Transcript
Page 1: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

Institut fĂŒr Verbundwerkstoffe GmbH - 1995

Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von Faserverbundwerkstoffen mittels der

Methode der Finiten Elemente ---------------------------------------------------------------------------------

vom Fachbereich Maschinenwesen

der UniversitÀt Kaiserslautern

genehmigte Dissertation

zur Erlangung des Grades

Doktor-Ingenieur

vorgelegt von:

Dipl.-Phys. Wieland Beckert

aus Dresden Fachgutachter:

Prof. Dr.-Ing. K. Friedrich

PD Dr. rer. nat. habil. B. Lauke

Page 2: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

FĂŒr die Nutzung dieser Dissertationen gelten folgende rechtlichen Bestimmun-gen

- Die vorliegende Dissertation darf von der UniversitĂ€t Kaiserslautern frei im In-ternet angeboten werden. Eine weitere Verbreitung oder öffentliche Wieder-gabe ist nicht gestattet und kann nur mit ausdrĂŒcklicher Genehmigung des Au-tors (Promovierten) geschehen.

- Die VervielfÀltigung ist nur im Rahmen des privaten und eigenen wissen-schaftlichen Gebrauchs (§ 53 UrhG) erlaubt.

- Die Publikation darf nicht bearbeitet oder in anderer Weise verÀndert werden.

- Der Autor hat das Recht, sein Werk, auch auszugsweise, anderweitig verfĂŒg-bar zu machen und zu verbreiten.

- FĂŒr den Inhalt des Dokuments ist allein der Autor verantwortlich.

This publication (dissertation) is subject to the following terms of use:

- The University of Kaiserslautern is entitled to give open access to this publica-tion. Further publication or public broadcasting needs explicit authorization of the copyright owner (doctor).

- Copying is permitted only for private or the own scientific purposes of the per-son who performs copying (according to § 53 of the German Copyright Act). The copyright owner grants production of complete single copies of this publi-cation by means of a print on demand service.

- This publication may not be edited or changed otherwise.

- The copyright owner has got the right to publish or broadcast this publication as a whole or parts thereof elsewhere.

- The author is exclusively responsible for the content of this publication.

Page 3: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

Kurzfassung und Abstract

Zusammenfassung

Das VerstĂ€ndnis der mikroskopischen Mechanismen und ihre Umsetzung in makroskopische Materialgesetze sind eine Voraussetzung fĂŒr die bewußte Optimierung der mechanischen Eigenschaften faserverstĂ€rkter Verbundwerkstoffe. Die dazu notwendige, modellmĂ€ĂŸige Beschreibung der Deformation erweist sich wegen ihrer inhomogenen Struktur, ihrer Anisotropie und ihrer speziellen Einsatzgeometrien als problematisch und ĂŒbersteigt hĂ€ufig die Möglichkeiten mathematisch-analytischer Lösungsverfahren. Numerische Methoden, wie die Finite-Elemente-Modellierung, ermöglichen eine realistische BerĂŒcksichtigung auch kompli-zierter EinflußgrĂ¶ĂŸen und ergĂ€nzen die analytischen Verfahren gut. Dies wird an zwei Beispielen zum makro- und mikromechanischen Versagensverhalten faserverstĂ€rkter Werkstoffe demonstriert.

Ausgehend von einer makroskopischen, bruchmechanischen Betrachtung werden die Deformation und das Versagen beim ‘Curved Cantilever Beam Test’ mit einem Finite-Elemente-Modell untersucht. Der Test wird zur Charakterisierung der DelaminationszĂ€higkeit von gekrĂŒmmten Probekörpern aus faserverstĂ€rkten Verbundwerkstoffen verwendet. Derartige Formen ergeben sich z.B. im Resultat von Wickelverfahren fĂŒr faserverstĂ€rkte Thermoplastmaterialien. Die Interpretation der experimentellen Testergebnisse wird erschwert durch die gekrĂŒmmte Geometrie, das Auftreten von starker Biegung und von bruchmechanischen ‘Mixed-Mode’-ZustĂ€nden. Aufgrund dieser Schwierigkeiten existierte bisher kein spezielles Deformationsmodell fĂŒr den Versuch. Die vorgestellte Finite Elemente Modellierung liefert eine gesicherte Basis fĂŒr die Ermittlung der kritischen Energiefreisetzungsrate Gc der Delamination aus dem CDCB-Test. Mit ihrer Hilfe wird gezeigt, daß sich ein einfaches und genaues empirisches Verfahren zur Bestimmung von Gc aus den experimentellen Ergebnissen anwenden lĂ€ĂŸt, obwohl die Deformation der Probe nichtlinear ist und aufgrund der wirkenden Scherdeformationen auch mit aufwendigen analytischen Modellen nicht befriedigend beschrieben werden kann. Trotz der unsymmetrischen Geometrie der CDCB-Probe ist der Mode-II-Anteil der Belastung bei mittiger Lage der Rißebene in der Probe vernachlĂ€ssigbar. Allerdings ergeben sich starke Mode-II-BeitrĂ€ge bei bereits geringen Abweichungen der Rißlage von der Mittelebene der Probe. In den Experimenten muß daher vom Auftreten ausgeprĂ€gter, aber kaum einschĂ€tzbarer ‘Mixed-Mode’-Situationen bei der Delamination ausgegangen werden. Durch Normierung und Rechnungen ĂŒber einen weiten Parameterbereich wurden Hilfsmittel in Diagrammform geschaffen, die in AbhĂ€ngigkeit von der Materialsteifigkeit eine Dimensionierung der CDCB-Proben vor der Herstellung der Probekörper hinsichtlich ihrer AnfangsrißlĂ€nge und der Dicke ermöglichen. Die theoretische Untersuchung wird durch experimentelle Ergebnisse an Glasfaser/ Polyamid 6-Proben untersetzt.

Das zweite Beispiel befaßt sich mit der mikromechanischen Beschreibung des spröden Versagens der Faser-Matrix-GrenzflĂ€che beim Einzelfaser-Auszugsversuch. Zielstellung der Finite-Elemente-Modellierung war es, die bislang vorherrschende GrenzflĂ€chenscherfestigkeit durch ein bruchmechanisches Debonding-Kriterium zu ersetzen. Ein besonderer Schwerpunkt wurde auf die BerĂŒcksichtigung der Überlagerung von Radial- und Scherspan-nungskomponenten in der GrenzflĂ€che gelegt, gegenĂŒber denen die Haftung mit sehr unterschiedlicher Empfindlichkeiten reagiert. Ein einziger, lediglich auf die Scherbelastung bezogener, Parameter erscheint zur Charakterisierung der GrenzflĂ€che nicht ausreichend. Dem wurde durch die Nutzung eines ‘Mixed-Mode’-Versagenskriteriums fĂŒr die kritische

Page 4: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

Energiefreisetzungsrate in der Analyse Rechnung getragen. Besonders die Anfangsphase der GrenzflĂ€chenrißausbreitung ist durch dominante und sich mit der RißlĂ€nge stark Ă€ndernde Mode-I-Anteile gekennzeichnet. In diesem Bereich tritt auch die maximale Debondingkraft auf. Sie ist zwar das signifikanteste Ergebnis der experimentellen Tests, wird jedoch unter wenig reproduzierbaren ‘Mixed-Mode’-Bedingungen erreicht. Ihr Wert ist zum Vergleich mit anderen Belastungsituationen daher wenig geeignet. FĂŒr mittlere RißlĂ€ngen durchlĂ€uft die Rißausbreitung eine Plateauphase, in der sich die Belastungssituation nur wenig Ă€ndert und fĂŒr welche die Energiefreisetzungsrate durch ein einfaches analytisches Modell beschrieben werden kann. Sie bietet daher verlĂ€ĂŸlichere Bedingungen fĂŒr die Bestimmung und den Vergleich der GrenzflĂ€cheneigenschaften. In der Praxis ist stabile Rißausbreitung bis in diese Zone nur fĂŒr sehr steife Versuchsanordnungen und sehr kurze freie FaserlĂ€ngen zu erreichen und konnte erst kĂŒrzlich von HAMPE realisiert werden. Der Vergleich mit den dabei erhaltenen experimentellen Ergebnissen erfordert die Einbeziehung von GrenzflĂ€chenreibung, die durch eine einfache analytische Erweiterung des FE-Modells nĂ€herungsweise erfaßt werden kann. Dabei wird das in der Modellierung erhaltene Bild vom GrenzflĂ€chenversagen bestĂ€tigt, insbesondere was den Prozeß der GrenzflĂ€chenrißinitiierung an der MatrixoberflĂ€che und die geringe WiderstandsfĂ€higkeit der Haftung gegenĂŒber Normalbelastungen betrifft. Ein empirisches Verfahren zur getrennten AbschĂ€tzung der Reibungs- und der Haftungsanteile aus den Belastungskurven der stabilen Rißausbreitung des Faserauszugs wird vorgeschlagen. Die vorgestellten Methoden zur Berechnung der bruchmechanischen KenngrĂ¶ĂŸen und zur Charakterisierung des ‘Mixed-Mode’-Zustandes können unmittelbar auf Ă€hnliche makro-mechanische oder mikromechanische Testgeometrien ĂŒbertragen werden. Eine Erweiterung der Modelle hinsichtlich der Beschreibung inelastischen Materialverhaltens ist geplant.

Abstract

The understanding of the microscopic mechanisms and its formulation in macroscopic material laws is essential for a conscious optimization of the mechanical properties of fibre-reinforced composite materials. The necessary modeling of the deformational behavior is complicated because of the inhomogeneous structure, the anisotropy and the high endurance of this materials. It often exceeds the possibilities of mathematical-analytical methods. This is demonstrated in this work on two examples for the micromechanical and macromechanical failure behavior of fibre-reinforced materials.

The deformation and fracture of a ‘Curved-Double-Cantilever-Beam’-Specimen are investigated with a finite element analysis by a macroscopic, fracture mechanics approach. This test is used for characterization of delamination toughness of curved thermoplastic composite samples, that are the result of a filament winding technology. The interpretation of the experiments is complicated by the curved geometry, large deflection and fracture-mechanical mixed-mode-conditions. No particular deformational model for this geometry has been known until now. The presented finite element analysis provides a reliable basis for the estimation of the critical debonding energy release rate Gc from the experimental results. For this purpose a simple, empirical data reduction scheme could be confirmed, though the sample shows a nonlinear deformation that cannot be satisfactory described by closed mathematical expressions. In spite of the asymmetrical geometry and loading of the CDCB-test, the mode-II-contribution of the loading has been proven to be neglectable for a central position of the crack plane with regard to specimen thickness. But large mode-II-contributions occur for small deviations of the crack from the specimens middle-plane. The real loading state in the CDCB-experiments will therefore be ruled by mixed-mode conditions, rarely to judge. Diagrams are presented as a result of the FE-analysis, that can be used as a tool for the dimensioning of the

Page 5: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

CDCB-specimens with regard to sample thickness and initial crack length. The theoretical investigation is complemented with an experimental study for glass-fibre/ polyamid 6 samples.

The second example refers to a micromechanical description for brittle failure of the fibre-matrix-interface in the single-fibre-pull-out-test. The intention of the finite element analysis was to replace critical interface-shear-strength by a fracture-mechanical debonding criterion. Special emphasis was laid on the mixed mode state due to the radial- and axial stress components at the interface. The adhesion is expected to respond with different sensitivities to the miscellaneous modes of loading and a single parameter will not be sufficient for characterization of the interfacial quality. This has been taken into consideration in the analysis by help of mixed-mode-criterion for critical energy release rate. Particularly the initial phase of interface-crack-extension is characterized by dominant and quickly changing mode-I-contributions. Maximum debonding force is observed in this range as the most significant experimental result. But owing to its rarely reproducible mixed-mode-conditions this value seems not suitable for the purpose of comparison. For medium crack lengths the energy release rate G of interface crack extension passes a plateau with only small changes in loading state. In this range the value of G can be approximated by the free fibre contribution with a very simple analytic expression. This plateau should offer more reliable conditions for the experimental estimation and the comparison of interfacial properties from different material systems. Stable crack extension can be maintained into this zone for very stiff test conditions and short free fibre lengths. That has been realized in experiment only recently by HAMPE. The comparison of his results requires the inclusion of interface friction into the predictions of the FE-analysis, which is possible in an approximate way by help of an analytical extension to the FE-results. The experiments confirm the view of interfacial failure, supplied by the model. That especially applies for its explanation of the crack-initiation process and the importance of the high interface sensitivity towards normal loading for the stability of crack extension. An empirical method is proposed to split up the experimental results for pull-out into the contribution of interface friction and of pure debonding.

The presented procedures for computation of fracture mechanics parameters with FE-models can be transferred directly to similar macromechanical and micromechanical test-geometries. An extension of the model is planned toward the consideration of inelastic material properties.

Page 6: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung 1

1.1 Makromechanische und mikromechanische Beschreibung von Verbundwerkstoffen

1

1.2 Zum Versagensverhalten faserverstÀrkter Kunststoffe 2

1.3 Konzepte fĂŒr Versagenskriterien 6

1.4 Grenzen der mathematisch-analytischen Modellierung 9

1.5 Zielstellung der Arbeit 11

2. Makromechanische Modellierung: Charakterisierung des Delaminationswiderstandes gekrĂŒmmter Probekörper

13

2.1 Thermoplastwickeltechnologie 13

2.2 Charakterisierung der DelaminationzÀhigkeit 15

2.2.1 'Double Cantilever Beam'-(DCB)-Test fĂŒr ebene Materialien 16

2.2.2 'Curved Double Cantilever Beam'-(CDCB)-Test fĂŒr gekrĂŒmmte Materialien 17

2.3 Modellierung DCB-Test 19

2.3.1 FE-Modell der DCB-Geometrie 19

2.3.2. Analytische Modelle des DCB-Tests 22

2.3.3. Ermittlung der Energiefreisetzungsrate G aus den FE-Ergebnissen 25

2.3.3.1 Compliance-Methode und Energie-Methode 26

2.3.3.2 Bestimmung von G aus den Rißspitzen-Nahfeldern 28

2.3.4 Ergebnisse der FE-Modellierung 35

2.3.5 Schlußfolgerungen 40

2.4 Modellierung CDCB-Test 42

2.4.1 FE-Modell der CDCB-Geometrie 42

2.4.2 Ermittlung der Energiefreisetzungsrate 44

2.4.2.1 Berechnung der Energiefreisetzungsrate fĂŒr nichtlineare Deformation aus dem Last-Verschiebungs-Zusammenhang und der Änderung der elastischen Energie

44

2.4.2.2 Berechnung der ‘Mixed-Mode’-Anteile von G aus den Rißspitzen-Nahfeldern

46

2.4.3 Analytisches Modell fĂŒr Biegung gekrĂŒmmter StĂ€be 49

2.4.4 Verfahren nach WILLIAMS 55

3. Ergebnisse der FE-Modellierung fĂŒr CDCB-Test 59

3.1 Einfluß von Probekörpergeometrie, Materialeigenschaften und nichtlinearer Deformation

60

3.2. ‘Mixed-Mode’-Beanspruchung 64

3.3 GĂŒltigkeit analytischer und empirischer Modelle 66

Page 7: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

3.4 Konsequenzen fĂŒr Gestaltung der CDCB-PrĂŒfkörper 70

4. CDCB-Experimente 75

4.1 VersuchsdurchfĂŒhrung und Materialien 75

4.2 Ergebnisse 75

4.3 Vergleich der Experimente mit FE-Rechnungen 81

5. Mikromechanische Modellierung des GrenzflÀchenversagens beim Einzelfaser-Auszugstest

84

5.1 Mikromechanische Testverfahren zur Charakterisierung der QualitÀt von Faser-Matrix-GrenzflÀchen

84

5.2 Kurzer Überblick ĂŒber mikromechanische Modellierung der Faser-Auszugs-Problematik

89

5.3 Modellierung des Einzelfaser-Auszugstests 96

5.3.1 Geometrie 96

5.3.2 FE-Modell des Einzelfaser-Auszugstests 97

5.3.3 Ermittlung der Energiefreisetzungsrate aus den FE-Ergebnissen 99

5.3.3.1 Compliance- und Energiemethode 99

5.3.3.2 Bestimmung der ‘Mixed-Mode’-Anteile aus den Rißspitzennahfeldern 100

5.3.4 Berechnung der Last-Verschiebungs-Kurven 104

5.3.5 ‘Mixed-Mode’-Kriterium fĂŒr GrenzflĂ€chenversagen 105

6. Ergebnisse der mikromechanischen Modellierung 110

6.1 Ergebnisse der FE-Modellierung 110

6.1.1 Einfluß der geometrischen Abmessungen und elastischen Materialeigenschaften auf die Energiefreisetzungsrate

110

6.1.2 Einfluß der ‘Mixed-Mode’-Belastung 113

6.1.3 Schlußfolgerungen 121

6.2 Vergleich mit experimentellen Ergebnissen 123

7. Schlußfolgerungen fĂŒr Einsatz der FE-Methode zur Modellierung des Versagens faserverstĂ€rkter Verbundwerkstoffe

130

I Anhang I: Transformation der Rißuferverschiebungen auf mitbewegtes Rißspitzen-Koordinatensystem fĂŒr geometrisch nichtlineare FE-Analyse

133

II Anhang II: Differentialgleichung fĂŒr starke Biegung gekrĂŒmmter Balken

135

III Anhang III: Koeffizienten des analytischen Stabmodells der CDCB-Probe

139

Page 8: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

Literatur 141

Danksagung 151

Lebenslauf 152

Page 9: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

1

1. Einleitung

1.1 Makromechanische und mikromechanische Beschreibung von Verbund-

werkstoffen

Verbundwerkstoffe sind in inhomogener Weise aus verschiedenen Materialkomponenten mit in

der Regel stark unterschiedlichen Eigenschaften aufgebaut. Zielstellung ihrer Entwicklung ist

die Kombination der fĂŒr einen bestimmten Einsatzzweck vorteilhaften Eigenschaften jeder

Komponente. Unter dem Gesichtspunkt der mechanischen Eigenschaften bedeutet dies meist,

die gute ZĂ€higkeit und Verarbeitbarkeit eines ökonomisch gĂŒnstigen Matrixmaterials mit der

hohen Steifigkeit und Festigkeit eines VerstÀrkungsmaterials zu verbinden. Neben den reinen

Materialeigenschaften der Komponenten haben auch die geometrischen VerhÀltnisse, wie

GrĂ¶ĂŸe, Packungsdichte und Orientierung der VerstĂ€rkungskomponenten sowie die Herstel-

lungsbedingungen großen Einfluß auf das Verhalten des Verbundwerkstoffes. Parallel zu den

vorteilhaften Wirkungen ergeben sich durch eine Kombination auch hĂ€ufig negative EinflĂŒsse

auf die Eigenschaften des Verbundwerkstoffes. Aufgabe der Materialwissenschaft ist es, durch

Einsatz geeigneter Materialkomponenten, Strukturgeometrien und ProzeßfĂŒhrung, das

ökonomische und technische Optimum fĂŒr die verschiedenen Anwendungen zu finden.

Die VerstÀrkungskomponenten partikel- und faserverstÀrkter Materialien auf Kunststoffbasis

zeichnen sich im allgemeinen durch mikroskopische Abmessungen und dichte Packung aus.

Der Durchmesser der dafĂŒr hĂ€ufig verwendeten Glasfasern liegt im 10 ”m-Bereich. Die aus

den Materialien aufgebauten technischen Bauteile haben im Vergleich dazu wesentlich grĂ¶ĂŸere

(„makroskopische“) Abmessungen in GrĂ¶ĂŸenordnungen von Millimetern bis Metern. FĂŒr den

Anwender und Konstrukteur sind in erster Linie die technischen Eigenschaften der Materialien

auf dieser makroskopischen Strukturebene interessant. Sie ergeben sich nicht einfach aus der

Summe oder dem Mittel der Eigenschaften der mikroskopischen Strukturelemente, sondern

sind Ergebnis komplizierter Wechselwirkungen und Mechanismen. Das Verhalten von ver-

stÀrkten Materialien kann ausgehend von zwei verschiedenen Sichtweisen beschrieben werden.

Die mikromechanische Betrachtungsweise beschrÀnkt ihren Horizont auf einen kleinen aber

reprÀsentativen Ausschnitt des Verbundwerkstoffes und untersucht auf dieser Ebene die Wech-

selwirkungen zwischen den mikroskopischen VerstÀrkungskomponenten [1]. Das Material

wird als inhomogen betrachtet und die unterschiedliche Geometrie und Eigenschaften der

Strukturelemente werden explizit in die Betrachtung einbezogen. Die Zielsetzung ist, den

Zusammenhang zwischen den Eigenschaften und Mechanismen der mikroskopischen Struktur-

komponenten und den makroskopischen, technischen Eigenschaften und VorgÀngen

Page 10: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

2

experimentell und theoretisch aufzuklÀren. Das VerstÀndnis der mikroskopischen Prozesse ist

notwendig fĂŒr eine bewußte Optimierung der Konstruktionseigenschaften der Verbund-

werkstoffe. Ihre vollstÀndige Beschreibung ausgehend, von einem mikroskopischen Modell, ist

jedoch nicht möglich.

Die makroskopische Betrachtungsweise untersucht und beschreibt das Verhalten und die

Eigenschaften der Materialien in Bezug auf die aus ihnen aufgebauten technischen Bauteile

(z.B. Laminattheorie [2]). Sie verzichtet auf eine Unterscheidung der mikroskopischen

Strukturkomponenten und behandelt die Materialien als homogen. Dies ist akzeptabel, solange

ein homogenes Volumenelement ausreichend viele mikroskopische Strukturkomponenten fĂŒr

eine statistische Interpretation enthÀlt. Die vielfÀltigen Wechselwirkungen auf der mikro-

skopischen Strukturebene werden in integraler Weise in makroskopischen Materialgesetzen

widergespiegelt, die oft einen komplizierteren Charakter (Anisotropie, InelastizitÀt,

SchĂ€digungsverhalten) als fĂŒr unverstĂ€rkte Materialien haben. Die dafĂŒr verwendeten

Beziehungen sind nur empirischer Natur und hÀngen von den mikroskopisch induzierten

Mechanismen ab. Sie können sich fĂŒr verschiedene Belastungssituationen und Bauteil-

geometrien stark unterscheiden. Die mikromechanische Modellierung versucht diese VorgÀnge

aufzuklÀren und die Grundlagen zu ihrer makromechanischen Beschreibung bereitzustellen.

Wichtigste Quelle fĂŒr die Bestimmung der Konstruktionseigenschaften und ihrer konkreten

Materialgesetze und die Verifizierung der Modelle ist indes das Experiment, das sich am

konkreten Einsatzfall der Materialien orientiert. Deshalb gibt es zur makroskopischen

Charakterisierung der Verbundwerkstoffe eine FĂŒlle verschiedener PrĂŒfverfahren, welche die

mechanischen Eigenschaften und das Versagensverhalten unter den unterschiedlichen,

technisch relevanten Belastungssituationen bestimmen sollen.

Eine makromechanische Modellierung ist daher nicht nur fĂŒr die Konstruktion und

Dimensionierung der Bauteile notwendig, sondern dient auch als Grundlage zur Auswertung

der experimentellen PrĂŒfverfahren.

Die Beschreibung der Verbundwerkstoffe auf beiden Betrachtungsebenen gehört daher zum

Aufgabengebiet der Materialwissenschaft.

1.2 Zum Versagensverhalten faserverstÀrkter Kunststoffe

FaserverstÀrkte Verbundwerkstoffe zeigen aus makroskopischer Sicht anisotrope

Eigenschaften, in Orientierungsrichtung der Fasern sind z.B ihre Steifigkeit und Festigkeit viel

höher als in den Querrichtungen. Davon wird auch ihr Versagensverhalten wesentlich

beeinflußt. Bei langfaserverstĂ€rkten Materialien oder Schichtverbunden ist dies ganz besonders

ausgeprÀgt: Versagen in der Matrix oder in der GrenzflÀche parallel zu den Fasern tritt

Page 11: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

3

bevorzugt gegenĂŒber Faserbruch senkrecht zum Querschnitt auf. Eine bei diesen Materialien

im praktischen Einsatz hÀufig beobachtete Versagensform ist die sogenannte Delamination

([3]-[7]). Sie beginnt an herstellungs- oder belastungsbedingten Fehlstellen zwischen den in

realen Verbunden meist schichtartig ĂŒbereinanderliegenden Strukturzonen aus Fasern und

Matrix. Bei ausreichender Belastung wird der entstandene Riß sich auf dem Weg des

geringsten Widerstandes im Gebiet zwischen ĂŒbereinanderliegenden Faserschichten flĂ€chig

ausbreiten. Dies kann in der Matrix durch SchĂ€digung und Fließen oder entlang der Faser-

Matrix-GrenzflÀchen durch Versagen der Haftung erfolgen. Die verschiedenen Prozesse

können gemeinsam auftreten, in AbhĂ€ngigkeit von der Ă€ußeren Belastung wird jedoch der eine

oder der andere dominieren [4]. Normalbelastungen senkrecht zur Schichtebene resultieren

hÀufig in verstÀrktem GrenzflÀchenversagen, Scherbelastungen in der Schichtebene dagegen in

Mikrorißbildung und Fließen in der Matrix [5]. Die AnfĂ€lligkeit eines Materials gegenĂŒber

Debonding ist daher von der Zusammensetzung der Belastung abhÀngig und im allgemeinen

senkrecht zur Rißebene besonders hoch ([8]-[10]).

Durch die Orientierung der Fasern und ihre Anordnung in Schichten bleibt der entstehende Riß

ĂŒber große Distanzen in der Ebene seiner Entstehung, auch bei nichtsymmetrischer Belastung

oder KrĂŒmmungen der Struktur. Aus makroskopischer Sicht entspricht dies einer kollinearen

Rißausbreitung und vereinfacht die Beschreibung. Durch die verstĂ€rkende Wirkung der steifen

Fasern verhĂ€lt sich das Material wĂ€hrend des Versagens im ĂŒberwiegenden Teil der Proben fĂŒr

viele Materialien Ă€ußerlich elastisch, so daß zur Beschreibung der Delamination hĂ€ufig ein

bruchmechanischer Ansatz gewÀhlt werden kann ([11], [12]; Grenzen der Anwendung: [13]).

Zur Charakterisierung der AnfĂ€lligkeit eines Schicht-Verbundes gegenĂŒber Delamination wird

meist die kritische Energiefreisetzungsrate gewÀhlt. Ihre Definition beruht auf der

Energiebilanz der Rißausbreitung (GRIFFITH [14]) und hat - im Gegensatz zum Konzept der

SpannungsintensitĂ€tsfaktoren (IRWIN [15]) - daher auch dann GĂŒltigkeit, wenn lokal begrenzte

inelastische Prozesse auftreten oder die inhomogene Struktur der Verbundwerkstoffe

gegenĂŒber ihren Ă€ußeren Abmessungen spĂŒrbar wird [16]. Derartige Bedingungen sind fĂŒr

langfaserverstÀrkte Materialien fast immer gegeben, was die Nutzung von

SpannungsintensitĂ€tsfaktoren ungeeignet erscheinen lĂ€ĂŸt. Vorraussetzung fĂŒr die

Anwendbarkeit des Konzepts der Energiefreisetzungsrate ist allerdings, daß die Rißausbreitung

selbstĂ€hnlich [17] erfolgt, was bedeutet, daß sich die von einer elastischen, homogenen

Beschreibung abweichenden Zonen wĂ€hrend der Rißausbreitung nicht wesentlich Ă€ndern

dĂŒrfen. Bis zu einem gewissen Umfang lassen sich solche Änderungen, besonders nach der

Rißinitiierung, in einer AbhĂ€ngigkeit der kritischen GrĂ¶ĂŸe von der RißgrĂ¶ĂŸe erfassen. Das

Delaminationsverhalten solcher Materialien wird dann nicht mehr durch eine Konstante,

Page 12: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

4

sondern durch sogenannte ‘R-Kurven’ charakterisiert ([18]-[20]). Die dafĂŒr verantwortlichen

Mechanismen stehen bei der Delamination oft in Zusammenhang mit einem Übergreifen des

Risses auf benachbarte Zwischenschichten und dadurch induzierter zusÀtzlicher Dissipation.

Ein darauf zurĂŒckzufĂŒhrender, hĂ€ufig beobachteter und mit einem Anstieg des

Delaminationswiderstandes korrelierender Prozeß ist die Bildung sogenannter FaserbrĂŒcken

([21]-[23]) welche den entstandenen Delaminationsriß ĂŒberspannen. Sie bewirken eine

Abschirmung der Belastung der Rißspitze und vermehrte Dissipation infolge von Faserbruch

und von Ablösung der Fasern von den RißflĂ€chen. Ihre Ausbildung hĂ€ngt jedoch von den

Formen der Belastung und der Geometrie der deformierten Körper ab ([6], [20]).

Die experimentelle Charakterisierung der Delaminationseigenschaften liefert dem Konstrukteur

Informationen zur Auswahl des geeigneten Compositematerials. Dem Technologen vermitteln

diese darĂŒber hinaus Anhaltspunkte ĂŒber die erreichten Konsolidierungseigenschaften des

Materials und die GĂŒte des Herstellungsprozesses. Die DelaminationskenngrĂ¶ĂŸen gehören zu

den wichtigsten makroskopischen Versagenseigenschaften von Schichtverbundwerkstoffen.

Die mechanischen Eigenschaften lang- und kurzfaserverstÀrkter Materialien werden auf mikro-

skopischer Ebene wesentlich durch die QualitÀt der Haftung zwischen Faser und Matrix

bestimmt ([24]-[29]). Aufgrund der ausgeprÀgt inhomogenen Struktur der Eigenschaften,

Spannungen und Deformationen dieser Materialgruppe gibt es eine große Zahl von Einfluß-

faktoren (inelastisches Materialverhalten, komplizierte lokale SpannungszustÀnde ...) und

Wechselwirkungsmöglichkeiten (Grenzschichten, Faser-Matrix-Reibung, Faser-Faser-

Wechselwirkungen,...). Beim ihrem Versagen werden verschiedenste Mechanismen wirksam

(Debonding, Matrixbruch und -fließen, Faserbruch, Faser-Pull-Out usw.), die fĂŒr ein und

dasselbe Material unter verschiedenen Belastungsbedingungen in ganz unterschiedlicher

Verteilung angeregt werden können [30]. Die Faser-Matrix-Haftung nimmt fĂŒr viele der

Prozesse eine SchlĂŒsselstellung ein.

Die große Zahl der wirkenden Faktoren ist ein Problem, jedoch zugleich auch ein bedeutendes

Potential der Verbundwerkstoffe, denn sie bieten vielfÀltige Möglichkeiten der technologischen

Einflußnahme auf die technischen Eigenschaften dieser Materialien. Eine Beschreibung der

ZusammenhÀnge zwischen der Beschaffenheit der mikroskopischen Strukturkomponenten und

den makroskopischen Konstruktionseigenschaften und ein VerstÀndnis der sich mikroskopisch

vollziehenden Prozesse ist insbesondere fĂŒr das Versagensverhalten von Verbundwerkstoffe

ĂŒberaus schwierig ([31]. WĂ€hrend die makroskopische Steifigkeit eher integralen Charakter

trĂ€gt und gegenĂŒber lokalen Abweichungen weniger empfindlich ist, wird das makroskopische

Versagen immer an lokalen Störungen initiiert und weitergeleitet und zeigt die Merkmale eines

Page 13: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

5

katastrophalen Prozesses. Letzteres kommt deutlich in der starken Streuung bei der

experimentellen Bestimmung der VersagenskenngrĂ¶ĂŸen zum Ausdruck ([32], [33]).

Obwohl grundlegende Mechanismen des Versagens von faserverstÀrkten Materialien schon seit

lĂ€ngerem bekannt sind und experimentell und modellmĂ€ĂŸig untersucht werden, gibt es im

Detail noch eine Vielzahl offener Fragen. Gerade die Rolle der Faser-Matrix-Haftung ist

vielschichtig. Eine gute Haftung ist wĂŒnschenswert, um eine effektive lokale Ableitung der

Last an mikroskopischen Störstellen (FaserbrĂŒchen/ -enden) und eine hohe verstĂ€rkende

Wirkung der Fasern zu erreichen. Im Sinne einer hohen Steifigkeit und Festigkeit in Quer-

richtung (und zumindest fĂŒr kurzfaserverstĂ€rkte Materialien auch in FaserlĂ€ngsrichtung) ist die

Verbesserung der Faser-Matrix-Haftung eine uneingeschrÀnkt zu fördernde Zielstellung, die

auch die bisherige technologische Entwicklungsrichtung von Faser-Matrix-Systemen bestimmt.

Um jedoch eine hohe WiderstandsfĂ€higkeit (ZĂ€higkeit) der Verbundwerkstoffe gegenĂŒber dem

Versagen an herstellungs- oder belastungsbedingten Störstellen zu realisieren, ist die durch die

Ă€ußere Belastung eingebrachte Energie in möglichst hohem Maße ĂŒber die Umgebung der

Störstelle hinweg zu dissipieren und so deren lokale Belastung abzuschirmen. Als wirkungsvoll

hat sich dafĂŒr vor allem die Aktivierung einer möglichst großen Anzahl von

energiedissipativen Mechanismen erwiesen. FĂŒr diese Zielsetzung ist eine besonders starke

Haftung zwischen Faser und Matrix nicht unbedingt vorteilhaft. Eine mittlere Haftung hat

Faser-Matrix-Versagen an einer Vielzahl von Fasern im belasteten Bereich zur Folge und

dissipiert dabei wesentlich mehr Energie als das Versagen einer - noch so starken - einzelnen

GrenzflĂ€che ([29], [21], [6]). Unter diesem Aspekt sollte es ein Optimum der Faserhaftung fĂŒr

einen Verbundwerkstoff geben, das aber wesentlich auch durch dessen Einsatzzweck bestimmt

wird.

Die AufklÀrung des Einflusses und die Optimierung der QualitÀt der mikroskopischen

GrenzflÀche hinsichtlich den makroskopischen Versagenseigenschaften ist Gegenstand

zahlreicher experimenteller ([34]-[40]) und theoretischer Untersuchungen ([41]-[44]). Wichtige

Voraussetzung dafĂŒr ist die experimentelle Charakterisierung der mechanischen Eigenschaften

der Grenzschicht in mikroskopischen Faser-Matrix-Systemen ([45]-[48]).

Ein denkbarer Zugang ist die Untersuchung der physikalischen und chemischen Wechsel-

wirkungen, die unmittelbar in der GrenzflĂ€che zwischen den MolekĂŒlen der unterschiedlichen

Materialien bestehen (Review [24], [48]-[50]). Die relevante GrĂ¶ĂŸe ist die thermodynamische,

freie GrenzflÀchenenergie ([48], [51]) deren Anteile von verschiedenen Wechsel-

wirkungsformen (chemische Bindung, Van der Waals, Dipolwechselwirkung, mechanische

Wechselwirkung [52], ...) sich aus diversen Meßverfahren (Benetzungsuntersuchungen:

Kapillarsteighöhenmethode, Wilhelmy-Methode [53]; Spektroskopische OberflÀchenunter-

Page 14: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

6

suchungen: SIMS, ISS, XFS; Zeta-Potential [54], ...) ermitteln lassen. In Bezug auf die beim

Faser-Matrix-Debonding in der mikroskopischen Strukturebene (Faser-Matrix, GrĂ¶ĂŸenordnung

”m ) umgesetzten Energien stellt diese molekulare Wechselwirkungsenergie jedoch nur einen

nahezu verschwindenden Bruchteil ([48], [55]). Ursache dafĂŒr ist, daß beim Lösen der

Verbindung zwischen Faser und Matrix nicht nur die unmittelbar benachbarten

MolekĂŒlschichten beteiligt sind, sondern aufgrund der in der Umgebung der Spitze des

GrenzflĂ€chenrisses auftretenden Spannungskonzentrationen Umordnungen (Fließen und

SchĂ€digung der Materialien) in einem ganzen rĂ€umlichen Bereich („Prozeßzone“), mit einer

um GrĂ¶ĂŸenordnungen höheren Anzahl von MolekĂŒlen, auftreten. In diesen wird weitaus mehr

Energie dissipiert, als in der unmittelbaren GrenzflĂ€che. Allerdings ist die GrĂ¶ĂŸe der

Prozeßzone und damit der Betrag der in ihr dissipierten Energie abhĂ€ngig vom Grad der

AdhĂ€sion: hoher direkter Zusammenhalt der GrenzflĂ€che fĂŒhrt zu stĂ€rkeren Spannungs-

konzentrationen, grĂ¶ĂŸeren Prozeßzonen und damit höherer ingesamt dissipierter Energie.

Die molekulare GrenzflÀchenwechselwirkung allein ist zur Beschreibung der QualitÀt der

Faser-Matrix-GrenzflÀche daher nicht ausreichend. Sie wird auf dieser mikroskopischen

Strukturebene (zu unterscheiden von der molekularen Strukturebene im nm-Bereich) durch

weiter gefaßte Parameter, wie der GrenzflĂ€chenscherfestigkeit oder der kritischen Energiefrei-

setzungsrate des Debonding charakterisiert [56]. Diese beinhalten den Einfluß der Prozeßzone

und der rÀumlichen Struktur der sogenannten Grenzschicht, die durch die Nachbarschaft der

GrenzflĂ€che geĂ€nderte Eigenschaften gegenĂŒber dem reinen Matrixmaterial besitzt ([57]-[59]).

Da anzunehmen ist, daß diese Gebiete entscheidend durch die absoluten GrĂ¶ĂŸenverhĂ€ltnisse,

die mikroskopische Geometrie und den Verbundbildungsprozeß bestimmt werden, erfordert

ihre experimentelle Charakterisierung eine realitÀtsnahe Probengestaltung in Anlehnung an die

mikroskopische Struktur der Verbundwerkstoffe. Die in makroskopischen Testverfahren

(„Peel-Test“, „Brazilian-Disc“, ... [60], [61],) ermittelten Haftungsparameter sind nur bedingt

fĂŒr das mikroskopische Verhalten typisch.

Der mikromechanischen, experimentellen Bestimmung der GrenzflÀcheneigenschaften wird

große Aufmerksamkeit geschenkt und sie ist seit vielen Jahren ein Schwerpunkt der Arbeit

zahlreicher Forschungsgruppen. Eine Übersicht zu dieser Thematik ist in Kap. 5.1 zu finden.

1.3 Konzepte fĂŒr Versagenskriterien

Zur Beschreibung des Versagens spröder Materialien gibt es verschiedene Konzepte. Bleibt die

Spannungsverteilung im Material endlich, so ist ein Festigkeitskriterium anwendbar ([62],

[63]). Dieses geht davon aus, daß ein Volumenelement des Materials einer Belastung nur bis zu

einer materialtypischen maximalen Spannung oder Dehnung widerstehen kann. In

Page 15: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

7

mehrachsigen SpannungszustĂ€nden wird dafĂŒr ein Vergleichswert aus den verschiedenen

Lastkomponenten eingefĂŒhrt (z.B. von MISES-Spannung). Voraussetzung fĂŒr eine solche

Beschreibung ist, daß ĂŒber ein statistisch reprĂ€sentatives Volumenelement die Spannung als

homogen angesehen werden kann [17]. Versagen wird immer an Fehlstellen (Mikrorissen,

EinschlĂŒssen, HohlrĂ€umen) induziert. EnthĂ€lt das Volumenelement ausreichend viele dieser

mikroskopischen Strukturelemente um eine statitistische Homogenisierung seiner

Eigenschaften und Deformationen zuzulassen und erfolgt die Belastung des Volumenelementes

gleichmĂ€ĂŸig, so werden unterschiedliche Bereiche des Materials unabhĂ€ngig im Mittel unter

gleichen Bedingungen versagen.

Liegt jedoch eine grĂ¶ĂŸere Störung, z.B. ein Riß im Material vor, so treten starke Spannungs-

konzentrationen und -gradienten auf, die sich bis in die mikroskopische Substruktur fortsetzen.

FĂŒr ein Volumenelement auf einer bestimmten Betrachtungsebene lĂ€ĂŸt sich dann kein

einheitlicher Spannungswert mehr angeben. In der mathematischen Modellierung dieses Sach-

verhalts ergeben sich SingularitĂ€ten mit unbegrenzten Werten fĂŒr die Spannung. Das Festig-

keitskonzept ist fĂŒr derartig inhomogene Spannungsverteilungen nicht geeignet. FĂŒr die

Beschreibung des Versagens bei Vorliegen einer auf der Betrachtungsebene spĂŒrbaren

SchÀdigung wurde die Bruchmechanik entwickelt ([14], [15]). In ihrer gebrÀuchlichsten

Formulierung untersucht sie die Ausbreitung eines Risses in einem Material ausgehend von der

dabei auftretenden Energiebilanz [64]. FĂŒr elastische Systeme ist die entsprechende KenngrĂ¶ĂŸe

die Energiefreisetzungsrate G. FĂŒr die Phase der Ausbreitung eines bestehenden Risses der

LĂ€nge a um eine differientiell kleine LĂ€nge da unter einer Ă€ußeren Last P kann eine Bilanz der

zugefĂŒhrten und verbrauchten Energie aufgestellt werden:

dU dW dW dWaußen Riß Dissipation− + + = 0 (1.1),

wobei ( ) ( )dU U a da U a= + − der Änderung der im System gespeicherten elastischen Energie

U entspricht. dWaußen ist die wĂ€hrend der Rißausbreitung am System von Ă€ußeren KrĂ€ften ver-

richtete Arbeit, dWRiß die bei Ausbreitung des Risses um eine LĂ€nge da zur eigentlichen

Trennung des Materials aufzuwendende (AdhĂ€sions-)-Arbeit ( dWRiß > 0 ). Der Anteil

dWDissipation ist die wĂ€hrend der Rißausbreitung durch Dissipation (plastische Verformung, Rei-

bung, ErwĂ€rmung) in der Prozeßzone oder im Material verbrauchte Energie ( dWDissipation > 0).

Bei Annahme ideal elastischer Materialeigenschaften wird der letzte Anteil vernachlÀssigt oder

der zur Trennung der RißflĂ€chen benötigten Arbeit dWRiß zugeordnet. Die zur Ausbreitung des

Risses notwendige Arbeit dWRiß ist im Differentiellen proportional der neu entstandenen

RißflĂ€che B da⋅ . Der ProportionalitĂ€tsfaktor beschreibt den Widerstand eines Materials gegen-

ĂŒber Rißausbreitung und wird als kritische Energiefreisetzungsrate Gc bezeichnet (B... Breite

der RißflĂ€che):

Page 16: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

8

dW G B daRiß c= ⋅ ⋅ (1.2)

FĂŒr elastische Materialien lĂ€ĂŸt sich die Energiebilanz wie folgt formulieren:

−−

⋅=

dU dW

B daGaußen

c (1.3).

Der Term auf der linken Seite entspricht der vom System fĂŒr die Rißausbreitung zur VerfĂŒgung

gestellten Energie, er wird als Energiefreisetzungsrate G bezeichnet:

Gd U W

B daaußen= −

−

⋅

( ) (1.4)

Die rechte Seite von Gl. 1.3. enthĂ€lt die wĂ€hrend der Rißausbreitung verbrauchte Energie. Die

Herleitung der Bilanz geht von einem quasistatischen Rißwachstum aus. Dynamische Effekte

(kinetische Energie) sind in der bisherigen Formulierung nicht berĂŒcksichtigt, sie bewirken

eine Erhöhung der Dissipation des Systems. Unter Verwendung der Definition der Energiefrei-

setzungsrate ergibt sich folgendes Kriterium fĂŒr das Auftreten von Rißausbreitung: die vom

System zur VerfĂŒgung gestellte Energiefreisetzungsrate G muß gleich oder grĂ¶ĂŸer als die fĂŒr

das Material typische kritische Energiefreisetzungsrate sein [14]:

G G c≄ (1.5)

Die kritische Energiefreisetzungsrate Gc wird im allgemeinen als materialtypische KenngrĂ¶ĂŸe

verstanden. Sie charakterisiert die bei einer Rißausbreitung vom Material verbrauchte Energie.

Die Ausbreitung eines Risses kann sich im gleichen Material in AbhÀngigkeit von der lokalen

Belastung der Rißspitze jedoch auf Basis ganz unterschiedlicher mikroskopischer Prozesse

(Scherbelastung, Normalbelastung usw.) mit unterschiedlichem Energieverbrauch vollziehen.

Daher hĂ€ngt die kritische Energiefreisetzungsrate eines Materials von den bei der Rißaus-

breitung induzierten Mechanismen ab. FĂŒr Risse in elastischen Materialien werden drei

Belastungssituationen unterschieden, die oft mit verschiedenen Versagensmechanismen

verknĂŒpft sind, die Mode-I-, Mode-II- und Mode-III-Belastung. Mode I entspricht einer lokalen

Beanspruchung der Rißspitze, die bestrebt ist, den Riß durch Normalspannungen senkrecht zur

Rißebene zu öffnen. Mode II erzeugt eine antisymmetrische Scherbelastung parallel zur

Ausdehnungsrichtung des Risses. Mode III wird durch die antisymmetrische Scherbelastung in

Richtung der Rißfront festgelegt. Die unterschiedlichen Situationen sind in Abb. 1.1 skizziert.

Gewöhnlich weist ein Material bei reiner Belastung fĂŒr jede dieser Moden einen

unterschiedlichen Wert der kritischen Energiefreisetzungsrate auf: G Ic , G IIc oder GIIIc .

Allgemeine Belastungssituationen ergeben sich oft als Überlagerung der Moden ('Mixed-

Mode'), die entsprechende kritische Energiefreisetzungsrate Gc folgt in diesem Fall aus einem

Page 17: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

9

'Mixed-Mode'-Versagenskriterium ( )G G G Gc I II III, , , ihr Wert ist darin abhÀngig vom Anteil

der einzelnen Belastungsmoden an der Gesamtenergiefreisetzungsrate [17]:

G G G GI II III= + + (1.6.).

Abb. 1.1 Definition der bruchmechanischen Moden

1.4 Grenzen der mathematisch-analytischen Modellierung

Eine theoretische Beschreibung des mechanischen Verhaltens kann die realen VorgÀnge nur

nÀherungsweise in physikalischen Modellen wiedergeben. Deren wichtigste und am hÀufigsten

verwandte Grundlage ist die ElastizitĂ€tstheorie. Obwohl sie inelastische Prozesse wie Fließen

oder MikroschĂ€digung nicht berĂŒcksichtigt, folgen die meisten Materialien im Bereich kleiner

und mittlerer Deformation ihren Gesetzen. Die verbreiteteste Variante geht von einem linearen

Zusammenhang zwischen der Belastung und der Deformation der Materialien aus, was fĂŒr den

ElastizitÀtsbereich der meisten Werkstoffe, ausgenommen die Elastomere, im praktischen

Einsatzfall in guter NĂ€herung zutrifft. Selbst in ihrer einfachsten, isotropen Formulierung liegt

dieser Theorie ein System aus partiellen Differentialgleichungen 4.Ordnung (NAVIER’sche

Gleichungen [65]) zugrunde, das gelöst werden muß, um allgemeine dreidimensionale

Aufgabenstellungen zu bearbeiten. Mit Ausnahme simpelster Geometrien (Kugel, Quader o.Ă€.)

unter homogenen Belastungen ist eine gleichungsmĂ€ĂŸige Formulierung real auftretender

Randbedingungen sehr aufwendig. Eine exakte, mathematisch analytische Ermittlung der

Spannungs- und Verschiebungsverteilung unter Verwendung vollstÀndiger Ansatzfunktionen

fĂŒr die Differentialgleichungen ist fĂŒr reale Randbedingungen und Geometrien wegen der dabei

auftretenden mathematischen Probleme im allgemeinen praktisch undurchfĂŒhrbar [65].

Vereinfachungen und VernachlÀssigungen der Problemstellungen sind unabdingbar, um

wenigstens nĂ€herungsweise LösungsausdrĂŒcke fĂŒr eine Problemstellung zu erhalten. In

manchen FÀllen ist eine Reduktion auf eine zweidimensionale Beschreibung möglich, wenn

eine Rotationssymmetrie, eine sehr geringe oder eine sehr große Ausdehnung der Geometrie in

einer Richtung vorliegen (Fasern, Folien, StÀbe, Platten). Dennoch ist der verbleibende

Aufwand bei allgemeinen zweidimensionalen Geometrien und Randbedingungen fĂŒr eine

exakte mathematisch analytische Behandlung zu groß und erfordert weitere grundlegende

Mode IIMode I Mode III

Page 18: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

10

Vereinfachungen. Unter gĂŒnstigsten UmstĂ€nden lassen sich die realen Fragestellungen mit

GrenzfĂ€llen analytischer Modelle vergleichen, fĂŒr die einfache Lösungen des analytischen

Systems existieren. Ein Beispiel dafĂŒr ist die Balkentheorie, deren sehr simple mathematische

Formulierung sich fĂŒr unendlich lange StĂ€be aus den Grundgleichungen der ElastizitĂ€tstheorie

ergibt [66]. HĂ€ufig jedoch mĂŒssen willkĂŒrliche VernachlĂ€ssigungen von Komponenten und

ihren AbhÀngigkeiten vorgenommen werden, nur um die mathematischen Umformungen zur

analytischen Lösung zu ermöglichen. Dies betrifft z.B. die in Kap. 5.2 vorgestellten ‘Shear-

Lag’-NĂ€herungen [67]. Inwieweit die auf derartiger Basis erhaltenen AusdrĂŒcke das

Deformationsverhalten richtig wiedergeben, ist in der Regel völlig unklar und kann nur durch

unabhÀngige Untersuchungen entschieden werden. Mehr als eine qualitative Beschreibung

sollte von diesen NĂ€herungen nicht erwartet werden [1]. Daneben zeigt sich fĂŒr viele

mechanische Systeme, daß die Deformation und das Materialverhalten wesentlich von

nichtlinearen (starke Biegung, große Dehnung) und nichtelastischen (PlastizitĂ€t) EinflĂŒssen

bestimmt wird, die ĂŒber die lineare ElastizitĂ€t hinausgehen und noch weitaus schwieriger zu

beschreiben sind. Obwohl sich Grundgleichungen auch dafĂŒr angeben lassen. ist ihre

mathematisch analytische Lösung nur in AusnahmefÀllen möglich [1].

Mathematisch analytische Lösungsverfahren können die meisten praktischen Aufgabenstellun-

gen nur ĂŒber Modelle behandeln, die bereits in den Grundlagen mehr oder weniger stark

vereinfacht sind. Diese liefern nur NÀherungslösungen. Dabei können wesentliche Aspekte des

realen Verhaltens verlorengehen und eine Beurteilung der GĂŒltigkeit und Genauigkeit der

erhaltenen Resultate ist auf rein analytischer Basis in vielen FÀllen nicht möglich.

Zur BewÀltigung komplizierter mathematischer Probleme sind numerische Lösungsverfahren

besser geeignet. Zwar ermöglichen auch sie nur eine nÀherungsweise Lösung, doch erlauben sie

meist eine vollstÀndige Behandlung aller Grundgleichungen des Systems und ihre Genauigkeit

kann im Prinzip durch Verfeinerung der Diskretisierung stets weiter verbessert werden.

Praktisch ist sie durch die verfĂŒgbare Rechnerleistung begrenzt. Numerische Methoden, wie die

Finite-Elemente-(FE)-Methode [68] haben sich daher in letzter Zeit zur Modellierung

mechanischer und vieler anderer Aufgabenstellungen durchgesetzt. Sie vermögen auch den

Maßstab fĂŒr die GĂŒltigkeit der mathematisch analytischen Lösungen zu liefern.

Die analytischen Ergebnisse haben jedoch weiterhin eine große Bedeutung, wenn sie die Zu-

sammenhĂ€nge zwischen den physikalischen GrĂ¶ĂŸen mittels mathematischen FormelausdrĂŒcken

in allgemeiner, einfacher und anschaulicher Form wiedergeben können. In diesem Fall sind sie

fĂŒr praktische Anwendungen den numerischen Verfahren ĂŒberlegen, denn jene vermitteln

Lösungen nur fĂŒr den speziellen Fall ĂŒber aufwendige und wenig transparente Verfahren.

Page 19: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

11

1.5 Zielstellung der Arbeit

Das Potential der FE-Methode zur wirklichkeitsnahen Beschreibung auch komplexer Einfluß-

grĂ¶ĂŸen (3 D-SpannungszustĂ€nde, komplizierte Geometrien, anisotrope Materialeigenschaften,

nichtlineare Deformationen, inelastische Materialgesetze) bietet die Perspektive einer

realistischeren, detaillierteren Modellbildung des Versagensprozesses von faserverstÀrkten

Verbundwerkstoffen. Auf diesem Weg möchte die vorliegende Arbeit einen Beitrag leisten.

Das besondere Augenmerk richtet sich darin auf die Versagensmechanismen in spröden, faser-

verstĂ€rkten Materialien. FĂŒr deren Modellierung soll das bruchmechanische Konzept zur

Beschreibung von Versagen sowohl auf der makroskopischen Ebene (Delamination) als auch

auf der mikroskopischen Ebene (Faser-Matrix-Debonding) konsequent und detailgetreu

(‘Mixed-Mode’, nichtlineare Deformation, anisotropes Materialverhalten) angewendet werden.

Wegen der großen Vielfalt und KomplexitĂ€t der wirkenden Mechanismen kann nur eine

Grundlage gelegt werden, die in nachfolgenden Arbeiten erweitert werden soll (inelastisches

Materialverhalten: Matrixfließen oder -plastizitĂ€t, MaterialschĂ€digung, Reibung; zusĂ€tzliche

Strukturelemente: Interphase, FaserbrĂŒcken, Wechselwirkungen mit Nachbarfasern).

Diese allgemeine Zielstellung bildet den Hintergrund und den Rahmen fĂŒr den eigentlichen

Schwerpunkt der Arbeit, der auf der Bearbeitung von je einer anwendungsrelevanten

Fragestellung zur makroskopischen und zur mikroskopischen Beschreibung des Versagens

faserverstÀrkter Verbundwerkstoffe liegt.

Die Thematik "Charakterisierung des Delaminationsverhaltens gekrĂŒmmter Probekörper"

vertritt die makromechanische Ebene der Modellierung:

Im Ergebnis der Thermoplast-Wickeltechnologie entstehen langfaserverstÀrkte Verbund-

werkstoffe mit meist rotationsymmetrischer Gestalt. Um die QualitÀt der mit dieser Tech-

nologie erzeugten Materialien beurteilen zu können, werden ringförmige Probekörper

hergestellt und getestet. Ein wichtiger Maßstab fĂŒr die KonsolidierungsgĂŒte der Materialien ist

ihre WiderstandsfĂ€higkeit gegenĂŒber Delaminationsversagen. Ein weitgehend standardisiertes

Verfahren dafĂŒr existiert nur fĂŒr ebene Proben ('Double Cantilever Beam Test', DCB-Test),

wird aber in abgewandelter Form auch fĂŒr die gekrĂŒmmten Probekörper angewendet ('Curved-

Double-Cantilever-Beam-Test', CDCB-Test). FĂŒr diese Variante ist aus der Literatur keine

spezielle Methode zur Auswertung bekannt. Sie erfolgt bisher nur qualitativ oder auf

Grundlage allgemeiner Vorstellungen, die den Besonderheiten dieses Tests kaum Rechnung

tragen, da ein Deformationsmodell dieser Geometrie nicht existiert.

Aufgabe dieser Arbeit soll es sein, eine makromechanische Modellierung des CDCB-Tests zu

erstellen, welche die zur experimentellen Bestimmung der bruchmechanischen KenngrĂ¶ĂŸen

notwendigen ZusammenhÀnge liefert und eine Diskussion hinsichtlich einer optimalen Proben-

gestaltung ermöglicht. Besonderer Wert wird dabei auf eine realistische BerĂŒcksichtigung auch

Page 20: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

12

komplizierterer Einflußfaktoren wie Scherdeformationen, Materialanisotropie, bruchmecha-

nischer 'Mixed-Mode'-Belastung und nichtlinearer Deformation gelegt. Als primÀre

Analysemethode wird eine Finite-Elemente-Modellierung angewendet, an Hand deren

Ergebnisse sich jedoch auch die LeistungsfÀhigkeit und Anwendbarkeit der herkömmlichen

analytischen Methoden beurteilen lassen.

Die mikroskopische Betrachtungsebene steht im Mittelpunkt der zweiten Aufgabenstellung zur

"Mikromechanischen Modellierung des Versagens der Faser-Matrix-GrenzflÀche beim

Einzelfaser-Auszugstest":

Die QualitĂ€t der Faser-Matrix-GrenzflĂ€che hat wesentlichen Einfluß auf die mechanischen

Eigenschaften faserverstÀrkter Verbundwerkstoffe, insbesondere deren Festigkeit und ZÀhig-

keit. Da die GrenzflÀche durch Wahl von Faser-Matrix-Kombination, Faserbehandlung und

Schlichtesubstanzen beeinflußbar ist, bietet sie die Möglichkeit einer Optimierung der

mechanischen Eigenschaften der Verbundwerkstoffe. Allerdings sind die Mechanismen der

Eigenschaftsverbesserung auf Grund der zahlreichen Wechselwirkungen der mikroskopischen

Strukturkomponenten faserverstÀrkter Materialien sehr komplex und im Rahmen eines

umfassenden theoretischen Modells noch nicht hinreichend verstanden. Meist wird daher der

Weg einer empirischen Untersuchung des Einflusses von Faser-Matrix-Haftung auf die mecha-

nischen Eigenschaften von Verbundwerkstoffen beschritten. DafĂŒr ist eine experimentelle

Charakterisierung der mechanischen QualitÀt der eingesetzten Faser-Matrix-Systeme

notwendig. Eine hÀufig verwendete, mikromechanische Charakterisierungsmethode ist der

Einzelfaser-Auszugsversuch. Trotz seiner einfachen Geometrie sind die auftretenden

Deformationen und Spannungen kompliziert und entziehen sich einer einfachen analytischen

Modellierung, obwohl zahlreiche Versuche dazu unternommen wurden. Die herkömmliche

Interpretation der Ergebnisse versucht, die GrenzflÀchenqualitÀt durch eine GrenzflÀchen-

scherfestigkeit zu charakterisieren. FĂŒr spröde Materialien ist die GrenzflĂ€chenbelastung

jedoch durch das Auftreten stark inhomogener Spannungskonzentrationen (theoretisch -

singularitÀten) gekennzeichnet. Hier versagt ein Festigkeitskriterium und eine bruch-

mechanische Beschreibung der Ausbreitung eines GrenzflÀchenrisses ('Debonding') mit einer

kritischen Energiefreisetzungsrate als Debonding-Kriterium erscheint angemessener. Dies ist

die Zielstellung des zweiten Teils der Arbeit. Der bruchmechanische Ansatz und die

Möglichkeiten der Finite-Elemente-Methode sollen ein detailliertes Bild der Entstehung und

Ausbreitung von Grenzschichtrissen fĂŒr spröde Interfacesysteme am Beispiel des Einzelfaser-

Auszugsversuchs liefern. Dieses Bild lĂ€ĂŸt sich zukĂŒnftig auf die Einbeziehung inelastischen

Materialverhaltens und von Wechselwirkung mit anderen Strukturelementen (Nachbarfasern,

Zwischenschichten) erweitern, welche in realen Verbundsystemen eine wesentliche Rolle

spielen.

