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291Stahlbau 83 (2014), Heft 4

Aktuell / Persönliches

Ram Puthli 70 Jahre

Professor Dr.-Ing. Ramgopal Puthli, den seine Kollegen und Freunde kurz Ram nennen, vollendete am 4. April 2014 sein 70. Lebensjahr. Schon sein Vater war Bauingenieur und arbeitete für die Zen-trale Bundesbehörde Indiens an ständig wechselnden Einsatzorten des Landes. Die Familie folgte stets dem aktuellen beruflichen Mittelpunkt und so wurde Ram Puthli während eines längeren Auf-enthaltes in Kakinada im Bundesstaat Andhra Pradesh in Südindien geboren.

Als Schüler besuchte Ram verschie-dene renommierte Internate im Norden und Süden Indiens, die letzten prägenden fünf Jahre seiner Schulausbildung ver-brachte er in der Hauptstadt an der Delhi Public School. Die international orien-tierte Ausbildung erfolgte in Englisch mit Hindi als Zweitsprache. Viele Sprachen seines beeindruckend umfangreichen Re-pertoires lernte er während der Reisetä-tigkeit der Familie nebenbei, auch seine eigentliche Muttersprache Konkani.

1964, kaum 20 Jahre alt, schloss Ram Puthli sein Bachelor-Studium mit Aus-zeichnung ab und war damit einer der jüngsten Absolventen des elitären IIT (Indian Institute of Technology) in Kha-ragpur, West Bengalen.

Die diversen kulturellen Erfahrungen auf dem indischen Subkontinent und der Umgang mit der sprachlichen Viel-falt ermöglichten Ram Puthli in seinem späteren Berufsleben den leichten Zu-gang zu anderen Kulturen und halfen ihm, sich nebenbei weitere Fremdspra-chen anzueignen, wie zuletzt Niederlän-disch und Deutsch.

Nach seinem Bachelor-Abschluss ar-beitete der junge Ingenieur zwei Jahre in einem Ingenieurbüro in Bombay (heute Mumbai) an Spannbetonkonstruktionen für Gebäude und Brücken, u. a. mit den damals neuen 1956 von Freyssinet ein-geführten Verfahren.

Ram Puthli wollte sein theoretisches Wissen vertiefen und entschied sich für ein Master-Studium in Großbritannien an der Universität von Manchester, das er 1966 begann. Er vertiefte die Stabili-

tätstheorie bei Professor Michael R. Horne und lernte während des Studiums Programmieren, die nichtlineare Berech-nung von Rahmentragwerken und die Optimierung von Matrizen beim Arbei-ten mit dem berühmten Atlas-Computer der Universität Manchester, einem der ersten „Supercomputer“. Professor Horne war einer der britischen Pioniere der Anwendung der Stabilitäts- und Plastizitätstheorie im Bauwesen und lei-tete in den 1970er Jahren das „Merrison Committee on collapse of steel bridges“.

Nach Abschluss seines Master-Studi-ums 1967 wirkte Ram Puthli im Ingeni-eurbüro Matthews and Mumby Ltd. in Denton bei Manchester am Entwurf und an der Bemessung von Stahlbetonkon-struktionen mit. 1968 wechselte er in den lukrativen Chemieanlagenbau, um bei der Lummus Company Ltd. in London Stahltanks, Öfen, Kondensatoren und Schornsteine zu planen und zu bemessen.

Im Mai 1969 wechselte er in die Graf-schaft Surrey zur „South Eastern Road Construction Unit“, für die er zunächst als Bauleiter tätig wird und später als Abteilungsleiter für Planung, Entwurf, Konstruktion und Ausführung von Au-tobahnbrücken im Südosten Englands zuständig ist. Das damals neue britische Autobahn-Ausbauprogramm mit den Autobahnkreuzungen M3-M25 Thorpe und M23-M25 Merstham war eines sei-ner beruflichen Highlights. Hier wen-dete er erstmalig ein von Zienkiewicz entwickeltes Computerprogramm zur Ermittlung der Beanspruchungen aus Plattenbiegung an, welches er zuvor für die praktische Anwendbarkeit aufberei-tete und anpasste. Auf Basis dieser Ar-beiten wurde es möglich, eine nur 85 cm dicke, gekrümmte balkenfreie Stahlbe-tonplatte mit Öffnungen für die zwei-spurigen Überführungen einschließlich der Auffahrten auf diskreten Stützen zu berechnen und zu optimieren.

Gerade als stählerne Hohlkastenbrü-cken wegen mehrerer weltweiter schwe-rer Schäden und Einstürze nach dem „Merrison Report“ neu bewertet und ver-stärkt werden sollten, begann Ram Puthli mit dem Projekt der M23-M25-Autobahnkreuzung, für die solche Kasten -träger-Querschnitte geplant waren. Auf-grund seiner Erfahrungen mit diesen Konstruktionen und der Ausführung nach den neuen Regeln wurde er an das „Transport and Road Research Labora-tory“ in Crowthorne, Berkshire, delegiert, um an der Erarbeitung von Entwurfs-empfehlungen für Kastenträgerbrücken aus Stahl mitzuwirken. Als Ergebnis wurde erstmalig die Bemessung nach Grenzzuständen in einer Berechnungs-norm (BS 5400) umgesetzt. Ram Puthli hatte die große Aufgabe, ein eigenes Fi-nite-Elemente-Programm zur Simulation

Persönliches

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Persönliches

Forschungsarbeiten umfassten stählerne Eisenbahn- und Straßenbrücken, Kran-konstruktionen, Offshore-Windenergiean-lagen, Stahlwasserbauten, Reparaturme-thoden für Offshore-Plattformen, Stahl-gussknoten, (ultra-)hochfesten Stahl und zudem viele kleinere Vorhaben zu Hohl-profilkonstruktionen, insbesondere deren Knotenverbindungen. Auch hier war er als Haupt- und Koreferent im Rahmen vieler Promotionen eingebunden.

