REFORMATION in LIPPE Reformation in Lippe Röhrentruper Rezess aktuell bebildert
Heike Fiedler M.A. Arbeitsmaterial Reformation in Lippe Ablassbrief Simon V. Seite 1
Landesarchiv Nordrhein-Westfalen Abteilung Ostwestfalen-Lippe
Dokumente zur REFORMATION DER ABLASSHANDEL LAV NRW OWL D 75 Nr. 3268
(Quelle: http://bilderserver.lav.nrw.de)
Zeitgenössisches Flugblatt. Druck. Titel: Johann Tezel mit seinem Ablass-Kram. Der Dominikanermönch Johann Tetzel aus Pirna (ca. 1465-1519) predigte 1504-1510 den Jubiläumsablass zugunsten des Deutschen Ordens, 1516 den Ablass für den Neubau der Peterskirche in Rom und war seit 1517 als General-Subkommissar des Erzbischofs Albrecht von Brandenburg tätig. In dieser Eigenschaft verkündete er in der Magdeburger Kirchenprovinz den bekannten Satz: „Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer springt.“ Reue, Beichte und Buße waren für den Erlass der Sündenstrafen nicht erforderlich; der Käufer konnte durch den Erwerb eines Ablassbriefes für sich oder einen anderen – auch für Verstorbene- einen Anteil an den überschüssigen Verdiensten der Heiligen für sich in Anspruch nehmen.
Luther wandte sich gegen diesen Missbrauch in seinen 95 Thesen, die er dem Magdeburger Erzbischof und mehreren Bischöfen zusandte und versuchte der Buße, die zur Vergebung durch Gottes Gnaden führt, ihren biblischen Sinn wiederzugeben.
Das Flugblatt zeigt den Dominikanermönch als Ablasskrämer, die rechte Hand auf der Kasse, die mit dem Wappen seines Auftraggebers, des Papstes Leo X., versehen ist. Dieser erscheint darüber in einem Bild, gegenüber die Ware in einem Schaufenster: eine große Zahl vorbereiteter Indulgenzbriefe (Indulgenz: Nachlass von
Sündenstrafen) über verschiedene Summen. Unten rechts offenbar ein einzelner, neunfach besiegelter Ablassbrief oder das Beglaubigungsschreiben für Tetzel (nach Wehlt, S. 15).
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Arbeitsauftrag: 5
I. Analyse eines Flugblattes
1. Benennung der formalen Merkmale
- Quellengattung -> Flugblatt
- Autor / Zeichner wenn möglich
- Adressat (u.U. Bezug zum Zeichner) 10
- Erscheinungszeitpunkt und –ort (situativer Kontext, Anlass)
- Thema
- Absicht
2. Beschreibung der dargestellten Bildelemente
a) benennen: Zeichnung, Titel, Bildunterschrift, weitere Textelemente 15
b) beschreiben: - Vorder-, Hintergrund, Zentrum
- Personen, Gegenstände und ihre Attribute
- Größenverhältnisse
- Perspektive
- ggfls. Licht- und Farbwirkung 20
II. Einordnung in den historischen Kontext
Histor. Kontext -> Auftauchen in Lippe vor dem Hintergrund der dortigen Ereignisse / Entwicklungen
- Zusammenfassende Deutung
III. Urteil aus zeitgenössischer Sicht und aus heutiger Sicht
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Ablassbrief für Simon V. zur Lippe und seine Frau Münster 11. Oktober 1515 35
LAV NRW OWL L 1 D Ablässe für den Landesherren Nr. 25 11.10.1515
Fragestellung:
Wie erschließe ich mir den Inhalt einer Urkunde, eines Schriftstückes auf die Schnelle, wenn ich nicht
den ganzen Text selbst übersetzen oder transkribieren kann, da ich der Sprache unkundig bin, die 40
Schrift nicht gut lesen kann oder unter Zeitdruck arbeite?
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Möglichkeit 1: Ich erfrage, ob es einen Ausstellungskatalog gibt, der Informationen zu der Quelle und
dem historischen Zusammenhang bietet.