Page 21: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

13

2. Makromechanische Modellierung: Charakterisierung des Delamina-

tionswiderstandes gekrĂŒmmter Probekörper

2.1 Thermoplastwickeltechnologie

Die Thermoplastwickeltechnologie ist ein relativ junges technologisches Verfahren zur

Herstellung langfaserverstÀrkter Verbundwerkstoffe mit thermoplastischer Kunststoffmatrix

([20], [69]-[75]). Sie gestattet die automatisierte Erstellung von mehr oder weniger rotations-

symmetrischen Bauteilen in einem Arbeitsgang ohne zusÀtzliche zeitaufwendige Schritte wie

manuelles Auflegen und Anordnung von Prepreg-Schichten oder nachfolgende AushÀrt- und

Konsolidierungsprozesse. Die Verwendung thermoplastischer Materialien fĂŒr die Matrix

beinhaltet fĂŒr viele Anwendungszwecke eine Reihe von Vorteilen gegenĂŒber duromeren

Materialien [72]: die Materialien zeigen bessere ZĂ€higkeit hinsichtlich Bruch, Delamination

und Schlag, sie haben kurze Verarbeitungszeiten und benötigen weniger Verarbeitungsschritte.

Die aus Thermoplastverbundwerkstoffen gefertigten Bauteile und Formkörper sind auch nach

ihrer Herstellung noch umformbar und lassen sich schweißen. Und nicht zuletzt bieten sie gute

Recyclingmöglichkeiten. Neben materialspezifischen Problemen, die natĂŒrlich auch existieren

(hohe VerarbeitungsviskositÀt und -temperatur, hohen Materialkosten) waren es besonders die

fehlenden Verbundbildungstechnologien, die eine technische Nutzung langfaserverstÀrkter

Thermoplastmaterialien im industriellen Umfang bisher verhindert haben. Hier wurde mit der

Thermoplastwickeltechnologie ein interessanter Ansatz gefunden.

Abb. 2.1

Prinzip einer Thermoplast-

wickelanlage [72]

Das Prinzip ist in Abb. 2.1 illustriert. Im Verfahren werden die VerstÀrkungsfÀden und das

Thermoplastmaterial gemeinsam und kontinuierlich dem Verbundbildungsprozeß zugefĂŒhrt.

FĂŒr die Kombination von Faser und Matrix, die sogenannte FaserimprĂ€gnierung, im

Ausgangsmaterial gibt es verschiedene Möglichkeiten [72]. Die Matrix kann ĂŒber

Thermoplastfasern oder -foliebĂ€nder von einer getrennten Spule zugefĂŒhrt werden bzw. in

Form von Thermoplastpulver in einer dĂŒnnen HĂŒlle oder als BĂ€nder die Fasern unmittelbar

Vorspannung

VorwÀrmkammer

Ausgangsmaterial

EinlaufpunktheizungWickeldorn

Laminatring

Andruckrolle

Einlaufpunkt

Page 22: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

14

umschließen. Letzterer Fall erfordert eine zusĂ€tzliche Verarbeitungsstufe zur Faser-

imprĂ€gnierung, hat aber den Vorteil, daß das Ausgangsmaterial einheitlich, fertig konfiguriert

und auf einem einzigen TrÀger vorliegt. Von der Spule mit dem Halbzeug gelangt die Faser mit

der Matrix in eine Vorheizstrecke, die eine gleichmĂ€ĂŸige Aufheizung des Materials bis an den

Schmelzpunkt der Matrix bewirken soll. Unter einer regulierbaren Faserspannung wird das

Material am Einlaufpunkt auf dem Wickeldorn abgelegt. Ein mechanischer Druck und die

punktuelle ErwÀrmung an dieser Position befördern die Konsolidierung des aufgeschmolzenen

Matrixmaterials mit den darin eingebetteten Fasern zu einem möglichst homogenen

Verbundwerkstoff ([20], [75]). Dieser Abschnitt des Wickelprozesses ist von besonderer

Bedeutung, weil die hier eingestellten Bedingungen die Eigenschaften des hergestellten

Verbundwerkstoffs entscheidend bestimmen. Auf dem Wickeldorn, der die Geometrie des

hergestellten Formteils festlegt, erfolgt wÀhrend der nachfolgenden Rotation die allmÀhliche

AbkĂŒhlung. FĂŒr die ökonomische Effizienz sind eine hohe Wickelgeschwindigkeit bei der

Bauteilherstellung und ein geringer Energieverbrauch wÀhrend der Aufheizung wichtig. Dies

steht in gewissem Widerspruch zu den technologischen Forderungen einer möglichst guten

Konsolidierung des Verbundes. Jene wird durch ein vollstÀndiges Aufschmelzen und eine

gleichmĂ€ĂŸige Benetzung und Verteilung der Fasern in der Schmelze bestimmt. Dabei sollen

möglichst wenige Luftblasen und andere Fehlstellen im Material verbleiben. Voraussetzung

sind eine ausreichende Temperatur und ein gewisser mechanischer Druck am Einlaufpunkt

sowie eine genĂŒgend lange Verweilzeit des Materials im Bereich der Schmelztemperatur.

Andererseits darf nur eine möglichst geringe thermische oder mechanische SchÀdigung von

Matrix und Faser wĂ€hrend des Wickelprozesses auftreten. FĂŒr die Parameter des Wickel-

prozesses, wie Vorheizleistung, Temperatur und Druck am Einlaufpunkt, Fadenspannung,

Dorntemperatur und Wickelgeschwindigkeit muß daher eine optimale Einstellung gefunden

werden. Der erreichte Erfolg beim Konsolidierungsprozess lĂ€ĂŸt sich neben direkten

mikroskopischen Untersuchungen am deutlichsten aus den mechanischen Eigenschaften der

hergestellten Verbundwerkstoffe beurteilen [76]. In besonderer Weise sind davon die Ver-

sagenseigenschaften betroffen, die vorwiegend durch die Fehlstellen eines Werkstoffes

bestimmt werden. Eine hohe Empfindlichkeit gegenĂŒber derartigen SchĂ€digungen zeigt bei

langfaserverstĂ€rkten, schichtartigen Materialien die Delamination ([6] [7]), so daß speziell

deren Untersuchung Informationen zur optimalen Gestaltung des technologischen Prozesses

bereitstellt.

Page 23: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

15

2.2 Charakterisierung der DelaminationszÀhigkeit

Zur Charakterisierung der WiderstandsfÀhigkeit langfaserverstÀrkter Verbundwerkstoffe

gegenĂŒber Delamination existieren verschiedene Testverfahren fĂŒr ebene Probekörper ([7],

[72]). Zur Ermittlung der bruchmechanischen Kennwerte werden sogenannte Anfangsriß-

Verfahren eingesetzt. Bei diesen wird vor der Belastung ein kĂŒnstlicher Riß der LĂ€nge a 0 in

der Probenmittelebene zwischen die Faserschichten eingebracht und die zu dessen Ausbreitung

notwendige Probenbelastung P gemeinsam mit der RiĂŸĂ¶ffnung ÎŽ und der aktuellen RißlĂ€nge a

wĂ€hrend des Tests aufgezeichnet. Aus diesen GrĂ¶ĂŸen lĂ€ĂŸt sich entsprechend dem

bruchmechanischen Konzept die kritische Energiefreisetzungsrate G c des Delaminations-

versagens ermitteln. FĂŒr stabile Rißausbreitung erhĂ€lt man deren AbhĂ€ngigkeit von der

RißlĂ€nge a, welche einer R-Kurve entspricht. Die Einbringung des Anfangsrisses erfolgt bereits

wÀhrend des Verbundbildungsprozesses durch Einlegen einer Trennfolie (z.B. PTFE) zwischen

die mittleren Verbundschichten des Probekörpers.

Die verschiedenen PrĂŒfgeometrien entsprechen unterschiedlichen Formen der praktischen

Belastung eines bereits delaminationsgeschÀdigten Bauteils. Eine wichtige Unterscheidung ist

durch die verschiedenartigen Moden der Belastung gegeben, denen die Rißspitze ausgesetzt

sein kann: ob sie versucht, den Riß senkrecht zur Rißebene zu öffnen (‘Mode I’) oder ob sie in

Richtung der RißflĂ€chen erfolgt (‘Mode II’). Die AnfĂ€lligkeit des Materials gegenĂŒber

Ausbreitung der Delamination ist in der Regel abhÀngig von der Art der Belastung, im allge-

meinen ist die senkrechte Belastung (‘Mode I’) kritischer ([6], [8], [9]). Die PrĂŒfgeometrien

lassen sich nach der Form der Belastung typisieren [77]. Die fĂŒr Laminate am hĂ€ufigsten

angewendeten Mode-II-Tests sind der ‘End Notched Flexure’ (ENF) und der ‘End Loaded

Split’-Test. Das zur Mode-I-Charakterisierung vorwiegend eingesetzte Verfahren ist der

‘Double Cantilever Beam’ (DCB)- Test.

Bedingt durch die starke Anisotropie, die hohe Steifigkeit parallel zu den VerstÀrkungs-

richtungen und die schichtweise Herstellungstechnologie der Laminatwerkstoffe unterscheidet

sich die Probekörpergeometrie zur bruchmechanischen Charakterisierung von Laminat-

werkstoffen wesentlich von der isotroper Materialien (Metalle, reine und partikelverstÀrkte

Kunststoffe). FĂŒr diese werden zumeist Varianten des ‘Compact Tension’-Tests verwendet

([17], [78]). UnverstĂ€rkte oder partikelverstĂ€rkte Materialien werden fĂŒr mechanisch bean-

spruchte Bauteile oft in kompakter Geometrie eingesetzt, bei der sich die Belastung ĂŒber große

Querschnitte verteilt. In diesem Fall fĂŒhren Ă€ußere Belastungen nur zu relativ geringen

Deformationen der Gesamtgeometrie. Dagegen bilden Verbundwerkstoffe zumeist Platten oder

Schalen und widerstehen starken Dehn- und Biegebelastungen. Insbesondere die letzteren

können fĂŒr die vergleichsweise geringen Materialdicken starke Biegedeformationen bewirken,

Page 24: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

16

die eine geometrisch nichtlineare Verformung [66] zur Folge haben. Die starke Anisotropie der

Steifigkeit fĂŒhrt ĂŒberdies zu einem weit grĂ¶ĂŸeren Anteil an Scherdeformation bei der Biegung

als dies bei herkömmlichen, isotropen Materialien der Fall ist [79]. Diese beiden Faktoren

erschweren die zur Auswertung der Testergebnisse notwendige Modellierung des Defor-

mationsverhaltens fĂŒr die Laminat-PrĂŒfkörper.

2.2.1 ‘Double Cantilever Beam’-(DCB)-Test fĂŒr ebene Materialien

Die Geometrie des DCB-Tests mit den verwendeten Symbolen ist in Abb. 2.2 dargestellt. Die

geometrischen Abmessungen und die Art der Krafteinleitung wurden fĂŒr das in der Arbeit

beschriebene Modell und die Experimente entsprechend einem verbreiteten ESIS-Standard [77]

gewĂ€hlt. Die Übertragung der Belastung wird mittels auf die Probe geklebter Alu-

miniumklötzchen realisiert. Ein Anfangsriß der LĂ€nge a mm0 25= (gemessen unter den

Lastpunkten in Klötzchenmitte) wird durch Einlegen einer PTFE-Folie wÀhrend der Proben-

herstellung eingebracht. Da die Geometrie und die Belastung symmetrisch zur Rißebene sind,

tritt eine reine Mode-I-Belastung des Risses auf. Zur praktischen DurchfĂŒhrung des Tests wird

die Probe in einer ZugprĂŒfmaschine eingespannt. Die Last P wird ĂŒber in den Bohrungen frei

bewegliche Stahlstifte momentenfrei auf die Klötzchen ĂŒbertragen, die relative Verschiebung

der Achspunkte der gegenĂŒberliegenden Klötzchen wird von der Maschine gemessen und im

Kontext der Arbeit als Lastverschiebung ή bezeichnet. Da die Rißausbreitung meist stabil

erfolgt, kann wĂ€hrend des Tests auch die aktuelle RißlĂ€nge a gemessen und in bestimmten

ZeitabstÀnden dokumentiert werden. Zu diesem Zweck wird vor Beginn des Tests eine

SeitenflĂ€che der Probe mit einer Lackschicht versehen, in die eine LĂ€ngenskala der RißlĂ€nge

eingekratzt wird. Ergebnis eines DCB-Tests ist die Last-Verschiebungs-Kurve ( )( )P aÎŽ , in

AbhĂ€ngigkeit von der aktuellen RißlĂ€nge a.

Abb. 2.2 Geometrie der DCB-Probe (ESIS [72]: L mm= 125 ; H mm= 3 ;

B mm= 20 ; h mmk = 30 ;

h mmkl = 22 5, ; l mmkl = 20 ;

25 75mm a mm≀ ≀ )

2*hkl+H+ÎŽ

hk

lkl

hklL

Stahlstifte zurKrafteinleitung

Probenmaterial

(aufgeklebt)

Alu-Halteklötzchen

B

H

P

a

Page 25: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

17

Probleme bei der praktischen DurchfĂŒhrung des DCB-Tests ergeben sich insbesondere

hinsichtlich der parallelen und mittigen Einbringung des Anfangsrisses, im Hinblick auf eine

ausreichende Belastbarkeit der Klebeverbindung zwischen Klötzchen und Probenenden, bei der

genauen Bestimmung der aktuellen RißlĂ€nge und durch das Auftreten starker Durchbiegungen

fĂŒr weniger steife Proben und lange RißlĂ€ngen.

2.2.2 ‘Curved Double Cantilever Beam’-(CDCB)-Test fĂŒr gekrĂŒmmte

Materialien

Im Ergebnis von Wickelverfahren zur Verbundherstellung entstehen zylindrische Strukturen,

aus denen nur gekrĂŒmmte Probekörper zur MaterialprĂŒfung herstellbar sind. Die fĂŒr ebene

Materialien entwickelte Geometrie des DCB-Tests lĂ€ĂŸt sich nicht unmittelbar auf diese Proben

anwenden. Eine Übertragung des Grundprinzips ist jedoch möglich und fĂŒhrt zu einer

gekrĂŒmmten Variante des DCB-Tests: dem ‘Curved Double Cantilever Beam’-Test (CDCB-

Test) ([20], [72], [80]). DafĂŒr wird eine Ringprobe in vier 90°-Segmente aufgeteilt. Durch

Einlegen zweier Trennfolien, die sich auf dem Ring gegenĂŒberliegen, werden die Anfangsrisse

in der Mitte des Wickelprozesses eingebracht. Aus einem Ring lassen sich durch

symmetrisches Abtrennen der Segmente 4 Probekörper mit Anfangsriß gewinnen. Die

Geometrie der CDCB-Probe und die Bezeichnung der geometrischen Parameter ist in Abb. 2.2

dargestellt. In Analogie zum DCB-Test werden an den freien Rißenden der Probe Aluminium-

klötzchen zur Krafteinleitung aufgeklebt. Die KlebeflĂ€chen der Klötzchen mĂŒssen einen, dem

Innen- bzw. Außendurchmesser des Ringes entsprechenden, gekrĂŒmmten Schliff erhalten. Die

Probe wird ĂŒber zwei in den Klötzchen frei gelagerte Achsen in eine ZugprĂŒfmaschine

eingespannt, die Lastkraft P wird gemeinsam mit der Verschiebung ÎŽ der Achsen ĂŒber dem

gesamten Bereich der Rißausbreitung registriert. Aufgrund des laminaren Probenaufbaus folgt

der Riß der KrĂŒmmung der Probe, seine aktuelle LĂ€nge wird mittels einer vor dem Test

aufgebrachten Skalierung gemeinsam mit P und Ύ wÀhrend des Versuchs aufgezeichnet.

Abb. 2.3 Geometrie der CDCB-Probe

2*h kl+H+ÎŽÎŽÎŽÎŽ

h k

h kl

P

l kl

R i

a

H B

Page 26: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

18

Im Gegensatz zum DCB-Test erfolgt die Belastung beim CDCB-Test nicht symmetrisch zur

Rißebene, was die Interpretation der Ergebnisse erschwert. Es kann nicht davon ausgegangen

werden, daß der Mode-II-Anteil der Belastung des Materials verschwindet, da auch

Belastungskomponenten parallel zur Richtung der Rißausbreitung an der Rißspitze auftreten.

Allerdings lĂ€ĂŸt die PrĂŒfmaschine ausschließlich Kraft- und Verschiebungskomponenten in

senkrechter Richtung zu, durch die drehbare Lagerung der Achsen in den Klötzchen kann die

Probe Verspannungen durch Rotation ausweichen. Eine ĂŒberschlagsmĂ€ĂŸige AbschĂ€tzung der

dabei auftretenden Verteilung auf die einzelnen Belastungsmoden [72] lĂ€ĂŸt einen nur geringen

Mode-II-Anteil erwarten.

Dieser Rotationseffekt ist schon bei relativ niedrigen Belastungen signifikant und nicht an das

Auftreten starker Deformationen gebunden. Drehungen lassen sich im Rahmen der ĂŒblichen,

geometrisch linearen Modellierung der Deformation nicht korrekt beschreiben. Zur

Modellierung des mechanischen Verhaltens der CDCB-Probe erscheint daher die BerĂŒck-

sichtigung nichtlinearer Deformation noch dringender geboten als bei der DCB-Probe.

Eine weitere Schwierigkeit der Modellbildung besteht in der KrĂŒmmung der Probekörper [81].

Die einfachste Form der Modellierung beschreibt deren Deformation durch ein Balkenmodell,

in dem die beiden RißhĂ€lften der Probe als StĂ€be bzw. schmale Platten betrachtet werden, die

einer Biegedeformation unterworfen sind. WĂ€hrend dies fĂŒr die ebene Form der DCB-Probe

einfach zu berechnen ist, ergeben sich infolge der KrĂŒmmung fĂŒr die CDCB-Probe

komplizierte Ausgangsgleichungen, fĂŒr die ohne weiteres kein analytisch geschlossenes

Ergebnis gefunden werden kann. Da aus der Literatur gegenwÀrtig kein Deformationsmodell

der CDCB-Probe bekannt ist, gestaltet sich die Auswertung des CDCB-Tests, d.h. die

Bestimmung der kritischen Energiefreisetzungsrate G c aus den Meßergebnissen, schwierig.

Die fĂŒr den DCB-Test aufgestellten Formeln sind dafĂŒr nicht anwendbar. In [20], [72] wird ein

empirisches Verfahren zur Auswertung des DCB-Tests verwendet („experimentelle

Compliance-Methode“), welches direkt auf der linearen Definition der Energiefreisetzungsrate

aus der Ă€ußeren Belastung beruht. Da jedoch fĂŒr die CDCB-Probe von einer deutlichen

NichtlinearitĂ€t der Belastungskurve ausgegangen werden muß, ist die GĂŒltigkeit dieser

NĂ€herung nicht gesichert.

Zusammenfassend lĂ€ĂŸt sich feststellen, daß aufgrund des Auftretens von ‘Mixed-Mode’-

Belastungen, KrĂŒmmung und Drehung der CDCB-Proben die Interpretation der Ergebnisse des

Test wesentlich komplizierter als die des DCB-Tests erscheint und eine eigenstÀndige

Modellierung der CDCB-Geometrie erfordert.

Page 27: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

19

2.3 Modellierung DCB-Test

Obwohl die eigentliche Zielstellung dieses Teils der Arbeit in der Modellierung des CDCB-

Tests besteht, wurde zunÀchst eine Modellierung der Àhnlichen, aber einfacheren DCB-

Geometrie durchgefĂŒhrt. Da fĂŒr den DCB-Test bereits eine Reihe von unabhĂ€ngigen Modellen

und Erfahrungen existieren, lassen sich daran die ZuverlÀssigkeit und EffektivitÀt der in dieser

Arbeit verwendeten Modelle und Analysemethoden aus dem Vergleich beurteilen und

optimieren. Die gesammelten Erfahrungen sollen insbesondere dazu genutzt werden, die

Untersuchung des CDCB-Tests auf den Einfluß der wesentlichen Parameter zu beschrĂ€nken.

2.3.1 FE-Modell der DCB-Geometrie

Die DCB-Geometrie wurde mit einem detaillierten zweidimensionalen und einem weniger

detaillierten dreidimensionalen Finite-Elemente-Modell nachgebildet [82]. Zur DurchfĂŒhrung

der Analyse wurden das kommerzielle Finite-Elemente-Programm ANSYS 5.0 und ein DOS

Personalcomputer AT-486 eingesetzt.

Die Vernetzung erfolgte fĂŒr das 2D-FE-Modell mittels isoparametrischer 2D-Solid-Elemente

mit 8 Knoten. FĂŒr diese wurden homogene, linear elastische, orthotrope Materialeigenschaften

definiert. Im Gegensatz zu einer Modellierung mittels Schalenelementen, die ebenfalls möglich

wÀre, erlaubt eine vollstÀndige, zweidimensionale Modellierung mit Solidelementen eine

wirklichkeitsnahe BerĂŒcksichtigung der bei der Biegung auftretenden Scherdeformationen.

Diese kann mit Schalenelementen, die auf der KIRCHHOFF’SCHEN Plattentheorie beruhen,

(auch bei Nutzung einer TIMOSHENKO-Korrektur) nicht oder nur ungenĂŒgend erfolgen.

Wegen der Symmetrie der Probe zur Rißebene ist bei Wahl entsprechender symmetrischer

Randbedingungen in der Mittelebene die Modellierung einer ProbenhÀlfte ausreichend.

Abb. 2.4 Netz des 2D-FE-Modells der DCB-Probe

Rißspitzenregion

RißspitzenelementeRißspitze

Delaminierter Probenteil

Page 28: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

20

Eine Darstellung der verwendeten Vernetzung ist in Abb. 2.4 zu finden. Sie ist der besseren

Anschaulichkeit wegen vergröbert und soll die gewÀhlten Grundprinzipien der Vernetzung

illustrieren, die im Hinblick auf eine bruchmechanische Beschreibung der Rißausbreitung

allgemein beachtet werden mĂŒssen. Diese Prinzipien sind auch fĂŒr die ĂŒbrigen, in dieser Arbeit

vorgestellten FE-Modelle (CDCB-Test, Einzelfaserauszugs-Test) gĂŒltig und sollen deshalb an

dieser Stelle stellvertretend kommentiert werden.

Bevorzugte Nutzung regelmĂ€ĂŸiger Vernetzung (‘Mapped Meshing’) der fĂŒr die

Gesamtdeformation wesentlichen Gebiete:

Der dominierende Beitrag zur Deformation der DCB-Probe wird durch die Biegung des

delaminierten Teils des Probekörpers geliefert. FĂŒr diesen Bereich wurde eine regelmĂ€ĂŸige

Vernetzung (‘mapped meshing’) gewĂ€hlt, weil diese Methode die genauesten Ergebnisse

liefert. Um mit den Solid-Elementen die Biegedeformationen hinreichend genau wiedergeben

zu können, wurde eine Netzdichte von ca. 4-6 Elementen ĂŒber die Probenbreite eingesetzt, die

sich bei Vergleichsrechnungen als ausreichend erwies. Der noch nicht delaminierte Probenteil

vor der Rißspitze ist nur sehr geringen Spannungen ausgesetzt und wurde daher nur halb so

dicht vernetzt.

Netzverfeinerung durch ‘Free-Meshing’ im Bereich starker Spannungsgradienten:

An der Spitze des Delaminationsrisses treten starke Spannungskonzentrationen auf. Daher

wurde, beginnend in einem Abstand von einer Probendicke H, eine starke Netzverfeinerung des

Modells hin zur Rißspitze gewĂ€hlt. Eine Möglichkeit zur Berechnung der bruchmechanischen

KenngrĂ¶ĂŸen fĂŒr linear elastische Materialien ergibt sich ĂŒber die Bestimmung der

SpannungsintensitĂ€tsfaktoren aus den singulĂ€ren Nahfeldern an der Rißspitze. Diese Methode

erlaubt insbesondere die Charakterisierung des ‘Mixed-Mode’-Zustandes bei unsymmetrischen

Geometrien wie z.B. der CDCB-Probe. Sie soll zunÀchst unter den reinen Mode-I-

Belastungsbedingungen der DCB-Geometrie getestet und mit den Ergebnissen fĂŒr G aus der

Ă€ußeren Reaktion des Systems verglichen werden. Die singulĂ€ren Felder dominieren nur in

einem sehr kleinen Bereich unmittelbar um die Rißspitze (klein gegenĂŒber einer

charakteristischen Abmessung s.u.) [83]. Das Modell muß hier eine sehr feine rĂ€umliche

Auflösung von weniger als 1%, bezogen auf die charakteristische Dimension (Probendicke H),

liefern. Entsprechend muß die ElementgrĂ¶ĂŸe unmittelbar an der Rißspitze deutlich unterhalb

dieser Auflösung liegen. Die GrĂ¶ĂŸe der Elemente um die Rißspitze kann im Modell durch

spezielle Netzgestaltung variabel bis hinab zu etwa 1/10000 der Probendicke gewÀhlt werden.

Eine Vermittlung zwischen dieser extremen Netzdichte und dem Rest des Modells kann

sinnvoll nur mittels einer freien Vernetzung (‘free meshing’, erlaubt unregelmĂ€ĂŸige Benutzung

Page 29: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

21

von Vierecks - und Dreieckselementen) bewĂ€ltigt werden. Diese wurde fĂŒr den

Rißspitzenbereich des Modells verwendet. RegelmĂ€ĂŸige Vernetzungsvarianten fĂŒr diesen

Übergangsbereich wurden im Vorfeld getestet, lieferten jedoch schlecht reproduzierbare und

weniger glatte Ergebnisse fĂŒr die Spannungen. Die Ursache dafĂŒr ist, daß sich ein regelmĂ€ĂŸig

vernetzter Übergang von der Standardnetzdichte entlang der Probendicke zum extrem feinen

Netz an der Rißspitze nicht ohne stark gedehnte Elementformen und spitze Elementwinkel

realisieren lĂ€ĂŸt. Diese starken Abweichungen von der quadratischen Idealform der Elemente

verschlechtern die Genauigkeit der FE-Approximierung erheblich. Eine freie Vernetzung in

diesen Bereichen mit dem automatischen Netzgenerator unter Vorgabe der Maximal- und der

MinimalgrĂ¶ĂŸe der Elemente fĂŒhrt zu wesentlich ausgewogeneren Elementproportionen. Durch

entsprechende Wahl der Verdichtungsparameter kann auch bei freier Vernetzung eine

nĂ€herungsweise regelmĂ€ĂŸige Netzgestaltung in diesem Bereich erzielt werden. Die damit

erreichte Reproduzierbarkeit der Ergebnisse bei Variation der Netzparameter ist hervorragend.

Die unmittelbare Rißspitze wurde durch einen Ring von speziellen Rißspitzenelementen

(degenerierte isoparametrische 6-Knoten-Elemente mit verschobenen Seitenmittelknoten [84])

gebildet, welche der r −1 2/ -SingularitĂ€t der Spannungsfelder an der Rißspitze Rechnung tragen.

UnverĂ€nderlichkeit der lokalen Vernetzungsbereiche bei Änderung der RißlĂ€nge:

FĂŒr die Analyse jeder DCB-Konfiguration mit bestimmten Materialeigenschaften wurden

jeweils 11 verschiedene RißlĂ€ngen mit dem FE-Modell berechnet. Aus den meist sehr kleinen

Änderungen der Probeneigenschaften (Nachgiebigkeit, elastischer Energieinhalt der Probe) mit

der RißlĂ€nge lĂ€ĂŸt sich die Energiefreisetzungsrate ( )G P a, der Probe unmittelbar ableiten. Um

sicherzustellen, daß die Änderungen zwischen FE-Modellen fĂŒr zwei benachbarte RißlĂ€ngen

der Probe tatsĂ€chlich aus der RißlĂ€ngenĂ€nderung folgen und nicht durch eine unterschiedliche

Vernetzung der FE-NĂ€herung fĂŒr verschiedene RißlĂ€ngen verursacht sind, darf sich das Netz

lokal nicht Àndern. Dies wurde realisiert, indem die Probe in ein relativ kompliziertes System

von Vernetzungsgebieten aufgeteilt wurde, die bei einer Änderung der RißlĂ€nge in sich

ungeĂ€ndert mitverschoben werden. Lediglich zwischen den regelmĂ€ĂŸig vernetzten Gebieten vor

und hinter der Rißspitze werden Elemente ausgetauscht, um eine Änderung der RißlĂ€nge zu

erreichen. Die GrĂ¶ĂŸe, Zahl und Form sĂ€mtlicher ĂŒbriger Elemente bleibt dabei ungeĂ€ndert.

Alle Kriterien konnten im Rahmen einer automatischen Vernetzung (‘Solid Modelling’) erfĂŒllt

werden. Die Steuerung der Modellierung, der Berechnungen sowie des Postprozessings und

Abspeicherns der FE-Ergebnisse in Listen erfolgte automatisch mit Hilfe einer Makro-

steuerung. SĂ€mtliche geometrischen und materiellen GrĂ¶ĂŸen wurden durch Variablen

parametrisiert und erlauben damit eine extrem einfache Kontrolle und Variation des Modells.

Page 30: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

22

Die Anzahl der Knoten fĂŒr die 2D-FE-Modelle lag zwischen 2000 und 12000, je nach

Zielstellung der Analyse.

Die tatsÀchliche DCB-Probe besitzt eine endliche Breite B. Eine zweidimensionale

Modellierung vermag die RĂ€umlichkeit des auftretenden Spannungszustandes nur fĂŒr zwei

GrenzfÀlle zu beschreiben, den ebenen Spannungszustand (ESZ) und den ebenen

Verzerrungszustand (EVZ). Der ESZ ist nĂ€herungsweise fĂŒr sehr schmale Proben realisiert

( B H< ) wÀhrend der EVZ dem Fall sehr breiter Proben ( B H>> ) entspricht: die reale Probe

liegt zwischen beiden Extremen. Das 2D-FE-Modell wurde unter Zugrundelegung sowohl des

ESZ als auch des EVZ berechnet. Um den Einfluß der endlichen Probenbreite auf die

Ergebnisse des DCB-Modells untersuchen zu können, wurde auch eine vollstÀndige 3D-FE-

Analyse mit orthotrop elastischen, isoparametrischen 3D-Solid-Elementen durchgefĂŒhrt. Da

jedoch der Aufwand einer 3D-Analyse hinsichtlich Elementanzahl und Wellenfront bei

gleicher Vernetzungsdichte wesentlich höher als der einer 2D-FE-Analyse ist, wurde eine

weniger dichte Vernetzung benutzt, um den Rechenaufwand ertrÀglich zu halten. Eine Skizze

des verwendeten FE-Netzes ist in Abb. 2.5 dargestellt. Es wurden die gleichen Vernetzungs-

prinzipien wie beim 2D-FE-Modell berĂŒcksichtigt. Die Zahl der Knoten fĂŒr das 3D-Modell

variierte zwischen 1500-3000, eine feinere Vernetzung scheiterte an der Begrenzung der

verfĂŒgbaren WellenfrontgrĂ¶ĂŸe (≀ 500). Durch eine breite Variation der Netzparameter wurde

die VerlĂ€ĂŸlichkeit des 3D-FE-Modells ĂŒberprĂŒft. Die Ergebnisse fĂŒr Compliance und

Energiefreisetzungsrate erwiesen sich dabei praktisch als unabhÀngig von der Variation als

Indiz fĂŒr eine gute Genauigkeit auch der 3D-FE-NĂ€herung.

Abb. 2.5 Netz des 3D-FE Modells der DCB-Probe

2.3.2 Analytische Modelle des DCB-Tests

Unter Voraussetzung linearer, elastischer Deformation und Rißausbreitung unter konstanter

Belastung P ergibt sich aus der Definition der Energiefreisetzungsrate G (Gl. 1.4) folgender

Zusammenhang zwischen G und Ă€ußerer Last P bzw. Lastverschiebung ÎŽ und RißlĂ€nge a:

Änderung elastischer Energie dU P d= ⋅1

2ÎŽ (2.1)

von außen zugefĂŒhrte Arbeit dW P daußen = ⋅ ÎŽ (2.2)

Page 31: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

23

Energiefreisetzungsrate ( ) ( )G P a

P

B

P a

aP const

,,

= ⋅=

2

∂ή

∂ (2.3)

Die mechanische Reaktion des Systems auf die Belastung wird durch die Nachgiebigkeit

(Compliance) C charakterisiert:

( ) ( )C a

P a

P=

ÎŽ , (2.4)

Mit ihrer Hilfe lĂ€ĂŸt sich die Energiefreisetzungsrate G in einer praktisch gut handhabbaren

Form angeben:

GP

BC

dC

da= ⋅

ÎŽ2

(2.5)

Die Ableitung fĂŒr Gl. 2.5 unter Annahme konstanter Last P bedeutet keine EinschrĂ€nkung der

Allgemeinheit, da sich derselbe Ausdruck auch unter Annahme beliebiger Änderung der

Belastung ( )P a im Moment der Rißausbreitung ergibt. Notwendig zur Berechnung der von

einem (punktförmig belasteten) linear elastischen System bei einer bestimmten Belastung P

zur VerfĂŒgung gestellten Energiefreisetzungsrate G ist die Kenntnis der AbhĂ€ngigkeit der

Nachgiebigkeit ( )C a des Systems von der RißlĂ€nge.

Obwohl die DCB-Geometrie unkompliziert erscheint, ĂŒbersteigt eine vollstĂ€ndige drei- oder

auch nur zweidimensionale Analyse des Deformationsverhaltens die Möglichkeiten einer

exakten, mathematisch-analytischen Berechnung im Rahmen der linearen ElastiztÀtstheorie.

Aus der Literatur sind jedoch eine Reihe von nÀherungsweisen Modellen bekannt ([85]-[89];

Reviews siehe [7], [19], [77], [90]).

Abb. 2.6 Stabmodell der DCB-Probe

Die einfachste und am hÀufigsten verwendete Abstraktion ist die Beschreibung der DCB-Probe

mittels der Balkentheorie [85]. Darin wird der delaminierte Teil der DCB-Probe als ein

P

a

2ÎŽ

Page 32: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

24

symmetrisches System zweier an der Rißspitze starr miteinander verbundener StĂ€be der LĂ€nge

a (RißlĂ€nge) betrachtet, die durch die Kraft P an ihrem freien Ende auf Biegung beansprucht

werden (Abb. 2.6). Die einfache Balkentheorie liefert fĂŒr die Nachgiebigkeit (‘Compliance’)

eines derartigen Systems folgenden Ausdruck:

( )C a E B Ha

E B HBT x

x

, , , =⋅

⋅ ⋅

64 3

3 (2.6).

Das Einsetzen von Gl. 2.6. in die Definition der Energiefreisetzungsrate nach Gl. 2.5 erlaubt

die Berechnung einer NĂ€herung fĂŒr G aus den meßbaren GrĂ¶ĂŸen P, ÎŽ und der RißlĂ€nge a:

GP

BaBT =

⋅⋅

3

2

ÎŽ (2.7).

Das reale Deformationsverhalten kann jedoch erhebliche Abweichungen von dieser simplen

NĂ€herung aufweisen. Die einfache Balkentheorie setzt voraus, daß die Querschnitte des Stabes

wĂ€hrend der Deformation eben bleiben („KIRCHHOFF’SCHE HYPOTHESE“) und

berĂŒcksichtigt daher keine Scherdeformationen. FĂŒr isotrope Materialien und lange, dĂŒnne

StĂ€be ist diese Bedingung in guter NĂ€herung erfĂŒllt. FĂŒr faserverstĂ€rkte Materialien ist jedoch

der Schermodul G xz in der Biegeebene x-z wesentlich niedriger als der E-Modul in

Faserrichtung E x , wodurch bei Biegung verstĂ€rkt Scherdeformationen auftreten. Zudem erfĂŒllt

die Probe fĂŒr kurze RißlĂ€ngen a die Bedingung langer, schlanker StĂ€be nur schlecht.

Abweichungen zu Gl. 2.6 sind zu erwarten.

Eine Korrektur der Balkentheorie hinsichtlich der Einbeziehung von Scherdeformationen

wurde von TIMOSHENKO eingefĂŒhrt, die entsprechende Erweiterung zu Gl. 2.6 ist in [90]

angegeben:

( )C a E B Ha

E B H

E H

G aBT x

x

x

xz

, , , =⋅

⋅ ⋅⋅ + ⋅

⋅

⋅

641 3

16

3

3

2

2 (2.8).

Weitere Korrekturen sind notwendig zur BerĂŒcksichtigung:

- der speziellen Lagerungsbedingungen des „Balkens“ an der Rißspitze [87],

- des Einflusses der Lastklötzchendrehung auf Verschiebung und Moment am Probenende

[90],

- des Auftretens starker, nichtlinearer Verformung bei der Biegung [86],

- der endlichen Breite B der Proben [90].

Trotz des hohen rechnerischen Aufwandes und des großen Umfanges der erhaltenen AusdrĂŒcke

ist keine der analytischen NÀherungen in der Lage, die Deformation der DCB-Probe vollstÀndig

Page 33: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

25

zu beschreiben, da sich insbesondere die singulĂ€re Spannungsverteilung an der Rißspitze einer

Beschreibung durch einfache analytische Modelle entzieht.

Einen Ausweg hinsichtlich einer, von Modellfehlern unbelasteten, experimentellen

Bestimmung von G bieten sogenannte empirische Methoden. Diese berechnen die Energiefrei-

setzungsrate nach ihrer Definition Gl. 2.5. unmittelbar aus den experimentellen Ergebnissen.

Da aus den Meßkurven ( )( )P aή auch die Compliance ( )C a und ihre Ableitung unmittelbar

interpoliert werden können, ist ein Modell fĂŒr das Deformationsverhalten nicht unbedingt

erforderlich. Zum Approximieren der AbhĂ€ngigkeit der Compliance aus den Meßpunkten

( )( )P ai i iΎ existieren unterschiedliche AnsÀtze.

Die Methode nach [91] nimmt in Anlehnung an die Balkentheorie-NĂ€herung eine Potenzform

der AbhÀngigkeit an:

( )C a R an= ⋅ (2.9),

deren freie Parameter R und n durch logarithmische Approximation aus den experimentellen

Ergebnissen bestimmt werden.

Die FlÀchenmethode [92] ersetzt die Ableitung in Gl. 2.5 durch den Differenzenquotienten aus

den experimentellen Resultaten fĂŒr benachbarte RißlĂ€ngen ( ) ( )C C a ai i i i+ +− −1 1/ .

Jedoch auch die empirischen Methoden sind nur unter EinschrĂ€nkung gĂŒltig. Die Ableitung der

Energiefreisetzungsrate nach Gl. 2.5 setzt ausdrĂŒcklich die LinearitĂ€t der auftretenden

Deformationen voraus. Praktisch wird jedoch hÀufig starke Biegung der DCB-Proben

beobachtet ([93], [94]), welche die Anwendung einer nichtlinearen Definition der

Energiefreisetzungsrate erforderlich macht (siehe Kap. 2.4.2.1). Die lineare Definition fĂŒr G

nach Gl. 2.5 ist dann nicht mehr gĂŒltig und ohne eine unabhĂ€ngige Modellierung kann ĂŒber den

bei ihrer Anwendung auftretenden Fehler kein Urteil getroffen werden. DarĂŒber hinaus sind die

empirischen Gleichungen nur fĂŒr den Fall stabilen, gleichmĂ€ĂŸigen Rißswachstums einsetzbar,

da sie mehrere Meßpunkte zur Berechnung von G benötigen. FĂŒr instabiles Rißwachstum oder

‘Slip-Stick’-Verhalten ist die Nutzung eines Deformationsmodells zur Bestimmung von

dC da/ notwendig.

2.3.3 Ermittlung der Energiefreisetzungsrate G aus den FE-Ergebnissen

Die durchgefĂŒhrte Finite-Elemente-Analyse liefert bei festgelegter Geometrie und elastischen

Eigenschaften der DCB-Probe eine numerische NĂ€herung des Deformationsverhaltens fĂŒr eine

Reihe diskreter RißlĂ€ngen im Bereich 25 75mm a mmi≀ ≀ . Die gesuchte ZielgrĂ¶ĂŸe ist die

Energiefreisetzungsrate ( )G P a, , die fĂŒr eine bestimmte RißlĂ€nge a und Belastung P von der

Probe bereitgestellt wird. Diese GrĂ¶ĂŸe steht nicht unmittelbar mit den FE-Ergebnissen zur

Page 34: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

26

VerfĂŒgung, sondern muß aus ihnen abgeleitet werden. DafĂŒr gibt es mehrere prinzipiell

unterschiedliche Verfahren. In der Arbeit wurden drei Varianten verwendet, welche G aus

voneinander relativ unabhÀngigen Ergebnissen der FE-Modellierung berechnen.

2.3.3.1 Compliance-Methode und Energie-Methode

Energiemethode:

Die unmittelbarste Variante zur Berechnung nutzt die Definition von G aus der Änderung der

Energie des Systems mit der RißlĂ€nge (Gl. 1.4). Im Kontext der elastischen Bruchmechanik ist

die Energiefreisetzungsrate ( )G P a, eine ZustandsgrĂ¶ĂŸe, die nur von der momentan wirkenden

Belastung P und der momentanen RißlĂ€nge a abhĂ€ngt. Rißausbreitung wird immer dann

auftreten, wenn der aktuelle Wert fĂŒr ( )G P a, den Wert der kritischen Energiefreisetzungsrate

Gc des Materials ĂŒbersteigt, unabhĂ€ngig davon, wie sich nach erfolgter Initiierung der

Rißausbreitung die Belastung mit der RißlĂ€nge Ă€ndert. Diese AbhĂ€ngigkeit, ( )P a , wird durch

das Ă€ußere System (d.h. die Testeinrichtung) bestimmt. Sie entscheidet nur darĂŒber, ob die

Rißausbreitung stabil oder instabil weiterverlĂ€uft. Zur Bestimmung der einer bestimmten Last

P und RißlĂ€nge a zugeordneten Energiefreisetzungsrate ( )G P a, des Systems mittels Gl. 1.4 ist

es unerheblich, ob die darin enthaltene Ableitung d U W daaußen( ) /− fĂŒr konstante Ă€ußere Kraft

P oder Verschiebung ÎŽ wĂ€hrend der Rißausbreitung gebildet wird [16]. SĂ€mtliche Annahmen

fĂŒr die AbhĂ€ngigkeit ( )P a (bzw. ( )ÎŽ a ) wĂ€hrend der differentiellen Rißausbreitung fĂŒhren zum

gleichen Ergebnis fĂŒr G. Die Annahme ÎŽ = const beinhaltet, daß wĂ€hrend der Rißausbreitung

die Ă€ußere Kraft P keine Arbeit am System verrichtet: dWaußen = 0 . Damit vereinfacht sich

Gl. 1.4 auf die Ableitung der in der Probe bei einer Last P und RißlĂ€nge a gespeicherten,

elastischen Energie nach der RißflĂ€che:

( ) ( )G a

B

U a

aconst

ή∂ ή

∂ή

,,

= − ⋅=

1 (2.10).

Dieses Verfahren ist auch fĂŒr nichtlinear-elastisches Verhalten gĂŒltig.

Die Finite-Elemente-Analyse liefert die in den Elementen gespeicherte elastische Energie als

direkte AusgabegrĂ¶ĂŸe. Die Summe ĂŒber alle Elemente ergibt die in der Probe gespeicherte

elastische Energie ( )U ai i iÎŽ , fĂŒr die konkrete RißlĂ€nge ai. Da die Ableitung fĂŒr ÎŽ = const

gebildet werden muß, sollte bei der Berechnung fĂŒr alle RißlĂ€ngen ai eine identische

Lastverschiebung ÎŽ im FE-Modell vorgegeben werden.

Um die Ableitung nach der RißlĂ€nge entsprechend Gl. 2.10 bilden zu können, muß aus den

diskreten Ergebnissen ( )U ai iÎŽ, des FE-Modells eine Interpolationsfunktion ( )U aÎŽ, bezĂŒglich

a gebildet werden. Als Methode bietet sich z.B. eine stĂŒckweise Polynom-Interpolation an, wie

Page 35: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

27

sie in kommerzieller Software (MATHEMATICA [95]) bereits fertig implementiert angeboten

wird.

Compliance-Methode:

FĂŒr linear elastisches Materialverhalten und lineare Deformation lĂ€ĂŸt sich die

Energiefreisetzungsrate G unter Nutzung der Gl. 2.1, 2.2 und 2.4 aus der Änderung der

Nachgiebigkeit ( )C a der Probe mit der RißlĂ€nge definieren:

( ) ( )G P a

P

B

dC a

da, =

2

2 (2.11).

Die Nachgiebigkeit (Compliance) ergibt sich aus dem FE-Modell fĂŒr jede der RißlĂ€ngen ai sehr

einfach aus Last Pi und Verschiebung ÎŽ i durch ( ) ( )C a P a Pi i i i i= ÎŽ , / . Zur Berechnung der in

Gl. 2.11 benötigten Ableitung bietet sich wiederum eine Interpolation der vom FE-Modell

gelieferten diskreten Daten ( )C a i fĂŒr die Nachgiebigkeit an.

Beide Methoden nutzen unabhĂ€ngige ErgebnisgrĂ¶ĂŸen der Modellierung: die in den Elementen

gespeicherte elastische Energie bzw. den fĂŒr den Lastpunkt berechneten Last-Verschiebungs-

Zusammenhang. Die Verfahren nutzen integrale Resultate der Modellierung und sind daher

gegenĂŒber der lokalen Vernetzung wenig empfindlich. Sie liefern stabile Ergebnisse fĂŒr G

bereits fĂŒr eine vergleichsweise grobe Modellierung der Rißspitzenregion und erfordern einen

geringeren Vernetzungsaufwand. Dies entspricht der Tatsache, daß in der Rißspitzenumgebung

wegen der starken Spannungskonzentration zwar eine hohe Energiedichte auftritt, sich dieses

lokale Feld aber wĂ€hrend einer infinitesimalen Rißausbreitung kaum Ă€ndert. Es bewegt sich

einfach mit der Rißspitze mit und hat daher nur geringen Einfluß auf die Energie-

freisetzungsrate, die sich aus der Änderung der im System gespeicherten Energie ergibt. Der

dominierende Beitrag zu G wird dagegen durch die Änderung der Ă€ußeren Geometrie des

Systems infolge der Erhöhung der RißlĂ€nge a geliefert: fĂŒr die DCB-Probe Ă€ndert sich

praktisch die LÀnge der gebogenen ProbenhÀlften um da. Der Hauptanteil der EnergieÀnderung

stammt daher aus weiter von der Rißspitze entfernten Bereichen der Probe und kann durch eine

relativ grobe FE-Modellierung ermittelt werden.

ErfĂ€hrt allerdings das Rißspitzenfeld wĂ€hrend der infinitesimalen Rißausbreitung eine starke

Änderung, z.B. wenn es sich in der NĂ€he eines Probenendes oder einer anderen geometrischen

Störung befindet, kann sein Anteil an G betrÀchtlich werden. In diesem Fall ergibt sich die

Notwendigkeit einer sehr feinen Vernetzung der Rißspitzenumgebung oder die Genauigkeit der

integralen Methode fĂ€llt stark ab. FĂŒr einen ausreichenden Abstand der Rißspitze von einigen

charakteristischen LĂ€ngen (Probendicke H) zu den Probenenden, wie im Modell der DCB-

Probe realisiert, sind die EffektivitĂ€t und VerlĂ€ĂŸlichkeit dieser Methoden jedoch sehr gut.

Page 36: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

28

2.3.3.2 Bestimmung von G aus den Rißspitzen-Nahfeldern

Neben den integralen Verfahren ist es auch möglich, bruchmechanische KenngrĂ¶ĂŸen aus den

lokalen Feldern um die Rißspitze abzuleiten. Dies ist der Bereich, in dem sich die

mikroskopischen VorgĂ€nge der Rißausbreitung vollziehen, die in ihm auftretenden

Spannungsfelder und Deformationen bestimmen den Verlauf der Mechanismen. Dieses Gebiet

birgt damit die unmittelbarsten Informationen fĂŒr eine Beschreibung des Versagens. So kann

bei nichtsymmetrischer Probengeometrie und -belastung der Anteil der einzelnen

Belastungsmoden im allgemeinen nur aus den Feldern der Rißspitzen-Nahzone ermittelt

werden.

Aus der linear elastischen Beschreibung der Spannungsverteilung an Rissen in homogenen

Materialien ist bekannt, daß an der Rißspitze singulĂ€re Spannungsfelder mit einer typischen

rÀumlichen Verteilung auftreten ([16], [17], [18]). Die singulÀren Felder werden durch 3

Parameter vollstÀndig charakterisiert, die als SpannungsintensitÀtsfaktoren KI, KII, KIII

bezeichnet werden. Gleiche SpannungsintensitÀtsfaktoren entsprechen, unabhÀngig von der

Ă€ußeren Geometrie der Probe, gleichen lokalen Spannungsfeldern an der Rißspitze. Da die

Rißausbreitung ausschließlich durch die in diesem lokalen Gebiet herrschenden Bedingungen

bestimmt ist, lassen sich kritische SpannungsintensitĂ€tsfaktoren als Kriterium fĂŒr die

Ausbreitung eines Risses in linear elastischen, homogenen Materialien verwenden.

Die singulÀren Felder können als erste Glieder einer Entwicklung der Spannungsfelder in der

Umgebung einer Rißspitze aufgefaßt werden [17]. Ihre Gestalt ist durch eine r −1 2/

AbhĂ€ngigkeit von der Distanz r zur Rißspitze sowie durch bestimmte WinkelabhĂ€ngigkeiten

gekennzeichnet und ist allein durch die Geometrie der Rißspitze festgelegt. Die Form der sin-

gulĂ€ren Felder wird nicht durch die Ă€ußere Geometrie beeinflußt, deren Einwirkung bestimmt

nur die IntensitÀt und den Anteil der einzelnen Moden, also die SpannungsintensitÀtsfaktoren.

Neben den singulÀren Termen treten in der Entwicklung der Spannungsfelder jedoch auch

Glieder höherer Ordnung auf ( r n / 2 , n ≄ 0 ). Sie sind nicht mehr fĂŒr die Geometrie der Rißspitze

typisch, sondern werden auch durch die Ă€ußere Geometrie mitbestimmt. Aufgrund der

reziproken AbhĂ€ngigkeit r −1 2/ der singulĂ€ren Spannungsanteile spielt der Anteil der Terme

höherer Ordnung unterhalb eines bestimmten Rißspitzenabstandes in der Entwicklung keine

Rolle mehr. BezugsgrĂ¶ĂŸe hinsichtlich der Einwirkung der Umgebung auf die Rißspitze ist

deren Abstand zum nĂ€chsten "ReprĂ€sentanten" der Ă€ußeren Geometrie, sei es das gegenĂŒber-

liegende Ende des Risses, der Ă€ußere Rand des Probekörpers, eine benachbarte Rißfront o.Ă€..

Diese Distanz wird als "charakteristische LÀnge" bezeichnet. Dominanz der singulÀren Terme

Page 37: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

29

kann nur in einem Bereich um die Rißspitze erwartet werden, der sehr klein gegenĂŒber dieser

charakteristischen LĂ€nge ist.

Im Fall der vorliegenden DCB-Geometrie entspricht die charakteristische Abmessung der

halben Probendicke H / 2 . Die Ableitung der SpannungsintensitÀtsfaktoren aus den singulÀren

Feldern an der Rißspitze erfordert eine Auflösung des FE-Modells bis hinab in die

GrĂ¶ĂŸenordnung, in welcher diese Felder dominieren. Die Vernetzung muß eine gute NĂ€herung

der Spannungen auch fĂŒr AbstĂ€nde zur Rißspitze von weniger als 1% der charakteristischen

Abmessung liefern. Dies ist nur möglich, wenn die GrĂ¶ĂŸe der Elemente in diesem Bereich

wenigstens noch eine GrĂ¶ĂŸenordnung darunter liegt. Diese Forderung stellt hohe AnsprĂŒche an

die FE-Modellierung und steigert den Modellaufwand erheblich.

Abb. 2.7 Rißspitzenkoordinatensystem und Skizze der zur Bestimmung der Km-Faktoren verwendeten Ligament- und Rißufer-Knoten eines FE-Modells

Die singulĂ€ren Terme fĂŒr die Felder an

Rißspitzen in orthotrop elastischen Materialien sind ausfĂŒhrlich in [96] und [97] beschrieben.

Ihre prinzipielle Gestalt im Rißspitzenkoordinatensystem (siehe Abb. 2.7) bei einer reinen

Mode-m Belastung kann folgendermaßen dargestellt werden:

Spannungen: ( ) ( ) ( ) ( )σ ϕπ

ϕijm m

ijmr

K

rf, =

⋅ ⋅⋅

2 (2.12)

Verschiebungen: ( ) ( ) ( ) ( )u r Kr

gim

m ijm,ϕ

πϕ= ⋅

⋅⋅

2 (2.13).

Im allgemeinen 'Mixed-Mode'-Fall, der durch 3 SpannungsintensitÀtsfaktoren KI, KII und KIII

gekennzeichnet ist, findet eine Überlagerung der Spannungsfelder der einzelnen Moden statt.

FĂŒr zwei spezielle Richtungen vereinfachen sich die Felder betrĂ€chtlich: bei den Spannungen

fĂŒr ϕ = 0 (Rißligament) und bei den Verschiebungen fĂŒr ϕ π= (Rißufer). Wenn die Richtung

des Risses (x-Richtung) mit der Hauptrichtung der orthotropen Materialeigenschaften

zusammenfĂ€llt (wie dies bei Delamination gegeben ist), ergeben sich fĂŒr die singulĂ€ren Felder

lĂ€ngs dieser beiden Richtungen die in Tab. 2.1 wiedergegebenen AusdrĂŒcke.

z

x

FE-Knoten

Rißufer

Rißspitze

Ligament

r

ϕ

Page 38: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

30

Tabelle 2.1

Mode I Mode II

Spannungen

auf Ligament

ϕ = 0

( ) ( )σπ

zzI Ir

K

r=

2

( ) ( )σ xzI r = 0

( ) ( )σ zzII r = 0

( ) ( )σπ

xzII IIr

K

r=

2

Verschiebung

der Rißufer

(„RiĂŸĂ¶ffnung“)

ϕ π=

( ) ( )u rxI = 0

( ) ( )u r Kr

EzI

I

z

= − ⋅ ⋅+

2 1 1 2

1 2π

” ”

” ”Im

( ) ( ) [ ]u r Kr

ExII

II

x

= ⋅ ⋅ ⋅ +

2 11 2π

” ”Im

( ) ( )u rzII = 0

(Die komplexen Parameter ”1 und ”2 folgen aus den anisotropen Materialeigenschaften und

ergeben sich aus Gl. 2.16.)

Mode-III tritt bei den in der Arbeit untersuchten Proben nicht auf und wird ist daher hier nicht

berĂŒcksichtigt,. Die Terme fĂŒr die Verschiebung sind unter Annahme des ebenen

Spannungszustandes berechnet.

Auf dem Ligament sind die Spannungskomponenten der einzelnen Moden unter obigen

Bedingungen voneinander entkoppelt. Die Scherspannung σ xzLigament wird allein durch die Mode-

II-Komponente der Belastung bestimmt, die Normalspannung σ zzLigament senkrecht zum Riß ist

völlig durch den Mode-I-Anteil festgelegt. Dasselbe gilt fĂŒr die x- bzw. z-Komponenten der

Rißuferverschiebungen. Aus der Spannungs- bzw. Verschiebungsverteilung des FE-Modells an

der Rißspitze ist somit eine getrennte Bestimmung der SpannungsintensitĂ€tsfaktoren KI und KII

möglich.

DafĂŒr existieren zwei prinzipiell unterschiedliche Methoden:

Bestimmung der Km aus den Ligamentspannungen:

Das Netz muß so gewĂ€hlt werden, daß die Ligamentlinie einer Vernetzungslinie des Modells

entspricht und bei der Vernetzung eine regelmĂ€ĂŸige Reihe von Knotenpunkten direkt auf dieser

Linie entsteht (Abb. 2.7). Nach erfolgter Analyse werden diese Knoten k ausgewÀhlt und im

Rißspitzenkoordinatensystem die entsprechenden Spannungen ( )σ ij kr und AbstĂ€nde zur

Rißspitze rk aus dem FE-Modell ermittelt. FĂŒr jeden dieser Knotenpunkte kann, unter Nutzung

der singulĂ€ren Terme aus Tabelle 2.1, durch Umstellen nach Km ein NĂ€herungswert fĂŒr KI und

KII bestimmt werden. TrĂ€gt man diese NĂ€herungen ( )K rm k in einem Diagramm ĂŒber dem

Page 39: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

31

Abstand rk des jeweiligen Knotens zur Rißspitze ab (Abb. 2.8), so ergibt sich fĂŒr die

NÀherungswerte eine vom Abstand abhÀngige Verteilung.

Diese hat zwei Ursachen:

Zum einen sind neben den singulÀren Termen auch Terme höherer Ordnung in den vom FE-

Modell gelieferten Ligamentspannungen enthalten, die in den AusdrĂŒcken von Tabelle 2.1

nicht berĂŒcksichtigt sind. Da ihr Einfluß jedoch mit geringer werdendem Abstand von der

Rißspitze abnimmt, fĂŒhrt eine Extrapolation r → 0 (mindestens theoretisch) zum exakten Wert

fĂŒr Km ([16], [84]):

( ) ( )( )( )K r rIr k zz

Ligamentk= ⋅ ⋅ ⋅

→lim

02 π σ (2.14)

( ) ( )( )( )K r rIIr k xz

Ligamentk= ⋅ ⋅ ⋅

→lim

02 π σ (2.15).

Die Erfahrung hat fĂŒr lineare Analysen gezeigt, daß sich die NĂ€herungswerte ( )K rm k

bezĂŒglich ihres Rißspitzenabstandes rk nahezu auf einer Geraden anordnen [83]. Dies gilt fĂŒr

einen Bereich von zumindestens 10% der charakteristischen Abmessungen bis hinab zu einem

Abstand von von etwa 3-4 Elementen vor der Rißspitze (Abb. 2.8).

0,70

0,75

0,80

0,85

0,90

0,95

1,00

1,05

0,00 0,01 0,02 0,03 0,04 0,05 0,06 0,07 0,08 0,09 0,10

Abstand r von Rißspitze [mm]

KI(r)

KI(GI)KI aus uz, rct=7,5 ”m

KI aus uz, rct=1,5 ”m

KI aus uz, rct=0,3 ”m

KI aus σz, rct=7,5 ”m

KI aus σz, rct=0,3 ”m

KI aus σz, rct=1,5 ”m

Abb. 2.8 Beispiel zur Extrapolation des SpannungsintensitĂ€tsfaktors KI aus den Ligamentspannungen ( )σ ϕzz r, = 0 und den Rißuferverschiebungen ( )u rz ,ϕ π=

fĂŒr unterschiedliche GrĂ¶ĂŸe der Rißspitzenelemente rct.

Die Abweichung fĂŒr sehr kleine RißspitzenabstĂ€nde ist im NĂ€herungscharakter der FE-Metho-

de begrĂŒndet. Innerhalb der Elemente wird das Spannungsfeld durch einen linearen Verlauf

approximiert. Die Elemente unmittelbar vor der Rißspitze vermögen daher die dort auftre-

tenden starken Spannungsgradienten nicht nachzuvollziehen, sie reagieren zu steif und liefern

zu niedrige Knotenspannungen. Über eine geringe Anzahl von Elementen hinweg stabilisiert

sich die Approximation jedoch. Daher sollten die Ergebnisse an den Knoten der ersten 4 zur

Page 40: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

32

Rißspitze benachbarten Elementreihen fĂŒr die Extrapolation der SpannungsintensitĂ€tsfaktoren

nicht verwendet werden. FĂŒr den ĂŒbrigen Bereich bis zu etwa 10% der charakteristischen

LĂ€nge liefert der Ordinatenschnittpunkt einer lineare Regression eine gute NĂ€herung fĂŒr den

Wert des SpannungsintensitÀtsfaktors. Die Grenzen des in die Extrapolation einzubeziehenden

Bereichs der Knoten werden fĂŒr eine Probe am Besten mittels einer grafischen Kontrolle vom

Auswertenden festgelegt.

