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THE OLIVER WYMAN

RETAIL JOURNALAUSGABE 5

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THE OLIVER WYMAN

RETAIL JOURNAL AUSGABE 5

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Editorial

Nichts im Handel ist so beständig wie der Wandel. Schon immer setzten sich im wett- bewerbsintensiven Geschäft mit Endverbrauchern diejenigen Unternehmen durch, denen die Anpassung an Veränderungen am besten gelang. Daran hat sich auch 2017 nichts geändert. Was sich jedoch massiv geändert hat, ist die Geschwindigkeit und das Ausmaß des Wandels. Angesichts der disruptiven Kraft heutiger Veränderungen können sich Unternehmen nicht mehr über Jahre hinweg Schritt für Schritt anpassen. Wir befinden uns in einem tief greifenden, wenn auch manchmal nur schwer erkennbaren Wandel in atemberaubend kurzer Zeit.

Das neue Umfeld bringt Chancen und Risiken für nahezu alle Aspekte des Geschäfts mit sich – und das wesentlich schneller als bei früheren Umbrüchen. Eine beschleunigte Anpassungsfähigkeit wird daher zur Überlebensfrage. Doch es geht nicht unbedingt nur darum zu überleben. Vielmehr können Einzelhändler deutlich prosperieren, wenn sie die neuen Spielregeln annehmen, gezielt investieren und von Anfang an die neuen Standards mitprägen. Die vorliegende fünfte Ausgabe unseres Retail Journals erklärt, wie das gelingen kann.

Viele Veränderungen basieren auf neuen Technologien. Damit beschäftigt sich die Rubrik „Strategien“. Einzelhändler sammeln bereits große Mengen von Daten über das Verhalten ihrer Kunden und nutzen immer häufiger moderne Analysemethoden, um aus diesen Infor-mationen Wissen zu generieren und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Einzelhändler sollten und können damit zunehmend zu Anbietern personalisierter Onlinelieferservices werden. Näheres dazu findet sich im Artikel „Die nächste Revolution im Handel“.

Moderne Technologien werden auch die Ansprache von Kunden verändern und erleichtern. Hier sei auch auf die Revolution rund um den Bezahlvorgang verwiesen. Neue Zahlungs- optionen und die Nutzung von Smartphones werden die Interaktion mit dem Kunden nachhaltig verändern, bekannte Prozessabläufe aufbrechen und neue Geschäftsmodelle befeuern.

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Sirko Siemssen

Co-European & DACH

Retail Practice Leader

[email protected]

+49 89 939 49 574

Ein weniger offensichtlicher, aber eventuell sehr wichtiger Wettbewerbsvorteil kann sich für Lebensmittelhändler und Nahrungsmittelhersteller mit Blick auf das wachsende Misstrauen staatlicher Institutionen gegenüber zuckerhaltigen und generell verarbeiteten Lebensmitteln ergeben. Alarmiert von den steigenden Kosten für die Behandlung ernährungsbedingter Krankheiten wie Diabetes prüfen Regulierungsbehörden staatliche Eingriffe, zumal sie Hersteller und Händler der „Komplizenschaft“ verdächtigen. Darauf sollte die Branche konstruktiv mit Innovationen reagieren. Der Artikel „Ran an den Speck“ beschreibt, wie sich Unternehmen wieder einen Vorsprung verschaffen können.

Ungeachtet der rasanten und tief greifenden Veränderungen kommen einige Themen im Handel und bei Konsumgüterherstellern nie aus der Mode. In der Rubrik „Transformation“ beschäftigt sich ein Artikel mit der Expansion in Schwellenländer, ein anderer mit Möglichkeiten für den Lebensmittelhandel, seine Abhängigkeit von Aktionen zu überwinden. In der Rubrik „Operational Excellence“ stellen wir unter anderem neue Ansätze vor, wie sich Kosten und Schwund reduzieren sowie die Zusammenarbeit mit Supply-Chain-Partnern verbessern lassen.

Schnelle und tief greifende Veränderungen sind das Thema der Stunde im Handel. Die Anbieter haben nur die Wahl, ob sie diesen Wandel vorantreiben oder selbst zu Getriebenen werden wollen. Wir würden uns freuen, wenn das vorliegende Retail Journal die Diskussion in Ihrem Unternehmen bereichert und neue Denkanstöße liefert.

