründetem Verdacht eine 3­stufige Ernährungs­umstellung vorgenommen werden (Tab. 3), gegebenenfalls gefolgt von einer integrierten Provokation, um den Schwellenwert festzulegen.

Auf der Leitlinienkonferenz zur Urtikaria im November 2012 in Ber­lin, haben erstmals die allergologi­schen Gesellschaften aus Europa, Nord­ und Südamerika sowie Asien gemeinsam mit dem Europäischen Dermatologieforum (EDF) auf Einla­dung von GA²LEN einen internatio­nalen Konsens auf Ebene einer S3­Leitlinie erarbeitet. Diese Leitlinie wird voraussichtlich im Sommer 2013 publiziert werden. Ein wesent­liches Ergebnis dieser öffentlichen

Veranstaltung ist die Abstimmung eines neuen Diagnostikalgorithmus (Abb. 1).

Literatur1. Rehan VK, Liu J, Naeem E et al. Perinatal

nicotine exposure induces asthma in second generation offspring. BMC Med 2012; 10: 129

2. Bork K , Maurer M, Bas M et al. Hereditäre Angioödem durch C1-Inhibitor-Mangel. Deutschen Gesellschaft für Angioödeme (DGA), der Deutschen Gesellschaft für In-nere Medizin (DGIM), der Deutschen Ge-sellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkun-de, der Deutschen Gesellschaft für Aller-gologie und klinische Immunologie (DG-AKI), der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, der Deut-schen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) und der Gesellschaft für Pädiatri-sche Allergologie und Umweltmedizin (GPA). Allergo J 2012; 21: 109–118

3. Bork K, Hardt J, Staubach-Renz P, Witzke G. Risk of laryngeal edema and facial swellings after tooth extraction in pa-tients with hereditary angioedema with and without prophylaxis with C1 inhibitor

concentrate: a retrospective study. Oral Surg Oral Med Oral Pathol Oral Radiol En-dod 2011; 112: 58–64

4. Reese I, Ballmer-Weber B, Beyer K et al. Vor-gehen bei Verdacht auf Unverträglichkeit gegenüber oral aufgenommenem Hista-min. Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI), der Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin (GPA) und des Ärzteverbandes Deutscher Aller-gologen (ÄDA). Allergo J 2012; 21: 22–28

5. Modifiziert nach dem Leitliniensympo-sium 4th International Consensus Meeting on Urticaria (28–29 November 2012 in Berlin). Die Leitlinie wird voraussichtlich im September 2013 publiziert.

Korrespondenz:Prof. Dr. Torsten ZuberbierCharité – Universitätsmedizin BerlinKlinik für Dermatologie, Venerologie und AllergologieCharitéplatz 110117 [email protected]

Tab. 3 Phasen der 3-stufigen Ernährungsumstellung [4].

Phase Ziel Empfehlung Dauer

1: Karenz weitestgehende Beschwerde-reduktion

histaminarme Kost durch Beschränkung der Zufuhr an biogenen Aminen, insbesondere der Histaminzufuhr; Nährstoffoptimierung; Veränderung der Mahlzeiten-zusammensetzung; Prinzipien der leichten Kost

10–14 Tage

2: Testphase Erweiterung der Nahrungsmittel-auswahl unter Berücksichtigung individueller Einflussfaktoren (Stress, Menstruation, Medikamen-teneinnahme etc.)

gezielte Wiedereinführung histaminreicherer Nah-rungsmittel unter Beachtung der individuellen Kostvorgaben des Patienten; strikte Diätvorgaben „aufweichen“; Ermittlung der individuellen Histamin-verträglichkeit

bis zu 6 Wochen

3: Dauer- ernährung

dauerhafte bedarfsdeckende Nähr-stoffzufuhr; hohe Lebensqualität

individuelle Ernährungsempfehlungen, die sich an der individuellen Histaminverträglichkeit unter der Berück-sichtigung exogener Einflussfaktoren orientieren

State of the Art

22 Kompendium Dermatologie 9. Jahrg. 2013, Nr. 1

KompDerm2013.indb 22 08.04.13 17:05

Jetzt NEU!Imlan® Lotion Pur

Die einzigartige Hautpflege mit Betulin aus der weißen Birkenrinde bietet Schutz und Pflege ohne jegliche Zusatzstoffe.

Ideal für empfind liche, trockene und zu Allergien neigende Haut.

Für Birkenpollenallergiker unbedenklich.

"

Imlan® Creme Pur /PZN: 07019238Imlan® Lotion Pur /PZN: 09711725

www.imlan.de

Jetzttesten!

Exklusiv in der Apotheke

Medizinische Hautpfl egeganz ohne Zusatzstoffe!

Imlan Creme Pur

KOMPAKT Babypflege,Ausgabe 2007

sehr gut

Bestellen Sie für Ihre Patienten Gratis-Proben bei der Birken AG unter der Telefonnummer: 07233 97 49-200.

130322_098_Fach_AZ_AktuelleDerm_210x280.indd 1 22.03.13 10:28

Angioödeme können gefährlich werdenAkute Schwellungen der Haut und Schleimhäute können allergisch bedingt sein oder nicht allergische Ursachen haben. Unter den nicht allergischen Ursachen kommt das hereditäre Angioödem (HAE: hereditary Angioedema) in Betracht. HAE-bedingte Angioödemattacken werden als Hautschwellungen zumeist im Bereich von Gesicht und Extremitäten beobachtet. Schleimhautschwellun-gen treten im Magen-Darm-Trakt und im Bereich der oberen Luftwege auf. Angioödeme im Kopf- und Halsbereich können aufgrund der Erstickungsgefahr lebensgefährlich werden. Dabei sind HAE-Attacken jedoch gut und sogar in Selbstbehandlung durch den Patienten zu therapieren.

Die ersten Symptome des HAE zeigen sich in der Regel vor dem

20. Lebensjahr. Die Erkrankung wird dennoch meist erst viele Jahre später diagnostiziert. In Deutschland schätzt man die Zahl der HAE­Erkrankten auf 1600. Die Dunkelziffer dürfte jedoch deutlich höher liegen, da die Symptome denjenigen anderer Er­krankungen ähneln.

Die Hautschwellungen des HAE sind oft entstellend und schränken die Lebensqualität des Patienten ein (siehe Abb. 1). Sie treten meist im Gesicht, aber auch an den Extremitä­ten und nicht selten im Urogenital­bereich auf.

Bei Angioödemen der Haut han­delt es sich um umschriebene episo­dische Schwellungen, die nicht ein­drückbar und nicht mit Juckreiz oder Erythem verbunden sind.

Die gefährlichste Manifestation des HAE ist das potenziell lebensge­fährliche Angioödem im Kopf­Hals­Bereich. Es stellt eine medizinische Notfallsituation dar und kann zum Tod durch Ersticken führen. Eine der häufigsten Manifestationen hingegen sind Angioödeme im Magen­Darm­Trakt. Starke kolik­ oder krampfarti­ge abdominelle Schmerzen mit Er­brechen und Durchfall sind das Kennzeichen dieser Attacken. Neben Zeichen eines akuten Abdomens zei­gen sich häufig auch Aszites und Blutdruckabfall. Eine nicht erkannte HAE­Attacke kann erfahrungsgemäß zu nicht notwendigen Operationen, wie Laparoskopie oder Appendekto­mie, führen.

Allergisches oder nicht allergisches Angioödem?Die richtige Diagnose entschei­

det über eine effektive Therapie akuter Angioödeme. Grundsätzlich unterscheidet man allergische und nicht allergische Angioödemformen. Sie werden von unterschiedlichen vasoaktiven Mediatoren ausgelöst, welche für die Wahl der Therapie von entscheidender Bedeutung sind.

Allergische und Urtikaria­assozi­ierte Angioödeme werden durch Mastzellen und deren Mediatoren (z. B. Histamin) vermittelt. Hier sind Kortikosteroide und Antihistaminika wirksam, während diese in der The­rapie nicht allergischer, bradykinin­vermittelter Angioödeme nicht ef­fektiv sind. Das allergische Ödem tritt oft im Rahmen einer akuten Urtikaria oder einer Anaphylaxie auf und bildet sich üblicherweise inner­halb von 24–48 Stunden zurück. Charakteristisch für das allergische Angioödem sind Juckreiz und ein Hauterythem, spezifische Auslöser

sowie das Ansprechen auf Antihista­minika oder Steroide. Bestimmte Ödemcharakteristika wie das Fehlen von Juckreiz und Erythem, eine Schwellungsdauer bis zu mehreren Tagen sowie das Fehlen einer urtika­riellen Hautreaktion und Vorliegen von Prodromal symptomen, wie Ery­thema marginatum, legen den Ver­dacht auf ein bradykininvermitteltes Angioödem nahe.

Zu den nicht allergischen, brady­kininvermittelten Angioödemen ge­hören das ACE­Hemmer­induzierte Angioödem, der erworbene und here­ditäre C1­Inhibitor­Mangel, auch be­zeichnet als AAE (acquired Angio­edema) bzw. HAE Typ I und II, sowie wahrscheinlich auch das hereditäre Angioödem ohne C1­Inhibitor­Man­gel (HAE Typ III).

Bradykinin führt über die Akti­vierung von Bradykinin­B2­Rezepto­ren in den Blutgefäßen zur Vasodila­tation und einer erhöhten vaskulä­ren Permeabilität. Erhöhte Brady­kininkonzentrationen können so zu einem interstitiellen Ödem führen. ACE­Hemmer behindern den Abbau des Mediators und erhöhen auf die­sem Wege dessen Konzentration. Der C1­Inhibitor (C1­INH) reguliert dagegen die Bradykiningeneration. Ein quantitativer oder funktioneller Mangel an C1­INH, der hereditär be­dingt sein kann (HAE Typ I und II) oder im Laufe des Lebens erworben wird (AAE), kann daher in einer er­höhten Bradykiningeneration resul­tieren.

Warum und unter welchen Um­ständen lokal vermehrt Bradykinin generiert wird, ist ungeklärt. Viele Attacken beginnen ohne eine für die Patienten identifizierbare Ursache. Oftmals entstehen Attacken jedoch im Rahmen bestimmter Situationen wie Infektionen, Operationen und Stress oder unter Einfluss von Östro­genen und ACE­Hemmern.

Angioödem-Diagnostik Anamnestische Angaben zur

Erstmanifestation (vor dem 20. Le­bensjahr?) und eine positive Fami­

Abb. 1 Schwellung eines hereditären Angioödems der linken Hand.

Hereditäres Angioödem

24 Kompendium Dermatologie 9. Jahrg. 2013, Nr. 1

KompDerm2013.indb 24 08.04.13 17:05

lien anamnese können auf ein HAE hinweisen. Medikamentöse Ursachen von Angioödemen, wie ACE­Hem­mer, sollten zunächst ausgeschlos­sen werden.

Nur ein Labortest kann die Diag­nose eines HAE mit C1­INH­Mangel sichern. Die Bestimmung der C1­INH­Konzentration und ­Aktivität sowie der C4­Komplement­ und C1q­Konzentration ermöglicht die Diagnose und Klassifikation des An­gioödemtyps (siehe Tab. 1).

Etwa 80–85 % der HAE­Patienten zeigen ein HAE Typ I, das HAE Typ II liegt bei 10–15 % der Patienten vor. Der seltene Typ III ist bei normaler C1­INH­Konzentration und ­Aktivität an einer positiven Familienanamnese erkennbar.

HAE-Diagnose kann Leben rettenNicht diagnostizierte HAE­Pa­

tienten sterben häufiger an Kehl­kopfattacken als Patienten mit be­kannter HAE­Diagnose [1]. Die Diag­nose eines HAE kann daher einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, das Mortalitätsrisiko der Betroffe­nen zu senken. Kehlkopfattacken treten beim HAE im Vergleich z. B. zum ACE­induzierten Angioödem zwar seltener auf, es erleiden jedoch 50 % der HAE­Patienten mindestens einmal in ihrem Leben eine solche Attacke. Die Schwellung kann in weniger als 4 Stunden die Atemwege verschließen. In späten Stadien eines Kehlkopfödems müssen die Luftwege durch mechanische Maßnahmen wie Intubation, Tracheo­ oder Ko­niotomie, offengehalten werden.

Bei bekannter HAE­Diagnose kann hingegen eine frühzeitige The­

rapie eines Kehlkopfödems erfolgen und damit lebensrettend sein. Insbe­sondere die Selbsttherapie durch den Patienten oder nahe Angehörige ermöglicht eine sehr rasche Initial­therapie. Anschließend sollte eine klinische Überwachung des Patien­ten folgen.