Bestimmung der Km aus den Rißuferverschiebungen:

Die Ergebnisse der FE-Methode fĂŒr die Knotenverschiebungen sind NĂ€herungen höherer

Ordnung [68] und deshalb genauer als die Resultate fĂŒr die Knotenspannungen. Sie

versprechen im kritischen Bereich starker Spannungsgradienten bessere Ergebnisse. Eine

Berechnung der SpannungsintensitĂ€tsfaktoren aus den Verschiebungen der Rißufer ist ebenfalls

möglich. Lediglich die AusdrĂŒcke fĂŒr die singulĂ€ren Terme (Tabelle 2.1) sind etwas

komplizierter und erfordern die Berechnung der komplexen Parameter ”1 und ” 2 aus den

anisotropen elastischen Materialeigenschaften. Sie ergeben sich als zwei nicht zueinander

konjugiert komplexe Lösungen der Gleichung [96]:

1

21 1

04 2

E E G Ex

xz

x xz z

⋅ + − ⋅ + ⋅ + =”Μ

”( ) (2.16)

(Ex, Ez ... E-Modul in ProbenlÀngs bzw. -dickenrichtung, Gxz... Schermodul in LÀngs-Dicken-

Ebene, Μ xz ... POISSON-Zahl, bezogen auf Ex )

Diese Gleichung gilt nur fĂŒr orthotropes Material und parallele Orientierung des Risses zur

Longitudinalrichtung (x-Richtung) der Materialeigenschaften.

Die durch die singulĂ€ren Felder verursachten Verschiebungen der Rißufer gemĂ€ĂŸ Tabelle 2.1

beziehen sich auf ein in der Rißspitze ruhendes und parallel zum Ligament orientiertes

Koordinatensystem. Die FE-Ergebnisse fĂŒr die Verschiebungen mĂŒssen daher aus einem im

FE-Modell entsprechend orientierten Koordinatensystem bestimmt werden. Um Translations-

bewegungen der Umgebung der Rißspitze aus den Verschiebungen zu entfernen, bietet sich

eine einfache Methode an, die jedoch eine identische Position der Knoten auf den einander

gegenĂŒberliegenden Rißufern erfordert (Abb. 2.7) [84]. Die einem Knotenpaar, mit

bestimmtem Abstand rk zur Rißspitze, zugeordnete Rißuferverschiebung im Sinne von

Tabelle 2.1 wird aus der Differenz der globalen Verschiebungen beider Knoten ermittelt.

Gemeinsame Translationen heben sich bei der Differenzbildung auf. An jeder Knotenposition

rk des Rißufers kann aus den Verschiebungen eine NĂ€herung ( )K rm k fĂŒr die Spannungs-

intensitÀtsfaktoren berechnet werden. Zur genauen Bestimmung von Km wird wieder die

Extrapolation r → 0 angewendet:

Page 41: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

33

( )

( )( ) ( )( )K

r

u r u r

E

Ir

k

zoberes Rißufer

k zunteres Rißufer

k

z

= − ⋅ ⋅−

⋅+

→lim

Im0

1 2

1 2

1

2 2 1

π

” ”” ”

(2.17)

( )

( )( ) ( )( )( )

Kr

u r u r

E

IIr

k

xoberes Rißufer

k xunteres Rißufer

k

x

= ⋅ ⋅−

⋅ +

→lim

Im0

1 2

1

2 2 1

π

” ”

(2.18).

Abb. 2.8 demonstriert die Anwendung dieser Methode an einem Beispiel der DCB-Geometrie.

Die sich aus den Verschiebungen ergebenden NĂ€herungswerte ordnen sich nahezu auf einer

Geraden an. Auch fĂŒr die der Rißspitze unmittelbar benachbarten Elemente ergeben sich keine

nennenswerten Abweichungen von dieser Linie. Der extrapolierte Wert fĂŒr KI stimmt mit dem

aus den Spannungen extrapolierten Wert in guter NĂ€herung ĂŒberein. Die Abweichungen fĂŒr die

linearen Analysen liegen in der GrĂ¶ĂŸenordnung von 1-2%.

Um die ZuverlĂ€ssigkeit der FE-Ergebnisse in der Umgebung der Rißspitze zu ĂŒberprĂŒfen,

wurden die Vernetzungsdichte in diesem Gebiet variiert und deren Einfluß auf die Ergebnisse

bewertet. Die minimale ElementgrĂ¶ĂŸe (Radius der Rißspitzenelemente) wurde ĂŒber einen

Bereich von mehr als einer GrĂ¶ĂŸenordnung ( 0.02% - 0.5% der charakteristischen LĂ€nge H / 2 )

geĂ€ndert (Abb. 2.8). Die Ergebnisse der drei unterschiedlichen Vernetzungen fĂŒgen sich alle in

die selbe Extrapolationsgerade ein. Lediglich die Werte aus den Ligamentspannungen der

unmittelbar der Rißspitze benachbarten Elemente zeigen eine Abweichung, deren Ursache

bereits diskutiert wurde. Die Übereinstimmung ist ein Beleg fĂŒr die ZuverlĂ€ssigkeit der

ermittelten SpannungsintensitÀtsfaktoren.

Zur Charakterisierung der DelaminationszÀhigkeit von Laminatmaterialien wird der

SpannungsintensitĂ€tsfaktor kaum verwendet, die dafĂŒr ĂŒblicherweise eingesetzte GrĂ¶ĂŸe ist die

Energiefreisetzungsrate. Auf der Grundlage der Bruchmechanik fĂŒr homogene und elastische

Materialien besteht zwischen beiden Parametern ein direkter Zusammenhang und die

verschiedenen Kriterien sind einander gleichwertig. Die Kenntnis der Werte der

SpannungsintensitÀtsfaktoren erlaubt die Berechnung derjenigen Energiefreisetzungsrate, die

der jeweiligen Belastung entspricht. Der Zusammenhang wird ĂŒber die Methode der virtuellen

Rißschließung vermittelt [16], [17]. FĂŒr orthotrope, linear elastische Materialien sind die

entsprechenden Ergebnisse in [96] wiedergegeben. Es gilt unter der Voraussetzung, daß die

Richtung des Rißebene mit einer der Hauptebenen der Materialanisotropie zusammenfĂ€llt, daß

sich die gesamte Energiefreisetzungsrate G bei ‘Mixed-Mode’-Beanspruchung in eine Summe

Page 42: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

34

von Anteilen aufteilen lĂ€ĂŸt, die jeweils nur vom Wert eines SpannungsintensitĂ€tsfaktors

abhÀngen [96]:

( ) ( ) ( )G K K G K G KI II I I II II, = + (2.19)

FĂŒr die hier beschriebene Delamination in unidirektionalen Faserverbunden ist diese

Bedingung erfĂŒllt. Die eindeutige Zuordnung der BeitrĂ€ge GI zu KI und GII zu KII erlaubt deren

Interpretation als ‘Mixed-Mode’-Anteile der Energiefreisetzungsrate G. GI ist die Energiefrei-

setzungsrate, die sich bei einer reinen Mode-I-Belastung der Probe mit einem Spannungs-

intensitĂ€tsfaktor KI ergibt. Entsprechendes gilt fĂŒr GII und KII. In derselben Weise, wie sich ein

‘Mixed-Mode’-Zustand aus der Überlagerung der reinen Mode-I- und Mode-II-

Spannungsfelder fĂŒr KI und KII ergibt, folgt die Gesamtenergiefreisetzungsrate hier aus der

Summe der Anteile der reinen Moden.

In BelastungsfÀllen, bei denen Mode-III auftritt, wÀre Gl. 2.19 ein entsprechender Anteil GIII

hinzuzufĂŒgen.

Nach [96] berechnen sich die Moden der Energiefreisetzungsrate unter obigen

Voraussetzungen und den Bedingungen des ebenen Spannungszustandes aus den jeweiligen

SpannungsintensitÀtsfaktoren:

( ) ( )G K

K

E

KI I

I

z

I= −⋅

⋅⋅ +

⋅

21 2

1 2

Im” ”

” ” (2.20)

( ) ( )[ ]G KK

EKII II

II

x

II=⋅

⋅ ⋅ +2 1 2Im ” ” (2.21).

Gl. 2.20 und 2.21 gestatten einen Vergleich der Ergebnisse der integralen und lokalen Methode

zur Bestimmung von G bzw. K aus dem FE-Modell. In Abb. 2.8 sind die Spannungs-

intensitÀtsfaktoren auf den Wert ( )K GI I normiert, der in Umkehrung von Gl. 2.20 aus der

nach der Compliance-Methode ermittelten Energiefreisetzungsrate G I der DCB-Probe folgt.

Die Übereinstimmung mit dem lokal extrapolierten SpannungsintensitĂ€tsfaktor ist sehr gut.

Auch in diesem Vergleich liefern die Rißuferverschiebungen etwas bessere Ergebnisse als die

Ligamentspannungen. Sie sollten daher zur Bestimmung der SpannungsintensitÀtsfaktoren aus

den Rißspitzenfeldern bevorzugt verwendet werden.

Page 43: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

35

2.3.4 Ergebnisse der FE-Modellierung

Die FE-Modellierung des DCB-Tests hat verschiedene Anliegen. Sie soll zunÀchst klÀren,

inwiefern die Balkentheorie und ihre verschiedenen Erweiterungen geeignet sind, das

Deformationsverhalten von Probekörpern aus Laminatmaterial zu beschreiben. Eine darĂŒber

hinausgehende Fragestellung betrifft die Genauigkeit der auf ihr oder auf noch allgemeineren

Modellen beruhenden Verfahren zur Berechnung der Energiefreisetzungsrate aus den

experimentellen Ergebnissen. Eine Variation der verschiedenen Materialeigenschaften und

geometrischen Parameter soll schließlich Klarheit darĂŒber verschaffen, welche der zahlreichen

EinflußgrĂ¶ĂŸen nur geringe Auswirkungen auf die Deformation bzw. das bruchmechanische

Verhalten besitzen und daher in zukĂŒnftigen Analysen geringerer Aufmerksamkeit bedĂŒrfen.

Die am Beispiel der DCB-Probe gewonnenen allgemeinen Erkenntnisse lassen sich prinzipiell

auf andere mechanischen Testverfahren (CDCB-Test,...) fĂŒr Laminatwerkstoffe ĂŒbertragen, fĂŒr

welche Biegung ebenfalls die Hauptform der Deformation darstellt.

Die modellierten Materialeigenschaften wurden in den Grenzen des fĂŒr langfaserverstĂ€rkte

Kunststoffe typischen Bereichs variiert. Als Bezug wurde ein uniaxial verstÀrktes (hypo-

thetisches) Material mit mittleren mechanischen Eigenschaften gewÀhlt:

Tabelle 2.2. Anisotrope Eigenschaften des Bezugsmaterials (x-Richtung: FaserlÀngsrichtung,

identisch zur ProbenlÀngsrichtung; y-Richtung: Probenbreite; z-Richtung: Probendicke).

E-Modul Schermodul POISSON-

Zahl

Ex = 50 GPa GE

xzz= =2

2 5, GPa Îœxz = 0 3,

E Ey z= = 5 GPa G Gxy xz= = 2 5, GPa Îœxy = 0 3,

Ez = 5 GPa ( )

GE

yzz

yz

=⋅ +

=2 1

192Μ

, GPa Îœyz = 0 3,

Die zur Definition der POISSON-Zahlen verwendete Konvention ergibt sich durch den Bezug

von Μ ij auf E i .

Im Gegensatz zu isotropen Materialien, bei denen der Schermodul durch G E= +/ / ( )2 1 Μ

festgelegt wird, ist diese GrĂ¶ĂŸe fĂŒr orthotrope Materialien im Prinzip unabhĂ€ngig von den

anderen elastischen Parametern. Jedoch zeigt die Erfahrung, daß die Wahl G Exz z= / 2 fĂŒr den

Schermodul in der Biegeebene fĂŒr die meisten Laminatmaterialien eine gute NĂ€herung bildet.

Page 44: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

36

Tabelle 2.3. Literaturwerte fĂŒr anisotrope Materialeigenschaften faserverstĂ€rkter Kunststoffe

Material-System Quelle Ex

[GPa]

Ez

[GPa]

Îœxz Gxz

[GPa]

E

Ex

z

G

Exz

z

CF-Epoxy 1 [12] 140 10,3 0,29 5,15 13,6 0,50

CF-Epoxy 2 [12] 160 9,2 0,33 5,24 17,4 0,57

T300/DDS (CF-Epoxy) [88] 133 7,7 0,33 4,20 17,3 0,55

GF-PE [98] 40 8,2 0,26 3,90 4,9 0,48

GF-Epoxy (E-Glas) [99] 45 12,0 0,20 5,50 3,8 0,46

GF-Epoxy (S-Glas) [99] 55 16,0 0,26 7,60 3,4 0,48

CF-Epoxy (HS-CF) [99] 145 10,0 0,25 4,80 14,5 0,48

CF-Epoxy(HM-CF) [99] 220 6,2 0,25 4,80 35,5 0,77

Kevlar49-Epoxy [99] 80 5,5 0,31 2,10 14,5 0,38

CF-Epoxy [89] 108 7,8 0,34 4,10 13,8 0,53

Die Darstellung der Ergebnisse der FE-Modellierung fĂŒr Nachgiebigkeit ( )C a und

Energiefreisetzungsrate ( )G a erfolgt immer relativ auf die Ergebnisse der Balkentheorie-

NĂ€herung ( )C aBT (Gl. 2.6.) und ( )G aBT (Gl. 2.7.) bezogen [82].

Abb. 2.9 zeigt den Einfluß der Anisotropie der elastischen Eigenschaften E Ex z/ auf die Nach-

giebigkeit ( )C a der Probe. Die Ergebnisse der 2D-FE-Analyse (ESZ) bestÀtigen die starken

Abweichungen der Balkentheorie bei der Beschreibung der Deformation fĂŒr kurze RißlĂ€ngen

und stark anisotrope Materialien. Im ungĂŒnstigsten Fall ( a = 25 mm , E Ex z/ = 20 ) liegen die

Fehler, bezogen auf eine vollstĂ€ndige Modellierung, bei mehr als 40%. Mit wachsender Riß-

lÀnge und sinkender Anisotropie nÀhert sich die Balkentheorie rasch den FE-Ergebnissen an:

fĂŒr isotropes Material ĂŒberschreitet der Fehler die 10%-Marke auch fĂŒr kurze RißlĂ€ngen nicht.

Diese Resultate bestĂ€tigen, daß die Balkentheorie fĂŒr anisotrope Materialien eine ungenĂŒgende

Beschreibung der Biegung liefert und als NĂ€herung nur fĂŒr lange, dĂŒnne Proben akzeptabel ist.

Ursache dafĂŒr ist das verstĂ€rkte Auftreten von Scherdeformationen in der Biegeebene, da der

Schermodul Gxz von der wesentlich schwÀcheren Quersteifigkeit Ez bestimmt wird. Um dies zu

ĂŒberprĂŒfen, wurde in Abb. 2.10 der Schermodul der Biegeebene fĂŒr ein stark anisotropes

Material ( E Ex z/ = 20 ) variiert. Eine Verringerung auf G Exz z/ /=1 3 vergrĂ¶ĂŸert die Abwei-

chung der Deformation gegenĂŒber der Balkentheorie betrĂ€chtlich. Bei einer Verhinderung von

Scherdeformationen durch hypothetische Annahme einer praktisch völlig schersteifen Probe

(G Exz z/ = 1000 ) stimmen die Deformationen mit der Balkentheorie-NĂ€herung relativ gut

ĂŒberein. Die verbleibenden Abweichungen im 10%-Bereich sind der NichtberĂŒcksichtigung der

Klötzchenmomente und der lokalen Deformation an der Rißspitze in Gl. 2.6. geschuldet.

Page 45: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

37

Abb. 2.9 Einfluß des Aniso-tropieverhĂ€ltnisses E Ex z/ auf die Nach-

giebigkeit C der DCB-Probe. Die 2D-FE-Ergebnisse CFEM sind auf die Resultate des Balkenmodells CBT (Gl. 2.6) bezogen.

Abb. 2.10 Einfluß des Schermoduls Gxz auf die Nachgiebig-keit C der DCB-Probe (2D-FE-Modell, ESZ)

Der Vergleich der Energiefreisetzungsraten bietet prinzipiell das gleiche Bild. FĂŒr kurze Riß-

lÀngen und starke Materialanisotropie (Abb. 2.11) bzw. geringe Schersteifigkeit (Abb. 2.12)

ergeben sich die grĂ¶ĂŸten Abweichungen zwischen 2D-FE-Modell und Balkentheorie.

Allerdings ist das Ausmaß der Unterschiede fĂŒr die Energiefreisetzungsrate wesentlich geringer

als fĂŒr das Deformationsverhalten. Die Abweichungen gehen auch im ungĂŒnstigsten, berech-

neten Fall nicht ĂŒber 10% hinaus. Ursache fĂŒr das geringere Ausmaß der Abweichung ist die

spezielle Struktur dieser Gleichung zur Ableitung der Energiefreisetzungsrate aus der fehler-

belasteten Compliance des analytischen Modells. Sie verwendet sowohl fĂŒr P als auch fĂŒr ÎŽ

die tatsÀchlichen Werte (aus der vollstÀndigen FE-Analyse bzw. dem Experiment) und nutzt

nur fĂŒr den verbleibenden Koeffizienten ( )dC da C/ / das balkentheoretische Modell. FĂŒr

diesen scheint sich der Fehler der Compliance im ZĂ€hler und im Nenner in der gleichen

Richtung auszuwirken und dadurch teilweise wieder zu kompensieren.

1,0

1,1

1,2

1,3

1,4

1,5

20 30 40 50 60 70 80RißlĂ€nge a [mm]

CFEM

CBT

Ex/Ez = 20

isotrop

Ex/Ez = 10

Ex/Ez = 5

Ex/Ez = 2

2D-FE (ESZ)Gxz/Ez = 0,5

1,0

1,1

1,2

1,3

1,4

1,5

1,6

20 30 40 50 60 70 80RißlĂ€nge a [mm]

CFEM

CBT

Gxz/Ez = 1/3

Gxz/Ez = 1/2

Gxz/Ez = 3/4

Gxz/Ez = 1000

2D-FE (ESZ)

Ex/Ez = 20

Page 46: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

38

Abb. 2.11 Einfluß des Anisotropie-verhĂ€ltnisses E Ex z/ auf

die Energiefreisetzungs-rate G der DCB-Probe. Die 2D-FE-Ergebnisse GFEM sind auf die Resultate des Balken-modells GBT (Gl. 2.7) bezogen.

Abb. 2.12 Einfluß des Schermoduls Gxz auf die Energiefrei-setzungsrate der DCB-Probe (2D-FE-Modell, ESZ)

Abb. 2.13 Einfluß des rĂ€umlichen Spannungszustandes auf Energiefreisetzungsrate G der DCB-Probe. Vergleich der Ergebnisse von 2D- und 3D-FE-Modellierung

0,90

0,92

0,94

0,96

0,98

1,00

1,02

20 30 40 50 60 70 80

RißlĂ€nge a [mm]

GFEM

GBT

2D-FE (ESZ)Gxz/Ez = 0,5

isotrop

Ex/Ez = 2

Ex/Ez = 5

Ex/Ez = 10

Ex/Ez = 20

0,88

0,90

0,92

0,94

0,96

0,98

1,00

20 30 40 50 60 70 80RißlĂ€nge a [mm]

GFEM

GBT

Gxz/Ez = 1/3

Gxz/Ez = 1/2

Gxz/Ez = 3/4

Gxz/Ez = 1000

2D-FE (ESZ)

Ex/Ez = 20

0,90

0,91

0,92

0,93

0,94

0,95

0,96

0,97

0,98

0,99

1,00

1,01

20 30 40 50 60 70 80RißlĂ€nge a [mm]

GFEM

GBT

FEM Gxz/Ez = 0,53

3D, Ex/Ez = 14, Ey/Ez=1

3D, Ex/Ez = 3, Ey/Ez=1

2D, Ex/Ez = 3, ESZ

3D, Ex/Ez = 14, Ey/Ez=2

2D, Ex/Ez = 14, ESZ

3D, Ex/Ez = 3, Ey/Ez=2

Page 47: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

39

Eine Unsicherheit der 2D-FE-Analyse betrifft die Auswirkung der endlichen Breite B der

Probe. In Abb. 2.13 sind dazu die Ergebnisse der vollstÀndigen 3D-FE-Analyse mit denen der

2D-FE-Analyse fĂŒr den ebenen Spannungszustand (ESZ) verglichen. Der Unterschied in den

Ergebnissen der 2D- und 3D-FE-Modelle ist besonders fĂŒr die Energiefreisetzungsrate gering,

der Einfluß des rĂ€umlichen Spannungszustandes und der anisotropen Materialeigenschaften in

Breitenrichtung (speziell Ey) spielt eine untergeordnete Rolle [82]. In entgegengesetzter

Tendenz zu den Scherdeformationen ist die Abweichung fĂŒr isotrope Materialien grĂ¶ĂŸer als fĂŒr

anisotrope Materialien, bleibt aber in jedem Fall auf einige wenige Prozent beschrÀnkt. Der

Aufwand fĂŒr eine BerĂŒcksichtigung der rĂ€umlichen Spannungen im Rahmen einer 3D-FE-

Modellierung und die dadurch bedingten Nachteile (gröbere Vernetzung) erscheint ihrem

Einfluß nicht angemessen. Die Ergebnisse der 2D-FE-Analyse unter Annahme des ebenen

Spannungszustands liefern insbesondere fĂŒr anisotrope Materialien fĂŒr praktische Belange

ausreichend genaue Ergebnisse.

Abb. 2.14 Vergleich verschiedener Modelle zur Bestimmung der Energiefrei-setzungsrate G der DCB-Probe (TIMOSHENKO: Gl. 2.8; BERRY: Gl. 2.9; WHITNEY: [90])

Die Variation der POISSON-Zahlen Îœ ij zwischen 0 2 0 3. .≀ ≀Μ ij brachte keine nennenswerte

Änderung der Compliance oder der Energiefreisetzungsrate.

Die einfache Balkentheorie ist nur bedingt in der Lage, das Deformationsverhalten der

anisotropen Probe zu beschreiben. Mit einigem rechnerischem Aufwand wurden Korrekturen

zur Balkentheorie entwickelt, die verschiedenen EinflußgrĂ¶ĂŸen Rechnung tragen sollen (siehe

Kapitel 2.3.2.). In Abb. 2.14 sind die Ergebnisse der FE-Modellierung fĂŒr die Energie-

freisetzungsrate mit denen einiger analytischer Modelle verglichen. BezugsgrĂ¶ĂŸe ist wiederum

die sich aus der einfachen Balkentheorie entsprechend Gl. 2.7. ergebende NĂ€herung GBT.

Eine Scherspannungs-Korrektur der Balkentheorie nach TIMOSHENKO [79] fĂŒhrt zu keiner

wesentlichen Verbesserung der Beschreibung und wird den tatsÀchlich auftretenden Scher-

deformationen in Verbundwerkstoffen anscheinend kaum gerecht.

0,88

0,90

0,92

0,94

0,96

0,98

1,00

20 30 40 50 60 70 80RißlĂ€nge a [mm]

G

GBT

FEM 2D (ESZ)

WHITNEY

FEM 3D

TIMOSHENKO

BERRY (emp.)

Ex/Ez = 14; Gxz/Ez = 0,53

Page 48: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

40

Bessere Übereinstimmung, zumindest fĂŒr mittlere bis große RißlĂ€ngen, zeigt das analytische

Modell nach WHITNEY [90]. Der Aufwand der Berechnung und der Umfang der sich

ergebenden AusdrĂŒcke lĂ€ĂŸt es jedoch fĂŒr eine praktische Anwendung zur experimentellen

Auswertung wenig geeignet erscheinen. Insbesondere seine Übertragung auf kompliziertere

Probengeometrien (CDCB-Test) wĂŒrde große rechnerische Probleme bereiten.

Gemessen am VerhÀltnis von Aufwand zu Ergebnis liefert das empirische Modell nach

BERRY [91] die besten Resultate. Allerdings beruht es auf einer linearen Definition der

Energiefreisetzungsrate und seine GĂŒltigkeit beim Auftreten starker Biegung kann an Hand der

hier durchgefĂŒhrten linearen FE-Analyse nicht beurteilt werden.

Die Ergebnisse der FE-Modellierung des DCB-Tests fanden BerĂŒcksichtigung bei einer

experimentellen Untersuchung des Einflusses verschiedener Schlichtematerialien auf das

Delaminationsverhalten glasfaserverstÀrkter Thermoplast- und Duromermaterialien. Die

Ergebnisse dieser Arbeit von THEUERKORN wurden in [93], [100] und [101] veröffentlicht.

2.3.5 Schlußfolgerungen

Das Beispiel der FE-Modellierung der DCB-Probe erlaubt einige allgemeine

Schlußfolgerungen fĂŒr das Deformationsverhalten Ă€hnlicher Probekörper.

Die einfache Balkentheorie ist zur Beschreibung der Biegung stark anisotroper Materialien

speziell fĂŒr sehr kurze BiegelĂ€ngen (LĂ€nge/Dicke<15) schlecht geeignet, die auftretenden

Fehler bei der Nachgiebigkeit können auf ĂŒber 40% anwachsen. Durch eine geschickte,

halbempirische Einbeziehung aller experimentell meßbaren GrĂ¶ĂŸen ( )P a, ,ÎŽ lĂ€ĂŸt sich der

Fehler bei der Berechnung von G allerdings betrÀchtlich herabsetzen.

Starken Einfluß auf die Deformation haben von den anisotropen Materialeigenschaften nur die

Moduli in ProbenlÀngs- und Dickenrichtung, Ex und Ez, sowie der Schermodul in der

Biegeebene, Gxz. Sie bestimmen den Anteil der Scherdeformationen gegenĂŒber den Dehnungen

bei der Biegung. Die Variation der anderen orthotropen Materialeigenschaften (POISSON-

Zahlen, Moduli mit Bezug zur Breitenrichtung y) liefert kaum VerÀnderungen und ist daher

nicht sinnvoll.

Der rÀumliche Spannungszustand und die endliche Breite der Probe haben eine vergleichsweise

geringe Wirkung auf die Nachgiebigkeit und Energiefreisetzungsrate, die mit wachsender

Anisotropie ( E Ex z/ >1) noch dazu rasch abnimmt. Da sich die Abweichungen selbst fĂŒr

isotropes Material auf einige wenige Prozent beschrÀnken, kann die Deformation hinreichend

genau durch Annahme von ESZ-Bedingungen beschrieben werden. Eine vollstÀndige 3D-FE-

Analyse ist sehr aufwendig und deshalb nur mit gröberer Vernetzung zu bewÀltigen. Damit

verringert sich jedoch wieder die Genauigkeit der NĂ€herung, was unter UmstĂ€nden grĂ¶ĂŸere

Page 49: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

41

Abweichungen als die NichtberĂŒcksichtigung des rĂ€umlichen Spannungszustands

hervorzurufen vermag.

FĂŒr die Analyse des ebenen Spannungszustandes reicht die Kenntnis der elastischen

Materialeigenschaften in der Biegeebene aus (Ex, Ez, Gxz, Îœxz ). Nur deren Einfluß hat sich im

Verlauf der Modellierung als wesentlich erwiesen.

Page 50: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

42

2.4. Modellierung CDCB-Test

2.4.1. FE-Modell der CDCB-Geometrie

Die CDCB-Probe wurde mittels einer zweidimensionalen Finite-Elemente-Analyse unter Ver-

wendung von isoparametrischen 8-Knoten-Solid-Elementen mit linear elastischen, orthotropen

Materialeigenschaften modelliert [102]. Die Erfahrungen bei der Analyse des DCB-Tests

rechtfertigten eine BeschrÀnkung auf den ebenen Spannungszustand. Der zu erwartenden

starken Durchbiegung und Drehung der Probe wurde durch eine geometrisch nichtlineare

Analyse Rechnung getragen. Diese berĂŒcksichtigt iterativ die Änderung der Geometrie der

Probe und ihrer Belastung wÀhrend einer allmÀhlichen Aufbringung der Last und ist als Option

standardmĂ€ĂŸig in der FE-Software ANSYS implementiert [103]. Durch die schrittweise

Belastung und iterative AusfĂŒhrung mehrerer einfacher FE-RechnungslĂ€ufe bis zum jeweiligen

Gleichgewicht, verlĂ€ngert sich die Rechenzeit gegenĂŒber der linearen FE-Analyse auf ein Viel-

faches. Zur Berechnung des nichlinearen Zusammenhangs zwischen Kraft und Verschiebung

fĂŒr eine vorgegebene RißlĂ€nge waren 50 und mehr RechenlĂ€ufe erforderlich. Die Rechenzeit

fĂŒr eine Probe bei Variation der RißlĂ€nge betrug auf dem PC mehrere Tage. Durch Einsatz

einer Workstation IBM RISC 6000 konnte diese Zeit auf etwa einen Tag reduziert werden.

Die Vernetzung der CDCB-Geometrie ist in Abb. 2.15. dargestellt. Dabei wurde besonderer

Wert auf die BerĂŒcksichtigung der Prinzipien zur Netzgestaltung fĂŒr bruchmechanische FE-

Analysen gelegt, die am Beispiel der DCB-Probe in Kapitel 2.3.1. erlÀutert wurden.

Abb. 2.15 FE-Vernetzung der CDCB-Probe (zur besseren Darstellung vergröbert und unter leichter Belastung).

Den Hauptbeitrag zur Gesamtdeformation liefern die delaminierten ProbenhÀlften, die daher

mit einer höheren Dichte (8 Elemente ĂŒber Probendicke H/2) regelmĂ€ĂŸig vernetzt wurden.

In einem Bereich H um die Rißspitze erfolgte eine starke Netzverfeinerung mittels einer freien

Vernetzung. Als Rißspitzenelemente fanden die bereits bei der DCB-Probe eingesetzten,

Page 51: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

43

singulĂ€ren Dreieckselemente Verwendung. Die Wahl ihrer GrĂ¶ĂŸe zu 1/5000 der

charakteristischen Abmessung H (Probendicke) erlaubt die Untersuchung der singulÀren

Rißspitzenfelder am FE-Modell.

Die Aufteilung in verschiedene Vernetzungsbereiche wurde so gewĂ€hlt, daß die Änderung der

RißlĂ€nge a im FE-Modell ohne Modifikation der lokalen Vernetzung möglich ist. Der Einfluß

der Vernetzung auf die FE-Ergebnisse wurde damit minimiert.

Die Anzahl der Knoten der FE-Modelle lag etwa bei 5000.

Um der kreisförmigen KrĂŒmmung des anisotropen Materials Rechnung zu tragen, mußte eine

entsprechende Wahl der Orientierung des Koordinatensystems jedes einzelnen Elements

getroffen werden. Durch Definition eines globalen zylindrischen Koordinatensystems im

KrĂŒmmungsmittelpunkt der Proben und Nutzung einer diesbezĂŒglichen Vernetzungsoption war

dies in ANSYS auch bei Nutzung des automatischen Netzgenerators problemlos möglich. Die

Festlegung der orthotropen Materialeigenschaften erfolgt immer bezĂŒglich dieses

Elementkoordinatensystems, so daß sich eine Orientierungrichtung der anisotropen elastischen

Materialeigenschaften entsprechend der ProbenkrĂŒmmung ergibt.

Die Last wurde fĂŒr die nichtlineare Analyse in 10 gleichmĂ€ĂŸigen Lastschritten (Substeps)

aufgebracht. Sie wurde in Gestalt der senkrechten Verschiebung uz des oberen und unteren

Klötzchenachspunktes vorgegeben, in waagerechter Richtung wurde keine Verschiebung ux

zugelassen. Als maximale RiĂŸĂ¶ffnung ÎŽ (gegenseitige Verschiebung der Achspunkte) wurde

der Wert der halben jeweiligen RißlĂ€nge a festgelegt, was bereits einer starken Biegung und

betrÀchtlichen NichtlinearitÀt der Deformation entspricht. Die Steuerung der

Gleichgewichtsiterationen der nichtlinearen Analyse organisiert ANSYS selbst. Die Anzahl der

vom Programm pro Lastschritt benötigten Iterationsschritte variierte zwischen 3 und 50.

Die gesamte Steuerung der Modellierung (RißlĂ€ngenĂ€nderung, Vernetzung, nichtlineare

Analyse, Datenauswertung und Abspeicherung von Ergebnislisten) wurde durch Programm-

makros gewÀhrleistet. Variable definieren sÀmtliche Modellparameter. Die Analyse einer Probe

mit bestimmter Geometrie und Materialeigenschaften konnte daher ĂŒber den gesamten Bereich

der RißlĂ€ngenĂ€nderung automatisch erfolgen. Die weitere Auswertung der verschiedenen

Ergebnislisten wurde mittels der Mathematik-Software MATHEMATICA [95] zu großen

Teilen automatisiert.

Als Bezug wurde eine CDCB-Probe mit folgenden Eigenschaften gewÀhlt:

Geometrie:

Innenradius der ProbenkrĂŒmmung: R i = 50 mm

Materialdicke: H = mm5

Probenbreite: B = mm20

Page 52: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

44

Höhe der Klötzchen: h k =15 mm

Höhe der Klötzchen bis zum Achspunkt: h kl = mm9

LÀnge der Klötzchen: l kl = 20 mm

Bereich der RißlĂ€ngenvariation: ca a ca. . mm mm30 75≀ ≀

Materialeigenschaften entsprechend Tab. 2.2.

Ausgehend von dieser Konfiguration, die den Eigenschaften von Probekörpern aus dem

Thermoplastwickelverfahren nahekommt, wurden die einzelnen Parameter variiert, um ihren

Einfluß zu untersuchen.

Im Vorfeld der eigentlichen Analyse wurden verschiedene TestlÀufe mit unterschiedlicher

Wahl der Parameter der nichtlinearen Analyse und der Vernetzung durchgefĂŒhrt und ihre

Ergebnisse verglichen. FĂŒr die verwendeten Einstellungen konnte praktisch keine Änderung

der Analyseergebnisse beobachtet werden. Die VerlĂ€ĂŸlichkeit der verwendeten FE-NĂ€herung

ist damit gesichert.

2.4.2 Ermittlung der Energiefreisetzungsrate

Die Definition der Energiefreisetzungsrate G aus der Energiebilanz der Rißausbreitung

entsprechend Gl. 1.4 ist fĂŒr elastische Materialien allgemein gĂŒltig und auch bei Auftreten

nichtlinearer Deformationen anwendbar. Prinzipiell lĂ€ĂŸt sich G auch in diesem Fall aus den

Änderungen der in der Probe gespeicherten elastischen Energie, aus dem Last-Verschiebungs-

Zusammenhang oder den lokalen Rißspitzenfeldern berechnen. Jedoch kann im allgemeinen

nicht mehr von einer ProportionalitÀt zwischen Lastkraft und resultierender Deformation aus-

gegangen werden, so daß sich die Berechnung von G aus den Ergebnissen einer nichtlinearen

FE-Analyse komplizierter gestaltet, als in Kapitel 2.3. fĂŒr die lineare Analyse dargestellt.

2.4.2.1 Berechnung der Energiefreisetzungsrate fĂŒr nichtlineare Deformation

aus dem Last-Verschiebungs-Zusammenhang und der Änderung der

elastischen Energie

FĂŒr nichtlineare Deformation ist der Quotient C aus Verschiebung ÎŽ und wirkender Kraft P am

Lasteinleitungspunkt keine die Struktur beschreibende Konstante, sondern die Nachgiebigkeit

C ist abhÀngig von der wirkenden Last bzw. Verschiebung: ( )C C a= Ύ, . Auch die Beziehung

U P= ⋅( ) /ÎŽ 2 fĂŒr die in einer Struktur gespeicherte elastische Energie ist nur unter

Vorraussetzung eines linearen Zusammenhangs zwischen Last-Kraft P und Verschiebung ÎŽ

gĂŒltig; im allgemeinen Fall muß sie durch die Integration ( )U P d= ⋅∫ ÎŽ ÎŽÎŽ

' '0

ersetzt werden.

Page 53: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

45

Der Ausdruck Gl. 2.1 ist fĂŒr nichtlineare Deformation nicht korrekt und die Berechnung der

Energiefreisetzungsrate aus der Änderung der Compliance entsprechend Gl. 2.5 daher nicht

gerechtfertigt [97].

Abb. 2.16 Definition der nichtlinearen Energie-freisetzungsrate

Die Energiefreisetzungsrate ( )G aÎŽ, fĂŒr eine Struktur mit einer RißlĂ€nge a und unter einer

Belastung Ύ entspricht der FlÀche 0-1-2-0 im Kraft-Verschiebungs-Diagramm (Abb. 2.16),

bezogen auf die Änderung der RißflĂ€che B a⋅ ∆ :

( )

( )( ) ( )( )

( )

( ) ( ) ( )( )

( ) ( ) ( ) ( ) ( )( )

G a

B aP a d P a a a a

d a a

d ad a P a a d

BP a

d a a

d aP a

d a a

d a

P a a

ad

a

a a a a

a

a a

a a

a

ÎŽ

∂∂

ÎŽ ÎŽ ÎŽÎŽ

ÎŽ ÎŽ

ÎŽÎŽ

ήή ∂ ή

∂∆ή

ÎŽ

ÎŽ

ÎŽ ÎŽ

ÎŽ

,

', ' ' , ''

'' ', '

, ,',

'

= ⋅ ⋅ + + + ⋅+

⋅ − + ⋅

= ⋅ ⋅+

− ⋅+

−+

⋅

∫ ∫ ∫

∫

+ +

=

= =

+

=

1

1

0 00

0 0 0 0

∆∆ ∆

∆

∆∆ ∆

∆

∆

∆

∆

∆

∆ ∆

∆

∆ ∆

∆

∆

(2.22)

Die Umformung ergibt folgenden Ausdruck zur Berechnung der Energiefreisetzungsrate aus

dem Last-Kraft-Verschiebungs-Zusammenhang bei nichtlinearer Deformation:

( ) ( )G a

B

P a

ad

const

ή∂ ή

∂ή

ÎŽ

ÎŽ

,',

''

= − ⋅ ⋅=

∫1

0

(2.23).

Diese Beziehung ist das nichtlineare Äquivalent zur linearen Definition Gl. 2.3, die nicht

allgemein gĂŒltig ist. Bei Vorgabe der Lastkraft P statt der Lastverschiebung ÎŽ resultiert eine

Transformation von Gl. 2.23 in eine analoge Form:

( ) ( )G P a

B

P a

adP

P const

P

,',

''

= ⋅ ⋅=

∫1

0

∂ή

∂ (2.24),

die alternativ verwendet werden kann.

Eine nichtlineare FE-Analyse liefert nur diskrete Ergebnisse fĂŒr bestimmte Lastschritte { }i und

eine endliche Reihe { }k von RißlĂ€ngen. Zur Berechnung der Energiefreisetzungsrate

entsprechend Gl. 2.23 oder Gl. 2.24 machen sich jedoch die Integration der bisherigen

0

1

ÎŽÎŽÎŽÎŽ

PP(ή,a) P(ή(a+∆a'),a+∆a’)

P(ή,a+∆a)

2

Page 54: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

46

Belastungsgeschichte und eine Differentiation bezĂŒglich der Änderung mit der RißlĂ€nge

erforderlich. Der Übergang von den diskreten Ergebnissen zu den dafĂŒr benötigten stetigen

GrĂ¶ĂŸen ( ) ( )P a P aik i kÎŽ ÎŽ, ,→ kann mit einer zweidimensionalen, stĂŒckweisen Polynom-

Interpolation vollzogen werden. In dieser Arbeit wurde dazu auf die in der Mathematik-

Software MATHEMATICA verfĂŒgbare Funktion Interpolation zurĂŒckgegriffen [95]. Der

Aufwand zur Berechnung von G aus einer nichtlinearen Belastungskurve ist infolge der dazu

notwendigen Integration deutlich höher als im linearen Fall (‘Compliance Methode’ in

Kap. 2.3.3.1.).

Die Form der Definition der Energiefreisetzungsrate aus der elastischen Energie entsprechend

Gl. 2.10 ist fĂŒr nichtlineares Deformationsverhalten dagegen uneingeschrĂ€nkt gĂŒltig [97]:

( ) ( )G a

B

U a

aconst

ή∂ ή

∂ή

,,

= − ⋅=

1 (2.10.).

Auch bei einer nichtlinearen Analyse stellt das FE-Programm die in der Struktur gespeicherte

elastische Energie als AusgabegrĂ¶ĂŸe bereit. Eine Interpolation ( ) ( )U a U aik i kÎŽ ÎŽ, ,→ der

diskreten Resultate ermöglicht die AusfĂŒhrung der Ableitung in Gl. 2.10 und die Berechnung

der Energiefreisetzungsrate aus den FE-Ergebnissen. Dieses Verfahren erfordert keine

zusÀtzliche Integration wie in Gl. 2.23/ 2.24 und ist daher praktisch einfacher zu realisieren.

Ein Vergleich der Methoden an den Ergebnissen des nichtlinearen FE-Modells der CDCB-

Probe erbrachte eine nahezu ideale Übereinstimmung der Resultate fĂŒr die Energie-

freisetzungsrate. Die relative Abweichung ging im gesamten untersuchten Bereich ĂŒber

maximal 0,1% nicht hinaus. Da der Kraft-Verschiebungs-Zusammenhang und die elastische

Energie auf voneinander unabhÀngigen Ergebnissen der FE-Analyse beruhen, ist dies zugleich

ein ĂŒberzeugender Beleg fĂŒr die ZuverlĂ€ssigkeit des Modells.

In Anbetracht der Äquivalenz der Resultate beider Verfahren ist die Berechnung der

Energiefreisetzungsrate aus der Änderung der elastischen Energie im Falle nichtlinearer

Deformation wegen des geringeren Berechnungsaufwandes vorzuziehen.

2.4.2.2. Berechnung der ‘Mixed-Mode’-Anteile von G aus den Rißspitzen-

Nahfeldern

Die Extrapolation der SpannungsintensitÀtsfaktoren nach den in Kap. 2.3.3.2 beschriebenen

Methoden liefert fĂŒr das lineare FE-Modell der CDCB-Probe gut ĂŒbereinstimmende Ergebnisse

(Abb. 2.17). Die Abweichungen zwischen den aus den SpannungsintensitÀtsfaktoren und der

Energiemethode erhaltenen Werten fĂŒr G bleiben unterhalb von 1%.

Page 55: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

47

Abb. 2.17 Extrapolation der SpannungsintensitÀts-faktoren aus dem linearen FE-Modell der CDCB-Probe

Eine geometrisch lineare Analyse vernachlĂ€ssigt die Änderung der Probengeometrie mit der

Belastung, sie ist daher nur fĂŒr geringe Deformationen der Gesamtstruktur anwendbar. Die

nichtlineare Analyse dagegen bezieht die aktuellen Belastungen und Randbedingungen immer

auf die momentane Probengestalt [104]. Relativ zu diesem aktuellen Zustand erfolgen die

differentiellen Deformationen jedoch weiterhin linear. Praktisch wird jedem Punkt (bzw. FE-

Element) der Struktur ein eigenes, mitbewegtes Bezugssystem zugeteilt, welches der

Translation und Drehung des Volumenelementes folgt. Die lokalen Dehnungen und das

Materialgesetz werden dabei in diesem mitbewegten Koordinatensystem betrachtet und

behalten innerhalb dieses Systems ihre lineare Struktur [103].

Die einzelnen Punkte der CDCB-Probe erfahren zum Teil betrÀchtliche Verschiebungen und

Drehungen im Raum, das örtliche Materialverhalten bleibt jedoch linear elastisch. FĂŒr die

Spannungsverteilung an der Rißspitze kann daher die GĂŒltigkeit der singulĂ€ren Terme ([83],

[96], [97]) fĂŒr anisotrope Materialien entsprechend Gl. 2.12 angenommen werden, allerdings

bezogen auf ein mitbewegtes Rißspitzenkoordinatensystem. Die KrĂŒmmung der Rißfront und

der Materialorientierung bei der CDCB-Probe sollte die praktische Anwendbarkeit der

singulĂ€ren Terme (Tab. 2.1) nicht beeintrĂ€chtigen, da diese ohnehin nur fĂŒr sehr kleine

AbstĂ€nde zur Rißspitze gĂŒltig sind ( r H/ .< 0 01) und in diesem Bereich die Abweichung der

Rißfront von der Ebene infolge des großen KrĂŒmmungsradius ( R Hi / >10 ) der Struktur

praktisch keine Rolle spielt.

Die Spannungsergebnisse einer nichtlinearen FE-Analyse werden von ANSYS immer im

aktuellen, mitbewegten Elementkoordinatensystem ausgegeben. Die Resultate fĂŒr die

Ligamentspannungen können damit entsprechend Gl. 2.14 bzw. Gl. 2.15 unmittelbar zur

Extrapolation der SpannungsintensitÀtsfaktoren KI und KII benutzt werden (siehe Kapitel

2.3.3.2.). Betrachtet man allerdings die daraus folgende Verteilung der NĂ€herungswerte

0

200

400

600

800

1000

1200

0,0 0,5 1,0 1,5 2,0

Abstand von der Rißspitze r [mm]

Km

Lineare Analyse

K I aus u' z

K II aus u' x

Rißufer

K I aus σ zz

K II aus σ xz

Ligament

Page 56: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

48

( )( )K rm k ĂŒber den RißspitzenabstĂ€nden ( )r k der verschiedenen Ligamentknoten k, so ist diese

nicht annÀherungsweise linear (Abb. 2.18). Die Extrapolation der Werte der

SpannungsintensitĂ€tsfaktoren auf die Rißspitze r → 0 ist nur aus sehr weit von der Rißspitze

entfernten Knoten möglich und daher sehr ungenau.

Abb. 2.18 Extrapolation der SpannungsintensitĂ€ts-faktoren aus Ligament-spannungen und Rißufer-verschiebungen im mitbewegten Rißspitzen-Koordinatensystem (Nichtlineares FE-Modell der CDCB-Probe)

Die Hauptursache dafĂŒr liegt in der Tatsache, daß in ANSYS die DurchfĂŒhrung einer

geometrisch nichtlinearen Analyse immer mit der Nutzung eines logarithmischen Dehnungs-

maßes („HENKY“-Dehnung, [104]) gekoppelt ist. Dieses weicht fĂŒr große Dehnungen

(>ca.10%) zunehmend vom linearen Dehnungsmaß ab, welches zur Ableitung der singulĂ€ren

Spannungsterme Gl. 2.12 verwendet wurde. Da unmittelbar an der Rißspitze starke Dehnungen

auftreten, ergibt sich mit geringer werdendem Abstand r zur Rißspitze eine zunehmende

Diskrepanz zwischen den singulÀren Termen und den FE-Ergebnissen, die im vorliegenden

Fall die Extrapolation erschwert.

DarĂŒber hinaus ist die Genauigkeit der Knotenspannungen einer FE-Analyse im Bereich hoher

Spannungsgradienten naturgemĂ€ĂŸ nicht optimal, was obige Probleme noch verstĂ€rkt.

Bessere Ergebnisse lĂ€ĂŸt die Analyse der Rißuferverschiebungen erwarten. Die in Tabelle 2.1

dafĂŒr angegebenen Terme sind fĂŒr die nichtlineare Betrachtung auf das aktuelle, mitbewegte

und mitrotierte, Rißspitzenkoordinatensystem zu beziehen. Die Ausgabe der Ergebnisse fĂŒr die

Verschiebungen einer nichtlinearen FE-Analyse erfolgt in ANSYS immer nur relativ zu einem

globalen, ruhendem Koordinatensystem. Daher macht sich eine Transformation der erhaltenen

Verschiebungswerte auf das der Deformation entsprechende aktuelle Rißspitzenkoordinaten-

system erforderlich. Aus dem FE-Modell stehen dafĂŒr nur die ursprĂŒnglichen Positionen der

Knoten im FE-Netz und die Werte der Knotenverschiebungen im momentanen Zustand der

Deformation zur VerfĂŒgung. Die erforderliche Prozedur ist in Anhang I beschrieben.

0

500

1000

1500

2000

2500

0,0 0,5 1,0 1,5 2,0

Abstand von der Rißspitze r [mm]

Km

Nichtlineare Analyse

K I aus u' z

K II aus u' x

Rißufer

K I aus σ zz

K II aus σ xz

Ligament

Page 57: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

49

Sie liefert die Komponenten der Verschiebung { }ux uzko ko' , ' und { }ux uzku ku' , ' im

Rißspitzenkoordinatensystem fĂŒr jedes Knotenpaar k auf dem oberen (Index o) bzw. unteren

(Index u) Rißufer senkrecht (uz) und parallel (ux) zur Rißebene. Diese entsprechen den

Rißuferverschiebungen { }u uxoberes Rißufer

zoberes Rißufer, und { }u ux

unteres Rißuferzunteres Rißufer, im Sinne von

Gl. 2.17 und Gl. 2.18, die zur Extrapolation der Werte fĂŒr die SpannungsintensitĂ€tsfaktoren aus

den Ergebnissen der nichtlinearen FE-Analyse verwendet werden.

Der Abstand von der Rißspitze ( )r k wird durch die x’-Koordinate des Knotenpaares im

Rißspitzenkoordinatensystem des undeformierten Zustandes festgelegt:

( ) ( )r x xk ko ku= =' ', ,0 0 (2.25).

In Abb. 2.18 ist die Extrapolation von KI und KII aus den Rißuferverschiebungen fĂŒr die

nichtlineare Analyse der CDCB-Probe demonstriert. Über einen weiten Bereich ordnen sich die

NĂ€herungswerte fĂŒr Km nahezu auf einer Geraden an, nahe der Rißspitze ergeben sich jedoch

Abweichungen infolge der starken Dehnung. Eine Extrapolation der Werte fĂŒr beide

SpannungsintensitÀtsfaktoren ist aus dem linearen Kurvenabschnitt gut möglich. Im nicht-

linearen Fall ist die Methode zur Bestimmung der SpannungsintensitÀtsfaktoren aus den

Rißuferverschiebungen der Methode aus den Ligamentspannungen eindeutig ĂŒberlegen. FĂŒr die

Ermittlung des ‘Mixed-Mode’-VerhĂ€ltnisses K KI II/ der Belastung der CDCB-Probe wurden

daher nur die Verschiebungen ausgewertet.

Die GĂŒltigkeit des Zusammenhangs (Gl. 2.19-2.21) zwischen den Moden GI und GII der

Energiefreisetzungsrate und den SpannungsintensitÀtsfaktoren KI und KII wird durch die

nichtlineare Analyse nicht beeintrÀchtigt.

2.4.3 Analytisches Modell fĂŒr Biegung gekrĂŒmmter StĂ€be

Ein Nachteil numerischer Lösungsverfahren besteht darin, daß die AbhĂ€ngigkeit zwischen den

Eingangs- und ErgebnisgrĂ¶ĂŸen im allgemeinen nicht in einer kontinuierlichen, mathematischen

Gleichungsform angegeben werden kann, sondern ĂŒber numerische Algorithmen der Zusam-

menhang zwischen den EingangsgrĂ¶ĂŸen und den ZielgrĂ¶ĂŸen nur fĂŒr diskrete Werte vermittelt

wird. An Hand einer formelmĂ€ĂŸigen Beschreibung werden die gegenseitigen Beziehungen

jedoch transparenter. Diese kann als Ergebnis einer mathematisch analytischen Bearbeitung des

Problems erhalten werden. FĂŒr einen realen Sachverhalt ergeben sich bei der Umsetzung der

analytischen Lösung in der Regel große mathematische Schwierigkeiten, die nur unter um-

fangreichen Vereinfachungen und VernachlĂ€ssigungen zu bewĂ€ltigen sind. Die GĂŒltigkeit der

erhaltenen NÀherungen bleibt dabei oft unklar. Zur Beurteilung der ZuverlÀssigkeit der

analytischen Ergebnisse bietet sich der Vergleich zu den Lösungen numerischer Verfahren an,

die weniger EinschrĂ€nkungen bei der Umsetzung des realen Problems bedĂŒrfen.

Page 58: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

50

Um die prinzipielle AbhÀngigkeit der Deformation und der Energiefreisetzungsrate von den

geometrischen und materiellen Parametern wenigstens nĂ€herungsweise formelmĂ€ĂŸig zu erfas-

sen, war es eine Zielstellung dieser Arbeit, auch ein mathematisch analytisches Modell der

CDCB-Probe zu entwickeln. DafĂŒr bietet sich an, die Probe durch ein System gekrĂŒmmter

StÀbe anzunÀhern (Abb. 2.19), welches mittels der Balkentheorie modelliert wird. Da starke

Biegung im realen CDCB-Test hÀufig auftritt, ist im Modell die Option zur nichtlinearen

Analyse ausdrĂŒcklich vorgesehen.

Abb. 2.19 Stabmodell der CDCB-Probe

Zur Basis der Analyse gehören die KIRCHHOFF’sche Hypothese der Plattenbiegung und die

VernachlÀssigung der auftretenden Scherspannungen [105]. Ohne diese Vereinfachungen wÀre

der Aufwand fĂŒr eine analytische Modellierung unverhĂ€ltnismĂ€ĂŸig höher.

Die delaminierte obere und untere ProbenhĂ€lfte werden zunĂ€chst getrennt betrachtet. Die fĂŒr

beide HĂ€lften erhaltenen AusdrĂŒcke erweisen sich jedoch als prinzipiell identisch. Lediglich

die Vorzeichen der senkrechten Last-Komponente Fz und des Klötzchen-Parameters hkl,

mĂŒssen fĂŒr den oberen Probenteil als positiv ( F hzoben

kloben> >0 0; ) und fĂŒr den unteren

Probenteil als negativ ( F hzunten

klunten< <0 0; ) angenommen werden.

Das im folgenden beschriebene Stabmodell entspricht der oberen ProbenhÀlfte und ist in

Abb. 2.19 veranschaulicht.

Der freie, delaminierte Teil des Probematerials, der einer Biegung unterworfen ist, wird durch

einen Stab mit konstanter AnfangskrĂŒmmumg R reprĂ€sentiert.

Die aktuelle RißlĂ€nge a bestimmt die Winkelposition ϕ ϕ= 1 der Rißspitze und damit das

untere Ende des Stabes:

ϕπ

1 2 2= − +

⋅

a

R

l

Rklarcsin (2.26)

hkl

Fz lkl

R

ϕ1

ϕE

αmi

Page 59: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

51

An dieser Stelle treffen sich die beiden ProbenhÀlften und sind steif miteinander verbunden.

Eine zusÀtzliche Vereinfachung des hier verwendeten Modells besteht darin, die Einspannung

jedes der beiden Probenteile fĂŒr sich als starr und feststehend im Raum zu betrachten. FĂŒr die

CDCB-Probe entspricht dies nicht völlig der RealitÀt: die Verschiebung und Drehung der Probe

an der Rißspitze ergeben sich aus dem Gleichgewicht der Deformation von oberer und unterer

ProbenhÀlfte. Da diese unsymmetrisch erfolgt, kann es zu RichtungsÀnderungen kommen. Die

BerĂŒcksichtigung dieses Umstandes, der fĂŒr kleine Belastungen (lineare Deformation) keine

Rolle spielt, wĂŒrde das ohnehin aufwendige Modell so komplizieren, daß eine analytische

Lösung dann nicht mehr sinnvoll erschiene.

Die Belastung in Gestalt der senkrechten Kraft Fz wird nicht unmittelbar am freien Ende des

Stabes aufgebracht. FĂŒr die Deformation der CDCB-Probe muß die versteifende Wirkung des

aufgeklebten Aluminiumklötzchens berĂŒcksichtigt werden. Der Probenstreifen ist nur bis zum

Rand des Lastklötzchens flexibel, hier muß auch das freie Ende des deformierbaren

Stabmodells angesetzt werden. Dieser Punkt liegt nicht bei ϕ π= / 2 sondern ist um die halbe

KlötzchenlÀnge lkl / 2 vorverlegt:

ϕπ

Ekll

R= −

2 2arcsin (2.27)

Die eigentliche Last greift im Achspunkt des Klötzchens bei ϕ π= / 2 und in radialer Richtung

um die Achspunkthöhe hkl versetzt an. Das Klötzchen wird als völlig steif betrachtet und ist

starr mit dem Stabende verbunden. Eine Deformation der Probe fĂŒhrt zu einer Drehung des

Klötzchens, die in AbhÀngigkeit von der Achspunkthöhe hkl eine zusÀtzliche Verschiebung

zwischen Achspunkt und freiem Stabende zur Folge hat. Da die Lastverschiebung ÎŽ im

Experiment am Achspunkt gemessen wird, muß diese Drehungskorrektur im Modell berĂŒck-

sichtigt werden. Zugleich bewirkt die Verschiebung des Belastungspunktes gegenĂŒber dem

Stabende eine zusĂ€tzliche Änderung des Lastmomentes auf die Probe. Diese Effekte ĂŒben

zusammen mit der Versteifung der Probe ĂŒber die Distanz lkl / 2 einen wesentlichen Einfluß

auf das Deformationsverhalten der Probe aus. Sie haben sich in vorbereitenden

Untersuchungen als die wichtigste Quelle der NichtlinearitÀt des Kraft-Verschiebungs-

Zusammenhangs der Belastung erwiesen. Selbst im Rahmen einer linearen Analyse können sie

die Deformation wesentlich beeinflussen. Eigene VorgĂ€ngermodelle ohne BerĂŒcksichtigung

des Klötzchens in seiner LÀngen- ( lkl / 2 ) und Höhenausdehnung (hkl) lieferten insbesondere

fĂŒr kurze und mittlere RißlĂ€ngen sehr unbefriedigende Ergebnisse mit Abweichungen bis zu

30%. Die Bedeutsamkeit des Klötzcheneinflusses fĂŒr die Deformation der CDCB-Probe ist

eine wesentliche Erfahrung dieser analytischen Modellierung.

Page 60: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

52

Der theoretische Hintergrund des hier verwendeten Modells zur Beschreibung der starken

Deformation gekrĂŒmmter StĂ€be basiert auf [66] und ist in Anhang II beschrieben.

Die Differentialgleichung fĂŒr die rĂ€umliche Verschiebung ( ) ( ){ }u ux zϕ ϕ, eines Punktes des

Balkens mit der Winkelposition ϕ lautet.

( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( )E I

Ru u u u

Ru u u u F

Rux y

x z z x x z x z z x

⋅⋅ − ⋅ − + ⋅ + ⋅ − ⋅

= ⋅ − ⋅

3

1 1'' '' ' sin '' ' ' ' cos ' '' ' ' ' ' ' sin 'ϕ ϕ ϕ

( Iy ... FlÀchentrÀgheitsmoment des Stabquerschnitts) (2.28).

Da nur reine Biegedeformation betrachtet wird, ergibt sich als Nebenbedingung folgender

Zusammenhang zwischen den Verschiebungskomponenten:

( ) ( ) ( ) ( )u R R

u

Rxz' sin cos'

ϕ ϕ ϕϕ

= ⋅ − ⋅ − +

1

2

(2.29).