Möglichkeit 2: Ich informiere mich in einem Regest. Ein Regest ist eine zusammenfassende
Inhaltsangabe zu einer Urkunde. Es liegt meistens als Teil eines geordneten Verzeichnisses von
Urkunden vor, so auch für die lippischen Urkunden im Lesesaal des Landesarchivs: Preuß, Falkmann: 55
Lippische Regesten Detmold 1868, Bd. IV, S 291. Signatur: X 263.
In unserem Fall ist beides vorhanden: 1. Wehlt, Hans-Peter: Confessio Augustana. Die Reformation in
Lippe. Ausstellungskatalog. Detmold 1980. S. 31, Signatur: B 1743.
2. Lippische Regesten 1868, Bd. IV, S. 291, Signatur X 263.
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AUFGABE: 1. Erstelle einen modernen Informationstext aus den beiden obenstehenden Texten, der
einerseits über den Inhalt der Urkunde, andererseits aber auch eine Einordnung in die Geschichte der
Reformation in Lippe und in Deutschland vornimmt.
Inhalt 1. : nach Wehlt S. 31:
Ablassbrief für Simon V. zur Lippe Münster, 11. Oktober 1515 65
Gedrucktes Formular mit handschriftlichen Einträgen, Pergament, Siegel ab.
Luther wandte sich mit seinen 95 Thesen gegen den Ablasshandel. Wie Tetzel predigte 1515
Johannes Angelus Arcimboldus für den Ablass zugunsten des Neubaus von St. Peter in Rom.
Der Ablassbrief weist Simon V. zur Lippe, und seine Gemahlin Walburg von Bronckhorst als Käufer
aus. Der Brief ermächtigte einen Beichtvater ihrer Wahl, sie von Sündenstrafen loszusprechen. Er 70
zeigt oben das Wappen von Papst Leo X. (Giovanni Medici) mit Tiara und dem Wappen der Medici.
Das lateinische Formular ist nicht wie sonst üblich auf Papier, sondern auf italienischem Pergament
gedruckt. Der Schreiber trug lediglich mit Hand die Namen der Käufer sowie Ausstellungsort und
-datum ein. Der untere Abschnitt enthält die Absolutionsformel.
Inhalt 2.: nach lippische Regesten S. 291: 75
1515 Oct. 11
Johannes Angelus Arimbaldus, welcher vom Papste Leo X. zur Sammlung von Beiträgen für den Bau
der Peterkirche speciell bautragt worden, ertheilt Simon E.H. zur Lippe und seiner Gemahlin Walburg,
weil sie ebenfalls für jenen Zweck hülfreiche Hand geleistet, die Befugnis einen Beichtvater zu
erwählen, welcher sie kraft päpstlicher Autorität von gewissen Sünden lossprechen könne u.s.w. com 80
formula absolut1. D. Münster 1515 w.o.
Ein auf Pergament gedrucktes Formular, oben links das päpstliche Wappen mit der Tiara.
Noch eine fast gleichlautende befindet sich d.d. Angariae2 den 21. Mai 1516.
1 Absolutionsformel: (absolvere= lat. lossprechen) Absolution, die Freisprechung von Sünden erteilend
2 d.d. de dato, lat. vom Tag des Datums an; angaria= lat. Frondienst, hier: Fronfasten (im März)
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Rezess: lateinisch recessus= Rückzug, substantiviertes 2. Partizip von: recedere= zurückweichen, gehen, aus: re-= zurück, wieder und cedere=
weichen; im jurist. Sinn: Auseinandersetzung, Vergleich, [schriftlich fixiert]
Konsistorialordnung: Konsistorium: (evangelische Kirche) (in bestimmten evangelischen Landeskirchen) oberste Verwaltungsbehörde. Herleitung 90 des Begriffes: spätlateinisch consistorium= (Beratungszimmer für das kaiserliche Kabinett, lateinisch= Versammlungsort. Die Verwobenheit von
Staat und Kirche machte den Landesherrn zur Oberaufsicht in Kirchenangelegenheiten. Durch seinen Einsatz entsprechender Verantwortlicher konnte
er in religiösen Fragen Einfluss nehmen. In Lippe über die Konsistorialordnung und den Einsatz des Superintendenten, die seiner reformierten
Überzeugung entsprachen.