Akuttherapie des hereditären AngioödemsZur Akuttherapie von Angioödem­

attacken stehen 2 unterschiedliche Wirkprinzipien zur Verfügung: Der Bradykinin­B2­Rezeptor­Antagonist Icatibant (Firazyr®) sowie C1­INH­Konzentrate, welche aus Blutplasma gewonnen und virusinaktiviert wer­den (Berinert®, Cinryze®) oder durch rekombinante Technologie (Ruco­nest®) hergestellt werden. Mit C1­INH­Konzentraten wird der quanti­tative oder funktionelle Mangel an C1­INH substituiert. Icatibant setzt hingegen am B2­Rezeptor für Brady­

kinin an. Die Wirksamkeit und Ver­träglichkeit von Icatibant bei HAE Typ I und II wurde in den 3 randomi­sierten klinischen Studien FAST 1, 2 und 3 (FAST: For Angioedema Sub­cutaneous Treatment) nachgewie­sen [2, 3].

Selbstanwendung durchden PatientenSowohl Icatibant als auch die

plasmatischen C1­INH­Konzentrate sind zur selbständigen Anwendung durch den Patienten zugelassen. Die Voraussetzung hierfür ist die vorhe­rige Schulung durch medizinisches Fachpersonal. Laut Konsensusemp­fehlung der HAWK­Gruppe (HAWK: Hereditary Angioedema Internatio­nal Working Group) sollten Behand­ler ihre HAE­Patienten zur Selbstan­wendung ermutigen [4]. Dadurch ist es möglich, Attacken früher und damit effektiver zu behandeln, denn in frühen Stadien entwickeln sich Angioödeme leichter zurück [5].

Die C1­INH­Konzentrate werden lyophilisiert geliefert und intra venös appliziert. Icatibant wird als Fertig­spritze in einer Dosierung von 30 mg subkutan injiziert. Die sub kutane Darreichungsform kann in vielen Fällen die Selbstadministration er­leichtern. Gerade in Notfällen ist eine rasche Applikation von Bedeu­tung.

Dr. Emel Aygören-Pürsün, Frankfurt a. M.

Quellen1 Bork K et al. J Allergy Clin Immunol 2012;

130: 692–6972 Cicardi M et al. N Engl J Med 2010; 363:

532–5413 Lumry W et al. Ann Allergy Asthma Immu-

nol 2011; 107: 529–5374 Cicardi M et al. Allergy 2012; 76: 147–1575 Maurer M et al. PLoS ONE 2013; 8: e53773

Mehr Informationen für Dermatologen zum hereditären Angioödem beimLunch-Symposium der Shire Deutschland GmbH im Rahmen der 47. DDG-Tagung

Akutes Angioödem: eine der gefährlichsten Erkrankungen in der Dermatologie Samstag, 4. Mai 2013, 12:30–13:30 Uhr, Internationales Congress Center Dresden, Saal 5

Moderation: Prof. Dr. Marcus Maurer, Berlin

Allergisches oder nicht allergisches An-gioödem – was muss ich dazu wissen? Dr. Emel Aygören-Pürsün, Frankfurt

Mortalität beim hereditären Angioödem Prof. Dr. Konrad Bork, Mainz

Was tun beim hereditären Angioödem? Prof. Dr. Werner Aberer, Graz

Tab. 1 Labordiagnostik HAE und erworbenem C1-INH-Mangel.

HAE Typ I HAE Typ II HAE Typ III erworbener C1-INH-Mangel

C1-INH- Konzentration

niedrig normal / hoch

normal niedrig

C1-INH-Funktion niedrig niedrig normal niedrig

C4-Konzentration niedrig niedrig normal niedrig

C1q-Konzentration normal normal normal niedrig / normal

Mit freundlicher Unterstützung der Shire Deutschland GmbH, Berlin. Die Autorin ist Fachärztin für Innere Medizin an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Angioödem ambulanz, des Uni- versitätsklinikums Frankfurt, [email protected].

Hereditäres Angioödem

25Kompendium Dermatologie 9. Jahrg. 2013, Nr. 1

KompDerm2013.indb 25 08.04.13 17:05

Ästhetische Dermatologie – State of the ArtAknetherapie in der Schwangerschaft

Prof. Dr. Christiane Bayerl, Wiesbaden

Diese Übersicht widmet sich der Aknetherapie in der Schwanger-

schaft und der Frage, ob Akne eine Indikation für begleitende ästhetisch rekonstruktive und

kosmetologische Behandlung ist.

Eine topische Aknetherapie soll auch in der Schwangerschaft zum Wohlbefinden der Mutter

durchgeführt werden, um eine Ver­schlechterung zu verhindern und Narben zu vermeiden. Die Notwen­digkeit der Sicherheit der Produkte in Schwangerschaft und Stillzeit steht dabei im Vordergrund. Die medika­mentöse Therapie in der Schwanger­schaft ist eine besondere Herausfor­derung, da sich physiologische Vor­gänge zwischen dem erwachsenen und dem Säuglingsorganismus un­terscheiden. Die topische Therapie ist aber mindestens genauso anspruchs­voll, da durch die Aufnahme über die Haut systemische Wirkungen oder unerwünschte Effekte ausgelöst wer­den können. Zudem ist die transder­male Penetration und die nachfol­gende systemische Bioverfügbarkeit der verschiedenen topischen Akne­zubereitungen wenig untersucht.

Bild

: © P

hoto

Alto

Die ärztliche Aufgabe ist dann, zwei Organismen, Mutter und ungebore­nem Kind / Säugling in Schwanger­schaft und Stillzeit zu nützen oder zu helfen ohne einem der beiden zu schaden.

TherapieVor allem muss eine Patientin zu

Beginn einer Aknetherapie darauf hingewiesen werden, dass Sie dem behandelnden Arzt die Planung oder den Eintritt einer Schwangerschaft mitteilt. So können entsprechende Produkte ausgewählt bzw. Tetrazyk­line, Doxyzyklin, Minozyklin oder Isotretinoin erst gar nicht gestartet werden. Benzoylperoxid und Azelain­säure sind sichere topische Therapie­möglichkeiten. Bei Laser­ und Licht­therapien ist wegen etwaiger Schmer­zen, die zu einer orthostatischen Dysregulation führen, Zurückhal­tung geboten. Nach der Schwanger­

State of the Art

26 Kompendium Dermatologie 9. Jahrg. 2013, Nr. 1

KompDerm2013.indb 26 08.04.13 17:05

schaft stehen diese Therapieoptio­nen jedoch wieder zur Verfügung. Eine systemische Therapie kann bei ausgeprägter schwerer Akne nach den Leitlinien auch während der Schwangerschaft mit Glukokortikoi­den ab dem 2. Trimenon in Zusam­menarbeit mit dem Gynäkologen durchgeführt werden. Auch die Gabe von Erythromyzin ist ab diesem Zeitpunkt zu vertreten, jedoch nicht in der Stillzeit. Zink kann falls nötig oral gegeben werden.

KosmetikErgänzende kosmetologische

Maßnahmen zur medizinisch der­matologischen Aknetherapie sind gerade in der Schwangerschaft sinn­voll, wenn die Indikation dermatolo­gisch gestellt und die Maßnahme dermatologisch begleitet wird. Zu diesen ergänzenden Maßnahmen zählen die Reinigung und Pflege der zu Akne neigenden Haut und das manuelle Ausreinigen, auch in Er­gänzung zur medikamentös behan­delten Aknehaut. Unter den Peeling­Maßnahmen ist ein mechanisches Peeling mit Rubbelpartikeln oder ein chemisches Peeling mit Fruchtsäu­ren möglich. Dagegen sollten Salizyl­säure­, Trichloressigsäure­ oder Phe­nol­Peels in der Schwangerschaft nicht eingesetzt werden. Entspre­chend gilt, dass aufhellende Haut­

präparate, die etwa für den Einsatz bei postentzündlich hyperpigmen­tierten Akneherden oder bei Melas­ma (Chloasma) Anwendung finden, nicht in der Schwangerschaft einge­setzt werden sollen. Zumeist ist Tre­tinoin als teratogene Substanz, Sali­zylsäure als fetotoxische Substanz oder Hydrochinon, das systemische Spiegel entwickelt, in den Zuberei­tungen enthalten – eine Pause in der Anwendung ist unbedingt anzura­ten. Für topisches Resorcinol ist bei systemischer Einnahme Toxizität in der Schwangerschaft in einer Kasu­istik beschrieben, sodass sich die Anwendung auch topisch verbietet.

Camouflage kann die psychische Be­lastung seitens der Haut deutlich reduzieren, die dabei eingesetzten Externa sind auch in der Schwanger­schaft möglich.

Literatur bei der Autorin.

Korrespondenz:Prof. Dr. Christiane BayerlKlinik für Dermatologie und Allergologie Hauttumorzentrum WiesbadenDr. Horst Schmidt KlinikenAukammallee 3965191 [email protected]

Auch während der Schwangerschaft sollte ine topische Aknetherapie durch-geführt werden.

Bild

: © Fr

iday

/ Fot

olia

.com

State of the Art

27Kompendium Dermatologie 9. Jahrg. 2013, Nr. 1

KompDerm2013.indb 27 08.04.13 17:05

Rosazea-Therapie mit Rosaliac AR Intense

Studienergebnisse belegen Wirksamkeit beim Einsatz

? Frau Dr. Scheler, wie lässt sich das Intensiv-Serum in der Thera-pie einsetzen?Dr. Scheler: Das Präparat eignet sich für die Monotherapie (Rosazea­Sta­dien I–II) und für die Kombination mit Antibiotika (z. B. Doxyzyklin) oder einer IPL­Therapie (IPL: Intense Pulsed Light). Während der 8­wö­chigen Studiendauer erhielten viele unserer Patienten IPL­Behandlungen. Aufgrund der sehr guten Verträg­lichkeit des Intensiv­Serums konn­ten sie es sofort am Abend nach der IPL­Behandlung anwenden.

„Als Mono- oder in der adjuvanten Therapie sehr gut einsetzbar“

? Für welche Patienten ist das Produkt besonders gut geeignet?Dr. Scheler: Das Intensiv­Serum för­dert die Compliance und ist stadien­unabhängig einsetzbar. Viele Patien­ten mit mildem Befund erhalten leider häufig ein Antibiotikum wie Metronidazol mit undefinierter An­wendungsdauer. Auf die Erytheme

hat dies jedoch kaum Wirkung. Unsere Studienerfahrung hat ge­zeigt, dass sich hier der Einsatz von Rosa liac AR Intense Intensiv­Serum auszahlt. So nahm die Intensität der Erytheme ab, die Flushreaktionen reduzierten sich. Gemeinsam mit Teleangiektasien und empfindlicher Gesichtshaut sind dies Symptome, die erfahrungsgemäß oft nur unzu­reichend auf eine medikamentöse Therapie ansprechen.

? Bei welchen Studienteilneh-mern gab es die überraschendsten Ergebnisse?Dr. Scheler: Wie erwartet waren die größten Erfolge bei denen sichtbar, die das Intensiv­Serum zusätzlich zur ärztlichen Behandlung erhielten. Es gab aber auch Patienten, die keine IPL­ oder medikamentöse Behand­lung wünschten. Hierunter war etwa eine Patientin mit ausgeprägtem Be­fund, bei der sich nach Studienende eine deutliche Besserung mit einer rückläufigen Rötung zeigte.

„Durchweg positive Rückmeldungen, auch von männlichen Teilnehmern“

? Wie war die Reaktion der Pa-tienten auf das Intensiv-Serum?Dr. Scheler: Bemerkenswert fand ich, dass viele männliche Patienten, die sich sonst mit der Anwendung von Pflegeprodukten schwer tun, positive Rückmeldungen gaben. All­gemein waren alle Patienten mit der Verträglichkeit und der Konsistenz des Intensiv­Serums sehr zufrieden. Es kühle gut, ziehe sofort ein und fühle sich nicht fettig an. Vor allem Patienten, die ihrer eigenen Ein­schätzung nach eine sehr empfindli­che Haut haben, bewerteten diese Eigenschaften positiv.

? Wie lautet Ihr persönliches Fazit?Dr. Scheler: Viele Rosazea­Patienten leiden unter ihrer Erkrankung. Ge­rade junge Patientinnen, etwa mit Teleangiektasien, fühlen sich in ihrer Lebensqualität eingeschränkt. Das Intensiv­Serum ist daher eine sinn­volle, compliancefördernde Maß­nahme in der adjuvanten Rosazea­Therapie.