Während seiner langen und äußerst erfolgreichen Berufslaufbahn wurde Ram Puthli zum FICE (Fellow of the Institution of Civil Engineers) in Groß-britannien ernannt und erhielt von der FEANI (European Federation of Natio-nal Engineering Associations) in Brüssel den Titel Europaingenieur (Eur.-Ing.).

Von 2001 bis 2012 war er als Prüfin-genieur für Metallbau tätig und als Bera-tender Ingenieur Mitglied der Ingenieur-kammer Baden-Württemberg.

Ram Puthli war Gründungsmitglied der 1989 gegründeten ISOPE (Interna-tional Society of Offshore and Polar En-gineers) und ist Mitglied zahlreicher in-ternationaler Kommitees, wie des IIW Commission XV-E “structural hollow sections”, ECCS TC 8, ECCS TC 10, In-ternational Ship and Offshore Structures Technical Design Committee (“Ductile Collapse” and “Fatigue and Fracture”). Er war Mitglied des Editorial Board des “International Journal of Constructional Steel Research”, des “International Jour-nal of Offshore and Polar Engineers” und des “Structures and Buildings Journal of the Institution of Civil Engineers”. Er ist Autor und Koautor vieler Aufsätze in Fachzeitschriften und von Konferenz-beiträgen und hielt mehrere Keynote Lectures. Er schrieb Fachbücher, haupt-sächlich während seiner Zeit als Profes-sor an der Versuchsanstalt in Karlsruhe, und denkt auch im Ruhestand nicht da-ran, damit aufzuhören. Er ist in Nor-menausschüssen tätig, unter anderem auch als Obmann des DIN Normenaus-schusses Gewächshausbau.

Trotz aller beruflichen Erfolge ist Ram Puthli bescheiden geblieben, seine stets freundliche und ausgleichende Art auch in schwierigen Situationen ist be-wundernswert. Nur Wenige können sich glücklich schätzen, einen derart reichen Hintergrund an beruflichen und kultu-rellen Erfahrungen ihr Eigen zu nennen.

Lieber Ram, zum 70. Geburtstag wün-schen Dir alle Deine Freunde und Kolle-gen aus aller Welt alles Gute und Ge-sundheit, Kraft und Lebensfreude. Wir hoffen, dass Du noch lange aktiv bleibst und damit unsere Diskussionen mit Dei-ner herausragenden Fachkenntnis und Deinem Humor bereicherst.

Thomas Ummenhofer, Karlsruhe

des Versagens von ausgesteiften Platten zu erstellen, mit dem die Interaktion der Bauteilkomponenten Flansch, Stege und Steifen analysiert werden konnte. Die Ar-beitenen am „Transport and Road Re-search Laboratory“ waren die Grundlage seiner 1977 erfolgten Promotion an der Universität von Surrey mit dem Thema „Berechnungen zum Versagen dünnwan-diger Stahlkonstruktionen“, die von den Professoren Dowling und Supple betreut wurde. Nach dem Erhalt des Doktor-Ti-tels arbeitete er ein weiteres Jahr als „Se-nior Research Fellow“ an der Universität.

Im Januar 1978 wechselte Ram Puthli in die Niederlande zu R. J. Brown and Associates in Rijswijk und plante Off-shore-Pipelines sowie Ausrüstungen für öl- und gasfördernde Unternehmungen in der Arktik und in der Tiefsee unter Berücksichtigung der extremen Wetter-bedingungen. Auch diese Technologien waren damals neu und herausfordernd.

Im Mai 1979 begann er als “Senior Research Engineer” für das TNO (Nie-derländische Organisation für Ange-wandte wissenschaftliche Forschung) in der Abteilung für Stahlbau zu arbeiten, in der er in den folgenden 15 Jahren viele verschiedene Forschungsaufträge und Gutachten für die Industrie, die Landesbehörden und die EU bearbei-tete, u. a war er hier mit den Projekten zu den Sturmflutbarrieren Osterschelde und Nieuwe Waterweg betraut. Auch an der TNO erstellte er anfangs FE-Pro-gramme, die zur Bemessung von Off-shore-Plattformen benötigt wurden. Da-bei untersuchte er Ermüdungsprobleme von Hohlprofil-Offshore-Konstruktionen, insbesondere der Knotenverbindungen. Er initiierte die Einführung der Schalen-theorie für nichtlineare Berechnungen in das existierende TNO-Programm DIANA und war später maßgeblich an der Ein-führung numerischer Ansätze für die statischen und die Ermüdungs-Nach-weise der Knotenverbindungen von Hohlprofil-Konstruktionen beteiligt.

Ab 1987 verbrachte Ram Puthli seine Arbeitszeit jeweils hälftig an der TNO und an der Technischen Universität Delft, um dort europäische und internationale Forschungsarbeiten zu koordinieren. Dort traf er mit Professor Jaap Warde-nier zusammen und konnte in dieser äu-ßerst kreativen Schaffensperiode sieben dessen Doktoranden bis zum erfolgrei-chen Abschluss ihrer Arbeiten betreuen.

1994 wurde Ram Puthli als Professor an die Versuchsanstalt für Stahl, Holz und Steine der Technischen Universität Karlsruhe (jetzt Karlsruher Institut für Technologie – KIT) berufen. Hier bear-beitete er mit seinem Team Dutzende großer Forschungsprojekte, die Hälfte davon in Zusammenarbeit mit europäi-schen oder internationalen Partnern. Die


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