NaNotechNologieforschuNgfür meNsch uNd umwelt
F R A U N H O F E R - V E R B U N D L I F E S C I E N C E S
PoteNziale uNd chaNceN
Im Jahr 2020 wird internat ionalen Schätzungen zufolge Nanotechnologie global an der Wertschöpfung
von Gütern mit e inem Marktwert von 3 Bi l l ionen US-Dol lar betei l igt se in. Die technologische und öko-
nomische Bedeutung der Nanotechnologie ist enorm, ihr Status a ls e ine der Schlüsseltechnologien des
21. Jahrhunderts berechtigt – besonders in Deutschland. Deutschland gehört zu den führenden Standorten
auf dem Feld der Nanotechnologie. Fast d ie Hälfte der europäischen Nanotechnologie-Unternehmen hat
hier ihren Sitz, zwischen 50 000 und 100 000 Arbeitsplätze hängen heute in Deutschland direkt oder indirekt
von der Nanotechnologie ab.
Zwerge schaffen riesige Möglichkeiten
Der Begriff Nanotechnologie leitet sich vom altgriechischen
Wort »nános« ab, was so viel wie »Zwerg« bedeutet. Der Be-
griff spielt also auf die Größe von Partikeln, Grenzflächen und
funktionellen Strukturen an, in denen die besonderen Eigen-
schaften der nanotechnologischen Anwendungen und Pro-
dukte verankert sind. Eine allgemein anerkannte Definition
des Begriffs gibt es noch nicht.
In weiten Teilen der Forschungslandschaft hat sich jedoch die
folgende Beschreibung durch ge setzt: Nanotechnologie bezeich-
net die Herstellung, Unter suchung und Anwendung von Struk-
turen, molekularen Materialien und inneren Grenzflächen, bei
denen mindestens eine der kritischen Dimensionen weniger als
100 Nanometer misst. Eine Nanofaser oder -röhre (»nanotube«)
könnte also durchaus mehrere Milli meter lang sein – solange
ihr Durchmesser die kritische Grenze von 100 Nanometern
nicht erreicht, erfüllt sie die Vorgabe dieser Definition.
Chancen nutzen, möglichen Gefährdungen vorbeugen
Ihre vielen Anwendungsmöglichkeiten in Medizin, Umwelt-
schutz, Verpackungs- oder auch Produktionstechnik sowie ihr
wirtschaftliches Potenzial machen die Nanotechnologie ver-
lockend. Sie ermutigen geradezu, den Fortschritt konsequent
zu nutzen. Der Blick in die Geschichte zeigt aber auch, dass
mit technologischen Innovationen Risiken verbunden sein
können. Deshalb gebietet allein schon das Vorsorgeprinzip
verstärkte Anstrengungen in der Gefährdungsabschätzungs-
und Sicherheitsforschung. Viele Fragen sind noch offen.
Die besonderen Eigenschaften und die hohe Reaktivität von
Nano-Objekten beruhen auf ihrer geringen Größe. Doch gerade
weil die Strukturen so winzig sind, müssen bestehende Ver-
fahren zur Gefährdungs- und Expositionsanalyse modifiziert
werden, um den nanospezifischen Aspekten gerecht zu werden.
Die Institute des Fraunhofer-Verbunds Life Sciences erforschen
die Nanotechnologie in verschiedener Weise. Sie suchen nach
neuen Anwendungen in der Medizin. Und sie entwickeln für
den Umweltschutz innovative Verfahren zum Schadstoffabbau.
Ebenso wichtig ist dem Fraunhofer-Verbund Life Sciences aber
auch das Thema Nachhaltigkeit, deren oberstes Prinzip die
Balance zwischen Ressourcenschutz und Ressourceneinsatz ist.
Daher befassen sich die Fraunhofer-Forscher auch intensiv mit
potenziellen Gefährdungen durch die Nanotechnologie und sind
Vorreiter einer neuen wissenschaftlichen Disziplin – der Nano-
toxikologie. Sie erarbeiten Methoden, die zeigen, inwieweit
und unter welchen Voraussetzungen Nanomaterialien toxisch
relevant werden könnten. Sie erforschen, ob sich Nano-Objekte
auf Lebensräume wie Wasser oder Boden auswirken, wie sie sich
in biologischen Systemen wie Zellen, Organen und Organismen
verhalten und in welchem Maß Nanopartikel aus Verpackungs-
materialien aus- und auf verpackte Ware übertreten können.
Auch potenzielle Nanopartikelemissionen bei der Bearbeitung
von nanopartikelhaltigen Kompositen werden untersucht.
Wer Zukunftstechnologien wie die Nanotechnologie effizient
und nachhaltig nutzen will, muss sich bereits heute mit poten-
ziellen Technikfolgen und Risikobewertungen aktiv auseinan-
dersetzen. Der Fraunhofer-Verbund Life Sciences fühlt sich
diesem Anspruch verpflichtet.
Zelluläre Aufnahme von
Nanopartikeln in Krebszellen:
1 unmodifiziert
2 ligandmodifiziert
1 2
forschuNg für die mediziN
Im derzeit am stärksten wachsenden Bereich der Nanotechnologie – der Entwicklung von Nanotechnologie-
Anwendungen im Gesundheitswesen – ist Deutschland nach Expertenmeinung weltweit führend. Nanotech-
nologische Verfahren sol len zu neuen Diagnostika und Therapeutika führen. Diagnosen könnten schnel ler
gestel lt , der Erfolg von Therapien früher beurtei lt und die Therapiemittel schonender eingesetzt werden.
Die Partner im Fraunhofer-Verbund Life Sciences erforschen diesen innovativen Ansatz und schaffen neue
Chancen für Patienten und Ärzte.
Biologisch abbaubare und biokompatible Nanopartikel
Polymere Nanopartikel können als Träger die Freigabe von
Wirkstoffen steuern (»controlled release«). Immer wichtiger
werden hierbei biologisch abbaubare Verbindungen, die nach
ihrer Anwendung im Körper oder in der Umwelt in ungefähr-
liche Abbauprodukte zersetzt werden. Die funktionellen
Gruppen, aus denen biologisch abbaubare Polymere zusammen-
gesetzt sind, bestimmen die physikalischen und chemischen
Eigenschaften. Die Kombination von Nanopartikeln mit wirk-
stoffrelevanten Proteinen ermöglicht es, neue Wirkstoffkon-
zepte experimentell zu verfolgen.
Trägersysteme (»carrier«) aus Nanopartikeln sind vielseitig: Sie
schützen empfindliche Arzneistoffe im Körper vor vorzeitigem
Abbau, setzen aber auch Wirkstoffe gezielt frei. Die Fraunhofer-
Forscher haben biokompatible Block-Copolymere entwickelt.
Mit diesen Polymeren können sie über Emulsionstechnik biolo-
gisch abbaubare Nanopartikel produzieren, in die sich therapeu-
tisch relevante Proteinverbindungen wie Zytokine oder Wachs-
tumsfaktoren einkapseln lassen. Die so verpackten Wirkstoffe
zeigen nach der Freisetzung wieder ihre ursprüngliche Bioakti-
vität.
Damit die polymeren Nanopartikel mit ihrer Wirkstofffracht
ganz bestimmte Zielzellen ansteuern (»drug targeting«),
müssen sie zusätzlich mit spezifischen Oberflächenmerkmalen
wie beispielsweise Proteinen funktionalisiert werden. Haben
die Nanopartikel ihr Ziel im Körper erreicht, setzen sie die
Wirkstoffe nicht beliebig, sondern entsprechend einer vorher
definierten Kinetik frei. Die Freisetzungskinetik wird über das
Molekulargewicht und das Verhältnis der hydrophilen zu den
hydrophoben Monomereinheiten eingestellt. Wir sind also in
der Lage, unsere polymeren Matrixsysteme sowie biologisch
abbaubare und biokompatible Block-Copolymere auf verschie-
denen Ebenen an die Vorgaben unserer Kunden anzupassen.
Protein-Biochips auf Basis funktioneller Nanopartikel
Proteine zählen zu den Basismolekülen des Lebens. Ihre Funk-
tionen, Strukturen und Wechselwirkungen sind die Grundbau-
steine für biomedizinische Forschung, Diagnostik oder neue
Therapien. Mangels geeigneter Methoden konzentrierte sich
die Proteinforschung bisher auf einfach handhabbare und
stabile Proteine. Nun erweitern Fraunhofer-Wissenschaftler das
Methodenspektrum. Auf Basis von funktionellen Nanopartikeln
entwickeln sie Microarrays, also spezielle Biochips, die sich
1 Biochip auf Basis funktio
nalisierter Nanopartikel.
2 Lungenpräzisionsschnitte
(Lebend/TotFärbung).
1 2
dank ihres modularen Aufbaus an viele Aufgabenstellungen
an passen lassen. Je nach Kundenwunsch stattet der Fraunhofer-
Verbund die Microarrays mit unterschiedlichsten Funktions-
gruppen aus, an die wiederum Biomoleküle gebunden werden
können.
Mit diesem variantenreichen Forschungswerkzeug lassen sich
gering konzentrierte Proteine aufspüren, messen, anreichern
und anhand modernster ortsaufgelöster MALDI-Massenspek-
trometrie auswerten.
KoNtaKt
Dr. Achim Weber
Telefon +49 711 970-4022
DNA-Nanosysteme für biomedizinische Anwendungen
Anordnungen und Muster von Molekülen im Nanometer-
maßstab sind wichtige Faktoren in vielen biologischen Pro-
zessen. Fortschrittliche therapeutische Ansätze zur Analyse
spezifischer Zelltypen oder das Auslösen zellulärer Reaktionen
hängen immer stärker von der Fähigkeit ab, den Raum, die
Ausrichtung und die Anzahl von Molekülen im Nanometer-
bereich zu kontrollieren.
Momentan ist das sogenannte programmierte Self-assembly
(Selbstanordnung) von DNA und anderen nukleotidbasierten
Biopolymeren die modernste Methode, um multifunktionale
Strukturen im Nanometermaßstab zu konstruieren. Unter Be-
achtung weniger Gesetzmäßigkeiten ist es möglich, komplexe
Objekte zu konstruieren, deren Form und molekulare Zusam-
mensetzung vorab genauestens definiert wurden. Diese Ob-
jekte können deutlich kleiner sein, als es bisher mit irgendeiner
anderen Technik möglich war. Sie können als Gerüst für die
exakte Platzierung beinahe jeder Molekülart dienen und darü-
ber hinaus Funktionen ausführen, die durch externe Signale
ausgelöst werden. Für medizinische Anwendungen besonders
wichtig ist die vollständige Bioverträglichkeit der Materialien.
Die laufenden Forschungen im Fraunhofer-Verbund erschließen
zwei große Anwendungsbereiche. Zum einen können die
Nanopartikel zur zielgerichteten Applikation therapeutischer
Wirkstoffe und Signale verwendet werden (»drug delivery«).
Zum anderen lassen sich aus den Nanopartikeln molekulare
Gerüste für die Herstellung diagnostischer Werkzeuge sowie
reaktiver Nanomaterialien formen. So können beispielsweise
Kohlenstoffnanoröhren nanometergenau ausgerichtet werden,
um neue Biosensoren herzustellen.