Mehr zur multizentrischen Studie

DDG-Mittagsseminar „Neue Wege in der Rosazea-Therapie“ 2. Mai 2013, 12:30–13:30 Uhr (M12)

PD Dr. Jansen PD Dr. Schauber Prof. Dr. Fratila Dr. Scheler

Sara Damirchi, Köln

Mit freundlicher Unterstützung von La Roche-Posay, Düsseldorf. Quelle: Die Beitragsinhalte stam-men aus einem Interview mit Dr. Marina Scheler, Bonn. Die Autorin ist Mitarbeiterin der signum pr GmbH, Köln.

Rosaliac AR Intense Intensiv-Serum ist wirksam bei klinischen Erscheinungsformen der Rosazea, die auf eine Pharmako-therapie oftmals nur unzureichend ansprechen: Erytheme, Teleangiektasien und empfindliche Haut. Das Präparat unterstützt die adjuvante Therapie aller Rosazea-Stadien und ist zudem für die Rezidivprophylaxe geeignet. Zum Einsatz und Nutzen des Intensiv-Serums bei bestehenden Behand-lungsschemata fand im letzten Jahr eine internationale mul-tizentrische Studie statt. In Deutschland nahmen 210 Rosazea-Patienten daran teil, 60 davon an der Jungbrunnenklinik Bonn. Von ihren dortigen Erfahrungen berichtet Dr. Marina Scheler.

Ambophénol® ● hemmt die Cathelicidin-Genexpression ● inhibiert Angiogenese- & Entzündungs faktoren

Neurosensine® ● wird an den Empfindlichkeitsrezeptoren wirksam ● setzt Neuromediatoren frei ● hat einen Einfluss auf die neurogene Entzündung

Thermal wasser aus La Roche-Posay

● wirkt mit einem hohen Selengehalt hautberuhigend & reizmildernd

Rosazea

28 Kompendium Dermatologie 9. Jahrg. 2013, Nr. 1

KompDerm2013.indb 28 08.04.13 17:05

Flüssigstickstoff in der Dermatologie – sichere Anwendung mit CRYOSPEED® MEDSeit September 2012 ist das neue Medizinprodukt CRYOSPEED® MED (medizi-nischer Stickstoff N2 flüssig) von Linde Healthcare zur vielseitigen Anwendung in Cryochirurgie, Cryotherapie und Cryokonservierung in Deutschland erhältlich.

Flüssigstickstoff ist in der Derma­tologie das am weitesten verbrei­

tete Kältemittel zur Behandlung von Hauterkrankungen wie aktinische Keratosen, Basaliome, Mollusken, hypertrophe Narben sowie Keloide und hat sich in den verschiedenen Anwendungsgebieten vor allem durch seine schnelle und hohe Wirk­samkeit sowie seine gute Verträg­lichkeit etabliert. Insbesondere bei der Behandlung von Warzen hat sich Flüssigstickstoff als einfach anzu­wendendes und nebenwirkungsar­mes Verfahren bewährt [1]. Die Deutsche Dermatologische Gesell­schaft (DDG) empfiehlt Flüssigstick­stoff als Mittel der Wahl bei der Cryotherapie [2].

Mit dem europaweit zugelasse­nen Medizinprodukt CRYOSPEED® MED wird durch seine hohe Abkühl­geschwindigkeit bereits bei kurzer Behandlung eine sehr hohe Wirk­samkeit erreicht. Das System ist ap­parativ einfach und sicher anzuwen­den, was einen reibungslosen und effektiven Behandlungsablauf ge­währleistet.

In der Praxis der Münchener Dermatologin Prof. Dr. Sabine Plötz gehört medizinischer Flüssigstick­stoff seit vielen Jahren zur Routine. Ihre Erfahrungen sind sehr gut. Ne­ben der hohen Effektivität und dem guten Preis­Leistungs­Verhältnis – häufig ist eine Erstattung über Sprechstundenbedarf möglich – schätzt Prof. Plötz die hohe Akzep­tanz des Verfahrens bei ihren Patien­ten: „Das Therapieverfahren kann ohne Lokalanästhesie und ohne gro­ßen Zeitaufwand angewendet wer­den. Zudem gefallen mir besonders die guten Ergebnisse dieser Behand­lungsoption bei aktinischen Kerato­sen und Warzen, wodurch aufwen­

digere, nebenwirkungsreichere und kostenintensivere Therapien oft ver­hindert werden können. Auch das in der Regel sehr gute kosmetische Er­gebnis und die Patientenakzeptanz sind große Vorteile.“ Und noch et­was ist ihr wichtig: Mit dem Medi­zinprodukt CRYOSPEED® MED ist sie auch rechtlich auf der sicheren Seite.

Rechtssicherheit für die Anwender„Für behandelnde Ärzte ist es

wichtig, bei der Therapie ein zuge­lassenes Medizinprodukt zu verwen­den. Technischer Flüssigstickstoff, der nicht als Medizinprodukt zuge­lassen ist, bedeutet „Off­Label Use“ und bietet dem Therapeuten keine Rechtssicherheit“, betont Prof. Plötz. CRYOSPEED® MED ist ein nach dem neuesten Stand der Richtlinie 93/42/EWG und dem Medizinproduktege­setz (MPG) zertifiziertes und CE­ge­kennzeichnetes Medizinprodukt. Da­mit erhält der Anwender eine hohe medizinische Qualität und die maxi­male therapeutische Sicherheit für sich und seine Patienten.

Angewendet wird der Flüssig­stickstoff, je nach Indikation, auf

zwei Arten: entweder als offenes Verfahren (Spray­Verfahren), welches direkt auf die Haut wirkt, oder als geschlossenes Kontakt­Verfahren, in­direkt über Cryosonden.

Zusätzliche Services vonLinde HealthcareLinde Healthcare bietet ergän­

zend umfangreiche Services in ei­nem bundesweit dichten Liefernetz an. Die Services können auch für Kleinmengen in Anspruch genom­men werden. Je nach Vereinbarung füllen Servicefahrer die jeweiligen Vorratsbehälter nach Bedarf oder regel mäßig in einem festgelegten Rhythmus vor Ort wieder auf. Pas­sende Lager­ und Transportbehälter für Flüssigstickstoff werden eben­falls angeboten. Für die sichere An­wendung und Handhabung nach MPBetreibV gibt es eine Online­Schu­lung in der Mediathek unter http://emedia.linde­gastherapeutics.de.

Für den speziellen Kundenservice der Sprechstundenbedarfsabrechnung sowie eine umfassende Beratung zu Themen wie Schutzmaßnahmen, Lagerung und Sauerstoff-Monitoring, können sich Anwender und Interes-sierte an die CRYOSPEED® MED-Medizinprodukteberater wenden: Servicenummer 089-37000-177 E-Mail: medizinische.gase@ de.linde-gas.com

Sonja Winterholler, München

Quellen:1. Plötz SG, Ring J. Warzenpaste oder Wur-

zeltod, Beschwörung bei Mondlicht oder Lasertherapie. Was hilft wirklich gegen Warzen? MMW-Fortschritte der Medizin 2011; 12: 1–4

2. Kryotherapie in der Dermatologie: Emp-fehlungen der Deutschen Dermatologi-schen Gesellschaft (2008). Im Internet: http://www.awmf.org/fileadmin/user_upload/Die_AWMF/Service/Gesamtarchiv/QS-Empfehlung/Kryochirurgie_in_der_Dermatologie.pdf; Stand: 12.03.2013

Mit freundlicher Unterstützung der Linde Healthcare / Linde Gas Thera-peutics GmbH, Unterschleißheim.

Die Autorin ist Mitarbeiterin der TBWA \ + Healthcare Communi-cation, München.

Prof. Dr. Sabine G. Plötz, München.

Kryotherapie

29Kompendium Dermatologie 9. Jahrg. 2013, Nr. 1

KompDerm2013.indb 29 08.04.13 17:05

Psoriasis – State of the Art Aktuelle Entwicklungen und Trends bei der Therapie

Prof. Dr. Thomas Dirschka, Wuppertal

Die Aufklärung grundlegender Patho-mechanismen der Psoriasis hat in

den vergangenen 10 Jahren die thera-peutischen Möglichkeiten dieser

chronischen Hautkrankheit erheblich erweitert. Eine Kausaltherapie ist

zwar bis heute nicht verfügbar, doch profitieren gerade Patienten mit

mittelschwerer- bis schwerer Plaque-Psoriasis von modernen Entwicklun-

gen, die selektiv als rekombinante Antikörper oder Fusionsproteine

(sogenannte Biologics) in diese Patho-mechanismen eingreifen. Ziel der vor-

liegenden Übersicht ist es, die aktu-ellen Über legungen zur Psoriasis-therapie zusammenzufassen. Eine

vollständige Darstellung der lokalen und systemtherapeutischen Möglich-keiten bei der Behandlung der Psoria-sis und ihrer Sonderformen liegt als

S3-Leitlinie vor [1].

Eine wichtige Vorüberlegung zur Psoriasis ist, dass diese als Systemkrankheit verstanden

werden muss, bei der die Hautver­änderungen Ausdruck eines überge­ordneten Entzündungsgeschehens sind. Umfangreiche Untersuchungen zu Komorbiditäten konnten dabei bei mittelschwer­ bis schwer betrof­fenen Psoriasispatienten besondere Risikoprofile unter anderem für Herz­Kreislauf­Erkrankungen aufzeigen [2]. Ein wichtiges Ziel der System­therapie der Psoriasis ist es deshalb, auch die zum Teil lebensbedroh­lichen Komorbiditäten günstig zu beeinflussen. Ferner beeinträchtigt die Psoriasis nachhaltig die Lebens­qualität [3].

SchweregradeAusgangspunkt aller Überlegun­

gen zur Psoriasistherapie ist die Fest­legung des Schweregrades. Gemäß eines europäischen Konsensuspapiers wurde eine sogenannte „Rule of Tens“ formuliert, mit deren Hilfe die leich­

Bild: © Christine Langer-Püschel / Fotolia.com

te Psoriasis von mittelschweren­ bis schweren Formen, die eine Indikati­on zur Systemtherapie darstellen, abgegrenzt wird. Demgemäß ist bei einem Körperoberflächenbefall (BSA) von ≥ 10 %, oder einem PASI- oder DLQI-Wert ≥ 10 % / Punkten die Pso­riasis als mittelschwer bis schwer zu werten. Darüber hinaus können fol­gende Kriterien die Therapieaus­wahl beeinflussen:

● besondere Lokalisationen der Psoriasis (z. B. Gesicht, Hände, Nägel, Füße, Genitalbereich), be­sondere Symptome der Psoriasis (z. B. quälender Juckreiz),

● besonderer Behandlungsbedarf (z. B. hohe Frequenz an Arztbe­suchen),

● Arbeitsunfähigkeit wegen Psori­asis, stationäre / teilstationäre Behandlungen, Rehabilitations­behandlungen,

● Behinderungsgrad wegen Psori­asis,

● Pflegebedürftigkeit wegen Pso­riasis.

State of the Art

30 Kompendium Dermatologie 9. Jahrg. 2013, Nr. 1

KompDerm2013.indb 30 08.04.13 17:05

Schließlich ist die individuelle Einschätzung des behandelnden Arztes (PGA: „physicians global as­sessment“) für die Therapieent­scheidung wichtig. Dabei können die aufgeführten Bewertungskriterien hilfreich sein und argumentativ die Entscheidung des Arztes hinsichtlich der Schwere der Psoriasis unterstüt­zen [4, 5].

TherapieLeichte PsoriasisBei der Lokaltherapie der Plaque­

Psoriasis haben sich Vitamin­D­Analoga durchgesetzt. Dabei besteht für Calcipotriol die höchste Evidenz. Eine keratolytische Therapie ist ins­besondere bei moderner Galenik (z. B. Gelform) nicht mehr erforder­

lich. In der Induktionsphase der The­rapie aber auch als intermittierende Lokaltherapie haben sich fixe Kom­binationen aus Calcipotriol und Be­tamethason als besonders wirksam herausgestellt [6].

Einzelne Lokalisationen erwei­sen sich oft als besonders therapie­refraktär und benötigen ein speziel­les therapeutisches Vorgehen: Zum Teil werden in der aktuellen S3­Leit­linie off­label Therapien empfohlen [1]; die Patienten müssen diesbe­züglich besonders über den Zulas­sungsstatus, die Anwendung und die fehlende Erstattungsfähigkeit infor­miert werden.

Besondere lokalisationsabhängige Therapiemaßnahmen sind in Tab. 1 dargestellt.