Ihr

Sirko Siemssen

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TRANSFORMATION

Inhalt Ausgabe 5

STRATEGIEN

14 RAN AN DEN SPECKDie Rolle des Lebensmittelhandels beim Kampf gegen Übergewicht

22 SICHER, SCHNELL, DIREKTÜberweisungen werden ab 2018 den Alltag erobern

28 EXPANSION IN SCHWELLENLÄNDERVier Handlungsempfehlungen für Einzelhändler

26 WENN CHINESEN EINKAUFENChancen für Händler in Einkaufs- zentren und jenseits der Grenzen

8 DIE NÄCHSTE REVOLUTION IM HANDEL Seit jeher bestimmt der Warenfluss das Geschäft im Einzelhandel. Künftig wird der Datenfluss genauso wichtig sein

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OPERATIONAL EXCELLENCE

34 KAMPF DER FORMATE WIRD ENGERKundenzufriedenheit im deutschen Lebensmitteleinzelhandel

38 KEINE MACHT DEN AKTIONENIn sechs Schritten kann der Handel seine Abhängigkeit überwinden

46 DIGITALISIERUNG KOMMERZIELL NUTZENNeue Erlösquellen in der Konsumgüterindustrie

62 VERTRAUEN IST BESSERWer mit Lieferanten kooperiert,kann Millionen einsparen

72 STOPP DER VERSCHWENDUNGSo lassen sich Abfälle bei Frischwaren vermeiden

78 RETAIL LEADERSHIP CIRCLECEO-Event von Oliver Wyman

56 ZURÜCK AUF NULLWie sich die Kosten im Handel um 20 bis 40 Prozent reduzieren lassen

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Nach Jahrzehnten mit mehr oder minder dem gleichen Geschäftsmodell durchläuft der Einzelhandel derzeit einen radikalen Wandel. In einer Zeit erkennbarer Sättigung vieler Verbraucher mit physischen Gütern ermöglichen es heute digitale Technologien, dem Kunden einen besseren Zugang zu einer breiteren Palette von Produkten und Dienstleistungen zu eröffnen. Dieser Wandel macht Einzelhändler zu Informationsanbietern. Ihr Wettbewerbsvorteil muss nun auch auf der Erfassung, Analyse und Nutzung von Daten beruhen.

DIE NÄCHSTE REVOLUTION IM HANDELSEIT JEHER BESTIMMT DER WARENFLUSS DAS GESCHÄFT IM EINZELHANDEL. KÜNFTIG WIRD DER DATENFLUSS GENAUSO WICHTIG SEIN

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Der technologische und gesellschaftliche Wandel löst eine Revolution im Einzelhandel aus. Er erfasst die Lieferketten, den gesamten Betrieb und wirkt sich auch auf die Größe der einzelnen Anbieter aus. Ambitionierte Unternehmen sollten sich an die Spitze der Veränderungen setzen, ansonsten geraten sie gegenüber neuen Wettbewerbern mit disruptiven Geschäftsmodellen ins Hintertreffen. Noch weiß niemand, wo die Reise genau hingeht. Die nachfolgenden fünf Prognosen umreißen jedoch, wie die Zukunft im Handel aussehen könnte.

BEDÜRFNISSE BEFRIEDIGEN STATT PRODUKTE VERKAUFEN

In vielen Handelszweigen steht schon heute nicht mehr der Verkauf von Waren sondern die Befriedigung von Kundenbedürfnissen im Mittelpunkt. Wer früher CDs erwarb, abonniert nun Streaming-Dienste. Bislang hinkt der traditionelle Einzelhandel diesem Wandel hinterher. Lebensmitteleinzelhändler könnten nun beispielsweise die Aufholjagd mit personalisierten Onlineeinkaufszetteln und Empfehlungen starten und so die Nachfrage nach vegetarischer oder laktosefreier Ernährung oder einem niedrigen Anteil gesättigter Fette gezielt adressieren. Im Rahmen solcher Einkaufszettel ließen sich zudem Grenzwerte festlegen und so beispiels-weise der Anteil salziger und süßer Snacks auf fünf Prozent des Gesamtwertes eines Einkaufs beschränken. Auch die Terminkalender von Konsumenten könnten einfließen – bei Kurzreisen sinken dann automatisch die Mengen für den normalen Wocheneinkauf. Zu den ersten Beispielen für Lebensmittel-as-a-Service-Modelle zählen Kochboxen, in denen sich alle Zutaten für ein Gericht befinden. Den Anfang machten hier Start-ups und einzelne Handelskonzerne. Diese Händler könnten nun durch eine clevere Nutzung von Daten das Geschäftsmodell erweitern und im Rahmen von Lebensmittelabonnements Verbrauchern den Kauf der noch fehlenden Zutaten vorschlagen, um ein neues Rezept auszuprobieren – den bestehenden Inhalt des Vorratsschranks ihrer Abonnenten kennen sie ja. Noch weiter gedacht würden Kunden bei solchen Abomodellen nur noch grobe Vorgaben darüber machen, was sie gerne essen und wie hoch ihr Budget ist. Der Supermarkt entscheidet dann, was es wann in welcher Menge dazu braucht. In einem solchen Szenario erledigen Kunden ihre Einkäufe nicht mehr in einem Laden, sondern schließen Abos bei einem Anbieter ab, der Ernährungsbedürfnisse befriedigt. Nach demselben Prinzip ließen sich auch Bedürfnisse im Textilbereich erfüllen. Kunden würden hierbei festlegen, welche Farben, Größen und Pass-formen sie bevorzugen. Der Händler liefert ihnen dann eine Mischung aus Basics und modischer Saisonware – und bei besonderen Gelegenheiten verleiht er zusätzlich Designer-Outfits.