KoNtaKt
Dr. David Smith
Telefon +49 341 35536-9311
6 I 7
1 DNAOrigami.
2 Kohlenstoffnanoröhren,
ausgerichtet an DNA.
21
Durch die Kombination magnetischer Nanopartikel und
pumpenfreier Mikrofluidik entsteht eine neue diagnostische
Plattformtechnologie. Das Verfahren kann an verschiedenste
molekularbiologische Aufgabenstellungen angepasst werden –
von genetischen Prädispositionen über Infektionskrankheiten
bis hin zur Krebsdiagnostik.
KoNtaKt
Dr. Dirk Kuhlmeier
Telefon +49 341 35536-9312
Nanoelektroden für die Biosensorik
Ein zentrales Element der medizinischen Diagnostik wie auch
der Bioanalytik stellen Biosensoren dar. Sie sind die eigentliche
Schnittstelle zwischen dem biochemisch-medizinischen Ge-
schehen und dem Analyseinstrument. Verbesserungen an
dieser Schnittstelle sind ausschlaggebend für das Erschließen
neuer Einsatzbereiche bioanalytischer Methoden, die unter
anderem durch Nachweisempfindlichkeit, geometrische Größe
und Kosten der Nanoelektroden bestimmt werden. Zu diesem
Zweck entwickeln die Fraunhofer-Forscher Biosensoren, deren
Größe bis hinab in den Nanometerbereich reicht und die mit
Hilfe neuartiger Verfahren gezielt funktionalisiert werden. Dies
geschieht in enger Kooperation mit Partnern aus der Pharma-
industrie, um ins besondere medizinisch interessante Biomarker
nachweisen zu können, als auch mit Partnern aus der Halb-
leiterherstellung, um die erforderliche Miniaturisierung zu er-
reichen.
Magnetische Nanopartikel in der medizinischen
Diagnostik
Komplexe und lebensbedrohliche Infektionserkrankungen wie
Sepsis können derzeit nur mit aufwendigen, zeitraubenden
Verfahren in einem Analyselabor und mit Fachkräften zuver-
lässig diagnostiziert werden. Funktionalisierte, magnetische
Nanopartikel können alternativ genutzt werden, um den diag-
nostischen Ablauf deutlich zu vereinfachen. Um den generellen
Nutzen aufzuzeigen, ent wickeln Fraunhofer-Forscher ein inno-
vatives System zur schnellen, einfachen und kostengünstigen
Infektionsdiagnostik direkt vor Ort.
Das Verfahren basiert auf magnetischen Partikeln, die je nach
Anwendungsbereich als Träger für Proteine, zum Beispiel Anti-
körper, Peptide oder für krankheitsassoziierte DNA-Sequenzen
funktionalisierbar sind. Diese Magnetpartikel werden auf einem
scheckkartenähnlichen Disposable (»Lab-on-a-chip«) prozes-
siert. Bei der Vor-Ort-Untersuchung wird dem Patienten eine
Probe entnommen, etwa Blut, Speichel oder Urin, die dann
in das Lab-on-a-chip-System eingebracht wird. Die Magnet-
partikel binden nach dem Aufbrechen der Zielzellen an die
entsprechenden Zielmoleküle in der Probe und werden mit
Magnetkraft voll automatisch durch verschiedene Reaktions-
gefäße transportiert. Neben hochempfindlicher Magnetosen-
sorik stehen unter anderem optische Verfahren zum Nachweis
der Zielmoleküle zur Ver fügung.
3 Feldsimulation um eine
Nanoelektrode: elek trisches
Potenzial, Feldstärke und Feld
stärkeGra dient (von links nach
rechts).
3
8 I 9
Die gleichen Mikrostrukturierungstechniken, wie sie in der
Halbleiterindustrie etabliert sind, werden eingesetzt, um
Messelek troden herzustellen, die so klein sind, dass sogar Ar-
rays von mehr als zehn solcher Elektroden auf der Fläche einer
einzelnen Blutzelle Platz finden. Der Fertigungsprozess erlaubt
es, auch die Auswerteelektronik auf demselben Chip zu inte-
grieren. Das führt einerseits zu einer höheren Zuverlässigkeit
des Gesamtsystems, andererseits zu einer erheblichen Kosten-
einsparung, das heißt zu Effekten, die man seit Jahren aus der
Elektronik kennt.
Um diesen Elektroden Spezifität zu verleihen, das heißt, sie
sensitiv gegenüber bestimmten – medizinisch relevanten –
Substanzen zu machen, müssen sie mit Erkennungsstrukturen
versehen werden. Dies können zum Beispiel Antikörper oder
Enzyme sein, die üblicherweise mit chemischen Verfahren an
die Oberfläche gekoppelt werden. Im Fraunhofer-Verbund Life
Sciences setzen wir bevorzugt elektrische Felder ein, um diese
Detektionsmoleküle gezielt auf die Elektrodenoberfläche zu
bringen. Diese Methode wird schon seit längerem für die Cha-
rakterisierung und das Sortieren lebender Zellen eingesetzt. Die
Manipulation von Nanoobjekten wie Viren oder gar gelösten
Molekülen ist zwar prinzipiell ebenso möglich, setzt aber vor-
aus, dass die Elektroden charakteristische Dimensionen eben-
falls im Nanometer bereich aufweisen. Da die Herstellung
solcher Elektroden bisher aufwendig war, sind nur wenige Ein-
richtungen weltweit in der Lage, durch rein elektrische Steue-
rung solche Nanoobjekte gezielt zu bewegen und sie ohne
chemischen Eingriff zu immobilisieren. Dank der Entwicklung
spezieller Strukturen stehen uns mittlerweile Nanoelektroden
zur Verfügung, die sich kostengünstig mit Standard-Lithogra-
phieverfahren herstellen lassen. Ein Vorteil des feldgestützten
Verfahrens liegt darin, dass die Moleküle gezielt nur auf die
Elektroden aufgebracht werden, sodass bei vergleichsweise
geringen Konzentrationen in der Flüssigkeit hohe Konzentra-
tionen an der Oberfläche erreicht werden können. Es konnte
gezeigt werden, dass Antikörper und Enzyme ohne weitere
chemische Agenzien oder Reaktionsschritte an der Elektro-
denoberfläche haften bleiben. Das beschleunigt die Herstel-
lung und reduziert die Kosten.
Die nun erreichbare Funktionalität der Elektroden-Arrays sollte
es erlauben, auch komplexe Proben auf mehrere Substanzen
hin simultan zu untersuchen, indem jede einzelne Elektrode
für sich angesteuert und ausgelesen wird. Angesichts der
geringen Größe, auch im Vergleich zu lebenden biologischen
Zellen, erscheint somit eine Multiparameter-Analyse einzelner
Zellen möglich. Arbeiten sind im Gang, die Elektronik sowohl
für die Felderzeugung als auch Detektion auf dem Chip zu
inte grieren.
KoNtaKt
PD Dr. Ralph Hölzel
Telefon +49 331 58187-205
1 Feld gestützt immobilisierte
Anti körper: fluoreszenz
mikroskopische Aufnahme
in Falschfarbendarstellung;
gelb: Antikörper, violett:
Elektroden.
1
druckten Zellen zu einem funktio nalen Gewebemodell fördert.
Auch aus künstlichen Ausgangsmaterialien, beispielsweise
multifunktionalen Polyethylenglykolen (PEG), lassen sich mit
den Druckern des Fraunhofer-Verbunds Gele produzieren,
die zytokompatible Eigenschaften haben und die Adhäsion
von Zellen fördern. Zum Beispiel haben die Forscher ein PEG-
basiertes Materialsystem entwickelt, das ohne die Ausbildung
von Nebenprodukten zu einem Hydrogel vernetzt (»Klick«-
Chemie) und direkt mit Zellen besiedelt werden kann.
Künstliche vaskuläre Strukturen
Eine zentrale Herausforderung im Tissue Engineering ist es,
vaskularisiertes Gewebe herzustellen, das über ein eigenes
Blutgefäßsystem verfügt und darüber mit Nährstoffen versorgt
werden kann. Um zukünftig größere Gewebestrukturen her-
stellen zu können, ist dieser Schritt der Vaskularisierung sehr
wichtig. Die BioRap®-Technologie, eine Fraunhofer-Entwick-
lung unter der Beteiligung der Institute IAP, IGB, ILT, IPA und
IWM, umfasst die Kombination von additiven Fertigungsme-
thoden, biokompatiblen und biobasierten Materialien sowie
der Modellbildung und Simulation nach biomimetischen
Designprinzipien. Im Mittelpunkt steht eine zum Patent an-
gemeldete Produktionstechnologie, mit der es möglich ist,
3D-Inkjetdruck und laserbasierte Polymerisationstechniken
zu nutzen, um biologische und biokompatible Materialien zu
Strukturen zu verarbeiten, die zuvor am Rechner entworfen
wurden. Die Materialentwicklung ist fokussiert auf die Dar-
stellung von zellfreundlichen Materialien und die Integration
von Funktionen wie beispielsweise einstellbarer Elastizität.
Zur Biologisierung der synthetischen Materialien, das heißt,
Biotinten aus lebenden Zellen für das Tissue Engineering
Einen neuen Ansatz, um funktionelle Strukturen und Matrices
für die Medizintechnik und das Tissue Engineering zu erzeugen,
verfolgt der Fraunhofer-Verbund mit der Entwicklung biofunk-
tionaler Tinten. Ziel ist, menschliche Zellen in die Tinten zu
integrieren und zu drucken.
Biofunktionale Tinten
Die Tintenflüssigkeiten bestehen entweder aus biologischen
Komponenten der extrazellulären Matrix (der natürlichen
Umgebung der Zellen) oder aus zellkompatiblen synthetischen
Molekülen. Basis der biologischen Tinten für die Einkapselung
von Zellen ist beispielsweise Gelatine. Als Abbauprodukt der
Kollagene, welche den Hauptbestandteil der Matrix natürlicher
Gewebe bilden, stellt Gelatine eine bio artifizielle Matrix dar,
die dem natürlichen Original sehr nahe kommt. Damit aus
den Biopolymeren flüssige, druckbare Tinten werden, die erst
anschließend nach dem Drucken zu stabilen Hydrogelen ver-
netzen, modifizieren die Fraunhofer-Wissenschaftler die Bio-
polymere auf molekularer Ebene. Werden UV-vernetzbare
Funktionen eingebracht, kann die Vernetzung zu Hydrogelen
durch UV-Bestrahlung ausgelöst werden. So kann das Gelier-
verhalten und die Viskosität der Tintenlösungen wie auch die
Steifigkeit und Quellbarkeit der vernetzten Hydrogele gesteu-
ert werden. Damit lassen sich die Eigenschaften von natürlichen
Geweben nachbilden – von festem Knorpel- bis hin zu weichem
Fett gewebe. Zellen, die in die Biotinten eingebracht werden,
erhalten auf diese Weise nach Vernetzung der Matrix eine
natürliche Umgebung, was die Selbstorganisation der ge-
2 Biotinte aus lebenden
Zellen wird auf Hydrogel
Pads gedruckt.