1. Informiere dich über die politische und soziale Ordnung im Land Lippe. Nutze dazu: Böttcher, Damm 95
u.a.: Reformation in Lippe. Detmold 1988,
a) M 1 S. 14 Karte der Verwaltungseinheiten der Grafschaft Lippe,
b) M 2 S. 15 Schema der politisch-administrativen Ordnung,
c) M 5 S. 18 und 19: Liste der lippischen Landesherren zur Zeit der Reformation,
d) M 6 S. 20 und 21: Karte der Abhängigkeiten der Grafschaft Lippe im 16. Jahrhundert, insbesondere 100
die in der Reformationszeit wirkenden Einflüsse (S. 20),
e) M 7 S. 23: Darstellung der sozio-ökonomischen Situation im Land Lippe.
Simon VI. zur Lippe, geb. 1554, Regierungszeit
1563-1613
Kolorierter Kupferstich, Elias von Lennep, um
1663 LAV NRW OWL D 75 Nr. 359
Simon VI. war beim Tode seines Vorgängers erst 9
Jahre alt. Er erwarb an der Hohen Schule in Straßburg
und an den Fürstenhöfen von Wolfenbüttel und
Kassel eine umfassende Bildung und wurde zu einer
der bedeutendsten Persönlichkeiten des gräflichen
Hauses zur Lippe. An politischen, kulturellen und
wissenschaftlichen Fragen war er vielseitig
interessiert. 1582 und 1594 nahm er an den
Reichstagen in Augsburg teil und gewann dort die
Gunst Kaiser Rudolf II., der ihn 1594 zum Reichshofrat
ernannte und mit verschiedenen diplomatischen
Missionen betraute. Auch für seine Wahl zum Oberst
des niederrheinisch-westfälischen Kreises war sein
enges Verhältnis zum Kaiser entscheidend.
Während er noch minderjährig war, wurde in Lippe
die lutherische Kirchenordnung von 1571 erlassen.
Simon selbst, der 1579 die Regierung antrat, wurde
durch seinen Lehrer und verschiedene persönliche
Kontakte zum reformierten Glauben geführt. 1600
wurde in seinem Auftrag die neue Konsistorialordnung
auf reformierter Grundlage ausgearbeitet. Sie wurde auch gegen Widerstände in Lippe eingeführt, als sogenannte
Zweite lippische Reformation. Die Stadt Lemgo war als einzige lippische Gemeinde auch mit Waffengewalt nicht zur
Annahme des neuen Glaubens zu bewegen. Im Röhrentruper Rezess erst gestand sein Sohn Simon VII. 1617 der
Stadt das Recht zu, beim lutherischen Glauben zu verbleiben (nach Wehlt, S. 30 f.).
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DIE ZWEITE LIPPISCHE REFORMATION
Der Röhrentruper Rezess3 vom 22. August 1617 (Signatur: L 1 22.8.1617)
Unter der Herrschaft von Graf Simon V. (1511-36) hielt die Reformation Einzug in Lippe, also auch in
Lemgo. Die neue lutherische Lehre konnte sich jedoch so richtig erst nach dem Tode Simons V. im
Jahr 1536 in Lippe durchsetzen. Als Lehnsherr und Vormund des Grafen Bernhard VIII., des Sohnes
von Simon V., setzte Philipp Landgraf von Hessen in Lippe die Reformation in den Jahren 1536 bis
1541 durch. Als neue Lippische Kirchenordnung wurde 1538 in Lippe eine Kirchordnung eingeführt,
die auf die Braunschweiger Kirchenordnung von 1533 zurückgeht.
Simon VI. führte den reformierten Glauben ein. 1605 machte er dies durch das Abhalten eines
Gottesdienstes nach reformiertem Ritus in der Detmolder Stadtkirche öffentlich und endgültig. Diese
„Zweite Reformation“ in Lippe rief den Widerstand der Lemgoer Bürger hervor, der sich über den
Tod des Grafen Simon VI. hinzog und erst 1617 durch einen Vergleich beendet wurde. In diesem
„Röhrentruper Rezess“ vom 22. August 1617 sicherte sich die Stadt Lemgo in einem 22 Artikel
umfassenden Vergleich mit dem Grafen Simon VII. die kirchliche Selbstständigkeit und blieb als
einzige lippische Stadt lutherisch. Dies blieb so bis 1854, als in ganz Lippe das lutherische Bekenntnis
als gleichberechtigt anerkannt wurde.