EINZELHÄNDLER WERDEN MEHR ÜBER VERBRAUCHER WISSEN ALS FACEBOOK

Um Bedürfnisse effektiv befriedigen zu können, müssen Einzelhändler ihre Kunden noch besser kennenlernen. Da Kassendaten viel über den Alltag von Menschen verraten, verfügen Händler schon heute über jede Menge Informationen. Anbieter mit einem breiten Leistungs- spektrum wissen darüber hinaus zum Teil schon über den Umgang mit Festnetz- und Mobil-

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DIE NÄCHSTE REVOLUTION IM HANDEL

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funkdiensten, Versorgern und Finanzdienstleistungen Bescheid. In einem entscheidenden Punkt haben Handelsunternehmen sogar aussagekräftigere Daten als selbst Facebook & Co: Einzelhändler wissen, was Konsumenten tatsächlich tun – und zudem wann und wo.

Je breiter das Leistungsspektrum wird, desto mehr Informationen werden vorliegen. In der Folge könnten Einzelhändler zum Beispiel Verbrauchern, die sich offenkundig gesund ernähren, passende Dienstleistungen oder Versicherungen empfehlen. Dank Lieferservices wissen die Unternehmen zudem, wann Kunden zu Hause sind. Es handelt sich hierbei um sehr persönliche Informationen und die Anbieter müssen sicherstellen, dass die Kunden nichts gegen den Zugriff auf ihre Daten einzuwenden haben. Nach Einschätzung von Oliver Wyman werden Verbraucher tendenziell zustimmen, wenn sie im Gegenzug etwas Sinnvolles erhalten. Viele Menschen dürften beispielsweise dankbar sein, wenn sie folgende Nachricht erhalten: „Sie haben kein Abendbrot in ihrem Kühlschrank. Da wir annehmen, dass sie wie üblich um halb neun nach Hause kommen, könnten wir Ihnen zu diesem Zeitpunkt etwas Passendes liefern. Ist das in Ihrem Sinne?“ Je größer der erkennbare Nutzen solcher Services ist, desto eher werden Kunden die nötigen Informationen preisgeben.

IN DEN ZENTRALEN WERDEN WENIGER, ABER BESSER AUSGEBILDETE MENSCHEN ARBEITEN Der Erfolg des neuen Geschäftsmodells hängt entscheidend von der Fähigkeit ab, riesige Datenmengen auszuwerten, Verbraucher zu verstehen und ihnen Lösungen anzubieten. Einzelhändler müssen ihr gesamtes Geschäft digitalisieren, damit Manager schnell entscheiden können und sich neue Produkte ohne Zeitverzug entwickeln lassen. Erst vor Kurzem schuf ein britischer Einzelhändler eine eigene Abteilung für die Analyse von Daten und die Digitalisierung mit dem Ziel, das Kerngeschäft zu hinterfragen und zu ändern: Die neue Abteilung bringt unternehmerischen Wind und neue Reibung in die Organisation. Bei der Arbeit und beim Selbstverständnis gleicht sie mehr einem Start-up als der klassischen Abteilung eines Konzerns.

Digitale Analysen und Ansätze werden mit ihren Algorithmen darüber hinaus zahlreiche traditionelle Aufgaben wie die Produktauswahl, das Pricing und Prognosen überflüssig machen. Nur in definierten Ausnahmefällen ist hier noch menschliches Eingreifen erforderlich. Routineaufgaben wie die Verarbeitung von Rechnungen werden sogar vollständig digitalisiert. Die Kosten in der Zentrale sinken entsprechend.

Zusammengenommen verändern diese Trends den Charakter der Zentrale von Grund auf. Sie wird stärker, da hier das Herz der Digitalisierung schlägt. Sie wird aber auch noch ab- hängiger von der Umsetzung in Supply Chain und an den physischen Schnittstellen zum Kunden. Zugleich steigt ihr Virtualisierungsgrad und die Zahl der Beschäftigten sinkt dem-entsprechend deutlich. Einige reine Onlineanbieter entsprechen bereits heute diesem Bild: Vergleichbare Umsatzdimensionen werden mit deutlich weniger Personal in der Zentrale realisiert. Die traditionellen Einzelhändler werden folgen. Zu einem späteren Zeitpunkt könnten Unternehmen sogar komplett auf eine Zentrale aus Beton und Glas verzichten und ihr Geschäft stattdessen mit agilen Teams an verschiedenen Standorten steuern.

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DIE NÄCHSTE REVOLUTION IM HANDEL

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LIEFERSERVICES WERDEN ALLGEGENWÄRTIG Auch die Bedeutung von Filialen nimmt ab. Ein Kernelement der neuen Geschäftsmodelle sind Lieferservices, die intelligente Transportlösungen nutzen. Angesichts des Fortschritts bei selbstfahrenden PKW ist der Tag nicht mehr fern, an dem ein unbemannter Lieferwagen einem Kunden eine WhatsApp-Nachricht schickt, dass er nun vor der Tür steht und man seine Einkäufe mit einem Passwort aus einer seiner Boxen abholen kann. Wenn der Kunde nicht zu Hause ist, fährt der Lieferwagen weiter zu nahegelegenen Adressen und kehrt später für einen neuen Zustellversuch zurück.