2
10 I 11
um sie mit Zellen zu besiedeln, werden Biopolymere wie bei-
spielsweise Heparin, Wachstumsfaktoren oder Ankerpeptide
wie die Aminosäuresequenz Arginin-Glycin-Asparaginsäure
(RGD) von den Fraunhofer-Wissenschaftlern zunächst chemisch
modifiziert und dann an die Kunststoffe gekoppelt. In speziel-
len Bioreaktoren bildet sich dann ein konfluenter Zellrasen,
indem sich humane Zellen an diese bioaktiven Komponenten
anheften.
KoNtaKt
Dr. Kirsten Borchers
Telefon +49 711 970-4121
Nanopartikel als Arzneiform – präklinische Tests
Eine Chemotherapie, die nur im Tumor wirkt und gesundes
Gewebe unbeschadet lässt, ist eines der großen Ziele der
Krebsforschung. Wissenschaftler des Fraunhofer-Verbunds Life
Sciences erforschen Nanopartikel für die Tumortherapie und
untersuchen das therapeutische Potenzial der Winzlinge in
präklinischen Tests. Mit welchen nanopartikulären Formulie-
rungen können Arzneimittelwirkstoffe spezifisch in Tumor-
gewebe transportiert werden? Können Nanopartikel Medi-
kamente durch hochselektive biologische Barrieren wie die
Blut-Hirn-Schranke oder die gastro-intestinale Barriere schleu-
sen? Das sind nur zwei von vielen Fragen, die von uns be-
arbeitet werden.
Die Fachleute beim Fraunhofer-Verbund können unzählige Vari-
anten von Nanopartikeln testen, die mit Wirkstoffen wie Zyto-
statika, Photosensibilisatoren oder siRNA beladen sind. Zusätz-
lich sind die Partikel an der Oberfläche mit Liganden ausgestattet.
Die Liganden dienen als eine Art Navigationsgerät. Sie erkennen
Rezeptoren, die an Tumorzellen überexprimiert sind, und binden
spe zifisch daran.
Mit Durchflusszytometrie und konfokaler Laser-Scanning-Mikro-
skopie erforschen wir in Zellkulturen die Kinetik der zellulären
Aufnahme und Anreicherung der beladenen Partikel sowie ihre
Verteilung innerhalb einzelner Zellen. Dann analysieren wir den
Abbau der Partikel, die Freisetzung des Wirkstoffs und seine
biologische Wirksamkeit.
In Studien konnten wir zeigen, dass funktionalisierte Nano-
partikel gezielt in eine Zelle geleitet werden können und dass
sie sich, im Gegensatz zu unmodifizierten Formulierungen,
ausschließlich in den Zielzellen anreichern. Dort wird das Zyto-
statikum freigesetzt. Dies ist ein weiterer wichtiger Schritt hin
zu einer zielgerichteten Chemotherapie.
KoNtaKt
Dr. Sylvia Wagner
Telefon +49 6894 980-274
1 Transport nanopartikulär
verpackter Krebsmedikamente
in Tumorzellen.
1
Einsatz von Nanopartikeln für Zellmarkierung und
Zelltracking adulter Stammzellen
Die genaue Wirkung der Stammzellen bei ihrem erfolgreichen
Einsatz in der Geweberegeneration ist bisher nur ungenügend
erforscht. Im klinischen Einsatz befinden sich bereits Stamm-
zellen aus dem Knochenmark, die bei Herzinsuffizienz in das
Herz injiziert werden. Trotz der guten Erfolge bei zahlreichen
behandelten Patienten ist bisher unklar, ob die transplantierten
Zellen im Herzmuskelgewebe verbleiben und in Herzmuskel-
zellen differenzieren oder durch Abgabe von Wachstumsfak-
toren als parakrine Mediatoren die Regeneration befördern.
Für eine genaue Analyse des Verbleibs und des Verhaltens der
Stammzellen im Zielorgan ist es notwendig, die Zellen zu mar-
kieren, um sie verfolgen zu können. Erste Experimente in Tier-
modellen nutzen genetisch veränderte Zellen, die ein artifi-
zielles Fluoreszenzprotein ausbilden (z. B. grün fluoreszierendes
Protein aus einer Qualle). Diese molekularbiologischen Metho-
den sind technisch anspruchsvoll und kostenintensiv, sodass
nach günstigen und handhabbaren Alternativen gesucht wird.
Hier eröffnen fluoreszierende Nanopartikel, wie zum Beispiel
die »Quantum Dots«, neue Möglichkeiten. Sie werden von
den Zellen passiv aufgenommen und können als fluoreszente
Aggregate im Zytoplasma angereichert werden. In vielfältigen
Analysen konnte die Anwendbarkeit einer Quantum-Dot-
basierten Zellmarkierung für adulte Stammzellen von den
Fraunhofer-Fachleuten erprobt werden. Im Hinblick auf den
Erhalt der Stammzellcharakteristika muss gewährleistet sein,
dass die aufgenommenen Nanopartikel keinen negativen
Einfluss auf Zellproliferation, Zellzyklus und Differenzierungs-
potenzial haben. Es konnte bereits gezeigt werden, dass
QTracker-605-Nanopartikel als unbedenkliche Zellmarkierung
für pankreatische Stammzellen verwendet werden können
(Danner et al., 2013). In mikroskopischen Zeit rafferaufnahmen
kann sogar die Verteilung der Partikel in der Zelle sowie ihre
Weitergabe während der Zell teilung beobachtet werden. Eine
weitere Evaluation findet in verschiedenen Organkulturmodellen
und Tiermodellen für zellbasierte Therapien statt, um auch
Aussagen zum In-vivo-Verhalten der Nanopar tikel treffen zu
können.
Wir verfügen über ein breites zelltechnologisches und mole-
kularbiologisches Methodenspektrum, um das Verhalten
verschiedener Nanopartikel in Stamm- und Progenitorzellen
zu analysieren und eine Anwendung für das Zelltracking zu
erproben.
KoNtaKt
Dr. Sandra Schumann
Telefon +49 451 384448-14
Literatur: S. Danner, H. Benzin, T. Vollbrandt, J. Oder, A. Richter und C. Kruse,
»Quantum Dots Do Not Alter the Differentiation Potential of Pancreatic
Stem Cells and Are Distributed Randomly among Daughter Cells«,
International Journal of Cell Biology, Vol. 2013, Article ID 918242, 12 Seiten,
2013. doi: 10.1155/2013/918242
2 Verteilung von Nano
partikelAggregaten (rot) in
adulten Stammzellen (grün).
2
12 I 13
Nanopartikel als Komponenten von Kontrastmitteln
In der »Biomedizinischen Ultraschallforschung« erforschen
Fraunhofer-Wissenschaftler, wie Nanopartikel als Kontrast-
mittel für die photoakustische Bildgebung eingesetzt werden
können. Bei diesem Bildgebungsverfahren wird das Messsignal
durch Energiekonversion von Licht zu Wärme und schließlich zu
Druck erzeugt. In der photoakustischen Bildgebung kommen
Nanopartikel zum Einsatz, die Licht im sichtbaren und im infra-
rotnahen Bereich des optischen Spektrums stark absorbieren.
Mit funktionalisierten Nanopartikeln könnte die photoakusti-
sche Bildgebung über molekularbiologische Veränderungen im
Zielgewebe Aufschluss geben (molekulare Bildgebung). Dazu
müssten Nanopartikel in ausgewählten Geweben oder Zellver-
bänden angereichert werden und dort Licht in einem definier-
ten Spektrum absorbieren.
Erste Erfolge gibt es bereits. Wir haben photoakustische Bild-
gebungssysteme für die hochaufgelöste Darstellung von Par-
tikelclustern in Zellkulturen und für die hochsensitive In-vivo-
Detektion von Partikeln am Kleintiermodell entwickelt. In Bezug
auf die Partikelsynthese liegt der Forschungsschwerpunkt in
der Herstellung von biologisch resorbierbaren Nanopartikeln
mit definierten Absorptionseigenschaften in einem Spektral-
bereich von 600 bis 1100 Nanometern.
KoNtaKt
Dr. Marc Fournelle
Telefon +49 6894 980-220
Implantierbare, elastische, nanofunktionalisierte
Polysiloxan-Strukturen
In der Neuroprothetik kommt dem Einsatz von implantierbaren
Mikrosystemen zur Interaktion mit dem menschlichen Körper
eine zentrale Rolle zu. Neben Komponenten zur Generierung,
Konditionierung, Verarbeitung und Übertragung von Signalen
sind dabei sensorische, aktuatorische und bioaktive Kompo-
nenten von besonderer Bedeutung. Für viele Anwendungen ist
der Einsatz flexibler Strukturen wünschenswert, da diese eine
bessere mechanische Kompatibilität zum Gewebe aufweisen.
Im Rahmen des grundlagenorientierten, wissenschaftlichen
Projekts elaN wird durch die systemische Funktionalisierung
von Polysiloxan (z. B. PDMS) mit Nanomaterialien eine neu-
artige Materialklasse für die Neuroprothetik wissenschaftlich
evaluiert und umgesetzt.
Das übergeordnete Ziel dieses Projekts ist die Optimierung
sensorischer und aktuatorischer Funktionalität der Schnittstelle
zwischen dem biologischen System und dem technischen
Mikrosystem mithilfe nanoskaliger Effekte. Hierzu zählen die
nachhaltige Verbesserung der Schnittstellenleistungsfähigkeit
sowie insbesondere die Erschließung von elektrischer, mecha-
nischer und bio-aktiver Schnittstellenfunktionalität mit Mate-
rialien einer Materialklasse. Ein wesentlicher Vorteil für die Ent-
wicklung von Sensoren und Aktuatoren für die Neuroprothetik
besteht außerdem darin, dass durch die Verfügbarkeit eines
funktionalisierten Polysiloxans ein monolithischer Aufbau
aktiver Systemkomponenten aus nur einem Material möglich
wird.
1 Biologisch abbaubare
Nanopartikel.
2 Funktionalisierte Nanopar
tikel (rot) docken an Zielzelle
(grün) an.
1 2
Mechanische Aktuatoren
Es wurden Hohlkammerstrukturen aus PDMS aufgebaut, mit
denen durch Erzeugung eines Unterdrucks gerichtete Bewe-
gungen ausführbar wurden. Beispielsweise konnte für einen
Finger mit einem Kammervolumen von 12,3 ml eine 66°-Fle-
xion mit einer Greifkraft von 9,2 N und einer mittleren Ge-
schwindigkeit von 0,04 m/s erzielt werden. Es wird ein hohes
Potenzial als intraoperatives Stützsystem oder zur Verbesse-
rung des Kontakts zwischen Elektrode und Nerv gesehen.
Ein weiterer Ansatz sind in Silikon eingebettete Formgedächt-
nismaterialien.