SystemtherapieWährend die Lokaltherapie auf

eine möglichst effektive Beseitigung der klinisch sichtbaren Psoriasis ab­zielt, werden mit einer systemischen Therapie weitergehende Effekte be­absichtigt. Insbesondere soll die er­höhte entzündliche Grundaktivität bei mittelschwerer bis schwerer Psoriasis reduziert und damit das Risiko für Komorbiditäten gesenkt werden. Bezüglich der Hautverände­rungen wird eine 75 %­ige Reduktion des PASI (PASI 75) und des DLQI auf 1–2 während der Induktionsphase angestrebt; Mindestziel ist das Errei­chen eines PASI 50 und eines DLQI von 5.

Bei der chronischen Plaque­Pso­riasis, stellen Fumarsäureester und Methotrexat Therapien der ersten Wahl dar. Cyclosporin A stellt eine Option zur Akutintervention bei kli­nischen Schüben dar. Es sollte jedoch nur über maximal 6 Monate einge­setzt werden. Zahlreiche Wechsel­wirkungen und im Laufe der Thera­pie oftmals zunehmende Nebenwir­kungen limitieren hier den Einsatz; eine ausschleichende Therapie mit allmählichem Umsetzen auf Me­thotrexat oder Fumarsäureester wird empfohlen.

Ist eine konventionelle System­therapie kontraindiziert, weist sie relevante Wechselwirkungen mit er­forderlichen bestehenden Medikati­onen oder Nebenwirkungen auf oder wird nicht mindestens ein PASI 50 während der Induktionsphase er­reicht, sind Biologics indiziert. Beste Wirkungen werden dabei mit Adali­mumab und Ustekinumab erzielt; Infliximab zeichnet sich durch einen schnellen Wirkeintritt aus, muss je­doch intravenös appliziert werden. Etanercept zeigte in klinischen Stu­dien eine etwas schwächere Wir­kung als die vorgenannten Substan­zen [1, 4] (Tab. 2).

Im Falle entzündlicher Schübe unter ansonsten erfolgreicher Krank­heitskontrolle unter Biologics kann Methotrexat als potenzieller Kombi­nationspartner eingesetzt werden.

Tab. 1 Lokaltherapie der Psoriasis an besonderen Lokalisationen (nach [1, 4, 6]).

Lokalisation Therapie

Gesicht kurzzeitiger Einsatz eines Steroides der Klasse II, z. B. Prednicarbat; anschließend Therapie mit TacalcitolOff-Label-Use von Calcineurin-Inhibitoren

Kopfhaut In der Induktionsphase clobetasolpropionathaltige Präparate: Clobetasolpropionat (Shampoo oder Schaum); anschließend fixe Calcipotriol / Betamethason-Kombination 1–2 × /Woche als Erhaltungstherapie

Genital-bereich

Initialtherapie mit steroidal / antimykotischem Kombinationspräparat (z. B. Flupredniden / Miconazol Creme), anschließend Kombination von Vitamin-D-Analoga (z. B. Tacalcitol) in Kombination mit Off-Label- Anwendung von Calcineurin-Inhibitoren;Behandlung der Rima ani mit nystatinhaltiger Paste

Nägel Versuch der Lokaltherapie mit potentem Lokaltsteroid (z. B. Clobeta-solLösung) in Kombination mit Vitamin-D-Analogon (z. B. Calsipotriol-Lösung); bei DLQI > 10 und Nagelmatrixbefall Systemtherapie

Tab. 2 Biologics zur Therapie der Plaque-Psoriasis; Dosierungen und Wirk-samkeit nach der Induktionsphase (nach [1, 4]).

Substanz Dosierung Mittlere Ansprechrate (PASI 75) (Induktionsphase)

Ustekinumab 45/90 mg (gewichtsadaptiert) in Woche 0 und 4, danach alle 12 Wochen

67–74 % (12 Wochen)

Adalimumab initial 80 mg, dann nach einer Woche 40mg s. c. alle 2 Wochen

71 % (16 Wochen)

Infliximab 5 mg/kg KGinitial Infusion an Tag 0, Woche 2 und Woche 6; Erhaltungstherapie alle 8 Wochen

80 % (10 Wochen)

Etanercept 2 × 25 mg/Woche1 × 50 mg/Woche2 × 50 mg/Woche

34 % (12 Wochen)38 % (12 Wochen)49 % (12 Wochen)

State of the Art

31Kompendium Dermatologie 9. Jahrg. 2013, Nr. 1

KompDerm2013.indb 31 08.04.13 17:05

AusblickDie moderne Therapie der

Plaque­Psoriasis verdeutlichet den Wandel, der sich in der Dermatolo­gie der letzten 2 Dekaden vollzogen hat: Von einem eher morphologisch geprägten Fach der isolierten Be­trachtung des Organs Haut und weitgehend topisch geprägten The­rapieansätzen hin zu einem auf modernen, klar definierten Patho­mechanismen fußendem Fach, das sich zunehmend systemischer The­rapieansätze bedient. Auch wenn eine endgültige Heilung der Pso­riasis bislang nicht in Sicht ist, kann diese psychosozial erheblich stigma­tisierende Hautkrankheit langzeit­

kontrolliert werden mit positiven Rückwirkungen auf bestehende Ko­morbiditäten.

Literatur1. Nast A, Boehncke WH, Mrowietz U et al.

S3-Leitlinie zur Therapie der Psoriasis vul-garis Update 2011. J Dtsch Dermatol Ges 2011; 9 (Suppl. S2): S1–S1042

2 Boehncke WH, Sterry W. Psoriasis – a s ystemic infalmmatory disorder: clinic, pathogenesis and therapeutic perspec-tives. J Dtsch Dermatol Ges 2009; 7: 946–952

3. Krüger G, Koo J, Lebwohl M et al. The im-pact of psoriasis on quality of life: results of a 1998 National Psoriasis Foundation patient-membership survey. Arch Derma-tol 2001; 137: 280–284

4. Von Kiedrowski R, Dirschka T, Kirchesch H et al. Psoriasis vulgaris – ein praxisnaher Behandlungspfad. Der Deutsche Derma-tologe 2011; 9: 1–8

5. Mrowietz U, Kragballe K, Reich K et al. Definition of treatment goals for moder-ate to severe psoriasis: a European con-sensus. Arch Dermatol Res 2011; 303: 1–10

6. Reich K, Shakery K, Dirschka T, Hartwig R, Oster-Schmidt C. Erythematöse, erythe-matosquamöse und pustulöse Erkrankun-gen. In: Dirschka T, Hartwig R, Oster-Schmidt C, Hrsg. Klinikleitfaden Dermato-logie. 3. Aufl. München: Elsevier; 2011: 561–614

Korrespondenz:Prof. Dr. Thomas DirschkaDermatologische Praxis WuppertalSchuchardstr. 1542275 [email protected]

Seite 32

Anzeige

1/2 Seite quer, unten

Garbe_11EJ36_175x120_4cState of the Art

KompDerm2013.indb 32 08.04.13 17:05

Telefonbestellung:0711/ 89 31-900

Kundenservice @thieme.de

Faxbestellung:0711/ 89 31-901 www.thieme.de

Jetzt bestellen:

Prei

sänd

erun

gen

und

Irrtü

mer

vor

beha

lten.

Lie

feru

ng z

zgl.

Vers

andk

oste

n. B

ei L

iefe

rung

en

in [D

] bet

rage

n di

ese

3,95

€ p

ro B

este

llung

. Ab

50 €

Bes

tellw

ert e

rfol

gt d

ie L

iefe

rung

ve

rsan

d kos

tenf

rei.

Bei L

iefe

rung

en a

ußer

halb

[D] w

erde

n di

e an

falle

nden

Ver

sand

kost

en

wei

ter b

erec

hnet

. Sch

wei

zer P

reis

e si

nd u

nver

bind

liche

Pre

isem

pfeh

lung

en. 1

1EJ3

6

mit standardisierter SicherheitIndividuelle Therapie

Dermatologische RezepturenGarbe/Reimann2., vollst. neu bearb. Aufl. 2005 320 S., 10 Abb. ISBN 978 3 13 107292 4

39,95 € [D] 41,10 € [A]/67,90 CHF

Für Dermatologen und Apotheker• Die wichtigsten offiziellen Grundlagen in konzentrierter Form• Vorstellung der Wirkstoffe und Hilfsstoffe• Praxisnahe Darstellung der Rezepturen nach medizinischen

und wirtschaftlichen Gesichtspunkten• Zahlreiche Tabellen zu Kompatibilität und

Haltbarkeit inkl. Preisvergleichen

Anz_Garbe_11EJ36_175x120_4c.indd 1 02.01.2012 15:50:43

Sans titre-1 2 09/04/13 09:31

Trichologie – State of the ArtVernarbende Alopezien

Prof. Dr. Hans Wolff, München

Vernarbende und atrophisierende Alopezien sind eine heterogene Gruppe von Erkrankungen unterschiedlicher Ätiologie [1, 2]. Sie sind zwar relativ selten, aber extrem chronisch. Daher

ist die Wahrscheinlichkeit, als nieder-gelassener Hautarzt hierzu konsultiert

zu werden, relativ groß. Des wegen sollen im Folgenden die häufigsten

vernarbenden oder atrophisierenden Alopezien besprochen werden.

Folliculitis decalvansDie Folliculitis decalvans kann

sowohl Männer als auch Frauen be­treffen [3]. Es handelt sich um eine granulozytär geprägte Entzündung mit Destruktion der Haarfollikel und der Kopfhaut. Pathogenetisch rele­vant ist ein Zusammenspiel zwi­schen inflammatorisch wirkenden Staphylokokken und einer über­schießenden Entzündungsantwort. Am geröteten Rand narbig­atrophi­scher Areale finden sich stark ent­zündete Papeln, Pusteln und Krusten (Abb. 1). Fast alle Betroffenen haben sehr kräftige Haare. Bei Ausbildung einer androgenetischen Alopezie verschwindet die Folliculitis decal­vans in den haarlosen Arealen. Bei fortschreitender Entzündung und Vernarbung kann es zur Ausbildung von Büschel­ oder Pinselhaaren kom­men. Dabei treten 5–10 Haare aus einer gemeinsamen Öffnung aus. Sie stellen eine ideale Eintrittspforte für Staphylokokken dar und führen so zur weiteren Verschlimmerung der Entzündung.

Bilder: © Prof. Dr. Hans Wolff

Die Behandlung der Folliculitis decalvans ist langwierig und schwie­rig. Als Basistherapie steht die Ver­minderung der Staphylokokken im Vordergrund. Wichtig ist die tägliche Kopfwäsche mit keimvermindern­den Schampoos mit Wirkstoffen wie z. B. Ciclopiroxolamin oder einem Schwefel­Salizylsäure­Komplex. Da­nach muss die Kopfhaut trocken ge­fönt werden, damit den Staphylo­kokken der Boden zur Vermehrung entzogen wird. Systemische Antibio­tikatherapien über 4–8 Wochen mit Clarithromycin oder Doxycyclin können Besserung erzielen, oft tre­ten jedoch wieder Rezidive auf. Einer Publikation von Powell et al. [3] folgend, wird folgendes Antibiotika­Schema bevorzugt: Clindamycin (300 – 0 – 300 mg) und Rifampicin (300 – 0 – 300 mg) über einen Zeit­raum von 6–12 Wochen. Danach sind alle Patienten erscheinungsfrei, zum Teil über viele Monate hinweg [3, 4]. Bei etwa der Hälfte der Behan­delten kommt es zu Rezidiven, die erneuter Therapie bedürfen. Ein Teil

State of the Art

33Kompendium Dermatologie 9. Jahrg. 2013, Nr. 1

KompDerm2013.indb 33 08.04.13 17:05

der Patienten muss die Therapie we­gen gastrointestinaler Nebenwir­kungen abbrechen [4].

Um Rezidive zu vermeiden, müs­sen möglichst alle Büschelhaarfolli­kel operativ aus der Kopfhaut ent­fernt werden, da sie wie ein Docht Staphylokokken in die Kopfhaut ziehen.

Lichen ruber follicularisBeim Lichen ruber der Kopfhaut

kommt es unterhalb der epiderma­len und follikulären Basalmembran­zone zur dichten Ansammlung von T­Lymphozyten, die vor allem dem CD4­positiven T­Helfer­Typ angehö­ren [5, 6]. In dem subepidermalen Infiltrat finden sich außerdem noch Histiozyten. Eine Hypothese zur Pa­thogenese ist, dass der Lichen ruber eine fehlgesteuerte zelluläre Im­munantwort auf ein unbekanntes Antigen in der Basalmembranzone ist. Fatalerweise neigen die T­Lympho­zyten des Lichen ruber dazu, die fol­likulären Stammzellen in der Wulst­Region des Haarfollikels zu zerstö­ren, was den Untergang des gesam­ten Haarfollikels zur Folge hat [5].