Die Übereinkunft wird durch eigenhändige Unterschriften und Siegel verbrieft durch Bischof Dietrich
von Paderborn, Graf Christian von Waldeck, Graf Simon zur Lippe, Graf Hermann zur Lippe, die drei
gräflichen Vormünder Philipp von Donop, Conrad Osterholtz, Ludeke Waterbeke, sowie die
Hofrichter Simon Schwartze und Berthold Frahn. Durch Siegel bezeugen den Vertrag die Städte
Lemgo, Osnabrück, Minden, Herford, Lippstadt und Horn. Die für das Siegel des Grafen Otto zur Lippe
vorgesehene Siegelschüssel ist unbelegt.
Rezess lateinisch recessus= Rückzug, substantiviertes 2. Partizip von: recedere= zurückweichen, gehen, aus: re-= zurück, wieder und
cedere= weichen; hier: im jurist. Sinn: Auseinandersetzung, Vergleich [schriftlich fixiert]
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Die wesentliche Textpassage des Rezesses lautet wie folgt:
„Anfanges hatt viell hoch- unnd wollgedachter Grafffe und Herr Simon Graffe und Edler Herr zur
Lippe Unser gnediger Herr alß der Regierender Landeßherr nunmehr vor sich und I(hr) G(naden) 105
Erben mit Nachkommen, auch mit Jegenwerttigenn zuthuen und belieben beider Hoch- und
Wohlgedachter I(hr) G(naden) Herrn Brueder in Gnaden, gnedigh beliebet und bewilliget, daß
vielmelte Bürgermeistere, Rhat und Gmeinheit I(hr) G(naden) Statt Lembgo , bei dem freien Unnd
Unverhinderten Exercitio Ihrer Religion, wie dieselbe in der Anno Ein Tausend fünffhundert dreißigh 110
Weylandt Kayser Carolo dem fünfften uf dem Reichstage zue Augspurgh ubergeben, Imgleichen in
dero Anno Ein Tausent fünffhundert Siebentzigh Ein auffgerichteter lippischer getruckter
Kirchenordnung bestettigt, Allerdings gelassen, und dabey ohne Alle Verenderungh verbleiben sollen
und müegen.“
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I(hr) Gnaden haben auch ferner Ihnen in gnaden nachgegeben unnd bewilliget, daß sie zu erhaltunge
solches Ihres freyen nachgelaßenen Exersitii Ihre eigene Prediger, wie Sie dieselbe Jetzo haben,
erhalten und behalten, auch nach beschaffenheit Ihres verhaltens und verwirekens wieder
Abschaffen und erlaßen muegen unnd wan deren ein oder Ander Abgehenn, renuncieren, versterben
oder versetzet werden muchte, daß Sie alßdann An stat deßselbigen einen andern vorcierer4,
denselben An ein Consitorium einer Hohen Schulen gleicher Augspurgischer und Lutherischer
Religion5 Verschicken und daselbst Examiniren und (zum fall er noch keine ordines6 erlangt)
ordinieren lassen muegen (…) Alßdann auch I(hr) G(naden) solche praesentierte Person, ohne einigh
weitter Examination (…) bestätigen sollen und wollen, Jedoch alles dergestalt, daß So woll Jetzige als
künftige Predigere in der Statt sich in ihrem Leben und Wandell unverweißlich verhalten, und
danebst alles schrifft- und Mündtlichen Schmehens, Calumnierens7 und scheltens auff und ueber der
Cantzell so woll wieder andere religions confessionisten8 als auch bevorab mehr hochgedachten
Ihren gnedigen Landtßherrn, Auch Ihr G(naden) Consitorium, dabei bestelte Superintendenten auch
