Bild:Keyston
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Lebennachder FlutVor zehn Jahren verwüstete ein Tsunami ganze Landstriche in Südostasien und löste diegrösste Spendenaktion der Schweizer Geschichte aus: 227Millionen Franken erreichten
die Glückskette.Wiewurde das Geld eingesetzt? Ein Besuch in Indonesien.
BandaAceh,26.12.2004
BandaAceh,19.12.2009
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Auch dank dervielen Spendengelder hat sich dasLeben in derProvinzAceh imNorden Sumatraswieder normalisiert. Nur anwenigenOrtensind noch Spurender Zerstörungzu sehen (Bildrechts).
Infografik:M
igrosm
agazin/gm;Vectorstock
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Viele Familienleben von derFischerei:Der FischmarktvonMeulabohan derWestküsteSumatras.
A ls am Morgen des 26.Dezembers2004 die Erde bebte, war das einSchock für die Menschen der
indonesischen Kleinstadt Meulaboh anderWestküsteSumatras.DochdieSchäden hielten sich in Grenzen, und alledachten erleichtert, sie seien noch einmal davongekommen. 15 Minuten nachdem Beben kam die erste Wasserwand.Sie war über zehnMeter hoch, riss allesmit, brachte Tod und Zerstörung.UmiSakdiahbefandsichzuderZeit in
ihrem Haus nahe am Meer. Ihre Mutterwar an jenemMorgen aus einem Nachbarortangereist,umsichumeinekrankeEnkelin zu kümmern. Sie war geradeeingetroffen, als das Wasser kam. DieFlut riss die Familie auseinander, Umiwurde landeinwärts gespült, verlor ihreFamilie sofort aus den Augen. Siekämpfte um ihr Leben, klammerte sichan einer Stromleitung fest und rettetesich schliesslich auf einHausdach.Dortsass sie fest undmusste die Verheerungenmitansehen,die dasWasser anrichtete, das sich in immer neuen Wellendreckig undvollerMaterial undLeichenlandeinwärtswälzte.Als es sich endlichzurückzog, blieb eine Landschaft zurück, die aussah wie nach einem Krieg.Und Umi begann zu suchen: nach ihrenbeiden Töchtern, ihrer Mutter, ihrerSchwester – erfolglos.Vor dem Tsunami hatte Meulaboh
120000 Einwohner, 40000 starbenbeziehungweise wurden nie gefunden,70000 verloren alles. Das EpizentrumdesBebens lagnur gerade 150Kilometer
entfernt, direkt vor der Küste Meulabohs. Nirgendwo war das Wasserschneller, nirgendwowütete es heftiger.Von den rund 230000Menschenleben,diederTsunami inSüdostasien forderte,starben 170000 in der indonesischenProvinz Aceh an der Nordspitze Sumatras. Stark getroffen wurde auch dieProvinzhauptstadt Banda Aceh, die zurund einemDrittel verwüstet wurde.
Vier von fünfKindern und die Frauan denTsunami verlorenUmi flüchtete sich in das Haus einerSchwester in einemNachbarort,derverschont geblieben war. Die geschiedeneFrau suchte und suchte, bis sie sichirgendwann eingestehen musste, dassihre Töchter und die Mutter wohl totwaren.Das alles erzählt die heute 38Jährige
ruhig und scheinbar unbewegt. Nebenihr in ihremBeautysalon imneuenStadtteil Blang Beurandang sitzt ihr zweiterEhemann, der Lehrer AbdulWahad (55).Er hat vier seiner fünf Kinder und seineFrauandieWelleverloren.«Wochenlangbin ich wie ein Wahnsinniger durch dieGegend gereist und habe sie gesucht.»Irgendwannaberhataucheraufgegeben.Etwa zwei Jahre nach dem Tsunami
hatten sie sich kennengelernt, zufällig,weil sie regelmässig das gleiche Cafébesuchten. Die Traumaberatung einesHilfswerks half ihnen, den grossenSchmerz allmählich zu bewältigen.Unddank Schweizer Spendengelder und desEinsatzes der Caritas vorOrt bewohnen
Banda Aceh
Meulaboh
20 km
Medan
Indonesien
Scannen Sie denQR-Code und sehenSie im Video, wie esin Indonesien zehnJahre nach demTsunami aussieht.Dazu Amateurfilmedes Unglücksaus dem Jahr 2004.
