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v. Graefes Archiv fiir Ophthalmologie 165, 203--208 (1962)

Aus der Abteilung ftir Stoffwechselkrankheiten des Krankenhauses der Stadt Wien-Lainz (Prim~rarzt: Doz. Dr. Jos~F BL6crr)

Retinopathia diabetiea in 10 Geschwisterschaften V o n

F R A N Z FISCHER

1. Einleitung

Seit etwa 20 Jahren zeigen sieh am Diabetes mellitus bemerkenswerte Vorg/~nge: Die H/~ufigkeit n~mmt ungew6hnlieh zu, das Erseheimmgs- bild kehrt immer mehr die Angiopathie hervor. Die klinisehen Exponen- ten dieser Angiopathie: l~etinopathie, Nephropathie, Hypertonie, Coronarsklerose und per~phere Sklerose (Gangr/in) haben bereits Be- stimmungsgewalt fiber den Diabetiker erlangt. Einer solchen Entwick- lung gegenfiber mul~ sich als h5chst nachteilig erweisen, daf~ ~tiologie und Pathogenese der Angiopathie noeh lange nicht aufgekl/irt sind. Zwar hat man lange Diabetesdauer (10 und mehr Jahre) und schleehte Diabeteskontrolle als bedeutungsvolle Faktoren erkannt, das Grund- wesen der diabetischen Angiopathie blieb davon unberfihrt. So gibt es nieht wenige Diabetiker, die selbst bei bester F~ihrung und schon in kiirzester Zeit eine Retinopathie (Angiopathie) erwerben, dagegen andere trotz v611iger Vernachl/~ssigung ihres Leidens g/s versehont sind. In dieser Situation brachten uns ungewShnliche klinisehe Er- hebungen und sp/itere Feststellungen an diabetischer l~etinopathie naher Blutsverwandter (1959, 1960) zur Annahme einer besonderen erbliehen Grundlage der Angiopathie. Um aber dies besser verstandheh zu machen, wollen wir folgendes einffigen: Schon die Altmeister der Diabetologie, NAu~Y~, v. Noom)E~, UMBE~ U. a., waren ganz der ~berzeugung, dal~ der Diabetes mellitus an sich eine erbliche Voraus- setzung habe. Den Beweis allerdings konnte erst die moderne Zwil- hngsforsehung fiihren (UMBE~, PAn,HOiST, V. VE~SCHUE~, THEN BE~G~r, LEMSEI~). Es zeigte sich, dal~ eineiige, d. h. erbgleiehe Zwillinge bezfiglieh des Diabetes weir fiberlegen konkordant sind, dies im Vergleieh zu den erbverschiedenen zweieiigen Zwillingen, umgekehrt hinsiehtlich ,,Diskordanz". Familienuntersuehungen trugen ihrerseits zur Erb- theorie bei. Wenn aueh heute noch viele Fragen diesbezfiglich often stehen, so kann doch als gesichert angesehen werden, dal~ praktiseh jedem Diabetesfall eine erbliehe Anlage zugrunde liegt, lokalisiert in einem I-Iauptgen. Auch dann, wenn die Familiengesehiehte leer ausf/s besteht dies zu Recht. Allein um gerade diese Vererbung konnte es uns bei aller naher Beziehung nJcht gehen, gelangen doch erfahrungsgema[t

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bei wei tem nicht alle Diabet iker jemMs zu einer l~etinopa~hie (Angio-

pathie) ; eine speziellere Ar t k a m in Frage. Gegeniiber friiher ha t sich

die Zahl unserer Gesehwistersehaften verdoppel t , die Beobaeh tungen

haben sich verl~ngert . U n d so glauben wir mi~ g u t e n Aussiehten fort-

setzen zu kSnnen.

2. Material und Erhebungen Wir verffigen fiber insgesamt zehn Geschwisterscha]ten. Jede weist mindestens

zwei Geschwister mit diabetischer Retinopathie auf. Sgmtliehe wurden persSnlieh gesehen und weiterverfolgt; die meisten standen wiederholte Male in station~rer Behandlung. Von den Eltern, Kindern und weiteren Geschwistern, soweit diese effal3t werden konnten, liegen zumindest ~rztliche Berichte und sonstige Doku- mente vor.