Rhäte und Diener enndthalten und maeßigen sollen (…)“
1. Erstelle eine moderne Textform!
2. Welche Rechte erhält die lutherische Stadt Lemgo?
3. An welche Bedingungen sind sie gebunden?
4 vorcierer: hier im Sinne von einsetzen / befördern 5 Augsburger Bekenntnis: Confessio Augustana, formulierte 1530 die bis heute verbindlichen Grundsätze der evangelischen Lehre 6 ordines: im Sinne von ordinieren, im religiösen Zusammenhang nach ordnungsgemäßer Ablegung theologischer Prüfung erfolgende Amtseinführung 7 calumnieren: fälschlich beschuldigen, verunglimpfen 8 hier: Anhänger anderer religiöser Bekenntnisse / Konfessionen
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Die Kunde von der Urkunde:
A. Eine Urkunde verfügt über einen dreischrittigen Aufbau bestehend
aus:
1. Einleitung
Anrufung Gottes
Aussteller
Adressat
2. Allgemeine Begründung der Rechtshandlung und Hauptteil
Vorgeschichte
Rechtshandlung selbst
Strafandrohung bei Zuwiderhandlung
3. Schlussteil
Ankündigung des Siegels
Unterschriftzeile mit Monogramm
Beglaubigung durch Notar und Zeugen
Beglaubigungszeichen, Datum, (Ort) , Schlusswunsch
B. Was es sonst noch Interessantes zu wissen gibt . . .
1. Was ist ein Chrismon?
Chrismon: graphisches Symbol, steht für die Anrufung Gottes (vgl. 1. oben)
Oben: Auszug aus einer Urkunde Otto II. für Heinrich den Zänker, Juni 973 (Haus der Bayerischen Geschichte, Staatsarchiv Bamberg: www.hdbg.de/fra-itt/german/urkunde /04_chrismon.html)
2. Was wird als Elongata bezeichnet?
Die erste Zeile einer Urkunde ist durch eine langgezogene Schrift - Elongata –
ausgezeichnet.
3. Was ist ein Vollziehungsstrich?
Die Kanzleien der Herrscher fertigten die Monogramme auf den Urkunden an. Der Herrscher selbst fügte nur einen Strich hinzu, den sogenannten Vollziehungsstrich. Dadurch bekam die Urkunde die
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Note der persönlichen Beteiligung an der Ausfertigung. Dieser Strich war meist erkenntlich an einer anderen Tinte und dem unsicheren Schriftzug. Dies erklärt sich daraus, dass die Herrscher vielfach des Schreibens unkundig waren.
Oben: Das Signum Karls des Großen unter einer in Kufstein am 31. August 790 ausgefertigten Urkunde: Eigenhändig
ist nur der v-förmige sogenannte Vollziehungsstrich innerhalb der Raute. (Urkunde vom 31. August 790 aus Müller-
Baden, Emanuel (Hg.): Bibliothek des allgemeinen und praktischen Wissens, Bd. 2. - Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart:
Deutsches Verlaghaus Bong & Co, 1904. - 1. Aufl.)
Die
monogrammatische
Unterschrift:
Friedericus
Romanorum
Imperator
sernper
Augustus
Oben: Beispiel für das Signum Friedrich I. Barbarossa in einer Urkunde vom 26. April 1158 , Bergwerksprivileg für
den Erzbischof Hillin von Trier (www.kreis-ahrweiler.de/kvar/VT/hjb1955/hjb1955.6.htm)
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Aufgabe: Suche in der vorliegenden Urkunde – dem Röhrentruper Rezess - nach den
genannten Merkmalen, Inhalten und nach Besonderheiten.
0. Arbeite in Partnerarbeit: Arbeite zunächst in Einzelarbeit, dann gleiche mit einem Partner ab.
1. Lies die Textteile und weise ihnen die typischen Textabschnitte einer Unkunde zu. Trage deine Ergebnisse in die untenstehende Tabelle ein. Du brauchst nicht alle Inhalte wortwörtlich zu verstehen. Im Kommentar kannst du deine Erklärung für die vorliegende Form notieren!
T a b e l l e:
I. Einleitung Ja / Nein / Kommentar
1. Anrufung Gottes
2. Aussteller
3. Adressat
II. Begründung der Rechtshandlung= Hauptteil
1. Vorgeschichte (was ist das Problem, wann begann es, welche Auswirkungen
hat es?)