Zwei Randbedingungen folgen aus der starren Einspannung am festgehaltenen Stabende:

( )ux ϕ1 0= und ( )u z ϕ1 0= (2.30)

sowie ( )u x' ϕ1 0= und ( )u z' ϕ1 0= (2.31).

Die dritte Randbedingung entsteht durch die Forderung der Gleichheit von Ă€ußerem

Kraftmoment und innerem Biegemoment am Einspannpunkt ϕ ϕ= 1 :

( ) ( ) ( ) ( )[ ]

( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( )

−⋅

⋅ ⋅ + ⋅

= + ⋅ − + ⋅ +

+ ⋅ ⋅ +

− ⋅

E I

Ru u

F u uh

Ru

h

RR

x y

z x

z x E z E Ekl

x E Ekl

2 1 1 1 1

11 1 1

sin '' cos ''

' sin ' cos cos

ϕ ϕ ϕ ϕ

ϕ ϕ ϕ ϕ ϕ ϕ

(2.32).

Dem Unterschied der Achspunktverschiebungen { }u ux KL z KL, ,, gegenĂŒber den Verschiebungen

( ) ( ){ }u ux E z Eϕ ϕ, des freien Balkendes wird Rechnung getragen durch:

( ) ( ) ( ) ( ) ( )u u uh

Ru

h

Rx KL x E z E Ekl

x E Ekl

, ' sin ' cos= + ⋅ − + ⋅ +

+ ⋅ ⋅ +

ϕ ϕ ϕ ϕ ϕ1 1 1

(2.33a)

( ) ( ) ( ) ( ) ( )u u uh

Ru

h

Rz KL z E x E Ekl

z E Ekl

, ' sin ' cos= + ⋅ − ⋅ +

+ ⋅ ⋅ +

ϕ ϕ ϕ ϕ ϕ1 1 1

(2.33b)

Page 61: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

53

Mit den Gl. 2.28 bis 2.32 ist das Differentialgleichungssystem der Verschiebung zwar

vollstĂ€ndig bestimmt, seine komplizierte nichtlineare Struktur lĂ€ĂŸt die Bestimmung

geschlossener analytischer AusdrĂŒcke fĂŒr die Verschiebungsfunktionen ( )( )u F ax z , ,ϕ ϕ1 und

( )( )u F az z , ,ϕ ϕ1 jedoch nicht zu. Ein Ausweg bietet sich im Versuch einer nĂ€herungsweisen

Lösung mittels eines Potenzreihenansatzes:

( )( ) ( )u F a B Fx z st zs t

t

n

s

nF

, ,ϕ ϕ ϕ ϕϕ

1 100

= ⋅ ⋅ −==∑∑ (2.34a)

( )( ) ( )u F a A Fz z st zs t

t

n

s

nF

, ,ϕ ϕ ϕ ϕϕ

1 100

= ⋅ ⋅ −==∑∑ (2.34b).

Einsetzen der Ansatzfunktionen Gl. 2.34 in die Differentialgleichung und in die

Nebenbedingungen liefert Systeme von Gleichungen, aus denen die Koeffizienten Bst und A st

ermittelt werden können. Die sich ergebenden AusdrĂŒcke sind extrem umfangreich, sie konnten

nur mit Hilfe des symbolischen Mathematikprozessors der Software MATHEMATICA [95]

und fĂŒr endliche Ordnungen nF und nϕ der Entwicklung in Gl. 2.34 abgeleitet und

ausgewertet werden. Die erhaltenen Koeffizienten hÀngen dabei neben den elastischen

Eigenschaften und der Klötzchengeometrie (hkl und lkl) noch von der RißlĂ€nge a bzw. der

Winkelposition ( )ϕ1 a der Einspannung ab ( ( )B h lst kl klϕ1 , , , ... , ( )A h lst kl klϕ1 , , ,... ). Zur

praktischen Bestimmung dieser AbhÀngigkeiten machte sich zusÀtzlich eine Entwicklung der

Koeffizienten nach ϕ1 erforderlich. Als Ordnung dieser Entwicklung wurde die Ordnung nϕ

der winkelabhÀngigen Terme aus Gl. 2.34 verwendet.

Die Beschreibung der WinkelabhÀngigkeit wird ganz wesentlich durch die Glieder mit hohen

Potenzen ( )ϕ ϕ− 1

t bestimmt. Um auch fĂŒr große RißlĂ€ngen vernĂŒnftige Ergebnisse zu

erhalten, mĂŒssen diese mindestens bis zur 7. Ordnung berĂŒcksichtigt werden.

Von eigentlichem Interesse fĂŒr diese Arbeit sind die Verschiebungen des freien Stabendes

( )u Fx z , ,ϕ ϕ ϕ= 1 1 und ( )u Fz z , ,ϕ ϕ ϕ= 1 1 . Aus diesen lĂ€ĂŸt sich ĂŒber die Gl. 2.33 durch ent-

sprechendes Zusammenfassen die Beziehung fĂŒr die Verschiebung der Klötzchen-Lastpunkte

( )( )u F ax KL z, ,ϕ1 und ( )( )u F az KL z, ,ϕ1 in Form einer Reihenentwicklung formulieren:

( )( )u F a b Fx KL z stt

n

s

n

zs

tF

, ,ϕπ

ϕϕ

111

12

= ⋅ ⋅ −

==∑∑ (2.35a)

( )( )u F a a Fz KL z stt

n

s

n

zs

tF

, ,ϕπ

ϕϕ

111

12

= ⋅ ⋅ −

==∑∑ (2.35b)

Eine nichtlineare Beschreibung des Deformationsverhaltens der modellierten Geometrie konnte

durch die Entwicklung der Gleichungen 2.34 bis maximal zur 3. Ordnung in Fz und der

Page 62: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

54

7. Ordnung in ϕ und ϕ1 erhalten werden. Auf Grund des Umfangs der erhaltenen AusdrĂŒcke

können die Koeffizienten dieser Lösung hier nicht wiedergegeben werden. Die Genauigkeit der

NĂ€herung wurde durch den Vergleich mit den Ergebnissen einer nichtlinearen FE-

Modellierung mit einfachen Stabelementen beurteilt. Das Auftreten von Scherdeformationen

wurde dabei auch im FE-Modell nicht berĂŒcksichtigt.

Die Entwicklung bis zur 1. Ordnung ( n F = 1) bezĂŒglich der Lastkraft Fz entspricht einer

linearen Analyse. Ihr Vergleich zu den Ergebnissen einer linearen Modellierung mit FE-

Stabelementen hat gezeigt, daß das lineare analytische NĂ€herungsmodell ĂŒber den gesamten

RißlĂ€ngenbereich eine gute Übereinstinmmung mit weniger als 2% Abweichung zu den FE-

Resultaten liefert. In Anhang III sind die Koeffizienten ( )a h R Ft kl n mi1 / , ,α der linearen

PotenzreihennĂ€herung Gl. 2.35b fĂŒr die Verschiebung der Lastpunkte der oberen ProbenhĂ€lfte

in senkrechter Richtung u z KLoben, angegeben. Die Lösung fĂŒr den unteren Probenteil u z KL

unten, ergibt

sich durch Ersetzen von h hkl kl→ − und F Fz z→ − in Gl. 2.35b.

0,00

0,05

0,10

0,15

0,20

0,25

0,30

0 10 20 30 40 50 60 70 80

Winkelposition der Rißspitze ϕϕϕϕ1 [°]

1.Ordnung in Fz, 9. Ordnung in ϕ1

2.Ordnung in Fz, 9. Ordnung in ϕ1

3.Ordnung in Fz, 7. Ordnung in ϕ1

obere ProbenhÀlfte

uz,KL

a

Abb. 2.20 Maximale Deformation u az KL, / , fĂŒr welche der relative Fehler der analytischen

NĂ€herung fĂŒr die Verschiebung u z KL, 10% gegenĂŒber der nichtlinearen FE-

NĂ€herung nicht ĂŒbersteigt. ( h mmkl = 9 , l mmkl = 20 , R mm= 52 5. , H mm= 5 , E GPax = 50 )

In Abb. 2.20 ist demonstriert, daß die nichtlineare analytische NĂ€herungslösung eine wesentlich

erweiterte GĂŒltigkeit gegenĂŒber dem linearen Modell bei der Beschreibung des

Deformationsverhaltens aufweist. Der Fehler in der Wiedergabe der z-Verschiebung der

Klötzchenpunkte ĂŒbersteigt auch bei einer mittelstarken Deformation u az KL, / ,≀ 0 15 die 10%-

Grenze nicht.

Page 63: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

55

Die Genauigkeit der NÀherung nimmt mit Verringerung der Klötzchenabmessungen (hkl und

lkl) stark zu.

Mit

( ) ( )( ) ( )( )ÎŽ ϕ ϕF a u F a u F az z KLoben

z z KLunten

z, , ,, ,= −1 1 (2.36)

und Gl. 2.26 fĂŒr ( )ϕ1 a stehen damit alle Beziehungen zur VerfĂŒgung, die zur Berechnung einer

analytischen NĂ€herung der linearen Energiefreisetzungsrate fĂŒr die CDCB-Probe entsprechend

Gl. 2.5 benötigt werden.

Im Ergebnis der analytischen Modellierung tritt die Lastkraft Fz in allen Potenzen der

Reihenentwicklung immer nur in einem Quotienten ( F Fz n/ ) gemeinsam mit bestimmten

Parametern des Modells auf, die in einer Konstante Fn mit der Dimension einer Kraft

zusammengefaßt werden können:

FE I

Rn

x y=⋅2

(2.37).

Der Zusammenhang zwischen Verschiebungen ui und Kraft Fz lĂ€ĂŸt sich in der

Reihenentwicklung in einer normierten Form mit einer verringerten Anzahl von unabhÀngigen

Parametern darstellen („Dimensionsanalyse“ [16]):

( )u u F a R l h E Iu

a

u

a

F

F

a

R

l

R

h

Ri i z kl kl z yi i z

n

kl kl= → =

, , , , , , ,... , , , ,... (2.38).

In dieser Gestalt werden viele prinzipielle ZusammenhĂ€nge zwischen den EinflußgrĂ¶ĂŸen besser

erkennbar. So liefert z.B. die Möglichkeit der Normierung ĂŒber den Parameter Fn entsprechend

Gl. 2.37 die Erkenntnis, daß weder der LĂ€ngsmodul der Probe Ex noch das

FlÀchentrÀgheitsmoment Iy das Deformationsverhalten der CDCB-Probe unabhÀngig

beeinflußen, sondern dieses nur durch deren gemeinsames Produkt bestimmt wird. Durch

derartige Betrachtungen lĂ€ĂŸt sich einschĂ€tzen, ob Proben mit eigentlich unterschiedlichen

Eigenschaften (Dicke, Breite, KrĂŒmmungsradius, Steifigkeit,...) unter UmstĂ€nden

vergleichbares Deformationsverhalten zeigen. Dieses ist insbesondere bei der Dimensionierung

von CDCB-Experimenten von Interesse (siehe Kapitel 3.4.).

2.4.4 Verfahren nach Williams

Zur AbschÀtzung der von einer bruchmechanischen Probe bei einer bestimmten Belastung zur

VerfĂŒgung gestellten Energiefreisetzungsrate ist nicht unbedingt ein vollstĂ€ndiges

Deformationsmodell der Struktur erforderlich. In vielen Geometrien Àndern sich die lokalen

Rißspitzenfelder und die in dieser Zone auftretende Energie wĂ€hrend der Rißausbreitung kaum.

Page 64: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

56

FĂŒr die Delamination in streifenförmigen Probekörpern trifft dies zu, wenn die Rißspitze sich

nicht in unmittelbarer NÀhe eines Probenendes oder einer anderen geometrischen Störung

(Lastklötzchen) befindet und der Riß sich parallel zur ProbenoberflĂ€che ausbreitet. Der

ĂŒberwiegende Teil der Energiefreisetzungsrate entsteht dann aus der Änderung der elastischen

Energie infolge des Hinzukommens eines neuen TeilstĂŒckes +da zum delaminierten und dem

entsprechenden Verschwinden eines TeilstĂŒckes -da aus dem nichtdelaminierten Bereich der

Probe. Unter der Voraussetzung, daß die lokalen Gegebenheiten an der Rißspitze sich nur

wenig Ă€ndern, können die TeilstĂŒcke gewissermaßen in einem Bereich mit homogenen

Deformationen hinzugefĂŒgt bzw. abgezogen werden, fĂŒr den sich die EnergieĂ€nderungen aus

der makroskopischen Belastung einfach abschÀtzen lassen.

Ein allgemeines Verfahren auf dieser Grundlage ist bei WILLIAMS [97] ausfĂŒhrlich

dargestellt. Darin wird zwischen EnergieĂ€nderungen in den TeilstĂŒcken unterschieden, die sich

aus unterschiedlichen Belastungsformen der Probe an der Rißspitze ergeben

a) Anteil aus den DehnkrÀften F1 und F2 in ProbenlÀngsrichtung, die auf obere (Index 1) und

untere (Index 2) delaminierte ProbenhÀlfte wirken. Dieser Anteil liefert nur einen Beitrag zur

Mode-II-Belastung der Rißspitze.

G IP = 0 (2.39a)

( )

GE B

F

h

F

h

F F

HIIP

x

=⋅ ⋅

⋅ + −+

1

2 212

1

22

2

1 2

2

(2.39b)

(h1, h2 ... Dicke der oberen bzw. unteren delaminierte ProbenhÀlfte, H h h= +1 2 )

b) Anteil aus den Biegemomenten M1 und M2, die auf die obere und untere ProbenhÀlfte im

Rißspitzenbereich ausgeĂŒbt werden. Diese Momente können sowohl zur Mode-I- als auch zur

Mode-II-Belastung beitragen.

( )

( )G

E B

h M h M

h h h hIM

x

=⋅

⋅⋅ − ⋅

⋅ ⋅ +

62

13

2 23

1

2

13

23

13

23

(2.40a)

( )

( )G

E B H

h h M M

h h hIIM

x

=⋅ ⋅

⋅⋅ ⋅ +

+

182 2

2 13

1 2

2

12

13

23

(2.40b)

c) Anteil infolge von Scherdeformationen in der Biegeebene. Ihr Einfluß bleibt auf die Mode-I-

Belastung beschrÀnkt.

GG B h

dM

da h

dM

da H

dM

da

dM

daIS

xz

=⋅ ⋅

⋅ ⋅

+ ⋅

− +

3

5

1 1 12

1

1

2

2

2

2

1 2

2

(2.41a)

G IIS = 0 (2.41b)

Page 65: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

57

Außermittige Rißausbreitung kann durch h h1 2≠ in obigen Gleichungen beschrieben werden.

Die KrÀfte F1 und F2 sowie die Momente M1 und M2 die auf die obere und untere ProbenhÀlfte

der CDCB-Probe wirken, lassen sich fĂŒr den Fall kleiner Deformationen leicht ermitteln

(Abb. 2.19):

KrĂ€fte: ( )F Fz1 1= ⋅cos ϕ (2.42a)

( )F Fz2 1= − ⋅cos ϕ (2.42b)

Momente: ( )M F Rz1 1= − ⋅ ⋅ cos ϕ (2.43a)

( )M F Rz2 1= ⋅ ⋅cos ϕ (243b)

Ableitungen: ( )dM

da

dM

RdFz

1 1

1

1= − = − ⋅ϕ

ϕsin (2.44a)

( )dM

da

dM

RdFz

2 2

1

1= − = ⋅ϕ

ϕsin (2.44b)

In diesen AusdrĂŒcken sind die Änderungen der Struktur mit der Deformation nicht

berĂŒcksichtigt, die Vorgehensweise entspricht daher einer linearen Analyse.

Mode I:

Mit G IP = 0 ;

( ) ( )G

F R

E B

h h

h hIM z

x

=⋅ ⋅ ⋅

⋅⋅

+

⋅

6 2 2 21

2

13

23

13

23

cos ϕ und

( )G

F

G B h hIS z

xz

=⋅ ⋅

⋅ ⋅⋅ +

3

5

1 12 2

1

21 2

sin ϕ

folgt ( ) ( ) ( )

GF R

E B h

h h

h

E

G

h

R

h

hIz

x

x

xz

=⋅ ⋅ ⋅

⋅ ⋅⋅

+

⋅+ ⋅ +

12

2 201

2 2 21

213

13

23

23

21 1

2

21

2

cos tanϕ ϕ (2.45a)

Mode II:

Mit ( )

GF

E B h hIIP z

x

=⋅

⋅ ⋅⋅ +

2 21

21 22

1 1cos ϕ; G II

M = 0 und G IIS = 0

folgt ( )

GF

E B h hIIz

x

=⋅

⋅ ⋅⋅ +

2 21

21 22

1 1cos ϕ (2.45b)

Aus Gl. 2.45a kann der Anteil der Scherdeformationen an der Energiefreisetzungsrate GI

abgeschĂ€tzt werden (Abb. 2.21). FĂŒr stark anisotrope Proben und kurze RißlĂ€ngen wird ein

beachtlicher Einfluß vorausgesagt.

Das „Mixed-Mode“-VerhĂ€ltnis G GII I/ lĂ€ĂŸt sich mittels den Gl. 2.45 ebenfalls beurteilen. Bei

VernachlÀssigung der Scherdeformationen ergibt sich folgender Zusammenhang:

Page 66: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

58

( ) ( )

( )G

G

H

RIIP

IM

=⋅

⋅− ⋅ +

+ ⋅

2

2

2 2

248

1 1

1 3

ς ς

ς (2.46)

mit ( )

ς =−h h

H1 2 und ( )ς h h1 2 0= = .

Abb. 2.21 Beitrag der Scherdefor-mationen (GS

I) am Mode-I-Anteil der Energiefrei-setzungsrate im WILLIAMS-Modell der CDCB-Probe

Da das VerhĂ€ltnis H R/ fĂŒr die CDCB-Proben im allgemeinen in der GrĂ¶ĂŸenordnung von

10% liegt, kann erwartet werden, daß der Mode-II-Anteil der Belastung verschwindend gering

ist. Auch fĂŒr außermittige Rißlage liefert die AbschĂ€tzung nach WILLIAMS keine

wesentlichen Mode-II-Anteile. An dieser Stelle muß jedoch betont werden, daß sĂ€mtliche

Gleichungen dieser NĂ€herung nur aus einer groben Verallgemeinerung des Problems stammen

und darĂŒber hinaus die Änderung der Geometrie wĂ€hrend der Deformation hier nicht

berĂŒcksichtigt wurde. Erst die FE-Analyse kann Klarheit ĂŒber die GĂŒltigkeit der Ergebnisse der

WILLIAMS-NĂ€herung verschaffen.

0,00

0,05

0,10

0,15

0,20

0,25

0,30

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90

Winkelposition Rißspitze ϕϕϕϕ1 [°]

GSI

GM

I

R = 52,5 mm; G xz = 2,5 GPa

Ex = 50 GPa; h1= 3 mm; h2= 2 mm

Ex = 50 GPa; h1= h2= 2,5 mm

Ex = 100 GPa; h1= h2= 2,5 mm

Ex = 10 GPa; h1= h2= 2,5 mm

Page 67: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

59

3. Ergebnisse der FE-Modellierung fĂŒr CDCB-Test

3.1 Einfluß von Probekörpergeometrie, Materialeigenschaften und nichtlinearer

Deformation

Aus den experimentellen Erfahrungen ist bekannt, daß beim CDCB-Test starke Deformationen

auftreten ([20], [72]). Eine der wesentlichsten Fragestellungen an die FE-Modellierung dieser

Probe betrifft daher die Auswirkungen nichtlinearer Deformation auf die Bestimmung der

Steifigkeit und der Energiefreisetzungsrate. In Abb. 3.1 und 3.2 sind die Ergebnisse von

nichtlinearer und linearer FE-Analyse fĂŒr den Kraft-Verschiebungs-Zusammenhang und die

Energiefreisetzungsrate einer Probe fĂŒr verschiedene RißlĂ€ngen miteinander verglichen.

Abb. 3.1 Vergleich zwischen Ergebnissen der nichtlinearen und linearen FE-Modellierung fĂŒr Kraft-Verschiebungs-Zusammenhang bei konstanter RißlĂ€nge ( E GPax = 50 ;

G GPaxz = 2 5, ;

E GPaz = 5 ; H mm= 5 ,

B mm= 10 )

Abb. 3.2 Vergleich der Ergebnisse der nichtlinearen und linearen FE-Modellierung fĂŒr AbhĂ€ngigkeit der Energiefreisetzungsrate von normierter RiĂŸĂ¶ffnung bei konstanter RißlĂ€nge ( E GPax = 50 ;

G GPaxz = 2 5, ;

E GPaz = 5 ; H mm= 5 ,

B mm= 10 )

Bei kurzen RißlĂ€ngen ergeben sich besonders große Unterschiede, die im Beispiel bis zu 50%

erreichen. FĂŒr lange RißlĂ€ngen bleibt der relative Fehler auf ca. 10% beschrĂ€nkt. Diese

0

500

1000

1500

2000

2500

0,0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5Normierte RiĂŸĂ¶ffnung ÎŽÎŽÎŽÎŽ/a

P(ÎŽÎŽÎŽÎŽ/a)

[N]

nichtlinear FEa= 30 mm

linear FE

a= 70 mm nichtlinear FE

linear FE

0

50

100

150

200

250

0,0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5Normierte RiĂŸĂ¶ffnung ÎŽÎŽÎŽÎŽ/a

G(ÎŽÎŽÎŽÎŽ/a)[kJ/m

2]

nichtlinear FEa= 30 mm

linear FE

a= 70 mm nichtlinear FE

linear FE

Page 68: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

60

Tendenz lĂ€ĂŸt sich dadurch erklĂ€ren, daß die Klötzchen infolge ihrer versteifenden Wirkung und

ihrer Drehung die wesentliche Quelle des nichtlinearen Verhaltens der CDCB-Probe sind. In

der Relation zur RißlĂ€nge wirken sich die endlichen Klötzchenabmessungen fĂŒr kurze

RißlĂ€ngen in einer viel stĂ€rkeren NichtlinearitĂ€t der Deformation aus.

Abb. 3.3 Lastkraft P (bezogen auf Klebe-flĂ€che der Klötzchen A Klotz) aus nichtlinearer FE-Modellierung in AbhĂ€ngigkeit von RißlĂ€nge a und normierter RiĂŸĂ¶ffnung ÎŽ / a ( E GPax = 50 ; E GPaz = 5 ;

G GPaxz = 2 5, ; H mm= 5 ;

B mm= 10 ; A mmKlotz = 200 2 )

Abb. 3.4 Energiefreisetzungsrate ( )G anl ÎŽ,

aus nichtlinearer FE-Modellierung in AbhĂ€ngigkeit von RißlĂ€nge a und normierter RiĂŸĂ¶ffnung ÎŽ / a ( E GPax = 50 ; E GPaz = 5 ;

G GPaxz = 2 5, ; H mm= 5 )

Andererseits erfolgt der Anstieg von Lastkraft und Energiefreisetzungsrate fĂŒr ein System mit

kurzer RißlĂ€nge viel steiler. Eine Darstellung dieser GrĂ¶ĂŸen ĂŒber der FlĂ€che aus RißlĂ€nge a und

der relativen RiĂŸĂ¶ffnung ÎŽ / a (Abb. 3.3, 3.4) macht das besonders deutlich. Die zur

30 40 50 60 70

ÎŽÎŽÎŽÎŽ/a

RißlĂ€nge a [mm]

0,1

0,2

0,3

0,5

0,75

2 1,5

1

0,5

0,25

P/A Klotz [N/mm2]

0,4

30 40 50 60 70

ÎŽÎŽÎŽÎŽ/a

RißlĂ€nge a [mm]

0,1

0,2

0,3

0,5

1

2

3

4

5

10

20 G nl [kJ/m2]

0,4

Page 69: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

61

Ausbreitung des Risses benötigte kritische Energiefreisetzungsrate wird bei wesentlich

geringeren relativen Deformationen ÎŽ / a erreicht als fĂŒr das System mit großer RißlĂ€nge.

Dieser Effekt kompensiert die verstĂ€rkte NichtlinearitĂ€t fĂŒr kleine RißlĂ€ngen (Abb. 3.5), so daß

die Rißausbreitung im Bereich zwischen kurzer und langer RißlĂ€nge unter nahezu konstantem

Anteil von NichtlinearitĂ€t G Gnlln / verlĂ€uft. Dies ist in Abb. 3.6 fĂŒr die Annahme einer

(wĂ€hrend der Rißausbreitung konstanten) kritischen Energiefreisetzungsrate G kJ mc = 2 2/

demonstriert.

Abb. 3.5 VerhĂ€ltnis zwischen Ergebnis der linearen und der nichtlinearen FE-Analyse fĂŒr Energie-freisetzungsrate G Glin nl/

in AbhĂ€ngigkeit von RißlĂ€nge a und normierter RiĂŸĂ¶ffnung ÎŽ / a . ( E GPax = 50 ;

E GPaz = 5 ;

G GPaxz = 2 5, ;

H mm= 5 )

Abb. 3.6 Auswirkung der Nicht-linearitĂ€t auf Energie-freisetzungsrate wĂ€hrend der Rißausbreitung

(G konst kJ mc = = 2 2/ )

fĂŒr verschieden steife Proben und unterschied-liche Klötzchenhöhen.

Experimentell beobachtete Werte der DelaminationszÀhigkeit liegen bei faserverstÀrkten Ther-

moplastwerkstoffen im Mittel zwischen 1 4 2− kJ m/ [20]. Innerhalb dieses Bereichs

unterscheiden sich die Ergebnisse des linearen und nichtlinearen Deformationsmodells um

weniger als 15%. FĂŒr sehr nachgiebige Proben (dĂŒnnes Material, geringer LĂ€ngsmodul) sind die

0,05

0,10

0,15

0,20

0,25

0,30

0,35

0,40

0,45

0,50

30 40 50 60 70

0,95-1,00

0,90-0,95

0,85-0,90

0,80-0,85

0,75-0,80

0,70-0,75

0,65-0,70

0,60-0,65

0,55-0,60

RißlĂ€nge a [mm]

Normierte

RiĂŸĂ¶ffnung

ÎŽÎŽÎŽÎŽ/a

G lin,FEM

G nl,FEM

0,80

0,85

0,90

0,95

1,00

30 40 50 60 70RißlĂ€nge a [mm]

Gln, FEM

Gnl, FEM

Ex = 10 GPa; h kl = 9 mm

Ex = 50 GPa; h kl= 9 mm

Ex = 50 GPa; h kl= 20 mm

G c= 2 kJ/m2

Page 70: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

62

Abweichungen ausgeprĂ€gter, da sie sehr hohe relative Deformationen fĂŒr das Zustandekommen

von Rißausbreitung erfordern (Abb. 3.7). Insgesamt ist der Einfluß von nichtlinearer

Deformation auf die Bestimmung der kritischen Energiefreisetzungsrate geringer als erwartet.

Abb. 3.7 Energiefreisetzungsrate ( )G anl ÎŽ,

aus nichtlinearer FE-Modellierung in AbhĂ€ngigkeit von RißlĂ€nge a und normierter RiĂŸĂ¶ffnung ÎŽ / a ( E GPax = 10 ; E GPaz = 5 ;

G GPaxz = 2 5, ; H mm= 5 )

Abb. 3.8 Energiefreisetzungsrate ( )G anl ÎŽ,

aus nichtlinearer FE-Modellierung in AbhĂ€ngigkeit von RißlĂ€nge a und normierter RiĂŸĂ¶ffnung ÎŽ / a ( E GPax = 90 ; E GPaz = 5 ;

G GPaxz = 2 5, ; H mm= 5 ).

Die Materialsteifigkeit, die wesentlich durch den E-Modul in Faserrichtung Ex und die Dicke

der Proben H bestimmt wird, ist die dominierende EinflußgrĂ¶ĂŸe. Ihre Wirkung auf die

Energiefreisetzungsrate ist aus dem Vergleich der Abb. 3.4, 3.7. und 3.8 zu erkennen, zwischen

denen der LĂ€ngsmodul Ex der Proben variiert wurde. FĂŒr steife Proben und kurze RißlĂ€ngen

30 40 50 60 70

ÎŽÎŽÎŽÎŽ/a

RißlĂ€nge a [mm]

0,1

0,2

0,3

0,5

1

2

3

51020 G nl [kJ/m2]

0,4

30 40 50 60 70

ÎŽÎŽÎŽÎŽ/a

RißlĂ€nge a [mm]

0,1

0,2

0,3

2

3

0,5

1

4

5

10

20

G nl [kJ/m2]

0,4

Page 71: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

63

tritt ein sehr starker Anstieg von Energiefreisetzungsrate und Lastkraft P schon fĂŒr sehr geringe

RiĂŸĂ¶ffnungen ÎŽ / a auf.

In Abb. 3.9 ist der Verlauf der Last-Verschiebungs-Kurven ( )( )P aÎŽ wĂ€hrend stabiler Rißaus-

breitung fĂŒr verschieden steife Proben dargestellt, der sich aus dem nichtlinearen FE-Modell

unter Annahme einer konstanten, kritischen Energiefreisetzungsrate G kJ mc = 2 2/ ergibt.

Abb. 3.9 Kraft-Verschiebungs-Kurve fĂŒr stabile Rißausbreitung

bei G konst kJ mc = = 2 2/

aus den nichtlinearen FE-Modellen verschieden steifer Proben. Die Last-kraft ist auf die KlebeflÀche der Klötzchen

A mmKlotz ≈ 200 2

( B mm= 10 ) normiert. Der

Abstand der Punkte in den Kurven entspricht 5 mm -

Schritten in der RißlĂ€nge a.

Die zur Rißausbreitung erforderliche Kraft P muß ĂŒber die Klebeverbindung der Klötzchen in

die Probe eingeleitet werden. Diese kann jedoch nur einer endlichen FlÀchenlast P AKlebe/

widerstehen, deren Grenze erfahrungsgemĂ€ĂŸ bei 0 3 0 5 2, , /− N mm erreicht ist [93]. Diese

Werte werden fĂŒr steife Proben und kurze RißlĂ€ngen schon weit vor Erreichen des Beginns der

Rißausbreitung ĂŒberschritten (Abb. 3.9) was zum Abriß der Klötzchen fĂŒhrt. Dem kann nur

ĂŒber Herabsetzung der Steifigkeit durch entsprechend geringe Probendicke und durch Vorgabe

einer ausreichend großen AnfangsrißlĂ€nge a0 entgegengesteuert werden. Andererseits wird fĂŒr

sehr nachgiebige Proben und große RißlĂ€ngen die zur Rißausbreitung benötigte kritische

Energiefreisetzungsrate auch fĂŒr sehr starke Deformationen ÎŽ / ,a ≈ 0 5 unter UmstĂ€nden nicht

mehr erreicht. Daher ist in der Wahl der Steifigkeit ein Kompromiß bei der Vorbereitung der

Proben zu treffen (Kap. 3.4).

Neben den reinen Dehndeformationen, die durch den E-Modul in LĂ€ngsrichtung der Proben

bestimmt sind, treten auch Scherdeformationen in der Biegeebene auf, die insbesondere durch

die Materialeigenschaften in Dickenrichtung der Probe (Ez und Gxz) kontrolliert werden. Ihre

Variation (Abb. 3.10) offenbart einen betrĂ€chtlichen Einfluß der Scherdeformationen auf G

besonders fĂŒr kurze RißlĂ€ngen. Er ist nahezu unabhĂ€ngig von der aktuellen RiĂŸĂ¶ffnung ÎŽ / a .

0,0

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

1,2

0 5 10 15 20 25 30RiĂŸĂ¶ffnung ÎŽÎŽÎŽÎŽ [mm]

P

A Klotz

[N/mm2]

G c = konst = 2 kJ/m2

E x = 10 GPa; H= 5 mm

E x = 50 GPa; H= 5 mm

E x = 90 GPa; H= 5 mm

E x =100 GPa; H= 2,3 mm

a= 30 mm

a= 70 mm

Page 72: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

64

Abb. 3.10 Einfluß der Materialeigen-schaften in Dickenrichtung auf Energiefreisetzungsrate G(a). Bezug ist eine Probe mit folgenden Eigenschaften: E GPax = 50

E GPaz = 5 ;

G GPaxz = 2 5, .

3.2 ’Mixed-Mode’-Beanspruchung

Ein weiteres wichtiges Anliegen der FE-Modellierung bestand in der AbschÀtzung der infolge

der unsymmetrischen Geomtrie der CDCB-Probe auftretenden Mode-II-Anteile. welche die

Interpretation der ermittelten Energiefreisetzungsrate als Mode-I-Wert der Delaminations-

zÀhigkeit GIc beeintrÀchtigen.

FĂŒr jede der untersuchten Parametervarianten wurden ĂŒber den gesamten RißlĂ€ngen- und

Deformationsbereich die SpannungsintensitÀtsfaktoren KI und KII entsprechend der in

Kap. 2.4.2.2. dargestellten Methode ermittelt. Auf Grund der großen Datenmengen wurde die

Extrapolation der Werte aus den FE-Ergebnissen fĂŒr die Rißspitzenfelder automatisch durch

Makros durchgefĂŒhrt. Die Grenzen fĂŒr die Auswahl der zur Extrapolation herangezogenen

Knoten wurden einheitlich festgelegt, auf eine Optimierung fĂŒr jede einzelne Extrapolation

wurde verzichtet. ZunÀchst soll nur entschieden werden, ob wesentliche Anteile an Mode-II-

Belastung ĂŒberhaupt auftreten. Grundlage dafĂŒr bildet das VerhĂ€ltnis der

SpannungsintensitĂ€tsfaktoren K KII I/ . Dieses erwies sich fĂŒr alle Proben als weitgehend

unabhĂ€ngig von der aktuellen RißlĂ€nge a und Deformation ÎŽ . Auch zwischen linearer und

nichtlinearer Analyse gab es keine nennenswerten Unterschiede. In Tabelle 3.1 sind daher nur

die erhaltenen Maximalwerte des VerhĂ€ltnisses fĂŒr verschiedene Proben aufgefĂŒhrt.

0,7

0,8

0,9

1,0

1,1

1,2

1,3

0 10 20 30 40 50 60 70RißlĂ€nge a [mm]

Gvariiert

GBezug

Ex = 50 GPa

Gxz = 5 GPa; Ez = 10 GPa, ÎŽ/a = 0,5Gxz = 5 GPa; Ez = 10 GPa, ÎŽ/a = 0,05Gxz = 1,25 GPa; Ez = 5 GPa, ÎŽ/a = 0,05Gxz = 1,25 GPa; Ez = 5 GPa, ÎŽ/a = 0,5

Page 73: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

65

Tabelle 3.1

Materialeigenschaften Geometrische Eigenschaften KII/KI GII/GI

E GPax = 50 ;

G GPaxz = 2 5, ; E GPaz = 5

h h mm1 2 2 5= = , ;

h mmkl = 9

6,0% 0,11%

E GPax =100 ;

G GPaxz = 2 5, ; E GPaz = 5

h h mm1 2 2 5= = , ;

h mmkl = 9

6,3% 0,09%

E GPax =10 ;

G GPaxz = 2 5, ; E GPaz = 5

h h mm1 2 2 5= = , ;

h mmkl = 9

4,3% 0,13%

E GPax = 50 ;

G GPaxz = 5 ; E GPaz =10

h h mm1 2 2 5= = , ;

h mmkl = 9

5,3% 0,13%

E GPax = 50 ;

G GPaxz = 2 5, ; E GPaz = 5

h h mm1 2 2 5= = , ;

h mmkl = 20

8,1% 0,21%

E GPax = 50 ;

G GPaxz = 2 5, ; E GPaz = 5

h mm1 3= ; h mm2 2= ;

h mmkl = 9

-44,4% 6,12%

FĂŒr sĂ€mtliche Parameterkombinationen von Probekörpern mit Rißausbreitung in der

Mittelebene ( h h1 2= ) ergab sich ein gegenĂŒber Mode I praktisch vernachlĂ€ssigbarer Mode-II-

Anteil der SpannungsintensitÀtsfaktoren von unter 10%.

FĂŒr die Probe, bei welcher die Rißausbreitung um 0,5 mm zur Probenmittelebene versetzt

angenommen wurde, lieferte das FE-Modell jedoch einen sehr starken Mode-II-Anteil von 44%

bezogen auf K I . Da es bei der praktischen Probengestaltung sehr schwierig ist, den Anfangsriß

genau in der Mittelebene zu plazieren und wĂ€hrend der Ausbreitung auch dort zu halten, muß

von einer ausgeprĂ€gten ‘Mixed-Mode’-Belastung bei der DurchfĂŒhrung der CDCB-Tests

ausgegangen werden. Die IntensitĂ€t des Mode-II-Anteils wird fast ausschließlich durch die

Abweichung des Risses von der Mittelebene bestimmt. Problematisch ist dessen

Empfindlichkeit gegenĂŒber bereits geringen Verlagerungen der Rißebene. Die ‘Mixed-Mode’-

Situation wird sich daher von Probe zu Probe stark unterscheiden und kann sich auch wÀhrend

der DurchfĂŒhrung eines Tests mit der Rißausbreitung Ă€ndern. Die Angabe eines einheitlichen

Wertes fĂŒr einen Versuch ist dadurch kaum möglich.

Das analytische Modell nach WILLIAMS [97] (siehe Kap. 2.44) ist nicht geeignet, die

AbhĂ€ngigkeit des Mode-II-Anteils von der Lage der Rißebene zu beschreiben. Es ergeben sich

fĂŒr außermittige Rißausbreitung ( )ς = −h h H1 2 / nur sehr geringe Änderungen von

[ ]( )G GII I/ ς (Gl 2.46). Zur AbschĂ€tzung des VerhĂ€ltnisses fĂŒr eine konkrete Probe muß daher

die FE-Analyse bemĂŒht werden.

Page 74: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

66

Es kann davon ausgegangen werden, daß der Effekt nicht nur auf die CDCB-Konfiguration

beschrĂ€nkt ist, sondern auch z.B. beim DCB-Test ein unsymmetrisches Rißwachstum das

Auftreten von signifikanten ‘Mixed-Mode’-Belastungen verursacht.

3.3 GĂŒltigkeit analytischer und empirischer Modelle

Die Nutzung des Finite-Elemente-Modells zur Auswertung der experimentellen Ergebnisse von

einzelnen CDCB-Tests ist prinzipiell möglich, jedoch unter praktischen Gesichtspunkten sehr

aufwendig. DafĂŒr sind analytische oder empirische Modelle im allgemeinen effektiver einsetz-

bar. Wegen den in ihnen enthaltenen Vereinfachungen oder Hypothesen liefern sie jedoch mehr

oder weniger stark fehlerbelastete Ergebnisse. FĂŒr jedes dieser Verfahren gibt es bestimmte

Grenzen in der Probengeometrie, den Materialeigenschaften und der Belastung, außerhalb derer

die Abweichungen von der RealitĂ€t nicht mehr tolerierbar sind. Diese Grenzen fĂŒr die einzelnen

Modelle zu bestimmen, eventuelle Korrekturmöglichkeiten zu entwickeln und das einer

konkreten Situation am besten angepaßte Modell zu ermitteln, wird als eine der wesentlichen

Aufgaben der FE-Modellierung angesehen.

Abb. 3.11 Vergleich der Energiefrei-setzungsrate nach der Methode von WILLIAMS mit den Ergebnissen der linearen FE-Analyse fĂŒr verschieden steife CDCB-Proben ( R mm= 52 5, ).

Das einfachste analytische Modell fĂŒr die Bestimmung der Energiefreisetzungsrate der CDCB-

Probe kann aus der Methode nach WILLIAMS [97] abgeleitet werden (Gl. 2.45). Seine

Umsetzung in dieser Arbeit basiert auf einer linearen Analyse der Deformation. Daher wird es

zunÀchst auch nur mit den Ergebnissen der linearen FE-Analyse verglichen (Abb. 3.11). Der

Vergleich offenbart, daß die WILLIAMS-NĂ€herung nur eine sehr grobe SchĂ€tzung der

Energiefreisetzungsrate liefert. Insbesondere fĂŒr kurze RißlĂ€ngen und steife Proben ist bereits

die Abweichung zum linearen Modell kaum akzeptabel. Auf eine Wiedergabe des Vergleichs

mit dem nichtlinearen Modell wurde wegen des sich dann noch verstÀrkenden Fehlers

0,70

0,75

0,80

0,85

0,90

0,95

1,00

1,05

30 40 50 60 70RißlĂ€nge a [mm]

GWILLIAMS

Gln, FEM

Ex = 50 GPa

Ex = 10 GPa

Ex = 100 GPa

Gxz = 2,5 GPa

H = 5 mm

Page 75: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

67

verzichtet. Auch fĂŒr die AbschĂ€tzung des Mode-II-Anteils der Belastung kann das WILLIAMS-

Modell bestenfalls eine qualitative Antwort geben (siehe Kapitel 3.2).

Eine Alternative bietet das in Kapitel 2.43 vorgestellte Stabmodell der CDCB-Probe. Es ist

jedoch BeschrÀnkungen in zweierlei Hinsicht unterworfen:

a) Die mathematischen AusdrĂŒcke zu seiner Formulierung sind sehr umfangreich. Das

nichtlineare Ergebnis ist fĂŒr eine praktische Auswertung kaum zu handhaben.

b) Der Einfluß von Scherdeformation kann wegen der zugrundegelegten, einfachen

Balkentheorie nicht berĂŒcksichtigt werden.

Ein Vergleich der Deformationen mit dem linearen FE-Modell erbrachte fĂŒr kurze RißlĂ€ngen

und stark anisotrope Proben große Abweichungen bis zu 30%. Diese sind ein Resultat der

vernachlĂ€ssigten Scherdeformationen: fĂŒr schersteife Materialeigenschaften ( G Exz x≈ ) ergab

sich eine gute Übereinstimmung auch fĂŒr kurze RißlĂ€ngen.

Eine Berechnung der Energiefreisetzungsrate allein ĂŒber das lineare Deformationsmodell

( )ÎŽ P a, aus der Lastkraft P und der momentanen RißlĂ€nge a entsprechend Gl. 2.3:

( ) ( )G P a

P

B

P a

aP const

,,

= ⋅=

2

∂ή

∂

lĂ€ĂŸt wegen dieser UnzulĂ€nglichkeiten von vornherein nur eine geringe Genauigkeit erwarten.

Allerdings steht die Information ĂŒber die erfolgte Deformation ( )ÎŽ P a, bereits aus dem

Experiment zur VerfĂŒgung. In der linearen Definition von G entsprechend Gl. 2.5:

GP

B C

dC

da= ⋅

ÎŽ2

1

können fĂŒr ( )P a und ( )ÎŽ a die tatsĂ€chlich gemessenen (nichtlinearen) Werte verwendet werden.

Benutzt man das Ergebnis des linearen Deformationsmodells nur fĂŒr die AbhĂ€ngigkeit der

Nachgiebigkeit ( )C a (bzw. ( )C a' ) von der RißlĂ€nge, so entspricht dies einer halbempirischen

Bestimmung der Energiefreisetzungsrate. Wird als Deformationsmodell fĂŒr die Nachgiebigkeit

( )C a z.B. das lineare FE-Modell verwendet, P und ÎŽ jedoch aus den Ergebnissen der

nichtlinearen FE-Modellierung (als „Ersatz-RealitĂ€t“) entnommen, so liefert das

halbempirische Verfahren (Abb. 3.12) fĂŒr stark nichtlineare Deformation deutlich genauere

Ergebnisse als das reine, linear elastische Deformationsmodell (Abb. 3.5). Da das Ergebnis des

Deformationsmodells fĂŒr die Nachgiebigkeit ( )C a im Quotienten von Gl. 2.5 in ZĂ€hler und

Nenner in gleichem Maße eingeht, hebt sich ein Teil des Fehlers auf. Eine halbempirische

Ergebnisauswertung vermag UnzulÀnglichkeiten des Deformationsmodells durch verstÀrkte

Nutzung experimenteller Information teilweise zu beheben.

Page 76: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

68

Abb. 3.12 Vergleich des halbem-pirischen Verfahrens zur Bestimmung von G aus den Ergebnissen der linearen Analyse

G lin FEMhalbempirisch

, mit den

Resultaten der nicht-linearen FE-Analyse G nl FEM, .

( E GPax = 50 ;

E GPaz = 5 ;

G GPaxz = 2 5, ;

H mm= 5 )

Die Anwendung des halbempirischen Verfahrens auf das lineare Stabmodell entsprechend

Kap. 2.4.3 der CDCB-Probe ist in Abb. 3.13 dargestellt. Zwar ergeben sich damit im Bereich

kurzer RißlĂ€ngen infolge der Scherdeformationen stark abweichende Werte fĂŒr die Energie-

freisetzungsrate gegenĂŒber den Ergebnissen der nichtlinearen FE-Modellierung. Beginnend im

Bereich mittlerer RißlĂ€ngen a mm≄ 45 bleibt der Fehler jedoch unterhalb 15%, auch fĂŒr starke

Deformationen. Diese Unsicherheit ist angesichts der ĂŒbrigen experimentellen Störfaktoren

(ungleichmĂ€ĂŸige Rißausbreitung, FaserbrĂŒcken) fĂŒr den CDCB-Test noch akzeptabel.

Abb. 3.13 Vergleich der Ergebnisse fĂŒr G des halbempirischen, analytischen Stabmodells

(G lin analytischhalbempirisch

, ) mit den

Resultaten der nicht-linearen FE-Analyse G nl FEM, .

( E GPax = 50 ;

E GPaz = 5 ;

G GPaxz = 2 5, ;

H mm= 5 )

Bei Vorliegen stabiler Rißausbreitung, d.h. stetiger Meßkurven ( )( )P aή , ist auch die Änderung

der Compliance mit der RißlĂ€nge dC da/ aus den experimentellen Ergebnissen ĂŒber

0,05

0,10

0,15

0,20

0,25

0,30

0,35

0,40

0,45

0,50

30 40 50 60 70

0,98-1,00

0,96-0,98

0,94-0,96

0,92-0,94

0,90-0,92

0,88-0,90

0,86-0,88

RißlĂ€nge a [mm]

Normierte

RiĂŸĂ¶ffnung

ÎŽÎŽÎŽÎŽ/a

G lin,FEM

G nl,FEM

halbempirisch

0,05

0,10

0,15

0,20

0,25

0,30

0,35

0,40

0,45

0,50

30 40 50 60 70

1,30-1,35

1,25-1,30

1,20-1,25

1,15-1,20

1,10-1,15

1,05-1,10

1,00-1,05

RißlĂ€nge a [mm]

Normierte

RiĂŸĂ¶ffnung

ÎŽÎŽÎŽÎŽ/a

G lin,analytisch

G nl,FEM

halbempirisch

Page 77: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

69

( ) ( ) ( )C a a P a= ÎŽ / direkt zu ermitteln. Mit Kenntnis dieses Zusammenhangs aus dem

Experiment ist ĂŒberhaupt kein Deformationsmodell zur Berechnung der Energiefreisetzungsrate

entsprechend Gl. 2.5 mehr notwendig. Zur DurchfĂŒhrung der Ableitung kann die experimentell

ermittelte AbhÀngigkeit ( )C a durch eine Approximationsfunktion angenÀhert werden. Diese

Vorgehensweise ermöglicht eine rein empirische Bestimmung der Energiefreisetzungsrate.

Die Definition der Energiefreisetzungsrate gemĂ€ĂŸ Gl. 2.5 ist nur fĂŒr lineare bzw. kleine

Deformation gĂŒltig. Im Falle der CDCB-Probe werden jedoch in der Praxis starke Biegungen

beobachtet, die eine Anwendung von Gl. 2.23 zur Berechnung von G erfordern. Wegen der

darin durchzufĂŒhrenden Integration reicht die Kenntnis der experimentellen Versagenskurve

( )( )P aή der Rißausbreitung zur Berechnung von G allein nicht aus. Wird die lineare Definition

Gl. 2.5 dennoch verwendet, so ist bei stark nichtlinearem Deformationsverhalten die

ZuverlĂ€ssigkeit der damit ermittelten Werte der Energiefreisetzungsrate ungewiß.

In Abb. 3.14 ist die experimentelle Situation an Hand der Ergebnisse der nichtlinearen FE-

Modellierung nachgestellt. Unter Annahme einer konstanten kritischen Energiefreisetzungsrate

G kJ mc = 2 2/ wurde der Kraft-Verschiebungs-Zusammenhang fĂŒr die stabile Rißausbreitung

als Äquivalent des experimentellen Ergebnisses berechnet und daraus die AbhĂ€ngigkeit der

Compliance ( )( ) ( ) ( )C a a a P a, /ÎŽ ÎŽ= von der RißlĂ€nge ermittelt. Der erhaltene Zusammenhang

ist monoton fallend und kann durch eine potentielle AbhÀngigkeit approximiert werden:

( )C a c al ckl= ⋅ −

1

2

2 (3.1).

Dieser Zusammenhang entspricht dem hÀufig verwendeten Ansatz nach BERRY [91] und

wurde auch schon zur Analyse von CDCB-Tests eingesetzt [20].

Abb. 3.14 Änderung der Compliance

( )C a mit der RißlĂ€nge,

die bei stabiler Rißausbreitung mit Gc = konstant aus den

Ergebnissen der nichtlinearen FE-Modellierung (Punkte) folgt. Die Linien demonstrieren die GĂŒte der Anpassung der Approximationsfunktion nach BERRY.

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

30 40 50 60 70RißlĂ€nge a [mm]

C(a)

Ex = 50 GPa

Gc= 1 kJ/m2

Ex = 50 GPa

Gc= 20 kJ/m2

Ex = 10 GPa

Gc= 10 kJ/m2

Approximationsfunktion

C(a)=c1*(a-lkl/2)c2

[mm/N]

Page 78: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

70

Das Ergebnis der Anwendung der rein empirischen Methode (Gl. 2.5) ist in Abb. 3.15 fĂŒr

verschieden steife Systeme und unterschiedliche kritische Energiefreisetzungsraten Gc

demonstriert. Die Darstellung erfolgt normiert auf den vorgegeben Wert fĂŒr Gc und ist damit

direkt ein Maß fĂŒr die Abweichung der empirischen Methode. Diese reproduziert den

Vorgabewert Gc ĂŒber den gesamten RißlĂ€ngenbereich und auch fĂŒr starke Deformation (große

Gc) mit einer Genauigkeit besser als 5-10%.

Abb. 3.15 Vergleich der mit der empirischen Methode (BERRY-Ansatzfunktion) aus dem nichtlinearen FE-Modell (Abb. 3.14) ermittelten Energiefrei-setzungsrate (GBERRY ) mit

dem Vorgabewert Gc .

Das rein empirische Verfahren liefert also trotz seiner linearen Basis die Werte der Energie-

freisetzungsrate auch bei stark nichtlinearer Deformation mit einer sehr guten Genauigkeit. Es

erscheint zur experimentellen Auswertung am besten geeignet. Allerdings ist es an eine stabile

Ausbreitung des Delaminationsrisses gebunden.

Bei instabiler Rißausbreitung oder ‘Slip-Stick’-Verhalten ist die Verwendung eines Defor-

mationsmodells fĂŒr die Ableitung ( )C a' der Nachgiebigkeit unumgĂ€nglich. In diesem Fall kann

das oben dargestellte halbempirische Stabmodell der CDCB-Probe eingesetzt werden.

3.4. Konsequenzen fĂŒr Gestaltung der CDCB-PrĂŒfkörper

Bei der Herstellung der Probekörper zum CDCB-Test muß eine gewisse Dimensionierung

erfolgen, um sicherzustellen, daß Rißausbreitung ĂŒberhaupt stattfindet und eine ausreichende

Genauigkeit der Auswerteverfahren gewÀhrleistet ist.

In AbhÀngigkeit von der Materialsteifigkeit sind zur Initiierung und Ausbreitung des

Delaminationsrisses bei kurzen RißlĂ€ngen hohe Lasten in die Probe einzubringen. Die

Klebeverbindung zwischen Klötzchen und Probe kann jedoch nur eine endliche Spannung von

P A N mmKlotz/ , , /≀ −0 3 0 5 2 vermitteln. Diese Grenze wird auch bei mĂ€ĂŸig steifen Materialien

fĂŒr kurze RißlĂ€ngen rasch ĂŒberschritten, was zum Abriß der Klötzchen fĂŒhrt. FĂŒr ein Material

0,5

0,6

0,7

0,8

0,9

1,0

1,1

30 40 50 60 70RißlĂ€nge a [mm]

GBERRY

Gc

Vorgabewert

(GBERRY=Gc)

Parameter des n.l. FE-Modells:

Ex = 50 GPa; Gc = 1 kJ/m2

Ex = 50 GPa; Gc = 20 kJ/m2

Ex = 10 GPa; Gc = 10 kJ/m2

Page 79: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

71

mit bestimmtem LĂ€ngsmodul Ex lĂ€ĂŸt sich dem in zwei Richtungen entgegenwirken: durch

Verringerung der Probendicke H und durch Wahl einer genĂŒgend großen AnfangsrißlĂ€nge a0

(LĂ€nge der Rißfolie).

Die Biegesteifigkeit lĂ€ĂŸt sich (als Erfahrung aus dem analytischen Stabmodell) in erster

NĂ€herung mit dem Parameter Fn (Gl. 2.37) beschreiben. Dessen Gestalt:

( )

FE B H

Rnx=⋅ ⋅

⋅

/ 2

12

3

2

erlaubt es, die Steifigkeit von unterschiedlichen Proben mit verschiedenen Parametern Ex , B, H

und R auf einen einheitlichen Wert zu normieren, der zusammen mit der normierten RißlĂ€nge

a R/ das Deformationsverhalten der Proben vergleichbar macht: Proben mit gleichen

normierten Parametern Fn und a R/ werden sich in erster NĂ€herung gleich deformieren. Der

Einfluß der Scherdeformationen ist in Fn nicht berĂŒcksichtigt.

0,57 0,67 0,76 0,86 0,95 1,05 1,14 1,24 1,3347

142

236

331

425

0,90-1,00

0,80-0,90

0,70-0,80

0,60-0,70

0,50-0,60

0,40-0,50

0,30-0,40

0,20-0,30

0,10-0,20

Normierte RißlĂ€nge a/R

Normierte

Proben-

steifigkeit

Fn [N]

E x = 90 GPa

E x = 30 GPa

E x = 50 GPa

E x = 70 GPa

E x = 10 GPa

H= 5 mm,R=52,5 mm,

B=10 mm

a = 30 mma = 40 mm

a = 50 mma = 60 mm

a = 70 mm

P

A Klotz

[N/mm2]

fĂŒr

G c = 2 kJ/m2

Abb. 3.16 Belastung P AKlotz/ der KlebeflÀchen der Klötzchen, die zum Erreichen einer

kritischen Energiefreisetzungsrate G kJ mc = 2 2/ erforderlich ist, in

AbhĂ€ngigkeit von Steifigkeit und RißlĂ€nge der Proben. ( E GPaz = 5 ;

G GPaxz = 2 5, ; H mm= 5 ; B mm= 10 ; h mmkl = 9 ; l mmkl = 20 )

In Abb. 3.16 ist die zur Rißausbreitung erforderliche Belastung der KlebeflĂ€chen bei Vorgabe

einer kritischen Energiefreisetzungsrate G kJ mc = 2 2/ in AbhÀngigkeit von Materialsteifigkeit

Fn und normierter RißlĂ€nge a R/ dargestellt. Die Rechnungen wurden an Proben mit einer

Dicke H mm= 5 , Breite B mm= 10 , KlebeflĂ€che A mmKlotz ≈ 200 2 und einem mittleren

KrĂŒmmungsradius R mm= 52 5, durchgefĂŒhrt. Die dieser Geometrie entsprechenden

unnormierten Werte fĂŒr E-Modul Ex und RißlĂ€nge a sind zusammen mit den normierten Daten

Page 80: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

72

an den Achsen aufgetragen. Die Umrechnung auf andere Probendicken oder KrĂŒmmungsradien

kann ĂŒber Gl. 2.37 erfolgen. Der gewĂ€hlte Wert fĂŒr Gc entspricht einem mittleren Wert der

DebondingzÀhigkeit langfaserverstÀrkter Kunststoffmaterialien.

0,57 0,67 0,76 0,86 0,95 1,05 1,14 1,24 1,3347

142

236

331

425

0,35-0,40

0,30-0,35

0,25-0,30

0,20-0,25

0,15-0,20

0,10-0,15

0,05-0,10

Normierte RißlĂ€nge a/R

Normierte

Proben-

steifigkeit

Fn [N]

E x = 90 GPa

E x = 30 GPa

E x = 50 GPa

E x = 70 GPa

E x = 10 GPa

H= 5 mm,R=52,5 mm,

B=10 mm

a = 30 mma = 40 mm

a = 50 mma = 60 mm

a = 70 mm

ÎŽÎŽÎŽÎŽ

a

fĂŒr

G c = 2 kJ/m2

Abb. 3.17 Relative Lastverschiebung ÎŽ / a , die zum Erreichen einer kritischen Energie-

freisetzungsrate G kJ mc = 2 2/ erforderlich ist, in AbhÀngigkeit von Steifigkeit

und RißlĂ€nge der Proben. ( E GPaz = 5 ; G GPaxz = 2 5, ; H mm= 5 ;

B mm= 10 ; h mmkl = 9 ; l mmkl = 20 )

Die Darstellung kann als Diagramm zur Probendimensionierung verwendet werden, indem man

fĂŒr ein vorhandendes Material mit einer bestimmten Biegesteifigkeit Fn diejenige Anfangs-

rißlĂ€nge aussucht, bei der ein maximaler Vorgabewert fĂŒr die Spannung in der KlebeflĂ€che

nicht ĂŒberschritten wird.

Aus dem Diagramm wird ersichtlich, daß es schon bei einem wenig steifen Material mit

E GPax = 40 und einer relativ großen AnfangsrißlĂ€nge a mm0 40= schwierig ist, bei einer

Probendicke von H mm= 5 eine kritische Energiefreisetzungsrate G kJ mc = 2 2/ ĂŒberhaupt zu

erreichen. Mit einer FlÀchenlast P AKlotz/ von mehr als 0 5 2, /N mm , die sich aus dem

Diagramm ergibt ( F Nn = 189 ), dĂŒrfte die Grenze der Belastbarkeit der Klebeverbindung

bereits ĂŒberschritten sein. Abhilfe schafft hier die Verringerung der Probendicke auf z.B.

H mm= 4 . Aus Gl. 2.37 folgt bei gleichen ĂŒbrigen Parametern dafĂŒr ein Wert fĂŒr die

normierte Probensteifigkeit von F Nn = 97 , die entsprechende FlĂ€chenbelastung wĂŒrde sich

nach Abb. 3.16 auf etwa P A N mmKlotz/ , /≈ 0 4 2 verringern.

Aus Abb. 3.17 kann die normierte RiĂŸĂ¶ffnung ÎŽ / a entnommen werden, die zum Erreichen

einer kritischen Energiefreisetzungsrate G kJ mc = 2 2/ erforderlich ist. Nur fĂŒr sehr steife

Proben und kurze RißlĂ€ngen bleibt sie im Bereich kleiner Deformation ÎŽ / ,a ≀ 0 15, in welchem

Page 81: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

73

die lineare Betrachtungsweise gerechtfertigt ist. FĂŒr sehr nachgiebige Proben sind die Aus-

wirkungen des nichtlinearen Verhaltens auf die Energiefreisetzungsrate spĂŒrbar (Abb. 3.18).