Klinisch typisch ist eine kleinfle­ckige, narbige Alopezie mit rand­ständigen follikulären Hyperkerato­sen. Es scheint, als trügen die Haare am Rand eines betroffenen Areals eine eng sitzende, weiße Halskrause (peripiläre Schuppenkrause). Oft zeigt sich in der unmittelbaren Um­gebung des Haarfollikels ein livid­entzündliches Erythem (Abb. 2).

Im Gegensatz zum stark jucken­den Lichen ruber des Integuments, ist der Lichen planopilaris meist asymptomatisch und besteht oft be­reits seit Jahren, ehe er bemerkt wird. Der Verlauf ist chronisch. Nur selten zeigen sich am übrigen Inte­gument weitere Ausprägungen des Lichen ruber wie z. B. die intensiv ju­ckenden, polygonalen Papeln und Knötchen am Handgelenk. Vom Gra­ham­Lasseur­Little­Syndrom spricht man, wenn neben einem follikulären Lichen ruber am Integument und der Kopfhaut auch dystrophische Veränderungen der Finger­ und Fuß­nägel vorliegen.

Insgesamt sind die therapeuti­schen Erfolge beim Lichen ruber fol­licularis selbst bei Verwendung star­ker topischer Kortikosteroide unbe­friedigend. Die gelegentlich beschrie­bene Therapie mit dem systemischen Retinoid Acitretin muss meist auf­grund von Nebenwirkungen abge­brochen werden; selbst bei längerer

Gabe stellte sich keine befriedigende Wirkung ein. Dies gilt leider auch für den individuellen Heilversuch mit Pioglitazon, das kasuistisch als wirk­sam beschrieben worden ist [7].

Frontal fibrosierende AlopezieDer Australier Steven Kossard

beschrieb 1994 ein Krankheitsbild, das er postmenopausal frontal fibro­sing alopecia nannte [8]. Die fast nur bei älteren Frauen vorkommende Er­krankung wird als Variante des Li­chen ruber follicularis angesehen [9]. Pathogenetisch relevant ist auch hier eine Zerstörung von Haarfolli­keln der Kopfhaut und Augenbrauen durch T­Lymphozyten.

Schleichend über Jahre kommt es zu einem symmetrischen Zurück­weichen der Stirn­Haar­Grenze so­wie des seitlichen Haaransatzes in der Schläfenregion [10]. Die freige­legte Haut ist blass­atrophisch und grenzt sich meist klar von der licht­gealterten Stirnhaut ab (Abb. 3).

Auf den ersten Blick erinnert der Haarverlust an eine androgenetische Alopezie des Mannes. Am Haaran­satz zeigen sich oft perifollikuläre Erytheme. Fast immer findet man eine Rarefizierung der Augenbrauen.

Eine sicher wirksame Therapie ist nicht bekannt. Allerdings er­scheint ein Therapieversuch mit ört­lich angewendeten Kortikosteroiden und Calcineurin­Inhibitoren ge­rechtfertigt, um die Haare in der ent­zündlichen Progressionszone zu schützen.

Abb. 2 Lichen ruber follicularis: Atrophisierende Alopezie mit peri-pilärer Rötung und halskrausen-artiger Schup-pung.

Abb. 1 Folli-culitis decalvans: Narbige Alopezie mit entzünd-lichen Papeln, Pusteln und Krusten, sowie Büschelhaaren.

State of the Art

34 Kompendium Dermatologie 9. Jahrg. 2013, Nr. 1

KompDerm2013.indb 34 08.04.13 17:05

Fazit für die PraxisVernarbende Alopezien lassen

sich meist bereits klinisch klar diffe­renzieren:

● Die Folliculitis decalvans zeigt vernarbte, haarlose Kopfhaut­areale mit entzündlichen Papeln, Pusteln und Krusten im Rand­bereich.

● Der Lichen ruber weist peripiläre Rötung und Schuppenkrause auf.

● Die postmenopausale frontal fibro sierende Alopezie (Kossard) zeigt eine typische bandartige Alopezie am Haaransatz und den Velust der Augenbrauen.

Die Behandlung der vernarben­den Alopezien ist schwierig bei der Folliculitis decalvans, sehr schwierig beim Lichen ruber und meist frust­ran bei der frontal fibrosierenden Alopezie Kossard.

Literatur 1. Sperling LC, Solomon AR, Whiting DA.

A new look at scarring alopecia. Arch Dermatol 2000; 136: 235–242

2. Hermes B, Paus R. “Vernarbende” Alope-zien. Hautarzt 1998; 49: 462–472

3. Powell JJ, Dawber RP, Gatter K. Folliculitis decalvans including tufted folliculitis: clin-ical, histological and therapeutic findings. Br J Dermatol 1999; 140: 328–333

4 Stockmeier M, Kunte C, Feldmann G et al. Folliculitis decalvans – Behandlung mit einer systemischen Rifampicin- Clin da my-cin-Kombinationstherapie bei 17 Patien-ten. Akt Dermatol 2001; 27: 361–363

5. Mehregan DA, Van Hale HM, Muller SA. Lichen planopilaris: clinical and patho-logic study of forty-five patients. J Am Acad Dermatol 1992; 27: 935–942

6. Tan E, Martinka M, Ball N et al. Primary cicatricial alopecias: clinicopathology of 112 cases. J Am Acad Dermatol 2004; 50: 25–32

7. Mirmirani P,Karnik P. Lichen planopilaris treated with a peroxisome proliferator-activated receptor gamma agonist. Arch Dermatol 2009; 145: 1363–1366

8. Kossard S. Postmenopausal frontal fibro-sing alopecia. Scarring alopecia in a pat-tern distribution. Arch Dermatol 1994; 130: 770–774

9. Kossard S, Lee MS, Wilkinson B. Post-menopausal frontal fibrosing alopecia: a frontal variant of lichen planopilaris. J Am Acad Dermatol 1997; 36: 59–66

10. MacDonald A, Clark C, Holmes S. Frontal fibrosing alopecia: a review of 60 c ases. J Am Acad Dermatol 2012; 67: 955–961

Korrespondenz:Prof. Dr. Hans WolffKlinik und Poliklinik für Dermatologie und AllergologieLudwig-Maximilians-Universität MünchenFrauenlobstr. 9–1180337 Mü[email protected]

Abb. 3 Post-menopausale fron-tal fibrosierende Alopezie (Kossard): Bandartige frontale und temporale Alopezie mit irre-versiblem Verlust der Augenbrauen.

Seite 35

Anzeige 1/3 hoch, rechts

Image_E-Books_55x248_4c

KompDerm2013.indb 35 08.04.13 17:05

PC Laptop Smartphone

Tablet Reader

Viele Bücher gibt es jetzt auch als E-Book, sowohl als PDF wie auch als ePub.

Informieren Sie sich einfach unter

www.thieme.de/ shop

… jetzt auch für

Ihre Fachbücher …

Image_E-Books_55x248_4c.indd 1 13.11.2012 10:42:19

Sans titre-1 3 09/04/13 09:33

Mykologie –State of the ArtProf. Dr. Pietro Nenoff, Mölbis

Die Dermatomykologie beschäftigt sich im Jahr 2013 mit dem Pro und Kontra des Lasers zur Behandlung

der Onychomykose. Es besteht eine Diskrepanz zwischen In-vitro- und

In-vivo-Ergebnissen der Laseran-wendung am Pilz und am Nagel. Eine endgültige Bewertung steht noch aus.

Moderne molekulare Methoden des Direktnachweises von Dermato-

phyten im klinischen Material mittels Polymerasekettenreaktion (PCR) sind auf dem Vormarsch, ebenso appara-

tive Identifizierungsmethoden von Pilzen, z. B. die MALDI-TOF-Massen-

spektroskopie. In der täglichen Praxis stößt der Dermatologe heute wieder auf Microsporum audouinii, besorg-niserregend sind schwer zu beherr-

schende Kleinraum-Ausbrüche in Kindergärten und Schulen. Auf die

Zunahme zoophiler Dermatophytose-Erreger, an erster Stelle Arthroderma benhamiae, muss unbedingt verwie-

sen werden.

Laser zur Behandlung der Onychomykose?Kaum ein Thema in der Myko­

logie und Dermatologie wird aktuell so kontrovers diskutiert, wie der Einsatz von Lasern zur Behandlung der Onychomykose. Das Spektrum reicht von totaler Ablehnung [1], bis zur Darstellung als neue hoffnungs­volle Therapieform, die „alte“ neben­wirkungsreiche Behandlungssche­mata wie systemische Antimykotika ersetzen kann [2]. Sicher liegt – wie oft – die Wahrheit in der Mitte. Das Prinzip besteht in der Erwärmung des Nagelbetts. Die erreichte Tempe­ratur beträgt nicht mehr als 40 °C (besser wären eigentlich 45 °C), da bei höheren Temperaturen Schmer­zen auftreten, die für den Patienten nicht mehr akzeptabel sind. Es lie­gen bisher wenige publizierte Ergeb­nisse von klinischen Untersuchungen vor [3]. Kritikpunkt scheint u. a. zu sein, dass der Nachbeobachtungs­zeitraum sehr kurz ist.

Zhang et al. [4, 5] aus China be­richteten auf dem Weltkongress der Mykologie (ISHAM) 2012 in Berlin über Ergebnisse des Einsatzes eines

Bild

: © P

rof.

Dr.

Piet

ro N

enof

f

lang gepulsten Nd:YAG­1064­nm­Lasers bei der Onychomykose. 33 Pa­tienten (154 unterschiedlich be fal­lene Zehennägel) wurden mit dem Laser behandelt: Gruppe 1 1­mal wöchentlich über 8 Wochen, Gruppe 2 1­mal wöchentlich über 4 Wochen. In Gruppe 1 betrug die Wirksamkeit in Woche 8, 16 und 24 jeweils 63 %, 62 % und 51 %, in Gruppe 2 68 %, 67 % und 53 %. Zwischen den Gruppen be­stand kein statistisch signifikanter Unterschied. Inwieweit sich diese akzeptablen Ergebnisse in größeren Studien mit einem längeren Nachbe­obachtungszeitraum bestätigen las­sen, muss abgewartet werden.

Dem steht entgegen, dass es in vitro offensichtlich keinen pilzabtö­tenden oder wachstumshemmen­den Effekt der Lasertherapie gibt. Hees et al. [6] aus der Laserklinik Karlsruhe behandelten Trichophyton­rubrum­Kolonien auf Agarplatten mit einem langgepulsten Nd:YAG­Laser (1064 nm, 45 J/cm² und 100 J/cm²) sowie einem gütegeschalteten Nd:YAG­Laser (1064 nm, 4 J/cm² und 8 J/cm²; 532 nm, 8 J/cm²). Interessan­terweise zeigte keine der Platten

State of the Art

36 Kompendium Dermatologie 9. Jahrg. 2013, Nr. 1

KompDerm2013.indb 36 08.04.13 17:05

eine Einschränkung des Pilzwachs­tums infolge der Lasertherapie.

Problematisch könnten bleibende Schädigungen der Nagelmatrix infol­ge der Lasertherapie sein. Es gibt die Empfehlung, dass zwar die Lunala mit Laser behandelt werden kann, nicht jedoch die Nagelmatrix. Dem steht entgegen, dass Vertreiber von Lasergeräten auch die Behandlung der Nagelmatrix empfehlen (1064 nm Diodenlaser). In der Praxis sollte man, solange keine eindeutigen ge­sicherten wissenschaftlichen Er­kenntnisse vorliegen, insbesondere mit höheren Energiedichten im Be­reich der Nagelmatrix eher zurück­haltend sein.

Die immer wieder genannte Zu­lassung der Onychomykose­Laser­therapie in den USA durch die Food and Drug Administration (FDA) ist nicht gleichzusetzen mit nachgewie­sener Wirksamkeit, sondern steht nur für die Sicherheit der Behand­lung. Darüber hinaus sagt die FDA lediglich, dass mit Lasertherapie eine zeitweilige Besserung der Ony­chomykose erzielt werden kann („temporary improvement in nail appearance” oder „temporary incre­ase in clear nails”), nicht jedoch eine Heilung.

Prof. Theodore Rosen, Houston, USA, fragte während seiner Präsen­tation „Laser Therapy of Onychomy­cosis” auf dem Kongress der Ameri­can Academy of Dermatology (März 2012) rhetorisch: „Is laser therapy the future of onychomycosis therapy?” [7]. Seiner Meinung nach wäre dies sehr schön, im Moment ist jedoch allen falls von einer hoffnungsvollen Möglichkeit auszugehen. Es fehlen noch Daten, insbesondere Langzeit­Follow­up­Studien zur Wirksamkeit der Onychomykose­Lasertherapie.

