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SENSORDATEN IN ECHTZEIT SYNCHRON LESEN, VERARBEITEN UND AUSGEBENDie Schnittstelle zwischen Sensor und Steuergerät befindet sich im Wandel. Als kostengünstige Alternative

zu analogen Schnittstellen hat sich SENT (Single Edge Nibble Transmission) für digitale Datenübertragung

im Fahrzeug etabliert. Jäger Messtechnik beschreibt, wie SENT in der Entwicklung und der Produktion

mit dem Echtzeit-System ADwin getestet werden kann. Für den Erfolg von Schnittstellen ist die Verfügbarkeit

leicht handhabbarer Prüfmittel zur Verifikation wesentlich. Die neuen Applikationen mit SENT etablieren sich.

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Sensoren

SENSOR, STEUERGERÄT-KOMMUNIKATION UND TESTUMGEBUNG

Die fortschreitende Entwicklung im Fahrzeug und damit einhergehend die Digitalisierung der Fahrzeugkomponen-ten sowie das Nebeneinander von virtu-eller und realer Welt beim Testen führen zu einem stetigen Wandel der Schnitt-stelle zwischen Sensor und Steuergerät. Präzise Signalauflösung, geringe Störan-fälligkeit, mehr Information bei niedri-gen Systemkosten sind Anforderungen an Sensoren. Neue Möglichkeiten führen

oft zu einer gewissen Komplexität in der digitalen Schnittstelle. SENT gelingt hier ein guter Kompromiss.

Für den Erfolg einer neuen Schnitt-stelle im Fahrzeug sind die Entwick-lungswerkzeuge für eine schnelle Imple-mentierung wichtig. Von der Konzeption bis zur Produktionsüberwachung müs-sen präzise zeitliche Zusammenhänge gestaltet werden. Echtzeitsysteme wie das ADwin-System der Firma Jäger Com-putergesteuerte Messtechnik GmbH bil-den hierfür die passende Plattform.

Neben dem Lesen der Protokolldaten eines Sensors ist schnell auch das Erstel-len von Fehlerszenarien für gestörte Umgebungsbedingungen relevant. Dau-erlaufprüfstände stellen die Synchronität zu Winkelgebern, analogen Messwerten und PWM-Signalen (PWM: Pulsweiten-modulation) sicher.

Steuergeräte brauchen oft komplexere Testumgebungen. Messen, Simulieren und Manipulieren sind notwendig, um das Zusammenspiel im Fahrzeug sicher-zustellen. Leichter wird es, wenn all diese Anforderungen flexibel in Software realisiert werden können, aber natürlich in Echtzeit. Auf einem Echtzeitsystem wie ADwin lässt sich bei der Integration Zeit sparen.

GRUNDLAGEN

Bei SENT ist die Zeitmessung die Grund-lage der Übertragung. Sie verschiebt die A/D-Wandlung vom Steuergerät in den digitalen Sensor. Zusatzinformationen wie Zeit, Temperatur, Redundanz oder

Fehlerüberwachung können jetzt mit erfasst und übertragen werden. SENT ist schneller als LIN und bietet mehr Infor-mationsgehalt als PWM. Es ist weniger aufwendig als CAN, kann aber nicht mit mehreren Teilnehmern reden. Durch die Geschwindigkeit der Übertragung kön-nen dynamische Messwerte übertragen werden. Bauteile wie Winkelsensoren in Pedalen, Lenkung oder Klappensteue-rungen, die auf eine sichere und dynami-sche Rückmeldung angewiesen sind, gewinnen damit an Funktionalität.

SENT

Die SENT-Schnittstelle ist nach SAE J2716 spezifiziert. Im Prinzip ist sie eine Weiterentwicklung der PWM-Übertra-gung. Mit einer einfachen 3-Draht-Ver-bindung (VS, Signal, GND) können uni-direktionale Daten genau und robust übermittelt werden. Zur Übertragung wird ein Pulspaket von bis zu zehn Pul-sen gesendet, bezeichnet als Telegramm, ➊. Jeder Puls überträgt 4 bit (1 Nibble) an Information; die Zeit zwischen zwei fallenden Flanken (Single Edge) – gemesssen in Basistakten – bestimmt den übertragenen bit-Wert. Typische Basistakte liegen bei 3 oder 6 µs. Zum Erreichen besserer EMV-Verträglichkeit ist die Signalsteilheit asymmetrisch begrenzt. So kann die für die Daten-übertragung nicht benötigte steigende Flanke langsamer ausgelegt werden.