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So halfdieMigrosDie Migros hat nachdemTsunami schnellund unbürokratischihre Hilfe angeboten.Insgesamt hat dieDetailhändlerin1,5Millionen Frankengespendet:Einerseits stellte siesechs Hilfswerkentotal 500 000Franken für gezielteHilfe in den vomTsunami betroffenenGebieten zurVerfügung. InCalang in Aceh Jayabeispielsweise wurdeein Projekt von HEKSunterstützt, das 300Tsunami-Witwen half,aus eigener Kraft denLebensunterhalt ihrerFamilien zu sichern.Auch in Sri Lankaengagierte sich dieMigros: Ihre PartnerinHelvetas baut dort230Wohnhäuser fürobdachlose Familien,zudem Schulhäuserund Geschäftslokalefür Kleinunternehmer.Andererseits hat dieMigros die Arbeit derGlückskettemit einerMillion Frankenunterstützt.
«Was ich inAceh gesehenhabe, hatmich positiv überrascht.»Adriaan Ferf, Leiter des Evaluationsteams der belgischen Channel Research
sie heute nicht nur ein hübsches kleinesHäuschenweit entfernt vomMeer, UmiSakdiah hat sogar eine Ausbildung alsCoiffeuse und Kosmetikerin machenkönnen– ein lang gehegter Traum.Seit vier Jahren hat sie ihren eigenen
kleinen Salon, direkt ins Wohnhaus integriert. «Es geht uns heute sehr vielbesser als vor demTsunami», sagtUmi.Natürlich sind sie und ihr Mann nochimmer traurig,wenn sie an ihre verstorbenen Angehörigen denken, aber dasLebengehtweiter.Unddiebeidenhabenauch einen gemeinsamen achtjährigenSohn,derdiegrosseKatastrophenurausErzählungen kennt.Alle Erwachsenen jedoch, denenman
in Aceh begegnet, sind TsunamiÜberlebende. Alle haben Furchtbares durchgemacht, Angehörige verloren, dramatischeGeschichtenzuerzählen.Aberbeiallen istdasLebenweitergegangen,nichtzuletzt dank einer gewaltigenWelle vonHilfsbereitschaft,dienachdemTsunamiüber die ProvinzAceh hereinbrach.Allein aus der Schweiz flossen rund
100 Millionen Franken dorthin – insgesamtsollenes rund7MilliardenDollargewesen sein. «Die Bevölkerung in derSchweiz sah die dramatischen FernsehbilderausSüdostasienundspendetemiteiner noch nie da gewesenen Grosszügigkeit», sagt Manolo Caviezel (39),Projektleiter fürdasTsunamiHilfsprogrammbeiderGlückskette.DieStiftungerhielt indenWochendanach227MillionenFranken,diegrössteSpendensumme der Schweizer Geschichte.
Die Glückskette liess evaluieren,was die Spenden bewirkt haben«Die Herausforderung war nun, diesesGeld möglichst sinnvoll einzusetzen»,sagt Caviezel, «was umso schwierigerwar, als Hunderte von Hilfswerken mitTaschenvollerGeldnachAcehgeströmtwaren und teilweise regelrecht um Projekte rivalisierten.» Die Glückskette istnicht selbst vorOrt aktiv, sondern leitetdas Geld weiter an Hilfswerke wie dieCaritas, Swisscontact oder das Schweizerische Rote Kreuz, die konkrete Projekte durchführen. «Zehn Jahre danachwollten wir nun wissen, was diese Projekte bewirkt haben, was funktionierthat, und was wir bei anderen Projektenbessermachen können.»Den Zuschlag für die Evaluation
bekam die belgische Channel Research.DerenTeamunterderLeitungdeserfahrenen Holländers Adriaan Ferf (66)reiste im Sommer zwei Monate durchIndien, Indonesien und Sri Lanka, jeneLänder, in die am meisten Schweizer
Spenden geflossen waren. Caviezelreiste Ende August mit Schweizer JournalistennachAceh,umdiesenGelegenheit zu geben, sich vor Ort umzusehenund die Evaluatoren gegen Schluss ihresIndonesienbesuchs zu treffen.Ferf hat eine guteWoche inMeulaboh
verbracht und ist des Lobes voll für dieGlückskette. «Es ist ausserordentlichselten,dasseinHilfswerkzehnJahrespäter ergebnisoffen analysieren lässt, was
seine Hilfe tatsächlich bewirkt hat undeinem dabei so viel Zeit und Ressourcenzur Verfügung stellt.» Tatsächlich lässtsich die Glückskette diese Analyse318000 Franken kosten und ist bereit,sich auch einem kritischen Ergebnis zustellen. Zum Zeitpunkt des Treffens inMeulaboh will sich Ferf jedoch noch aufkeine Beurteilung einlassen, dafür sei esnochzufrüh.Immerhin lässtersichentlocken, er sei «positiv überrascht» von
ImAuftrag der Glückskette vorOrt unterwegs: Evaluationsleiter Adriaan Ferf.