Paronychie und Onychomykose durch Fusarium oxysporum Infektionen der Nägel und des

Nagelapparats durch Schimmelpilze gelten als zunehmendes Problem. Fusarium spp. sind per se „emerging

pathogens“ in der Dermatomykolo­gie; auch in Deutschland [8]. Ein in­teressanter Therapieansatz wurde von Brasch & Wohlfeil aus Kiel vor­gestellt [9]. Eine 51­jährige Patientin mit eitriger Paronychie und Onycho­dystrophie eines Fingernagels wurde vorab unter diversen Verdachtsdiag­nosen (bakterielle Paronychie, Kan­didose, Acrodermatitis, Tinea ungui­um) erfolglos lokal und systemisch mit diversen Antibiotika und Anti­mykotika behandelt. Bei der mykolo­gischen Diagnostik fanden sich keine Dermatophyten, auch nicht mittels PCR. Kulturell war jedoch Fusarium oxysporum nachweisbar. Das Isolat war in vitro resistent gegen Fluco­nazol, Itraconazol, Voriconazol und Caspofungin, jedoch empfindlich ge­gen Amphotericin B. Die Therapie mit atraumatischer Nagelablösung (Harn­stoff) und Anwendung einer topi­schen Amphotericin B­Suspension war erfolgreich. Fünf Monate später wuchs die Nagelplatte wieder ge­sund aus der Nagelmatrix heraus.

Real-Time-PCR zum Dermatophyten-NachweisEine Studie aus Frankreich, vor­

gestellt ebenfalls auf dem ISHAM­Kongress 2012 in Berlin, verglich den Wert einer neuen, molekular­biologischen Methode – die Real­Time­PCR zum direkten Nachweis von Dermatophyten aus klinischem Material – mit den konventionellen mikroskopischen und kulturellen Methoden [10]. Die Real­Time­PCR ist zwar apparativ aufwendig; ein­mal etabliert, stellt sie jedoch eine vergleichsweise schnell durchführ­bare, hochspezifische und empfind­liche molekulare Methode der Amp­lifizierung und gleichzeitigen Quan­tifizierung der DNS dar. Die Untersu­chung aus Frankreich zeigte, dass trotzdem auch kritisch mit den Er­gebnissen der Real­Time­PCR umge­gangen werden muss. Falsch­negati­ve Ergebnisse sind möglich, v. a. in­folge einer inhomogenen Verteilung der Dermatophyten­DNS im Haut­ oder Nagelmaterial. Das Fazit der

Studie lautete deshalb, dass im Mo­ment auf die konventionelle Diag­nostik nicht verzichtet werden sollte. Nach wie vor sind Nativpräparat (am besten als fluoreszenzoptisches Präparat mit Blankophor / Calcofluor oder die preiswerte Variante mit Acridinium orange) und kultureller Pilznachweis die Grundlage der der­matomykologischen Diagnostik. Sie können ergänzt werden durch mole­kulare Methoden, z. B. mit der Real­Time­PCR zum Dermatophyten­DNS­Nachweis.

Neue molekulare Methoden zur Dermatophyten-DifferenzierungNeben dem Direktnachweis von

Pilzen in klinischem Material mit molekularen Techniken, wie z. B. der PCR, ist die Matrix­Assisted­La­ser­Desorption/Ionisation­Time­Of­Flight­Mass­Spectrometry (MALDI­TOF­MS) als Kulturbestätigungstest zur Differenzierung von Fadenpilzen mittlerweile etabliert [11, 12]. Der Zeitvorteil ist immens, es lassen sich bis zu 64 Dermatophyten­Stämme gleichzeitig identifizieren, das Er­gebnis liegt innerhalb von Minuten vor. In allen mittelgroßen und gro­ßen Laboren in Deutschland sind Großgeräte für die MALDI­TOF­MS verfügbar. Die Spezifität der Bestim­mung – anhand des Protein­Massen­Fingerprintabdrucks bzw. Massen­spektrums – ist hoch. Trotzdem soll­te immer die Plausibilität der diffe­renzierten Spezies geprüft werden. Wenn beispielsweise die MALDI­TOF­MS­Analyse die Spezies Tricho­phyton tonsurans ergibt, das Isolat aber aus Nagelspänen einer 62­jäh­rigen Patientin stammt, dann ist eine kritische Betrachtung ange­bracht. Im konkreten Fall erbrachte die einfache mikroskopische Unter­suchung im Lactophenol­Baumwoll­blau­Präparat eindeutige Merkmale von Trichophyton inter digitale, ins­besondere massenhaft Spiralhy­phen. Hier ist der mykologisch tätige Hautarzt aufgrund seiner klinischen Erfahrung eindeutig im Vorteil.

State of the Art

37Kompendium Dermatologie 9. Jahrg. 2013, Nr. 1

KompDerm2013.indb 37 08.04.13 17:05

Renaissance des „Waisenhauspilzes“ in DeutschlandMicrosporum audouinii ist ein

besonders für Kinder hochanste­ckender anthropophiler Dermato­phyt (Abb. 1). Bis in die 1950er­Jahre war der auch als „Waisenhauspilz“ bezeichnete Dermatophyt in Schu­len sehr verbreitet. Man fand diesen Tinea­capitis­Erreger dann jahr­zehntelang so gut wie nicht mehr in Deutschland. Seit 2–3 Jahren hat dieser Pilz hierzulande jedoch eine Renaissance erlebt. Wahrscheinlich durch infizierte Eingereiste aus Afrika nach Deutschland eingeschleppt, kam es zu kleineren und größeren En­demien in Kindergärten und Schulen. Das Befallsmuster von Microsporum audouinii an der Haarwurzel ist vom Endo­Ektothrix­Typ. Es bildet sich ein mosaikähnlicher Sporenmantel um das Haar, welches Elastizität verliert und abbricht. Die Herde fluoreszie­ren grün unter Wood­Licht [13].

Aktuell werden aus München, Wittlich (Rheinland­Pfalz), Berlin und Hannover Ausbrüche in Kinder­einrichtungen registriert. Insbeson­dere in München und Hannover war das Ausmaß dergestalt, dass das Re­ferat für Gesundheit und Umwelt eingeschaltet werden musste [14, 15]. Die Infektion wird vorzugsweise von Mensch zu Mensch übertragen. Zeitgleich kam es auch in der Schweiz zu einem gut dokumentier­ten Ausbruch von Microsporum­au­douinii­Infektionen [16]. Weder Ter­binafin, noch Fluconazol hatten ei­nen Effekt auf die Tinea capitis. Zwei Kinder wurden erst nach Wechsel zu Griseofulvin geheilt, das dritte Kind mit Itraconazol. Um symptomlose Träger des anthropophilen Dermato­phyten zu identifizieren, wurden die Familien der Kinder sowie 3 Schul­klassen einem Screening mit der „Zahnbürstentechnik“ unterzogen. Alternativ wird in Deutschland zum Screening auf Tinea capitis die „Haarbürstenmethode“ eingesetzt. Drei Familienangehörige und 5 Klas­senkameraden waren Träger von

Microsporum audouinii. Alle wurden konsequent behandelt (Familienmit­glieder mit Griseofulvin oral, Klas­senkameraden mit Ketoconazol­Shampoo), um eine Reinfektion zu verhindern.

Immer wieder wird nach der Notwendigkeit der Isolierung der betroffenen Kinder gefragt. Im Falle der beiden Ausbrüche der Microspo­rum­audouinii­Infektionen in Mün­chen 2011 und 2012 wurden die Kinder 6 Wochen lang isoliert [17]. Das erscheint jedoch für die betrof­fenen Familien kaum praktikabel. Eine Grundregel besagt, dass Kinder mit Befall durch zoophile Dermato­phytose­Erreger sofort nach Initiie­rung der topischen und systemi­schen antimykotischen Behandlung die Kindereinrichtung wieder aufsu­chen können. Höher ansteckende anthropophile Dermatophytose­Er­reger, z. B. Microsporum audouinii und Trichophyton tonsurans, bedür­fen einer allenfalls 1­wöchigen Iso­lierung zu Hause.

Mykosen durch HaustiereIm Jahr 2011 ging man in deut­

schen Haushalten von 22 Mio. Heim­tieren (ohne Zierfische und Terrari­entiere) aus, davon ca. 8,2 Mio. Kat­

zen, 5,4 Mio. Hunden und 5,1 Mio. Kleintieren [18]. Betroffen von zoo­philen Dermatophytosen sind häufig Kinder und Jugendliche infolge di­rekter Übertragung vom Tier oder durch Ansteckung im Rahmen von Ausbrüchen innerhalb einer Familie oder Kindereinrichtung. Die meist hochentzündlichen Dermatophyto­sen der freien Haut und Kopfhaut werden durch Microsporum canis verursacht. Aufgrund fehlender Mel­depflicht in Deutschland hat sich ein nahezu unbemerkter Erregerwandel vollzogen, hin zu Infektionen durch zoophile Stämme von Trichophyton interdigitale (früher Trichophyton mentagrophytes) sowie neuerdings auch zu Trichophyton spec. von Ar­thro derma benhamiae [19]. Bei letz­terem Dermatophyten handelt es sich um die anamorphe Spezies der teleomorphen Art Arthroderma ben­hamiae, welche ursprünglich in Ja­pan beschrieben wurde. Infektions­quelle für diese Hautpilze sind klei­ne Nagetiere (insbesondere Meer­schweinchen).

Die Wahrnehmung seitens der Kinder­ und Hausärzte für durch Kontakt zu Haustieren erworbenen Dermatomykosen ist im Gegensatz zu den bakteriellen Infektionen eher

Abb. 1 Microsporum audouinii bei Tinea capitis: typische leicht ockerfarbene bis beige Kolonien eines Isolats aus Uganda, Ostafrika.

State of the Art

38 Kompendium Dermatologie 9. Jahrg. 2013, Nr. 1

KompDerm2013.indb 38 08.04.13 17:05

marginal bis fehlend. Hier hat der Hautarzt aufgrund seiner klinischen Erfahrung mit den Pilzinfektionen durch Haustiere, aber auch durch die in der eigenen Praxis durchgeführte effektive mykologische Diagnostik einen eindeutigen Vorteil.

Neue kulturbasierte Methode zur Identifizierung von Arthroderma benhamiae in der PraxisMayser und Budihardja [20] ha­

ben kürzlich eine verblüffend ein­fache Methode für die Differenzie­rung von Arthroderma benhamiae­Stämmen veröffentlicht. Arthroder­ma benhamiae wird aufgrund der gelben Koloniefärbung oft nicht er­kannt, sondern fälschlicherweise mit Microsporum canis, Trichophy­ton erinacei oder Trichophyton ton­surans (Variatio sulphureum) ver­wechselt. Den mykologisch versier­ten Kollegen aus Gießen ist es gelun­gen, unter Einsatz einer Subkultur der Isolate auf einem Chromagar (Differenzierungsmedium für Hefe­pilze) Arthroderma benhamiae schon makroskopisch darzustellen. Alle Microsporum­canis­Stämme entwi­ckelten eine rosa bis violette Fär­bung der Kolonien, dagegen waren Arthroderma­benhamiae­Kolonien türkis gefärbt (5 von 6 Stämmen).

Die eindeutige Artidentifizie­rung ist insbesondere bei Dermato­mykosen von Kindern bedeutsam, hier v. a. bei Tinea capitis. Abhängig vom Erreger ist bei Kindern zu

entscheiden, welches systemische Antimykotikum bei welcher Der­matophyten­Spezies zum Einsatz kommt.

