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14 In|Fo|Neurologie & Psychiatrie 2012; Vol. 14, Nr. 10

von dissoziativen Zuständen nach Infusion des NMDA-Rezep-torantagonisten mag jedoch die Verblindung beeinträchtigt haben.

Die Publikation ist von hoher klinischer Relevanz, da die Wirksamkeit der Behandlung mit Ketamin bei Patienten ge-zeigt wurde, die sich durchschnittlich bereits seit acht Wochen in stationärer Behandlung befanden und deren Krankenge-schichte von regelmäßigen Krankenhausaufenthalten, mehr-fachen medikamentösen Behandlungsversuchen, Suizidver-suchen, Angsterkrankungen, Arbeitslosigkeit und erheblichen Einschränkungen im täglichen Leben geprägt waren. Hierin liegt jedoch gleichzeitig die Problematik einer ausgeprägten Inhomogenität des kleinen Patientenkollektives, wodurch die Generalisierbarkeit der Ergebnisse eingeschränkt ist. Das Aus-bleiben schwerer unerwünschter Ereignisse im Beobachtungs-zeitraum von zwei Wochen nach der Infusion spricht für eine

Dr. med. Matthias Bergner, Erlangen

Psychiatrische und Psychotherapeutische Klinik, Universitätsklinikum Erlangen E-Mail: [email protected]

weitere Untersuchung von Ketamin bei schwerer depressiver Symptomatik mit Suizidgedanken die im Rahmen bipolarer affektiver Störungen auftreten.

Akuter idiopathischer Hörsturz

Kortikosteroide sind unwirksamFragestellung: Sind Kortikosteroide beim idiopathischen Hör-sturz wirksam?

Hintergrund: Die Pathophysiologie des plötzlichen idiopathi-schen Hörsturzes ist unbekannt. Vermutet werden eine Hirn-nervenneuritis oder vaskuläre Veränderungen. Im Gegensatz dazu ist für die akute Neuritis vestibularis eine infektiöse bezie-hungsweise autoimmunologische Genese nachgewiesen. Die Datenlage zur Behandlung des Hörsturzes ist sehr heterogen, da die bisherigen Studien zum Einsatz von Kortikosteroiden widersprüch liche Ergebnisse erbrachten.

Patienten und Methodik: Die prospektive, randomisierte, pla-cebokontrollierte und multizentrische Studie randomisierte Pa-tienten im Alter zwischen 18 und 80 Jahren, wenn sie einen plötzlichen Hörsturz – definiert als eine Hörminderung um mehr als 30 dB – hatten und innerhalb einer Woche randomi-siert werden konnten. In der Verumgruppe begann die Thera-pie mit 60 mg Prednisolon für drei Tage, dann wurde täglich um 10 mg reduziert. Patienten, die nach Tag 8 noch Hör-störungen hatten, wurden bis zum Tag 30 mit 10 mg Predniso-lon täglich weiter behandelt. Der primäre Endpunkt war die Verbesserung des Hörvermögens am Tag 90.

Ergebnisse: 47 Patienten erhielten Prednisolon und 46 Placebo. Das mittlere Alter der Patienten betrug 55 Jahre. Etwa zwei Drit-tel der Patienten klagten initial über Tinnitus und ein Viertel

über Drehschwindel. Der Ab-fall des Hörvermögens betrug im Mittel 64 dB. Nach acht Ta-gen hatte sich das Hörvermö-gen in der Prednisolon-Grup-pe um 25 dB verbessert, in der Placebogruppe um 26 dB. Nach 90 Tagen hatte sich das

−Kommentar von Prof. Hans-Christoph Diener

Bemerkenswertes ErgebnisDiese wichtige und gut durchgeführte Studie zeigt, dass Kor-tikosteroide zur Behandlung des idiopathischen Hörsturzes unwirksam sind. Dies ist bemerkenswert, da sowohl für die Neuritis vestibularis als auch für die periphere Facialisparese eine Wirkung von Kortikosteroiden gegenüber Placebo nach-gewiesen wurde. Ob dies nun durch eine unterschiedliche Patho physiologie oder durch die relativ geringe Zahl der Pati-enten in der Studie bedingt ist, bleibt ungeklärt.

Hörvermögen in der Verumgruppe um 39 dB, in der Placebo-gruppe um 35 dB verbessert. Beide Unterschiede waren statis-tisch nicht signifikant. Die Autoren untersuchten auch prospek-tiv Prädiktoren für einen guten oder schlechten Outcome. Da-bei zeigte sich, dass begleitender Drehschwindel und Entzün-dungszeichen im Labor negative Prädiktoren waren.

Schlussfolgerungen: Kortikosteroide sind in der Therapie des akuten Hörsturzes unwirksam.

Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen

Direktor der Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum EssenE-Mail: [email protected]

Nosrati-Zarenoe R, Hultcrantz E. Corticosteroid treatment of idiopathic sudden sensorineural hearing loss: randomized triple-blind placebo-controlled trial. Otology & Neurotology 2012; 33: 523–31

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