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WirkungsanalyseUnabhängige Exper-ten der belgischenBeratungsfirmaChannel Researchführten imAuftragder Glückskette vonApril bis DezembereineWirkungsanalysedurch. Sie warendafür in Indien,Indonesien und SriLanka unterwegs,wo über 90 Prozentder Spendengeldereingesetzt wurden.
Die Untersuchungzeigte unter ande-rem: Für die vomTsunami betroffenenMenschen trug derWiederaufbau ihrerHäuser massgeblichzur Entspannung derSituation bei. Siekonnten sich vorallem darauf kon-zentrieren, das Ein-kommen für denLebensunterhaltselbständig zuerwirtschaften.Wieerfolgreich sie damitwaren, hängt jedochsehr stark von denbisherigen Kompe-tenzen und Erfahrun-gen der Menschen ab.
Die Experteninformieren am11. Dezember überdie Ergebnisse.Am gleichen Tagstrahlt SRF 1 in derSendung «Einstein»um 21 Uhr eineReportage aus, in derauch der LeiterderWirkungsanalyse,Adriaan Ferf, zuWort kommt.
«AlsHilfsorganisation brauchtmaneinen langenAtemund viel Geduld.»Manfred Borer, Leiter von Swisscontact in Indonesien
dem, was er in Aceh gesehen habe.Genaueres werde es erst im Dezembergeben (siehe Box rechts).Ferfundsein fünfköpfigesTeamwer
den amEnde 370Gesprächemit 500 bis700 Personen in drei Ländern geführthaben. «Manchmal verbringen wireinen ganzen Tag mit einer Familie.»Entscheidend sei es, sich Zeit zu lassen,Vertrauen aufzubauen. Und natürlichtrifft er auchOffizielle undRegierungs
leute,umauszuloten,wieweitdiediversen Infrastrukturprojekte weitergeholfen haben. Mit den Spenden wurdenauchSchulenwiederaufgebaut,WasserwerkemodernisiertundSpitäler saniert.Klar sei, dass Hilfe immer auch unvorhergesehene Nebeneffekte habe, sagtFerf. «So kommt es etwa vor, dass einFischer sein schönes, neues Boot lieberverkauft undmit demGeld etwas anderes, dringend Benötigtes anschafft.»
Besucht man heute Orte wie Meulabohoder Banda Aceh, kann man nur staunen. Beides sind blühende Städte mitfunktionierender Infrastruktur, vollergeschäftigerMenschen und neugierigerKinder,die jedeGelegenheitnutzen, ihrepaar Brocken Englisch zu üben. Auchin der Inshafuddin Boarding School inBandaAceh,diemitHilfedesSchweizerischen Roten Kreuzes (SRK) neuaufgebaut wurde, wird das SchweizerJournalistengrüppchen rasch angesprochen.FünfTeenagermädchenmitKopftüchern wollen wissen, wie alleheissen, woher man kommt und wasman von Indonesien hält.Sie selbst gehörenzudenglücklichen,
knapp 600 Schülerinnen und Schülern,die das Internat aufgenommen hat, daseigentlich nur für 500 konzipiert wäre.Aber das Institut ist begehrt: Wer diesechs Jahre Mittelschule erfolgreichabschliesst, hat nachher gute Chancenauf ein Studium oder einen guten Job.Die 17jährige Fahad Buyung zum Beispielwürde gernEnglisch studieren, amliebsten in Australien, dafür aber musssie in einem Jahr einen guten Abschlussschaffen.Wie jede Schule in der islamischenundzutiefst frommenProvinz legtauch das InshafuddinInternat grossenWertauf religiöseBildung.Dennochbetont Schulleiter Abdullah Usman (63),dass die Mädchen genau die gleicheSchul undAusbildung erhaltenwie dieJungen,«und oft sind sie auch klar besser, gerade im Englisch», erklärt er mitHilfe eines Übersetzers.