Literatur 1. Tietz HJ, Nenoff P. Die Onychomykose –

ein Kronjuwel der Dermatologie. Haut-arzt 2012; 63: 842–847

2. Ledon JA, Savas J, Franca K et al. Laser and light therapy for onychomycosis: a systematic review. Lasers Med Sci 2012; DOI: 10.1007/s10103-012-1232-y

3. Tchernev G, Penev P, Nenoff P et al. Onychomycosis – modern diagnostic and treatment approaches. WMW Wien Med Wochenschr 2013; 163: 1–12

4. Zhang RN, Zhuo FL, Zhao JY. Long-pulse Nd: YAG 1064 nm laser treatment for Onychomycosis. Poster-Abstract P516, Mycoses 2012; 55 (Suppl. 4): 257–258

5. Zhang RN, Wang DK, Zhuo FL et al. Long-pulse Nd:YAG 1064-nm laser treat-ment for onychomycosis. Chin Med J (Engl) 2012; 125: 3288–3291

6. Hees H, Raulin C, Bäumler W. Der Laser in der Behandlung der Onychomykose: eine In-vitro-Pilotstudie. J Dtsch Derma-tol Ges 2012; 10: 913–917

7. American Academy of Dermatology. FDA approval of laser therapy for onych-omycosis does not equate to proven ef-ficacy (18.3.2012). Im Internet: http://dermatologistsblog.com/aad-american-academy-dermatology/fda-approval-of-laser-therapy-for-onychomycosis-does-not-equate-to-proven-efficacy/; Stand: 8. 1. 2013

8. Brasch J. Dermatomykosen durch Fusa-rien. Hautarzt 2012; 63: 872–876

9. Brasch J, Wohlfeil E. Recalcitrant puru-lent paronychia and onychomycosis caused by Fusarium oxysporum. Poster-Abstract P550, ISHAM-Congress 2012, Mycoses 2012; 55 (Suppl. 4): 267–268

10. Paugam A, L’Ollivier C, Viguié C et al. Comparison of real-time PCR with con-ventional methods to detect dermato-phytes in samples from patients with suspected dermatophytosis. Poster-Ab-stract P537, ISHAM-Congress 2012, My-coses 2012; 55 (Suppl. 4): 264

11. Nenoff P, Erhard M, Simon JC et al. MALDI-TOF mass spectrometry – a rapid meth od for identification of dermato-phyte species. Med Mycol 2013; 51: 17–24

12. de Respinis S, Tonolla M, Pranghofer S et al. Identification of dermatophytes by matrix-assisted laser desorption/ioniza-tion time-of-flight mass spectrometry. Med Mycol 2012; DOI: 10.3109/13693786. 2012.746476

13. Seeliger HRP, Heymer T. Diagnostik pa-thogener Pilze des Menschen und seiner Umwelt. Lehrbuch und Atlas. Stuttgart: Thieme; 1981

14. Stingl W. Kehrt der Kopfpilz M. audouinii zurück? Ärzte Zeitung, 8. 12. 2011

15. Gessner C. Nachweis mit Bürste, viele Träger symptomfrei. Waisenhaus-Pilz breitet sich in Kindergärten aus. Medical Tribune 2012; 47: 9

16. Donghi D, Hauser V, Bosshard PP. Micro-sporum audouinii tinea capitis in a Swiss school: assessment and management of patients and asymptomatic carriers. Med Mycol 2011; 49: 324–328

17. Traidl-Hoffmann C, Grosber M. Tinea capitis durch Microsporum audouinii – Klinisches Management epidemisch auf-tretender Infektionen. 17. Biedersteiner Symposium, München, 11. 2. 2012

18. Industrieverband Heimtierbedarf e.V. Deutscher Heimtiermarkt 2011 behaup-tet sich auf hohem Niveau. Im Internet: http://www.ivh-online.de/de/home/der-verband/daten-fakten.html; Stand: 8. 1. 2013

19. Nenoff P, Handrick W, Krüger C et al. Dermatomykosen durch Haus- und Nutz-tiere – vernachlässigte Infektionen? Haut-arzt 2012; 63: 848–858

20. Mayser P, Budihardja D. A simple and rapid method to differentiate Arthroder-ma benhamiae from Microsporum canis. J Dtsch Dermatol Ges 2012; DOI: 10.1111/ j.1610-0387.2012.08057.x.

Korrespondenz:Prof. Dr. Pietro NenoffLabor für medizinische Mikrobiologie Straße des Friedens 8 04579 Mölbis

State of the Art

39Kompendium Dermatologie 9. Jahrg. 2013, Nr. 1

KompDerm2013.indb 39 08.04.13 17:05

Wundmanagement – State of the ArtProf. Dr. Joachim Dissemond, Essen

Bislang existierte kein einheitlich ak-zeptierter Konsens über die Definition

chronischer Wunden. Probleme berei-teten hier neben der Berücksichtigung der Zeitdauer, insbesondere die sehr unterschiedlichen pathophysiologi-

schen Faktoren, die zu einer Behinde-rung der physiologischen Wundhei-lungsprozesse führen. In der im Juni

2012 erstmalig erschienenen S3-Leit-linie der Deutschen Gesellschaft für

Wundheilung und Wundbehandlung (DGfW) wurde nun festgehalten, dass eine Wunde als chronisch bezeichnet

werden kann, wenn diese seit min-destens 8 Wochen besteht.

Physiologisch läuft der sehr komplexe und bislang noch nicht vollständig verstandene

Wundheilungsprozess in verschie­denen Stadien ab. In den Fokus der grundlagenwissenschaftlichen For­schung ist in den letzten Jahren zu­nehmend die zentrale Bedeutung der Makrophagen gerückt. Makro­phagen spielen bei der Wundheilung eine große Rolle in der Immunab­wehr, in der Infektionskontrolle, der Entfernung apoptotischer Zellen und in der Förderung der Zellproliferation. Auch wenn in der physiologischen Wundheilung Makrophagen not­wendig sind, können sie bei unkont­rollierter Aktivierung die Wundhei­lung behindern. Das zunehmende Verständnis der komplexen Rolle von Makrophagen in der Wundheilung ermöglicht neue Interventionsoptio­nen wie beispielsweise den Einsatz von Eisenchelatoren oder TNF­alpha­Inhi bi toren.

Bild

: © T

hiem

e Ve

rlags

grup

pe

BakterienMRSAAuch wenn die Bedeutung von

Bakterien in chronischen Wunden in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus der Wundtherapie ge­rückt ist, bleibt es weiterhin wissen­schaftlich umstritten, inwieweit Bak­terien obligat zu einer Verzögerung der Wundheilung führen. Es ist je­doch unbestritten, dass chronische Wunden eine persistierende Ein­trittspforte für Bakterien darstellen, die zu klinisch relevanten Infekti­onskrankheiten wie beispielsweise Erysipelen oder Phlegmonen bis hin zu einer Sepsis führen können. Ein weiteres Problem, das sich insbeson­dere für die medizinischen Institu­tionen ergibt, resultiert aus dem Nachweis von sogenannten Problem­keimen wie dem Methicillin­resisten­ten Staphylococcus aureus (MRSA), der derzeit in Deutschland bei etwa 10 % aller Patienten mit einer chroni­schen Wunde gefunden werden kann. Obwohl es sich bei den meis­ten Patienten lediglich um eine kli­

State of the Art

40 Kompendium Dermatologie 9. Jahrg. 2013, Nr. 1

KompDerm2013.indb 40 08.04.13 17:05

nisch unproblematische Kolonisati­on handelt, ist es notwendig, die Pa­tienten isoliert in separaten Räum­lichkeiten zu behandeln.

Pseudomonas aeruginosaDer derzeit bei Patienten mit

chronischen Wunden nach Staphy­lococcus aureus am zweithäufigsten nachgewiesene Keim ist Pseudomo­nas aeruginosa. Die klinische Rele­vanz von Pseudomonaden als eigen­ständiger, die Wundheilung behin­dernder Faktor konnte in verschie­denen klinischen Untersuchungen bereits aufgezeigt werden. In Bezug auf die Abheilrate der Wunden die­ser Patienten konnte eine deutliche Korrelation lediglich zwischen dem Nachweis von Pseudomonas aeru­ginosa und pathologisch erhöhten CRP­Spiegeln gefunden werden.

Bei Patienten, die Spalthaut­transplantate erhalten haben, konn­te gezeigt werden, dass bei zwei Drittel der Patienten, auf deren Wunden Pseudomonas aeruginosa präoperativ nachgewiesen wurde, die Hauttransplantate nicht ange­wachsen sind. Dahingegen waren in dem gleichen Nachbeobachtungs­intervall von 12 Wochen bei 73 % der Patienten, bei denen kein Pseudo­monas aeruginosa gefunden wurde die Transplantate vital. Als klinische Konsequenz wurde empfohlen, ei­nen elektiven Eingriff wie beispiels­weise eine Spalthauttransplantation erst nach Eradikation von Pseudo­monas aeruginosa durchzuführen.

NeoplasienBiopsien haben in der dermato­

logischen Diagnostik einen sehr ho­hen Stellenwert. Lediglich in der Dia­gnostik von Patienten mit chroni­schen Wunden werden Biopsien selten durchgeführt. Aktuell konnte gezeigt werden, dass bei 10 % der Patien ten, die unter der Diagnose Ulcus cruris venosum oder mixtum behandelt wurden und sich über mehrere Monate bzw. teilweise über viele Jahre therapierefraktär zeigten, bei Entnahme einer Biopsie eine

Neoplasie zugrunde lag. Es wurde daher empfohlen, bei allen Patienten mit therapierefraktären Wunden nach 3 Monaten mindestens eine Bi­opsie zu entnehmen.

WundreinigungDie von Expertengremien aktuell

empfohlenen Wundspüllösungen sind sterile Ringer­ oder physiologi­sche Kochsalzlösung. Nach Anbruch ist die Sterilität nicht mehr gewähr­leistet, sodass nicht konservierte Spüllösungen für Wunden entspre­chend den Empfehlungen des Euro­päischen Arzneibuchs für den sofor­tigen Verbrauch bestimmt sind und Reste verworfen werden sollen. Ins­besondere im ambulanten Sektor kommt aber weiterhin Leitungswas­ser zum Einsatz, was in den ver­schiedenen Expertengremien aktu­ell sehr kontrovers diskutiert wird. So existiert eine Cochrane Metaana­lyse, die kein erhöhtes Infektionsri­siko durch die Wundreinigung mit Leitungswasser zeigt. Ein Kritik­punkt dieser Publikation ist, dass viele dieser Untersuchungen in Län­dern mit Leitungswasser durchge­führt wurden, dem Chlorverbindun­gen als Desinfektionsmittel zuge­setzt waren. Insofern ist ein direkter Vergleich mit dem trinkbaren Lei­tungswasser in Deutschland nur un­zureichend möglich. Der Vorstand der Initiative Chronische Wunde e. V. hat daher in einer aktuellen Stel­lungnahme zum Einsatz von Lei­tungswasser für die Wundsäube­rung noch einmal die rechtlichen und hygienischen Aspekte zusam­mengefasst. So müssen entspre­chend dem § 23 Abs. 23 des Infek­tionsschutzgesetzes medizinische Einrichtungen ihre Hygienepläne nach dem aktuellen Stand der Tech­nik ausrichten. Dieser aktuelle Stand basiert wesentlich auf den Empfeh­lungen der Kommission für Kran­kenhaushygiene und Infektionsprä­vention (KRINKO) am Robert­Koch­Institut. Hier wird aktuell festgelegt, dass für „offene Wunden Verband­wechsel nur unter aseptischen Vor­

sichtsmaßnahmen durchgeführt werden. Auch jede Spülflüssigkeit muss steril sein“. Der Einsatz von Leitungswasser ist entsprechend der Empfehlungen dieser Kommission nur statthaft, wenn es mit einem Fil­ter mit einer Porengröße von max. 0,2 µm filtriert wird. Wenn nun also Sterilfilter eingesetzt werden, ist der Einsatz von Leitungswasser für die Wundbehandlung insbesondere auch in Hinblick auf die weitere Ver­breitung von Pseudomonaden un­problematisch.

AntibiotikaIn der aktualisierten Version ei­

ner Cochrane Metaanalyse zum Ein­satz systemischer Antibiotika und lokal applizierter Antiseptika konnte gezeigt werden, dass bei Patienten mit einem chronischen Ulcus cruris venosum ohne das Vorliegen von systemischen Entzündungszeichen keine Beschleunigung der Wundhei­lung durch die Behandlung mit Anti­biotika erzielt werden kann. Es wird daher klar herausgestellt, dass die routinemäßige Gabe von Antibiotika bei diesen Patienten nicht sinnvoll ist und nur dann erfolgen sollte, wenn auch klinische Zeichen einer systemischen Infektion nachgewie­sen worden sind.