Thermoelastische Silikone, die sich bei Wärmezufuhr verkür-
zen, und elektroaktive Polymere (EAPs), die bei Anlegen einer
Spannung ihre Form ohne Volumenänderung ändern, haben
derzeit aufgrund der erforderlichen hohen Energiezufuhr nur
geringes Potenzial als Implantat. Bei letzteren befindet sich ein
Elastomer (PDMS) zwischen zwei flexiblen leitfähigen Silikon-
schichten (s. Abbildung 3).
Bioaktive Aktuatoren
Im Rahmen des Projekts wurde ein Kompositmaterial aus dem
Silikon PDMS und einem Hydrogel entwickelt (s. Abbildung 1,
Seite 14). Dieses trägt zum einen durch einen hohen Anteil
des Hydrogels zu einer Verbesserung der Biokompati bilität als
silikonbasiertes Implantatmaterial bei. Zum anderen erlaubt
das »interpenetrating network« dieses Komposits die Diffusion
wässriger Moleküle wie beispielsweise hydrophiler Wirkstoffe
durch das Silikon hindurch. Durch Integration von an Mikro-
und Nanopartikel gebundenen Stoffen, Änderungen der
Porengröße innerhalb des Komposits und der Porenanzahl an
dessen Oberfläche lässt sich der Abgabeverlauf der Substanzen
beeinflussen.
Des Weiteren wurde eine Methode entwickelt, lebende Zellen
in dem PDMS-Hydrogel-Komposit zu immobilisieren. Dies
bietet die Möglichkeit, wirkstoffsekretierende Zellen in die
Beschichtung von Implantaten einzubringen und somit durch
Biologisierung von Silikon eine langfristige Verbesserung der
Integration eines Implantats in den Körper zu gewähr leisten.
Elektrische Aktuatoren
Die elektrische Leitung von intrinsisch leitfähigen Polymeren
kann entlang der Polymerketten, aber auch durch Tunnelpro-
zesse zwischen den Ketten erfolgen. Füllt man die Polymere
mit Partikeln, wie zum Beispiel Carbon Black, Kohlenstoffnano-
röhren oder Silber, ist die Leitfähigkeit auf Ausbildung eines
Perkolationsnetzwerks zwischen den einzelnen Partikeln zu-
rückzuführen. Auf diese Weise hergestellte Elektroden lassen
sich sowohl zur Stimulation als auch zur Signalerfassung ein-
setzen.
Mechanische Sensoren
Mittels des Replica-Molding-Verfahrens wurden Teststrukturen
aufgebaut und die mechano-elektrischen Eigenschaften
gefüllter Polymerstrukturen erfasst. Der dehnungsabhängige
Widerstand lässt sich in drei markante Bereiche einteilen:
(1) proportionale Abhängigkeit, (2) reziprok proportionale Ab-
hängigkeit von Dehnung und Widerstand sowie (3) konstanter
Widerstand bei sich verändernder Dehnung. Diese drei Berei-
che ermöglichen einen anwendungs spezifischen Zuschnitt der
mechanischen Sensoren.
3 Dreischichtiger Aufbau eines
elektroaktiven Polymers (EAP)
auf Silikonbasis.
3
14 I 15
Elektrische Sensoren
Der Aufbau von Elektroden zur Signalerfassung ist mittels leit-
fähiger PDMS-Strukturen möglich und wurde erfolgreich ge-
testet. Bioelektrische Signale unterschiedlicher Genese lassen
sich problemlos erfassen. Die Untersuchungen der leitfähigen
Polymere bezüglich ihrer elektro-mechanischen Eigenschaften
haben gezeigt, dass die Stärke der dehnungs abhängigen
Effekte von der Art der eingebrachten Partikel abhängt. Bei-
spielsweise kann der elektrische Widerstand bei geringen
Dehnungen eines mit Kohlenstoffnanoröhren gefüllten Poly-
mers als dehnungsunabhängig betrachtet werden.
Wissenschaftliche und wirtschaftliche
Anschlussfähigkeit
Die Erkenntnisse, die bei den Untersuchungen innerhalb des
Projekts bezüglich der Polysiloxan-basierten Aktuatoren und
Sensoren gewonnen wurden, können auf Implantate aller Art
übertragen werden. Beispielsweise können PDMS-Hydrogel-
Komposite neben ihrer Eignung als Drug-Delivery-System all-
gemein zur Kapselung von Implantaten eingesetzt werden, um
die Biokompatibilität zu erhöhen. Mit Nanopartikeln gefüllte
Polysiloxane hingegen haben das Potenzial, eine flexible und
monolithisch aufgebaute Basis für aktuatorisch und sensorisch
aktive Materialien zu schaffen. Die Erkenntnisse aus dem Pro-
jekt tragen somit insgesamt zum Know-how in der Prozess-
technik, Fertigung und Qualitätssicherung im medizintechni-
schen Bereich bei.
Eine Nutzung der Erkenntnisse und Ergebnisse für zukünftige
Anwendungen in der Neuroprothetik und Medizintechnik,
auch in Kooperation mit Unternehmen, wird daher möglich.
Dies bietet gute Verwertungsmöglichkeiten außerhalb des Vor-
habens.
KoNtaKt
Prof. Dr. Klaus-Peter Hoffmann
Telefon +49 6894 980-401
Dipl.-Ing. Roman Ruff
Telefon +49 6894 980-176
1 Fluoreszierende L929Zellen,
immobilisiert in einem
PDMSHydrogelKomposit.
1
Nanotechnologie in der Lebensmittelverpackung
Fraunhofer-Wissenschaftler betrachten die Kette der Lebens-
mittelherstellung, von der Urproduktion über die Verarbeitung,
Verpackung und den Handel bis hin zum Verbraucher, als
ganzheitlichen Prozess. Für uns ist die Lebensmittelverpackung
einer der entscheidenden Faktoren, um Lebensmittelqualität
und Lebensmittelsicherheit zu gewährleisten. Eine Verpackung
schützt Lebensmittel nicht nur vor Keimen wie zum Beispiel
Schimmelpilzen. Sie vermindert auch unerwünschte Wechsel-
wirkungen – zum Beispiel Oxidation in Gegenwart von Licht
und Sauerstoff.
Je empfindlicher das Füllgut, desto größer die Anforderungen
an das Verpackungsmaterial. Massenkunststoffe stoßen dann
schnell an ihre Grenzen. Mit Nanopartikeln können Verpa-
ckungsmaterialien jedoch funktionalisiert werden, das heißt,
sie erhalten zusätzliche Eigenschaften. Für die Verpackungs-
industrie können Nanopartikel als Füllstoffe in Lacken und
Kunststoffen, als Nanokomposite oder als Beschichtung eine
interessante Option sein. Ein Beispiel: Mit einer nur 20 bis 30
Nanometer starken aufgedampften Schicht aus einem anorga-
nischen Material kann die Barrierewirkung von Kunststofffolien
gegenüber Gasen und Dämpfen entscheidend verbessert wer-
den – auch dann, wenn die Verpackung transparent sein soll.
Modifikationen im Nanometermaßstab sind auch mit plasma-
technischen Verfahren möglich. Wir variieren gezielt die Pro-
zesschemie und die Verfahrensparameter, um Oberflächen
ganz nach Wunsch des Kunden zu funktionalisieren. Wir
können Merkmale wie Kratzbeständigkeit beeinflussen oder
Grenzflächeneigenschaften hinsichtlich der Oberflächen-
energie verändern.
Vorteile erzielen wir auch, indem wir Kohlenstoffnanoröhren
(Carbon-Nanotubes, CNT) in thermoplastische Kunststoffe
einarbeiten. Das Ergebnis sind kürzere Zykluszeiten für den
Spritzgussprozess von Flaschen und schnelleres Streckblasen
aufgrund einer verbesserten IR-Absorption und Wärmeleitung.
Der Fraunhofer-Verbund Life Sciences erprobt geeignete Kon-
zepte und die Verarbeitungsfähigkeit zu Verpackungsfolien.
Darüber hinaus prüfen und bewerten wir die Eigenschaften
der innovativen Verpackungslösungen.
KoNtaKt
Dr. Cornelia Stramm
Telefon +49 8161 491-502
2 Nanotechnologie ermög
licht kürzere Zykluszeiten für
den Spritzgussprozess von
Flaschen und schnelleres
Streckblasen.
2
16 I 17
mit forschuNg begreNzte ressourceN eNtlasteN
Nanomater ia l ien haben ein hohes Ent lastungspotenzia l für d ie Umwelt . Die Nanotechnologie und nano-
technische Produkte ermögl ichen es, knappe Rohstoffe und Energie eff iz ienter zu nutzen. Dadurch können
Ressourcen geschont und der Schadstoff- und Kohlendioxidausstoß vermindert werden. Weiterhin spie l t
d ie Nanotechnologie e ine wicht ige Rol le bei der Entwicklung alternat iver Energien – e in Thema mit hoher
Umweltre levanz.
Das große Potenzial der Nanotechnologie zur Entlastung
der Umwelt kann in verschiedensten Produktbereichen zum
Tragen kommen:
– effizientere Batterien mit keramischen Membranen aus
Nanokompositen
– Photovoltaikzellen mit höherem Wirkungsgrad
– nanoskalige Pulver für chemische Produktionsprozesse bei
niedrigeren Temperaturen
– nanotechnisch optimierte Kunststoffe, zum Beispiel als
Leichtbauwerkstoffe
– nanoskalige Photokatalysatoren, die Desinfektionsmittel
ersetzen
– nanoporöse Wärmedämmschichten für den Bau
Auch konventionelle Produktionsprozesse können durch den
Einsatz von Nanotechnologie energie- und ressourceneffizien-
ter durchgeführt werden (Nanotechnologie für die Produktion,
»sustainable production«). Damit leisten Nanomaterialien und
-technologien einen Beitrag zur Energiespeicherung, zur Energie-
und Ressourceneffizienz und zum Umweltschutz.
In der Fraunhofer-Gesellschaft ist fast ein Drittel aller Institute
auf dem Gebiet der Nanotechnologie tätig. Sie haben ihre
wissenschaftliche Kompetenz in der Fraunhofer-Allianz Nano-
technologie gebündelt.
Leitthemen sind:
– multifunktionelle Schichten für die Oberflächenveredelung
(Korrosionsschutz, Tribologie, Barrierefunktionen, einfaches
Reinigen)
– Design und Herstellung spezieller Nanopartikel für Biotech-
nologie, Medizin, Optik, Kunststofftechnik sowie Abwasser-
reinigung
– Einsatz von Kohlenstoffnanoröhren in Kompositen, zum
Beispiel für aktorische Anwendungen
Nähere Informationen unter: www.nano.fraunhofer.de
KoNtaKt
Prof. Dr. Günter Tovar
Telefon +49 711 970-4109
1 Nachhaltigkeit.
1
Spezifisches Entfernen von Umweltschadstoffen
Pharmazeutisch wirksame Substanzen sind wichtige Helfer
im Kampf gegen Krankheiten. Im Trinkwasser jedoch möchte
niemand sie haben. Die Wirkstoffe können auf verschiedene
Weise in die Umwelt gelangen. Hauptursache ist der Mensch,
der Medikamente nach der Einnahme ausscheidet oder nicht
verbrauchte Reste in die Kanalisation entsorgt.