Da zahlreiche Einzelhändler Pakete zustellen müssen, könnten sich Lieferservices in Zukunft zu einer weiteren Versorgungsleistung wie Strom und Gas entwickeln und vom Staat mit dem Ziel reguliert werden, den Verkehr zu reduzieren. Die Effizienz würde steigen, wenn ein einziger Lieferant für alle Bestellungen an die Stelle der heutigen Lieferwagenflotten ver-schiedener Unternehmen treten würde. Und weniger Staus sowie weniger Abgase könnten es wert sein, den Wettbewerb einzuschränken.

IN ZEHN JAHREN GIBT ES NUR NOCH HALB SO VIELE LEBENSMITTELHÄNDLER Angesichts all dieser Veränderungen rücken grenzüberschreitende M&A-Aktivitäten wieder in den Fokus. Jüngster Beleg ist der Zusammenschluss der belgischen Delhaize und der nieder- ländischen Ahold. Ein offensichtlicher Treiber ist die höhere Effizienz in der Beschaffung. Doch auch Skalenvorteile bei der Entwicklung und Nutzung digitaler Technologien spielen eine Rolle. Apps und Analyse-Tools sind teuer und Amazon dominiert den Markt, da es Algorithmen nur einmal entwickeln muss und dann weltweit einsetzen kann.

Um weiter mit Aldi bei den Preisen, mit Amazon bei Apps und in der Folge mit Abodiensten und Lieferservices konkurrieren zu können, wird sich der Lebensmitteleinzelhandel durch eine ganze Reihe von Übernahmen von einem nationalen hin zu einem internationalen Geschäft weiterentwickeln. Viele der überlebenden Unternehmen werden in diesem Prozess zu internationalen Giganten, die Synergien in Einkauf, Back Office und Technologie auf regionaler oder sogar globaler Ebene heben.

Alternativ können etablierte Händler als flexible, lokale Anbieter überleben. Diese werden sich bestmöglich an die jeweiligen Gegebenheiten anpassen und Kunden mit genau den Eigen-schaften überzeugen, die den internationalen Giganten fehlen. Wer sich jetzt nicht genau überlegt, wo sein Platz in dieser neuen Welt ist, könnte zu keiner dieser beiden Gruppen gehören – und stattdessen von einem Wettbewerber geschluckt werden.

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STRATEGIEN

Beim World Economic Forum in Davos 2016 leitete Oliver Wyman ein Panel zum Thema „Zucker, Fettleibigkeit und Diabetes – die andere globale Nahrungs- mittelkrise“. Der Tenor der Diskussion: Ein positiver Beitrag aus dem Lebensmittel- einzelhandel und der Industrie könnte einen nachhaltigen Wandel bewirken. Nach Davos analysierte Oliver Wyman, wie Lebensmittelhändler tatsächlich messbare Veränderungen herbeiführen können – nicht nur, um beim Kampf gegen das Übergewicht von Verbrauchern einen Beitrag zu leisten, sondern auch um Kunden- loyalität zu steigern und die eigene Markenpositionierung zu stärken.

RAN AN DEN SPECK DIE ROLLE DES LEBENSMITTEL- HANDELS BEIM KAMPF GEGEN ÜBERGEWICHT

STRATEGIEN

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Fettleibigkeit und Übergewicht verursachen weltweit jährlich Kosten in Billionenhöhe. Sie erhöhen die Wahrscheinlichkeit lebensbedrohlicher Krankheiten wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Diabetes, Arthrose und einigen Krebsarten. In der Folge steigen die Zahl der Krankschreibungen und die Belastungen für das Gesundheitssystem. Ganz simpel gesprochen ließe sich die Adipositas-Epidemie beenden, wenn die Konsumenten das kleine Einmaleins gesunder Ernährung befolgen würden (vgl. Abbildung 1).

Zahlreiche Interessenvertreter haben bereits Initiativen zur Bekämpfung der Fettleibigkeit gestartet. Doch die meisten konzentrieren sich auf einzelne Elemente. Häufig dominiert beispielsweise der Zuckerverbrauch die Schlagzeilen – das ist ohne Frage ein wichtiger Faktor. Doch solche Initiativen verpassen die Gelegenheit, im gleichen Atemzug für gesunde Lebensweisen wie mehr Sport zu werben.

WAS SUPERMÄRKTE LEISTEN KÖNNEN

Viele große Supermarktketten könnten das Verhalten ihrer Kunden in einer Weise beein- flussen, die sowohl ihr Geschäft stärkt als auch die Gesundheit der Verbraucher fördert. Durch eine Reihe simpler Serviceleistungen, beispielsweise zur Kontrolle des Gewichts und der Gesundheit, könnten sie Verbraucher motivieren, gesünder zu essen und aktiver zu leben. Der Schlüssel hierfür liegt in der Verbindung von Informationen über veränderte Verhaltens- weisen mit messbaren Fitnessfortschritten.