Nach demTsunami haben vieleHilfswerke einfachmal losgelegtEbenfalls vorOrt ist der ehemaligeAuslandsleiterdesSRK,MartinFuhrer (60),der die Projekte in Banda Aceh engbegleitete.Er freut sichzusehen,wiegutsich die Schule entwickelt hat. «DieHilfsaktion nach dem Tsunami war diegrösste inunsererGeschichte.»Allein inAceh hat das SRK rund 20 MillionenFranken für Hilfsprojekte ausgegeben.Das Geld istvor allem in Schulen, Krankenhäuser undWasserwerke geflossen.«Die Lage unmittelbar nach dem
Tsunami war extrem schwierig undchaotisch»,erinnert sichFuhrer.«TeilweisehabenHilfswerkeeinfachmalwildirgendwo losgelegt.»Manchmal kam eszu echten Konflikten, welche OrganisationnundiesesSpitaloder jeneSchulewiederaufbauendurfte.«UnserenPlatzin diesemDurcheinander zu finden warwirklich schwierig, aber wir fandenihn», sagt Fuhrer. «Und die Not warecht und gross. Es war richtig, dasUnterstützt Kleinunternehmer in Aceh:Manfred Borer von Swisscontact.
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durchzustehen und sich hier zu engagieren. Aus heutiger Sicht haben wirsinnvolleProjekteunterstützt,mitdenenwirdenMenschenhiergeholfenhaben.»ManfredBorer (40),LeitervonSwiss
contact in Indonesien,siehtdasauchso.Swisscontact ist eine unabhängigeStiftung, die auf wirtschaftliche, soziale und ökologische Entwicklungfokussiert und in der Provinz Aceh vorallem Kleinunternehmen unterstützt.In Indonesien ist die Organisationbereits seit 1973 aktiv, in Aceh erst seitdem Tsunami. Bisher hat sie dort etwa25 Millionen Franken in die Privatwirtschaftsförderung investiert.
Es fehlen nachwie vorMittelund qualifizierte LeuteDie Herausforderungen für die beidenHelfer waren zahlreich. «Ein grossesProblem war, genügend qualifizierteLeute zu findenund sie zu halten, einigederOrganisationenzahltenhöhereLöhne als wir», sagt etwa Martin Fuhrer.Problematisch war auch die komplizierteBürokratie Indonesiens,dienotorischeKorruptionunddie regelmässigenÄnderungswünsche seitens der Regierung. «Man braucht einen langen Atemund viel Geduld», so Manfred Borer.Heute orten die beiden andere Schwierigkeiten: «Die Infrastruktur steht nunzwar, aber sie wird oft nicht gut genuggemanagt und unterhalten, teils fehlendieMittel, teils aber auch schlichtWilleundKompetenz», sagt Fuhrer.
UndesgabauchFehlinvestitionen.Sowurdenmancherorts vonHilfsorganisationenHäuser hingestellt, die heute leerstehen.«Doch sowas kann überall passieren, der neue Flughafen in Berlinfunktioniert schliesslich auch nochnicht», sagt Borer. Mehr Sorgen machtihmdie zunehmende rigideReligiosität.«In Aceh gilt die Scharia. Das macht esfastunmöglich,eineTourismusindustrieaufzubauen, obwohl es hier zahlreicheTraumstrände gibt und man diese Einnahmen gut brauchen könnte.»Alles inallem jedochempfindenbeide
die EntwicklungderRegionpositiv.«EsgabeinenRiesensprungvorwärts»,sagtBorer. Dazu beigetragen hat auch, dassder vor dem Tsunami schwelende Konflikt zwischen einer Unabhängigkeitsbewegung in Aceh und der indonesischen Regierung beigelegt worden ist.DieKatastrophe schockte die Streitparteien so sehr,dass einKompromissmöglichwurde.SeitherhatAcehmehrAutonomie, und es herrscht Frieden.Auch Annina Feller (36) ist positiv
überrascht. Sie lebte als Delegierte für
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Im neuen Stadtteil Blang BeurandangvonMeulaboh hat die Caritas über1000Häuser gebaut. Davon konntenauchUmi Sakdiah und ihrMannAbdulWahad profitieren (Bild unten rechts).