Viele Medikamente werden aber selbst in den biologischen
Kläranlagen nicht oder nur unvollständig abgebaut. Fettlösliche
Pharmaka können sich in der Umwelt anreichern (Bioakkumu-
lation), wasserlösliche werden kaum an Sedimente gebunden
und gelangen aus kontaminierten Oberflächengewässern bis
ins Grundwasser. Über 100 verschiedene Arzneimittelwirk-
stoffe wurden bislang im Wasserkreislauf nachgewiesen – teil-
weise in Konzentrationen oberhalb ökotoxikologischer Wirk-
schwellen. Ein Abbau der Pharmaka mit physikalisch-chemi-
schen Methoden wie der Ozonolyse oder der Adsorption an
Aktivkohle ist entweder teuer oder es entstehen toxische
Abbauprodukte.
Wir verfolgen daher einen völlig neuen Ansatz: Wir entfernen
die Schadstoffe spezifisch mit Adsorbern aus nanostrukturier-
ten Kunststoffen. Bereits während ihrer Herstellung statten
wir Kunststoffkügelchen mit einer biofunktionalen Oberfläche
aus. Bei diesem patentgeschützten Verfahren werden die poly-
meren Materialien nanostrukturiert als selektive Adsorber für
spezifische Moleküle und Molekülgruppen dargestellt. Der von
uns ein gesetzte wasserbasierte Herstellungsprozess erzeugt
selektive molekulare Erkennungsstellen in den Polymeren. Die
Mikro- oder Nanostruktur der Partikeloberfläche bleibt auch
nach der Herstellung dauerhaft erhalten.
Zu den verbreiteten Spurenschadstoffen (»micropollutants«)
gehören Pharmaka wie Analgetika/Antiphlogistika, Antiepilep-
tika und Beta-Blocker. Wir haben nano- und mikrostrukturierte
spezifische polymere Adsorber (SPAs) entwickelt, mit denen
wir die Wirkstoffe Diclofenac und Pentoxifyllin selektiv aus
Abwässern entfernen können. Im Modell ist es uns gelungen,
in einem Gramm der NanoMIPs (nanoscopic molecularly im-
printed polymers) bis zu 500 Mikrogramm Pentoxifyllin zu bin-
den. Pentoxifyllin ist in der höchsten Wasser gefährdungsklasse
eingestuft – also »stark wassergefährdend«.
Ebenso gelang uns die Abtrennung von Bisphenolen und Anti-
biotika aus Wasser über in Membranen eingebaute spezifische
Adsorberpolymerpartikel. Es ist zudem möglich, die Kügelchen
mit einem magnetisierbaren Kern auszustatten, um die Adsor-
berpartikel – und mit ihnen die gebundenen Pharmaka – mit
einem Magnetabscheider abzufangen.
Besonders in Betrieben mit hohem Aufkommen von Spuren-
schadstoffen – beispielsweise in Krankenhäusern – können
diese Polymerkügelchen den Schadstoffeintrag minimieren
oder sogar verhindern, bevor die kontaminierten Abwässer
in den Wasserkreislauf gelangen.
KoNtaKt
Dr. Carmen Gruber-Traub
Telefon +49 711 970-4034
2 Nanostrukturierte Adsorber
zur Wasseraufbereitung.
3 Nanopartikel mit magneti
sierbarem Kern.
2 3
Durch Expositionsanalysen, Gefährdungsabschätzungen sowie die Ausarbeitung vorbeugender Empfehlungen
ist ein hohes Maß an Sicherheit im Umgang mit der Nanotechnologie realisierbar. Da die potenziellen Risiken
minimiert und hierdurch kontroll ierbar werden, erweitern sich die Chancen ganz erheblich, Nanotechnologie
in die Anwendung zu bringen. Durch den intensiven Beitrag der Forschung kann der Markt von den Unterneh-
men auf vielen Anwendungsgebieten durchdrungen werden. Das Einsatzpotenzial dieser innovativen Techno-
logie steigt somit nochmals erhebl ich an.
NaNotoxiKologie – gefährduNgs- PoteNziale VoN syNthetischeN PartiKelN
Was passiert mit Nanopartikeln, wenn sie in den Körper oder
die Umwelt gelangen? Die Forscher im Fraunhofer-Verbund
setzen sich auch mit dem Gefährdungspotenzial von Nano-
materialien auseinander. Mögliche Wechselwirkungen zwischen
Nanopartikeln und Lebewesen müssen mit einem erweiterten
Endpunktspektrum untersucht werden, da sich die Nanopar-
tikel und Partikel im Mikrometerbereich hinsichtlich ihrer bio-
logischen Wirkung unterscheiden. Die Gründe liegen in den
unterschiedlichen physikalisch-chemischen Eigenschaften und
in der subzellulären Größe der Nanopartikel. Parallel zur Nano-
technologie hat sich daher eine neue wissenschaftliche Diszi-
plin entwickelt: die Toxikologie von Nanomaterialien.
Ein wichtiger Aspekt bei der Untersuchung der Nanotoxizität
ist die Vergleichbarkeit und Übertragbarkeit von Untersuchungs-
ergebnissen auf den Menschen. Für fundierte Aussagen zur
Nanotoxizität benötigt man neben Tiermodellen auch humane
Zellsysteme, also zell- und gewebebasierte In-vitro-Testsysteme.
Ideal sind für diesen Zweck Primärzellen aus verschiedenen
Organen. Deren Verfügbarkeit ist jedoch begrenzt und die ver-
wendeten, teils kommerziellen Zelllinien haben – obwohl sie
ursprünglich vom Menschen stammen – mit den Pendants im
Körper nur noch wenig Ähnlichkeit. Daher erforschen und
entwickeln wir neue Testsysteme, bei denen die gesicherte
Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen im Vorder-
grund steht.
Für die Gefährdungsabschätzung von Chemikalien und Arznei-
mitteln liegen standardisierte und akzeptierte In-vitro-Prüf-
methoden vor, die schon früh im Testprozess belastbares Da-
tenmaterial für eine erste Gefährdungsanalyse liefern können.
Ganz anders bei Nanomaterialien: Diese Materialgruppe defi-
niert sich primär durch ihre Abmessungen. Ein Blick in die Lite-
ratur zeigt im Hinblick auf die Ergebnisse von Toxizitätsunter-
suchungen eine Vielzahl inkongruenter Daten. Es bestehen
noch erhebliche Wissenslücken und methodische Defizite bei
der Abschätzung der möglichen Gesundheitsgefährdungen
für den Menschen. Im Fraunhofer-Verbund Life Sciences ist die
Entwicklung und Validierung von In-vitro-Tests parallel zum
In-vivo-Experiment daher ein Ansatz, den wir in Bezug auf das
Toxizitäts-Screening verfolgen.
Vorhandene In-vitro-Ansätze konzentrieren sich zurzeit primär
auf Untersuchungen zum Wirkmechanismus dieser Materialien.
Unter Verwendung der potenziellen Zielgewebe im Menschen
ergänzen sie bereits heute Untersuchungen toxikologischer
Fragestellungen zu Nanomaterialien im Tiermodell.
1 Frisch zerkleinerter Quarz.
2 Bronchiolus mit Flimmer
härchen und Sekretzellen.
1 2
20 I 21
Für das Screening von neuen Nanomaterialien auf potenzielle
Toxizität eignet sich der unten skizzierte Ansatz, bei dem die
Toxizität von Nanomaterialen nach gründlicher physikalisch-
chemischer Charakterisierung mit In-vitro-Assays geprüft
wird. Entscheidend ist dabei, dass es sich um In-vitro-Assays
handelt, die mittels parallel durchgeführter In-vivo-Assays
validiert wurden.
Das von Nanopartikeln ausgehende Expositionsrisiko verteilt sich
mit abnehmender Priorität auf die Pfade inhalativ, dermal und
ingestiv (Magen-Darm). Entsprechend finden Sie die im Verbund
etablierten und nachfolgend vorgestellten Assays angeordnet:
– Aufnahme über die Lunge
– dermaler und ingestiver Expositionspfad
– mechanistische und grundlagenorientierte Assays
Schematischer Ansatz für die Etablierung von validierten In-vitro-Assays zum Toxizitäts-Screening von Nanomaterialien und Nanopartikeln (NP)
Produktion von NP
Schema adaptiert nach Oberdörster G. et al., Particle and Fibre Toxicology 2005, 2: 8. doi: 10.1186/1743-8977-2-8
Risiko/Markt
Phase 1:
Aufbau und Validierung des In-vitro-
Testverfahrens
Phase 2:
Testung von NP
Phase 3:
Gefährdungs- abschätzung/ Freizeichnung
Herstellung/ Funktionali-
sierung
physikalische Charakteri-
sierung
Prüfsystem azellulär
physikalisch- chemische
Testung
Prüfsystem Haut
in vitro
Prüfsystem Lunge
in vitro/ ex vivo
Referenzpartikel:z. B.: SiO2, TiO2, Ruß, Diamant,
Polystyrol
Wechselwirkung mit physiologischen
Medien und Zellinhaltsstoffen
In-vitro-Hautmodell; Validierung Mensch;
Testung
In-vitro-/Ex-vivo- Modelle Lunge;
Validierung Tierversuch segmentale Provokation
Testbatterie
Tier-/Humanmodelle
Lokalisation von NP in
Zellen
Prüfsystem Lunge
in vitro
Validierung Tierversuch
1
Inhalationstoxikologische Forschung ex vivo und in vitro
Die Wissenschaftler des Fraunhofer-Verbunds Life Sciences ver-
fügen über langjährige Erfahrung in der Erforschung der zyto-
toxischen und gentoxischen Wirkungen von Fasern, Partikeln
und Stäuben. Für behördliche Zwecke werden die klassischen
GLP-konformen Prüfungen und Zellmodelle, beispielsweise
nach OECD-Richtlinien, angewendet. Weitere Schwerpunkte
liegen in der Entwicklung von an Nanomaterialien angepass-
ten Methoden sowie auf Ex-vivo- und In-vitro-Zellmodellen,
die speziell auf die Anforderungen des Respirationstrakts als
Zielorgan zugeschnitten sind. Es kommen verlässliche und er-
probte Teststrategien zum Einsatz, die eine Beeinträchtigung
der Prüfungen und der verwendeten Analytik durch die Nano-
materialien ausschließen. Dies ist besonders im Zusammen-
hang mit Kohlenstoffnanomaterialien von großer Bedeutung.