Im Gegensatz zu vielen anderen Gesundheits- und Wellnessdienstleistern sind große Super- marktketten in der Lage, Menschen zu ermutigen, gesünder zu essen und aktiver zu leben, die entsprechenden Ergebnisse zu messen und diese Daten wiederum mit Einkaufsgewohnheiten und Aktivitäten zu verknüpfen. Mit solchen Services können Supermärkte ihren Kunden auf einfache Weise die Kontrolle des Gewichts und damit ihrer Gesundheit erleichtern, die Ver- braucher an ihre Filialen binden und so verhindern, dass sich Dritte zwischen sie und ihre Kunden drängen (vgl. dazu auch die Oliver Wyman-Studie „Die Zukunft der Kundenbindung“).

Abbildung 1: Das kleine Einmaleins, um Gewicht zu verlierenSimple Grundregeln für die Aufnahme von Kalorien

GESÜNDER ESSEN AKTIVER LEBEN GEWICHT VERLIEREN

Weniger Zucker

Weniger gesättigte Fette

Kleinere Portionen

Genügend Wasser trinken

Weniger Salz

Mehr Krafttraining

Mehr Ausdauertraining

Weniger Sitzen

Körper verbrennt Fettreserven, anstatt sie aufzubauen

Stärkere Muskeln verbrauchenmehr Energie im Ruhezustand

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STRATEGIEN

Abbildung 2: Ein Punktesystem für gesunde Einkäufe am Beispiel eines Warenkorbs

Zucker pro 100g 8,5g 6,5g 21g 17,2g 12g 10,6g

Kalorien pro 100g 59 82 103 366 47 42

Kalorien pro Portion 88 123 116 213 70 139

Gesundheitswert pro Portion +1 -1 +1 -2 +2 -1

Anzahl der Portionen 6 6 4 6 8 8

Gesundheitswert für den gesamten Warenkorb

+6 -6 +4 -12 +16 -8

FETTFREI REGULÄR

GESÜNDER ESSEN DANK BESSERER LEBENSMITTELAUSWAHL Etiketten auf Lebensmitteln sind selbst in Ländern mit Ampelsystemen schwer zu verstehen. Kunden müssen meist selbständig zwischen verschiedenen Nährstoffen abwägen und ent- scheiden, ob beispielsweise ein Produkt mit wenig Fett und viel Zucker besser ist als eines mit viel Fett und wenig Zucker. Sinnvoller wäre ein System, das für jedes Produkt einen Punktwert festlegt und ihn dann für den Warenkorb aufaddiert. Dieses System ist leichter verständlich als eine Ampel auf jedem Etikett und beschränkt sich auf zwei Zahlen: einen auf dem Nährwert basierenden Gesundheitswert zwischen -2 (ungesund) und +2 (gesund) sowie die Zahl der Portionen in einer Verpackung.

Ein solches Punktesystem hilft Kunden bei der Auswahl gesunder Lebensmittel, da es deutlich macht, welche Produkte besser für sie sind. An der Kasse werden die einzelnen Gesundheits- werte und Portionszahlen addiert. Daraus ergibt sich ein Gesamtwert für jeden Warenkorb (vgl. Abbildung 2). Dabei erleichtern die Produktpunkte dem Kunden die Auswahl von Lebensmitteln, die besser für ihn sind, und der Gesamtwert hilft ihnen einzuschätzen, wie gesund ihr Einkauf tatsächlich ist.

Den Rahmen für solche Gesundheitswerte müssten Regierungen oder die Weltgesundheits-organisation (WHO) setzen. Wenn sich diese Richtwerte über die Zeit verändern würden, könnte dies auch Lebensmittelhersteller ermutigen, ihre Rezepturen zu verändern und gesündere Produkte anzubieten.

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Untergewicht Normalgewicht Übergewicht Fettleibigkeit (Adipositas)

Tödliche Fettleibigkeit

WIE DEFINIERT MAN FETTLEIBIGKEIT?GRÖSSE VERSUS GEWICHT

195 cm

190 cm

180 cm

170 cm

160 cm

150 cm

140 cm

5040 60 70 80 90 100 110 120 130KG

WELTWEIT ZUNEHMENDE ADIPOSITAS-EPIDEMIEANTEIL DER FETTLEIBIGEN IN PROZENT UND IN MILLIONEN

16

12

8

4

01975 2014

34

71

266

375

WO DIE ÜBERFLÜSSIGEN KALORIEN HERSTAMMEN

27% Zucker und Süßigkeiten

Nicht-alkoholische Getränke

25%20%Kekse, Süßgebäck und Kuchen

11%Alkoholische Getränke

6%Milchprodukte

5%Salzige Snacks

6%Andere

ADIPOSITAS IN AUSGEWÄHLTEN LÄNDERNANTEIL DER FETTLEIBIGEN IN PROZENT UND IN MILLIONEN

22,0%6,1

33,3%78,0

29,2%5,2

3,8%30,0

4,4%46,0

24,1%28,0

25,8%13,0

20,6%10,0

24,3%16,0

20,0%10,0

20,1%1,5

27,2%8,9

Quellen: Diabetes UK, The Lancet, The National Health Service (GB), Institute for Health Metrics and Evaluation, Statistisches Bundesamt (Mikrozensus-Zusatzbefragung 2013)