Um weiter zu charakterisieren: Gegen jede lJberzeugung war eine ,,Auslese" im Material nieht zu vermeiden. Sehon mit der Spezialabteilung war eine solehe gegeben, und damit, da~ nicht wenige Patienten soiort und eindeutig zu verstehen gaben, bei der Blol~legung ihrer Familienverh~ltnisse nicht mitzuwirken. In anderen F~llen wieder tfirmten sich rein technische Schwierigkeiten schier unfiber- windlieh auf. Zudem sollten ,,Krankheitsverl~ufe" und nieht die wenig besagenden ,,Quersehnittsbilder" zur Verwendung kommen. Aber im Grunde ging es uns gar nieht um ,,Erbgesetzm~Bigkeiten", vielmehr um klinlsche Tatsachen, wenngleich dureh die betroffenen Personen vor einem heredit~ren Hintergrund.

Wir verziehten auf die Wiedergabe der reeht ausffihrlichen Kranken- und Familiengeschichten und bringen zusammengefal~t nut jene Daten und Ermitt- lungen (unter a--f), welche die Krankheitssituation im einzelnen und ganzen erhellen. Die Geschwisterschaften bezeiehnen wir aus Hinweisgrfinden mit den rSmischen Ziffern I - -X . Wit verfahren so, da~ wit an einer der Geschwister- schaften - - wir nehmen wfllkfirlich I I I - - das jeweilige t~aktum exemplifizieren, dann an den anderen verifizieren.

a) Manifestationsalter. Um mit I I I (2 Sehwestern, 1 Bruder) zu beginnen: Bei der gltesten Schwester ist es das 45. Lebensjahr, bei dernur wenig jfingeren das 39. Lebensjahr, sehliel~lich bei dem im Abstande jfingeren Bruder das 19. Le- bensjahr. Eine ~hnliehe Unterschiedlichkei~ finder sieh nur noch in drei anderen Geschwisterschaften (I, II und IV). Ansonsten lautet das Manifesta~ionsalter der Gesehwister gleich oder alm~hernd gleich (Beispiele: In V das 23. und 24. Lebens- jahr, in VII das 44. und wieder 44. Lebensjahr, in X das 49. und 50. Lebensjahr).

b) Diabetesdauer bei Retlnopathiebeginn. Bei den Geschwistern yon I I I betr~gt sie 4, 11 und 23 Jahre; der weir jfingere Bruder hat die l~ngste. Nur noch in den Geschwistersehaften I und I I finder sieh eine ~hnliche Unterschiedliehkeit. An- sonsten differiert die Diabetesdauer hSchstens um einige Jahre. Der Fall I I bedarf der Ausffihrung: Der Bruder wird mi~ 38 Jahren diabetisch; 18 Jahre darauf erseheint die Retinopathie. Bei der um 1 Jahr jfingeren Schwester wird der Diabetes erst im 52. Lebensjahr manifest; wenige 1V[onate sparer tritt die Retino- pathie auf, und lguft in 2 Jahren zur Retinitis proliferans ab; in weiteren 5 Jahren erliegt die Patientin einer Nephropa~hie.

e) Verlauf der Retinopathie. In gerade der einen H~lfte der zehn Geschwister- schaften finde~ sieh die Retin~tis proli/erans (l~ezid. GlaskSrperblu~ung), in der anderen die ein/ache Retinitis. Um zungehst die Retinitis proli/erans auszuffihren: In Geschwisterscha/t I I I sind es die zwei Schwestern, die eine Ret. proliferans auf- weisen. Die gltere stirbt im Coma diabetieum, bei der zweiten gelangt die Ret.

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prolifera.ns zu einem Stil lstand mit giinstigem Visus, der nun schon jahrelang anhglt. Der Bruder bietet durch viele Jahre das Bild einer einfachen Retinitis d~r, zuletzt aber machen sich Gefiigneubildungen hSehst verdiichtig. Bei aller BSsartigkeit zeigt sieh bei diesen drei Geschwistern eine gute Tendenz im Retino- pathieablauf. In Geschwisterseha/t I I setzt bei der Schwester die Ret inopathie praktisch sofort naeh der Diabetesmanifestat ion ein und erreioht naeh 2 J ah ren bereits das Ends tad ium: Ret. proliferans (eine Nephropathie beendet 5 Jahre spiiter das Leben). Beim Bruder t r i t t die Retinopathie erst nach 18jghr. Diabetes- dauer auf; in vielen Jah ren zeigt sich immer wieder Progredienz; das Bild ist ein sehwer exsudatives, jedoch ohne Proliferation. In der Geschwisterscha/t I F t r i t t bei den zwei Schwestern die Ret inopathie naeh anni~hernd gleicher Diabeteszeit auf, um im gleiehen Tempo (4 Jghre) zur Ret. proliferans abzulaufen. In der Oeschwisterscha/t VI I entwickel{ sich die l~etinopathie bei der etwas glteren Schwester in 2 J ah ren zur Retinitis proliferans yon sehwerster Form; die einfaehe l~etinitis der Schwester ist progredient und zeigt schwere Ausprggung. SchlieBlich Geachwisterscha/t I X : Die Ret inopathie der zwei Schwestern verlguft yon allem Beginne sehwer; die gltere erliegt frfihzeitig einer Urgmie, die jiingere bekommt nach 7 J ah ren sine Retinitis proliferans, die dann allerdings eine jahrelange giinstige Remission zeigt.

