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Page 1: Potentiometrische Bestimmungen mit Mercurosalzen

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POTENTIOMETRISCHE BESTIMMUNGEN MIT MERCUROSALZEN

VON

ERICH MULLER UND HARALD AARFLOT.

Von Behrend I ) wurde zuerst eine Mercuro-Nitratlosung zur potentiornetrischen Bestimmung von Chlorid und Bromid an einer Quecksilberelectrode verwendet. Der praktische Wert dieser Methode wird dadurch beeintrachtigt, dass das in den Mercuro-Nitrat-Losungen meist vorhandene Mercuri-Salz an der Quecksilber-Indikator-Elektrode nach Hg" + Hg = Hg;* Mercurosalz bildet ".

Es ist deshalb besser, mit einer Losung von Mercuro-Perchlorat ') zu titrieren. welche sich leicht Mercurisalzfrei hersellen lasst und nicht hydrolysiert. Man erhitzt zu deren Herstellung einfach eine abgewogene Menge Mercuri-Oxyd mit der zur Bildung von Mercuri-Perchlorat notigen Menge moglichst Chlor-freier konzentrierterer Ueberchlor- saure und iiberschussigem Quecksilber in einem Kolben am Riickfluss- kuhler, bis in einer Probe nach Zusatz von iiberschiissigem Chlorid im Filtrat kein Quecksilber mehr nachweisbar ist und verdiinnt entsprechend.

I. Chloride und Bromide. Mit solcher Mercuro-Perchlorat-Losung lassen sich Chloride und Bromide an einer elektrolytisch verqueck- silberten Platinnetz-Electrode sehr genau potentiometrisch bestimmen.

Fig. 1 enthalt die entsprechenden Kurzen I und 11. Auf 25 ccm. wurden im Mittel verbraucht fur O.l.n-Losungen bei

3 Versuchen beim Chlorid 19.98 statt 20.00 ccm. Mercuro-Perchlorat, beim Bromid 19.4 1 statt 19.44.

Die Umschlagspotentiale sind : fiir Chlor + 0.32, fur Brom + 0.29 Volt gegen die Normal-Calomel-Elektrode. Die Titration unter Gegenschaltung dieser Umschlagspotentiale 4, l a s t sich sehr schnell und genau durchfiihren. Wegen der Nahe der Umschlagspotentiale ist eine Nebeneinanderbestimmung der beiden Halogene nicht moglich.

11. Iodide. Interessant gestaltet sich die Titration von Jodid mit Mercuroperchlorat. Man findet angegeben 5 ) , dasss Jodid mit Mercuro- Salzen nicht zu titrieren sei, weil das Mercuro-Iodid in Mercuri-Iodid

I) Fkhrend. 2. physik. Chem. 11, 466 (1893). 2, W. D. Treadwell, Helvetica Chim. Acta 2, 691 (1919). y, Schon empfohlen von Florence Fenwick, Dissertation 1922. Michigan, S. 79.

4, Erich Muller, Die elektrometrische Massanalyse 2. 6 3. Aufl.. S. 78. 5 , I. M. Kolthoff und H. Verzijl, Rec. trav. chim. 42, 1056 (1923).

Erich Miiller, 2. Elektrochem. 30, 422 (1924).

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und Quecksilber zerfallt. Fig. 1 enhalt als I11 eine solche Titrations- kurve mit Mercuro-Perchlorat, die einen sehr grossen Sprung aufweist mit einem Umschlagspotential von + 0.17 Volt, der aber nicht scharf an der gemass der G1. Hg;' + 2 J' = Hg,J, zu erwartenden Stelle liegt. Statt 16.22 bezw. 19.81 wurden bei 2 Versuchen 16.01 bezw. 19.71, wurde also zu wenig Mercuro-Perchlorat gebraucht.

0 . 4

Fig. 1.

Die Erscheinungen, die man beim allmahlichen, unter guter Riihrung erfolgenden Zusatz der Mercuro-Perchlorat-Losung zu der Jodid-Losung beobachtet, sind die folgenden : Zunachst farbt sich die Losung dunkel, metailisches Quecksilber ist nachweisbar : danach bildet sich unter allmahlichem Verschwinden des zuvor gebildeten Quecksilbers ein griiner Niederschlag, der uber Gelbgriin in leuchtendes Gelb ubergeht.

Die anfanglich stattfindende Reaktion : Hg," = Hg + Hg" wird also spater wieder vollstandig ruckgangig gemacht.

Die Erklarung ist die. In unserer Titerflussigkeit, der Mercuro- Perchlorat-Losung, ist zufolge ihrer Herstellung aus Mercuri-Per-

chlorat und uberschussigem Quecksilber __- = 120, ein Gleichge-

wichtsverhaltniss. Geben wir ein wenig von ihr in die Jodid-Losung, so wird bei dem zunachst obwaltenden uberschiissigen 7'. da das Hg in der Mercuri-Stufe eine erheblich grossere Neigung zur Kom- plexbildung hat, als in der Mercuro-Stufe, nach Hg" + 4 J' = HgJc, cHg** stark vermindert, weshalb auch cHg2+. kleiner werden muss, damit das obige Gleigewichtsverhaltniss gewahrt bleibt, was nur unter Abscheidung von met. Hg nach Hg;. = Hg + Hg** geschehen kann. Fahrt man mit dem Zusatz der Mercuro-Losung zur Jodid- Losung fort, so andert sich zwar das Gleichgewichtsverhaltniss nicht,

cHg," cHg"

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wohl aber wachsen die Einzel-Konzentrationen cHg," und cHg-, bis das Loslichkeits-Produkt des Hg, Jz uberschritten wird. Von da ab wachst wegen Bindung von J' durch Hg;. cHg" schneller als cHg,**, und es muss nun, um das Gleichgewichtsverhaltniss aufrecht zu erhalten, umgekehrt Hg** mit dem vorher entstandenen Hg zu Hgz" reagieren. Der Endeffekt ist der, als ob lediglich die Reaktion Hg," 4- 2 J' = Hg,J, stattgefunden hatte.