Zurzeit werden Projekte zur Untersuchung der biologischen
Wirkung und systemischen Verfügbarkeit verschiedener Parti-
kel und Nanomaterialien, zum Beispiel Industrieruß, Kohlen-
stoffnanoröhren, Graphenplättchen und Metalloxide, bearbei-
tet. Dieses geschieht im Auftrag von Kunden aus der Industrie
und der öffentlichen Hand (EU, BMBF und BAuA) und in enger
Zusammenarbeit mit den Fraunhofer-Inhalationstoxikologen,
-Aerosoltechnologen und -Pathologen und der Fraunhofer-
Allianz Nanotechnologie. Im Mittelpunkt dieser Studien stehen
die Aufnahme von Nanomaterialien in Zielzellen, wie zum Bei-
spiel Lungen epithelzellen und Alveolarmakrophagen, sowie
die Detektion von größen-, morphologie- und oberflächen-
abhän gigen Zellschädigungen. Zu den bekanntermaßen durch
Partikelexposi tion auftretenden Veränderungen, die in Ex-vivo-
und In-vitro-Studien untersucht werden, gehören die Freiset-
zung von Sauerstoffradikalen, oxidativer Stress, Entzündung,
Zytotoxi zität, Auswirkungen auf Zellzyklus und Proliferation,
Verän derungen der zellulären Signalübertragungswege und
der Genexpression sowie gentoxische Schäden. Mittels mo-
dernster Bildgebungsverfahren, zu denen die Ultrastruktur-
analyse (REM/TEM) in Verbindung mit einer Analytik der Ele-
mentzusammensetzung (EDX) sowie die Fluoreszenzmikroskopie
im Dunkelfeldmodus mit den zusätzlichen Möglichkeiten der
Hyperspektralanalyse und einer angeschlossenen Analyse der
Proben im Transmissionselektronenmikroskop gehören, können
die Prüfsubstanzen in Zellen und Geweben auch visuell nach-
gewiesen und identifiziert werden.
Zusammen mit ergänzenden Daten aus In-vivo-Studien dienen
die In-vitro-Daten als Grundlage für die Gefährdungs- und Risi-
koabschätzung der untersuchten Nanomaterialien, die durch
unsere Experten auf dem Gebiet der Chemikalienbewertung
vorgenommen wird.
KoNtaKt
Dr. Jan Knebel
Telefon +49 511 5350-273
Dr. Christina Ziemann
Telefon +49 511 5350-203
Dr. Tanja Hansen
Tel +49 511 5350-226
1 Mikroskopischer Schnitt
durch die Luftröhre.
2 Lungenzellen.
2
22 I 23
Immuntoxikologische Prüfungen in vitro
Mit einem umfangreichen In-vitro-Programm testen wir den im-
muntoxikologischen Einfluss von Nanopartikeln anhand etablier-
ter State-of-the-Art-Methoden. Zur Verfügung stehen beispiels-
weise Real-time-RT-PCR nach dem UPL-Prinzip für die Genexpres-
sionsanalyse einer breiten Palette immuno logisch interessanter
Gene für Zytokine, Chemokine, Toll-like-Rezeptoren und
andere oder für durchflusszytometrische Analysen (Immun-
phänotypisierung, intrazelluläre Färbung von Zytokinen und
Phosphoepitopen).
Darüber hinaus verfügen wir mit dem evaluierten xCELLigence-
Real-time-Zellanalysesystem über eine innovative Methode
zur ultrasen sitiven Analyse des Einflusses von Nanopartikeln
auf die Funktionen von adhärenten Zellen (Makrophagen,
Endothelzellen, Epithelzellen). Die Methode beruht auf Impe-
danzmessungen (GLP-Standard). Die Zellen befinden sich auf
Gold elektroden am Boden einer 96-Kavitäten-Platte. Ände-
rungen der Kontaktstellen zwischen Zelle und Goldelektrode,
die durch Proliferation, Bewegung, Adhärenzverstärkung,
Rezeptorakti vie rung oder Zelltod hervorgerufen werden kön-
nen, bewirken eine Änderung der Impedanz. Diese kann als
Zellindex mit einer extrem hohen Zeitauflösung in Echtzeit
gemessen werden.
KoNtaKt
Dr. Jörg Lehmann
Telefon + 49 341 35536-1205
Immuntoxikologische Prüfungen in vitro und in vivo
Potenzielle immuntoxische Effekte nach Nanopartikeldeposi-
tion im Respirationstrakt können mit In-vitro-Modellen (Alveo-
larmakrophagen ex vivo, kommerziell erhältlichen Zellen des
Respirationstrakts) erfasst werden. Dazu dienen die Bestimmung
von Zytokinkonzentrationen, der Sauerstoffradikalbildung
oder der Phagozytoseleistung sowie immunhistochemische
Methoden. Diese Tests kommen in vitro beim Immuntoxizitäts-
Screening zum Einsatz oder werden bei In-vivo-Inhalationstests
mit Nagern häufig als Ergänzung in das Endspektrum aufge-
nommen.
Neben Tierexperimenten besteht die Möglichkeit zu kontrol-
lierten Humanstudien. Darin wird zum Beispiel der Einfluss
von Nanopartikelinhalation (Kohlenstoffpartikel) auf die Stärke
einer allergischen Reaktion (Provokation mit Gräserpollen)
untersucht. Hintergrund ist, dass in epidemiologischen Unter-
suchungen bei erhöhter Nanopartikelbelastung eine Häufung
von asthmatischen Symptomen bei Asthmapatienten beobach-
tet worden ist. Entzündungszellen und immuntoxische Para-
meter können in Lungenlavageflüssigkeit analysiert werden,
die aus Lungensegmenten isoliert wurde.
KoNtaKt
Prof. Dr. Armin Braun
Telefon +49 511 5350-263
1
Inhalationstoxikologische Forschung in vivo
Die Aufnahme von nanostrukturierten Partikeln (Agglomera-
ten, Aggregaten) in den Körper geschieht primär durch Ein-
atmen und Ablagerung im Respirationstrakt. Neben möglichen
gesundheitsschädigenden Wirkungen in der Lunge agieren
einige Nanopartikel durch ihr ausgeprägtes Penetrationsver-
mögen potenziell systemisch und können auch in entfernten
Organen oder Geweben Schäden induzieren.
Der Fraunhofer-Verbund Life Sciences besitzt viel Erfahrung bei
der Untersuchung der Partikel- und Fasertoxizität zum Beispiel
ultrafeiner Stäube wie amorphem SiO2, TiO2 und Carbon Black
sowie von Kohlenstoffnanoröhren nach inhalativer Aufnahme.
Es besteht langjährige Erfahrung in der Erzeugung alveolen-
gängiger Aerosole und der Untersuchung partikelbezogener
biologischer Effekte.
Wesentlich ist bei solchen Untersuchungen die Aufrechterhal-
tung und Dokumentation gut definierter Aerosole über den
gesamten Expositionszeitraum sowie die Anwendung breiter,
interdiszi plinärer Endpunktspektren. lnhalationstests werden
zusammen von verschiedenen Arbeitsgruppen bearbeitet, um
Endpunkte wie klinische Chemie (BIutveränderungen, Lungen-
lavage), Histopathologie, chemische Partikelretentions- und
-translo kationsanalytik sowie die elektronenmikroskopische
Analytik kombinieren zu können.
Um ferner spezielle Aspekte der Lungenphysiologie zu berück-
sichtigen, untersuchen wir die Wechselwirkung des Lungen-
surfactant, einer besonderen Auskleidung der Lungenbläschen,
mit in der Lunge deponierten nanostrukturierten Partikeln. Wir
erforschen seine Rolle als physiologische Barriere hinsichtlich
der Aufnahme und des Transports von Nanopartikeln.
Außerdem sind wir aktiv am OECD-Programm zur nanospezi-
fischen Untersuchung hochvolumiger ultrafeiner Stäube (ZnO,
SiO2 und TiO2) beteiligt. Es handelt sich dabei um übergreifen-
de Projekte, mit denen validierte Testsysteme zur Abschätzung
des toxischen Potenzials von Nanopartikeln etabliert und be-
stehende Datenlücken geschlossen werden sollen.
Wir untersuchen in öffentlich geförderten Studien mit Kohlen-
stoffnanoröhren die relevanten Strukturen, die diese zu karzi-
nogenen Substanzen werden lassen.
KoNtaKt
Dr. Otto Creutzenberg
Telefon +49 511 5350-461
1 Lebendzellbeobachtung.
2 Apparat zur Funktions
prüfung der Lunge.
2
24 I 25
In-vitro-Testsysteme für Haut und Trachea
In-vitro-Tests mit Zellkulturen sind für die Bewertung der Zyto-
toxizität von Nanomaterialien nur relevant, wenn sich auch
nachweisen lässt, dass Nanopartikel die Körperbarrieren über-
winden (Penetration), durch den Blutstrom verteilt werden (Re-
sorption) und so in die Organe gelangen. Wir setzen daher
verschiedene, auch vaskularisierte Testsysteme wie Haut und
Trachea ein, um das Penetrations- und Resorptionsverhalten
von Nanomaterialien zu untersuchen. Im Vordergrund steht
dabei immer die physiologische Kultivierung der Zellen, um
die Körperbarrieren naturnah in vitro nachzubilden. Mit dem
Hautmodell lässt sich so die Penetration von Partikeln durch
die Hornschicht und die Epidermis bis in das Blutkreislaufsys-
tem analysieren. Weiterhin steht ein Tracheamodell zur Verfü-
gung, mit dem wir erfassen, wie sich eingedrungene Partikel
auf die Zellen der oberen Atemwege auswirken.
Mit diesen dreidimensionalen Modellen können wir Ihre Fra-
gen zur Biokompatibilität und Toxizität verschiedenster Stoffe
qualifiziert untersuchen – ganz gleich, ob es sich dabei um
Aerosole, Flüssigkeiten oder Feststoffe handelt.
KoNtaKt
Prof. Dr. Heike Walles
Telefon +49 931 31-88828
Erfassung von ultrafeinen Partikeln am Arbeitsplatz
Die Inhalation von Stäuben am Arbeitsplatz kann ein erheb-
liches Gefährdungspotenzial darstellen. Dies gilt insbesondere
für ultrafeine Stäube und Nanopartikel. Die aktuellen Diskus-
sionen zum Arbeitsschutz legen eindeutig eine getrennte Be-
trachtung der Ultrafeinstäube nahe, die jedoch in den seltens-
ten Fällen isoliert auftreten. In der Regel werden sie durch
grobe Partikel maskiert und kommen nur in geringen Massen-
konzentrationen vor. Daher ist es schwierig, die Exposition
gegenüber ultrafeinen und Nanopartikeln getrennt zu messen.
Im Fraunhofer-Verbund Life Sciences wurde ein neues Probe-
nahmegerät entwickelt, der so genannte »Hybrid Aerosol
Classifier«. Es ist ein tragbares, 50 Gramm leichtes Gerät, mit
dem inhalierbarer Staub differenziert gemessen werden kann.
Die Staubanalyse ist getrennt in fünf gesundheitsrelevanten
Partikelgrößenbereichen möglich. Die wichtige unterste Stufe
des Miniaturstaubsammlers für Partikel kleiner 100 Nanometer
weist eine Besonderheit auf: Ein Teilstrom der Ultrafeinfraktion
kann hier unterschiedlich verdünnt auf insgesamt vier Filter-
segmenten abgeschieden werden, die anschließend differen-
ziert ausgewertet werden können.
Bei der Konzeption und Konstruktion des Gerätes wurde Wert
darauf gelegt, dass es einfach und schnell zu bedienen ist. Es
kann problemlos über die Dauer einer gesamten Arbeitsschicht
betrieben werden.