Und nun die sin/ache Retinitis in der anderen H~lfte der Geschwistersehaften (I, V, VI, VI I und X): Hier f indet sioh durchwegs wirklich einfs~che Retinitis yon kaum auffiilliger Progredienz und wenig Auspriigung. Der leichte Famil ientypus ist unverkennbar . Die zwei Briider der Geschwisterschaft g fallen dadurch beson- ders auf, dag sie gleicherweise eine schwere Nephropathie haben, indessen sine gleich gutar t ige einfaehe Retinit is vorliegt.

d) Begleitende Angiopathie. Die Nephropathie finder sich bis auf VI I und X in jeder der Geschwisterschaften. Die delet~re Kimmelstiel-Wilson-L~sion verbindet sich mit der Retinitis proli~erans, doch stellt dies nieht die Regel dar. Nephropathie und Ret inopathie gehen nieht absolut konform. So zeigen die zwei Sehwestern yon VI I - - die sine mit Retinitis proliferans, die andere mit einfacher Retinit is - - nach Jah ren #sine Nephropathie. Hingegen findet sich bei den zwei Briidern yon V sine schwere progrediente Nephropathie, der sine leichte einfache get in i t i s gegen- fibersteht. Der Grad der Nephropathieausprggung wechselt n icht selten zwischen den Gesehwistern, Die arterielle Hypertonie ist prakt isch stets vorhanden; sis lehl t nu r in einem einzigen Fails (yon IX), ausgereehne~ sine ~et ini t i s proliferans, die Mlerdings bemerkenswert remitt iert . Bein~he ebenso hgufig zeigt sich die Coronar~klerose; sie feldt mlr bei den zwei Brfidern yon V (die ~ber friihzeitig sine BIypertonie und sehwere Nephropathie h~ben) und sie fehl~ bei der oben ~ngefiihrten Pa t ien t in yon I X (deren l~etinitis proliferans gutar t ig verlguft). Ein ~yokard - infarkt ist in zwei Fgllen die Todesursache. Die periphere Sklerose scheint nur in fiinf der insgesamt zehn Geschwisterschgften auf, und da nicht in jedem FMle, auch nicht in gleicher Ausprggung. Allerdings in I I haben Bruder und Schwesl, er die gleiehe Gangrgn, die in Beinamputa t ion endet. Cerebrale Sklerose wurde in nur drei Einzelfgllen (I, VI I und VIII) festgestellt.

e) Diabeteskontrolle, Insnlinbedar~, Konstitutionstypen. Die Diabetes#ontrolle erweist sich allgemein Ms sehlecht, dies durch mangelnde Selbstdisziplin. Nur die Schwester yon I I hielt sich stets an die Behandlungsvorschrif t - - ihr Bruder ganz und gar nicht - - und erli t t eine Retinit is prolfferans, und endete dureh Nephro- pathie. Der Insulinbedar/liegt in etwa der I-I~lfte der Gesehwisterschaften unter 50 E pro die, in der anderen dariiber. Er zeigt bei den Gesehwistern nieht unbetr~cht- liehe Sehwankungen und Ab~tnderungen. Hinsiehtl ieh der Konstitution handel t es sich mit der einzigen Ausnahme des , ,asthenisch-leptosomen" Briiderpaares yon

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V um ,,pyknisch-adipSse" Typen. Gerade in den Variationen zeigg sich eine auf- fallende Familiengebundenheig.