1. 62% der Männer und 43% der Frauen sind übergewichtig2. 17% der Männer und 14% der Frauen sind stark übergewichtig

SITUATION IN DEUTSCHLANDEINER VON ZWEI ERWACHSENEN IN DEUTSCHLAND IST ÜBERGEWICHTIG1

STARK ÜBERGEWICHTIG (BMI>30) SIND IN DEUTSCHLAND 16 % DER ERWACHSENEN2

16%

FAKTEN ZUM ÜBERGEWICHTWIE DIE WELT KILO UM KILO ZULEGT

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Untergewicht Normalgewicht Übergewicht Fettleibigkeit (Adipositas)

Tödliche Fettleibigkeit

WIE DEFINIERT MAN FETTLEIBIGKEIT?GRÖSSE VERSUS GEWICHT

195 cm

190 cm

180 cm

170 cm

160 cm

150 cm

140 cm

5040 60 70 80 90 100 110 120 130KG

WELTWEIT ZUNEHMENDE ADIPOSITAS-EPIDEMIEANTEIL DER FETTLEIBIGEN IN PROZENT UND IN MILLIONEN

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12

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01975 2014

34

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266

375

WO DIE ÜBERFLÜSSIGEN KALORIEN HERSTAMMEN

27% Zucker und Süßigkeiten

Nicht-alkoholische Getränke

25%20%Kekse, Süßgebäck und Kuchen

11%Alkoholische Getränke

6%Milchprodukte

5%Salzige Snacks

6%Andere

ADIPOSITAS IN AUSGEWÄHLTEN LÄNDERNANTEIL DER FETTLEIBIGEN IN PROZENT UND IN MILLIONEN

22,0%6,1

33,3%78,0

29,2%5,2

3,8%30,0

4,4%46,0

24,1%28,0

25,8%13,0

20,6%10,0

24,3%16,0

20,0%10,0

20,1%1,5

27,2%8,9

Quellen: Diabetes UK, The Lancet, The National Health Service (GB), Institute for Health Metrics and Evaluation, Statistisches Bundesamt (Mikrozensus-Zusatzbefragung 2013)

1. 62% der Männer und 43% der Frauen sind übergewichtig2. 17% der Männer und 14% der Frauen sind stark übergewichtig

SITUATION IN DEUTSCHLANDEINER VON ZWEI ERWACHSENEN IN DEUTSCHLAND IST ÜBERGEWICHTIG1

STARK ÜBERGEWICHTIG (BMI>30) SIND IN DEUTSCHLAND 16 % DER ERWACHSENEN2

16%

STRATEGIEN

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KUNDEN ZU MEHR AKTIVITÄTEN ERMUNTERN Zwar können Lebensmitteleinzelhändler nicht direkt kontrollieren, wie aktiv ihre Kunden sind. Aber sie können sie motivieren, indem sie ihnen bei der systematischen Erfassung ihrer Aktivitäten helfen. Schon heute nutzen viele Verbraucher Fitnessarmbänder von Marken wie Jawbone oder Fitbit. Einzelhändler könnten entweder diese Daten mit Zustimmung der Kunden nutzen oder Kunden auffordern, per App, E-Mail oder Textnachricht über ihre Aktivitäten zu berichten – und sie regelmäßige daran erinnern. Wer noch kein solches Messinstrument besitzt, könnte auf eine Technologie des Einzelhändlers zugreifen, mit der die Daten automatisch hochgeladen werden. Das ist weniger kostspielig als auf den ersten Blick vermutet, denn viele Einzelhändler geben derzeit ohnehin Rabatte im Rahmen ihrer Loyalitätsprogramme, die zum Beispiel für Familien eine Höhe von rund 50 US-Dollar pro Jahr betragen kann. Die Bereitstellung von Fitnessmessgeräten könnte sich demgegenüber als effektiver erweisen.

Auch auf andere Weise könnten Einzelhändler Kunden zu mehr Aktivitäten ermutigen. Denkbar ist beispielsweise, auf nicht genutzten oder nicht produktiven Verkaufsflächen Fitnessstudios einzurichten und die Anwesenheit an Geräten und bei Kursen mithilfe einer Kundenkarte zu erfassen. Die dabei erhobenen Informationen könnten in das Punktesystem für den Waren- korb einfließen; denkbar wäre zum Beispiel für jeweils 10.000 Schritte ein Bonus von +2.