KoNtaKt
Prof. Dr. Wolfgang Koch
Telefon +49 511 5350-117
1 Dreidimensionale Hauttest
systeme.
2 Hautmodell mit aufgelager
ten Nanopartikeln.
1 2
In-vitro-Testsystem mit adulten humanen Stammzellen
Aufgrund ihrer Fähigkeit, sich in verschiedene Zelltypen zu
differenzieren, könnte mit adulten humanen Stammzellen die
potenzielle Nanotoxizität von Partikeln auf Nerven-, Muskel-,
Epithel- und viele andere Zellen analysiert werden. Es ist be-
kannt, dass die Aufnahme von Nanopartikeln je nach Zelltyp
sehr unterschiedlich sein kann. Dies konnte auch in einer
Stammzellkultur gezeigt werden: Einige Zelltypen häufen
Nanopartikel an, andere nehmen hingegen keine Partikel
auf.
Verschiedene Parameter wie Zellvitalität, Adhäsionsverhalten,
Proliferationsverhalten und Langzeitüberleben lassen sich in
adulten Stammzellen mit gängigen Techniken der Zell- und
Molekularbiologie untersuchen. Ziel ist, wesentliche Informa-
tionen zur Definition von Richtlinien für einen möglichst siche-
ren Umgang mit Nanopartikeln zu liefern.
KoNtaKt
Dr. Sandra Schumann
Telefon +49 451 384448-14
Chip-basierte Testsysteme zur Untersuchung der
Nanopartikel-Zell-Wechselwirkungen
Für biohybride Systeme kombinieren wir Zellen mit technischen
Mikrosystemen zu neuen Assay-Technologien. Diese zellbasier ten
Systeme ermöglichen Tests mit einer höheren Empfindlichkeit
und Reproduzierbarkeit, Tests an Einzelzellen sowie Langzeit-
untersuchungen. Des Weiteren lässt sich nicht nur feststellen,
ob ein Effekt auf Zellen vorhanden ist, sondern nun kann auch
untersucht werden, warum ein Zellverband auf eine bestimmte
Weise reagiert (Wirkmechanismen). Das ist wichtig, wenn Pro-
dukte hinsichtlich einer biologischen Wirkung optimiert werden
sollen. Nanopartikel aus unterschiedlichsten Ausgangsmateria-
lien wie biologisch abbaubaren Polymeren, anorganischen und
metallischen Materialien können getestet werden. Auf Basis
unserer Technologien bieten wir Dienstleistungen für Geräte-
entwicklungen, kundenspezifische Testsysteme sowie zur
Unterstützung bei Arzneimittel-, Therapie- und Materialent-
wicklungen an.
KoNtaKt
Prof. Dr. Hagen von Briesen
Telefon +49 6894 980-286
3, 4 Stammzellen der Bauch
speicheldrüse – unterschiedliche
Aufnahme von Nanopartikeln je
nach Zelltyp.
3 4
26 I 27
forschuNg für deN umweltschutz
Ob und wie s ich Nanomater ia l ien auf die Umwelt auswirken, kann derzeit noch nicht ausre ichend bewertet
werden. Wir vertreten deshalb die Auffassung, dass nach dem Vorsorgepr inz ip gehandelt werden muss,
und erforschen intens iv potenzie l le Umweltgefährdungen durch Nanomater ia l ien.
Wirkung und Verbleib von Nano-Objekten in der Umwelt
Die Umweltforschung zur Nanotechnologie entwickelt sich der-
zeit rasch. Der Fraunhofer-Verbund Life Sciences pflegt jedoch
seit vielen Jahren enge Kontakte zu nationalen (z. B. UBA) und
internationalen (z. B. OECD, EU) Behörden. Unsere Fachleute
arbeiten in relevanten Gremien (z. B. OECD, ISO) und großen
nationalen und internationalen Forschungsvor haben von BMBF,
BMU und EU mit. Daher können wir gewährleisten, dass wir
in unserer Forschungsarbeit stets neueste Entwicklungen und
Erkenntnisse in der Umweltforschung berücksichtigen.
Unter Nano-Objekten verstehen wir gemäß Definition nach
ISO 27687 Materialien, die in mindestens einer Dimension eine
Größe von 1 bis 100 nm aufweisen. Um die Umwelteigen-
schaften von freien Nano-Objekten zu charakterisieren und
einen möglichen Einfluss auf die Umwelt zu klären, führen wir
experimentelle Studien durch. Dazu setzen wir Testverfahren
ein, die von den Behörden akzeptiert sind. Das Methoden-
spektrum reicht von Standardtests nach internationalen Richt-
linien (z. B. OECD) bis hin zu komplexen Studien, in denen wir
selbst vielschichtige Zusammenhänge aufklären. Dabei können
auch die Anforderungen nach REACH berücksichtigt werden.
Untersuchungen unter GLP-Bedingungen sind Standard. Da
insbesondere aussagekräftige Simulationsversuche häufig nicht
standardisiert sind, bieten wir an, Simulationsversuche, die
problembezogen konzipiert werden, im Vorfeld der Unter-
suchungen mit Behördenvertretern abzustimmen.
Ökotoxikologie von Nano-Objekten
Expertenwissen liegt vor für:
– Standard-Testverfahren, die zur ökotoxikologischen Einstu-
fung und Klassifizierung eines Stoffes erforderlich sind
– Langzeit-Ökotoxizitätsstudien
– Studien, die der Verfeinerung des PNEC (predicted no-effect
concentration) für eine realistische Abschätzung des Risiko-
quotienten dienen
– Studien, die die Wirkung in spezifischen Umweltkomparti-
menten beschreiben
– Applikation der Nano-Objekte in aquatischen und terres-
trischen Ökotoxizitätstests; dabei berücksichtigen wir die
potenziellen Interaktionen mit den Testmedien und die
möglichen Veränderungen der Nano-Objekte und ihrer
Agglomerate.
Wir verfügen über ein umfangreiches Methodenspektrum, mit
dem wir die Dispersionen von Nano-Objekten charakterisieren
können. Agglomeratgrößenverteilung und Zeta-Potenzial-
Messungen sowie die Differenzierung zwischen Nano-Objekten
und freigesetzten Ionen (z. B. Nano-Silber) sind nur einige Bei-
spiele. So kann der Zusammenhang von Umweltbedingungen
und Wirkung erfasst werden.
1
KoNtaKt
Dr. Kerstin Hund-Rinke
Telefon +49 2972 302-266
Untersuchungsverfahren
Um das Verhalten von Nano-Objekten in der Umwelt abschät-
zen zu können, ermitteln wir verschiedene relevante Daten
und bieten Studien und Simulationen an. Basis dafür sind Ver-
fahren aus der Chemikalienprüfung, die entsprechend der be-
sonderen Eigenschaften der Nano-Objekte gezielt modifiziert
werden. Auf diese Weise wird eine hohe Akzeptanz bei Behör-
den erreicht, da diese Testsysteme dort bereits bekannt sind.
Doch auch problemspezifische Lösungen und innovative Test-
verfahren werden in enger Kooperation mit dem Kunden ent-
wickelt und objektspezifische Teststrategien erarbeitet.
Durch den Einsatz des 4F-Analyseverfahrens, das die derzeit
einzige Möglichkeit darstellt, Nano-Objekte in kom plexen Um-
weltmatrices zu analysieren, wird es in Zukunft möglich sein,
Aussagen zu Mobilität, Verhalten und Verteilung in einzelnen
Umweltkompartimenten zu treffen. Kohlenstoffbasierte Nano-
Objekte können darüber hinaus mit der 14C-Tracertechnik
verfolgt werden. Erst durch die Kombination von komplexer
chemischer Analytik und ökotoxikologischer Testung kann
der für die Risikobewertung entscheidende Zusammenhang
zwischen Dosis und Wirkung hergestellt und auf Böden,
Gewässer und Kläranlagen angewandt werden. In diesem
Zusammenhang untersuchen wir auch das Bioakkumulations-
potenzial in verschiedenen Organismen wie Fischen und
Regenwürmern, da durch Bioakkumulation auch geringe
Umweltkonzentrationen unerwartete Wirkungen hervorrufen
können.
Nano-Objekte als Bestandteil von Produkten
Nanotechnologie wird für Produkte gezielt eingesetzt, um
diese mit definierten Funktionen auszustatten. Hierzu zählen
beispielsweise chemische oder geometrische Eigenschaften
von Nano-Objekten oder deren Oberflächen, die in Produkt-
systemen zur Anwendung gelangen. Für den vergleichenden
Nachweis der photokatalytischen Aktivität selbstreinigender
(»easy to clean«) Oberflächen oder von Oberflächen zur Luft-
reinigung gibt es mittlerweile genormte Verfahren, an deren
Entwicklung Experten des Verbundes beteiligt sind. Ein Beispiel
ist der photokatalytische Abbau von Luftschadstoffen wie NOx
(ISO 22197-1) oder die Erfassung der antibakteriellen Wirkung
(ISO 27447). Für zahlreiche andere Anwendungen stehen kei-
ne Standardnachweisverfahren zur Verfügung, mit denen die
Effektivität belegt werden kann. Wir sind in der Lage, spezi-
fische Anwendungsgebiete zu simulieren und Funktionsprü-
fungen mit unterschiedlichen Komplexizitätsgraden bis hin zu
praxisrelevanten Simulationsuntersuchungen anzubieten oder
fragebezogen zu entwickeln. Dadurch lassen sich Stärken der
Produkte und erwartete Wirkungen durch ein unabhängiges
Forschungsinstitut belegen sowie unerwünschte Nebenwirkun-
gen frühzeitig erkennen und somit vermeiden.
1 Mikrokosmenbewuchs.
2 Laborkläranlage zur Simulation
von Verbleib und Wirkung von
Nanomaterialien.
2
28 I 29
Maßgebend für das Migrationspotenzial von Nanopartikeln ist
der Prozess, mit dem das Verpackungsmaterial funktionalisiert
wird. Folgende Verarbeitungsvarianten sind möglich:
Herstellung eines Multilayer-Verbundes mittels
Kaschierung
Die Siegelschicht wird mit dem Material, das die Nanopartikel
enthält, mittels Kaschierung verbunden. Da die benachbarten
Schichten nicht thermisch behandelt, sondern durch einen
zusätzlichen Kaschierklebstoff fixiert werden, ist ein Übertritt
der Nanopartikel in die Siegelschicht sehr unwahrscheinlich.
Herstellung eines Multilayer-Verbundes mittels
Co-Extrusion
Bei diesem Verbund ist der Direktkontakt zwischen den Nano-
partikeln und dem abgepackten Lebensmittel zwar nicht vor-
gesehen, er ist aber auch nicht auszuschließen. Da der Ver-
bund mittels Schmelzecompoundierung hergestellt wird, ist
es zumindest während der Schmelzephase möglich, dass Nano-
partikel in die Lebensmittelkontaktschicht übertreten.
Einarbeitung von Nanopartikeln in
Kunststoff-Monoschichten
Werden Monoschichten ohne Siegelschichten mit nanoparti-
kulärem Material vermengt, kommt es zu einem Direktkontakt
mit dem Lebensmittel. Migration von Nanopartikeln ist daher
grundsätzlich möglich. Der Umfang der Migration hängt vom
Substrat sowie von den Dimensionen der eingearbeiteten
Nanopartikel und den Verfahrensbedingungen ab.