~) Sonstige Diabetesbelastung der Familie. Da die Familienuntersuchungen noch immer nicht abgeschlossen sind (warm sind sie es jemals ?), kSnnen vorerst auch keine bindenden Schliisse gezogen werden. Immerhin sind gewisse Tagsachen schon jegzt mitteilungswert: In nicht weniger als acht yon unseren zehn Familien ist ein Elgernteil, einmal zus~tzlich ein Grogelter, erwiesen diabetisch! Abet auch unsere Probanden als deren Naehkommen stehen nicht a11ein da : In sechs Familien finden sich noch weitere ein bis zwei diabetisehe Geschwister, die, gemessen an ihren Retinopathie-Geschwistern, durchaus in der Gefahrenzone sind. In einem Falle sind bereits aueh diabetische Kinder vorhanden (ohne Retinopathie, zunKchst noch). Besonderes Interesse beansprueht die Familie, die wit unter VII geftihrt haben. Hier weisen nicht nur zwei yon vier diabetischen Sehwestern eine Retino- pathie auf (zwei Sehwesgern sind erst kiirzlieh manifest geworden), aueh die Mutter h~tge nachweislich eine diabetische Retinopathie! In der Mehrzahl unserer Fglle ffihrt also die Diabetesspur durch zwei und drei Generationen. Offensichtlich handelt es sich um ein dominanges, durchschlagskrgftiges und expressives diabegi- sches Hauptgen.

3. Auswer tung

Was aus all diesen Ermig t lungen 1/~$t sich f/ir eine erbl iche Ver- an lagung der diabegischen Re t inopa th i e (Angiopathie) ins Treffen ffihren ? Dazu bedarf es zun~chsg des folgenden I I inweises : Durch die Forschung erscheint erwiesen, daf3 p rak t i sch j edem Diabetesfa l l eine erbliche Anlage zugrunde liegg, und zwar in F o r m eines mu t i e r t en spezifischen Hauptgens (ob d a m i t prim/~r die zentra le Regu la t ion des Kohlenhydra t s to f fwechse l s oder egwa jene des gesamten endokr inen Sys tems betroffen ist, b le ib t hier unerheblich) . Aber n icht nur der Diabe tes an sich ungerl iegt erbl ichen Einfli issen, sondern im speziellen die Manifesgierung, dann Ablauf und Schwere des Leidens (wobei die , ,Schwere" durch Genet iker oder K l in ike r bisher weder begriffl ich auf- gelSst noeh def inier t erscheint). Aueh daft ir l iegen h inre iehend Beweise vor (UMB~, L~MSER, G~TItEi~) . SchlieBlieh wird yon n i emandem die Mi twi rkung per i s ta t i seher (umwelg l i ehe r )Fak to ren an der Ausbi ldung des Ph/~notypus (Diabetes mell i tus) bes t r i t ten . Alle diese Ta t sachen haben selbstverst/~ndlich auch fiir unsere, hier n/~her behande l t en Diabetesf/~lle volle Geltung. Das mag unserer Sache ein gutes Beginnen geben, erschwerg aber ungemein die Auswer tung der Erscheinungen. Vieles, was vorzubr ingen ist, kann ebensogut im al lgemeinen erbl ichen Baup lan zur Zucke rk rankhe i t liegen, ob nun eine Ret inopaghie (Anglo- paghie) in Erscheinung t r i t t oder nichg. Aber noch ganz andere Sehwie- r igkei ten ergeben sich auf dieser Linie, um nur anzudeu ten : Gesehwister sind sich erblieh so /~hnlieh wie unghnlich, zur W a h r u n g der , , Indivi- dual i t / i t " als t ragendes Pr inz ip im Menschsein.

U n d nun unsere E r m i t t l u n g e n selbst : Das Mani fes ta t ionsa l te r (Diabetesbeginn) 1auger in den meis ten F~tllen ftir die Gesehwisger gleich