0,57 0,67 0,76 0,86 0,95 1,05 1,14 1,24 1,3347

142

236

331

425

0,95-0,96

0,94-0,95

0,93-0,94

0,92-0,93

0,91-0,92

0,90-0,91

0,89-0,90

0,88-0,89

0,87-0,88

0,86-0,87

Normierte RißlĂ€nge a/R

Normierte

Proben-

steifigkeit

Fn [N]

E x = 90 GPa

E x = 30 GPa

E x = 50 GPa

E x = 70 GPa

E x = 10 GPa

H= 5 mm,

R=52,5 mm,

B=10 mm

a = 30 mma = 40 mm

a = 50 mma = 60 mm

a = 70 mm

G lin, FEM

Gnl, FEM

fĂŒr

G c = 2 kJ/m2

Abb. 3.18 Unterschied zwischen Vorhersagen der linearen und nichtlinearen Analyse fĂŒr G

beim Wert G kJ mc = 2 2/ in AbhĂ€ngigkeit von Steifigkeit und RißlĂ€nge der

Proben ( E GPaz = 5 ; G GPaxz = 2 5, ; H mm= 5 ; B mm= 10 ; h mmkl = 9 ;

l mmkl = 20 )

0,57 0,67 0,76 0,86 0,95 1,05 1,14 1,24 1,3347

142

236

331

425

1,35-1,40

1,30-1,35

1,25-1,30

1,20-1,25

1,15-1,20

1,10-1,15

1,05-1,10

1,00-1,05

0,95-1,00

0,90-0,95

Normierte RißlĂ€nge a/R

Normierte

Proben-

steifigkeit

Fn [N]E x = 90 GPa

E x = 30 GPa

E x = 50 GPa

E x = 70 GPa

E x = 10 GPa

H= 5 mm,

R=52,5 mm,

B=10 mm

a = 30 mma = 40 mm

a = 50 mma = 60 mm

a = 70 mm

G lin, anal

G nl, FEM

halbempirisch

fĂŒr

G c = 2 kJ/m2

Abb. 3.19 Abweichung der Ergebnisse des halbempirischen, analytischen Stabmodells fĂŒr

G zur nichtlinearen FE-Analyse beim Wert G kJ mc = 2 2/ in AbhÀngigkeit von

Steifigkeit und RißlĂ€nge der Proben ( E GPaz = 5 ; G GPaxz = 2 5, ; H mm= 5 ;

B mm= 10 ; h mmkl = 9 ; l mmkl = 20 )

Page 82: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

74

Der zu erwartende Fehler bei einer Nutzung des halbempirischen analytischen Stabmodells zur

Ermittlung der Energiefreisetzungsrate ist in Abb. 3.19 dargestellt. Er ist fĂŒr kurze RißlĂ€ngen

und steife Proben relativ hoch.

Weitere Schlußfolgerungen, die sich fĂŒr die Gestaltung der CDCB-Proben aus dieser Analyse

ergeben, betreffen die Geometrie der Proben und wurden bereits weiter oben gezogen. Sie seien

an dieser Stelle daher nur rekapituliert.

Die Höhe der Klötzchen hkl sollte so niedrig wie möglich gehalten werden, da sie die

NichtlinearitĂ€t der Deformation wesentlich bestimmt. FĂŒr hohe Klötzchen wird die Genauigkeit

der analytischen Deformationsmodelle noch weiter verringert.

Schon geringe Abweichungen der Lage der Rißebene von der Probenmittelebene fĂŒhren zu

starken Mode-II-Anteilen in der Belastung der Rißspitze. Das Einbringen der Folie fĂŒr den

Anfangsriß in die Mittelebene der Probe hat daher besonders sorgfĂ€ltig zu erfolgen. Proben mit

stark außerhalb der Mittelebene liegender RißflĂ€che sollten ausgesondert werden.

Page 83: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

75

4. CDCB-Experimente

4.1 VersuchsdurchfĂŒhrung und Materialien

Die fĂŒr die experimentellen CDCB-Tests benutzte Probengeometrie entspricht in ihren

Abmessungen der modellierten Konfiguration (siehe Kap. 2.4.1). Lediglich die Probendicke H

und -breite B wurden variiert. Zur Aufbringung und Messung der Last wurde eine INSTRON-

PrĂŒfmaschine bei einer Belastungsgeschwindigkeit von 2 mm / min eingesetzt.

Die Herstellung der PrĂŒfkörper erfolgte in einem Thermoplastwickelverfahren im Institut fĂŒr

Polymerforschung Dresden e.V. [75]. Als Ausgangsmaterial wurde ein ebenfalls dort

entwickeltes und hergestelltes, kontinuierliches Hybridgarn (‘commingled yarn’) aus E-Glas-

fasern und Polyamid-6-Fasern verwendet. Das Granulat zum Spinnen der Polyamidfasern

wurde von der Firma ThĂŒringische Faser-AG Schwarza bezogen. Das VerhĂ€ltnis der

Masseanteile von Glas zu Polyamid im fertigen Material betrÀgt 13:5, was einem Glasfaser-

Volumenanteil von 54% entspricht.

Das Wickeln der Ringe erfolgte mit einer Wickelgeschwindigkeit von 5 cm s/ und bei einer

Verarbeitungstemperatur von 240 °C am Einlaufpunkt sowie einer Temperatur der

VorwĂ€rmkammer von 270 °C . Die Heizung wurde ĂŒber ein HeißluftgeblĂ€se realisiert.

Zur Einbringung des Anfangsrisses wurde in der HĂ€lfte des Wickelprozesses eine Polyimid-

Folie eingelegt. Dies erwies sich als eine kritische Stelle des Herstellungsprozesses der CDCB-

Probekörper, da die ebene und mittige Lage der Rißebene dadurch bestimmt wird. WĂ€hrend des

Aufbringens der nachfolgenden Schichten kam es hÀufig zu einer Wellung der Folie auf der

Schmelze und - dadurch bedingt - zu ungleichmĂ€ĂŸigen Dicken der gebogenen ProbehĂ€lften.

Dies beeinflußt sowohl die Deformation als auch die RißflĂ€che und erschwert die Interpretation

der Versuchsergebnisse wesentlich. Bei den hier untersuchten Proben konnte das Problem nicht

optimal gelöst werden, was in einer starken Streuung der erhaltenen Ergebnisse fĂŒr die

kritische Energiefreisetzungsrate resultiert. FĂŒr die zukĂŒnftigen experimentellen Unter-

suchungen sind an dieser Stelle Verbesserungen dringend notwendig.

4.2 Ergebnisse

Es wurden 3 verschiedene Versuchsreihen untersucht, die unter gleichen technologischen

Bedingungen hergestellt wurden, sich jedoch in der Dicke der gewickelten Probenringe

unterscheiden: „WB a-d“ mit H mm= −3 6 3 8, , ; „WB4 a-d“ mit H mm= −4,7 4,9 und

„WB5 a-d“ mit H mm= −7,9 8,0 . Die aufgenommenen Kraft-Verschiebungskurven ( )P ή der

stabilen Rißausbreitung sind in den Abb. 4.1a bis 4.1c wiedergegeben.

Page 84: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

76

0

20

40

60

80

100

120

0 10 20 30 40

WB a

WB b

WB c

WB d

Lastverschiebung ÎŽÎŽÎŽÎŽ [mm]

P

[N]

H = 3,7 mm

B = 6,7 mm

Abb. 4.1a

0

20

40

60

80

100

120

140

0 5 10 15 20 25

WB 4a

WB 4b

WB 4c

WB 4d

P

[N]

Lastverschiebung ÎŽÎŽÎŽÎŽ [mm]

H = 4,8 mm

B = 7,3 mm

Abb. 4.1b

0

20

40

60

80

100

120

140

0 5 10 15 20 25 30

WB 5a

WB 5b

P

[N]

Lastverschiebung ÎŽÎŽÎŽÎŽ [mm]

H = 8,0 mm

B = 7,5 mm

Abb. 4.1c

Abb. 4.1a-c Last-Verschiebungs-Kurven ( )P ÎŽ der CDCB-Tests an den Probenreihen a) WB,

b) WB4 und c) WB5.

Page 85: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

77

Innerhalb jeder Probengruppe ergaben sich betrĂ€chtliche Streuungen und die Rißausbreitung

vollzog sich relativ ungleichmĂ€ĂŸig und teilweise sprunghaft. Die Ursache dafĂŒr ist in einer

heterogenen Ausbildung einzelner BĂŒndel von FaserbrĂŒcken und von Parallelrissen in

Nachbarlagen zu sehen, deren Initiierung und Versagen sich als Einzelereignisse in den

Belastungskurven widerspiegeln. Besonders ausgeprĂ€gt waren die Auswirkungen fĂŒr die Serie

der dĂŒnnen Proben („WB x“), bei denen diese VorgĂ€nge zwar auch nicht hĂ€ufiger auftraten,

aber relativ eine viel stÀrkere Wirkung auf die Gesamtdeformation der Probe besitzen.

Außerdem war bei diesen Proben die Lage des Anfangsrisses schon aus dem

Herstellungsprozeß besonders ungleichmĂ€ĂŸig, so daß sie trotz gleicher Dicke eine breite

Streuung in den Werten der Nachgiebigkeit ( )C a aufwiesen. Dies wird im Vergleich zu den

anderen Testreihen aus den Abb. 4.2a-4.2c deutlich. FĂŒr die Bestimmung der kritischen

Energiefreisetzungsrate der Delamination ( )G ac wurde das empirische Verfahren (Gl. 2.5) mit

der Ansatzfunktion Gl. 3.1 nach BERRY (siehe Kap. 3.3) gewĂ€hlt. Die GĂŒltigkeit dieser

NĂ€herung fĂŒr die experimentell ermittelte AbhĂ€ngigkeit der Compliance ( )C a kann fĂŒr alle

Proben aus den Abb. 4.2 beurteilt werden. Aufgrund der großen individuellen Streuungen ist

eine EinschÀtzung schwierig, aber zur Wiedergabe der generellen AbhÀngigkeit der

Nachgiebigkeit scheint Gl. 3.1 gut geeignet. Ihre rigide Form, die nur einen monotonen Anstieg

zulĂ€ĂŸt und lokalen SprĂŒngen in ( )C a nicht folgt, wirkt glĂ€ttend auf die Ergebnisse und

entspricht im Mittel dem realen Verlauf fĂŒr eine ideale Probe sicher gut. Die Verwendung von

Ansatzfunktionen mit mehr Freiheitsgraden, die auch versucht wurde, erbrachte noch

ungleichmĂ€ĂŸigere Ergebnisse fĂŒr die Energiefreisetzungsrate. Einzelne Ausreißer heben sich in

einer vergleichenden Darstellung der Compliance fĂŒr die jeweilige Versuchsserie besonders

deutlich hervor.

Die experimentell erhaltenene AbhĂ€ngigkeit der Nachgiebigkeit von der RißlĂ€nge entspricht

den Ergebnissen der nichtlinearen FE-Modellierung fĂŒr einen LĂ€ngsmodul in Faserrichtung von

E GPax ≈ 40 . Da bisher noch keine Charakterisierung der Steifigkeit der hergestellten Proben

ĂŒber ein unabhĂ€ngiges Verfahren vorgenommen wurde, kann eine vergleichende Beurteilung

dieses Wertes nicht erfolgen. Seine GrĂ¶ĂŸe erscheint jedoch vernĂŒnftig.

In den Abb. 4.3a-4.3c sind fĂŒr die einzelnen Probenserien die Ergebnisse fĂŒr den ermittelten

Verlauf der kritischen Energiefreisetzungsrate ( )G ac ĂŒber der RißlĂ€nge dargestellt. Die

Streuung ist generell sehr hoch und Ă€ußert sich einmal in starken Schwankungen innerhalb

einer Probe und andererseits in unterschiedlichen Plateauwerten zwischen den Proben.

Page 86: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

78

0,0

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

1,2

1,4

20 30 40 50 60 70

WB a; exp.

WB a; Fit

WB b; exp.

WB b; Fit

WB c; exp.

WB c; Fit

WB d; exp.

WB d; Fit

RißlĂ€nge a [mm]

C(a)

[mm/N]

H = 3,7 mm

B = 6,7 mm

Abb. 4.2a

0,0

0,1

0,2

0,3

0,4

0,5

20 30 40 50 60 70

WB 4a; exp.

WB 4a; Fit

WB 4b; exp.

WB 4b; Fit

WB 4c; exp.

WB 4c; Fit

WB 4d; exp.

WB 4d; Fit

RißlĂ€nge a [mm]

C(a)

[mm/N]

H = 4,8 mm

B = 7,3 mm

Abb. 4.2b

0

0,1

0,2

0,3

40 60 80 100 120

WB 5a; exp.

WB 5a; Fit

WB 5b; exp.

WB 5b; Fit

RißlĂ€nge a [mm]

C(a)

[mm/N]

H = 8,0 mm

B = 7,5 mm

Abb. 4.2c

Abb. 4.2a-c Experimentelle Ergebnisse („exp.“) und GĂŒte der Anpassung entsprechend Gl. 3.1 („Fit“) fĂŒr AbhĂ€ngigkeit der Nachgiebigkeit ( )C a von der RißlĂ€nge fĂŒr

die CDCB-Tests.

Page 87: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

79

0

1

2

3

4

5

6

20 30 40 50 60 70

WB a

WB b

WB c

WB d

RißlĂ€nge a [mm]

G c

[kJ/m 2]

H = 3,7 mm

B = 6,7 mm

Abb. 4.3a

0

1

2

3

4

5

6

20 30 40 50 60 70

WB 4a

WB 4b

WB 4c

WB 4d

RißlĂ€nge a [mm]

G c

[kJ/m 2]

H = 4,8 mm

B = 7,3 mm

Abb. 4.3b

0

1

2

3

4

5

6

40 60 80 100 120

WB 5a

WB 5b

RißlĂ€nge a [mm]

G c

[kJ/m 2]

H = 8,0 mm

B = 7,5 mm

Abb. 4.3c

Abb. 4.3a-c Experimentelle Resultate fĂŒr die kritische Energiefreisetzungsrate ( )G ac fĂŒr die

CDCB-Probenserien mit unterschiedlicher Dicke H.

Page 88: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

80

Ursache fĂŒr die Schwankungen ist die ungleichmĂ€ĂŸige Ausbildung von einzeln auftretenden

StrĂ€ngen von FaserbrĂŒcken, die auf eine heterogene Konsolidierung und einen noch nicht

optimalen Verbundbildungsprozeß hinweisen. Ein weiteres Indiz dafĂŒr liefert auch das optische

Erscheinungsbild der Probekörper, das eine starke farbliche Maserung aufweist und

unterschiedlich konsolidierte FaserstrĂ€nge erkennen lĂ€ĂŸt. DarĂŒber hinaus Ă€ndert sich die Lage

der Rißebene wĂ€hrend der Probenausbreitung fĂŒr einige Proben mehr oder weniger stark, was

großen Einfluß auf ihre Nachgiebigkeit hat. Dies wirkt sich bei der Bildung der Ableitung der

Compliance negativ auf die Genauigkeit der empirschen Betrachtung aus.

Zwischen den einzelnen Proben einer Serie unterscheidet sich die tatsĂ€chliche RißflĂ€che

infolge der in Kap. 4.1 beschriebenen Wellung der Rißebene, was zu scheinbaren

Unterschieden in den Werten der kritischen Energiefreisetzungsrate beitrÀgt. Schon eine gering

außermittige Lage der Rißebene fĂŒhrt entsprechend den Ergebnissen der FE-Modellierung zu

betrĂ€chtlichen Mode-II-Anteilen der Belastung an der Rißspitze. FĂŒr diese ist bei der

Delamination aus den Erfahrungen eine höhere kritische Energiefreisetzungsrate zu erwarten,

was die relativ hohen gemessenen Werte erklĂ€ren könnte. Dies trifft insbesondere fĂŒr die

dĂŒnnen Proben zu („WB x“), die sowohl absolut als auch relativ die grĂ¶ĂŸten Abweichungen

des Risses von der Mittelebene zeigten. Die Streuung und der Betrag der Werte fĂŒr Gc war bei

dieser Probenreihe dementsprechend besonders hoch, was ĂŒber einen starken Mode-II-Anteil

eine gewisse Interpretation finden wĂŒrde. Bei den dickeren Proben war die mittige Lage der

Rißebene vergleichsweise besser realisiert und die Streuung zumindest im Bereich mittlerer

und langer RißlĂ€ngen geringer. Die fĂŒr kurze RißlĂ€ngen auftretenden Differenzen lassen sich

durch die individuellen Unterschiede bei der Rißinitiierung am kĂŒnstlich eingebrachten Anriß

erklĂ€ren. Nach Ausbreitung ĂŒber eine kurze Distanz ergeben sich zwischen den einzelnen

Proben einer Serie vergleichbare VerhÀltnisse und die Werte werden einheitlicher (Abb. 5.3b).

FĂŒr die dicken Proben konnte der in LAUKE [20] beschriebene Effekt beobachtet werden, daß

die kritische Energiefreisetzungsrate mit wachsender RißlĂ€nge kontinuierlich ansteigt, was mit

der zunehmenden Ausbildung von FaserbrĂŒcken erklĂ€rt wird. Aufgrund der großen Steifigkeit

der Proben und der sich daraus ergebenden geringen RiĂŸĂ¶ffnung kommt es bei dicken Proben

kaum zum Reißen der FaserbrĂŒcken, so daß immer weitere Fasern in den Ablöseprozeß von

den RißflĂ€chen einbezogen werden. Dadurch erhöht sich die Dissipation von Energie wĂ€hrend

des Rißwachstums kontinuierlich. Dieser Prozeß ist fĂŒr den realen Einsatzfall der Verbunde

jedoch nicht unbedingt typisch und charakterisiert die QualitÀt des Verbundes nicht

unmittelbar. FĂŒr vergleichende Untersuchungen sollte dieser Effekt durch ausreichend dĂŒnne

Proben vermieden werden. Eine Dicke von H mm≈ 5 erscheint nach den Ergebnissen dieser

Arbeit optimal, da noch dĂŒnnere Proben wegen ihrer großen Empfindlichkeit gegenĂŒber der

Lage der Rißebene kaum noch reproduzierbare Ergebnisse liefern.

Page 89: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

81

Basierend auf den vorgestellten experimentellen Ergebnissen kann im Vergleich mit Proben

aus anderen Materialsystemen oder aus unterschiedlichen technologischen Herstellungsregimen

die AussagefÀhigkeit des CDCB-Versuchs zur Charakterisierung des Konsolidierungszustandes

beurteilt werden.

Als problematisch werden in dieser Hinsicht die beobachteten starken Streuungen angesehen,

die jedoch bereits an sich eine Information ĂŒber die GĂŒte und insbesondere HomogenitĂ€t

untersuchter Materialien beinhalten. Hohe Werte der DelaminationszÀhigkeit in Kombination

mit geringer Streuung beim Versagen sollten den zu erreichenden Idealzustand fĂŒr ein

Materialsystem und eine Technologie kennzeichnen.

4.3 Vergleich der Experimente mit FE-Rechnungen

Zum Abschluß der experimentellen Untersuchung soll die Frage geklĂ€rt werden, inwiefern die

FE-Modellierung fĂŒr die tatsĂ€chlich auftretenden Deformationen der CDCB-Probe reprĂ€sen-

tativ ist. Dazu sind fĂŒr die Probe WB 4a mit einer Dicke von H mm= 4 8, in Abb. 4.4 die

experimentellen Ergebnisse fĂŒr den Zusammenhang zwischen Kraft und RißlĂ€nge mit den

Vorhersagen des nichtlinearen FE-Modells verglichen. Die beste Übereinstimmung hat sich im

Vorfeld fĂŒr eine Annahme von E GPax = 40 fĂŒr den Modul in FaserlĂ€ngsrichtung ergeben.

Dieser Wert entspricht auch der AbschĂ€tzung E V E GPax f Glas≈ ⋅ = 39,4 gemĂ€ĂŸ der

Mischungsregel aus dem Faservolumenanteil von Vf = 54 % und dem Modul der Glasfasern

E GPaGlas = 73 und wird durch Literaturwerte bestĂ€tigt [98]. FĂŒr die weiteren in der FE-

Modellierung benötigten Materialeigenschaften wurde folgende Wahl getroffen:

G GPaxz = 2 5, , E GPaz = 5 , Îœxz = 0 3, . Die Berechnung der in Abb. 4.4 dargestellten

AbhÀngigkeit ( )P Ύ erfolgte mit dem FE-Modell unter Verwendung dieser Annahmen aus den

im Experiment gemessenen RißlĂ€ngen a und RiĂŸĂ¶ffnungen ÎŽ .

Abb. 4.4 Vergleich zwischen Ergeb-nissen aus dem CDCB-Experi-ment und der nichtlinearen Mo-dellierung fĂŒr die AbhĂ€ngigkeit der Lastkraft P von der RiĂŸĂ¶ffnung ÎŽ am Beispiel der Probe WB 4a.

0

20

40

60

80

100

120

140

0 5 10 15 20

WB 4a: exp.

WB 4a: FEM

FEM-ParameterE x = 40 GPa

E z = 5 GPa

G xz = 2,5 GPa

Probe:

H = 4,8 mm

B = 7,3 mm

RiĂŸĂ¶ffnung ÎŽÎŽÎŽÎŽ [mm]

P [N]

Page 90: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

82

Das Modell beschreibt im Mittel das tatsÀchliche Deformationsverhalten der CDCB-Probe

richtig. Die auftretenden lokalen Abweichungen sind auf UnregelmĂ€ĂŸigkeiten bei der

Rißausbreitung zurĂŒckzufĂŒhren. Diese wurden z.B. in Form von FaserbrĂŒckenbĂŒndeln oder

Verlagerungen der Rißebene bei den untersuchten Proben in relativ großem Ausmaß

beobachtet, lassen sich in dem idealisierten FE-Modell jedoch nicht berĂŒcksichtigen. Das

Deformationsverhalten reagiert gegenĂŒber diesen Störungen sehr empfindlich, bereits kleine

Änderungen der Rißlage erhöhen die Nachgiebigkeit der Probe betrĂ€chtlich. Die

ZuverlÀssigkeit der mit Modellen erhaltenen Beschreibung der realen Deformation wird durch

diese UnwĂ€gbarkeiten beeintrĂ€chtigt, was als ein Argument fĂŒr die Anwendung der

empirischen Methode zur Berechnung der Energiefreisetzungsrate anzusehen ist. Der Vergleich

der aus dem FE-Modell und aus dem empirischen Verfahren berechneten kritischen

Energiefreisetzungsrate ist fĂŒr die Probe WB 4a in Abb. 4.5 dargestellt. Die Übereinstimmung

ist auch hier im Mittel gut, jedoch zeigen aus oben genannten GrĂŒnden die aus der FE-

Modellierung erhaltenen Werte eine breitere Streuung.

Abb. 4.5 Vergleich zwischen Ergebnissen der empirischen Methode nach BERRY und der nichtlinearen Modellierung fĂŒr die Bestimmung der kritischen Energiefrei-setzungsrate Gc

aus dem Experi-ment.

Insgesamt betrachtet, bestĂ€tigen die Experimente die GĂŒltigkeit des vorgestellten FE-Modells

und der auf seiner Basis getroffenen Schlußfolgerungen. Die tatsĂ€chlich beobachtete

Deformation entspricht der Beschreibung der FE-Analyse und wird dementsprechend durch

NichtlinearitĂ€t und Materialanisotropie wesentlich beeinflußt. Sie kann daher nach den in

Kap. 3 gesammelten Erfahrungen mit einfachen analytischen Modellen nicht mit allgemein

befriedigender Genauigkeit wiedergegeben werden. Die Ermittlung der Steifigkeitsparameter

von Verbundwerkstoffen aus dem Experiment lĂ€ĂŸt sich durch die Verwendung der FE-Analyse

entscheidend verbessern.

0

1

2

3

4

5

30 40 50 60 70

WB 4a: exp.

WB 4a: FEM

FEM-Parameter

E x = 40 GPa

E z = 5 GPa

G xz = 2,5 GPa

Probe:

H = 4,8 mm

B = 7,3 mm

RißlĂ€nge a [mm]

G c

[kJ/m 2 ]

Page 91: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

83

Zur Bestimmung der kritischen Energiefreisetzungsrate der Delamination existiert mit der

empirischen Compliance-Methode und dem Ansatz nach BERRY jedoch ein einfaches und

hinreichend genaues Verfahren. Dessen Anwendung liefert praktisch dieselben Ergebnisse wie

die aufwendige Finite-Elemente-Modellierung, obwohl die Grundlagen seiner GĂŒltigkeit

aufgrund der komplizierten Deformationen weit ĂŒberschritten werden. Diese Erkenntnis folgt

allerdings erst aus dem Vergleich mit dem vollstÀndigen Modell und dessen BestÀtigung aus

den experimentellen Resultaten und wird als eine wesentliche Schlußfolgerung der

durchgefĂŒhrten Analyse betrachtet.

Page 92: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

84

5. Mikromechanische Modellierung des GrenzflÀchenversagens beim

Einzelfaser-Auszugstest

5.1 Mikromechanische Testverfahren zur Charakterisierung der QualitÀt von

Faser-Matrix-GrenzflÀchen

Zur experimentellen Charakterisierung der mechanischen QualitÀt der Faser-Matrix-Grenz-

flÀche auf der mikroskopischen Strukturebene (siehe Kapitel 1.1) wurde eine ganze Reihe

mikromechanischer Verfahren entwickelt, die eine Beurteilung der Haftung fĂŒr reale GrĂ¶ĂŸen-

verhÀltnisse der Fasern ermöglichen sollen. Ihr gemeinsames Prinzip besteht darin, eine

einzelne Faser in einem Modellverbund mit einer Matrix unter definierten Bedingungen bis

zum Versagen der GrenzflÀche zu belasten. Infolge der experimentellen Schwierigkeiten bei

der PrÀparation und den Messungen im mikroskopischen Bereich, die sich nicht mit dem

Standard-Repertoire der makroskopischen MaterialprĂŒfung bewĂ€ltigen lassen, existiert eine

Vielzahl von Varianten. FĂŒr das Einbringen der Belastung und die DurchfĂŒhrung der

Messungen wurden verschiedene Lösungen gefunden, deren wichtigste Vertreter sich in 3

Gruppen klassifizieren lassen.

Abb. 5.1a-c HĂ€ufig verwendete mikromechanische Testverfahren zur Charakterisierung von Faser-Matrix-Haftung: a) Fragmentierungsversuch; b) Matrixtropfen-Abscherversuch; c) Einzelfaser-Auszugstest.

Ein ausfĂŒhrlicher Überblick darĂŒber wird z.B. bei MERETZ [58] gegeben, an dieser Stelle sei

nur kurz darauf eingegangen.

Beim Fragmentierungstest oder Einzelfaserverbundtest wird als Probekörper ein auf Zug

belasteter, durchsichtiger PrĂŒfstab aus Matrixmaterial verwendet, in den eine einzelne Faser

eingebettet ist (Abb. 5.1a). Mit zunehmender Dehnung der Probe kommt es zu fortgesetzten

BrĂŒchen der Faser bis sich eine SĂ€ttigungsverteilung der Faserfragmente einstellt. Der

LastĂŒbertrag erfolgt ĂŒber die Scherbelastung der Faser-Matrix-GrenzflĂ€che. Da diese nur einer

endlichen Scherspannung widerstehen kann, ist eine MindestlÀnge lC der Faser zum Aufbau

der fĂŒr ihren Bruch notwendigen Spannung F erforderlich („kritische LĂ€nge“). Sie ist mit der

(c)

(a)

(b)

Page 93: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

85

HaftfÀhigkeit des Faser-Matrix-Systems korreliert und ergibt sich im Experiment aus der

oberen Grenze der LĂ€ngenverteilung der FaserbruchstĂŒcke im SĂ€ttigungszustand. Die

Interpretation des Tests wird dadurch erschwert, daß er ĂŒber die Beobachtung des Faserbruchs

nur eine indirekte Beurteilung der Haftung erlaubt. Die Festigkeit der Fasern F ist selbst

einer relativ breiten, statistischen Verteilung unterworfen [106].

Auf Grund der eher makroskopischen Proben ist die PrĂ€paration und DurchfĂŒhrung des

Versuchs vergleichsweise einfach. Daher ist er die am hÀufigsten verwendete mikrome-

chanische Versuchsanordnung (eingefĂŒhrt von KELLY [107], Experimente: [108]-[113];

Modelle: [106], [114]-[118]).

Die Testkonfiguration des Matrixabstreif-Tests oder Pull-Off-Tests gibt es in zahlreichen

Varianten, von denen hier nur der Tropfenabscherversuch beschrieben sei ([34], [35], [119]-

[124]; Modelle: [125]-[127]). Bei diesem wird das Matrixmaterial in flĂŒssiger Form (Schmelze

oder Harz) auf die Faser gebracht, welche es infolge der OberflÀchenspannung in Tropfenform

umschließt. In erstarrtem Zustand wird versucht, die Faser mittels einer Zugeinrichtung aus

dem Tropfen, der ĂŒber Schneiden oder eine Ringblende möglichst nah zur Faser gegengehalten

wird, herauszuziehen (Abb. 5.1b). Die Dehnbelastung der Faser wird durch eine

Scherspannung in der GrenzflĂ€che ĂŒber die EinbettlĂ€nge l f der Faser allmĂ€hlich an die Matrix

ĂŒberfĂŒhrt. Mit wachsender Zugkraft P auf die Faser erhöht sich auch die Belastung der

GrenzflÀche. Die gemessene Maximalkraft Pmax im Moment des Versagens der GrenzflÀche

enthĂ€lt eine Information ĂŒber die Haftung des Faser-Matrix-Systems.

GegenĂŒber der im Folgenden dargestellten, vom Prinzip her Ă€hnlichen, Einzelfaser-Auszugs-

anordnung hat der Tropfenabscherversuch den Vorteil einer einfacheren PrÀparation.

Die am hÀufigsten verwendete Variante des Einzelfaser-Auszugsversuchs oder Single Fibre

Pull-Out Tests ([37], [128]-[132]) besteht aus einem auf seiner UnterflÀche an einen

Probenhalter geklebten Matrixtropfen, in den im flĂŒssigen Zustand eine Faser bis zu einer

bestimmten EinbettlÀnge l f senkrecht eingebettet wurde (Abb. 5.1c). In erstarrtem Zustand

wird die Kraft an der Faser gemessen, die zum Aufreißen der Haftverbindung notwendig ist.

Sie wird mit dem beobachteten Maximum der Kraft-Verschiebungskurve Pmax identifiziert. Die

PrÀparation des Versuches und die Messung der Kraft sind wegen der Biege-

bruchempfindlichkeit der Faser aufwendig und erfordern spezielle Vorrichtungen. Trotzdem ist

dieser Versuch relativ verbreitet.

Das einfachste und praktisch am meisten eingesetzte Modell zur Auswertung aller oben

beschriebenen mikromechanischen Versuche beruht auf der sogenannten KELLY-TYSON-

NĂ€herung [133]. Es geht davon aus, daß infolge plastischen Fließens der Matrix die

GrenzflĂ€che im Moment des Versagens ĂŒber ihre ganze LĂ€nge mit einer konstanten

Page 94: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

86

Scherspannung d belastet wird. FĂŒr den Fragmentierungsversuch folgt daraus eine sehr

einfache Relation zur kritischen FaserlÀnge lC und zur Festigkeit der Fasern F :

dF F

C

r

l

(5.1).

Der Tropfenabscherversuch und Einzelfaser-Auszugstest werden im Rahmen des KELLY-

TYSON-Modells durch den gleichen Zusammenhang zwischen der maximalen GrenzflÀchen-

scherspannung d , der FasereinbettlÀnge l f und der maximalen Lastkraft Pmax beschrieben:

d

f f

P

r l max

2 (5.2).

Die Interpretation des adhÀsiven Versagens nach der KELLY-TYSON-NÀherung ist allerdings

in sich widersprĂŒchlich.

Einer vollstÀndigen Homogenisierung der Scherspannung entlang der GrenzflÀche entspricht

die Voraussetzung eines idealplastischen Materialgesetzes zur Beschreibung der Matrix-

deformation. Mit diesem kann jedoch die maximale Scherbelastung d der GrenzflÀche den

Wert der Fließgrenze der Matrix Yield nicht ĂŒberschreiten. LĂ€ge die Belastbarbarkeit der

GrenzflĂ€che ĂŒber diesem Wert, wĂŒrde nur die Matrix plastisch verformt, niemals jedoch die

GrenzflÀche versagen. Der maximale Wert der Scherspannung in der GrenzflÀche d

entsprĂ€che dann der Fließgrenze der Matrix und enthielte keine spezifische Information ĂŒber

die GrenzflĂ€che. WĂŒrde die maximale Scherbelastbarkeit der GrenzflĂ€chenhaftung unterhalb

der Fließgrenze erreicht, könnte es nicht zur Plastifizierung der Matrix kommen. Das System

bliebe elastisch und die Scherspannungsverteilung in der GrenzflÀche wÀre extrem inhomogen

im Widerspruch zu den Voraussetzungen. Denkbar wÀre im letzteren Fall höchstens eine

homogene Spannung im aufgerissenen Teil der GrenzflÀche infolge Faser-Matrix-Reibung, die

aber keine Information ĂŒber die eigentliche Haftung der GrenzflĂ€che beinhaltet.

Die tatsĂ€chlichen SpannungsverhĂ€ltnisse in der GrenzflĂ€che sind fĂŒr alle vorgestellten

Testgeometrien ĂŒberaus komplex und durch das Auftreten von stark inhomogenen Spannungen

gekennzeichnet, besonders an den Faserenden, den Spitzen von Debondingriß-Bereichen und

am Austritt der Faser an der MatrixoberflÀche. Dies konnte u.a. experimentell durch

Untersuchung der lokalen Faserdehnung mit Hilfe der RAMAN-Streuung an einer Reihe von

mikromechanischen Versuchen demonstriert werden ([112], [134], [135]). Eine Anwendung

von Gl. 5.1 bzw. Gl. 5.2 liefert fĂŒr d nur den Mittelwert der in der GrenzflĂ€che im Moment

des Versagens auftretenden Scherspannungsverteilung. Der auf diese Weise errechnete

Parameter ist höchstens mittelbar an die HaftungsqualitÀt gekoppelt und reprÀsentiert nicht die

lokale, maximale Scherbelastbarkeit der GrenzflÀche.

Page 95: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

87

Eine befriedigende Beschreibung der tatsÀchlichen Spannungsverteilung in der GrenzflÀche ist

mit mathematisch-analytischen Methoden bisher fĂŒr keine der obigen Anordnungen gelungen,

auch wenn zahlreiche NĂ€herungen, zumeist auf Basis von Shear-Lag-Modellen, entwickelt

wurden (Review [136]). Diese sind höchstens zu einer qualitativen Wiedergabe des

Deformationsverhaltens tauglich.

Neben der Scherspannung treten in der GrenzflÀche bei allen mikromechanischen

Versuchsanordnungen auch Spannungskomponenten in radialer und in Umfangsrichtung der

Faser auf. Ihr Betrag kann den der auftretenden Scherspannungen sogar ĂŒberschreiten.

Beim Fragmentierungsversuch [118] tragen die Radialspannungen kompressiven Charakter.

Beim Einzelfaser-Auszugsversuch ([137], [138]) und beim Tropfenabscherversuch [127] fĂŒhrt

die Einleitung der Last in die Faser durch deren POISSON-Kontraktion zu Zugspannungen in

radialer Richtung, die im Gegensatz zu den Kompressionsspannungen die Belastbarkeit der

GrenzflÀche herabsetzen.

Die Spannungsverteilung der GrenzflĂ€che in axialer und radialer Richtung kann fĂŒr die oben

beschriebenen, mikromechanischen Testverfahren auch durch das Auftreten von OberflÀchen-

rauhigkeit der Fasern und thermischen Spannungen der Matrix wesentlich beeinflußt werden

[139].

Insgesamt muß eingeschĂ€tzt werden, daß die Faser-Matrix-GrenzflĂ€che in allen Mikro-

mechanik-Versuchen einer sehr inhomogenen, komplexen und wÀhrend des Tests sich stark

Ă€ndernden Belastung ausgesetzt ist, die sich einer Beschreibung mit einfachen Modellen bisher

weitgehend entzieht. ZusÀtzlich erfolgt die Belastung der GrenzflÀche in den verschiedenen

Testverfahren durch Überlagerung von ganz unterschiedlichen Komponenten. Dies sind

denkbar ungĂŒnstige Voraussetzungen fĂŒr eine Anordnung zur experimentellen Eigenschafts-

bestimmung, jedoch existiert dazu infolge der mikroskopischen Dimension des Unter-

suchungsobjektes und der damit verknĂŒpften prĂ€parativen und meßtechnischen Probleme keine

Alternative. Die unter solchen UmstÀnden auf Basis unzureichender Modellvorstellungen

abgeleiteten GrenzflÀchenfestigkeiten entsprechen sicher keinen real auftretenden Maximal-

spannungen, sondern sind nur implizit und in AbhÀngigkeit von anderen Probenparametern mit

der HaftfÀhigkeit korreliert. Zudem ist es mit Hinblick auf die mehrachsige Spannungssituation

unwahrscheinlich, daß die mechanische QualitĂ€t der Faser-Matrix-Grenzschicht mit einem

einzelnen Parameter, wie einer Scherfestigkeit, umfassend charakterisiert werden kann. Die

Überlagerung einer kompressiven Radialspannung auf die Faser wird das GrenzflĂ€chen-

versagen erschweren, eine Zugspannung in radialer Richtung wird es begĂŒnstigen. Das

Auftreten von Spannungen in Umfangsrichtung beeinflußt die Ausbildung plastischer Zonen in

der Matrix, die den Anstieg der Spannung in der GrenzflÀche begrenzen, bzw. die beim

Versagen der GrenzflÀche dissipierte Energie erhöhen.

Page 96: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

88

Auf Basis derartiger Voraussetzungen ist fĂŒr die aus den verschiedenen mikromechanischen

Tests ermittelten Werte der GrenzflÀchenscherfestigkeit keine direkte Vergleichbarkeit zu

erwarten, wie am Beispiel eines Round-Robin-Versuches fĂŒr ein Kohlenstoffaser-Epoxidharz-

System in Abb. 5.2 demonstriert werden konnte [140]. Dieser unbefriedigende Zustand war

und ist der Ausgangspunkt von zahlreichen Versuchen, die bei den unterschiedlichen

Testgeometrien in der GrenzflÀche auftretenden Spannungen mit theoretischen oder

experimentellen Mitteln zu beschreiben (Review in [141]).

0

20

40

60

80

100

120

140

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

Labornummer

Fragmentation XAU-Faser Fragmentation XAS-Faser

Strip-off XAU-Faser Strip-off XAS-Faser

Pull-out XAU-Faser Pull-out XAS-Faser

Indentation XAU-Faser Indentation XAS-Faser

d

[MPa]

Abb. 5.2 Scheinbare GrenzflĂ€chenscherfestigkeit, die fĂŒr zwei Kohlenstoffaser-Epoxidharz-Systeme (XAS-Faser, XAU-Faser) mit unterschiedlichen mikro-mechanischen Testmethoden von verschiedenen Experimentatoren erhalten wurde ([140]).

Dabei besteht die große Gefahr, den praktischen Hintergrund der Charakterisierungsmethoden

aus den Augen zu verlieren: die Verbesserung und die AufklÀrung der mit der Faser-Matrix-

HaftfÀhigkeit in Verbindung stehenden, technischen Eigenschaften realer Verbundwerkstoffe.

Die innerhalb eines mikromechanischen Testverfahrens erhaltenen GrenzflÀchen-Parameter

ermöglichen zumindest das Aufstellen einer Reihenfolge fĂŒr die Haftung alternativer, praktisch

relevanter Matrixsyteme. In gewissen Grenzen gelingt es, diese mit makroskopischen

Eigenschaften der daraus aufgebauten technischen Verbundwerkstoffe zu korrelieren ([34]-

[37]). Allerdings sind diese Ergebnisse hĂ€ufig nicht widerspruchsfrei. Ursache dafĂŒr ist, daß

die auf Basis unzutreffender Modelle abgeleiteten Parameter nicht den unabhÀngigen

Charakter von Materialeigenschaften besitzen, sondern wegen des unvollstÀndigen

VerstÀndnisses noch von den speziellen Bedingungen bei ihrer experimentellen Bestimmung

abhÀngen. In den realen Verbundwerkstoffen erfolgt die Belastung und das Versagen der

GrenzflÀche aber, z.B. wegen der Wechselwirkung der vielen dichtbenachbarten Fasern, unter

sehr unterschiedlichen Situationen. Eine Verbesserung der Einsicht in die Mechanismen der

GrenzflÀche ist daher auch eine wichtige Voraussetzung zur AufklÀrung der ZusammenhÀnge

Page 97: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

89

zwischen den Eigenschaften der mikroskopischen Strukturkomponenten und den technischen

Eigenschaften der Verbundwerkstoffen. Die Belastung und das Verhalten der GrenzflÀche in

den verschiedenen mikromechanischen Einzelfaserversuchen Àhnelt in wichtigen Aspekten den

VerhÀltnissen in realen Verbunden. Die vergleichsweise definierten Bedingungen und die

fehlende Wechselwirkung mit den Nachbarfasern erlauben in den Einfasersystemen eine

einfachere modellmĂ€ĂŸige Beschreibung und experimentelle Verifizierung wesentlicher

Mechanismen des GrenzflÀchenversagens. Ein detailliertes VerstÀndnis des Einflusses der

GrenzflÀche auf die Verbundeigenschaften ist ohne ein adÀquates VerstÀndnis der

mikromechanischen Versuche nicht möglich.

5.2 Kurzer Überblick ĂŒber mikromechanische Modellierung der Faser-Auszugs-

Problematik

Die Übertragung und Umverteilung lokaler Belastungen zwischen Matrix und Faser durch die

Faser-Matrix-GrenzflÀche bestimmt die VerstÀrkungs- und Versagensmechanismen faserver-

stÀrkter Materialien wesentlich. Die Beschreibung der auftretenden Spannungsverteilungen in

der Faser-Matrix-GrenzflÀche ist eine grundlegende Zielstellung der mikromechanischen

Modellierung. Ein in realen Kurzfaser-Verbunden und mikromechanischen Versuchen hÀufig

auftretender Fall ist die Belastung eines aus dem Matrixverbund herausragenden Faserendes

bis zum Versagen der Haftung mit der Matrix. Diese Konstellation wird als ‘Fibre-Pull-Out’

bezeichnet und ist Gegenstand zahlreicher theoretischer Modellierungen (Review: [136],

[142]). Die meisten der Modelle beziehen sich auf die Belastung einer einzelnen Faser in

einem Ausschnitt aus einem idealisierten Mehrfaser-Verbundwerkstoff. Die Wechselwirkung

mit den Nachbarfasern der unmittelbaren Umgebung wird im allgemeinen nicht im Detail

berĂŒcksichtigt, sondern im Sinne einer ‘mean-field’-NĂ€herung ĂŒber die Definition einer

rotationssymmetrischen Einheitszelle mit entsprechenden Randbedingungen nÀherungsweise

einbezogen. Die Modellierung des verbleibenden Einfasersystems wird durch die Reduktion

auf eine axialsymmetrische, zweidimensionale Analyse vereinfacht.

Als Objekt zur Untersuchung des mikroskopischen GrenzflÀchenversagens wurde in dieser

Arbeit der Einzelfaser-Auszugsversuch gewÀhlt. Er besitzt a priori eine rotationssymmetrische

Geometrie. Obwohl die Belastung der Faser dem Einheitszellenmodell des ‘Pull-Out’ im

Mehrfaserverbund entspricht, besteht doch ein wesentlicher Unterschied in der GrĂ¶ĂŸe des

umgebenden Matrixzylinders und den gewÀhlten Randbedingungen. Beim Mehrfaserverbund-

modell ist der Ă€ußere Radius des Matrixzylinders durch den Faservolumenanteil bestimmt, es

ergibt sich nur eine relativ schmale MatrixhĂŒlle um die Faser. Infolge der Wechselwirkung mit

den umgebenden Fasern ist der Ă€ußere Mantel nicht spannungsfrei. Beim Einzelfaser-

Auszugsversuch umgibt den eingebetteten Teil der Faser ein im Vergleich dazu sehr großer

Page 98: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

90

Matrixbereich (Matrixtropfen), dessen seitliche FlĂ€chen spannungsfrei sind. FĂŒr diese spezielle

Geometrie existieren explizit relativ wenige analytische Modelle, daher werden zur Beschrei-

bung des Einzelfaser-Auszugsversuchs die Mehrfaserverbundmodelle mit herangezogen.

Historisch und auch noch aktuell die grĂ¶ĂŸte Bedeutung besitzt eine ganze Gruppe von

Modellen, die als ‘Shear-Lag’-NĂ€herungen klassifiziert werden und auf einen Ansatz von COX

[143] zurĂŒckgehen. Die spezielle Formulierung fĂŒr den Faserauszug wurde von GRESZCZUK

[144] und LAWRENCE [145] vorgenommen. Die allgemeinen Kennzeichen dieser NĂ€herung

sind die folgenden:

a) Faser und Matrix werden durch zwei konzentrische, linear elastische, perfekt miteinander

verbundene Zylinder reprÀsentiert

b) auf Grund ihrer hohen Steifigkeit wird die Deformation der Faser als homogen ĂŒber ihren

Querschnitt angenommen und nur durch eine axiale Verschiebung u zzFaser beschrieben

c) im Mittelpunkt der Betrachtung steht das differentielle Kraftgleichgewicht zwischen der

axialen Belastung der Faser P zFaser und der Scherspannung i rzMatrix

fz z r r ,

(„GrenzflĂ€chenscherspannung“) der Matrix an der GrenzflĂ€che: dP z r z dzFaser f i 2

d) die Differenz der axialen Verschiebungen der Matrix an der FaseroberflÀche

u z r r u zzMatrix

f zFaser, und den durch Randbedingungen vorgegebenen Ver-

schiebungen u z r rzMatrix

m, auf der Ă€ußeren MatrixzylinderflĂ€che wird dazu genutzt, um

mittels vorgegebener Ansatzfunktionen einen Zusammenhang zu den an der GrenzflÀche

wirkenden Scherspannungen zu konstruieren: i rzMatrix

zMatrix

f zMatrix

mz z u z r u z r , , , ,

e) die Ansatzfunktionen zwischen Verschiebung und Scherspannung in der Matrix werden

durch willkĂŒrliche VernachlĂ€ssigungen von Spannungs- und Deformationskomponenten

und ihrer Richtungsableitungen in den Gleichgewichts- und KompatibilitÀtsbedingungen

sowie dem HOOKE’schen Materialgesetz erhalten. Diese Ansatzfunktionen erfĂŒllen die

elastomechanischen Bedingungen nur unvollstÀndig.

Die Standardform der ‘Shear Lag’-Annahmen (LAWRENCE [145]) ignoriert die

Radialspannungen rr und die axiale AbhÀngigkeit der Matrixdehnspannungen zz z in den

axialsymmetrischen Gleichgewichtsbedingungen:

zzMatrix

rzMatrix

rzMatrix

rzMatrix

rzMatrix

z r r r r 0 (5.3a)

und im HOOKE’schen Materialgesetz:

Page 99: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

91

Em zzMatrix

zzMatrix

m rrMatrix Matrix

zzMatrix (5.3b)

sowie die Änderung der radialen Verschiebungen in axialer Richtung:

2

rz

Matrix rMatrix

zMatrix

zMatrixu

z

u

r

u

r

(5.3c).

Die verbleibenden Gleichgewichtsbedingungen und HOOKE’schen Gleichungen werden

ĂŒberhaupt nicht berĂŒcksichtigt ([146], [147]).

Unter diesen Voraussetzungen wird als Ansatzfunktion eine einfache ProportionalitÀt der

GrenzflÀchenscherspannung zur Differenz der axialen Verschiebungen erhalten:

i zMatrix

f zMatrix

mz H u z r u z r , , (5.3d).

Dieser Zusammenhang bildet die zentrale Annahme der meisten Varianten der ‘Shear-Lag’-

Modelle. Die ProportionalitÀtskonstante H hÀngt neben den Abmessungen des Matrixzylinders

(bzw. dem Faservolumenanteil) auch von der Annahme fĂŒr die Spannungsrandbedingungen auf

dem Außenradius rm des Matrixzylinders ab und hat z.B. bei COX und GRESZCZUK die

Form: H G r r rm f m f / ln / .

Unter den Voraussetzungen des Modells von LAWRENCE erhĂ€lt man damit folgenden, fĂŒr die

‘Shear Lag’-NĂ€herungen typischen Zusammenhang zwischen Faserbelastung P und der Scher-

spannungsverteilung i z in der GrenzflÀche [136] im Abstand z zur MatrixoberflÀche:

i

f

fzP

rl z z

2coth cosh sinh (5.4)

mit

22

G

r E r rm

f f m fln / ( Gm ... Schermodul der Matrix).

Das Modell liefert einen endlichen, maximalen Wert fĂŒr die Scherspannung in der

GrenzflÀche. Er tritt am Eintauchpunkt der Faser in die Matrix ( z 0) auf und ergibt sich zu:

max coth

P

rl

f

f2 (5.5).

In der ĂŒblichen Form der Interpretation des Modells vermittelt Gl. 5.5 den Zusammenhang

zwischen der maximalen Scherspannung d , welcher die GrenzflÀche widerstehen kann

(„GrenzflĂ€chenscherfestigkeit“), und der im Moment des GrenzflĂ€chenversagens beobachteten

Ă€ußeren Belastung der Faser Pmax .

Beim Einzelfaser-Auszugsversuch fĂŒhrt die Identifikation des Außenradius des

Matrixzylinders rm mit den Außenabmessungen des Tropfens zu unakzeptablen Ergebnissen

fĂŒr . Die Überlegungen, welche dem Modell zugrundeliegen, gehen von einem nur schmalen

Matrixzylinder aus. Es wird versucht dies fĂŒr den Einzelfaser-Auszugsversuch zu

Page 100: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

92

berĂŒcksichtigen, indem man die ‘Shear-Lag’-Betrachtungen nur auf einen Ausschnitt des

Matrixbereichs um die Faser in Gestalt eines im Tropfeninneren liegenden Matrixzylinders

beschrĂ€nkt. Dessen Durchmesser ist allerdings nicht bekannt. Der Parameter wird daher fĂŒr

die Auswertung von Einzelfaser-Auszugsexperimenten als unbekannter Parameter betrachtet,

der an die Ergebnisse angepaßt werden muß.

Im Vergleich mit detaillierteren Analysen auf numerischer Basis zeigt sich, daß die‘Shear-

Lag’-Modelle den tatsĂ€chlichen SpannungsverhĂ€ltnissen in der Matrix und der GrenzflĂ€che

nicht gerecht werden und diesen höchstens in qualitativer Weise im Mittelbereich des

eingebetteten Faserteils entsprechen ([136], [147]). Aufgrund der geometrischen Inhomo-

genitÀten an den Faserkanten bzw. am Eintauchpunkt der Faser in die Matrix ergeben sich an

diesen Stellen im ideal elastischen Modell SpannungssingularitÀten ([148], [149]), die auch

unter realen VerhĂ€ltnissen (endliche SchĂ€rfe der Kanten, Matrixfließen) hohen Konzen-

trationen und starken Gradienten fĂŒr sĂ€mtliche Spannungskomponenten entsprechen.

Die im ‘Shear-Lag’-Ansatz getroffenen VernachlĂ€ssigungen korrespondieren mit den

tatsÀchlich in der Umgebung der Faser herrschenden Bedingungen in keiner Weise und sind

nicht zu rechtfertigen. Dies konnte aus dem Vergleich des in dieser Arbeit vorgestellten FE-

Modells mit den der Shear-Lag-NĂ€herung zugrundeliegenden Annahmen Gl. 5.3 demonstriert

werden (SINGLETARY [147]). Keine der vorgenommenen Vereinfachungen konnte mit

befriedigender Übereinstimmung bestĂ€tigt werden. Besonders unakzeptable Ergebnisse liefern

die VernachlÀssigung der axialen AbhÀngigkeit in den Matrixspannungen entsprechend

Gl. 5.3a im gesamten Matrixbereich und des Einflusses der Radial- und Umfangsspannungen

auf die axiale Deformation Gl. 5.3b im Bereich der Rißspitze. Auch lĂ€ĂŸt sich kein Radius fĂŒr

einen Matrixzylinder um die Faser finden, auf dem die Randbedingungen nur annÀhernd den

Annahmen des GRESZCZUK-Modells entsprechen. Sehr starke Abweichungen ergaben sich

fĂŒr sĂ€mtliche Annahmen in der NĂ€he der Faserenden. In diesen Gebieten resultieren die

unvollstĂ€ndige ErfĂŒllung der elastischen Grundgleichungen und die NichtberĂŒcksichtigung von

Komponenten fĂŒr die Ansatzfunktionen der ‘Shear-Lag’-Modelle in völlig unbrauchbaren

Ergebnissen fĂŒr die Spannungsverteilung. Doch gerade in diesen rĂ€umlichen Bereichen erfolgt

wegen der hohen Spannungskonzentrationen die Initiierung und die Ausbreitung des

GrenzflĂ€chenversagens. Um den Prozeß zu beschreiben, sind ‘Shear-Lag’-Modelle daher

denkbar schlecht geeignet. Auch die Nutzung komplizierterer Ansatzfunktionen durch

Einbeziehung z.B. der Radialspannungen ([150], [151], [152]) kann hier keine prinzipielle

Abhilfe schaffen, da die verbesserten analytischen AnsÀtze nur aus den homogenen Lösungen

rotationssymmetrischer, in axialer Richtung unendlich ausgedehnter Geometrien (LAME’sche

Lösungen: [105]) abgeleitet wurden. Sie sind in den fĂŒr das GrenzflĂ€chenversagen

entscheidenden Zonen ebenfalls nicht gĂŒltig.

Page 101: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

93

Neben den ‘Shear-Lag’-NĂ€herungen existieren noch einige andere analytische Modelle fĂŒr den

LastĂŒbertrag zwischen der Faser und der Matrix, die auf einer vollstĂ€ndigeren Umsetzung der

elastomechanischen Gleichungen und Bedingungen beruhen. Die Modelle von PHAN-THIEN

[153] und MUKI und STERNBERG [154] beschreiben ein System aus einer starren Faser, die

in einen unendlichen, elastischen Halbraum eingebettet ist, mittels Überlagerung der exakten,

linear elastischen Lösungen fĂŒr PunktkrĂ€fte. Die sich ergebenden Integrationen sind jedoch

analytisch nicht zu bewÀltigen und können nur abgeschÀtzt oder numerisch berechnet werden.

Bei PHAN-THIEN folgt aus der verwendeten AbschÀtzung nur die triviale Lösung einer

konstanten Scherspannung lÀngs der GrenzflÀche. Die Analyse bei MUKI und STERNBERG

fĂŒhrt auf eine numerische Lösung fĂŒr die Spannungsverteilung lĂ€ngs der Faser, die wegen des

Umfangs der verwendeten AusdrĂŒcke und der Notwendigkeit einer numerischen Lösung fĂŒr

eine praktische Auswertung nicht handhabbar ist. Gleiches gilt fĂŒr die Modellierung von LUK

und KEER [155], die eine Hankel-Transformation der elastischen Grundgleichungen in

Integralgleichungen benutzt, aber ebenfalls eine unĂŒberschaubare und nur numerisch zu

bewÀltigende Lösung liefert.

Aus diesen Erfahrungen heraus erscheinen mathematisch analytische Modellierungen generell

nicht dazu geeignet, die komplizierten Belastungen der GrenzflÀche beim Einzelfaser-

Auszugsversuch befriedigend zu beschreiben.

In der Literatur wird ĂŒber eine Anzahl von FE-Modellierungen der Einzelfaser-Auszugstests

berichtet ([137], [148], [149], [156]-[160]). In dieser Form der numerischen Analyse können

sÀmtliche Gleichgewichts- und KompatibilitÀtsbedingungen, verschiedenste Materialgesetze

und andere EinflußgrĂ¶ĂŸen in guter NĂ€herung erfĂŒllt werden. Die KomplexitĂ€t der Geometrien

spielt dabei keine Rolle. Die Genauigkeit der Ergebnisse hÀngt nur von der Dichte und der

GĂŒte der Vernetzung und damit von der verfĂŒgbaren Rechnerleistung ab.

Die bisher umfangreichste FE-Analyse ist die von MAROTZKE ([137], [149], [156], [157])

und untersucht den Einfluß von FaserlĂ€nge, elastischen und geometrischen Eigenschaften auf

die Spannungsverteilung in der GrenzflÀche. Die Ergebnisse dieser Modellierung bestÀtigen

die starke InhomogenitÀt und das Auftreten verschiedener Komponenten der Spannungen in

der GrenzflÀche. Obwohl die Modellierung eine weitgehende Beschreibung des Deformations-

verhaltens und der Spannungen beim Einzelfaser-Auszugsversuch liefert, macht sie zugleich

auch ein grundlegendes Problem der Verwendung einer GrenzflÀchenscherfestigkeit als

Versagenskriterium deutlich.

Es besteht in der Schwierigkeit, aus einer Modellbeschreibung einen definierten Maximalwert

fĂŒr die auftretende Scherbelastung der GrenzflĂ€che der Probe zu erhalten. In einer vollstĂ€ndig

elastischen Modellierung mit scharfen Geometriekanten an den Faserenden, Debonding-

rißspitzen und am Eintrittspunkt der Faser in die Matrix ergeben sich an diesen Positionen stets

Page 102: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

94

SpannungssingularitĂ€ten [149]. Die in der GrenzflĂ€che auftretenden Spannungen ĂŒberschreiten

bei einem ausreichend geringen Abstand zur geometrischen Störung jede beliebige Grenze.

Unter diesen UmstĂ€nden ist ein Festigkeitsmaß nicht sinnvoll. In der RealitĂ€t bleiben die

Spannungen an diesen Stellen natĂŒrlich begrenzt, bedingt durch die nur endliche SchĂ€rfe der

Geometriekanten und durch die inelastische Verformung des Materials. Die tatsÀchlich

auftretenden Spannungen werden in höchst empfindlicher Weise durch die konkrete

(submikroskopische) Geometrie und das konkrete mikroskopische Materialgesetz bestimmt.

Beides entzieht sich jedoch weitgehend der Kenntnis und auch der Bestimmungsmöglichkeit

des Untersuchenden. Die auf makroskopischer Ebene und zumeist nur unter einachsigen Span-

nungszustÀnden ermittelten Materialgesetze sind nicht ohne weiteres auf die mikroskopischen

m - Dimensionen und die dort herrschenden dreiachsigen Spannungen ĂŒbertragbar.

Ein Ausweg fĂŒr spröde Materialsysteme ergibt sich durch eine bruchmechanische

Beschreibung des GrenzflÀchenversagens als Wachstum eines Risses in der Ebene zwischen

zwei benachbarten Materialien mit unterschiedlichen elastischen Eigenschaften. Die bruch-

mechanische Sicht reduziert fĂŒr die konkrete mikroskopische Geometrie einer Rißspitze unter-

schiedliche Formen der Ă€ußeren Belastungen auf einen einheitlichen Belastungszustand, der

durch wenige Parameter beschrieben wird. Auf dieser Ebene lĂ€ĂŸt sich die Haftung durch die

WiderstandsfÀhigkeit der GrenzflÀche gegen die Ausbreitung des GrenzflÀchenrisses

beschreiben. Das entsprechende GrenzflÀchen-Kriterium wird durch eine kritische Energiefrei-

setzungsrate G c gebildet. Bleibt der Bereich inelastischen Materialverhaltens unmittelbar an

der Rißspitze klein gegenĂŒber einer, den Einfluß der Ă€ußeren Geometrie kennzeichnenden,

„charakteristischen“ Abmessung (Faserradius), so ist eine konkrete Beschreibung der in dieser

„Prozeßzone“ herrschenden VerhĂ€ltnisse nicht erforderlich [161]. Sie werden in den die

Grenzschicht charakterisierenden „kritischen“ Parameter ( Gc ) mit einbezogen.