2. Rechtshandlung selbst (wie lautet die –neue- Regelung?)
3. Strafandrohung bei Zuwiderhandlung
III. Schlussteil
1. Ankündigung des Siegels
2. Unterzeichnung mit Monogramm
3. Beglaubigung durch Notar und Zeugen
4. Beglaubigungszeichen, Datum, Ort,
Schlusswunsch
Weitere Merkmale:
Elongata
Chrismon
Vollziehungsstrich
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1. Beurteile die Bedeutung des „Röhrentruper Rezesses“ vor dem Hintergrund der
Entwicklung allgemeiner Menschenrechte und des Rechtes auf Religionsfreiheit. Nutze
den untenstehenden Text!
2. Äußere deine persönliche Meinung zur Religionsfreiheit und zu den Vorgängen in der
Grafschaft Lippe in der damaligen Zeit aus zeitgenössischer und heutiger Sicht.
Dr. Peter Krömer9: „Das Grundrecht auf Religionsfreiheit“ :
(…) Der Kampf um die Religionsfreiheit (Glaubensfreiheit) des Einzelnen geht weit in die Geschichte
zurück. Gerade die Kirchen sollen sich erinnern, dass im Römischen Reich das Blut der Märtyrer die
römischen Cäsaren zur Religionsfreiheit zwang. Im Mailänder Toleranzedikt Konstantin des Großen von
313 n. Chr. ist die Rede von der Freiheit der Religion und von jedermanns Freiheit, sich seinen Glauben
zu wählen. Der christliche Kaiser Theodosius I kippte diese Religionsfreiheit (Glaubensfreiheit) im
Römischen Reich 391 n. Chr. mit der Erklärung des Christentums zur Staatsreligion, verbunden mit dem
strikten Verbot aller sogenannten heidnischen Kulte (mit anderer heidnischer Religionen). Während der
Reformation und Gegenreformation im 16./17. Jahrhundert war in Mitteleuropa (inklusive teilweise
Frankreich) im Zusammenhang mit der Maxime "cuius regio eius religio", wonach auch der Landesfürst
den Glauben seiner Untertanen bestimmt, zunächst das Recht des Einzelnen anerkannt, dass er
auswandern konnte, wenn auch bei Verlust seines Vermögens und seiner Kinder, wenn er nicht der
Kirche oder Religion des Landesfürsten angehören wollte. Manche Herrscher gestatteten anstelle der
Auswanderung die Deportation in bestimmte eigene Landesteile, allerdings dann mit der Duldung der
diesbezüglich anderen Religions- und Glaubensausübung. Im 18. Jahrhundert kam es dann in diversesten
Staaten Europas dazu, dass die Herrscher duldeten, dass Untertanen, die nicht ihrer Kirche
beziehungsweise ihrer Religionsgemeinschaft angehörten, dennoch zumindest privat ihren Glauben
beziehungsweise ihre Religion leben konnten, im eingeschränkten Umfang mit anderen Gleichgesinnten.
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts kam es dann durch zwei revolutionäre Prozesse dazu, dass Menschen-
und Bürgerrechte - auch im Zusammenhang mit Religionsfreiheit (Glaubensfreiheit) - gesetzlich im
Verfassungsrang in Staaten verabschiedet wurden, (…). Im Zusammenhang mit der Unabhängigkeits-
erklärung der Vereinigten Staaten von Amerika - revolutionärer Prozess in Nordamerika - wurde am
12.06.1776 die Amerikanische "Bill of Rights" ("Virginia Bill of Rights") verabschiedet, die im Artikel 16
die Religionsfreiheit definiert, interessanterweise diesbezüglich stark christlich theologisch begründet.
Dieser Artikel 16 lautet wie folgt:
"Artikel 16: Religion oder die Ergebenheit, die wir unserem Schöpfer schuldig sind, und die Art, wie wir
sie erfüllen, kann lediglich durch Vernunft oder Überzeugung bestimmt werden, nicht durch Zwang oder
Gewalt, deshalb haben alle Menschen einen gleichen Anspruch auf freie Ausübung der Religion nach den
Geboten des Gewissens. Und jeder hat die Pflicht, christliche Vergebung, Liebe und Barmherzigkeit zu
üben."
1789 findet sich in der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte der Französischen
Nationalversammlung - Französische Revolution - in Artikel 10 ebenfalls das Grundrecht der
Religionsfreiheit, vor allem des Einzelnen.