dieCaritasSchweizvon2008bis2010inMeulaboh und koordinierte den AufbauvonneuenHäusern fürdieBevölkerung.201 wurden am ursprünglichen Ort,nahe amMeer, neu gebaut, 1049weitere im Landesinnern. «Für uns wardamals die grosse Frage,obdieUmsiedlung der Leute von der Küste in denneuen Stadtteil funktionieren würde»,sagt Feller. «Es ist schön zu sehen, dassdas geklappt hat und sich dieMenschenhier einneuesLebenaufgebauthaben.»Die Herausforderungen waren auch
für Feller damals zahlreich. Zu dengrössten gehörte die Auswahl der Begünstigten für die Häuser. Viele andereHilfswerke bauten amgleichenOrt,undeinige Familien bewarben sich beiverschiedenenOrganisationen fürHäuser. «Es galt zu vermeiden, dass eineFamilieplötzlichmehrereHäuserbesitztundandere leer ausgehen.»Sprichtman
heute mit den Bewohnern des neuenStadtteils Blang Beurandang, hört manviel Lob für die CaritasHäuser. Dieseseien qualitativ besser als jene andererHilfswerke. Überhaupt ist die Dankbarkeit gross. «Bitte richten Sie demSchweizer Volk unseren Dank aus»,hörendie Journalistengleichmehrmals.AuchUmiSakdiahund ihrMann sind
froh um die Hilfe, die ihnen neuenLebensmut und eine Zukunft gegebenhat. Umis Traum ist, später einengrösseren Beautysalon zu eröffnen, deretwas zentraler in der Stadt liegt undmehr Kunden anzieht. Und AbdulWahad hat sich vom Erfolg seiner Frauinspirieren lassen:Erwill seinenLehrerjob in ein paar Jahren an den NagelhängenundeinenHerrensaloneröffnen.
Texte: Ralf KaminskiBilder: Samuel Trümpy
«Glückskette aktuell» über den Aufbau einerKaffeerösterei, Radio SRF 1, 7. Dezember, 9.45 Uhr;«Glückskette aktuell» über Umis Coiffeursalon,Radio SRF 1, 28. Dezember, 9.45 Uhr.
«Es geht unsviel besser als vordemTsunami.»Umi Sakdiah, Coiffeuse in Meulaboh
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DenTsunami überlebtFamilieHänziwar anWeihnachten2004 im thailändischenKhao Lak, als derTsunami kam.Vater undSohnerzählen,wie sie dieKatastropheverarbeitet haben.
W ie viele andereBadegäste standauch die Familie Hänzi staunend am Strand von Khao Lak,
als sich am Morgen des 26.Dezember2004 das Meer plötzlich zurückzog.Markus (48) und Manuela Hänzi (45)warenmit ihren drei Kindern Stève, Janund Nadine bereits zwei Wochen dort,hatten den Strand und die Wärmegenossen, Weihnachten in den Tropengefeiert. Für die Familie aus Busswil BEwaren es die grossen Ferien des Jahres,sie hatten darauf gespart und sichgefreut. Und das, obwohl Vater Markussich vorher noch den Fuss gebrochenhatte undmit Gips unterwegswar.«Das Verrückte war: Ich realisierte,
dass ichsowasschonmalgesehenhatte,in einem Dokumentarfilm über Tsunamis», sagt Markus Hänzi. «Aber ichschaltetenicht.»Dochganz traute erderSachenicht.WährendvielehinausliefenaufdenvomWasser freigelegtenStrand,pfiff er seinen Sohn Jan (damals 8 Jahrealt) zurück, als er das auch tunwollte.
Die Tochterwar erst drei undkonnte noch nicht schwimmen«Und dann sahen wir hinten am Horizont erste Schaumkronen», erzähltStève Hänzi (heute 21). «Das sah amAnfangnoch recht harmlos aus, aber alswir das erste Fischerboot kippen sahen,ranntenwir.»Die Familie flüchtete sichauf die Aussentreppe des oberen Stocksihres zweigeschossigen Bungalows undglaubte, dort vor demWasser sicher zusein. Zunächst sah es auch so aus. «Dieerste Welle spülte unsere Sachen ausdem unteren Stock des Bungalows, vonderzweitenwurdenunsereFüssenass»,sagt Markus Hänzi. «Die Hotelanlagewargeflutet,aberdasSchlimmste schienüberstanden.»Dann drehten sie sich wieder Rich
tungMeer.«Unddakameinegewaltige,hoheWasserwand auf uns zu.» Sekunden später war die ganze Familie weggespült, und jeder kämpfte verzweifeltums Überleben. «Nadine war ja erstdreiundkonntenichtschwimmen.»AlsMarkus Hänzi sich in der dreckigenBrühe voller Material wieder an dieOberfläche gekämpft hatte, sah er keine
Spur mehr von seiner Tochter, seineSöhne entdeckte er in einiger Entfernung im Wasser, bis auch sie verschwanden.Einzig zu seinerFraubehielter stetsBlickkontakt.Beidekonntensichauf nahegelegene Hausdächer rettenund dort ausharren, bis sich dasWasserzurückzog. «Ich habe keine Ahnungmehr, wie lange wir dort sassen, vielleicht 15Minuten, vielleicht 30.»