Ein SENT-Telegramm beginnt mit einem Sync/Calibration-Puls mit einer Breite von 56 Basistakten. Dieser Puls

AUTOREN

DIPL.-ING. (FH) ANDREAS PAUList Projektingenieur bei Jäger

Computergesteuerte Messtechnik GmbH in Lorsch.

DIPL.-ING. (FH) VOLKER HERMANNist Vertriebs-Manager bei der

Jäger Computergesteuerte Messtechnik GmbH in Lorsch.

➊ Aufbau des SENT-Telegramms

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Sensoren

justiert die Uhr im Empfänger für das folgende, zu empfangende Pulspaket. Varianzen der Zeitbasis werden ausgegli-chen. Nun folgt ein Statuspuls zur Über-tragung der beiden Status-bits und Teilen der sogenannten Serial Messages. Voll-ständige Serial Messages werden bit-weise aus Informationen von aufeinan-derfolgenden SENT-Telegrammen zusammengesetzt, haben also eine sehr niedrige Datenrate. Daher auch der Name „Slow Channel“.

Es folgen sechs Datenpulse, die übli-cherweise in zwei 12 bit breite „Fast Channels“ aufgeteilt werden. Den Abschluss der Übertragung bildet ein Prüfsummenpuls, das „Checksum Nibble“. Da die Dauer eines Telegramms vom Signalinhalt abhängt, kann mithilfe eines auffüllenden Pausenpulses optio-nal die Zeitdauer der Übertragung ausge-glichen werden. Die Gesamtpaketlänge ergibt sich zu 154 bis 300 Basistakten, das ermöglicht maximale Datenraten im Bereich 1 bis 2 kHz.

Die Sicherheit der Übertragung ist gegenüber analogen oder pulsweitenmo-dulierten Signalen deutlich verbessert. Die Zeitbasis wird mit jedem Telegramm neu abgeglichen, dadurch bleiben Sender und Empfänger synchron. Die Konsis-tenz der Daten ist über Prüfsummen gesichert, separat für schnelle und lang-same Kanäle. Neben den beiden Fast Channels können durch den Slow Chan-nel Statusdaten vom Sensor übertragen werden, dem Steuergerät stehen somit zusätzliche Informationen zur Verfü-gung. All dies muss getestet werden.

VON ZEIT ZU ECHTZEIT

Mit einem Echtzeitrechner kann man auch Messwerte erfassen, aber in der Regel ist das zu wenig. Grenzwerte online überwachen, Reagieren auf Mess-werte als komplexe Sicherheitsüberwa-chung oder Umrechnen in eine andere Signalform sind die nächsten einfachen Schritte. Kommen ein oder mehrere Reg-ler oder eine dynamische Kennliniener-mittlung dazu, entsteht eine interessante Prüfstandsaufgabe.

Eine Prozessverwaltung koordiniert hochpriore Aufgaben, die nicht unter-brochen werden, niederpriore Prozesse und den Kommunikationsprozess mit einem Prüfstandsrechner, um entspre-chende Bedienerschnittstellen zu er-möglichen.

Das ADwin-Pro-System der Firma Jäger Messtechnik GmbH ist ein solches Echtzeitsystem, das auf schnelle Reakti-onszeiten optimiert. Taskwechselzeiten von nur 300 ns erlauben einfache, prag-matische Lösungsansätze bei der Pro-grammierung von technischen Lösun-gen. Mit ADbasic steht eine integrierte Programmierumgebung zur Verfügung, die Prozessverwaltung, Parameterver-waltung und Kommunikationsschnitt-stellen zur Verfügung stellt. Die Syntax ist an Basic angelehnt und ermöglicht, die Information aus unterschiedlichen Modulen hochauflösend und zeitgenau miteinander zu verknüpfen. Die Pro-gramme laufen auf dem Echtzeitsystem vollkommen unabhängig vom PC, zur Kommunikation stehen alle gängigen Oberflächen zur Verfügung, ➋.