Hieraus folgt, dass das Mercuro-Jodid an sich nicht in Mercuri- Jodid und Quecksilber zerfallt, sondern nur bei Gegenwart von Jodion, und wie die obigen Zahlen lehren, kann man Jodid mit Mercuro- Perchlorat bis auf etwa 0.8 genau potentiometrisch bestimmen. Der verbleibende Fehler ist wahrscheinlich durch Adsorption von Jodion an Mercuro-Jodid bedingt.

Titriert man umgekehrt die Mercuro-Losung mit der Jodid-Losung, so entspricht der Sprung genau der GI. Hg;. -I- 2 J' = Hg,J,,

Prinzipiell ist es fur die Brauchbarkeit . der Reaktion zwischen Mercuro-Salz und Jodid gleichgiltig, ob das Mercuro-Jodid bestandig ist oder nicht. O b namlich die Reaktion nach I.) Hg," -1 2 J' = Hg,J, oder, indem letzteres nach Hg,Jz = Hg + HgJz zerfallt, nach 2.) Hg,.. + 2 J' = Hg + HgJ, erfolgt - in jedem Falle findet eine sprunghafte Aenderung der Mercuro-Jonen-Konzentration und damit auch des Potentials statt, wenn auf ein Formelgewicht Hg eines von J' rugesetzt ist.

111. Cyanide. Diese Erkenntniss fuhrt zu der Vermutung, dass sich auch Cyanide mit Mercuro-Perchlorat titrieren lassen mussen, obwohl hier das Mercuro-Cyanid quantitativ unter Abscheidung von

Quecksilber in Mercuri- Cyanidverwandelt wird, weil es eben auch hier gleichgiltig ist, ob die Reaktion nach Hg," + 2 CN' = Hg,(CN), oder nach Hg," + 2 CN' = Hg + Hg(CN), verlauft.

Fig. 2, I enthalt die Wiedergabe einer po- tentiometrischen Titra- tion von 20 ccm. ca. 0.1 n-KCN mit ca. 0.1 n- Hg,(C104),. Die Kurve weist einen sehr starken

Fig. 2. Sprung auf, allerdings bei 18.77 statt 20.59 ccm. Mercuro-Salz. Das Umschlagspotential ist + 0.01 Volt.

Welchem Umstand der Fehler zuzuschreiben ist, ist noch fraglich. Fur eine Adsorption erscheint er zu gross. Moglich ist es, dass die Mercuro-Perchlorat-Losung freie Ueberchlorsaure enthielt, welche

ccm. Hg,(C1O4)$

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Die Versuche zeigen, dass man auch Jodide, Cyanide und Rhodanide + 0.42 mit Mercuro-Perchlorat potentiometrisch titrie- ren kann, genau aller- . dings nur dann, wenn man ihre Losungen in 9 die des Mercuro-Per- chlorates fliessen lasst. 0.24

-

d, D V. Chlorid mif Mer- - +

curi-Perchlorat. Von In- teresse ist noch, dass man Chlcride ausser mit 2

Mercuro- auch mit Mercuri-Perchlorat po- tentiometrisch titrieren kann. Fig. 3 enthalt eine auf solche Weise erhal-

.-

-

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dessen in einer gemischten Losung von Mercuri und Mercuro die beiden Oxydationsstufen nebeneinander potentiometrisch mit einer Chloridlosung bestimmen zu konnen, wurde nicht erfiillt. Die aufge-

f

nommene Kurve, wie sie Fig. 4 zeigt (10 ccm. 0.1 n-Hg(ClO,), + 10 ccm. 0.1 n-Hg,(ClO,), mit 0.1 n-KCl), weist nur einen Sprung auf, der dem gesamten Quecksilber rukommt (20.62 statt 20.67 ccm. KCl).

ZUSAMMENFASSUNG.

1. Zwecks potentiometrischer Bestimmung von Chloriden und Bromiden mit Mercurosalz benutzt man am besten Mercuro-Perchlorat, dessen Losung sich leicht Mercurisalzfrei herstellen lasst.

2. Jodide, Cyanide und Rhodanide lassen sich mit Mercuro- Perchlorat potentiometrisch genau bestimmen, wenn man ihre Losungen in die des letzteren einfliessen lasst. Verfahrt man umgekehrt, so erhalt man beim Jodid und Rhodanid ein Zuwenig von etwa 0.5 bis 0.8O/,, beim Cyanid weit grossere Fehler. Deshalb fiihrt man diese Bestimhungen besser nach Kolthoff 6, mit Mercuri-Nitrat bezw. -Chlorid Bus.

3. Ausser mit Mercuro-Perchlorat lasst sich Chlorid auch mit Mercuri-Perchlorat potentiometrisch bestimmen. Die Nebeneinander- Bestimmung von Mercuro und Mercuri mit Chlorid gelang nicht.

D r e s d e n , Sept. 1924.

( R e p le 15 sept. 1924).

Kolthoff 1. c.


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