Verschiedene, mathematisch analytische Modelle auf ‘Shear-Lag’-Basis versuchen die

Energiefreisetzungsrate der GrenzflĂ€chenrißausbreitung beim Einzelfaser-Auszugsversuch zu

berechnen ([152], [162]-[167]). Wegen ihres nur qualitativen NĂ€herungscharakters kann ĂŒber

die ZuverlÀssigkeit der damit erhaltenen Ergebnisse keine Aussage gegeben werden. Auf Basis

von Modellierungen mit Finiten Elementen wurden bruchmechanische Beschreibungen der

‘Pull-Out’-Geometrie von ATKINSON [148], BUCHHOLZ [158], MORRISON [160] und von

GENT [159] vorgestellt. Die dabei modellierten Geometrien betreffen kurze Fasern in einer

vergleichsweise kleinen Matrixumgebung und sind daher nicht reprĂ€sentativ fĂŒr den

mikromechanischen Einzelfaser-Auszugsversuch. Das Modell in [160] ist sehr grob vernetzt

und lĂ€ĂŸt keine Untersuchung der Rißinitiierung bei kurzen RißlĂ€ngen zu.

Eine bruchmechanische Beschreibung gestattet auch eine definierte Charakterisierung der

Überlagerung verschiedener Lastkomponenten in der GrenzflĂ€che, die beim

Page 103: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

95

Einzelfaserversuch insbesondere durch die starken Radialspannungsanteile gegeben sind. Die

Bestimmung der einzelnen ‘Mixed-Mode’-Anteile der Energiefreisetzungsrate ist aus der

Analyse der Rißspitzennahfelder im FE-Modell möglich ([148], [158]).

Zielstellung der in dieser Arbeit vorgenommenen Modellierung des Einzelfaser-Auszugs-

versuchs ist eine in sich konsistente Beschreibung des Versagens spröder GrenzflĂ€chen fĂŒr

elastische Materialien auf Basis des bruchmechanischen Kriteriums der

Energiefreisetzungsrate. Insbesondere soll dabei die Betrachtung der Belastung nicht auf die in

der GrenzflĂ€che auftretenden ScherkrĂ€fte beschrĂ€nkt bleiben, sondern mittels eines ‘Mixed-

Mode’-Versagenskriteriums auch die Überlagerung der radialen Komponenten detailliert

berĂŒcksichtigt werden. Die Analyse soll den realen geometrischen VerhĂ€ltnissen entsprechen

und den Einzelfaser-Auszugs-Versuch fĂŒr lange, schlanke Fasern in einer ausgedehnten

Matrixumgebung beschreiben.

Eine wesentliche Rolle fĂŒr den Mechanismus der LastĂŒbertragung zwischen Faser und Matrix

kommt der Reibung in bereits aufgerissenen Teilen der GrenzflĂ€che zu. Ein großer Teil der in

der Literatur zugĂ€nglichen Modelle befaßt sich besonders mit diesem Aspekt des Faser-

Auszugs ([139], [152], [165], [168]). Der Einfluß der Reibung wird darin relativ unabhĂ€ngig

vom eigentlichen Prozeß des GrenzflĂ€chenversagens untersucht. Dessen Einbeziehung in die

Analysen erfolgt nur auf Grundlage sehr einfacher NĂ€herungen (‘Shear-Lag’, empirische

Kriterien), die in keinem Fall ĂŒber die bereits dargestellten Beschreibungsversuche

hinausgehen. Hinsichtlich einer Übersicht ĂŒber diese Modelle sei auf [139] verwiesen.

Das große Leistungsvermögen der FE-Analyse zeigt sich besonders bei der Einbeziehung

komplizierter Einflußfaktoren, wie z.B. inelastischem Materialverhalten in Form von Matrix-

plastizitĂ€t oder -schĂ€digung. Die Interpretation dieser, fĂŒr Kunststoffmaterialien besonders

wichtigen, Prozesse geht ĂŒber die Möglichkeiten der herkömmlichen, linear elastischen Bruch-

mechanik hinaus und erfordert die Anwendung wesentlich komplexerer Konzepte auf Basis

einer SchĂ€digungs- und Fließbruchmechanik. Eine Ausdehnung der hier vorgestellten Analyse

auf die BerĂŒcksichtigung inelastischer Mechanismen ĂŒbersteigt den zeitlichen Rahmen dieser

Arbeit. Sie ist als deren FortfĂŒhrung nach Auswertung aller in der linearen Modellierung

gesammelten Erfahrungen geplant.

Page 104: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

96

5.3 Modellierung des Einzelfaser-Auszugstests

5.3.1 Geometrie

Die dem FE-Modell des Einzelfaser-Auszugsversuchs zugrundegelegte Geometrie ist in

Abb. 5.3 dargestellt. Sie entspricht in etwas schematisierter Form der sogenannten ‘Micro-

Bottom-Load’-Variante des Tests [58], die ausfĂŒhrlich in [36] und [129] beschrieben ist. Der

auf den Probenhalter aufgebrachte Matrixtropfen wird im vorliegenden Modell durch einen

Zylinder idealisiert, dessen Radius rm und Höhe lm als groß gegenĂŒber der LĂ€nge l f des

eingebetteten Teils der Faser angenommen werden: l r lm m f 4 8.. . Variationen der relativen

Abmessungen des Matrixzylinders bewirkten in den Resultaten der Modellierung nur sehr

geringe Änderungen von einigen wenigen Prozent, bezogen auf den Absolutwert der

Energiefreisetzungsrate. Im Vergleich zum Einfluß der eingebetteten FaserlĂ€nge erwies sich

der Einfluß der Matrixgeometrie jedoch als mindestens ebenbĂŒrtig.

Abb. 5.3 Geometrie des Modells der Einzelfaser-Auszugs-Probe

Das Versagen der Haftung wird im Modell

durch die Ausbreitung eines Risses in der Faser-Matrix-GrenzflÀche beschrieben, der seinen

Ausgang unmittelbar unter der MatrixoberflÀche nimmt und dessen Wachstum entlang nahezu

der gesamten, eingebetteten FaserlÀnge untersucht wird: r l l rf d f f/10 2 . An welchem

Faserende die Initiierung der Rißausbreitung stattfindet, wird durch die eingebettete FaserlĂ€nge

und das SteifigkeitsverhĂ€ltnis E Ef m/ bestimmt ([137], [169]). Der hier ausschließlich

untersuchte Fall einer von der MatrixoberflĂ€che ausgehenden Rißausbreitung ist fĂŒr Glasfaser-

Systeme mit einem LÀngen- zu DurchmesserverhÀltnis l rf f/ 2 7 realisiert [137] und ist

fĂŒr die mikromechanischen Einzelfaser-Auszugs-Experimente typisch. Lediglich fĂŒr relativ zur

Matrix sehr steife Fasern (C-Fasern) oder sehr kurze eingebettete FaserlĂ€ngen kann ĂŒber die

LĂ€nge der GrenzflĂ€che nicht ausreichend Faserspannung abgebaut werden, so daß am

r m

l f

l d

l frei

l m

2 r f

Probenhalter

Matrixtropfen

Faser

Lastverschiebung u

Lastkraft P

Page 105: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

97

eingebetteten Faserende noch genĂŒgend Last vorhanden ist, um eine Rißausbreitung hier zu

initiieren.

Die Aufbringung und Messung der Lastkraft P bzw. der Lastverschiebung u auf das freie Ende

der Faser werden im realen Experiment mittels einer speziell dafĂŒr konstruierten Zugein-

richtung ĂŒber Piezo-Translatoren realisiert. Obwohl die Steuerung der Belastung daher

eigentlich verschiebungskontrolliert erfolgt, wird in den meisten realisierten Testanordnungen

aufgrund der langen freien FaserlĂ€nge der Beginn der instabilen Rißausbreitung durch die

aktuelle Lastkraft kontrolliert. Das Belastungssystem reagiert demzufolge trÀge, was einen

frĂŒhzeitigen Beginn der instabilen Rißausbreitung begĂŒnstigt. Erst in letzter Zeit ist es

gelungen, die Probe so zu gestalten, daß die freie FaserlĂ€nge kurz bleibt [132]. Bei dieser

VersuchsdurchfĂŒhrung kann stabile Rißausbreitung ĂŒber einen weiten Bereich entlang der

FaserlÀnge aufrecht erhalten werden. Zugleich wurde durch ebene Probengestaltung die

Möglichkeit geschaffen, die aktuelle LÀnge des Debondingrisses im Experiment zu verfolgen.

Dies eröffnet neue Perspektiven fĂŒr die Untersuchung des Debonding.

5.3.2 FE-Modell des Einzelfaser-Auszugs-Tests

Die rotationssymmetrische Geometrie gestattet eine einfache Beschreibung der Probe mit

einem zweidimensionalen, axialsymmetrischen Modell. FĂŒr die FE-Analyse ([138], [170])

wurden linear elastisches Deformationsverhalten vorausgesetzt und isoparametrische 2D-

Solidelemente mit 8 Knoten verwendet. Die Beschreibung der Rißausbreitung erfolgt ĂŒber die

Berechnung einer ganzen Reihe von FE-Modellen fĂŒr eine Probe unter schrittweiser Erhöhung

der GrenzflĂ€chenrißlĂ€nge ld . FĂŒr die Untersuchung der Rißinitiierung bei extrem kurzer

RißlĂ€ngen r l rf d f/10 2 wurde eine Vernetzung mit einer sehr kleinen Riß-Schrittweite

l rd f /10 benutzt. Die Modellierung im Bereich r l l rf d f f 2 bis zum fast vollstÀndigen

Debonding verwendete eine Schrittweite von l rd f / 2 fĂŒr die RißlĂ€nge. Eine hinsichtlich

der Netzdichte stark reduzierte Darstellung der Vernetzung ist in Abb. 5.4 zu finden. Die in

Kap. 2.3.1 eingefĂŒhrten Prinzipien zur Netzgestaltung bei der bruchmechanischen FE-

Modellierung wurden auch beim Modell des Einzelfaser-Auszugs berĂŒcksichtigt. Die etwas

komplizierte Aufteilung der Probe in unterschiedlich vernetzte Bereiche ermöglicht die lokale

Konstanz der Vernetzung bei der Änderung der RißlĂ€nge. Neben der unmittelbaren

Rißspitzenzone wurden unregelmĂ€ĂŸig vernetzte FlĂ€chen auch eingesetzt, um zwischen den fein

vernetzten Gebieten dicht um die Faser und dem nur wenig belasteten und daher gröber ver-

netzten Ă€ußeren Matrixbereich zu vermitteln. Allein auf diese Weise konnten große Ă€ußere

Abmessungen der Matrix bei gleichzeitig extrem feiner Vernetzung der Rißspitze und der

GrenzflÀche mit einem akzeptablen Aufwand an Elementen verwirklicht werden. Zur Untersu-

chung der singulĂ€ren Felder an der Rißspitze wurde das Netz in dieser Umgebung bis zu einer

Page 106: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

98

GrĂ¶ĂŸe der singulĂ€ren Rißspitzenelemente von weniger als 0,1% des Faserradius als charak-

teristischer Abmessung verfeinert. Zahlreiche Rechnungen unter Variation der Vernetzungs-

parameter demonstrierten die ZuverlÀssigkeit der mit dieser Vernetzung erhaltenen Ergebnisse.

Faser

Matrix

Last

Probenhalter

Rißspitze

Riß

Abb. 5.4 FE-Vernetzung der Einzelfaser-Auszugs-Geometrie (vergröberte Darstellung)

SĂ€mtliche Proben- und Netzparameter wurden ĂŒber Variable parametrisiert. Der gesamte

Analyseablauf fĂŒr eine Probe erfolgte mittels Makrosteuerung automatisch, was die

BewĂ€ltigung des großen Rechenaufwandes fĂŒr die Vielzahl der untersuchten Parameter-

kombinationen ĂŒberhaupt erst ermöglichte. Die Knotenanzahl der berechneten Modelle lag

zwischen 8000-15000 Knoten. Zur Berechnung einer Probe wurden etwa 20-50 FE-Modelle

unterschiedlicher RißlĂ€nge analysiert, die Rechenzeit mit der FE-Software ANSYS 5.0 auf

einem Personalcomputer AT486 betrug dafĂŒr zwischen 8-24 Stunden.

Die fĂŒr die Modellierung verwendeten Materialeigenschaften fĂŒr Faser und Matrix können als

reprĂ€sentativ fĂŒr spröde Glasfaser-Kunststoffmatrixsysteme angesehen werden. Die

Matrixeigenschaften sind mit denen von Epoxidharz und Polycarbonat vergleichbar.

Tabelle 5.1 Elastische Eigenschaften der modellierten Faser-Matrix-Systeme

Faser (Glas) Matrix 1 (Epoxidharz) Matrix 2 (Polycarbonat)

E GPaf 80

G GPaf 30,8

f 0,3

E GPam 5

G GPam 1 92,

m 0,3

E GPam 2,5

G GPam 0,96

m 0,3

Ausgehend von diesen Werten wurden auch geÀnderte Varianten untersucht.

Page 107: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

99

5.3.3 Ermittlung der Energiefreisetzungsrate aus den FE-Ergebnissen

5.3.3.1 Compliance und Energiemethode

Die durchgefĂŒhrte FE-Modellierung bleibt auf die lineare Beschreibung der Deformation und

des Materialverhaltens beschrÀnkt. Damit ist zur Berechnung der Energiefreisetzungsrate auch

deren lineare Definition aus der Compliance ( ) ( ) ( )C l u P l P ld d d= , / hinreichend:

( ) ( )G P l

P

r

dC l

dld

f

d

d

, = ⋅2

4π (5.6).

Aus der FE-Modellierung werden diskrete Werte fĂŒr die AbhĂ€ngigkeit der Nachgiebigkeit

( ) ( )( )C li d i von der RißlĂ€nge erhalten. Eine Interpolation der Ergebnisse, z.B. durch stĂŒckweise

Polynomfunktionen, ermöglicht die nÀherungsweise Berechnung der Ableitung und damit der

Energiefreisetzungsrate entsprechend Gl. 5.6. Dieses Verfahren wurde bereits in Kap. 2.3.3.1

als Compliance-Methode am Beispiel der DCB-Probe vorgestellt [82].

Die ebenfalls dort als Energie-Methode beschriebene, alternative Berechnungsvariante kann

völlig analog verwendet werden, um die Energiefreisetzungsrate aus den Ergebnissen des

Modells fĂŒr die in den Elementen gespeicherte elastische Energie U zu ermitteln:

( ) ( )G P l

r

U P l

ld

f

d

d P const

,,

= ⋅=

1

2π

∂

∂ (5.7).

Beide Verfahren beziehen sich auf unabhÀngige Ergebnisse der FE-Modellierung. Trotzdem

liefern sie beim hier vorgestellten FE-Modell praktisch völlige Übereinstimmung ĂŒber den

gesamten RißlĂ€ngenbereich (Abb. 5.5) fĂŒr alle untersuchten Proben.

0,5

1,0

1,5

2,0

0 10 20 30 40 50 60 70GrenzflĂ€chenrißlĂ€nge l d [””””m]

G aus KG aus CG aus UE f = 80 GPa; Μ f = 0,3

E m = 5 GPa; Μ m = 0,3

r f = 5 ”m

l f = 75 ”m

G

G Frei

0,99

1,00

1,01

0 10 20 30 40 50 60 70

Relative Abweichung zwischen den Methoden

G(E)

G(K)

GrenzflĂ€chenrißlĂ€nge l d

Abb. 5.5 Vergleich der Methoden zur Berechnung der Energiefreisetzungsrate aus den FE-Ergebnissen: Energiemethode (U); Compliancemethode (C); Berechnung aus den SpannungsintensitÀtsfaktoren (K)

Page 108: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

100

5.3.3.2 Bestimmung der ‘Mixed-Mode’-Anteile aus den Rißspitzen-

nahfeldern

Die unterschiedlichen bruchmechanischen Belastungsanteile in der Rißspitzenumgebung

werden aus der Untersuchung der dort auftretenden Spannungsfelder ermittelt. Die prinzipielle

Verfahrensweise der Extrapolation der SpannungsintensitÀtsfaktoren aus den an den Ligament-

knoten erhaltenen NĂ€herungswerten entspricht dabei dem im Kapitel 2.3.3.2 fĂŒr die DCB-

Probe dargestellten Verfahren. Allerdings unterscheiden sich die Terme fĂŒr die singulĂ€ren

Felder. Die singulĂ€ren AusdrĂŒcke fĂŒr einen Riß an der GrenzflĂ€che zwischen zwei elastischen

Materialien wurden von WILLIAMS und RICE entwickelt und sind in [161] und [171]-[173]

erlĂ€utert. FĂŒr die Spannungen auf dem Ligament ergibt sich folgender Zusammenhang im

Rißspitzensystem (r... Abstand zur Rißspitze, ϕ ... Winkel zum Ligament):

( ) ( ) ( )σ σπ

ϕϕ ϕΔligament

rligament i rr i r

K i K

re+ ⋅ =

+ ⋅⋅ ⋅1 2

2

ln (5.8).

Der Parameter Δ ist die sogenannte Bimaterialkonstante und folgt aus den elastischen

Eigenschaften beider Materialien (Fall: ebener Verzerrungszustand):

( )( )

Δπ

Μ

Îœ= ⋅

− +

− +

1

2

3 4 1

3 4 1f f m

m m f

G G

G G

/ /

/ / (5.9).

FĂŒr ĂŒbereinstimmende, elastische Materialeigenschaften gilt Δ = 1 und Gl. 5.8 nimmt die

bekannte Gestalt fĂŒr isotrope Materialien an. Allgemein ist hĂ€ufig Δ <<1 erfĂŒllt, so auch fĂŒr

die hier modellierten Materialsysteme (Tab. 5.1): ΔFaser Matrix/ ,1 0 082= − ; ΔFaser Matrix/ ,2 0 088= − .

In der Formulierung Gl. 5.8 werden die Ligamentspannnungen durch einen komplexen

SpannungsintensitĂ€tsfaktor K K i K= + ⋅1 2 festgelegt. Im Gegensatz zu den homogenen

Materialien findet beim Riß an einer GrenzflĂ€che keine generelle Entkopplung zwischen den

Komponenten des SpannungsintensitÀtsfaktors (K1 bzw. K2 ) und der Scher- bzw. Normal-

spannungskomponente ( ( )σ ϕrligament r und ( )σϕϕ

ligament r ) statt [161]. Ursache dafĂŒr ist das Auftreten

eines distanzabhĂ€ngigen Faktors ( )e i rΔ⋅ln neben der ĂŒblichen r−1 2/ -AbhĂ€ngigkeit fĂŒr den Betrag

der Spannungen. Dieser bewirkt eine Rotation um einen Winkel ( )Δ ⋅ ln r im komplexen Raum

bei der Zuordnung der Spannungskomponenten ( ) ( )σ σϕϕ ϕligament

rligamentr i r+ ⋅ zu den Komponenten

des komplexen SpannungsintensitĂ€tsfaktors K K i K= + ⋅1 2 . Eine Entkopplung ist nur fĂŒr

diskrete AbstĂ€nde rn gegeben, fĂŒr die der Winkel ein Vielfaches von π ergibt: ( )n rn⋅ = ⋅π Δ ln ,

dazwischen ist jede beliebige Zuordnung der Komponenten denkbar. FĂŒr die Beschreibung

realer Proben erweist sich die Oszillation im Hinblick auf die Mehrfachkeit der Lösungen

allerdings als bedeutungslos, da aufgrund der logarithmischen AbhÀngigkeit zwischen

Rißspitzendistanzen rn fĂŒr unterschiedliche Perioden n mehrere GrĂ¶ĂŸenordnungen Unterschied

Page 109: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

101

bestehen: ( )r rn n+ =1 / exp /π Δ . Am Beispiel ΔFaser Matrix/ ,1 0 082= − ergibt sich fĂŒr

r rn n+−≈ ⋅1172,3 10/ , was die praktische Irrelevanz der Vorstellung einer „Oszillation“ der

Felder anschaulich demonstriert: der Abstand zwischen zwei benachbarten Perioden entsprÀche

gerade dem VerhĂ€ltnis von AtomgrĂ¶ĂŸe (10 10− m ) und dem doppelten Durchmesser der Erd-

kugel (1 2 10 7, ⋅ m ). Die vieldiskutierte Oszillation und das damit verbundene Überlappen der

Rißufer im theoretischen Modell [174] verlieren sich in der inelastischen Prozeßzone, ĂŒber

deren innere VerhÀltnisse im Rahmen der Bruchmechanik keine Aussage gemacht werden kann

und werden soll. Ist diese Zone ausreichend klein gegenĂŒber der Ă€ußeren Geometrie (beschrie-

ben durch die „charakteristische LĂ€nge“), so wĂŒrde auch eine exakte BerĂŒcksichtigung der

tatsĂ€chlich in der Prozeßzone auftretenden Randbedingungen eine Spannungsverteilung liefern,

die durch Gl. 5.8 mit guter Genauigkeit im Bereich oberhalb der GrĂ¶ĂŸe der Prozeßzone und

unterhalb der GrĂ¶ĂŸe der charakteristischen LĂ€nge wiedergegeben wird [161]. Die GĂŒltigkeit

der singulÀren Felder entsprechend Gl. 5.8 wurde auch durch die Ergebnisse der FE-

Modellierung bestĂ€tigt, bei der die Prozeßzone gewissermaßen durch die GrĂ¶ĂŸe der

Rißspitzenelemente r rc f= ⋅0 001, reprĂ€sentiert wird.

Aus den singulĂ€ren Spannungen entsprechend Gl. 5.8 kann fĂŒr jeden Knoten m auf dem

Ligament eine NĂ€herung fĂŒr die Komponenten des komplexen SpannungsintensitĂ€tsfaktors

berechnet werden [173]. Die Extrapolation auf die Rißspitze kompensiert den Einfluß der

nichtsingulÀren Spannungsfelder, wie in Kapitel 2.3.3.2 beschrieben:

( ) ( )( )( )( ) ( )( )( )K i K r e r i r

r

i r ligamentm r

ligamentm

m

1 20

2+ ⋅ = ⋅ ⋅ + ⋅

→

− ⋅lim

lnπ σ σ

Δ

ϕϕ ϕ (5.10)

Wegen der LinearitÀt der sich aus den FE-Resultaten ergebenden Verteilung ist die

Extrapolation problemlos möglich (Abb. 5.6).

Abb. 5.6 Beispiel fĂŒr Extrapolation der Mode-1- und Mode-2- SpannungsintensitĂ€tsfakto-ren aus den Spannungser-gebnissen des FE-Modells an den Ligamentknoten

-0,3

-0,2

-0,1

0,0

0,1

0,2

0,3

0,05 0,10 0,15 0,20

Abstand von Rißspitze r [””””m]

K m K 1, (k)

K 2, (k)

K m,(k) aus σ ij,(k)

Ligament

Page 110: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

102

Der Zusammenhang zwischen der Energiefreisetzungsrate und den Komponenten des

komplexen SpannungsintensitĂ€tsfaktors kann fĂŒr das axialsymmetrische System in sehr guter

NĂ€herung durch die AusdrĂŒcke fĂŒr den ebenen Verzerrungszustand ([161], [172]) vermittelt

werden [148]:

( ) ( )G K

G GK

f

f

m

m1 1 1

2

1 1

4=

−+

−

⋅⋅

Μ Μ

πΔcosh (5.11a)

( ) ( )G K

G GK

f

f

m

m2 2 2

2

1 1

4=

−+

−

⋅⋅

Μ Μ

πΔcosh (5.11b)

( ) ( ) ( )G K K G K G K1 2 1 1 2 2, = + (5.11c)

Durch die hohe Steifigkeit der Faser wird eine Deformation in Umfangsrichtung in

unmittelbarer Umgebung der FaseroberflĂ€che nahezu vollstĂ€ndig verhindert, so daß hier

praktisch die Bedingungen des ebenen Verzerrungszustandes realisiert sind [175]. Die

Richtigkeit dieser Annahme kann ĂŒber den Vergleich der FE-Ergebnisse fĂŒr die aus der

Compliance-, der Energie-Methode und den SpannungsintensitÀtsfaktoren ermittelten Werte

der Energiefreisetzungsrate bestĂ€tigt werden. Die Methoden liefern eine außerordentlich gute

Übereinstimmung (Abb. 5.5).

Ermittelt man den komplexen SpannungsintensitÀtsfaktor K aus den singulÀren Feldern um die

Rißspitze gemĂ€ĂŸ z.B. Gl. 5.10, so ergibt sich der zunĂ€chst unerwartete Effekt, daß das

VerhĂ€ltnis seiner beiden Komponenten K K2 1/ , also gewissermaßen das ‘Mixed-Mode’-

VerhĂ€ltnis, vom bei der Modellierung verwendeten Maßeinheitensystem fĂŒr den Abstand zur

RißlĂ€nge r abhĂ€ngt. Ursache ist wiederum der Faktor ( )Δ ⋅ ln r , der eine Drehung im komplexen

Raum der SpannungszustĂ€nde beschreibt. Er ist der Ausdruck fĂŒr die Tatsache, daß sich das

VerhÀltnis von Scherspannungskomponente zu Normalspannungskomponente auf dem

Ligament eines Risses zwischen unterschiedlichen elastischen Materialien mit dem Abstand

von der Rißspitze Ă€ndert [161]. Im Gegensatz zum Riß in homogenen Materialien wird der

Belastungszustand beim GrenzflĂ€chenriß also nicht durch ein konstantes VerhĂ€ltnis von

Normalbelastung und Scherbelastung in der Rißebene charakterisiert.

Dennoch beschreiben die zwei Konstanten K1 und K2 die in der NĂ€he der Rißspitze

auftretenden Felder eindeutig. Lediglich die strenge Zuordnung von K2 zur Scherbelastung

und von K1 zur Normalbelastung der Rißebene ist wegen der Änderung des VerhĂ€ltnisses

dieser Spannungskomponenten mit dem Abstand r von der Rißspitze nicht mehr generell

möglich. Nur fĂŒr jeweils einen Abstand r, an dem der Wert dieser Distanz den Betrag r = 1

Page 111: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

103

annimmt, existiert diese Zuordnung (wenn man die hypothetische „Oszillation“ außer acht

lĂ€ĂŸt). Diese Stelle ist durch das Verschwinden der Winkeldifferenz zwischen der komplexen

Spannung und dem komplexen SpannungsintensitÀtsfaktor in Gl. 5.8 gekennzeichnet:

( )Δ ⋅ = =ln r 1 0 .

Der Übergang zu einem anderen Einheitensystem [ ]r' entspricht einfach nur einer Transformation der Komponenten des SpannungsintensitĂ€tsfaktors, um dieser entkoppelten

Zuordnung an der neuen Position r' = 1 zu entsprechen. Die Spannungsfelder bleiben davon

unberĂŒhrt. Das eigentliche Problem ist die mathematisch unklare Definition von Gl. 5.8, in

welcher der Logarithmus auf eine mit einer Maßeinheit versehene GrĂ¶ĂŸe angewendet wird. Die

Wahl einer Maßeinheit [ ]r bei seiner AusfĂŒhrung impliziert immer die Vorgabe eines Normierungsabstandes [ ]r r0 1= ⋅ , der gerade einer Einheit dieses Maßes entspricht:

( ) ( )Δ Δ⋅ → ⋅ln ln /r r r0 . FĂŒr diesen Abstand r0 auf dem Ligament ist die reine Zuordnung

( ) ( )K r rligament1 0 0⇔ σϕϕ und ( ) ( )K r rr

ligament2 0 0⇔ σ ϕ der Komponenten des SpannungsintensitĂ€ts-

faktors zu den Spannungskomponenten realisiert. Die Transformation von einem auf die

Maßeinheit [ ]r bezogenen SpannungsintensitĂ€tsfaktor [ ]( )K r auf den Wert ( )K r0 ist in

identischer Weise fĂŒr einen beliebigen Rißspitzenabstand r0 möglich und folgt einfach aus

einer Umformung von Gl. 5.8:

( ) ( ) ( ) [ ]( ) [ ]( )( ) [ ]( )

( ) ( )( )

σ σπ π

π

ϕϕ ϕΔ

ΔΔ

Δ

ligamentrligament i r

i r ri

r

r

ir

r

r i rK i K

re

K r i K r e

re

K r i K r

re

+ ⋅ =+ ⋅

⋅ =+ ⋅ ⋅

⋅

=+ ⋅

⋅

⋅

⋅⋅

⋅

1 2 1 2

1 0 2 0

2 2

2

0

0

0

ln

ln /ln

ln

(5.12).

Die Transformation von dem im Maßeinheitensystem [ ]r ermittelten SpannungsintensitĂ€ts-faktor auf einen beliebigen Normierungsabstand r0 wird vermittelt durch:

( ) ( )( ) [ ]( ) [ ]( )( ) [ ]( )K r i K r K r i K r ei r r

1 0 2 0 1 20+ ⋅ = + ⋅ ⋅ ⋅Δ ln /

(5.13).

Die Berechnung der Energiefreisetzungsrate aus den transformierten Werten ( )K r0 erfolgt

entsprechend den Gl. 5.11. Das Ergebnis fĂŒr den Gesamtwert ( ) ( )( )G K r K r1 0 2 0, ist unabhĂ€ngig

vom gewÀhlten Normierungsabstand r0 , nur die Aufteilung auf die Moden ( )( )G K r1 1 0 und

( )( )G K r2 2 0 wird davon beeinflußt.

Die Werte fĂŒr die Komponenten des SpannungsintensitĂ€tsfaktors oder der Energiefrei-

setzungsrate können fĂŒr einen GrenzflĂ€chenriß demnach nicht unabhĂ€ngig von einem

zugrundegelegten Normierungsabstand r0 angegeben werden. Das daraus abzuleitende ‘Mixed-

Mode’-VerhĂ€ltnis ( ) ( )K r K r2 0 1 0/ charakterisiert den speziellen Wert fĂŒr das VerhĂ€ltnis von

Page 112: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

104

Scherspannung zu Normalspannung ( ) ( )σ σφ ϕφrligament ligamentr r0 0/ , der auf dem Ligament an der

Position des Normierungsabstandes r0 eingenommen wird.

Obwohl die strenge Zuordnung von Mode 1 zur Normalbelastung und von Mode 2 zur Scher-

belastung beim GrenzflĂ€chenriß nicht gegeben ist, bleibt in der Praxis dennoch eine gewisse

Korrelation erhalten. Die durch den Winkel ( )Δ ⋅ ln /r r0 vermittelte Drehung des Spannungs-

zustandes ĂŒber den Bereich, in dem die singulĂ€ren Felder ĂŒberhaupt gĂŒltig sind, ist wegen des

meist sehr kleinen Wertes fĂŒr Δ gering. Dieser Bereich beginnt etwa eine Dekade unterhalb der

charakteristischen Abmessung und erstreckt sich höchstens ĂŒber ein bis zwei Dekaden bis

hinab zur ProzeßzonengrĂ¶ĂŸe. FĂŒr das hier berechnete Materialsystem mit ΔFaser Matrix/ ,1 0 082= −

folgt fĂŒr die Rotation des Spannungszustandes ein Wert von ca. 11° pro Abstandsdekade. Wird

der zur Definition der SpannungsintensitÀtsfaktoren benötigte Normierungsabstand r0 in der

GrĂ¶ĂŸenordnung zwischen Prozeßzone und charakteristischer Abmessung gewĂ€hlt, so ist ĂŒber

diesen Bereich die Zuordnung von ( )K r1 0 zur Normalbelastung ( )σϕϕligament r0 und von ( )K r2 0

zur Scherbelastung ( )σ ϕrligament r0 nĂ€herungsweise erfĂŒllt.

5.3.4 Berechnung der Last-Verschiebungs-Kurven

Die Energiefreisetzungsrate G liefert das bruchmechanische Kriterium, ob fĂŒr eine Probe mit

einer aktuellen RißlĂ€nge ld unter einer Belastung P Rißausbreitung stattfindet:

( ) ( )G P l G ld c d, ≄ (5.14).

Die kritische GrĂ¶ĂŸe Gc entspricht der fĂŒr eine Erhöhung der RißflĂ€che vom Material veraus-

gabten Energie. Diese wird aber neben den Materialeigenschaften auch noch durch die

Mechanismen bestimmt, unter denen sich die Rißausbreitung vollzieht. Im allgemeinen

existieren unterschiedliche mikroskopische Prozesse des Versagens, die in AbhÀngigkeit von

der Ă€ußeren Belastung angeregt werden. Die kritische Energiefreisetzungsrate ist daher fĂŒr

reale Materialien keine Konstante, sondern hÀngt von der Geometrie und der aktuellen

Belastung ab. Sie wird im Einzelfaser-Auszugs-Versuch durch die Überlagerung von Radial-

und Normalspannungskomponenten in der GrenzflÀche bestimmt, die sich im Verlauf der

Rißausbreitung Ă€ndern. In Gl. 5.14 wird dies durch die Annahme einer RißlĂ€ngenabhĂ€ngigkeit

der kritischen Energiefreisetzungsrate ( )G lc d berĂŒcksichtigt.

Aus der Definition der Energiefreisetzungsrate ( )G P ld, entsprechend Gl. 5.6 kann die zur

Ausbreitung des Risses (d.h. zur ErfĂŒllung von Gl. 5.14) bei einer bestimmten RißlĂ€nge

notwendige Ă€ußere Kraft ( )P ld d berechnet werden:

Page 113: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

105

( )( ) ( )( )

P l G lr G l

dC l

dl

d d c df c d

d

d

, =⋅

4π (5.15).

Die dazu gehörende Verschiebung ( )u Pd d des in die PrĂŒfmaschine eingespannten Endes der

freien Faser ergibt sich ĂŒber die Compliance ( )C ld der Probe am Matrix-Austrittspunkt der

Faser und der Dehnung des freien Faserteils l frei :

( )( ) ( ) ( )u P l l P l C ll

E rd d d frei d d d

frei

f f

, = ⋅ +

π 2 (5.16).

Die Belastung durch die PrĂŒfmaschine erfolgt meist verschiebungsgesteuert. Das Rißwachstum

kann dafĂŒr nur solange stabil gehalten werden, wie zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts

der Rißausbreitung entsprechend Gl. 5.15 und 5.16 eine Steigerung der Lastverschiebung

( )u Pd d mit der RißlĂ€nge notwendig ist. Kommt man ĂŒber diesen Bereich hinaus, kann die

PrĂŒfmaschine auf Grund der TrĂ€gheit nicht schnell genug die Lastverschiebung auf den sich

verringernden Gleichgewichtswert zurĂŒcknehmen. Dies entspricht dem Beginn des instabilen

Rißwachstums und der Riß breitet sich schlagartig entlang der gesamten, verbleibenden

GrenzflÀche aus.

FĂŒr lange freie FaserlĂ€ngen bleibt der Ausdruck in der Klammer auf der rechten Seite nahezu

konstant, und die Änderung der Lastverschiebung ist proportional der Änderung der Lastkraft.

In diesem Fall entspricht der Beginn der instabilen Rißausbreitung auch der maximalen

Debondingkraft ( )[ ]P Max P ld dmax = , die zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts der

Rißausbreitung nach Gl. 5.15 erforderlich ist.

Die zur stabilen Rißausbreitung benötigte Belastung ( )( )P l ud d d kann entsprechend den

Gl. 5.15 und 5.16 aus den Ergebnissen der FE-Modellierung fĂŒr die Compliance berechnet

werden. FĂŒr die Beschreibung der RißlĂ€ngenabhĂ€ngigkeit der kritischen Energiefreisetzungs-

rate ( )G lc d muß eine Modellannahme getroffen werden. Die in dieser Arbeit dafĂŒr gewĂ€hlte

NÀherung wird im nÀchsten Kapitel vorgestellt.

5.3.5 ‘Mixed-Mode’-Kriterium fĂŒr GrenzflĂ€chenversagen

Die Prozesse, die fĂŒr das Versagen der GrenzflĂ€che verantwortlich sind, vollziehen sich in

einem rĂ€umlichen Gebiet unmittelbar um die Rißspitze, das einer Prozeßzone der

Rißausbreitung entspricht [161]. Innerhalb dieser Zone kann nicht mehr von der GĂŒltigkeit des

linear elastischen Materialverhaltens ausgegangen werden: infolge von Mikrorißbildung,

Crazing, Fließen und Ă€hnlichen VorgĂ€ngen ist das Deformationsverhalten sehr kompliziert und

die tatsÀchlichen, lokalen Materialgesetze sind einer Modellierung kaum zugÀnglich.

Page 114: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

106

Bleibt diese Zone jedoch auf eine GrĂ¶ĂŸe beschrĂ€nkt, die sehr klein gegenĂŒber der charak-

teristischen Abmessung fĂŒr die elastischen, singulĂ€ren Felder ist, so werden sich diese relativ

unbeeinflußt in der elastischen Umgebung ausbilden, welche die Prozeßzone einschließt. Diese

verursacht dann lediglich eine kleine Störung der linear elastischen Rißgeometrie. Die Gestalt

der singulÀren Felder ist allein durch die Form des Risses festgelegt, ihre IntensitÀt wird von

der Ă€ußeren Geometrie bestimmt und durch die 3 SpannungsintensitĂ€tsfaktoren K1 , K 2 und

K 3 charakterisiert. Die Belastung der Prozeßzone kontrolliert das Versagen. Im Fall

ausreichend geringer GrĂ¶ĂŸe der Zone ist die Belastung dann ausschließlich durch die IntensitĂ€t

der Moden der singulÀren Felder bestimmt und wird durch die Werte der Spannungs-

intensitĂ€tsfaktoren vollstĂ€ndig beschrieben [161]. Jeder möglichen Belastung der Prozeßzone

entspricht in diesem Modell ein Punkt im Raum der drei SpannungsintensitÀtsfaktoren

{ }K K K1 2 3, , und jeder Richtung in diesem Raum ist eindeutig ein Punkt zugeordnet, an dem

Versagen auftritt. Die Gesamtheit dieser Punkte bildet eine zusammenhÀngende FlÀche

( )F K K K1 2 3, , , welche fĂŒr eine beliebige Überlagerung der Moden { }K K K1 2 3: : die zum

Versagen notwendige Belastung der GrenzflÀche charakterisiert. Der Ausdruck ( )F K K K1 2 3, , ,

der diese FlÀche beschreibt, wird als Versagenskriterium bezeichnet. Die Form der FlÀche ist

fĂŒr jedes Materialsystem unterschiedlich und zunĂ€chst völlig unbekannt. Sie muß aus experi-

mentellen Untersuchungen rekonstruiert werden, deren Realisierung schwierig ist. Ein hÀufig

beschrittener Weg ist die AnnÀherung der FlÀche durch eine Approximationsfunktion, deren

Parameter aus dem Experiment ermittelt werden.

Abb. 5.7 Demonstration des Einflusses des Normierungsabstandes r0 , der eine

Drehung des elliptischen ‘Mixed-Mode’-Versagenskriteriums bewirkt (Darstellung im K-Koordinatensystem mit r m0 1= ” ).

Die Punkte auf der Versagenskennlinie markieren die LastzustÀnde der Probe, die bis zum Erreichen der maximalen Debondingkraft Pmax durchlaufen werden.

-2,0

-1,5

-1,0

-0,5

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

0,5 1,0 1,5

K 1 (r 0= 1 ””””m)

K 2 (r 0= 1 ””””m)

G 2c / G 1c=( K 2c / K 1c ) 2= 4

r 0= 1 ”m

r 0= 0,001 ”m

Ef =80 GPa

Em =5 GPa

Μf = Μm = 0,3Δ = -0,082

Page 115: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

107

Der einfachste Ansatz fĂŒr eine geschlossene FlĂ€che im Raum ist ein Ellipsoid, das in seiner

Hauptachsendarstellung durch folgenden Zusammenhang formuliert wird:

K

K

K

K

K

Kc c

' ' '1

1c

2

2

2

2

3

3

2

1

+

+

= (5.17).

Das Versagensellipsoid ist der in der Bruchmechanik homogener Materialien verbreiteteste

Ansatz fĂŒr ein Versagenskriterium [17].

FĂŒr die hier betrachtete Einzelfaserauszugsgeometrie tritt in der GrenzflĂ€che nur eine ebene

Belastung auf, die durch { }K K1 2, beschrieben wird, so daß sich Gl. 5.17 auf eine

Ellipsengleichung reduziert.

Im allgemeinen kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Hauptachsen der Ellipse

parallel zu den Achsen des Systems der SpannungsintensitÀtsfaktoren { }K K1 2, orientiert sind.

Eine um einen bestimmten Winkel gedrehte Lage der Ellipse sollte berĂŒcksichtigt werden.

Die praktische Rechtfertigung dafĂŒr ergibt sich aus dem Vergleich mit experimentell

ermittelten Versagenskriterien ([56], [161], [176], [177]).

Andererseits folgt die BerĂŒcksichtigung einer Drehung auch zwingend aus der Tatsache, daß

die Komponenten des komplexen SpannungsintensitĂ€tsfaktors fĂŒr einen GrenzflĂ€chenriß immer

nur bezogen auf einen ganz bestimmten Normierungsabstand r0 angegeben werden können

(siehe Kap. 5.3.3). Die Wahl einer anderen BasislÀnge r'0 erfordert zur Beschreibung des

selben realen Lastzustandes eine Transformation (Gl. 5.13) der Komponenten des Spannungs-

intensitÀtsfaktors: ( ) ( )( ) ( ) ( )( ) ( )K r i K r K r i K r ei r r1 0 2 0 1 0 2 0

0 0' ' ln ' /+ ⋅ = + ⋅ ⋅ ⋅Δ . Diese entspricht gerade

einer Drehung im Koordinatensystem { }K K1 2, um den Winkel ( )Δ ⋅ ln ' /r r0 0 . FĂŒr die

Beschreibung der Belastung und des dadurch verursachten Versagens ist die zur Formulierung

der SpannungsintensitÀtsfaktoren gewÀhlte BasislÀnge r0 physikalisch völlig unerheblich. Ein

und dasselbe Versagensverhalten wird bei Zugrundelegung verschiedener BasislÀngen durch

gegeneinander verdrehte Versagensellipsen in den transformierten Systemen beschrieben (siehe

Abb. 5.7). Zur Vereinfachung des Ausdrucks fĂŒr eine bestimmte Ellipsengleichung kann daher

diejenige BasislĂ€nge r0 benutzt werden, fĂŒr welche die Ellipse parallel zu dem dazugehörigen

System der SpannungsintensitÀtsfaktoren ( ) ( ){ }K r K r1 0 2 0, orientiert ist. In diesem System

ergibt sich einfach die Hauptachsendarstellung des Versagensellipsoids:

( ) ( )K r

K

K r

K c

1 0

1c

2

2 0

2

2

1

+

= (5.18).

Die BasislÀnge r0 erhÀlt bei dieser Vorgehensweise die Bedeutung eines Parameters, der die

Transformation der Ellipse in ihr Hauptachsensystem vermittelt und aus der Anpassung an die

experimentelle Versagenskurve erhalten werden kann. Die Gestalt der Ellipse wird durch die

Page 116: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

108

Hauptachsenwerte K1c und K c2 bestimmt. Im Hauptachsensystem ( ) ( ){ }K r K r1 0 2 0, ent-

sprechen sie den kritischen Werten der SpannungsintensitĂ€tsfaktoren fĂŒr den reinen Mode-1-

bzw. Mode-2-Belastungsfall. Diese Werte verkörpern Extremwerte des Versagenswiderstan-

des. Es wÀre plausibel, wenn sie in einer Versagenskennlinie realer GrenzflÀchen physikalisch

unterschiedliche Versagensmechanismen reprÀsentieren, etwa auf Grundlage von Normal- und

Scherbelastung der Prozeßzone. Eine entsprechende Zuordnung von Mode 1 zur Normalspan-

nung und Mode 2 zur Scherspannung an der Grenze der Prozeßzone wird erreicht, indem r0 in

der GrĂ¶ĂŸenordnung der Ausdehnung dieses Gebiets gewĂ€hlt wird. Obwohl diese Argumen-

tation nur hypothetisch ist, sollte sie zumindest einen Anhaltspunkt fĂŒr die GrĂ¶ĂŸenordnung des

Parameters r0 bieten. Überlegungen in Ă€hnlicher Richtung sind auch in [161] vorgestellt.

Das ‘Mixed-Mode’-Versagenskriterium fĂŒr die GrenzflĂ€che im Modell wird also durch 3

Parameter festgelegt: K1c , K c2 und r0 .

Der Zusammenhang zur Energiefreisetzungsrate wird durch die Gl. 5.11 vermittelt. Eine

Formulierung des Versagenskriteriums Gl. 5.18 in den ‘Mixed-Mode’-Anteilen ( )G r1 0 und

( )G r2 0 fĂŒr die BasislĂ€nge r0 ergibt:

( ) ( )G r

G

G r

G c

1 0

1c

2 0

2

1

+

= (5.19)

in welcher die Eigenschaften der GrenzflÀche durch die Parameter G1c , G c2 und r0 beschrie-

ben werden. Über empirische Betrachtungen der Energiefreisetzungsrate kommt [176] zu

einem vergleichbaren Versagenskriterium fĂŒr ‘Mixed-Mode’-Probleme. Aus der Versagens-

kennlinie Gl. 5.19 lĂ€ĂŸt sich die AbhĂ€ngigkeit der kritischen Energiefreisetzungsrate

( ) ( )G G r G rc = +1 0 2 0 vom ‘Mixed-Mode’-VerhĂ€ltnis ( ) ( ) ( )Θ1 2 0 1 0 2 0/ /r G r G r= ableiten:

( )( ) ( )

( )G G G r G

r

rG

G

c c c

c

2 1c 1 2 0 21 2 0

1 2 02

1c

1

1

, , //

/

ΘΘ

Θ

= ⋅+

⋅

+

(5.20)

Bei der Einzelfaserauszugsprobe hĂ€ngt dieses VerhĂ€ltnis von der RißlĂ€nge ld ab:

( )Θ Θ1 2 1 2 0/ / ,= l rd . Damit ergibt sich der zur Berechnung des Lastverlaufs bei stabiler

Rißausbreitung in Gl. 5.15 benötigte Zusammenhang fĂŒr die kritische Energiefreisetzungsrate

( ) ( )( )G l G G G l rc d c c d= 2 1c 1 2 0, , ,/Θ . Das ‘Mixed-Mode’-VerhĂ€ltnis ( )Θ1 2 0/ ,l rd kann aus den

Ergebnissen der FE-Modellierung berechnet werden. Beispiele fĂŒr den Verlauf der

AbhĂ€ngigkeit der kritischen Energiefreisetzungsrate von der RißlĂ€nge fĂŒr verschiedene

Annahmen der GrenzflÀchenparameter G1c , G c2 und r0 sind in Abb. 5.8 dargestellt.

Page 117: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

109

0,0

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

1,2

1,4

0 20 40 60 80GrenzflĂ€chenrißlĂ€nge l d [””””m]

G c (l d )

G c (P max )

G 2c /G 1c= 1

G 2c /G 1c = 2; r 0= 1 ”m

G 2c /G 1c = 4; r 0= 0,001 ”m

G 2c /G 1c = 4; r 0= 1 ”m

'Mixed-Mode'-GrenzflÀchenparameter

E m= 80 GPa; E m= 5 GPa; Μ f = Μ m= 0,3; l f= 75 ”m; r f = 5 ”m

Abb. 5.8 AbhÀngigkeit des Wertes der kritischen Energiefreisetzungsrate ( )G lc d von der

aktuellen RißlĂ€nge, infolge der Änderung des ‘Mixed-Mode’-Lastzustandes. Die Darstellung jeder Kurve ist normiert auf den Wert der kritischen

Energiefreisetzungsrate ( )G Pc max , der beim Erreichen der maximalen

Debondingkraft Pmax eingenommen wird.

Page 118: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

110

6. Ergebnisse der mikromechanischen Modellierung

6.1. Ergebnisse der FE-Modellierung

6.1.1 Einfluß der geometrischen Abmessungen und elastischen Material-

eigenschaften auf die Energiefreisetzungsrate

AusgewĂ€hlte Ergebnisse der FE-Modellierung [178] fĂŒr die AbhĂ€ngigkeit der Energie-

freisetzungsrate ( )G P const ld= , von der GrenzflĂ€chenrißlĂ€nge ld bei konstanter Last P sind in

Abb. 6.1 dargestellt. Die darin wiedergegebenen Kurven unterscheiden sich in der Steifigkeit

des Matrixmaterials Em und der eingebetteten FaserlÀnge l f . Die Energiefreisetzungsrate des

Systems steigt wĂ€hrend der Rißausbreitung unter konstanter Last P ĂŒber nahezu den gesamten

Bereich der FaserlĂ€nge an. FĂŒr den praktisch hĂ€ufigsten Fall einer nachgiebigen Versuchsein-

richtung resultiert dies in einem instabilen Verlauf der Rißausbreitung ĂŒber die fast

vollstÀndige GrenzflÀche. Dieses Resultat wird durch die experimentellen Erfahrungen

bestÀtigt.

0,0

0,1

0,2

0,3

0,4

0,5

0,6

0,7

0,8

0 1 2 3 4 5 6 7 8

ld [””””m]

E f = 80 GPa; r f = 5 ”m;

Μ f = Μ m = 0,3

Em= 2,5 GPa; l f = 75 ”mEm= 5 GPa; l f = 75 ”mEm= 2,5 GPa; l f =200 ”m

Em= 5 GPa; l f =200 ”m

G(l d )

G Frei

Bereich um Minimum von G(l d )

a) b)

Abb. 6.1a Detailausschnitt des Anfangsbereichs der Rißausbreitung zur deutlicheren

Darstellung des Minimums der Energiefreisetzungsrate ( )G ld .

Abb. 6.1b Vergleich des Einflusses von eingebetteter FaserlÀnge l f und E-Modul der

Matrix Em auf AbhÀngigkeit der Energiefreisetzungsrate ( )G ld von der

RißlĂ€nge ld (fĂŒr konstante Last P). Die Darstellung der Energiefreisetzungsrate

erfolgt bezogen auf den Anteil der freien Faser G konstFrei = (Gl. 6.1).

Alle Kurven zeigen jedoch am unmittelbaren Beginn der Rißausbreitung bei sehr kurzen

RißlĂ€ngen zunĂ€chst eine abfallende Tendenz von G (Abb. 6.1a). Dieses Verhalten ermöglicht

eine bruchmechanische Interpretation der Initiierung der Rißausbreitung. Das Versagen wird

0

1

2

3

0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200

LÀnge des GrenzflÀchenrisses ld [””””m]

Anteil der freien FaserlÀnge l f =75 ”m

l f =200 ”mMinimum in G

E f = 80 GPa

r f = 5 ”m

Μ f = Μ m = 0,3

Em= 2,5 GPa; l f = 75 ”mEm= 5 GPa; l f = 75 ”mEm= 2,5 GPa; l f =200 ”m

Em= 5 GPa; l f =200 ”m

G(l d )

G Frei

Page 119: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

111

infolge der hohen Spannungskonzentration im Bereich der MatrixoberflÀche seinen Ausgang

an irgendeiner Störung in der GrenzflĂ€che (‘Interface-Precrack’) nehmen. Schon bei sehr

geringer Belastung werden sich die winzigen, bereits in dieser Zone vorhanden, Bereiche ohne

Haftung weiter vergrĂ¶ĂŸern. Da jedoch im Anfangsbereich die vom System gelieferte

Energiefreisetzungsrate mit der Rißausbreitung absinkt, ist zur Aufrechterhaltung des

Wachstums eines ‘Precracks’ eine stĂ€ndige Erhöhung der Belastung P erforderlich. Erfolgt

diese nicht, kommt das Rißwachstum zum Erliegen. Die Rißinitiierung vollzieht sich also unter

Bedingungen stabilen Rißwachstums in definierter Weise. Erst wenn die RißlĂ€nge einen

kritischen Wert ld is, ĂŒberschreitet, beginnt die Energiefreisetzungsrate G mit der

Rißausbreitung zu wachsen und diese schlĂ€gt in einen instabilen Verlauf um. Der Wert ld is,

hĂ€ngt von der Nachgiebigkeit des Testsystems und der Änderung der kritischen

Energiefreisetzungsrate ( )G lc d mit der RißlĂ€nge ab. FĂŒr sehr nachgiebige Systeme (lange freie

FaserlĂ€nge) und konstantes Gc (ohne BerĂŒcksichtigung der ‘Mixed-Mode’-AbhĂ€ngigkeit)

entspricht die kritische RißlĂ€nge der Lage des Minimums von ( )G P const ld= , und liegt in der

GrĂ¶ĂŸenordnung des Faserradius.

Der Beginn der instabilen Rißausbreitung korreliert fĂŒr den Fall langer freier FaserlĂ€nge mit

der experimentell bestimmbaren, maximalen Kraft der Belastungskurve des Einzelfaser-

Auszugstests ( ) ( )P u P ld is d ismax , ,= . FĂŒr kurze freie FaserlĂ€ngen kann die Rißausbreitung auch

ĂŒber das Kraftmaximum hinaus stabil erfolgen (siehe Kap. 5.3.4). Der Beginn der instabilen

Ausbreitung wird dann durch die Verschiebung des freien Faserendes am Lastkopf der

PrĂŒfmaschine kontrolliert.

Lage und Wert des Minimums der Energiefreisetzungsrate zeigen eine nur geringe

AbhÀngigkeit von den geometrischen und elastischen Eigenschaften der Probe (Abb. 6.1a),

was den experimentellen Erfahrungen fĂŒr die Änderung der maximalen Debondingkraft Pmax in

spröden Materialsystemen bei großen eingebetteten FaserlĂ€ngen entspricht [136], [179]. Die

Wirkung von Variationen der POISSON-Zahlen und der GrĂ¶ĂŸe des Matrixtropfens ist absolut

gesehen ebenfalls gering, jedoch in derselben GrĂ¶ĂŸenordnung wie die von FaserlĂ€nge und

Matrixmodul.

Trotz der unterschiedlichen Eigenschaften der Proben zeigen alle Kurven in Abb. 6.1b ein

gemeinsames Plateau der Energiefreisetzungsrate ( )G P const ld= , fĂŒr Rißausbreitung ĂŒber den

Mittelteil der eingebetteten Faser. Um dies zu erklÀren, wurden die BeitrÀge der rÀumlichen

Bereiche der Probe zur Energiefreisetzungsrate untersucht. DafĂŒr wurde im FE-Modell die

Geometrie in unterschiedliche Gebiete aufgeteilt und die Änderung der in ihnen gespeicherten

elastischen Energie mit der Rißausbreitung ermittelt (Abb. 6.2). Diese entspricht dem Anteil

des Gebietes an der gesamten Energiefreisetzungsrate des Systems. Dabei zeigt sich, daß der

ĂŒberwiegende Teil der EnergieĂ€nderung aus der Zunahme der freien FaserlĂ€nge ( )l lf d− durch

Page 120: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

112

das GrenzflÀchenversagen entstammt [170]. Bei der Ausbreitung des GrenzflÀchenrisses um

eine LĂ€nge dld wird ein entsprechendes StĂŒck der Faser von der umgebenden Matrix

freigegeben und kommt unter den vollen Einfluß der Last P. Die elastische Energie des freien

Teils der Faser steigt dabei um ( )P dl E rd f f2 22⋅ ⋅ ⋅ ⋅/ π an. Bezogen auf die Änderung der

RißflĂ€che 2πr dlf d⋅ ergibt dies einen Anteil an der Energiefreisetzungsrate von:

GP

E rFrei

f f

=2

2 34 π (6.1).

-1,0

-0,5

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 SUM

Index des Modellbereichs

RißlĂ€nge

Modellparameter

Faser: E f = 80 GPa; Μ f = 0,3

l f = 75 ”m; r f = 5 ”m

Matrix: E m = 5 GPa; Μ m = 0,3

l m =r m = 300 ”m

dargestellter RißlĂ€ngenbereich:

7,5 ”m < l d < 65 ”m

01

2

4 3

6 578

9

10

11

12G(l d )

G Frei

Abb. 6.2 Anteile der verschiedenen Zonen der Einzelfaser-Auszugs-Probe an der

Energiefreisetzungsrate ( )G ld wĂ€hrend der Rißausbreitung (Darstellung

bezogen auf Anteil GFrei der freien Faser an ( )G ld )

0

10

20

30

40

50

60

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 SUM

Index des Modellbereichs

RißlĂ€nge

Modellparameter

Faser: E f = 80 GPa; Μ f = 0,3

l f = 75 ”m; r f = 5 ”m

l frei = 10 ”m

Matrix: E m = 5 GPa; Μ m = 0,3

l m =r m = 300 ”m

dargestellter RißlĂ€ngenbereich:

7,5 ”m < l d < 65 ”m

01

2

4 3

6 578

9

10

11

12

U(l d )

Abb. 6.3 Anteile der verschiedenen Zonen der Einzelfaser-Auszugs-Probe an der

elastischen Energie ( )U ld wĂ€hrend der Rißausbreitung.

Page 121: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

113

Dieser einfache Ausdruck beschreibt den Plateauwert der Energiefreisetzungsrate im Bereich

mittlerer GrenzflĂ€chenrißlĂ€ngen nahezu exakt (Abb. 6.1b). Er entspricht dem Ergebnis des

Modells von OUTWATER [163], der ihn in ganz analoger Weise fĂŒr ein System aus

nachgiebigen Fasern in einer steifen Matrix ableitete. Die GĂŒltigkeit kann jedoch, wie hier

gezeigt, viel weiter gefaßt werden. Der grĂ¶ĂŸte Teil der elastischen Energie ist auch bei

Systemen mit steifen Fasern und nachgiebiger Matrix im freien Teil der Faser gespeichert

(Abb. 6.3). Außer in der freien Faser herrscht eine hohe Energiedichte nur in einer, im

Vergleich zur Gesamtabmessung der Probe, kleinen Zone um die Rißspitze. Dieser Bereich

wandert jedoch wĂ€hrend der Rißausbreitung nahezu ungeĂ€ndert mit dem Riß mit. Die

Änderung der Energie und der Anteil an G aus diesen Gebieten ist daher gering. Lediglich fĂŒr

kurze und lange RißlĂ€ngen „spĂŒrt“ die mitwandernde Zone die Begrenzungen der Ă€ußeren

Geometrie und erfÀhrt merkliche VerÀnderungen. Diese resultieren in wesentlichen Anteilen an

der Energiefreisetzungsrate aus nahezu allen Gebieten der Probe. Im Fall kurzer RißlĂ€ngen

oder sehr fortgeschrittenen GrenzflĂ€chenversagens lĂ€ĂŸt sich kein einfaches analytisches Modell

zur Berechnung der Energiefreisetzungsrate mehr formulieren.

Gelingt es durch Versteifung der Versuchseinrichtung (kurze freie FaserlÀngen!) die

Rißausbreitung bis in den Plateaubereich bei etwa der HĂ€lfte der eingebetteten FaserlĂ€nge

stabil zu halten, so liefert der Anteil der freien Faser entsprechend Gl. 6.1 eine sehr gute

NĂ€herung zur Bestimmumg der kritischen Energiefreisetzungsrate Gc . Unter diesem Aspekt

sind die kĂŒrzlich von HAMPE [132] mit einer verbesserten Testeinrichtung erzielten

Ergebnisse von besonderem Interesse.