9 Dr. Peter Krömer ist Jurist und Kurator der Evangelischen Synode der Evangelischen Kirche Österreichs
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Im 19. Jahrhundert wurden in vielen Staaten Europas im Rahmen der Errichtung von Verfassungen im
Zusammenhang mit der Abschaffung der absoluten Macht des jeweiligen Monarchen in verschiedener Art
und Weise Grundrechte eingeführt, darunter auch das Grund- und Menschenrecht auf Religionsfreiheit
(Glaubensfreiheit).
Diesbezüglich wurde das Recht auf Religionsfreiheit (Glaubensfreiheit) als Individualrecht des Einzelnen
konzipiert. Daneben setzt sich allerdings in verschiedensten Staaten Europas, aber auch den Vereinigten
Staaten von Amerika durch, dass das Recht der Religionsfreiheit (Glaubensfreiheit) nicht nur dem
Einzelnen zusteht, sondern auch der Kirche und Religionsgesellschaft, mithin dem Zusammenschluss der
Anhänger eines Glaubensbekenntnisses beziehungsweise einer Religion. (…)
Ein Meilenstein des universellen Menschenrechtsschutzes - auch Religionsfreiheit in Richtung kollektive
Religionsfreiheit - stellt die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen vom
10.12.1948 dar. Hierbei handelt es sich um eine Resolution der Generalversammlung der Vereinten
Nationen, die zunächst ohne völkerrechtliche Bindungswirkung war. Da in der Zwischenzeit diese
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 1948 wiederholt völkerrechtlich zitiert wird, wird teilweise
daraus der Schluss gezogen, dass die Grundsätze der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte 1948
gewohnheitsrechtliche Anerkennung finden. Im Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte von 1948 findet sich die Gewissens- und Religionsfreiheit.
Auf der Grundlage der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte 1948 kam es dann zu den
Menschenrechtspakten der Vereinten Nationen vom 16.12.1966, und zwar dem Internationalen Pakt über
wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UN-Menschenrechtspakt I), sowie dem Internationalen Pakt
über bürgerliche und politische Rechte (UN-Menschenrechtspakt II), welcher im Artikel 18 die
Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit regelt.
(…) In der Charta der Grundrechte der Europäischen Union findet sich auch das Grundrecht der Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit (Art. 10). Das Grund- und Menschenrecht auf Religionsfreiheit (Glaubensfreiheit) wird allgemein, insbesondere auch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, als eine der Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft bezeichnet, als eines der essentiellsten und wichtigsten Grund- und Menschenrechte.
Quelle: http://csc.ceceurope.org/fileadmin/filer/csc/Human_Rights/Human_Rights_Library/Grundrecht_auf_Religionsfreiheit.pdf
zuletzt aufgerufen am 13.3.2014)
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Reformation in Lippe Überblick Knecht.doc
Überblick: Reformation in Lippe
Jahr Ereignis Archivale
Signatur
11.10.1515 Ablassbrief für Simon V. L 1 D Ablässe für
den Landesherrn
Nr. 25
31.10.1517 Luthers 95 Thesen
1528 Simon V. verpflichtete seinen Hofkaplan keine Neuerungen
nach Luther einzuführen
L 66 Nr. 90 Bl. 6
1530 Confessio Augustana/ Augsburger Bekenntnis
1533 Simon V. erlaubt Blomberger Mönchen den Austritt aus
dem Augustinerkloster in Blomberg; sie sind Anhänger
Luthers
L 1 D Kloster
Blomberg I Nr. 27
1536
Tod Simons V. Reformation setzt sich durch: Lippische
Kirchenordnung 1538
D 71 Nr. 29
10.6.1542 Mönche und Priester heiraten, z.B. Pastor Simon von Exter
und dessen Haushälterin
L 21 Nr. 55 Bl. 5
1555 Augsburger Religionsfriede
1571 Lutherische Kirchenordnung: Sie benennt katholische und
reformierte Lehren als „Irrtümb“
(Grundlage: Confessio Augustana)
1600 Beginn der „zweiten“ Reformation durch den Grafen
Simon VI.: Konsistorialordnung und Einsatz von 3
Superintendenten reformierter Richtung
Gottesdienstordnung, Ausstattung der Kirchen,
Abendmahl, Heidelberger Katechismus
D 71 Nr. 108
1605 öffentliches Bekenntnis zum reformierten Glauben durch
den Landesherrn in einem Gottesdienst in der Detmolder
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Stadtkirche
22.8.1617 Die Stadt Lemgo behauptet gegen den Grafen das
lutherische Bekenntnis; im „Röhrentruper Rezess“ billigt
ihr Graf Simon VII. freie Ausübung ihrer Religion zu
L 1 E XI/8
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Literatur und Archivmaterial
1. Literatur:
Angermann, Gertrud: Volksleben im Nordosten Westfalens zu Beginn der Neuzeit. Münster 1995.