Stève hingegen glaubt, es seien eher einbis zwei Stunden gewesen, «aber in soeiner Situation verliert man jeglichesZeitgefühl». Ihm war es gelungen, sichaufeinenBaumzuretten.«Aberderwarklein und dünn und schwankte furchtbar.» In der Nähe befand sich ein wesentlich höherer, stabilerer Baum, aufden sich schon ein paar andere Menschen geflüchtet hatten. Das Wasserströmte noch immer unter ihm, aber eshatten sich einige Bretter ineinander
verkeilt, die so eine Art Brücke zum anderenBaumbildeten.Kurzentschlossensprang Stève runter auf die Bretter undbalanciertehinüberaufdieandereSeite.«Ein Kurzschlussentscheid war das,reiner Instinkt», sagt er heute. «Dortkletterte ich sohochesnurging,einfachsoweit weg vomWasserwiemöglich.»Wasmit seinenElternundGeschwis
tern passiert sein könnte, habe ihn zudemZeitpunktnichtbeschäftigt, sagt er.«So hart das klingt. Ich habe das garnicht realisiert, das kam erst später.»Seine Eltern waren derweil in hellerPanik. Als das Wasser anfing, sich zurückzuziehen, begannen sie zu suchen,derVater hinkendmit seinemverletztenBein. Den Gips hatte die Wucht desWassers weggespült. Jan fanden sierelativ schnell, erhatte sichebenfalls aufeinen Baum in der Nähe retten können.Doch ihre anderen beiden Kinder blieben verschwunden.«Dann kamen Fahrzeuge, die uns in
ein provisorisches Lager brachten»,erinnert sich Hänzi. «Wir suchten allesab. Ich stand gerade an einer Strasse, alsplötzlicheinThaimitmeinerTochter ander Hand herbeispazierte. Einfach so.Nicht nur war sie völlig unversehrt, siewar auch gebadet und frisch frisiert!»Hänzi schüttelt den Kopf. «Wir wissenbis heute nicht, wie sie es geschafft hat
Markus Hänzi(rechts) und seinältester SohnStève.
«Undda kameinegewaltigeWasserwandauf uns zu.»Markus Hänzi
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zuüberleben.DerThaihattesieschliesslich gefunden. Er kannte uns, und erwusste, dass sie zu uns gehört.»Nun fehlte nur noch Stève, und die
ElternbefürchtetendasSchlimmste. Ihrdamals Elfjähriger schlug sich jedochtapfer. Als sich das Wasser zurückzog,kletterte er vom Baum und half als Einziger einer verletzten Deutschen, dieebenfalls dort gesessen hatte.«Alle anderen hatten Angst, es käme nochmalseineWelle, und rannten los. Ich half ihr,ohne gross nachzudenken.» Sein Vaterlächelt. «Wir haben versucht, ihn so zuerziehen, dass man Menschen in Nothilft. Das hat offenbar gefruchtet.»StèveunddieFrauschlossensicheiner
Gruppe Überlebender an. Dort nahmsich ein deutscher Familienvater seineran und wollte wissen, wo seine Elternsind.Plötzlich realisierte Stève,dass derRest seinerFamiliemöglicherweisenichtmehr lebte.«Daersthabe ichzumerstenMal geweint», erinnert er sich.
