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  • 33Dienstag, 17. September 2019

    Im Bild

    Im Urwald läuft jeder in seinemeigenenTempo. «Dawai, dawai»,nimms ruhig, so sagen die Penanaus Borneo. TomasWüthrich isttrotzdem immerwieder an seinekörperlichenGrenzen gestossen.2014 kam der Fotograf erstmalsauf die Insel im Pazifik. Und eswar nicht das letzte Mal. SechsMonate verbrachte ermit der Pe-nan-Gruppe umHäuptling PengMegut am Meli’it-Fluss.

    Nur nochwenige Penan lebenso wie sie, als Teilnomaden imRegenwald von Sarawak. Nichtmehr viele wissen, wie man mitdemBlasrohrEichhörnchen jagt,wieman dasMehl der Sago-Pal-

    me gewinnt, und wie man dieRufevon Fasan,Rhinozerosvogel,Makake undHose-Langurvonei-nanderunterscheidet.Heute sindnur noch zehn Prozent des ur-sprünglichen Walds intakt.Manchmal findet Peng rote Kreu-ze an Baumstämmen. Die Bull-dozer rücken immerweiter vor.

    Die klassischen Abholz-Schauerbilder aber findet manbei Wüthrich nur selten. «Ichhabe den Eindruck, dass solcheBilder die Menschen gar nichtmehrwirklich berühren», sagt er,«ich wollte tiefer in den Regen-wald eindringen, das Leben derMenschen zeigen.» DieModerne

    dringt auch so durch: einT-Shirtmit Superman-Aufdruck, Han-dys, Plastikplanen, Zeitungen.

    Gegen dieAbholzung auf Bor-neo kämpfte auch der SchweizerUmweltaktivist Bruno Manser.Seit dem Jahr 2000 gilt er als ver-schollen. Peng besitzt noch einenBrief von ihm, in dem ManserdenMinister von Sarawak bittet,den Holzfällern die Lizenzen zuentziehen. Bald wird die Feuch-tigkeit des Regenwalds dasPapier aufgelöst haben.

    Wüthrich zeigt die Penan ausder Perspektive eines teilneh-menden Beobachters, er über-höht sie nicht zu Menschen, die

    wissen, wie das vermeintlich«richtige Leben» geht. Auch dieGruppe um Peng verkauft Teilevon geschützten Tieren. Dennauch sie braucht Geld, für Medi-zin, Munition. Doch das ganzgrosse Geld, das dem Häuptlingimmer wieder von Holzfällerfir-men angebotenwird, hat er stetsabgelehnt. Seine Begründungwar immer dieselbe: «Der Waldist unserSupermarkt.Meine Füs-se sindmeine Autos. Sie bringenmich auf jeden Berg und durchjeden Fluss.» Und er weiss: DasGeld würde schnell weg sein.

    Tomas Wüthrich wollte dieBilder dieses Stammes nicht

    «zwischen zwei Deckeln vergra-ben»: Sein Bildband «DoomedParadise» besteht aus feuchtig-keitsbeständigemKalkpapierundist nicht verleimt.Damit derFoto-graf seine Arbeiten in den Waldzurückbringen kann.

    Und damit die Feuchtigkeitdieses Zeugnis der letzten Penan-Nomaden nicht nach und nachauflöst, sowie denBriefMansers.

    Xymna Engel

    Weitere Bilder im Fotoblog:lichtbild.tagesanzeiger.chAusstellung «Doomed Paradise»im Kornhausforum Bern bis 12.10.

    Moderne Nomadenim Regenwald

    Reportage Die gängigenSchockbilder abgeholzterBäume findet man beiTomasWüthrich kaum.Dafür Bilder vonMenschen,denen derWald die Weltbedeutet.


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