6.1.2. Einfluß der ‘Mixed-Mode’-Belastung

Die lokale Belastung des GrenzflĂ€chenrisses ergibt sich aus einer Überlagerung von Radial-

und Normalspannungen, die im bruchmechanischen Kontext einem ‘Mixed-Mode’-Zustand

mit gemeinsamen Auftreten von Mode-1- und Mode-2-Komponenten der

Energiefreisetzungsrate entspricht. Diese wurden aus den Rißspitzennahfeldern des FE-

Modells nach dem in Kap. 5.3.3.2 beschriebenen Verfahren ermittelt.

Page 122: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

114

Abb. 6.4 Aufteilung der Energie-

freisetzungsrate ( )G ld

auf die Moden ( )G r1 0

und ( )G r2 0 fĂŒr eine

Wahl des Normierungs-abstandes r m0 1= ” .

Abb. 6.5 Aufteilung der Energie-

freisetzungsrate ( )G ld

auf die Moden ( )G r1 0

und ( )G r2 0 fĂŒr eine

Wahl des Normierungs-abstandes r m0 0,01= ” .

In Abb. 6.4 sind die erhaltenen AbhÀngigkeiten ( )G ld1 , ( )G ld2 und ( ) ( ) ( )G l G l G ld d d= +1 2

fĂŒr einen Wert der BasislĂ€nge r m0 1= ” an einem Beispiel dargestellt. FĂŒr Risse zwischen

unterschiedlichen Materialien kann, wie in Kap. 5.3.3.2 erlÀutert, die Festlegung der Moden

immer nur bezogen auf eine, im ĂŒbrigen beliebige, NormierungslĂ€nge r0 erfolgen. Die Wahl

einer anderen BasislÀnge macht zur Beschreibung ein und derselben physikalischen Belastung

die Transformation der Moden des (komplexen) SpannungsintensitÀtsfaktors und der Energie-

freisetzungsrate erforderlich. Die Gesamtenergiefreisetzungsrate bleibt dabei unbeeinflußt,

lediglich deren Aufteilung auf die Moden 1 und 2 Àndert sich. Dies wird aus dem Vergleich zu

Abb. 6.5 deutlich, welche eine Darstellung der gleichen Belastung wie in Abb. 6.4, jedoch mit

einer geĂ€nderten Wahl fĂŒr die NormierungslĂ€nge r m0 0,01= ” , enthĂ€lt. Der prinzipielle

Verlauf beider Kurven ist Ă€hnlich. Der Beginn der GrenzflĂ€chenrißausbreitung vollzieht sich

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

0 10 20 30 40 50 60 70

LÀnge des GrenzflÀchenrisses l d [””””m]

E f = 80 GPa; Μ f = Μ m = 0,3

E m = 5 GPa

r f = 5 ”m; l f = 75 ”m

P = konst

r 0 = 1 ”m

G=G 1 +G 2

G 1 (r 0 )

G 2 (r 0 )G(l d )

G Frei

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

0 10 20 30 40 50 60 70

LÀnge des GrenzflÀchenrisses l d [””””m]

E f = 80 GPa

Μ f = Μ m = 0,3

E m = 5 GPa

P = konst

r 0 = 0,01 ”m

G=G 1 +G 2

G 1 (r 0 )

G 2 (r 0 )G(l d )

G Frei

r f = 5 ”m; l f = 75 ”m

Page 123: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

115

unter einer dominanten Mode-1-Belastung, die mit zunehmender RißlĂ€nge stark abfĂ€llt. Der

Mode-2-Anteil der Belastung ist zu Beginn relativ gering, nimmt mit weiterer Rißausbreitung

jedoch rasch zu und bestimmt das Versagen ĂŒber den grĂ¶ĂŸten Bereich der Rißausbreitung. Im

Plateaubereich der Energiefreisetzungsrate bleibt das VerhÀltnis der Moden nahezu konstant.

Das Minimum der Energiefreisetzungsrate fĂŒr sehr kurze RißlĂ€ngen ist Ergebnis der Überla-

gerung der sich hier absolut und relativ zueinander extrem stark Àndernden Lastkomponenten.

Der Einzelfaser-Auszugs-Versuch ist also ganz wesentlich durch ‘Mixed-Mode’-Belastungs-

zustĂ€nde gekennzeichnet. Beim herkömmlichen Test mit nachgiebiger VersuchsdurchfĂŒhrung

infolge langer freier FaserlĂ€ngen ist dies besonders kritisch. Hier tritt instabile Rißausbreitung

schon bei sehr kurzen RißlĂ€ngen auf, bei welcher sich der ‘Mixed-Mode’-Zustand sehr stark

Ă€ndert. Von Versuch zu Versuch werden damit die KenngrĂ¶ĂŸen fĂŒr die GrenzflĂ€che unter ganz

unterschiedlichen Belastungsbedingungen bestimmt, was ihre Vergleichbarkeit in Frage stellt.

Abb. 6.6 AbhĂ€ngigkeit der zur Auf-rechterhaltung der Rißaus-breitung erforderlichen

Kraft ( )P ld d von der Riß-

lĂ€nge. Die Variation der GrenzflĂ€chenparameter erfolgt unter der Voraus-setzung, daß fĂŒr alle Kurven an der Position des

Kraftmaximums ( )l Pd max

der gleiche Wert

G kJ mc = 1 2/ fĂŒr die

kritische Energiefrei-setzungsrate eingenommen wird.

Unter Nutzung des Modells Gl. 5.18 fĂŒr ein ‘Mixed-Mode’-Versagenskriterium und der

Ergebnisse der FE-Modellierung wird die AbhÀngigkeit der kritischen Energiefreisetzungsrate

von der RißlĂ€nge erhalten { }( )G G G r lc c d1c 2 0, , , (Gl. 5.20). Die Parameter { }G G rc c1 2 0, ,

beschreiben die Eigenschaften der GrenzflĂ€che. Die zur Rißausbreitung notwendige Last

{ }( )P G G r ld c c d1 2 0, , , kann aus Gl. 5.15 berechnet werden und Ă€ndert sich mit der RißlĂ€nge. Der

Einfluß der GrenzflĂ€chenparameter auf diese AbhĂ€ngigkeit ist in Abb. 6.6 fĂŒr eine

Beispielprobe demonstriert. Die dazugehörigen Last-Verschiebungskurven am Einspannende

der freien Faser sind in Abb. 6.7 fĂŒr eine verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig lange ( l mfrei = 500 ” ) und in

Abb. 6.8 fĂŒr eine relativ kurze ( l mfrei = 60 ” ) freie FaserlĂ€nge wiedergegeben. Der Wert der

kritischen Energiefreisetzungsrate an der Position der maximalen Debondingkraft wurde fĂŒr

alle Kurven als gleich angenommen: ( )( )G l P kJ mc d max /= 1 2 .

0

100

200

300

400

500

600

700

800

900

0 10 20 30 40 50 60 70

LÀnge des GrenzflÀchenrisses ld [””””m]

E f = 80 GPa; Μ f = Μ m = 0,3; E m = 5 GPa

P d (l d )

[mN] G c (P max ) = 1 kJ/m 2

G 2c /G 1c = 1; r 0 = 1 ”mG 2c /G 1c = 4; r 0 = 1 ”m

G 2c /G 1c = 4; r 0 = 0,001 ”m

r f = 5 ”m; l f = 75 ”m

Page 124: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

116

650

700

750

800

850

60 65 70 75Verschiebung des freien Faserendes u [””””m]

P d (u)

[mN]

E f = 80 GPa; Μ f = Μ m = 0,3; E m = 5 GPa

r f = 5 ”m; l f = 75 ”m; l frei = 500 ””””m

l d (P max ) = l d, is = 3,7 ”m

G c (P max ) = 1 kJ/m 2

G 2c /G 1c = 4; r 0 = 0,001 ”m

G 2c /G 1c = 4; r 0 = 1 ”m

G 2c /G 1c = 1; r 0 = 1 ”m

l d (P max ) = l d, is = 6,8 ”m

l d (P max ) = l d, is = 8,8 ”m

Abb. 6.7 Kraft-Verschiebungs-Kurven fĂŒr die große freie FaserlĂ€nge l mfrei = 500 ”

(„nachgiebige Versuchsanordnung“) fĂŒr den Bereich stabiler Rißausbreitung beginnend bei einer GrenzflĂ€chenrißlĂ€nge l md,min = 1” . Der Beginn der

instabilen Rißausbreitung wird durch den maximalen Wert von u charakterisiert. Der daran anschließende, schwach ausgezogene Teil der Kurven wird im realen Experiment nicht beobachtet. Alle Kurven besitzen an der Position des

Kraftmaximums ( )l Pd max den gleichen Wert G kJ mc = 1 2/ fĂŒr die kritische

Energiefreisetzungsrate.

500

600

700

800

10 11 12 13 14 15Verschiebung des freien Faserendes u [””””m]

P d (u)

[mN]

E f = 80 GPa; Μ f = Μ m = 0,3; E m = 5 GPa

r f = 5 ”m; l f = 75 ”m

l frei = 60 ””””m

l d (P max ) = l d, is

= 3,7 ”m

G c (P max ) = 1 kJ/m 2

G 2c /G 1c = 4; r 0 = 0,001 ”m

G 2c /G 1c = 4; r 0 = 1 ”m

G 2c /G 1c = 1; r 0 = 1 ”m

l d (P max ) = 6,8 ”m

l d (P max ) = 8,8 ”m

l d, is = 50 ”m

l d, is = 50 ”m

Abb. 6.8 Kraft-Verschiebungs-Kurven fĂŒr die kurze freie FaserlĂ€nge l mfrei = 60 ”

(„steife Versuchsanordnung“) ĂŒber den Bereich stabiler Rißausbreitung beginnend bei einer GrenzflĂ€chenrißlĂ€nge l md,min = 1” . Der Beginn der

instabilen Rißausbreitung entspricht dem maximalen Wert von u und fĂ€llt im allgemeinen nicht mit dem Maximum der Debondingkraft zusammen. Informationen zur Darstellung siehe Abb. 6.7.

Der gezeichnete Bereich der Kurven entspricht einem Wachstum der RißlĂ€nge von l md >1”

bis l md < 65” . Die Darstellung beginnt daher nicht im lastfreien Zustand und ist nur gĂŒltig fĂŒr

den Bereich der stabilen Rißausbreitung. Aufgrund der TrĂ€gheit der Testeinrichtung kann die

Page 125: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

117

Rißausbreitung nur solange stabil gehalten werden, wie zur Aufrechterhaltung des

Rißwachstums eine Erhöhung der Lastverschiebung u notwendig ist. Instabiles Rißwachstum

beginnt an dem Punkt, ab dem die Verschiebung ( )u ld in den Kurven wieder abnimmt. Der

schwach ausgezogene Teil der Kurven wird daher in der RealitÀt nicht durchlaufen.

FĂŒr den Fall der langen freien Faser (Abb. 6.7) stimmt der InstabilitĂ€tspunkt mit dem Erreichen

der maximalen Lastkraft Pmax ĂŒberein und wird bereits sehr frĂŒh, bei sehr niedrigen Werten der

RißlĂ€nge ld , erreicht.

Das System mit der kurzen freien FaserlĂ€nge erlaubt stabile Rißausbreitung ĂŒber einen viel

weiteren Bereich der RißlĂ€nge (Abb. 6.7). Der InstabilitĂ€tspunkt liegt dabei hinter der Position

der maximalen Lastkraft Pmax .

Bereits bei der gewĂ€hlten, zurĂŒckhaltenden Variation der GrenzflĂ€chenparameter wird

deutlich, daß diese fĂŒr beide Systeme den Lastverlauf, die Maximalkraft Pmax und das

Eintreten der instabilen Rißausbreitung wesentlich beeinflussen. Obwohl das Modell rein

linear elastisch ist, ergeben sich infolge der stabilen Rißausbreitung nichtlineare

Belastungskurven. Das Ausmaß der NichtlinearitĂ€t und die Höhe der maximalen

Debondingkraft wird vor allem durch das VerhÀltnis G Gc c2 1/ der reinen Moden der kritischen

Energiefreisetzungsrate bestimmt. Je grĂ¶ĂŸer die relative Unempfindlichkeit der GrenzflĂ€che

gegenĂŒber Mode 2 (nĂ€herungsweise mit der Scherbelastung korreliert, siehe Kap. 5.3.3.2) ist

(G Gc c2 1 1/ > ), desto mehr wird der Beginn der instabilen Rißausbreitung verzögert.

In Abb. 6.9 ist illustriert, daß der ‘Mixed-Mode’-Belastungszustand in der GrenzflĂ€che bei

Erreichen der Maximalkraft (P Pd = max ) wesentlich durch die GrenzflÀchenparameter festgelegt

wird. Sie kontrollieren sogar, ob der Beginn des instabilen Versagens unter dominanten

Mode-1- oder Mode-2-Bedingungen erfolgt.

Im allgemeinen sind Normalbelastungen (Mode 1) fĂŒr Risse kritischer als Scherbelastungen

(Mode 2), was einem VerhĂ€ltnis G Gc c2 1 1/ > entpricht. Dies wird aus der Literatur fĂŒr

GrenzflĂ€chenrisse in besonderem Maße bestĂ€tigt ([161], [176], [177]). Die in [161]

prĂ€sentierte, experimentell ermittelte Versagenskurve fĂŒr eine Glas-Epoxidharz-GrenzflĂ€che

zeigt in Mode-2-Richtung eine um GrĂ¶ĂŸenordnungen breitere Ausdehnung [Abb. 6.10]. Dies

entspricht einem sehr großen Wert des VerhĂ€ltnisses G Gc c2 1/ und resultiert praktisch in einer

weitestgehenden Unempfindlichkeit der GrenzflĂ€che gegenĂŒber dem Mode-2-Anteil der

Belastung. Allerdings erfolgte die experimentelle Bestimmung der Kennlinie an

makroskopische Proben, es ist daher nicht gewiß, ob sie in identischer Form auch auf

mikroskopischer Ebene gilt.

Page 126: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

118

0,51

24

1

0,1

0,01

0,001

0,1

1

10

100

r 0 [””””m]

E f = 80 GPa

E m = 5 GPa

Μ f = Μ m = 0,3

l f = 75 ”m

r f = 5 ”m

G 2c / G 1c

G 1 / G 2 (P max )

Abb. 6.9 Einfluß der GrenzflĂ€chenparameter auf den ‘Mixed-Mode’-Zustand

( ) ( )G P G P1 2max max/ an der Position der maximalen Kraft Pmax

0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

-90 -45 0 45 90

r 0 = 50 ””””m

artcan[K 2 (r 0 )/K 1 (r 0 )] [ ° ]

G c (K 2 /K 1 )

[J/m 2 ]

-8

-6

-4

-2

0

2

4

6

8

0 2 4 6 8 10 12 14 16

K 1 (r 0 )

K 2 (r 0 )r 0 = 50 ””””m

Abb. 6.10 An makroskopischen Proben bestimmte Versagenskennlinie fĂŒr eine Glas-Epoxidharz-GrenzflĂ€che [161]. Die Darstellung zeigt die AbhĂ€ngigkeit der kritischen Energiefreisetzungsrate vom Positionswinkel des ‘Mixed-Mode’-

Zustandes im ( ) ( ){ }K r K r1 0 2 0; -Koordinatensystem. Bei der gewÀhlten

BasislÀnge der Darstellung ergibt sich eine parallele Lage des Kriteriums zur

( )K r2 0 -Achse („Hauptachsensystem“), die auf eine geringe Empfindlichkeit der

GrenzflĂ€che gegenĂŒber Mode-2-Belastungen hindeutet.

Die WiderstandsfÀhigkeit der GrenzflÀche hÀngt in realen Materialien stark vom Mode der

Belastung ab. Unter diesen UmstÀnden erscheint eine Charakterisierung der GrenzflÀche mit

nur einem Parameter, etwa der kritischen Energiefreisetzungsrate am Punkt der instabilen

Rißausbreitung, als nicht ausreichend. Im Rahmen des hier vorgestellten, einfachen Versagens-

modells wird die GrenzflÀche durch die 3 Parameter { }G G rc c1 2 0, , beschrieben. Die kritische

Energiefreisetzungsrate ergibt sich daraus entsprechend Gl. 5.20 und hÀngt vom aktuellen

Page 127: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

119

Belastungszustand G G1 2/ der GrenzflÀche ab (Abb. 6.11). Zwischen den verschiedenen

mikromechanischen Versuchen, aber auch fĂŒr einen einzelnen Test kann der

Belastungszustand in extremer Weise variieren. Die aus unterschiedlichen Versuchen

erhaltenen Werte fĂŒr die kritische Energiefreisetzungsrate sind daher grundsĂ€tzlich kaum

vergleichbar.

Abb. 6.11 AbhÀngigkeit der kriti-schen Energiefreiset-zungsrate

( )G G G G Gc c1 2 2 1c/ , /

vom Mixed-Mode-Zustand G G1 2/ und

vom GrenzflÀchen-parameter G Gc2 1c/

entsprechend dem Versagenskriterium Gl. 5.20

Es kommt hinzu, daß die kritischen Werte im allgemeinen nur aus dem einzigen signifikanten

Punkt der experimentellen Meßkurve mikromechanischer Versuche ermittelt werden. Dieser

wird durch die maximal auftretende Lastkraft Pmax gestellt. Beim Einzelfaser-Auszugsversuch

wird diese ganz im Anfangsbereich der Rißausbreitung erreicht. FĂŒr kurze RißlĂ€ngen ist die

Belastungssituation der GrenzflÀche jedoch extrem komplex und durch sich stark Àndernde

‘Mixed-Mode’-VerhĂ€ltnisse gekennzeichnet. Dies fĂŒhrt zu betrĂ€chtlichen Unsicherheiten bei

der Bestimmung der kritischen Parameter, wie in Abb. 6.12 verdeutlicht werden kann. Sie

beschreibt die Situation eines Experimentators, der aus dem Einzelfaser-Auszugsversuch den

Wert der maximalen Debondingkraft P Pd ismax ,= erhalten hat. Mit Hilfe des FE-Modells

möchte er daraus den Wert der kritischen Energiefreisetzungsrate an dieser Stelle ermitteln.

Zwar hat er Informationen ĂŒber die elastischen und geometrischen Eigenschaften der Probe,

kann allerdings fĂŒr die GrenzflĂ€chenparameter G Gc c2 1/ und r0 nur Vermutungen anstellen.

Der aus dem Modell erhaltene Wert der kritischen Energiefreisetzungsrate ( )G Pc c is, hÀngt

jedoch in empfindlicher Weise von den fĂŒr diese Parameter getroffenen Annahmen ab. Da das

VerhÀltnis von Mode-2- und Mode-1-Belastbarkeit und der Wert der BasislÀnge r0 (inter-

pretierbar als GrĂ¶ĂŸe der Prozeßzone ?) fĂŒr reale Materialien höchstens abgeschĂ€tzt werden

können, ist der ermittelte Wert der kritischen Energiefreisetzungsrate sehr unsicher.

1/41/2

12

40,01

0,1

1

10

100

0

0,5

1

1,5

2

2,5

2-2,5

1,5-2

1-1,5

0,5-1

1/4

1/21

2

G 1 / G 2

G 2c / G 1c

G c

G c ( = 1)G 2c

G 1c

Page 128: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

120

Abb. 6.12 AbhĂ€ngigkeit der aus dem Modell fĂŒr einen vorgegeben Wert der Maximalkraft Pmax

erhaltenen kritischen Energiefreisetzungsrate

( )G Pc max von der Wahl

der ‘Mixed-Mode’-GrenzflĂ€chenparameter.

Die Wichtigkeit der BerĂŒcksichtigung der SensibilitĂ€t der GrenzflĂ€che gegenĂŒber unterschied-

lichen Belastungssituationen ist abschließend in Abb. 6.13 illustriert. Darin ist der Einfluß der

Geometrie-, der Material- und der ‘Mixed-Mode’-GrenzflĂ€chenparameter auf die maximale

Debondingkraft gegenĂŒbergestellt. Von allen Parametern wirken sich jene, welche die

GrenzflÀche beschreiben, am stÀrksten aus.

r 0 =1 ”m

E m =5 GPa

l f =75 ”m

ΜΜΜΜ f =0,15G 2c /G 1c =1

G c,is=1 kN/m

r 0 =1 ”m

E m =2,5 GPa

l f =75 ”m

Μ f =0,3

G2c /G 1c =1

G c,is=1 kN/m

r 0 =1 ””””m

E m =5 GPa

l f =75 ””””m

ΜΜΜΜ f =0,3

G 2c /G 1c =1

G c,is=1 kN/m

r 0 =0,001 ””””mE m =5 GPa

l f =75 ”m

Μ f =0,3

G 2c /G 1c =4G c,is=1 kN/m

r 0 =1 ”m

E m =5 GPa

l f =75 ”m

Μ f =0,3

G 2c /G 1c =4G c,is=1 kN/m

r 0 =1 ”m

E m =5 GPa

l f =200 ””””m

Μ f =0,3

G 2c /G 1c =1

G c,is=1 kN/m

100%

100% 101,1% 102,5%94,6% 90,6%

102,7%

Einfluß verschiedener Parameter auf die Maximalkraft P max beim Einzelfaser-Auszugs-Versuch

(Ref)

P max

P max(Ref)

Geometrie Material GrenzflÀche

Abb. 6.13 Vergleich der Wirkung verschiedener Parameter auf Maximalkraft Pmax des

Debonding beim Einzelfaser-Auszugsversuch.

0,9

1,0

1,1

1,2

1,3

1,4

0 1 2 3 4 5 6 7

'Mixed-Mode'-Parameter G 2c /G 1c

P max = konst

r 0 = 1 ”m

r 0 = 0,1 ”m

r 0 = 0,01 ”m

r 0 = 0,001 ”mG c (P max )

E f = 80 GPa; Μ f = Μ m = 0,3

E m = 5 GPa

r f = 5 ”m; l f = 75 ”m

Page 129: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

121

6.1.3 Schlußfolgerungen

Die Einzelfaser-Auszugs-Geometrie ist durch das Auftreten sehr inhomogener und komplexer

Spannungsfelder in der Matrix und entlang der Faser-Matrix-GrenzflÀche gekennzeichnet, die

sich den Möglichkeiten einer einfachen, analytischen Beschreibung weitestgehend entziehen.

Von besonderer Bedeutung fĂŒr das Versagensverhalten der GrenzflĂ€che erweist sich die

Überlagerung von Belastungskomponenten in radialer Richtung auf die FaseroberflĂ€che. Sie

lassen sich trotz der Besonderheiten des Lastzustandes an der Grenze zwischen unter--

schiedlichen Materialien bei vernĂŒnftiger Wahl des Normierungabstandes r0 mit dem Mode-1-

Anteil der bruchmechanischen Beschreibung korrelieren und können die durch axiale Scher-

(bzw. Mode-2-) Komponenten induzierte Belastung der GrenzflĂ€che bei weitem ĂŒbertreffen.

Eine auschließliche BeschrĂ€nkung auf die Charakterisierung der Scherbelastung der

GrenzflÀche, wie dies in den meisten experimentellen Untersuchungen durch den Parameter

einer GrenzflĂ€chenscherfestigkeit erfolgt, wird nur unvollstĂ€ndige und widersprĂŒchliche

Informationen ĂŒber die Belastbarkeit der GrenzflĂ€che liefern. Diese hĂ€ngt in wesentlichem

Maße von der Zusammensetzung der Belastung ab und ist wahrscheinlich durch eine im

Vergleich zu Mode 2 wesentlich höhere AnfĂ€lligkeit gegenĂŒber Normalbelastungen (Mode 1)

gekennzeichnet. Diese Schlußfolgerung ist aus experimentellen Resultaten abzuleiten ([161]),

entspricht jedoch auch den Erwartungen, da die GrenzflÀchenhaftung unter Scherbelastung

durch zusÀtzliche, submikroskopische mechanische Wechselwirkungen (Verhakungen) infolge

der OberflĂ€chenrauhigkeit der Materialien, beinflußt wird [176].

Um die AbhĂ€ngigkeit der WiderstandsfĂ€higkeit der GrenzflĂ€che von der Überlagerung

verschiedener Lastkomponenten zu beschreiben, ist ein einzelner Parameter, z.B. eine kritische

Energiefreisetzungsrate Gc , nicht mehr ausreichend. Entsprechende KenngrĂ¶ĂŸen sind nicht

konstant, sondern zeigen eine AbhĂ€ngigkeit vom ‘Mixed-Mode’-Zustand der Belastung. Der

einfachste Ansatz zur AnnĂ€herung des tatsĂ€chlichen Versagenskriteriums („Versagensellip-

soid“) benötigt zur Charakterisierung bereits 3 Parameter, die sich im Versuch einer

physikalischen Deutung vielleicht mit der WiderstandsfĂ€higkeit der Prozeßzone gegenĂŒber

Normal- (G1c ) und Scherbelastung (G c2 ) und der GrĂ¶ĂŸenordnung ihrer rĂ€umlichen Aus-

dehnung ( r0 ) in Beziehung setzen lassen. Die Auswirkungen dieser Parameter auf das

Versagensverhalten der Einzelfaser-Auszugs-Proben haben sich im Rahmen der hier

vorgestellten Modellierung als wesentlich erwiesen und ĂŒbertreffen die der anderen Material-

und Geometrieeigenschaften. Dies betrifft insbesondere die experimentell zugÀnglichen

GrĂ¶ĂŸen wie Lage ld,max und Wert der maximalen Kraft Pmax der Belastungskurve und Beginn

der instabilen Rißausbreitung ld is, . Eine relativ geringere Mode-2-Empfindlichkeit Ă€ußert sich

dabei in einer Verzögerung des Beginns der instabilen Rißausbreitung und einer verstĂ€rkten

Page 130: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

122

NichtlinearitĂ€t der Belastungskurven. Dieser Effekt korreliert mit kĂŒrzlich erhaltenen,

experimentellen Ergebnissen [132] (siehe Kap. 6.2).

Die gegenwĂ€rtige VersuchsdurchfĂŒhrung und Interpretation des Einzelfaser-Auszugs-Tests

konzentriert sich fast auschließlich auf den Wert der gemessenen, maximalen Faser-Auszugs-

Kraft Pmax , da dieser das signifikanteste und am einfachsten zu erhaltende Ergebnis der

Experimente darstellt. Er tritt aufgrund der um die Faser an der MatrixoberflÀche auftretenden

starken Spannungsgradienten bereits zu Beginn der GrenzflĂ€chenrißausbreitung bei sehr

kurzen RißlĂ€ngen auf. In diesem Bereich wird der Belastungszustand in der GrenzflĂ€che

jedoch noch direkt von der komplexen Situation nahe der MatrixoberflĂ€che beeinflußt und ist

durch starke Überlagerung von radialen und axialen Komponenten und einer raschen

Änderung mit der RißlĂ€nge bestimmt. Zwischen den einzelnen Versuchen bestehen an dieser

Stelle nicht vergleichbare und gegenĂŒber zufĂ€lligen Beinflussungen sehr empfindliche

Belastungssituationen. Dies resultiert in einer großen Unsicherheit fĂŒr die aus der maximalen

Debondingkraft ermittelten KenngrĂ¶ĂŸen. Es besteht keine Aussicht, diesen Zustand mit

einfachen Modellen befriedigend zu beschreiben.

Wesentlich stabilere Bedingungen sollte der Plateaubereich der Rißausbreitung entlang des

Mittelteils der eingebetteten Faser bieten. Der ‘Mixed-Mode’-Zustand bleibt hier relativ

konstant und ist von Mode 2 dominiert. Der Anteil der freien Faser GFrei liefert in diesem

Gebiet eine gute NĂ€herung zur Beschreibung der Energiefreisetzungsrate und ist aus einem

einfachen, analytischen Ausdruck zu erhalten (Gl. 6.1) [163]. Die herkömmliche Art der

VersuchsdurchfĂŒhrung mit großen freien FaserlĂ€ngen kann diesen Bereich allerdings nicht

untersuchen, da instabile Rißausbreitung bereits frĂŒhzeitig, mit dem Erreichen der maximalen

Debondingkraft auftritt. Der Aufbau einer steifen Versuchsanordnung mit kurzen freien

FaserlĂ€ngen ( l mfrei ≀ 60 ” ) ist von der PrĂ€paration her sehr aufwendig, wurde jedoch bereits

experimentell realisiert [132]. Die Rißausbreitung kann damit ĂŒber große Teile der

eingebetteten Faser stabil gehalten werden, was eine Auswertung auch des Plateaubereichs

erlaubt, die wesentlich verlĂ€ĂŸlichere Ergebnisse bieten sollte. Wichtige zusĂ€tzliche

Informationen liefert dabei auch die Bestimmung der tatsĂ€chlichen, aktuellen RißlĂ€nge aus

dem Experiment. Sie eröffnet eine von der Modellierung unabhÀngige Möglichkeit der

Bestimmung der Energiefreisetzungsrate durch unmittelbare Auswertung der Definition Gl. 5.6

von G ĂŒber die Änderung der experimentellen Compliance mit der RißlĂ€nge.

In weiterfĂŒhrenden Untersuchungen mit dem hier vorgestellten FE-Modell, die jedoch noch

nicht abgeschlossen sind, hat sich gezeigt, daß auch noch andere wesentliche EinflußgrĂ¶ĂŸen fĂŒr

das Versagen der GrenzflÀche existieren. Neben Faser-Matrix-Reibung sind diese insbesondere

durch inelastisches Matrixverhalten bedingt. Eigene Untersuchungen mit einem elastisch-ideal-

plastischen Materialgesetz fĂŒr eine Matrix mit einer relativ hohen Versagensspannung

Page 131: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

123

σYield MPa= 100 haben gezeigt, daß auch fĂŒr spröde Kunststoffmaterialien ausgedehnte

inelastische Zonen in der NĂ€he der GrenzflĂ€chenrißspitze auftreten. FĂŒr eine experimentell

typische Faserbelastung von P mN≈ 100 ergab sich eine GrĂ¶ĂŸe der inelastischen Matrix-

bereiche in radialer Richtung in der GrĂ¶ĂŸenordnung des Faserradius. Unter diesen UmstĂ€nden

erscheint selbst bei makroskopisch sprödem Versagensverhalten faserverstÀrkter Kunststoff-

materialien eine rein linear elastische bruchmechanische Beschreibung der GrenzflÀche als

nicht ausreichend. Es macht sich die Anwendung von Konzepten der Fließbruchmechanik und

die Kenntnis der realen, inelastischen Materialgesetze fĂŒr die Matrices erforderlich.

Die große Bedeutung der BerĂŒcksichtigung der verschiedenen, insbesondere radialen

Belastungskomponenten, die den Schwerpunkt der vorgestellten Arbeit darstellt, wird dadurch

in keiner Weise gemindert. Sie sind fĂŒr inelastisches Materialverhalten in gleichem Ausmaß zu

erwarten [118] und werden auch dafĂŒr besonders den Anfangsbereich der Rißausbreitung

dominieren und dessen Interpretation erschweren. Die Schlußfolgerungen fĂŒr die Gestaltung

der VersuchsdurchfĂŒhrung (Begrenzung der freien FaserlĂ€nge) bleiben ungeĂ€ndert gĂŒltig.

6.2. Vergleich mit experimentellen Ergebnissen

Die am besten reproduzierbare Grundlage zur Charakterisierung der GrenzflÀche sollte nach

den Ergebnissen der theoretischen Studie die Auswertung des Plateaubereichs der Energiefrei-

setzungsrate fĂŒr mittlere LĂ€ngen des GrenzflĂ€chenrisses bieten. Nur im Mittelteil der eingebet-

teten Faser kann die Rißausbreitung relativ ungestört von den komplexen Spannungsfeldern an

der MatrixoberflÀche bzw. am Faserende erfolgen. In dieser Zone bleibt der Belastungszustand

(G G1 2/ ) am Versagenspunkt der GrenzflĂ€che wĂ€hrend des Rißwachstums nĂ€herungsweise

konstant und ist zwischen verschiedenen Systemen am ehesten vergleichbar.

Eine stabile Ausbreitung des GrenzflÀchenrisses bis in diesen Bereich kann im Experiment

jedoch nur mit einem sehr steifen Belastungssystem aufrechterhalten werden. Wichtige Vor-

aussetzung dafĂŒr ist eine möglichst kurze LĂ€nge des freien Faserteils zwischen Einspannung

und MatrixoberflĂ€che, was die PrĂ€paration und VersuchsdurchfĂŒhrung betrĂ€chtlich erschwert.

Die praktische Realisierung einer derartigen, steifen Einzelfaser-Auszugsvorichtung ist nur aus

der Literatur bekannt. Die von HAMPE benutzte Apparatur (Abb. 6.14) ist in [132] zusammen

mit ersten Versuchsergebnissen an Glasfaser-Polymermatrix-Systemen beschrieben und

ermöglicht die Begrenzung der freien FaserlÀnge auf 20 60” ”m l mfrei< < . ZusÀtzlich zur

Messung der Kraft-Verschiebungs-Kurven ( )P u gestattet das Probendesign auch eine

spannungsoptische Bestimmung der aktuellen LÀnge ld des GrenzflÀchenrisses, was neue

Möglichkeiten fĂŒr die Interpretation der experimentellen Ergebnisse eröffnet.

Page 132: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

124

Abb. 6.14 Schematischer Aufbau der von Hampe [132] verwendeten Einzelfaser-Auszugsapparatur mit kurzer freier RißlĂ€nge

Die mit der Apparatur erhaltenen Meßkurven sind sehr detailliert und enthalten neben dem

Maximalwert der Auszugskraft weitere signifikante Informationen. Die in [132] veröffent-

lichten Resultate wurden deshalb ausgewÀhlt, um das in der theoretischen Modellierung

erhaltene Bild des GrenzflÀchenversagens beim Einzelfaser-Auszug zu verifizieren.

In Abb. 6.15 sind die experimentellen Kraft-Weg-VerlĂ€ufe fĂŒr ein Glasfaser-Polyamid 66-

System aus [132] dargestellt. Die EinbettlÀnge der Fasern variiert zwischen den Kurven inner-

halb 270 450” ”m l mf< < , die freie FaserlÀnge wird mit l mfrei = 30 ” angegeben. Obwohl

die geometrischen wie auch die materiellen Daten nicht mit den in dieser Modellierung

verwendeten Parametern ĂŒbereinstimmen, ist ein qualitativer Vergleich der Ergebnisse

möglich.

Auf den ersten Blick scheinen die Kurven denen fĂŒr G Gc2 1c 1/ > aus dem Modell erhaltenen

Kraft-Verschiebungs-Kurven (z.B. Abb. 6.8) unmittelbar zu entsprechen: an das Kraft-

maximum schließt sich nach steilem Abfall eine Zone langsamer Kraftverminderung an. In der

auf reinem Debonding basierenden Interpretation des Modells muß dieser Bereich mit der

stabilen Ausbreitung des GrenzflĂ€chenrisses entlang des grĂ¶ĂŸten Teils der eingebetteten

FaserlĂ€nge identifiziert werden. Am Fußpunkt des steilen Kraftabfalls wĂŒrde danach die

erreichte LÀnge des GrenzflÀchenrisses erst wenige ”m betragen und lÀge noch im Anfangs-

bereich der FaserlÀnge. Dies steht aber im Widerspruch zu der im Experiment beobachteten

RißlĂ€ngenentwicklung: am in Abb. 6.15 mit D bezeichneten Fußpunkt des steilen Kraftabfalls

war bereits der ĂŒberwiegende Teil der Faser von der GrenzflĂ€che gelöst und der sich

anschließende, flache Teil der ( )P u setzt sich stetig und ungestört bis zum vollstĂ€ndigen

Auszug fort. Er charakterisiert daher die reine Reibung der völlig abgelösten Faser wÀhrend

des Faserauszugs. AuffĂ€llig in den experimentellen Kurven ist das Auftreten eines „Knickes“

Page 133: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

125

bei sehr kleinen Belastungen, der in [132] als die Initiierung des Debonding gedeutet wird.

Seine Lage ist von der EinbettlĂ€nge l f der Fasern unabhĂ€ngig. Das gleiche gilt fĂŒr den Anstieg

der Kraft in dem sich daran anschließenden Bereich B-C bis zur maximal auftretenden Kraft,

die allerdings mit der EinbettlÀnge deutlich zunimmt. An dieser Position hat im Experiment die

Haftung ĂŒber einen wesentlichen Teil der FaserlĂ€nge bereits versagt. Das Maximum entspricht

daher nicht der Maximalkraft im Modell des reinen Debonding.

Abb. 6.15 Experimentelle Kraft-Weg-Kurven des Faser-auszugs fĂŒr ein Glasfaser-Polyamid66-System aus [132]. (EinbettlĂ€nge: zwischen 270 ”m und 450 ”m, freie FaserlĂ€nge: 30 mm, Geschwindigkeit des Auszugs: 0,06 ”m/s)

Die Ursache fĂŒr den großen Unterschied zum Experiment liegt im Auftreten von Reibung

zwischen Faser und Matrix im bereits aufgerissenen Teil der GrenzflÀche. Diese wurde in der

Modellierung nicht explizit berĂŒcksichtigt, hat jedoch hĂ€ufig einen starken Einfluß auf reale

Systeme. Bei der Modellierung des Einzelfaser-Auszugsversuchs ergeben sich infolge der

Belastung eine radiale Schrumpfung der Faser und eine Erweiterung des Matrix-Loches im

aufgerissenen Abschnitt der GrenzflÀche, die einem Kontakt von Faser- und Matrix entgegen-

wirken. Die BerĂŒcksichtigung eventueller, aus dem Herstellungsprozeß entstandener

thermischer Spannungen reicht nicht aus, um eine BerĂŒhrung der FlĂ€chen im Modell herbei-

zufĂŒhren (eigene Untersuchungen). Dennoch wird Reibung im Experiment experimentell

zweifelsfrei registriert, was das Ergebnis der OberflÀchenrauhigkeit der Fasern und darauf

beruhendem Kontakt sein dĂŒrfte. Eine AbschĂ€tzung der belastungsinduzierten Aufweitung des

GrenzflÀchenrisses aus dem FE-Modell liefert (bis auf die unmittelbare Umgebung der

Rißspitze) einen relativ einheitlichen Wert unterhalb 1% des Faserradius. Dies ist nicht

hinreichend, um die Rauhigkeit der Fasern auszugleichen. In das vorliegende FE-Modell lĂ€ĂŸt

sich die Struktur der FaseroberflÀche nicht mit einbringen.

Über die Verteilung der durch die Reibung auf die Faser ausgeĂŒbten Scherspannung ( )τR l

lassen sich nur Vermutungen anstellen. Die einfachste Annahme besteht in einem konstanten,

von der Position und der Faserbelastung unabhĂ€ngigen, Wert der GrenzflĂ€chenreibung τR .

Page 134: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

126

Eine gewisse Rechtfertigung erhĂ€lt diese Hypothese aus der Tatsache, daß in den experimen-

tellen Kraft-Weg-Kurven der vorwiegend durch die Reibung bestimmte Bereich zwischen

„Knick“ und Maximalkraft (B-C) einen relativ gleichbleibenden Anstieg zeigt und sich fĂŒr

verschiedene EinbettlĂ€ngen in diesem Gebiet ĂŒbereinanderliegende KurvenverlĂ€ufe ergeben

(Abb. 6.15).

Abb. 6.16 Kraft-Weg-Kurven des Einzelfaser-Auszugs-modells mit BerĂŒcksich-tigung von konstanter Faser-Matrix-Reibung τR MPa= 20 fĂŒr ver-

schiedene eingebettete FaserlÀngen l f . Zum

Vergleich sind die Anteile der reinen Debondingkraft

( )P ld d („ohne Reibung“)

im Diagramm mit eingezeichnet.

Mit weiteren BeschrÀnkungen ist es möglich, durch eine einfache analytische Erweiterung die

Ergebnisse der FE-Modellierung hinsichtlich des Einflusses von Reibung ergÀnzen. Bleibt

deren Auswirkung auf die zum Versagen der GrenzflÀche in der Faser unmittelbar an der

Rißspitze l ld= notwendige Kraft ( )P ld d („Debondingkraft“) unberĂŒcksichtigt ([139], [152],

[160]), so kann fĂŒr diese einfach das Ergebnis der FE-Modellierung verwendet werden. Die

Wirkung der Reibung reduziert sich dann auf eine Abbau von Faserspannung von der

MatrixoberflÀche l = 0 bis zum Versagenspunkt l ld= :

( ) ( ) ( )∆P l P l P l l r lFricd

Fricd f R d= = − = = ⋅ ⋅0 2π τ (6.2).

Um Rißausbreitung in der GrenzflĂ€che zu erreichen, muß an der MatrixoberflĂ€che l = 0 eine

um ( )∆P lFricd höhere, kritische Kraft in der Faser gegenĂŒber der reinen Debondingkraft ( )P ld d

an der Versagensstelle aufgewendet werden: ( ) ( ) ( )P l P l P ldFric

d dFric

d= = +0 ∆ . Die zusĂ€tzlich

benötigte Kraft steigt linear mit der RißlĂ€nge ld an und dominiert fĂŒr lange RißlĂ€ngen im

Vergleich mit ( )P ld d .

Die Verschiebung des Faserendes Àndert sich durch die erhöhte und nun nicht mehr konstante

Last in der Faser geringfĂŒgig entsprechend ( ) ( )du dl P l E rf f/ /= π 2 . Dies kann in einem

Korrekturterm zur Verschiebung ( )( )u P l ld d d frei, Gl. 5.16 des freien Faserendes des reinen

Debondingmodells formuliert werden:

( )( ) ( )( ) ( )u P l l l u P l ll

E rl ld

Fricd d R d frei d d d frei

R d

f f

d frei, , , ,ττ

= + ⋅ + 2 (6.3).

100

120

140

160

180

200

220

240

260

2 4 6 8 10

l f = 200 ”m

l d, is = 175 ”m

l f = 150 ”ml d, is = 130 ”m

l f = 100 ”ml d, is = 80 ”m

Mit Reibung:τ R = konst = 20 MPa

Ohne Reibung

l frei = 60 ””””m

E f = 80 GPa

E m = 5 GPa

Verschiebung des freien Faserendes u [””””m]

P [mN]

G c, Knick = 0,05 kJ/m 2

G 2c / G 1c = 4

r 0 = 1 ””””mP d, Plateau

Page 135: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

127

Gl. 6.2 und 6.3 ermöglichen zusammen mit den FE-Ergebnissen, die Berechnung der Kraft-

Weg-Kurven des Faserauszugs unter BerĂŒcksichtigung von Reibung. Die Resultate sind in

Abb. 6.16 fĂŒr die Annahme einer mittleren Reibspannung τR MPa= 20 und einer Variation

der eingebetteten FaserlĂ€nge 100 200” ”m l mf≀ ≀ dargestellt. Der Verlauf der reinen

Debondingkraft aus dem FE-Modell ohne Einbeziehung der Reibung ist dĂŒnner ausgezogen

ebenfalls im Diagramm eingezeichnet. Der Vergleich mit den experimentellen Ergebnissen in

Abb. 6.15 liefert nun eine vollstĂ€ndige, qualitative Übereinstimmung. Der Bereich A-B in

Abb. 6.15 bis zum „Knick“ am Beginn der Belastungskurven kann im leichten Unterschied zur

Interpretation in [132] mit der stabilen Rißausbreitung bis zum Erreichen des Maximums der

reinen Debondingkraft identifiziert werden. Der „Knick“ entspricht genau diesem Wert und

dem Übergang in den abfallenden Plateaubereich der reinen Debondingkurve. Der Kraftanstieg

bis zur Maximalkraft zwischen B und C in den experimentellen Kurven korrespondiert mit

dem Plateaubereich des reinen Debondingmodells. Der steile Abfall C-D markiert das

endgĂŒltige, nicht stabil zu haltende Versagen des verbleibenden, kurzen GrenzflĂ€chen-

abschnittes und entspricht der instabilen Rißausbreitung im FE-Modell. Diese wird im Modell

auch fĂŒr die Kurven mit BerĂŒcksichtigung von Reibung durch das nicht realistische

ZurĂŒckgehen der Verschiebung ( )u ld mit der weiteren Rißausbreitung charakterisiert.

Abb. 6.17 Einfluß der „Mixed-Mode“-Empfindlichkeit der GrenzflĂ€che auf die InstabilitĂ€t der Kraft-Weg-Kurven des Einzel-faserauszugsmodells mit BerĂŒcksichtigung von Faser-Matrix-Reibung. Stabile Rißausbreitung ĂŒber den „Knick“ hinaus ist nur fĂŒr das System mit geringerer Mode-2-Empfindlichkeit (G Gc2 1c 4/ = ) möglich.

Die Zone B-C des konstanten Kraftanstiegs ist in den experimentellen Kurven deutlich

ausgeprÀgt und relativ breit. Das reine Debonding durchlÀuft daher den Plateaubereich nach

dem Maximum der Debondingkraft in stabiler Weise. Dies ist nach den in Kap. 6.2 beschrie-

benen Erfahrungen nur möglich, wenn die GrenzflĂ€che eine stĂ€rkere Empfindlichkeit fĂŒr

Mode 1 gegenĂŒber Mode 2 besitzt (G Gc2 1c 1/ > ). Ist dies nicht der Fall, ist auch bei

Einbeziehung der Reibung (die fĂŒr kurze RißlĂ€nge keine wesentliche Rolle spielt) keine stabile

Rißausbreitung ĂŒber das Maximum der Debondingkraft hinaus möglich (Abb. 6.17). An der

120

130

140

150

160

170

180

190

200

210

2 2,5 3 3,5 4

(l d, is = 165 ”m)

Mit Reibung:

τ R = konst = 20 MPa

l f = 200 ””””m

l frei = 60 ””””m

E f = 80 GPa

E m = 5 GPa

Verschiebung des freien Faserendes u [””””m]

P [mN]

G c, Knick = 0,05 kJ/m 2

r 0 = 1 ””””m

G 2c / G 1c = 1 G 2c / G 1c = 4

(l d, is = 3,7 ”m)

Page 136: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

128

Position des „Knickes“ wĂŒrde instabile Rißausbreitung, zumindest in Form eines Lastkraft-

sprunges auftreten, was den experimentellen Erfahrungen nicht entspricht. Dies kann als

experimenteller Beleg fĂŒr die Kernaussage der theoretischen Modellierung angesehen werden,

daß das Versagensverhalten der Grenzschicht entscheidend durch deren unterschiedliche

SensibilitĂ€t gegenĂŒber Scher- und Normalbelastungen bestimmt wird und eine Betrachtung

allein der Scherbelastung ein nur unvollstÀndiges Bild der mikromechanischen Versuche

liefert.

Der Vergleich der durch die Reibung beeinflußten Kraft-Weg-Kurven zu den, das reine

Debonding beschreibenden aber experimentell nicht zugĂ€nglichen AbhĂ€ngigkeiten zeigt, daß

in den Versuchsergebnissen die Information ĂŒber die Haftung von der Reibung ĂŒberdeckt wird.

Die ZielgrĂ¶ĂŸe des Einzelfaser-Auszugsexperiments zur Charakterisierung der Haftung stellt

die kritische Energiefreisetzungsrate G c Plateau, im Plateaubereich des reinen Debonding dar. Sie

kann ĂŒber die NĂ€herung Gl. 6.1 aus der Kenntnis des Anteils der reinen Debondingkraft

Pd Plateau, im Bereich B-C der experimentellen Kraft-Weg-Kurven ermittelt werden. Dieser

Anteil wird durch die zur RißlĂ€nge ld proportionale Reibungskraft ( )∆P lFricd (Gl. 6.2) in der

GrenzflĂ€che ĂŒberlagert und ist direkt nicht zugĂ€nglich. FĂŒr große eingebettete FaserlĂ€ngen l f

ist das Plateau ( )P l P konstd d d Plateau≈ =, deutlich ausgebildet und der Teil B-C der experimen-

tellen Kurven ist durch einen linearen Anstieg der Reibungskraft P mit der RißlĂ€nge ld

gekennzeichnet. Extrapoliert man die sich in diesem Gebiet ergebende Gerade auf den Fall

verschwindender Reibung ld → 0 , so erhĂ€lt man einen NĂ€herungswert fĂŒr die reine

Debondingkraft Pd Plateau, .

Abb. 6.18 Kraft-RißlĂ€ngen-Kurve

( )P ld fĂŒr das Einzelfaser-

Auszugsmodell mit Faser-Matrix-Reibung. Die Ab-hÀngigkeit der reinen

Debondingkraft ( )P ld d

ohne Reibung ist ebenfalls mit dargestellt. Am Beispiel der grĂ¶ĂŸten Ein-bettlĂ€nge l mf = 200 ” ist

die Extrapolation der Pla-teaukraft Pd Plateau, des rei-

nen Debonding als Para-meter fĂŒr die Haftung vorgefĂŒhrt.

Dies ist in Abb. 6.18 an den Ergebnissen der Modellierung demonstriert. Die Extrapolation von

Pd Plateau, aus der AbhÀngigkeit der gemessenen Kraft des Einzelfaserauszugs ( )P ld von der

100

120

140

160

180

200

220

240

260

0 50 100 150 200

l f = 200 ”m

l f = 150 ”m

Mit Reibung:

τ R = 20 MPa

Ohne Reibung

l frei = 60 ””””m; E f = 80 GPa

E m = 5 GPa

LÀnge des GrenzflÀchenrisses l d [””””m]

P [mN]

G c, Knick = 0,05 kJ/m 2

G 2c / G 1c = 4

r 0 = 1 ””””ml f = 100 ”m

Extrapolationsgerade

P d, Plateau

Page 137: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

129

GrenzflĂ€chenrißlĂ€nge lĂ€ĂŸt sich an Gl. 6.2 einfach nachvollziehen, allerdings erfordert die

Bestimmung der aktuellen RißlĂ€nge zusĂ€tzlichen experimentellen Aufwand. Dieser sollte sich

jedoch auch in der Hinsicht auszahlen, daß bei der Extrapolation aus ( )P ld der Anstieg

( )dP l dld d/ entsprechend Gl. 6.1 eine Information ĂŒber die im realen System auftretende

Faser-Matrix-Reibung τR beinhaltet:

τπ

R

f d B Cr

dP

dl≈ ⋅

−

1

2 (6.4).

In der zum experimentellen Vergleich benutzten Veröffentlichung [132] ist der dem Glasfaser-

Polyamid-System aus Abb. 6.15 entsprechende Zusammenhang zwischen Lastkraft P und

aktueller GrenzschichtrißlĂ€nge ld leider nicht dokumentiert. Daher kann das vorgeschlagene

Extrapolationsverfahren zur Bestimmung des Plateauwertes der Debondingkraft Pd Plataeu, hier

nicht unmittelbar angewendet werden. Um dennoch eine NĂ€herung fĂŒr die zu erwartende

GrĂ¶ĂŸenordnung der kritischen Energiefreisetzungsrate des reinen Debonding im Plateaubereich

des Glas-Polyamid-Systems zu erhalten, kann der Wert fĂŒr Pd Plataeu, aus der Meßkurve ( )P u

Abb. 6.15 abgeschĂ€tzt werden. Aus Abb. 6.16 ist ersichtlich, daß der Plateauwert Pd Plataeu,

zwischen dem Wert von P an der Position des „Knicks“ (B) und dem auf u = 0 extrapolierten

Wert fĂŒr P des sich daran anschließenden, reibungsdominierten Abschnittes (B-C) liegt. FĂŒr

das experimentelle System von Abb. 6.15 ergibt sich somit eine AbschÀtzung von

20 30mN P mNd Plateau< <, . Über Gl. 6.1 kann daraus eine NĂ€herung fĂŒr die kritische

Energiefreisetzungsrate des GrenzflÀchenversagens dieses Systems erhalten werden:

GP

E rJ m J mc Plateau

d Plateau

f f

,, / , /=

⋅= −

2

2 3

2 2

40,8 1 6

π

(E GPaf = 73 5, ; r mf = 5 6, ” ). Dieser Wert liegt in der GrĂ¶ĂŸenordnung der mit makro-

skopischen Verfahren („Brazilian-Disc“, „Peel-Test“) fĂŒr verschiedene Glas-Polymer-

GrenzflÀchen erhaltenen Werte ( [56], [159], [161]) und wesentlich unter der in [132] aus der

GesamtflÀche unter der Phase B-D berechneten Bruchenergie von 6 2J m/ . Diese beinhaltet

neben der reinen Debondingenergie jedoch auch die durch GrenzflÀchenreibung dissipierte

Energie, welche durch die VersuchsumstĂ€nde (thermische Spannungen, Geometrie) beeinflußt

wird und nicht als fĂŒr die GrenzflĂ€chenhaftung typische GrĂ¶ĂŸe angesehen werden kann.

Auf Grund bisher noch ungenĂŒgender Daten fĂŒr weitere GrenzflĂ€chensysteme in der Literatur

konnte nicht untersucht werden, ob das hier vorgestellte Verfahren eine signifikante

Unterscheidung der Systeme nach ihrer HaftfÀhigkeit ermöglicht. Dies, sowie die Beurteilung

der GĂŒltigkeit des hier verwendeten, einfachen Modells des Reibungseinflusses muß

weiterfĂŒhrenden Arbeiten ĂŒberlassen bleiben.

Page 138: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

130

7. Schlußfolgerungen fĂŒr Einsatz der FE-Methode zur Modellierung des

Versagens faserverstÀrkter Verbundwerkstoffe

Die vorliegende Arbeit konnte am Beispiel von zwei Fragestellungen demonstrieren, daß die

Finite-Elemente-Modellierung eine effektive Grundlage zur bruchmechanischen Beschreibung

des Versagensverhaltens faserverstÀrkter Verbundmaterialien bietet.

Sowohl der Einzelfaser-Auszugs-Versuch als auch der CDCB-Test sind durch eine einfache

geometrische Gestalt gekennzeichnet. Dennoch hat sich gezeigt, daß es mit analytischen

Lösungsverfahren auch im Rahmen einer linear elastischen Modellierung dieser Probleme

nicht möglich ist, NĂ€herungslösungen fĂŒr die Verschiebungen mit einer akzeptablen

Genauigkeit zu erhalten. Selbst die wesentlich vereinfachende Behandlung der CDCB-Probe

als ein System gekrĂŒmmter, stark deformierter Balken war nur unter ĂŒberaus großem

mathematischen Aufwand und nÀherungsweise zu bewÀltigen. Dennoch stellt sie sich als

unzureichend heraus, da ihre Ergebnisse fĂŒr die Verschiebungen bis zu 40% von denen einer

vollstÀndigen Modellierung abweichen. Analytische Modelle des Einzelfaser-Auszugs mit

ertrĂ€glichem Formulierungsaufwand (‘Shear-Lag’) erwiesen sich als prinzipiell ungeeignet, die

bei diesem Versuch auftretenden, fĂŒr das Versagen verantwortlichen,

Spannungskonzentrationen an den Faserenden quantitativ zu beschreiben. Die Einbeziehung

komplexerer EinflußgrĂ¶ĂŸen, wie nichtlinearer Deformation oder Überlagerung verschiedener

Belastungskomponenten an der Rißspitze (‘Mixed-Mode’) lĂ€ĂŸt sich in den Beispielen mit

analytischen Lösungsverfahren noch weit unbefriedigender verwirklichen und geht ĂŒber eine

AbschĂ€tzung nicht hinaus. Besonders problematisch fĂŒr die analytischen Ergebnisse ist die

Tatsache, daß zu ihrer Ableitung fĂŒr praktische Problemstellungen hĂ€ufig nicht gerechtfertigte

Vereinfachungen der vollstĂ€ndigen Modelle vorgenommen werden mĂŒssen. Deren Auswirkung

auf die Genauigkeit der Ergebnisse kann ohne Vergleichsmöglichkeit zu den exakten

Resultaten nicht eingeschÀtzt werden.

Der Aufwand fĂŒr eine Finite-Elemente-Modellierung der untersuchten Geometrien erweist sich

dank der heute verfĂŒgbaren, kommerziellen Programme fĂŒr den Bearbeiter als deutlich

geringer. Die Vorgehensweise bei der Lösung ganzer Gruppen von Aufgabenstellungen wird

durch die FE-Methode vereinheitlicht. Zwar sind eingehende Erfahrungen fĂŒr den Erhalt

verlĂ€ĂŸlicher Ergebnisse dabei unverzichtbar, doch sind sie nicht so spezieller Art und erfordern

weniger Intuition, als dies eine erfolgreiche analytische Bearbeitung der meisten Fragestel-

lungen voraussetzt. Die FE-Methode ist ein effektives Hilfsmittel besonders fĂŒr denjenigen,

der mit der Modellierung von zahlreichen, unterschiedlichen Problemstellungen konfrontiert

wird.

Page 139: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

131

Die Genauigkeit der mit der FE-Methode erhaltenen Ergebnisse wurde fĂŒr die in der Arbeit

behandelten Beispiele einer grĂŒndlichen ÜberprĂŒfung unterzogen und erbrachte fĂŒr die

gewĂ€hlten Diskretisierungen Abweichungen unterhalb 1 3− %. Dies geht fĂŒr die meisten

praktisch relevanten Geometrien ĂŒber die Möglichkeiten der analytischen Modellierung weit

hinaus. Selbst fĂŒr so einfache Konfigurationen wie die CDCB-Probe liefert z.B. das

aufwendige, nichtlineare analytische Stab-Modell fĂŒr kurze RißlĂ€ngen bereits einen Fehler von

mehr als 30 % in der Deformation.

Selbst fĂŒr die bewußt geometrisch einfach gewĂ€hlten Aufgabenstellungen konnten durch die

FE-Modellierung Erkenntnisse erhalten werden, die einer analytischen Behandlung bei

vergleichbarem Aufwand nicht zugÀnglich sind. Dies betrifft bei der CDCB-Probe z.B. das

Auftreten starker Mode-II-Anteile bei außermittiger Rißausbreitung und die gute GĂŒltigkeit

des rein empirischen Verfahrens zur Bestimmung der Energiefreisetzungsrate auch bei stark

nichtlinearer Deformation. FĂŒr den Einzelfaser-Auszugsversuch vermag nur die FE-Analyse

ein quantitatives Bild der auftretenden ‘Mixed-Mode’-ZustĂ€nde zu liefern und daraus den

Mechanismus der GrenzflĂ€chenriß-Initiierung zu erklĂ€ren. In noch viel stĂ€rkerem Maße gilt die

Erweiterung der Beschreibungsmöglichkeiten fĂŒr kompliziertere Geometrien und inelastische

Prozesse.

Dennoch hat sich gezeigt, daß die analytische Methode nach wie vor eine wichtige Rolle fĂŒr

die Ableitung und die praktische Umsetzung der Ergebnisse der numerischen Methoden ein-

nimmt. Allein die auf analytischer Basis erhaltenen AusdrĂŒcke fĂŒr die singulĂ€ren Felder an der

Rißspitze ermöglichen ĂŒberhaupt die Ermittlung der ‘Mixed-Mode’-Anteile der Belastung.

Erst das analytische Stabmodell der CDCB-Probe vermag allgemeine ZusammenhÀnge

zwischen den Probenparametern und der Deformation zu offenbaren, die eine Normierung und

Reduzierung der KenngrĂ¶ĂŸen der Probe, z.B. in Form des Parameters Fn , gestatten.