Ein Deutscher half Stève,seine Familie zu findenDie Familie nahm ihn auf. «Sie behandeltenmichwie ihrenSohn,kümmertensich ummich, tröstetenmich,wenn ichtraurig war.» Und der Vater versicherteihm: «Falls wir deine Eltern nichtfinden, kommst du mit uns nachDeutschland, und dann fahre ichmit dirin die Schweiz undbringedich zudeinerFamilie.»Aberermachte ihmauchstetsHoffnung, dass es schon noch gelingenwerde, seine Familie zu finden.Und so war es schliesslich auch. Die
Hänzis wurden nach einer unruhigenNacht im Krisengebiet per Flugzeug viaPhuket nach Bangkok transportiert,Stève und seine «Adoptivfamilie» fuhren per Bus ebenfalls dorthin. «NachBangkok zu reisen ohne Stève, das warsehr, sehr hart», sagt Hänzi. Aber wasblieb ihnen anderes übrig? «Wir klapperten alle Krankenhäuser ab, wühltenunsdurchunzähligeListenvonVermissten und Gefundenen, schauten uns dieToten an – alles in der Hoffnung, Stèveirgendwo lebend zu finden.»AuchderVater derdeutschenFamilie
suchte, und er war es schliesslich, derdenAufenthaltsort vonStèvesElternaufeiner Liste entdeckte – ein Hotel inSichtweitedes eigenen.«Erkamfreudestrahlend inunserZimmerunderöffnetemir, er habe meine Familie gefunden»,erzählt Stève. Die WiedersehensfreudenachdreiTagenUngewissheitwarüberwältigend.Kurzdarauf flogendieHänziszurück nach Zürich,mit nichts als ihrerKleidung und provisorischen Pässen.
«Als wir im Januar in Zürich ankamen,hatte ich noch immer nur meine Badehose und ein TShirt an», sagt Stève.«Wir hatten ein Riesenglück, gerade
auch verglichen mit so vielen anderen,die nicht oder nur schwer verletzt überlebt hatten», sagt Markus Hänzi. «Eswar das Gefühl, eine zweite Chancebekommen zu haben. Ohne diesesErlebnis hätte ich vermutlich den Mutnicht gehabt, mich selbständig zumachen.»Heute ist erMitbesitzer einesUnternehmens,dasKleinteile fürmedizinaltechnischeGeräte herstellt.
Die Folgen des Tsunami-Dramaswirken bis heute nachAls Folge des Tsunamis sieht MarkusHänzi auch die Trennung von seinerFrau. «Es ist schon seltsam, alle Paare,die wir kennen und die den Tsunamiüberlebt haben, sind heute getrennt»,sagt Sohn Stève – auch jene Frau, der ervom Baum geholfen hatte, sowie derDeutsche, den er als «meinen zweitenVater»bezeichnetundzudemweiterhinein enger Kontakt besteht.Mit dem Thema gehen Vater und
Sohn heute relativ entspannt um, auchder Rest der Familie habe kein grösseresTrauma davongetragen, versichern sie.«Allerdings schrecke ichmanchmalauf,
wenn ich ein bestimmtes Geräuschhöre», sagt Markus Hänzi. «In denwenigen Sekunden, bevor uns dieWasserwandwegspülte, hörte ich ein tiefes,seltsamesDonnern.UndwenneinFlugzeug tief über dasHaus fliegt, klingt dasrecht ähnlich. Da gibt es dann immerdiese Schrecksekunde.»Stève träumtmanchmal nachts noch
davon. Und er glaubt, dass das Erlebnisihn geprägt hat. «Aber natürlich weissich nicht, wie ich heute wäre, wenn wirdas nicht durchgemacht hätten. Bei mirwar ja seither immer was los: Schule,Lehre, Pubertät, Freundin, Job. Dakonnte ichmich nicht allzu sehr hintersinnen», sagt der junge Elektriker.Wasihn nervt, sind spöttische oder ungläubige Reaktionen.«Niemand, der sowasnicht erlebt hat, kann sich vorstellen,wasman da durchmacht.»Beide Hänzis fühlen auch jedes Mal
mit, wenn es irgendwo eine Naturkatastrophegibt.Einfach,weil sie sichnur zugutvorstellenkönnen,wasdieMenschendort gerade durchmachen. Aber beidehabensichauchversöhntmitdemMeer,sagt Markus Hänzi. «Wir meiden esnicht. Aber ab und zu schaut man danndoch hinaus aufs Wasser, ob wirklichnoch alles so ist,wie es sein sollte.»
Bild: Daniel Rihs
Der Strand von Khao Lak imMoment, als die erste TsunamiWelle anrollt. DieWucht desWassers spülte allesweg – auch die Familie Hänzi aus Busswil, die sich in den oberen Stock ihres Bungalows geflüchtet hatte.
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