DébridementEs existieren verschiedene Opti­

onen für die Durchführung eines Dé­bridements, sodass die Auswahl in­dividuell adaptiert an den Patienten und die praktischen Möglichkeiten der medizinischen Institution erfol­gen sollte. Das chirurgische Débride­ment stellt meist die Methode der ersten Wahl dar, um möglichst rasch auch Patienten mit größeren Wun­den zu behandeln. Insbesondere bei Patienten mit langjährig bestehen­dem Ulcus cruris venosum besteht oft eine sehr ausgeprägte Dermatoli­posklerose, die im Rahmen eines chirurgischen Débridements abge­tragen werden sollte. Bei dieser als Shave­Therapie bezeichneten Me­thode wird meist in Voll­ oder Teil­

State of the Art

41Kompendium Dermatologie 9. Jahrg. 2013, Nr. 1

KompDerm2013.indb 41 08.04.13 17:05

narkose das bradytrophe Gewebe mit einem Handdermatom soweit abgetragen, bis der Wundgrund zu­mindest mit punktförmigen Blutun­gen vital erscheint. Der wesentliche Vorteil bei der Durchführung eines chirurgischen Débridements gegen­über sämtlichen anderen Optionen ist die Zeitersparnis. Allerdings steht demgegenüber die Invasivität und insbesondere die Schmerzhaftigkeit, sodass diese Option nicht bei allen Patienten genutzt werden kann. Eine neue sehr schmerzarme Alternative, zumindest für die Abtragung von nicht festhaftenden Belägen wie bei­spielsweise Fibrin, stellt ein neu ent­wickeltes Monofilament­Pad dar. Das Produkt besteht bei einer Größe von 10 × 10 cm aus einem dichten Verbund von 18 Mio. Polyesterfasern mit abgeschrägten Spitzen. Dieses Produkt schließt eine Lücke in der Behandlung von Patienten mit schmerzhaften Wunden, bei denen eine Abtragung von Fibrinbelägen etc. mit einer sterilen Kompresse zu schmerzhaft und ein chirurgisches Débridement nicht möglich oder nicht gewollt ist.

SchmerzenSchmerzen verschlechtern die

Lebensqualität, wirken ungünstig auf die Compliance der Patienten und verzögern als eigenständiger Ri­sikofaktor die Abheilung von Wun­den. Neben Bewegungseinschrän­kungen können Wundschmerzen zu einer sozialen Isolation und zu De­pressionen führen. Insgesamt 60 % aller Patienten mit chronischen Wunden geben an, zumindest tem­porär durch die Wunden bedingte Schmerzen zu haben. Für die Erfas­sung und Beurteilung von Schmer­

zen von Patienten mit chronischen Wunden existiert eine Reihe von Hilfsmitteln. Für die Beurteilung der Schmerzintensität im klinischen All­tag haben sich verschiedene Skalen etabliert. Neben der in Deutschland sehr weit verbreiteten visuellen Analogskala (VAS) kann ebenfalls eine numerische Analogskala (NRS) oder eine mit Wörtern beschreiben­de verbale Rating Skala (VRS) einge­setzt werden. Für die Wundtherapie gilt es insbesondere auf eine Ver­meidung zusätzlich entstehender Schmerzen durch adäquate, mög­lichst atraumatische Wundbehand­lung zu achten.

LokalanästhetikaSeit einigen Jahren sind Wund­

auflagen erhältlich, die Schmerzmit­tel freisetzen. Hier waren es insbe­sondere Schaumstoffe, die Ibuprofen freisetzen, die zunehmend in der Wundbehandlung eingesetzt wur­den. In einer Cochrane Metaanalyse wurde aber festgestellt, dass mit den derzeitigen Studien keine Schmerz­reduktion für die Ibuprofen­freiset­zenden Wundauflagen belegt wer­den konnte. Im Gegensatz hierzu fand sich für den Einsatz einer Lido­cain­ und Prilocain­Creme eine aus­reichende Evidenz für eine effektive Senkung der Schmerzen bei Patien­ten mit Ulcus cruris venosum. Lokal­anästhetika in Form einer Creme werden seit vielen Jahren erfolgreich insbesondere vor der Durchführung von schmerzhaften Prozeduren wie beispielsweise einem chirurgischen Débridement auf die Wundober­flächen aufgebracht. Wichtig ist es hierbei, eine ausreichende Penetra­tion, die frühestens nach 30–60 Mi­nuten erreicht ist, abzuwarten. Eine

bereits erstmalig vor mehreren Jahr­zehnten beschriebene, dann aber wenig eingesetzte weitere lokale analgetische Behandlungsoption ist der Einsatz von Magistralrezeptu­ren, die Morphinderivate enthalten. Die seit vielen Jahren beschriebene aber noch wenig verbreitete NRF­Magistralrezeptur (NRF: Neues Re­zeptur­Formularium) für ein Mor­phingel beinhaltet u. a. als Konser­vierungsstoff Propylenglycol. Es ist jedoch zu beachten, dass bis zu 14 % aller Patienten mit einem chroni­schen Ulcus cruris eine Kontaktsen­sibilisierung auf Propylenglycol auf­weisen. Am Universitätsklinikum Essen wurde daher eine modifizierte Rezeptur entwickelt, bei der das Morphingel mit dem Antiseptikum Polihexanid statt Propylenglycol konserviert wird (Tab. 1).

Tab. 1 Rezeptur eines Morphingels.

Morphinhydrochlorid- Trihydrat

0,1 g

Na-edetat 0,1 g

Hydroxyethylcellulose 400 4,5 g

Polihexanid-Konzentrat 20 % 0,2 ml

gereinigtes Wasser EuAB ad 100 g

In einer Pilotstudie konnte ge­zeigt werden, dass durch die Anwen­dung dieses Morphingels für 24 Stunden eine deutliche Schmerzre­duktion erzielt werden konnte.

Korrespondenz:Prof. Dr. Joachim DissemondUniversitätsklinikum EssenKlinik und Poliklinik für Dermatologie, Venerologie und AllergologieHufelandstraße 5545122 [email protected]

State of the Art

42 Kompendium Dermatologie 9. Jahrg. 2013, Nr. 1

KompDerm2013.indb 42 08.04.13 17:05

Geo

rg T

hiem

e Ve

rlag

KG, S

itz u

. Han

dels

regi

ster

Stu

ttga

rt,

HRA

349

9 ph

G: D

r. A.

Hau

ff. P

reis

ände

rung

en u

nd Ir

rtüm

er v

orbe

halte

n.

13EJ

27

Erscheint 12-mal in 10 Ausgaben. Persönlicher Jahresbezugspreis 2013: 258,- € Preis für Mitglieder der DGG 2013: 108,- € Preis für Ärzte in Weiterbildung 2013: 140,- € inkl. MwSt. zzgl. Versandkosten (Deutschland 29,90 €, Auslandspreise auf Anfrage)

Informationen zum institutionellen Bezugspreis* finden Sie unter www.thieme.de/derma *Gilt für Institutionen und Unternehmen (ausgenommen Einzelarztpraxen)

• aktuelle Informationen von den Experten des Fachgebiets

• Neues aus Diagnose und Therapie auf einen Blick

• beispielhafte Kasuistiken und Ergebnisse kritischer Therapie- prüfungen

• relevante Originalarbeiten lesefreundlich aufbereitet

• Zugriff auf das Online-Archiv für private Abonnenten kostenlos

• zertifizierte Fortbildung bequem online unter CME.thieme.de

Das ganze Spektrum Ihres Fachs

Mitglieder

der DGG sparen

150,– Euro!

Jetzt abonnieren:www.thieme.de/derma

Akt_Derma_Abo_13EJ27_210x280_4c.indd 1 02.01.2013 13:35:06

1 Hodi FS et al. 2010 N Engl J Med 2010;363(8):711-23, 2 YERVOY®-Fachinformation, Stand Juni 2012

Y E R V O Y ® I S T Z U R B E H A N D L U N G F O R T G E S C H R I T T E N E R

( N I C H T R E S E Z I E R B A R E R O D E R M E T A S T A S I E R T E R )

M E L A N O M E B E I V O R B E H A N D E L T E N E R W A C H S E N E N I N D I Z I E R T . 2

F O R T G E S C H R I T T E N E S M E L A N O M : Y E R V O Y ®

verlängern1

LebenImmunsystemmobilisieren

w w w . y e r v o y . d e

YERVOY® beim fortgeschrittenen Melanom:

• die erste Therapieoption mit signifi kantemVorteil beim Gesamtüberleben.1

• Steigerung des 1-Jahres-Überlebensvon 25 % auf 46 %.1

YERVOY® 5 mg/ml Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung. Wirkstoff: Ipilimumab. Sonst. Bestandteile: Trometamolhydrochlorid, Natriumchlorid, Mannitol, Pentetsäure, Polysorbat 80, Natrium hydroxid, Salzsäure und Wasser für Injektionszwecke. Anwendungsgebiete: Behandlung von fortgeschrittenen (nicht resezierbaren oder metastasierten) Melanomen bei vorbehandelten Erwachsenen. Gegenanzeigen: Überempfi ndlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile. Weitere Hinweise: YERVOY® wird mit entzündlichen Nebenwirkungen aufgrund einer erhöhten oder übermäßigen Immunaktivi-tät, die schwerwiegend bis lebensbedrohlich sein können,in Verbindung gebracht. Eine frühzeitige Diagnose und adäquate Behandlung sind zur Verhinderung lebensbedrohlicher Komplikationen entscheidend.Nebenwirkungen: sehr häufi g: Diarrhö, Erbrechen, Übelkeit, Hautausschlag, Juckreiz, Müdigkeit, Schwäche, Reaktion an der Injektionsstelle, Fieber, verminderter Appetit. häufi g: Tumorschmerzen, Anämie, Lym-phopenie, Hypothyreose, Hypopituitarismus, Hypophysitis, Dehydratation, Hypokaliämie, Verwirrtheit, Schwindel, Kopfschmerzen, Lethargie, periphere sensorische Neuropathie, verschwommenes Sehen, Augen-schmerzen, Hypotonie, Hautrötungen, Hitzewallungen, Dyspnoe, Husten, gastrointestinale Blutungen, Kolitis, Verstopfung, gastroösophagealer Refl ux, Bauchschmerzen, Leberfunktionsstörungen, Dermatitis, Erythem, Vitiligo, Urtikaria, Alopezie, Nachtschweiß, trockene Haut, Muskel-, Gelenk- und Skelettschmerzen, Muskelspasmus, Schüttelfrost, Asthenie, Ödeme, Schmerzen, erhöhte Leberwerte, Gewichtsabnahme. gelegentlich: Sepsis, septischer Schock, Infektionen der Harnwege und Atemwege, Meningitis, Gastroenteritis, Divertikulitis, paraneoplastisches Syndrom, Hyper sensitivität, Nebenniereninsuffi zienz, Hyperthyreose, Hypogonadismus, Hyponatriämie, Alkalose, Hypophosphatämie, Tumorlysesyndrom, Veränderung der psychischen Verfassung, Depression, verminderte Libido, Guillain-Barré-Syndrom, Synkope, kraniale Neuropathie, Gehirnödeme, periphere Neuropathie, Ataxie, Tremor, Myoklonie, Dysarthrie, Uveitis, Glaskörperblutun-gen, Iritis, verringerte Sehkraft, Gefühl eines Fremdkörpers im Auge, Konjunktivitis, Arrhythmie, Vorhoffl immern, Vaskulitis, Angiopathie, periphere Ischämie, or-thostatische Hypotonie, respiratorische Insuffi zienz, akutes respiratorisches Distress-Syndrom, Lungeninfi ltration, Lungenödeme, Pneumonitis, allergische Rhi-nitis, gastrointestinale Perforation, Dickdarmperforation, Peritonitis, Pankreatitis, Enterokolitis, Magen-, Dickdarmgeschwür, Ösophagitis, Ileus, Leberversagen, Hepatitis, Hepatomegalie, Gelbsucht, toxische epidermale Nekrolyse, leukozytoklastische Vaskulitis, Hautabschälung, rheumatische Polymyalgie, Arthritis, Nieren-versagen, Glomerulonephritis, Nierentubulusazidose, Amenorrhoe, multiples Organversagen, infusionsbedingte Reaktionen, erhöhte Werte von Kreatinin, thyre-otropem Hormon, Lipase, Amylase, verminderte Werte von Cortisol, Corticotropin, Testosteron. < 1%: Meningismus, Myokarditis, Kardiomyopathie, autoimmune Hepatitis, Erythema multiforme, autoimmune Nephritis, Myasthenia gravis-ähnliche Symptome, autoimmune Thyroiditis, Hyperpituitarismus, sekundäre Ne-

bennierenrindeninsuffi zienz, Hypoparathyroidismus, Thyroiditis, Episkleritis, Blepharitis, Augen ödem, Skleritis, Arteriitis temporalis, Raynaud-Syndrom, Proktitis, palmar-planta-res Erythrodysästhesie-Syndrom, Psoriasis, Hämaturie, Proteinurie, Verminderung des thyreo tropen Hormons, des Gonadotropinspiegels, des Thyroxinspiegels, Leukopenie, Po-lyzythämie. Weitere Hinweise siehe Fachinformation. Verschreibungspfl ichtig. Pharma-zeutischer Unternehmer: Bristol-Myers Squibb Pharma EEIG, Uxbridge Business Park, Sanderson Road, Uxbridge, Middlesex UB8 1DH Vereinigtes Königreich. Stand: 07/2011

BMS-13-1009_AZ_YERVOY_210x280+3mm_rz.indd 1 19.02.13 12:19


Recommended