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oder ann~hernd gleieh, versehieden aber zwisehen den Geschwister- sehaften. Damit erscheint der ,Famil ientypus" gesichert; er kann zu- gunsten heredit~rer Wirkungen in die Waagschale geworfen werden. Eine solehe Feststellung ist schon frfiher gemaeht worden, zuletzt und eindringliehst yon 0. G~THE~ (1961) auf Grund seines umfangreiehen Geschwistermaterials. Mag sein, dab unsere Ermittlung durchaus auf dieser Generallinie liegt, ohne Eigenart ffir die Angiopathie. Aber setzen wir fort: Die Diabetesdauer bei l%etinopathiebeginn - - hier sind wir schon in Neuland - - erweist sich in der Mehrzahl der F/~l]e als nicht oder nur wenig differierend zwisehen den Gesehwistern, jedoeh unter- sehiedlich bei den Gesehwisterschaften. Aueh hier also ist ein ,,Familien- typus" unverkennbar. Dabei ist zu beachten, daft sieh der l%etino- pathiebeginn welt schwieriger fixieren l~t[~t als die Diabetesmanifesta- tion. Um nun auf die l%etinopathie zu kommen: Ein]ache Retinitis (die als solehe dutch langjs Beobachtung erwiesen sein muff) und sog. Retinitis proli]erans (yon sehleehter Prognose) linden sieh gerade zur H~lfte in unserem Material. Dies wirkt sofort iiberraschend, denn ira allgemeinen l%etinopathiegut fibersteigt die Retinitis proliferans kaum 5%. Zweifellos liegt hier ein ungew6hnlich gehs Auftreten vor! Die n~heren Naehforschungen ergeben, daft dort wo zwei Gesehwi- ster befallen sind, die Retinitis proliferans gleiehartig abl/~uft, ob nun noeh relativ gut oder absolut sehlecht, w/~hrend dort, wo sie in Einzahl auftritt, die ,einfaehe Retinitis" des Partners unausgesetzt Progredienz und sehwere Auspr~gung zeigt. Die ein]ache Retinitis in der anderen H~lfte unserer Gesehwistersehaften verl~uft in ihrer Art bei den Ge- schwistern ziemlieh gleiehartig. Somit unterliegt die Retinopathieform unverkennbar einem ,,Familientypus"! Wenn wir nun noch die iibrigen, begleitenden Angiopathieformen, Nephropathie, t typertonie, Coronar- sklerose und periphere Sklerose (Gangr~n) heranziehen, so ]assen sieh diese nicht mit jener Subtilit~t erfassen, wie die viel besser zu beobaeh- tende und zu klassifizierende Retinopathie. Zufolge ihrer Organ- besonderheit gehen sie vielfaeh eigene Wege, doeh leuchtet aueh hier die famili~re Eigenart immer wieder iiberrasehend dureh. Alle anderen Beobachtungen erseheinen ffir eine Auswertung in diesem Sinne nieht geeignet. Dal~ exogene Faktoren besonders wirksam gewesen ws daffir lie~ sieh nieht der geringste Anhaltspunkt gewinnen.

Demnaeh haben wir Grund zur Annahme, dab die beobachtete diabetische Retinopathie - - wie wohl aueh die fibrigen Angiopathie- formen - - erblieh determiniert ist. Da erfahrungsgem~l~ bei weitem nieht alle Diabetiker je zu einer Retinopathie (Angiopathie) gelangen, kann die Anlage nieht im diabe~ischen Hauptgen selbst gesueht werden; sie mug in einem der Nebengene lokalisiert sein. Der zugeh6rige ,,Ph~no- typus" w~re die spezi]ische Ge]ii[3konstitution als Grundlage der Anglo-

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pa th ieen twick lung . Das gehgufte Auf t r e t en des Diabetes mel l i tus in unseren Fami l i en spr icht ffir s t a rke Durchsch lagskra f t n ieh t nu r des d iabe t i schen t t aup tgens , sondern auch der s ta ts mi t ag ie renden Neben- gene. Bei al ler Vermeidung yon Vera l lgemeinerung sind doeh Ansbl ieke fiir die Gesamtbeur t e i lung der d iabe t i schen t~et inopathie gewonnen.

Zusammenfassung :~tiologie und Pa thogenese der d iabe t i schen Re t i nopa th i e (und

Angiopa~hie i ibe rhaup t ) s ind noeh wel t davon entfernt , aufgekli~rt zu sein. Aus Beobach tung der Re t inopa th i e und a l lgemeinen Diabetes- s i tua t ion in zehn Geschwis terschaf ten wird auf erbl iche D e t e rmina t i on geschlossen. Der ganzen Sachlage nach k a n n diese E rban lage n ich t im d iabe t i schen Hauptgen selbst gesucht werden; sic mul~ in einem der Nebengene ]okal is ier t sein. Neue Ausbl icke erscheinen gewonnen.

Li te ra tur

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Dozen~ Dr. F~ANz FISCHER, Wien I, 0pernring I7 (0sterreieh)


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