Bischoff, Michael: Graf Simon VI. zur Lippe. Ein europäischer Renaissanceherrscher. Lemgo: Weserrenaissance-
Museum Schloss Brake 2010.
Böttcher, Martin und Damm, Werner: Reformation in Lippe. Materialien zur Lippischen Landesgeschichte. Detmold
1988.
Fitzner, Klaus: 1538: Entscheidungsjahr der Reformation in Lippe. Blomberg 1988.
Förderverein, Ehemaligenverein: Vierhundert Jahre Leopoldinum. Detmold 2002.
Haase, B.; Rickling, M.; Wilke, A.: reformieren-streiten-bekennen. 400 Jahre reformiertes Bekenntnis in Lippe.
Detmold 2005.
Krull, Lena: Lutherische Pfarrer in Lemgo. Kirche und Geistliche in einer konfessionalisierten Stadt des 17.
Jahrhunderts. ( Forum Regionalgeschichte, Bd. 14.) Münster 2009.
Landesarchiv NRW Abteilung Ostwestfalen-Lippe: Beständeübersicht 2010.
Landschaftsverband Westfalen-Lippe / Landesbildstelle Westfalen und Weserrenaissance-Museum Schloß Brake:
Extra Oridinari Zeitung Neueinlaufende Nachricht von Kriegs- und Welt-Händeln Num. 34. 1993. („Kanonen gegen
Schloss Brake“ S. 1 und „Das Fürstenporträt“ S. 3).
Lippische Regesten 1868, Bd. IV.
Prieur-Pohl, Jutta: Antonius Corvinus und die Reformation in Lippe. Detmold 2001.
Preuß D., Falkmann U.: Lippische Regesten. Detmold 1868. Bd. IV, S. 291.
Walz, Rainer: Hexenglaube und Magische Kommunikation im Dorf der Frühen Neuzeit. Paderborn 1993, S. 73 ff.
Wehlt, Hans-Peter: Confessio Augustana. Die Reformation in Lippe. Ausstellungskatalog. Detmold 1980.
2. Archivalien:
LAV NRW OWL D 75 Nr. 3268 (Foto eines zeitgenössischen Flugblattes zum Ablasshandel)
LAV NRW OWL L 1 D Abläse des Landesherrn Nr. 25 11.10.1515 (Ablassbrief)
LAV NRW OWL L 1 E XI/8 22.8.1617 (Röhrentruper Rezess)
3. Internet:
www.lippe.de/ksl/reformation/links/roehrentruper_rezess.htm (Konflikt Grafen und Stadt Lemgo, histor.
Überblick; Text des Vertrages, Original LAV L 1 E XI/8) 26.11.2013
www.genealogienetz.de/reg/NRHE-WFA/lippe-d.html (Reformation in Lippe) 26.11.2013
www.lippische-landeskirche.de/194-0-10
www.hdbg.de/fra-mitt/german/urkunde/04_chrismon.html 22.3.14
www.augsburg.de/index.php?id=31532 (Augsburger Religionsfriede) 26.11.2013
REFORMATION in LIPPE Reformation in Lippe Arbeitsblätter
Arbeitsmaterialien Heike Fiedler M.A. Reformation in Lippe Flugblatt Ablass Seite 17
http://csc.ceceurope.org/fileadmin/filer/csc/Human_Rights/Human_Rights_Library/Grundrecht_auf_Reli
gionsfreiheit.pdf (zu Menschenrechten und Religionsfreiheit im historischen Abriss)
www.wcurrlin.de/links/basiswissen/basiswissen_reformation.htm#radikalereformation 13.2013