GESUNDHEITSWERTE MESSEN UND MIT EINKAUFS- GEWOHNHEITEN UND AKTIVITÄTEN VERKNÜPFEN Ein wichtiger Teil dieses Konzepts besteht darin, Kunden zu zeigen, wie ihre Aktivitäten und ihr Einkaufsverhalten ihre Gesundheit beeinflussen, und ihnen so zu helfen, besser und ausgewogener zu entscheiden. Dabei könnte jeder Einkauf die Gelegenheit bieten, wichtige Gesundheitsdaten wie Gewicht, Body-Maß-Index (BMI) und Blutdruck zu messen – und Kunden dabei eine Beratung sowie spezielle Services beispielsweise für Diabetiker anzubieten.

Darüber hinaus könnten Supermärkte neben Fitnessstudios auf nicht genutzten Flächen auch ambulante Praxen mit moderner Ausstattung wie intelligenten Waagen einrichten. Dort wäre binnen Minuten ein Check-up möglich, der Kunden einen weiteren Grund bietet, in den Laden zu kommen (vgl. Abbildung 3). Sie könnten dort auch individuelle Tipps auf

Abbildung 3: Wie US-Verbraucher auf Wellness-Angebote in Supermärkten reagierenKunden sind offen für ambulante Praxen in Supermärkten

MIR IST BEKANNT, DASS EINIGE FILIALEN ÜBER

PRAXEN VERFÜGEN

70%

ICH HABE EINE SOLCHE EINRICHTUNG

SCHON GENUTZT

25%

ICH FAND SIE BESSER ALS EINE

HERKÖMMLICHE PRAXIS

80%

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STRATEGIEN

Basis ihrer Einkaufs- und Sportgewohnheiten erhalten. Und da alle Daten in einer einfach handhabbaren App oder Internetplattform erfasst sind, können die Kunden zudem auf einen Blick ihre jüngsten Einkäufe und Aktivitäten mit ihren Check-up-Ergebnissen in Verbindung bringen.

Schon heute sammeln Lebensmittelhändler enorme Datenmengen und verfügen über umfassende Erfahrung beim Aufbau ausgefeilter Datenbanken und Schutz sensibler Daten. Deren Daten könnten, vor allem wenn es um Vorsorgethemen geht, auch in Modelle von Regierungen oder Gesundheitssystemen einfließen.

Die Nutzung der Informationen müsste nicht auf die individuelle Ebene beschränkt bleiben. Auch der Aufbau einer Community ist eine Option. Denkbar wäre beispielsweise, dass Freunde mit der gleichen Einkaufsstätte ihre Fortschritte vergleichen. Es entstünde ein Wettbewerb um höhere Gesundheitswerte. Communities würden die Attraktivität solcher Programme erhöhen und die Kundenbindung vertiefen. Als Ausgleich für die entstehenden Kosten wäre schließlich auch denkbar, dass Regierungen oder einzelne Anbieter Services erwerben – vorausgesetzt ihre Qualität ist gut und der Preis vernünftig.

FAZIT

Wenn sich Supermärkte neu als Gesundheits- und Wohlfühlmarken erfinden und die Kunden- bindung durch Gesundheitsprogramme vertiefen, können sie ein einzigartiges Angebot schaffen und dabei ihren Zugriff auf die wichtige Kundenschnittstelle festigen sowie in andere, angrenzende Kundenökosysteme ausdehnen. Unterstützen sie Verbraucher bei einer ge- sünderen Lebensweise, leisten sie zudem einen Beitrag zur Kostenreduzierung im Gesundheits- wesen (vgl. Abbildung 4). Ein solcher Ansatz nutzt allen Beteiligten und könnte letztlich den Taillenumfang der gesamten Bevölkerung positiv verändern.

Abbildung 4: Supermärkte können die Basis für eine gesündere Gesellschaft schaffen

SUPERMÄRKTE KONSUMENTENREGIERUNGEN UND ANBIETER IM GESUNDHEITSMARKT

• Höhere Kundenloyalität

• Bessere Markenpositionierung

• Größerer wirtschaftlicher Nutzen

− Eigenmarken für gesunde Produkte wahrscheinlich höhermargig1

− Billiger als Loyalitätsprogramme mit Rabatten

− Kunden kaufen mit höherer Wahrscheinlichkeit in einer einzigen Filiale

− Möglichkeit, Kunden mit gezielteren Angeboten und Coupons zu erreichen

• Ständige Ermunterung, eine bessere Auswahl beim Lebensmitteleinkauf zu treffen und daran festzuhalten

• Niedrigschwellige, hilfreiche Unterstützung in Gesundheitsfragen

• Bessere Lebensqualität

• Einfacher Zugang zu eigenen Daten

• Besserer Zugang zu Gesundheitsdienstleistern

• Möglichkeit, eine aussagekräftige nationale Datenbank aufzubauen

• Kostenersparnisse

• Auf lange Sicht ein gesellschaftlich besseres Bildungsniveau beim Thema Ernährung

1. Die Herstellung von Lebensmitteln mit weniger oder keinem Fett sowie weniger Zucker ist tendenziell kostengünstiger.

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SICHER, SCHNELL, DIREKT ÜBERWEISUNGEN WERDEN AB 2018 DEN ALLTAG EROBERN

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STRATEGIEN

Bislang kaum bemerkt von der Öffentlichkeit wird in Europa ab 2018 eine neue Regulierung greifen: das Update der EU-Richtlinie für den Zahlungsverkehr – oder kurz PSD2. Sie wird sich erheblich auf das Einzelhandelsgeschäft auswirken, da sie den Weg für Überweisungen als Zahlungsoption auch im Alltag ebnet. Nach Einschätzung von Oliver Wyman werden künftig 20 Prozent der Verbraucherausgaben direkt von Konto zu Konto und damit ohne Einsatz von Kredit- oder Girokarten bezahlt.