Als Alternative zur Programmierum-gebung ADbasic steht dem Anwender ADsim zur Verfügung. Mit ADsim kön-nen Simulink-Modelle auf ADwin-Syste-men ablaufen. Mit nur wenigen Klicks werden die Ein- und Ausgänge des ADwin-Systems als Blöcke in das Modell integriert. Der erzeugte C-Code läuft wie bei ADbasic autark auf dem Echtzeitsys-tem und verfügt über die gleichen Kommunikationsmöglichkeiten.

Die Verarbeitung von Teilaufgaben ist direkt auf TiCo-Prozessoren der I/O-Module möglich. Es handelt sich um einen im FPGA realisierten Prozessor mit Reaktionszeiten von 20 ns. Dieser kann in Sekunden per Software neu program-

miert werden, ohne dass ein zeitaufwen-diges Routing des FPGA erforderlich ist. Somit können übliche Hardwareproto-kolle in Software realisiert werden. Der Ansatz führt zu einer hohen Flexibilität in der Signalverarbeitung und ermöglicht eine schnelle Anpassung der Prüfauf-gabe. Die Manipulation der SENT-Proto-kolle wird komplett auf dem I/O-Modul in Software realisiert und ist somit auch einfach änderbar.

SENSORDATEN LESEN UND ZEITSYNCHRON BEWERTEN

SENT-Sensoren mit redundanten Signal-wegen werden in sicherheitsrelevanten Anwendungen eingesetzt. Dauerlauf-prüfstände müssen mehrere Prüflinge synchronisieren und gleichzeitig Ana-log-, PWM-, CAN- oder Winkelsignale überwachen. Langzeittests überwachen kontinuierlich Toleranzgrenzen, wäh-rend Umweltparameter wie Temperatur, Vibration, Feuchte veränderlich sind. Zum Abgleich der Sensorchips muss über den gesamten Signalbereich sicher-gestellt werden, dass Ausgänge identi-sche Messwerte liefern. Bei diesen dyna-mischen Messaufgaben ist die Bedeutung des synchronen Verarbeitens von Mess-werten wichtig. Zeitversatz beim Erfas-sen verkoppelter Größen schlägt sich direkt als Messfehler nieder.

Das Überprüfen des SENT-Protokolls ist aus den gemessenen Zeitinformatio-nen gut möglich. Die Sensoren werden

➋ Zugriff auf ADwin aus allen gängigen Oberflächen

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mit einer Auflösung von 10 ns abgetas-tet. Direkt im Modul werden aus dem zeitlichen Verlauf Abweichungen analy-siert. Damit können fehlende oder über-zählige Pulse, Fehler der Nibble-Werte, absolute und relative Clock-Fehler, Sync-Fehler und weitere Fehlertypen abgeleitet werden. Ebenso werden die rohen Timing-Informationen abgespei-chert und können mit dem SENT-Tele-gramm weiterverarbeitet werden.

SENT-Daten lesen und interpretieren ist eine Standardaufgabe, die Bestand-teil fast jeder Prüfung ist. Die Fast Channels werden gelesen und die CRC-Prüfsumme validiert. Die im Slow Channel übertragenen Daten, ID und Databyte, stehen direkt nach dem letz-ten zugehörigen SENT-Telegramm zur Verfügung. Diese werden nach ID sor-tiert in einem Datenfeld abgelegt, um alle übertragenen Botschaften direkt lesen zu können. Die logische Weiter-verarbeitung der empfangenen Werte in Echtzeit und Plausibilitätsprüfungen sind individuell anpassbar.

Die automatische Erkennung eines Sensortyps als Komfortfunktion erlaubt ein einfaches Anstecken eines Sensors ohne vorausgehende Konfiguration. Dabei werden mit Basistakt und Pulszahl die relevanten Kenndaten ermittelt. Wei-terhin können bei Subtypen wie Single-Secure Sensoren Sicherheitsmerkmale – Rolling Counter und Inverted Nibble – geprüft werden.