Andererseits können bei Kenntnis des tatsÀchlichen Verhaltens einer Probe aus dem FE-

Modell oftmals einfache AusdrĂŒcke auf analytischer Basis gefunden werden, die in gewissen

Grenzen die Probe mit hinreichender Genauigkeit charakterisieren. Beispiele dafĂŒr sind der

Anteil der freien Faser an der Energiefreisetzungsrate beim Einzelfaser-Auszugsversuch oder

die GĂŒltigkeit der linearen empirischen Definition fĂŒr die Energiefreisetzungsrate bei der stark

deformierten CDCB-Probe. Durch sie wird eine praktisch handhabbare Auswertung der

experimentellen bruchmechanischen Charakterisierung möglich. Eine ausschließliche Nutzung

der FE-Methode wĂ€re fĂŒr die Alltagsarbeit des PrĂŒflabors zu aufwendig und zu schwerfĂ€llig.

Ohne die FE-Methode ließe sich ĂŒber die GĂŒltigkeit derartiger, stark vereinfachender

AusdrĂŒcke keinerlei verlĂ€ĂŸliche Aussage treffen.

Die Nutzung der FE-Analyse verspricht in Wechselwirkung mit den analytischen Methoden

ein wesentlich erweitertes VerstĂ€ndnis fĂŒr die Beschreibung des Versagensverhaltens faser-

Page 140: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

132

verstÀrkter Verbundwerkstoffe auf der makro- und mikroskopischen Betrachtungsebene. Die in

dieser Arbeit dafĂŒr vorgestellten Methoden und gesammelten Erfahrungen zur bruch-

mechanischen Charakterisierung können in analoger Weise auf eine Reihe Àhnlicher

Fragestellungen (Faser-Fragmentierung, Matrixtropfen-Abscherversuch, ‘End-Notched-

Flexure’-Test, ...) ĂŒbertragen werden.

Page 141: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

133

Anhang I. Transformation der Rißuferverschiebungen auf mitbewegtes

Rißspitzen-Koordinatensystem fĂŒr geometrisch nichtlineare

FE-Analyse

Um die den singulĂ€ren Feldern entsprechenden Rißuferverschiebungen gemĂ€ĂŸ Tabelle 2.1 aus

dem nichtlinearen FE-Modell der CDCB-Probe ermitteln zu können, macht sich die Trans-

formation der FE-Ergebnisse fĂŒr die Verschiebungen aus dem globalen, ruhenden

Koordinatensystem in das lokale, mitbewegte Rißspitzenkoordinatensystem erforderlich

(Abb. 2.7).

Die jeweilige Position der Rißspitze { }x zCT CT, im globalen ruhenden Koordinatensystem

{ }x z, kann aus der Position des Rißspitzenknotens { }x zCT CT, ,,0 0 im undeformierten Zustand

und seiner Verschiebung { }ux uzCT CT, berechnet werden:

x x ux

z z uz

CT CT CT

CT CT CT

= +

= +,

,

0

0

(I.1)

Zur Bestimmung der RiĂŸĂ¶ffnungen wurden Knotenpaare k auf den sich gegenĂŒberliegenden

(gekrĂŒmmten) Rißufern mit im undeformierten Zustand identischer Position

{ } { }x z x zko ko ku ku, , , ,, ,0 0 0 0= generiert. Die Knoten auf der oberen Rißseite werden im

folgenden mit dem Index o, die auf der unteren Rißseite mit dem Index u gekennzeichnet.

Ihre aktuelle Position im globalen System ergibt sich ĂŒber die entsprechende Verschiebung

{ }ux uzko ko, bzw. { }ux uzku ku, :

x x ux

z z uz

ko ko ko

ko ko ko

= +

= +,

,

0

0

(I.2a)

x x ux

z z uz

ku ku ku

ku ku ku

= +

= +,

,

0

0

(I.2b).

Der Orientierungswinkel ( )α 0k des Rißspitzenkoordinatensystems im undeformierten Zustand

bezĂŒglich der x-Achse des globalen Koordinatensystem kann aus der relativen Position jedes

Knotens auf dem Rißufer berechnet werden:

( )( )tan, ,

, ,

α 00 0

0 0

k ko CT

ko CT

z z

x x=

−

− (I.3)

Wegen der KrĂŒmmung der RißflĂ€chen im Fall der CDCB-Probe folgt fĂŒr jedes Knotenpaar k

eine leicht unterschiedliche Orientierung des Rißspitzensystems, ein Umstand der in der zum

Abschluß durchgefĂŒhrten Extrapolation r→ 0 neutralisiert wird.

Page 142: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

134

Es folgt fĂŒr die ursprĂŒngliche Position (undeformierter Zustand) des Knotenpaares k im in

Rißrichtung orientierten Rißspitzen-Koordinatensystem:

( ) ( )( ) ( ) ( )( )( ) ( )( ) ( ) ( )( )

x x x z z

z' x x z z

ko ko CT

k

ko CT

k

ko ko CT

k

ko CT

k

' cos sin

sin cos

, , , , ,

, , , , ,

0 0 0 0 0 0 0

0 0 0 0 0 0 0 0

= − ⋅ + − ⋅

= − − ⋅ + − ⋅ =

α α

α α (I.4a)

und analog fĂŒr das untere Rißufer: x x

z' z'

ku ko

ku ko

' ', ,

, ,

0 0

0 0 0

=

= = (I.4b)

FĂŒr den deformierten Zustand wird das Rißspitzenkoordinatensystem des Knotenpaares k im

allgemeinen eine andere Orientierung ( )α k zur globalen x-Achse einnehmen. Die Lage der

Rißebene { }x zkR kR, an der Position des Knotenpaares k wird durch den Mittelpunkt der

Verbindungslinie beider verschobener Knoten festgelegt:

xx x

zz z

kRko ku

kRko ku

=+

=+2

2

(I.5).

Damit lĂ€ĂŸt sich der Orientierungswinkel ( )α k des aktuellen Rißspitzenkoordinatensystems

hinsichtlich der globalen x-Achse ermitteln:

( )( )tan α k kR CT

kR CT

z z

x x=

−−

(I.6).

Die Position der verschobenen Rißuferknoten { }x zko ko' , ' und { }x zku ku' , ' im mitrotierten

Rißspitzenkoordinatensystem { }x z'', folgt aus:

( ) ( )( ) ( ) ( )( )( ) ( )( ) ( ) ( )( )

x x x z z

z' x x z z

ko ko CT

k

ko CT

k

ko ko CT

k

ko CT

k

' cos sin

sin cos

= − ⋅ + − ⋅

= − − ⋅ + − ⋅

α α

α α (I.7a)

bzw. ( ) ( )( ) ( ) ( )( )( ) ( )( ) ( ) ( )( )

x x x z z

z' x x z z

ku ku CT

k

ku CT

k

ku ku CT

k

ku CT

k

' cos sin

sin cos

= − ⋅ + − ⋅

= − − ⋅ + − ⋅

α α

α α (I.7b)

Die Verschiebung der Rißuferknoten im mitbewegten und mitrotierten Rißspitzen-Koordi-

natensystem ergibt sich aus der Differenz ihrer aktuellen und ihrer ursprĂŒnglichen Position:

ux x x

uz' z' z'

ko ko ko

ko ko ko

' ' ' ,

,

= −

= −0

0

(I.8a)

ux x x

uz z z

ku ku ku

ku ku ku

' ' '

' ' '

,

,

= −

= −0

0

(I.8b).

Page 143: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

135

Anhang II: Differentialgleichung fĂŒr starke Biegung gekrĂŒmmter Balken

Untersucht wird die Biegung eines kreisförmig gekrĂŒmmten Balkens in der x-z-Ebene. Dieser

ist an einem Ende (ϕ ϕ= 1 ) fest eingespannt und wird am anderen Ende (ϕ ϕ= E ) ĂŒber ein starr

verbundenes Klötzchen mit einer senkrechten Kraft Fz bei ϕ π= / 2 belastet (Abb. 2.19).

Die Grundlagen der Beschreibung starker Biegung von geraden StĂ€ben sind in [66] ausfĂŒhrlich

beschrieben. Die dort dargestellte Ableitung lĂ€ĂŸt sich auf den allgemeinen Fall gekrĂŒmmter

StÀbe erweitern und liefert aus der lokalen Drehmomenten-Bilanz folgende

Differentialgleichung fĂŒr die Deformation:

( ) ( )

( ) ( )( ) ( )( ) ( )( )E I

dt l

dl

dt l

dlt l t l

d t l

dlF t l t lx y

b

b

b

b⋅ ⋅ × + + ×

= × +

0

0

2

2 0 (II.1).

Die darin vorkommenden GrĂ¶ĂŸen haben folgende Bedeutung:

Ex E-Modul des Stabes in LĂ€ngsrichtung;

IBh

y =3

12 FlÀchentrÀgheitsmoment des Biegequerschnitts (rechteckiger Stab);

B Breite des rechteckigen Stabquerschnittes;

h Höhe des rechteckigen Stabquerschnittes;

l LĂ€ngenposition entlang des Stabes

F Vektor der Ă€ußeren Lastkraft (am belasteten Stabende)

( )( )

t ldr l

dl0

0= Tangentenvektor an den undeformierten Stab bei Position l

( )r l0 Ortsvektor des undeformierten Stabes bei LĂ€nge l

( ) ( ) ( )( ) ( )( ) ( )( )

t l t l t ld r l r l

dl

d u l

dlb = − =−

=0

0

Differenz zwischen Tangentenvektor in deformiertem Zustand ( )t l und

undeformierten Zustand ( )t l0 bei Stabposition l

( ) ( ) ( )u l r l r l= − 0 rĂ€umliche Verschiebung eines Punktes auf dem Stab bei Position l

FĂŒr den speziellen Fall eines Stabes mit konstantem KrĂŒmmungsradius R lĂ€ĂŸt sich die

LĂ€ngenposition l durch die Winkelposition ϕ bezĂŒglich dem KrĂŒmmungsmittelpunkt und der

globalen x-Achse ersetzen: ( )l r= ⋅ −ϕ ϕ1 . ϕ1 entspricht dabei der Winkelposition der festen

Einspannung (tangential zur Probe).

Page 144: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

136

In Analogie zur CDCB-Probe wird das Wirken nur einer senkrechten Kraftkomponente Fz auf

das freie Probenende angenommen: FFz

=

0

Die Kontur des undeformierten Stabes lĂ€ĂŸt sich bei kreisförmiger KrĂŒmmung durch:

( ) ( )( )

rR

R0 ϕϕ

ϕ=

⋅

⋅

cos

sin beschreiben.

Damit folgt fĂŒr die in der Differentialgleichung Gl. II.1 auftretenden Ableitungen:

( )( )

tdr

dl R

dr

d0

0 01= = ⋅ =

−

ϕ

ϕ

ϕ

sin

cos;

( )( )

dt

dl

d r

dl R

d r

d R

020

2 2

20

2

1 1= = ⋅ = ⋅

−

−

ϕ

ϕ

ϕ

cos

sin;

( )( )

d t

dl

d r

dl R

d r

d R

20

2

30

3 3

30

3 2

1 1= = ⋅ = ⋅

−

ϕ

ϕ

ϕ

sin

cos

Der Vektor der globalen Verschiebungskomponenten ( )u lx und ( )u lz an der Position ( )l ϕ des

Stabes und seine Ableitungen in Gl. II.1 ergeben sich wie folgt:

uu

ux

z

=

; t

du

dl R

du

d R

u

ubx

z

= = ⋅ = ⋅

1 1

ϕ

'

';

dt

dl

d u

dl R

d u

d R

u

u

b x

z

= = ⋅ = ⋅

2

2 2

2

2 2

1 1

ϕ

' '

' ';

d t

dl

d u

dl R

d u

d R

u

u

b x

z

2

2

3

3 3

3

3 3

1 1= = ⋅ = ⋅

ϕ

' ' '

' ' ' (mit ( ) ( )

fdf

d' ϕ

ϕ

ϕ= )

Einsetzen der speziellen AbhĂ€ngigkeiten fĂŒr den kreisförmig gekrĂŒmmten Stab in Gl. II.1

liefert die Differentialgleichung fĂŒr das Deformationsverhalten dieser Geometrie:

( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( )E I

Ru u u u

Ru u u u F

Rux y

x z z x x z x z z x

⋅⋅ − ⋅ − + ⋅ + ⋅ − ⋅

= ⋅ − ⋅

3

1 1'' ' ' ' sin '' ' ' ' cos ' ' ' ' ' ' ' ' sin 'ϕ ϕ ϕ

(II.2).

Die beiden Verschiebungsfunktionen ( )ux ϕ und ( )u z ϕ sind nicht unabhĂ€ngig. Ihr Zusammen-

hang wird durch die Bedingung bestimmt, daß die LĂ€nge des Tangentenvektors an den Stab

sich wÀhrend der Deformation nicht Àndert (reine Biegung, Stabdehnung vernachlÀssigt):

( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( )t l t l t l t l t l t l t l t lb b b0

2 2

0

2

0

2 2

02 1= = + = + + ⋅ ⋅ =

FĂŒr den kreisförmig gebogenen Stab folgt daraus:

( ) ( ) ( ) ( )u R R

u

Rxz' sin cos'

ϕ ϕ ϕϕ

= ⋅ − ⋅ − +

1

2

(II.3).

Mit diesem Ausdruck lassen sich die Ableitungen von ( )ux ϕ in der Differentialgleichung

Gl. II.2 durch ( )u z ϕ substituieren.

Page 145: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

137

Zur Lösung der Differentialgleichung ist die Einbeziehung der Randbedingungen notwendig.

1. Randbedingung: Festhalten des Balkens am eingespanntem Ende ϕ ϕ= 1

( )u ϕ1 0= : ( )ux ϕ1 0= ; ( )u z ϕ1 0= (II.4)

2. Randbedingung: Starre Halterung des Balkens am eingespanntem Ende ϕ ϕ= 1

( ) ( ) ( )t t t bϕ ϕ ϕ1 0 1 1 0− = = ⇒ ( )du

dlϕ1 0= : ( )u x' ϕ1 0= ; ( )u z' ϕ1 0= (II.5)

3. Randbedingung: Biegemoment ( )M i ϕ1 am eingespanntem Ende ϕ ϕ= 1 ist gleich dem

durch die Lastkraft Fz aufgebrachten Ă€ußeren Moment ( )M a ϕ1

Das innere Moment ( )M li ĂŒber den Querschnitt an einer Position l im Stab berechnet sich

nach [66]:

( ) ( ) ( )( ) ( )M l E I t l t l

dt l

dli x y b

b= ⋅ ⋅ + ×

0

FĂŒr den kreisförmigen Stab am Einspannpunkt ϕ ϕ= 1 ergibt sich daraus unter

BerĂŒcksichtigung der Randbedingung Gl. II.5:

( ) ( ) ( ) ( ) ( )[ ]ME I

Ru ui

x yz xϕ ϕ ϕ ϕ ϕ1 2 1 1 1 1= −

⋅⋅ ⋅ + ⋅sin ' ' cos ' ' (II.6)

Das Ă€ußere Moment der Probe folgt aus: ( ) ( ) ( )[ ]M r l r Fa E KLϕ ϕ ϕ1 1= + − × .

Infolge des starr auf die Probe aufgeklebten Klötzchens wird das eigentliche freie Ende des

gekrĂŒmmten Stabes auf die Position ( )ϕ π αE mi= −/ 2 vorverlegt. αmi ist die Winkelbreite

zwischen Lot des Klötzchen-Lastpunktes auf die Probe und rechter Begrenzung des

Klötzchens. Das Klötzchen wird als steif betrachtet. Der Lastpunkt ist um den Vektor lKL vom

derart definierten freien Probenende entfernt. Im undeformierten Zustand ist er durch

( ) ( )( )[ ]

( )( )[ ]l

R

R h

R

R hKL

mi

mi kl

E

E kl

0

1 1=

− ⋅

⋅ − +

=

− ⋅

⋅ − +

sin

cos

cos

sin

α

α

ϕ

ϕ festgelegt.

Durch die Deformation und wegen der starren Anbindung des Klötzchens wird er um den

Änderungswinkel ∆α der Tangentenrichtung ( )t b Eϕ am freien Probenende gedreht:

( ) ( ) ( ) ( )( ) ( ) ( ) ( )

ll l

l lKL

x KL z KL

x KL z KL

=⋅ + ⋅

− ⋅ + ⋅

, ,

, ,

cos sin

sin cos

0 0

0 0

∆α ∆α

∆α ∆α.

FĂŒr den Drehwinkel ∆α folgt aus ( )t b Eϕ :

( ) ( ) ( ) ( ) ( )[ ]cos ' sin ' cos∆α = − ⋅ ⋅ − ⋅11

Ru ux E E z E Eϕ ϕ ϕ ϕ

( ) ( ) ( ) ( ) ( )[ ]sin ' sin ' cos∆α = ⋅ ⋅ + ⋅1

Ru uz E E x E Eϕ ϕ ϕ ϕ

Page 146: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

138

Daraus ergibt sich fĂŒr die Komponenten des Klötzchenvektors lKL :

( ) ( ) ( ) ( ) ( )l uh

Ru

h

RRx KL z E E

klx E E

klE, ' sin ' cos cos= ⋅ − + ⋅ +

+ ⋅ ⋅ +

− ⋅ϕ ϕ ϕ ϕ ϕ1 1 1

( ) ( ) ( ) ( ) ( )[ ]l uh

Ru

h

Rh R Rz KL x E E

klz E E

klkl E, ' sin ' cos sin= ⋅ − ⋅ +

+ ⋅ ⋅ +

+ + ⋅ − ⋅ϕ ϕ ϕ ϕ ϕ1 1 1 1

Mit FFz

=

0 lĂ€ĂŸt sich nun das Ă€ußere Moment auf den Einspannpunkt ϕ ϕ= 1 formulieren:

( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( )M F u uh

Ru

h

RRa z x E z E E

klx E E

kl= + ⋅ − + ⋅ +

+ ⋅ ⋅ +

− ⋅

ϕ ϕ ϕ ϕ ϕ ϕ' sin ' cos cos1 1 1 1

(II.7)

Gleichsetzen von innerem (Gl. II.6) und Ă€ußerem Moment (Gl. II.7) an der Einspannstelle

liefert die dritte zu befriedigende Randbedingung. Damit stehen alle zur Lösung der

Differntialgleichung notwendigen AusdrĂŒcke zur VerfĂŒgung.

Bei der CDCB-Probe werden nicht die Verschiebungen des freien Endpunktes (ϕ ϕ= E ) der

Proben gemessen, sondern die Verschiebung des Klötzchenlastpunktes. Zwischen den Werten

besteht eine Differenz infolge der Klötzchendrehung wÀhrend der Deformation. Um aus dem

Modell die Verschiebung der Klötzchenlastpunkte { }u ux KL z KL, ,, zu berechnen, muß eine

entsprechende Korrektur { }∆ ∆u ux z, zu den Verschiebungen des freien Endes

( ) ( ){ }u ux E z Eϕ ϕ, des Stabes hinzuaddiert werden:

( ) ( )u u l lx KL x E x KL x KL, , ,= + −ϕ 0 ; ( ) ( )u u l lz KL z E z KL z KL, , ,= + −ϕ 0

Die Verschiebungen des Klötzchen-Lastpunktes betragen damit:

( ) ( ) ( ) ( ) ( )u u uh

Ru

h

Rx KL x E z E E

klx E E

kl, ' sin ' cos= + ⋅ − + ⋅ +

+ ⋅ ⋅ +

ϕ ϕ ϕ ϕ ϕ1 1 1

( ) ( ) ( ) ( ) ( )u u uh

Ru

h

Rz KL z E x E E

klz E E

kl, ' sin ' cos= + ⋅ − ⋅ +

+ ⋅ ⋅ +

ϕ ϕ ϕ ϕ ϕ1 1 1

(II.8). Der Winkel ϕE ergibt sich (bei Klötzchen mit mittiger Bohrung) aus der halben Klötzchen-

lĂ€nge l kl / 2 ĂŒber: ϕπ

Ekll

R= −

2 2

arcsin (II.9)

Page 147: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

139

Anhang III: Koeffizienten des analytischen Stabmodells der CDCB-Probe

Die Koeffizienten einer bezĂŒglich der Kraft Fz linearen Entwicklung (Gl. 2.35) fĂŒr die

senkrechte Verschiebungskomponente u z KL, der Klötzchen-Achspunkte lauten:

aR

F

h

Rn

mi mi klmi10

3 57

3 15

1

80

2

315= − + − +

α αα

ah

F

kl

n

mi11

67

80= α

aR

F

h

R

h

Rn

klmi

klmi12

5 721

80

737

3360

139

672= − + +

α α

aR

F

h

R

h

Rn

klmi

klmi13

4 61

3

7

16

907

1440

443

864= + − +

α α

aR

F

h

R

h

R

h

Rn

klmi

klmi

klmi14

3 5 77

16

359

480

183

160

11503

40320

11671

40320= − + +

− +

α α α

aR

F

h

R

h

R

h

Rn

klmi

klmi

klmi15

2 4 61

15

21

80

317

480

131

96

587

1152

47057

86400= − + − +

+ +

α α α

aR

F

h

R

h

R

h

R

h

R

n

klmi

klmi

klmi

klmi

16

3 5

7

7

80

1459

4320

1543

1440

697

1152

12479

17280

398033

3628800

400049

3628800

= − + +

−

+

+

+ +

α α α

α

aR

F

h

R

h

R

h

R

h

R

n

kl klmi

klmi

klmi

17

2 4

6

2

315

1

80

55

672

599

1120

2683

5760

27221

40320

110563

725760

22759

145152

=

+ − +

+ +

−

− +

α α

α

Die Winkelbreite αmi des halben Klötzchens ergibt sich aus:

απ

ϕmikl

E

l

R=

= −arcsin

2 2

Page 148: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

140

Page 149: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

141

Literatur

[1] D. F. Adams; „Composite micromechanics“; International Encyclopedia of Composites, Edit. Stuart M. Lee, VCH Publishers, New York, 1991,Vol. 1, 437-453

[2] R. M. Jones; „Mechanics of composite materials“; Hemisphere Publishing Corporation, New York, 1975

[3] K. Schulte, W. W. Stinchcomb; „Damage mechanisms in fibre-reinforced composite material“; in „Application of fracture mechanics to composite materials“ (Composite Materials Series Vol. 6) Editor K. Friedrich, Elsevier Science Publishers BV, Amsterdam, 1989, 273-325

[4] K. Friedrich; „Fractographic analysis of polymer composites“; in „Application of fracture mechanics to composite materials“ (Composite Materials Series Vol. 6) Editor K. Friedrich, Elsevier Science Publishers BV, Amsterdam, 1989, 425-487

[5] A. S. D. Wang; „An overview of the delamination problem in structural composites“; Key Engineering Materials 37 (1989), 1-20

[6] W. L. Bradley; „Micromechanisms of delamination in composite Materials“; International Encyclopedia of Composites, Edit. Stuart M. Lee, VCH Publishers, New York, 1991,Vol 3, 359-375,

[7] J. M. Whitney; „Interlaminar Fracture“; in International Encyclopedia of Composites, Edit. Stuart M. Lee, VCH Publishers, New York, 1991,Vol. 2, 289-305

[8] M. I. Benzegagh, P. Davies, X. J. Gong, J. M. Roelandt, M. Mourin, Y. J. Prel; „A mixed mode specimen for interlaminar fracture testing“; Composites Science and Technology 34 (1989), 129-143

[9] S. Hashemi, A. J. Kinloch, J. G. Williams; „Mechanics and mechanisms of delamination in a poly(ether sulphone)-fibre composite“; Comp. Sci. and Tech. 37 (1990), 429-462

[10] C. Corleto, W. Bradley; „Correspondence between stress fields and damage zones ahead of crack tip of composites under mode I and mode II delamination“; Proc. ICCM VI/ ECCM 2, Vol. 3, London, 1987

[11] F. X. de Charentenay; „Concluding Remarks on the Application of Fracture Mechanics to Composite Materials“; in „Application of fracture mechanics to composite materials“ (Composite Materials Series Vol. 6) Editor K. Friedrich, Elsevier Science Publishers BV, Amsterdam, 1989, 639-644

[12] L. A. Carlsson, R. B. Pipes; „Hochleistungs-Faserverbundwerkstoffe“; Teubner-Verlag, Stuttgart, 1989

[13] P. A. Lagace; „Delamination in composites: is toughness the key?“; Science of Advanced Materials and Process. Eng. Series 31 (1986), 738-749

[14] A. A. Griffith; „The phenomena of rupture and flow in solids“; Phil. Trans. Roy. Soc. London A221 (1921), 163-198

[15] G. R. Irwin, R. de Wit; „A summary of fracture mechanics concepts“; J. of Testing and Evaluation 11 (1983), 56-65

[16] T. L. Anderson, „Fracture mechanics- fundamentals and applications“; CRC Press Inc., Boca Raton, USA, 1991

[17] S. SĂ€hn, H. Göldner; „Bruch- und Beurteilungskriterien in der Festigkeitslehre“; VEB Fachbuchverlag Leipzig, Leipzig, 1989

Page 150: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

142

[18] D. Broek; „Elementary engineering fracture mechanics“; Noordhoff International Publishing, Leyden, 1974, 122-127

[19] P. Davies, M. L. Benzeggagh; „Interlaminar Mode-I Fracture Testing“; in „Application of fracture mechanics to composite materials“ (Composite Materials Series Vol. 6) Editor K. Friedrich, Elsevier Science Publishers BV, Amsterdam, 1989, 81-112

[20] B. Lauke, K. Friedrich; "Evaluation of processing parameters of thermoplastic composites fabricated by filament winding"; Composites Manufaturing 4 (1993) 93-101

[21] X. C. Hu, Y. W. Mai; „Mode I delamination and fibre bridging in Carbon-fibre/ Epoxy composites with and without PVAL-coating“; Comp. Sci. and Techn. 46 (1993), 147-156

[22] B. J. Briscoe, D. R. Williams; „Interlaminar fracture toughness of aramide/ epoxy laminates“; Comp. Sci. and Techn. 46 (1993), 277-286

[23] L. Ye, K. Friedrich; „Fibre bridging in double cantilever beam specimens and its effect on mode I interlaminar fracture toughness“; J. Mat. Sci. Letters 11 (1992), 1537-1539

[24] Y. Miya, et al; „Adhesion and Bonding in Composites“; Marcel Dekker Inc., New York und Basel, 1990

[25] G. A. Cooper, M. R. Piggott; „Cracking and fracture in composites“; Fracture 1977, Vol. 1, ICF4, Waterloo, Canada, 19.-24.6. 1977

[26] M. R. Piggott; „Expressions governing stress-strain curves in short fibre reinforced polymers“; J. Mat. Sci. 13 (1978), 1709-1716

[27] K. Friedrich; „Fracture mechanical behaviour of short fibre reinforced thermoplastics“; Fortschr. Ber. VDI-Zeitschr., Reihe 18, Nr. 18, VDI-Verlag, DĂŒsseldorf, 1984

[28] K. Friedrich; „Microstructural efficiency and fracture toughness of short fibre/ thermoplastic matrix composites“, Comp. Sci. and Technol. 22 (1985), 43-62

[29] B. Lauke, B. Schultrich, W. Pompe; „Theoretical considerations of toughness of short-fibre reinforced thermoplastics“; Wissenschaftliche Berichte der Akademie der Wissenschaften der DDR, ZfKW Dresden, 1989

[30] J. K. Kim, Y. W. Mai; „High strength, high fracture toughness fibre composites with interface control- a review“; Comp. Sci. and Techn. 41 (1991), 333-378

[31] B. Harris; „Micromechanisms of crack extension in composites“; Metal Science, August-September 1980

[32] H. D. Wagner; „Statistical concepts in the study of fracture properties of fibres and composites“; in „Application of fracture mechanics to composite materials“ (Composite Materials Series Vol. 6) Editor K. Friedrich, Elsevier Science Publishers BV, Amsterdam, 1989, 39-77

[33] S. B. Batdorf; „Statistical fracture theories“; in International Encyclopedia of Composites, Edit. Stuart M. Lee, VCH Publishers, New York, 1991, Vol. 6, 395-404

[34] F. Hoecker, J. Karger-Kocsis; „Effects of the Interface on the mechanical response of CF/EP-micro and macrocomposites“; eingereicht bei Composites, September 1993

Page 151: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

143

[35] F. Hoecker, J. Karger-Kocsis; „Effects of processing conditions and interphase modification on the fiber/ matrix load transfer in single fiber polypropylene composites“; eingereicht bei The Journal of Adhesion, Februar 1994

[36] E. MĂ€der, K.-H. Freitag; „Interface properties and their influence on short fibre composites“; Composites 21 (1990), 397-402

[37] E. MĂ€der, K. Grundke, H.-J. Jacobasch, G. Wachinger; „Surface, interphase and composite property relations in fibre-reinforced polymers“; Composites 25 (1994), 739-744

[38] G. Bogoeva-Gaceva, E. MĂ€der, L. HĂ€ußler, K. Sahre; „Parameters affecting the interface properties in carbon fibre/ epoxy systems“; Composites 26 (1995), 103-107

[39] S. M. Lee; „Influence of fiber/matrix interfacial adhesion on composite fracture behaviour“ Composites Sciences and Technology 43 (1992), 317-327

[40] M. S. Madhukar, L. T. Drzal; „Fiber-matrix adhesion and its effects on composite mechanical properties: IV. mode I and mode II fracture toughness of graphite/ epoxy composites“; J. of Composite Mat. 26 (1992), 936-968

[41] K. M. BrockmĂŒller; „Zur Vorhersage des Spannungs-Dehnungs-Verhaltens kurzfaserverstĂ€rkter Verbundwerkstoffe mittels der Methode der Finiten Elemente“; Dissertation, UniversitĂ€t Kaiserslautern, 1992

[42] B. Lauke, K. Friedrich; „Fracture toughness modelling of fiber reinforced composites by crack-resistance curves“; Adv. Comp. Mat. 2 (1992), 261-275

[43] D. C. Phillips, A. S. Tetelmann; „The fracture toughness of fibre composites“; Composites 4 (1972), 216-223

[44] A. G. Evans, F. W. Zok, J. Davis; „The roles of interfaces in fiber-reinforced brittle matrix composites“; Comp. Sci. and Techn. 42 (1991), 3-24

[45] H.-J. Jacobasch, K.-H. Freitag, U. Panzer, K. Grundke; „Charakterisierung und Modifizierung der OberflĂ€cheneigenschaften von Fasern fĂŒr Verbundwerkstoffe“; Chemiefasern/ Textilindustrie 41 (1991), T39-47

[46] E. MĂ€der, K. Grundke, H.-J. Jacobasch, U. Panzer; „Possibilities of interphase characterization in reinforced plastics“, Proc 31 Int Man-made Fibre Congress, Dornbirn, September 23-25, 1992

[47] M. Narkis, E. J. H. Chen; „Review of methods for characterization of interfacial fiber-matrix interactions“; Polymer Composites 9 (1988), 245-251

[48] A. N. Gent, G. R. Hamed; „Adhesion and Bonding“ in Encyclopedia of Polymer Science and Engineering Vol. 1, John Wiley Inc., New York, 1989, 476-518

[49] J. T. Koberstein; „Interfacial properties“ in Encyclopedia of Polymer Science and Engineering Vol. 8, John Wiley Inc., New York, 1989, 237-279

[50] D. Briggs, D. G. Rance, B. J. Briscoe; „Surface properties“ in Comprehensive Polymer Science, Vol. 2, 707-732

[51] H.-J. Jacobasch, K. Grundke, E. MĂ€der, K.-H. Freitag, U. Panzer; „Applications of the surface free energy concept in polymer processing“; J. Adhes. Sci. Technol. 6 (1992), 1381-1396

[52] D. E. Packham; „The mechanical theory of adhesion- changing perceptions 1925-1991“; J. Adhesion 39 (1992), 137-144

Page 152: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

144

[53] G. Giannotta, M. Morra, E. Occiello, F. Garbassi, L. Nicolais, A. D’Amore; „Tensiometric studies on the wetting of carbon fibres by viscous Fluids“, Composites Manufacturing 3 (1992), 59-62

[54] H.-J. Jacobasch; „Characterization of solid surfaces by electrokinetic measurements“; Progress in Organic Coating, 17 (1989), 115-125

[55] T. Suga; „Bruchmechanische Charakterisierung und Bestimmung der Haftfestigkeit von MaterialĂŒbergĂ€ngen“; Dissertation, UniversitĂ€t Stuttgart, Oktober 1983

[56] Z. Suo; „Mechanics of Interface fracture“; Dissertation, Harvard University, Cambridge Massachusetts, Mai 1989

[57] P. S. Theocaris; „The mesophase concept in composites“; Akademie Verlag Berlin, Berlin, 1987

[58] S. Meretz; „Ein Beitrag zur Mikromechanik der Interphase in polymeren Faserverbundwerkstoffen“; Dissertation, TU Berlin, Juli 1993

[59] W. D. Bascom; „Interphase in fiber reinforced composites“; in International Encyclopedia of Composites, Edit. Stuart M. Lee, VCH Publishers, New York, 1991, Vol. 2, 411-422

[60] N. P. O’Dowd, C. F. Shih, M. G. Stout; „Test geometries for measuring interfacial fracture toughness“; Int. J. Solids Structures 29 (1992), 571-589

[61] M. Mantel, F. Descaves; „Study of a ‘T-type’ peel test on a metal/Polymer/metal sheet sandwich“; J. Adhesion Sci. Technol. 6 (1992), 357-375

[62] G. S. Sih, A. M. Skudra; „Failure Mechanics of Composites“; Elsevier, Amsterdam, 1985

[63] S. W. Tsai, E. M. Wu; „A general theory of strength for anisotropic materials“; J. Comp. Mat. 5 (1971), 58-80

[64] J. Eftis, H. Liebowitz; „On fracture toughness evaluation for semi-brittle fracture“; Engineering Fracture Mechanics 7 (1975), 101-135

[65] N. I. Mußchelischwili; „Einige Grundaufgaben zur mathematischen ElastizitĂ€tstheorie“; VEB Fachbuchverlag Leipzig, Leipzig, 1971

[66] L. D. Landau, E. M. Lifschitz; „Lehrbuch der theoretischen Physik- ElastizitĂ€tstheorie“; Band VII, Akademie-Verlag, Berlin, 1989

[67] H. Cox; „The elasticty and strength of paper and other fibrous materials“; Brit. J. Appl. Phys. 3 (1952), 72-79

[68] O. C. Zienkiewicz; „Methode der finiten Elemente“; VEB Fachbuchverlag Leipzig, Leipzig, 1983

[69] Y. M. Tarnopolskii, A. I. Beil; „Problems of the mechanics of composite windings“; Handbook of Composites, Vol. 4, Fabrication of Composites, ed. A. Kelly und S. T. Mileiko, 1986

[70] M. J. Fedro, H. T. Hahn, D. W. Jensen; „Filament winding of thermoplastic composites using commingled yarns“; SME Technical Paper, 1989, EM 89-584

[71] J. H. C. Rowan, R. N. Askander; „Filament winding of high performance thermoplastic composites“; Materials and Processing-Move into the 90’s, ed. S. Benson, T. Cook, E. Trewin, R. M. Turner, Elsevier Sci. Publ., Amsterdam, 1989

Page 153: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

145

[72] H. Wittich; „Bruchmechanische Charakterisierung kontinuierlich faserverstĂ€rkter thermoplastischer Verbundwerkstoffe unter besonderer BerĂŒcksichtigung ihrer Verarbeitung durch die Wickeltechnik“; Dissertation, TU Hamburg, Januar 1993

[73] O. Dickmann, K. Lindersson, L. Svennson; „Filament winding of thermoplastic matrix composites“, Plastics and Rubber Prozessing and Applications, 13 (1990), 9-14

[74] F. Haupert, K. Friedrich; „Thermoplastic filament winding using powder impregnated yarns“; Advanced Composites Letters, 2 (1993), 14

[75] R. VoigtlĂ€nder, W. Jenschke, B. Lauke; „Aufbau einer Thermoplastwickelanlage zur Verarbeitung von HybridfĂ€den zu Thermoplastverbunden”, in Druck bei MaterialprĂŒfung

[76] S. Roychowdhury, G. Advani; „An experimental investigation of consolidation in thermoplast filament winding“; Composite Manufacturing 2 (1991), 97-103

[77] P. Davies; „Protocols for interlaminar fracture testing of composites“; ESIS, September 1993

[78] J. G. Williams; „Fracture mechanics of polymers“; Ellis Horwood Limited, Chichester (England), 1987

[79] S. Timoshenko; „Strength of materials“; Van Nostrand Reinhold, New York, 1978

[80] R. F. Foral; „Delamination failures in curved composite laminates“; Key Engineering Materials 37 (1989), 137-148

[81] K. T. Kedward, R. S. Wilson, S. K. Mclean; „Flexure of Simply Curved Composite Shapes“; Composites 20 (1989), 527-536

[82] W. Beckert, B. Lauke; „Finite-Elemente-Berechnung von Korrekturfaktoren zur Auswertung des Double-Cantilever-Beam-Tests fĂŒr faserverstĂ€rkte Kunststoffe“; Plaste und Kautschuk 41 (1994), 109-118

[83] W. Beckert, B. Lauke; „Bestimmung bruchmechanischer KenngrĂ¶ĂŸen fĂŒr Probekörper mit elastischen, anisotropen Materialeigenschaften mittels Finite-Elemente Methode“, in Druck bei Materialwissenschaft und Werkstofftechnik, Januar 1995

[84] ANSYS; „Fracture mechanics - a revision 4.4 tutorial“; Swanson Analysis Systems Inc., Houston, 1989

[85] J. J. Gilman; J. Appl. Phys. 31 (1960), 2208

[86] J. G. Williams; „Large Displacement and End Block Effects in the 'DCB' Interlaminar Test in Modes I and II“; J. Comp. Mater. 21 (1987), 330-347

[87] M. F. Kanninen; „An Augmented Double Cantilever Beam Model for Studying Crack Propagation and Arrest“; Int. J. Fract. 9 (1973), 83-92

[88] L. Ye; „Evaluation of Mode-I Interlaminar Fracture Toughness for Fiber-Reinforced Composite Materials“; Composites Science and Technology 43 (1992),49-54

[89] K. Kageyama, T. Kobayashi, T.-W. Chou; „Analytical Compliance Method for Mode I Interlaminar Fracture Toughness Testing of Composites“; Composites 18 (1987); 393-399

[90] J. M. Whitney; „Experimental characterization of delamination fracture“; in Interlaminar Response of Composite Materials, ed. N. J. Pagano, Elsevier, Amsterdam, 1989

Page 154: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

146

[91] J. P. Berry; „Determination of fracture surface energies by the cleavage technique“, J. Appl. Phys. 34 (1963), 62-66

[92] P. Yeung, L. J. Broutman; „The effect of glass-resin interface strength on the impact strength of fiber reinforced plastics“; Polym. Eng. and Sci. 18 (1978), 62-68

[93] C. Theuerkorn; „Charakterisierung des Delaminationsverhaltens von Schichtverbunden unter Mode I und Mode II Belastungen“; Diplomarbeit, Martin-Luther UniversitĂ€t Halle-Wittenberg (Außenstelle Merseburg); Mai 1993

[94] P. E. Keary, L. B. Ilcewicz, C. Shaar, J. Trostle; „Mode I interlaminar toughness of composites using slender double cantilevered beam specimens“; J. of Composite Materials 19 (1985), 154-177

[95] S. Wolfram; „Mathematica- a system for doing mathematics by computer“; Second Edition, Addison-Wesley Publishing Company, Redwood City (California), 1991

[96] G. C. Sih, P. C. Paris, G. R. Irwin; „On cracks in rectilnearly anisotropic bodies“; Intern. J. of Fracture Mechanics 1 (1965), 189-203

[97] J. G. Williams; „Fracture mechanics of anisotropic materials“; in „Application of fracture mechanics to composite materials“ (Composite Materials Series Vol. 6) Editor K. Friedrich, Elsevier Science Publishers BV, Amsterdam, 1989, 3-38

[98] D. Hull; „An introduction to composite materials“; Cambridge University Press, Cambridge (UK), 1981

[99] F. P. Gerstle; „Composites“ in Encyclopedia of Polymer Science and Engineering Vol. 1, John Wiley Inc., New York, 1989, 776-820

[100] C. Starke, W. Beckert, B. Lauke; „Charakterisierung des Delaminationsverhaltens von Schichtverbunden unter Mode I und Mode II Belastung“; in Druck bei Materialwissenschaft und Werkstofftechnik, Januar 1995

[101] B. Lauke, W. Beckert, C. Theuerkorn, „Influence of interface, matrix and structure properties on the delamination behaviour of fibre-reinforced polymer composites", Poster auf ICCI-V Conference, Göteborg (Schweden), Juni 1994, P13-2

[102] W. Beckert, B. Lauke, K. Friedrich; „Delamination toughness computation for curved thermoplastic composites“; in Druck bei Applied Composite Materials, Januar 1995

[103] ANSYS Rev. 5.0, User’s Manual Vol. IV „Theory“, ed. P. Kohnke, Swanson Analysis Systems Inc., Houston (Texas), 1992

[104] G. Backhaus; „Deformationsgesetze“; Akademie-Verlag, Berlin, 1983

[105] M. M. Filonenko-Boroditsch; „ElastizitĂ€tstheorie“; VEB Fachbuchverlag Leipzig, Leipzig, 1967

[106] H. D. Wagner, A. Eitan;“Interpretation of the Fragmentation Phenomenon in Single-Filament Composite Experiments“; Appl. Phys. Lett. 56 (1990), 1965-1967

[107] A. Kelly; „The strengthening of metals by dispersed particles“; Proc. Roy. Soc. London A282 (1964), 63-79

[108] J. C. Figueroa, T. E. Carney; „Micromechanics of Single Filament Composites“; Composites Science and Technology 42 (1991), 77-101

[109] E. M. Asloun, M. Nardin, J. Schultz; „Stress transfer in single fibre composites: effect of adhesion, elastic modulus of fibre and matrix and polymer chain mobility“; J. Mat. Sci. 24 (1989), 1835-1844

Page 155: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

147

[110] A. T. Di Benedetto, P. J. Lex; „Stress Transfer and Fracture in Single Fibre/ Epoxy-Composites“; in Composite Interfaces, ed. H. Ishida und H. L. Koenig, Elsevier Sci. Publ., Amsterdam, 1986

[111] A. N. Netravali, P. Schwartz; „Study of Interfaces of High-Performance Glass Fibers and DGEBA-Based Epoxy Resins Using Single-Fiber-Composite Test“; Polymer Composites 10 (1989), 385-388

[112] C. Galiotis; „Interfacial Studies on Model Composites by Laser Raman Spectroscopy“; Composites Science and Technology 42 (1991), 125-150

[113] N. Melanitis, C. Galiotis et al; „Monitoring the Micromechanics of Reinforcement in Carbon Fibre/Epoxy Resin Systems“; J. Mat. Sci. 28 (1993), 1648-1654

[114] J. A. Nairn; „A variational mechanics analysis of the stresses around breaks in embedded fibers“; Mechanics of Materials 13 (1992), 131-154

[115] W. A. Curtin; „Exact Theory of Fibre Fragmentation in a Single-Filament Composite“; Journal of Materials Science 26 (1991), 5239-5253

[116] P. Feillard, G. Desarmot, J. P. Favre; „Theoretical aspects of the fragmentation test“; Composite Science and Technology 50 (1994), 265-279

[117] R. B. Henstenburg, S. L. Phoenix; „Interfacial Shear Strength Studies Using the Single-Filament-Composite Test. Part II: A Probability Model and Monte Carlo Simulation“; Polymer Composites 10 (1989), 389-408

[118] D. Tripathi, F. Chen, F. R. Jones; „The effect of matrix plasticity on the stress fields in a single fibre composite“; eingereicht bei The Royal Society Proceedings and Physical Sciences; 1994

[119] L. Rebenfeld; „The interface between fibers and resins in composites“; 25. Intern. Man Made Fibres Congress, Dornbirn (Österreich), 1986

[120] D. A. Biro, G. Pleizier, Y. Deslandes; „Application of the Microbond Technique: Effects of Hygrothermal Exposure on Carbon-Fiber/Epoxy Interfaces“; Composites Science and Technology 46 (1993), 293-301

[121] D. A. Biro, P. McLean, Y. Deslandes; „Application of the Microbond Technique: Characterization of Carbon Fiber-Epoxy Interfaces“; Polymer Engineering and Science 37 (1991), 1250-1256

[122] B. Miller, U. Gaur, D. E. Hirt; „Measurement and Mechanical Aspects of the Microbond Pull-Out Technique for Obtaining Fiber/Resin Interfacial Shear Strength“; Composites Science and Technology 42 (1991), 207 219

[123] Y.-T. Liao, I.-C. Tung; „Properties of Carbon Fibre-Polymer Interfaces“; Journal of Materials Science Letters 10 (1991), 272-275

[124] K. P. McAlea, G. J. Besio; „Adhesion Between Polybutylene Terephthalate and E-Glass Measured With a Microdebond Technique“; Polymer Composites 9 (1988), 285-290

[125] H. F. Wu, C. M. Claypool; „A finite-element model of the use of the microbond test method for characterization of composite interfacial properties“; Journal of Materials Science Letters 10 (1991), 1072-1075

[126] H. F. Wu, C. M. Claypool; „An analytical approach of the microbond test method used in characterizing the fibre-matrix interface“; Journal of Materials Science Letters 10 (1991), 260-262

Page 156: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

148

[127] R. J. Scheer, J. A. Nairn; „Variational mechanics analysis of the stresses in microdrop debond specimens“; Composites Design, Manufacture, and Application ICCM/8, 1991, 29_C_1-10

[128] J. P. Favre, „Characterization of fibre/ resin bonding in composites using a pull-out test“; Intern. J. Adhesion Adhesives 1 (1981), 234-241

[129] A. Hampe, I. Boro, K. Schumacher; „Bestimmung der Haftung zwischen Faser und Matrix“, Forschung Aktuell (TU Berlin), 7 (1990), 21-23

[130] A. Hampe, C. Marotzke; „Adhesion of Polymers to reinforcing fibres“; Polym. Intern. 28 (1992), 313-318)

[131] A. Hampe, M. Hennecke, W. Mielke; „PrĂŒfmethoden fĂŒr Polymerwerkstoffe“, MaterialprĂŒfung 34 (1992), 228-231

[132] A. Hampe; „Faser-Matrix-Haftung: Weiterentwicklung der Einzelfaser-Auszugsmethode“; MaterialprĂŒfung 35 (1993), 269-275

[133] A. Kelly, W. R. Tyson; „Tensile Properties of Fibre-Reinforced Metals: Copper/ Tungsten and Copper/ Molybdenium“; J. Mech. Phys. Sol. 13 (1965), 329-350

[134] R. Y. Young; „Analysis of interfaces in carbon fibre reinforced composites using electron microscopy and raman spectroscopy“; Vortrag auf Workshop „Interfaces in carbon fibre reinforced composites“; IPF Dresden, 16.-17.11.1992

[135] D. J. Bannister, M. C. Andrews, R. J. Young, A. J. Cervenka; „Analysis of the single fibre pull-out test using Raman spectroscopy“; Poster auf Workshop „Interfaces in carbon fibre reinforced composites“; IPF Dresden, 16.-17.11.1992

[136] G. Desarmot, J.-P. Favre; „Advances in pull-out testing and data analysis“; Composites Science and Technology 42 (1991), 151-187

[137] C. Marotzke; „Influence of the fiber length on the stress transfer from glass and carbon fibers into a thermoplastic matrix in the pull-out test“; Composite Interfaces 1 (1993), 153-166

[138] W. Beckert, B. Lauke; „Fracture mechanics finite element analysis of debonding crack extension for a single fibre pull-out specimen“; J. Mat. Sci. Letters, 14 (1995), 333-336

[139] R. J. Kerans; „Theoretical analysis of the Fiber Pullout and Pushout Tests“; J. Am. Ceram. Soc. 74 (1991), 1585-1596

[140] M. J. Pitkethly, J. P. Favre, U. Gaur, J. Jakubowski, S. F. Mudrich, L. T. Drzal, M. Nardin, H. D. Wagner, L. DiLandro, A. Hampe, F. P. Arminstead, M. Desaeger, I. Verpoest; „A Round Robin Programme on Interfacial Test Methods“; in Druck bei Comp. Sci. Techn., 1993

[141] P. J. Herrera-Franco, L. T. Drzal; „Comparison of Methods for the Measurement of Fibre/Matrix Adhesion in Composites“; Composites 23 (1992), 2-27

[142] R. J. Gray; „Analysis of the effect of embedded fibre length on fibre debonding and pull-out from an elastic matrix Part 1 Review of theories“ J. Mat. Sci. 19 (1984) 861-870

[143] H. L. Cox; „The elasticity and strength of paper and other fibrous materials“; Brit. J. Appl. Phys. 3 (1952), 72-79

[144] L. B. Greszczuk; „Theoretical studies of the mechanics of the fiber-matrix interface in composites“; ASTM STP 452 (1969), 42-58

Page 157: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

149

[145] P. Lawrence; „Some theoretical considerations of fibre pull-out from an elastic matrix“; J. Mat. Sci. 7 (1972), 1-6

[146] M. R. Piggott; „Failure Processes in the Fibre-Polymer Interphase“; Composites Science and Technology 42 (1991), 57-76

[147] J. N. Singletary, W. Beckert, B. Lauke: „Examination of the Fundamental Assumptions of Analytical Modelling of Fibre Pullout Tests“ eingereicht bei Composite Science and Technology, November 1994

[148] C. Atkinson, J. Avila, E. Betz, R. E. Smelser; „The rod pull out problem, theory and experiment“; J. Mech. Phys. Solids 30 (1982), 97-120

[149] C. Marotzke; „SingularitĂ€ten in der GrenzflĂ€che bei Faserverbundwerkstoffen“; Zeitung fĂŒr angewandte Mathematik und Mechanik 71 (1991), 287-290

[150] J. Banbaji; „On a More Generalized Theory of the Pull-Out Test from an Elastic Matrix Part I-Theoretical Considerations“; Composites Science and Technology 32 (1988), 183-193

[151] L. N. McCartney; „New theoretical model of stress transfer between fibre and matrix in a uniaxially fibre-reinforced composite“; Proc. R. Soc. Lond. A425 (1989), 215-244

[152] B Y.-C. Gao , Y.-W. Mai, B. Cotterell; „Fracture of fiber-reinforced materials“; Journal of Applied Mathematics and Physics (ZAMP) 39 (1988), 550-572

[153] N. Phan-Thien; „A contribution to the rigid fibre pull-out problem“ Fibre Science and Technology 13 (1980), 179-186

[154] R. Muki, E. Sternberg; „On the diffusion of an axial load from an infinite cylindrical bar embedded in an elastic medium“; Int. J. Solids Structures 5 (1969), 587-605

[155] V. K. Luk, L. M. Keer; „Stress analysis for an elastic half space containing an axially-loaded rigid cylindrical rod“; Int. J. Solids Structures 15 (1979), 805-827

[156] C. Marotzke, „Determination of the stress field in the single fibre-pull out test with the aid of the finite element method“, Proc. IPCM, Leuven (Belgien), 1991, 69-72

[157] C. Marotzke, A. Hampe; „Finite Element analysis of the single fibre pull-out test“ in Struceng and Femcad 90’, ed. A. Niku-Lari, Technology Transfer Series, 1990, 131-136

[158] F. G. Buchholz, M. Meyer, F. Brandes, H. A. Richard; „Fracture analysis of Fibre/Matrix Pull-Out Problems by Local and Global Energy Methods“; Advances in Structural Testing, Analysis & Design Vol. III, ICSTAD-Proc., Bangalore (Indien), 1990, 983-989

[159] A. N. Gent, C. Wang; „What happens after a fibre breaks - pull-out or resin cracking?“; J. Mat. Sci. 28 (1993), 2494-2500

[160] J. K. Morrison, S. P. Shah, Y. S. Jenq; „Analysis of fiber debonding and pullout in composites“; Journal of Engineering Mechanics 114 (1988), 277-294

[161] C. F. Shih; „Cracks on Bimaterial Interfaces: Elasticity and Plasticity Aspects“; Materials Science and Engineering A143 (1991), 77-90

[162] P. S. Chua, M. R. Piggott; „The glass fibre-polymer interface: II-Work of fracture and Shear stresses“; Composites Science and Technology 22 (1985); 107-119

[163] J. O. Outwater, M. C. Murphy; „Fracture energy of unidirectional laminates“; Modern Plastics 47 (1970), 160-169

Page 158: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

150

[164] H. Stang, S. P. Shah; „Failure of fiber-reinforced composites by pull-out fracture“; J. Mat. Sci. 21 (1986), 953-957

[165] H. Stang, Z. Li, S. P. Shah; „Pullout Problem: Stress versus Fracture Mechanical Approach“; Journal of Engineering Mechanics 116 (1989), 2136-2150

[166] I. Palley, D. Stevans; „A fracture mechanics approach to the single fiber pull-out problem as applied to the evaluation of the adhesion strength between the fiber and the matrix“; J. Adhesion Sci. Technol. 3 (1989), 141-153

[167] S. A. Hamoush, M. R. Salami; „Interfacial separation of fibres in fibre reinforced composites“; Composites Science and Technology 42 (1991), 317-328

[168] S. Y. Fu, B. L. Zhou, X. Chen, G. H. He, C. W. Lung; „Some further considerations of the theory of fibre debonding and pull-out from an elastic matrix; Part2: Non-constant interfacial frictional shear stress“; Composites 24 (1993); 13-17

[169] C. K. Y. Leung, V. C. Li; „New Strength Based Model for the Debonding of Discontinuous Fibres in an Elastic Matrix“; J. Mat. Sci. 26 (1991), 5996-6010

[170] W. Beckert, B. Lauke; „Finite-element calculation of the energy-release rate for debonding-crack-extension at the fibre-matrix interface during fibre pull-out", Poster auf ICCI-V Conference, Göteborg (Schweden), Juni 1994, P36-1

[171] M. L. Williams; „The Stresses around a Fault or Crack in Dissimilar Media“; Bulletin of the Seismological Society of America 49 (1959), 199-204

[172] J. R. Rice; „Elastic Fracture Mechanics Concepts for Interfacial Cracks“; Journal of Applied Mechanics 55 (1988), 98-103

[173] R. E. Smelser; „Evaluation of stress intensity factors for bimaterial bodies using numerical crack flank displacement data“; International Journal of Fracture 15 (1979), 135-143

[174] A. Piva, E. Viola; „Biaxial load effects on a crack between dissimilar media“; Engineering Fracture Mechanics 13 (1980), 143-174

[175] A. R. Zak; „Stresses in the vicinity of boundary discontinuities in bodies of revolution“; Transactions of the ASME, J. Appl. Mech. 31 (1964), 150-152

[176] M. Charalambides, A. J. Kinloch, Y. Wang, J. G. Williams; „On the Analysis of Mixed-Mode Failure“; International Journal of Fracture 54 (1992), 269-291

[177] M. D. Thouless; „Fracture of a model interface under mixed-mode loading“; Acta Metall. Mater. 38 (1990), 1135-1140

[178] W. Beckert, B. Lauke; „Finite element calculation of energy release rate for the single fibre pull-out test“; eingereicht bei Computational Materials Science, Dezember 1994

[179] M. R. Piggott; „The single-fibre pull-out method: its advantages, interpretation and experimental realization“; Composite Interfaces 1 (1993), 211-223

Page 159: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

151

Danksagung

Mein besonderer Dank gilt Herrn Dr. B. Lauke, der mir die Anregung und den Einstieg zur

Thematik der Arbeit vermittelte und als Betreuer ihren Werdegang zielstrebig und mit großem

Einsatz förderte. Er war ein stets geduldiger, hilfreicher und optimistischer Ansprechpartner

bei allen fachlichen und organisatorischen Problemen und hat großen Anteil am

Zustandekommen der Arbeit. Auch ĂŒber deren Rahmen hinaus hat er meine wissenschaftliche

und persönliche Entwicklung wesentlich mit geprÀgt.

Herrn Prof. Dr. K. Friedrich danke ich fĂŒr die Bereitschaft, als Gutachter mitzuwirken, fĂŒr

seine kritsche Diskussion der Arbeit und fĂŒr seine freundliche UnterstĂŒtzung bei der

Vorbereitung des Promotionsverfahrens.

Mein Abteilungsleiter, Herr Dr. K. Schneider, hat viel dafĂŒr getan, organisatorische Probleme

zu lösen und mir ein reibungsloses und effektives Arbeiten zu ermöglichen. DafĂŒr möchte ich

Ihm ganz herzlich danken.

FĂŒr das VerstĂ€ndnis und die großzĂŒgige UnterstĂŒtzung meiner TĂ€tigkeit möchte ich den

Direktoren des Institutes fĂŒr Polymerforschung in Dresden, Herrn Prof. Dr. H.-J. Jacobasch

und Herrn Prof. Dr. K. Lunkwitz meinen nachdrĂŒcklichen Dank aussprechen.

Viele Kollegen waren mittelbar oder unmittelbar am Zustandekommen der Arbeit beteiligt

und haben mich durch Rat und Tat unterstĂŒtzt. In besonderer Weise danke ich Frau

V. Kirsanova und Herrn. J. Singletary fĂŒr ihre Hilfe bei den Rechnungen, fĂŒr die

DurchfĂŒhrung der experimentellen Untersuchungen gilt mein Dank Frau C. Starke und Herrn

R. VoigtlÀnder. Neben anderen in verschiedener Weise geholfen haben mir Frau U. Bunzel,

Herr S. Lin und Herr Dr. A. Schöne.

Die Arbeit ĂŒberhaupt erst ermöglicht hat mir das Institut fĂŒr Polymerforschung Dresden e.V.

durch die großzĂŒgige Bereitstellung der finanziellen Mittel, der Infrastruktur und der

benötigten, leistungsfĂ€higen Rechentechnik und sonstigen AusrĂŒstung. Dieser Institution bin

ich zu ganz besonderem Dank verpflichtet. Weitere wichtige finanzielle UnterstĂŒtzung hat

meine TĂ€tigkeit durch das SĂ€chsische Ministerium fĂŒr Wissenschaft und Kunst gefunden,

welches mit dem Projekt Nr. 7541.83 das Thema gefördert hat.

Zahlreiche Entbehrungen und zusÀtzliche Aufgaben hat meine LebensgefÀhrtin Katrin Heisig

fĂŒr mich auf sich genommen, und mir damit den Weg zur DurchfĂŒhrung der Arbeit geebnet.

FĂŒr den RĂŒckhalt, das VerstĂ€ndnis und die Kraft, die sie mir gegeben hat, möchte ich ihr vor

allem danken.

Page 160: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

Lebenslauf Persönliche Daten Name: Beckert, Wieland Geburtsdatum/Ort: 20.05.1964, Dresden Familienstand: verheiratet NationalitĂ€t: deutsch Schulbildung 1970 – 1978 8. Polytechnische Oberschule, Dresden 1978 – 1982 Erweiterte Oberschule „Martin Andersen NexĂ¶â€œ, Dresden Abitur Wehrdienst 1982 – 1984 Grundwehrdienst, Artillerieregiment „Henne“, Erfurt Studium 1984 – 1989 Studium der Physik, Vertiefung Polymerphysik, Technische Hochschule „Carl Schorlemmer“, Merseburg Abschluss: Dipl.-Phys. Wissenschaftliche BerufstĂ€tigkeit 1989-1998 Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut fĂŒr Polymerforschung

Dresden 1998-2001 Postdoc, Institut fĂŒr Werkstoffwissenschaft, TU Dresden Promotion 1995 Titel: Modellierung des bruchmechanischen Verhaltens von

Faserverbundwerkstoffen mittels der Methode der Finiten Elemente

BerufstĂ€tigkeit seit 2001 Fraunhofer Institut fĂŒr keramische Technologien und Systeme,

Dresden, Gruppenleiter Simulation


Recommended