Innenbeschichtung mit einem Nanomaterial
Bei diesem Verfahren ist ein Direktkontakt zwischen Lebens-
mittel und Nanobeschichtung oder Nanolack vorgesehen. Ein
Übergang von nanodimensionierten Bruchstücken aus diesen
Schichten auf das verpackte Lebensmittel ist möglich.
VorbeugeNde uNtersuchuNgeN bei iNtelligeNteN VerPacKuNgeN
Fraunhofer-Wissenschaft ler untersuchen im Rahmen der Vorsorge, ob Nanopart ikel aus nanotechnologisch
modif iz ierten Verpackungen auf Lebensmitte l übergehen (Migrat ion) und welche Gefahren daraus folgen
könnten. Da aktuell keine Daten zu diesem Themenfeld existieren, sieht der Fraunhofer-Verbund Life Sciences
großen Forschungs- und Handlungsbedarf .
1
Bei den genannten Varianten nimmt die Möglichkeit der
Migra tion von Nanopartikeln fortlaufend zu. Damit diese Pro-
zesse analysiert werden können, haben wir Prüf- und Messme-
thoden für die Migration von Nanopartikeln aus Lebensmittel-
verpackungen entwickelt. Diese bieten wir zum Überprüfen der
lebensmittelrechtlichen Konformität an. Bei der Messmethode
handelt es sich um asymmetrische Fluss-Feldfluss-Fraktionierung
(AF4), gekoppelt mit MALS- und/oder ICP-MS-Detektion.
Wir beschäftigen uns mit folgenden Fragen:
Welche nanoskaligen Materialien und Stoffe werden bei
der Herstellung von Lebensmittelverpackungen verwendet?
Können Nanopartikel aus Verpackungsmaterialien in
Lebensmittel übergehen?
Wenn ja, unter welchen Bedingungen und in welchem
Umfang findet der Übergang statt?
Mit welchen Methoden können diese Prozesse analysiert
werden?
Lösungen werden über experimentelle Ansätze und theore-
tische Abschätzungen erarbeitet.
KoNtaKt
Dr. Cornelia Stramm
Telefon +49 8161 491-502
1 Funktionalisierte Verpackungsfolien.
2 Lebensmittel und Verpackungsarten.
2
30 I 31
Sechs leistungsstarke Fraunhofer-Institute und eine Fraunhofer-
Einrichtung mit verschiedensten Schwerpunkten in den Life
Sciences bringen ihre Kompetenzen in diesen Verbund ein: die
Fraunhofer-Institute für Biomedizinische Technik IBMT, Grenz-
flächen- und Bioverfahrenstechnik IGB, Molekularbiologie und
Angewandte Ökologie IME, Toxikologie und Experimentelle
Medizin ITEM, Verfahrenstechnik und Verpackung IVV, Zell-
therapie und Immunologie IZI sowie die Fraunhofer-Einrichtung
für Marine Biotechnologie EMB. Damit wird Know-how aus
Biologie, Chemie, Biochemie, Biotechnologie, Medizin, Phar-
makologie, Ökologie und Ernährungswissenschaft in diesem
Verbund gebündelt und potenziert. Mit der Aufnahme der
Fraunhofer EMB in den Verbund Life Sciences im August 2012
kam als weiterer Fokus die marine Biotechnologie hinzu. In
all diesen Fraunhofer-Instituten arbeiten Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler fachübergreifend zusammen, sodass auch
speziell adaptiertes Fachwissen aus der IT, den Ingenieurswissen-
schaften und zu den rechtlichen Bestimmungen zur Verfügung
steht. Forschung und Implementierung beim Kunden gehen
damit Hand in Hand.
Die Fraunhofer-Gesellschaft steht für eine zuverlässige Partner-
schaft in der angewandten Forschung. Als größte Forschungs-
einrichtung dieser Art in Europa entwickelt sie marktorientierte
Lösungen nach konkreten Zielvorgaben ihrer Kunden. Als solide
Basis dient eigene Vorlaufforschung, an den Grundlagen
orien tiert und oft in enger Kooperation mit Universitäten und
Hochschulen.
Eine unserer wichtigsten Erfahrungen: Von der ersten Idee bis
zur perfekten Lösung führt jedes Mal ein spannender Weg –
wir gehen ihn gerne mit Ihnen.
Die Geschäftsfelder des Fraunhofer-Verbunds
Life Sciences:
Medizinische Translationsforschung und Biomedizin-
technik: Herausforderung innovative Diagnostik und
personalisierte Therapie
Regenerative Medizin: Herausforderung qualifiziertes
Biobanking und kontrollierte Selbstheilung
Gesunde Lebensmittel: Herausforderung hohe Verbrau-
cherakzeptanz und Krankheitsprävention
Das neue Potenzial für die Biotechnologie: Heraus-
forderung Lernen von der Natur für die industrielle Nutzung
Sicherheit bei Prozessen, Chemikalien und Pflanzen-
schutzmitteln: Herausforderung Umwelt- und Verbraucher-
schutz
der frauNhofer-VerbuNd life scieNces
Das umfassende und indiv iduel l abgest immte Leistungsangebot des Fraunhofer-Verbunds L i fe Sc iences zur
Anwendung neuer Technologien ist nur mit einer thematisch, methodisch und apparativ breit aufgestel lten
Organisat ion mögl ich. Unter dem Motto »Forschung für die Gesundheit und die Umwelt des Menschen«
bietet der Fraunhofer-Verbund L i fe Sc iences den Kunden ein gebündeltes Know-how an.
Sie haben allgemeine Fragen zum Fraunhofer-Verbund
Life Sciences, Anregungen oder Wünsche?
Der Leiter der Geschäftsstelle, Dr. Claus-Dieter Kroggel, wird
sich um Ihr Anliegen kümmern, sodass Sie schnell zu Ihrem
Ziel kommen.
Prof. Dr. Thomas Hirth
Verbundvorsitzender Life Sciences der Fraunhofer-Gesellschaft
und Geschäftsführender Institutsleiter des Fraunhofer IGB
KoNtaKt
Dr. Claus-Dieter Kroggel
Leiter der Geschäftsstelle
Fraunhofer-Verbund Life Sciences
Telefon +49 511 5466-440
Fax +49 511 5466-445
Das Redaktionsteam
Leitung
– Dr. ClausDieter Kroggel (Verbund Life Sciences)
Das Team
– Dr. Kirsten Borchers (IGB)
– Prof. Dr. Armin Braun (ITEM)
– Prof. Dr. Hagen von Briesen (IBMT)
– Dr. Otto Creutzenberg (ITEM)
– Dr. Marc Fournelle (IBMT)
– Dr. Carmen GruberTraub (IGB)
carmen.gruber[email protected]
– Dr. Tanja Hansen (ITEM)
– Prof. Dr. KlausPeter Hoffmann (IBMT)
klaus[email protected]
– PD Dr. Ralph Hölzel (IZI)
ralph.hoelzel@izibb.fraunhofer.de
– Dr. Kerstin HundRinke (IME)
kerstin.hund[email protected]
– Dr. Jan Knebel (ITEM)
– Prof. Dr. Wolfgang Koch (ITEM)
– Dr. Dirk Kuhlmeier (IZI)
– Dr. Jörg Lehmann (IZI)
– Dipl.Ing. Roman Ruff (IBMT)
– Dr. Sandra Schumann (EMB)
– Dr. David Smith (IZI)
– Dr. Cornelia Stramm (IVV)
– Prof. Dr. Günter Tovar (IGB)
– Dr. Sylvia Wagner (IBMT)
– Prof. Dr. Heike Walles (IGB)
– Dr. Achim Weber (IGB)
– Dr. Christina Ziemann (ITEM)
Bildquellen: Fraunhofer EMB, Fraunhofer IBMT, Fraunhofer IGB, Fraunhofer IME, Fraunhofer ITEM, Fraunhofer IVV, Fraunhofer IZI, Sylvia Wagner (Fraunhofer IBMT), Prof. Klaus Langer (Westfälische Wilhelms-Universität Münster), Fotolia, Panthermedia
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Adressen
FRAUNHOFER-VERBUND LIFE SCIENCES
Verbundvorsitzender: Prof. Dr. Thomas Hirth
Telefon +49 711 970-4401
Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und
Bioverfahrenstechnik IGB
Nobelstraße 12, 70569 Stuttgart
Leiter der Geschäftsstelle: Dr. Claus-Dieter Kroggel
Telefon +49 511 5466-440
Fax +49 511 5466-445
www.lifesciences.fraunhofer.de
INSTITUTE DES VERBUNDS
FRAUNHOFER-INSTITUT FüR
BIOMEDIZINISCHE TECHNIK IBMT
Leitung: Prof. Dr. Günter R. Fuhr (geschäftsführend),
Prof. Dr. Heiko Zimmermann
Ensheimer Straße 48, 66386 St. Ingbert
Telefon +49 6894 980-0
FRAUNHOFER-INSTITUT FüR GRENZFLäCHEN-
UND BIOVERFAHRENSTECHNIK IGB
Leitung: Prof. Dr. Thomas Hirth
Nobelstraße 12, 70569 Stuttgart
Telefon +49 711 970-4401
FRAUNHOFER-INSTITUT FüR MOLEKULARBIOLOGIE
UND ANGEWANDTE OEKOLOGIE IME
Leitung: Prof. Dr. Rainer Fischer
Bereich Molekularbiologie
Forckenbeckstraße 6, 52074 Aachen
Telefon +49 241 6085-0
Bereich Angewandte Ökologie
Auf dem Aberg 1, 57392 Schmallenberg-Grafschaft
Telefon +49 2972 302-0
FRAUNHOFER-INSTITUT FüR TOxIKOLOGIE
UND ExPERIMENTELLE MEDIZIN ITEM
Leitung: Prof. Dr. Dr. Uwe Heinrich (geschäftsführend),
Prof. Dr. med. Norbert Krug
Nikolai-Fuchs-Straße 1, 30625 Hannover
Telefon +49 511 5350-0
FRAUNHOFER-INSTITUT FüR VERFAHRENSTECHNIK
UND VERPACKUNG IVV
Leitung: Prof. Dr. Horst-Christian Langowski
Giggenhauser Straße 35, 85354 Freising
Telefon +49 8161 491-0
FRAUNHOFER-INSTITUT FüR ZELLTHERAPIE
UND IMMUNOLOGIE IZI
Leitung: Prof. Dr. med. Frank Emmrich
Perlickstraße 1, 04103 Leipzig
Telefon +49 341 35536-1000
FRAUNHOFER-EINRICHTUNG FüR
MARINE BIOTECHNOLOGIE EMB
Leitung: Prof. Dr. Charli Kruse
Paul-Ehrlich-Straße 1-3, 23562 Lübeck
Telefon +49 451 384448-10
Weitere Informationen zu den einzelnen Instituten des Verbunds sind im Internet unter www.lifesciences.fraunhofer.de abrufbar.