SENSORSIGNALE IN ECHTZEIT MODIFIZIEREN

Zur Verifikation von Steuergeräten ist es oftmals erforderlich, Sensordaten synthe-tisch zu erzeugen. Manchmal sind keine

Sensoren vorhanden, manchmal lässt sich der Signalverlauf real nur aufwendig realisieren, gerade wenn ideale Signal-verläufe wie Sprünge gefragt sind. Manchmal liefert ein realer Sensor den Ausgangswert für eine Steuergeräte-größe, die als SENT-Signal generiert wer-den muss. In ADbasic sind das oft nur wenige Befehle in einer Hochsprache mit Floatingpoint-Mathematik, um solche Anforderungen individuell zu gestalten, ➌. Trotzdem erhält man sich die zeitli-che Kontrolle über seine Anwendung. Auch zeitliche Zusammenhänge inner-halb einer vorgegebenen Zykluszeit las-sen sich kontrollieren.

Um die Reaktion des Steuergeräts auf Protokollfehler zu prüfen, können diese gezielt in das Signal eingebaut werden. Hierzu muss das Prüfmittel einmal die Rolle eines Empfängers und einmal die eines Senders einnehmen. Die Manipula-tion der Protokolldaten erfolgt auf dem SENT-Modul. Zwar ist auch dieses Pro-gramm in Hochsprache realisiert und leicht änderbar, allerdings sind die Anforderungen meist kundengetrieben und kaum in eine allgemeingültige Fas-sung zu bringen. Die Manipulation des Signalverlaufs zwischen gelesenen Mess-werten und den veränderten Ausgabe-werten wird in der Regel in ADbasic oder in Simulink auf der Echtzeit-CPU statt finden.

Anwendungen für manipulierte Sen-sordaten sind Abnahmetests für Steuer-geräte-Software. Hier müssen Fehler in Komponenten nachgestellt werden, da für die Freigabe der Steuergeräte-Software diese Fehlererkennung nachgewiesen werden muss. Vom Prüfmittel gelesene Sensordaten werden in Echtzeit verän-dert, um Reaktionen des Steuergeräts auf

wahrscheinliche Defekte, beispielsweise klemmende oder schwergängige Mecha-nik aufzuzeigen.

Mithilfe des ADwin-Systems werden SENT-Daten synchron mit Werten weite-rer Eingabemodule gelesen und verarbei-tet. Die in Software programmierte Ver-arbeitungslogik ermöglicht dabei eine flexible Anpassung an die Aufgabenstel-lung. Für SENT stehen Ein- und Ausga-bemodule zur Verfügung. Protokoll-schnittstellen wie CAN, LIN, Flexray oder auch parallele Analogsignale und digitale Schnittstellen sind im ADwin-System integrierbar. Die Geschwindigkeit und die einfache Syntax bei ADwin ist für den Entwicklungsingenieur ein guter Kompromiss, um eigene Lösungen zu gestalten. Das ist die Alternative zu ferti-gen Messgeräten mit fest definierten Testmethoden oder Hardwareentwick-lungen für eigene Testfälle.

FAZIT

SENT und ADwin liefern klar nachvoll-ziehbare Ergebnisse. Weiterentwicklun-gen der SENT-Spezifikation oder herstel-lerspezifische Varianten machen derart flexible Messmittel notwendig. ADwin-Echtzeitsysteme bieten die notwendige Entwicklungsstruktur, aber auch die not-wendigen Leistungsreserven, um flexibel auf Anforderungen zu reagieren.

Anwendungen für SENT gibt es sicher noch viele. Die Vorteile der Schnittstelle werden manch analoger oder PWM-Lösung überlegen sein. Somit werden sich Applikationen mit der SENT-Schnitt-stelle weiter etablieren.

LITERATURHINWEISE[1] SENT Specification SAE J2716, http://papers.sae.org/2011-01-1034/[2] Digitaler Fortschritt: Neue Sensorgeneration ersetzt analoge Technik : http://www.hella-press.de/search_detail.php?text_id=750&archiv=1&language=d&newdir=ger[3] SENT – das neue Sensorprotokoll: http://www.hanserautomotive.de/fileadmin/heftarchiv/2004/ 28135.pdf[4] Hardware-Dokumentation ADwin-Pro II: http://www.adwin.de/de/produkte/proII.html

➌ Sensor-Kommunikation mit ADwin-Modul

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31 03I2014 9. Jahrgang


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