Dieses Mal könnte es funktionieren – die Etablierung von Über-weisungen als Zahlungsoption für Verbraucher auch im Alltag. Denn die neue EU-Richtlinie schreibt einen direkten, sicheren und schnelleren Zugriff auf Kontendaten vor. Banken müssen eine entsprechende Schnittstelle bereitstellen, mit der sich Kontendaten einsehen und Zahlungen initiieren lassen. Danach müssen sich Verbraucher nicht mehr länger auf verschiedenen Websites und Apps anmelden, um Kontostände zu überprüfen oder Einkäufe zu bezahlen. Dies beschleunigt und vereinfacht Transaktionen. Zudem werden alle Finanzinformationen an einem Ort verfügbar sein, selbst wenn eine Privatperson unterschiedliche Banken für seine Girokonten, Spargut- haben und Kredite nutzt. Überweisungen zwischen diesen Konten lassen sich schnell und einfach erledigen.

HÖCHSTE ZEIT FÜR DEN HANDEL SICH VORZUBEREITEN

Gemäß der PSD2-Richtlinie kann zugleich jede Anlaufstelle von Ver- brauchern mit entsprechender Technologie und damit auch der Einzelhandel zu einem sogenannten Zahlungsauslösedienst werden, einem Payment Initiation Service Provider (PISP), und künftig Über- weisungen initiieren. Im Wesentlichen bilden diese PISPs das neue Scharnier zwischen den Konten der Verbraucher und den konkreten Informationen bei Zahlungsvorgängen. Dies lockert die Beziehung der Verbraucher zu ihren Banken und erlaubt es PISPs und damit auch dem Einzelhandel, ihre Beziehung zum Kunden zu vertiefen.

Einzelhändler sollten Verbraucher daher ermutigen, die neue Zahlungs- option zu nutzen. Überweisungen sind für Händler schon aus wirt- schaftlichen Gründen von Vorteil, da damit Transaktionsgebühren für Kartenzahlungen entfallen. Wenn Unternehmen selbst eine Zahlung vom Konto des Kunden auslösen können, reduzieren sie auch die Schritte und die Gefahr von Fehlermeldungen während einer Transaktion. In der Folge verbessert sich das Kundenerlebnis. Aus strategischer Sicht noch wichtiger ist der damit mögliche Zugriff auf Daten eventuell auch über andere Einkäufe der Kunden, da auf dieser Basis gezielte Marketingaktionen möglich sind.

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Abbildung 1: Der Einsatz direkter Überweisungen hängt von der Art des Einkaufs und der genutzten Zahlungsform ab

GROSSE EINKÄUFE/BEKANNTE MARKEN KLEINE EINKÄUFE/UNBEKANNTE MARKEN

Hohe Transaktions-volumina

Niedrige Transaktions-volumina

Hohe Transaktions-volumina

Niedrige Transaktions-volumina

Beispiele: Online- undmobile Kanäle

Beispiel:

O�inekanäle am Point of Sale

Urlaubsbuchung bei einer führenden Website

Kauf eines PKW in einem großen Autohaus

Regelmäßige Zahlungen in einem App-Store oder bei einem Onlinehändler

Zahlung mit kontaktloser Karte bei einer Supermarktkette

Buchung einer Ferienwohnung

Kauf eines Luxusartikels in einer Boutique

Mobile Bezahlung in einem Kiosk

Zahlung einer Taxifahrt mit einer kontaktlosen Karte

Viele Möglichkeiten, von PSD2 zu profitieren

Chancen und Risiken von PSD2 gleichen sich aus

Geringste Wahrscheinlichkeit, von PSD2 zu profitieren

Bei größeren Einkaufsummen könnten Einzelhändler Kunden mit einem einmaligen Rabatt motivieren, auf den Karteneinsatz zu verzichten. Dieser Nachlass finanziert sich aus den Ersparnissen bei den sonst fälligen Gebühren. Ansonsten könnte die neue Zahlungsoption schlicht nur diejenige sein, die am einfachsten und schnellsten funktioniert. Abbildung 1 zeigt, bei welchen Einkäufen und in welchen Kanälen direkte Überweisungen wahrscheinlich am häufigsten und am seltensten zum Einsatz kommen werden.

Bei Onlinehändlern wird es einfach sein, mit der neuen Methode zu bezahlen. Im stationären Handel dagegen dürfte es länger dauern, da zuerst die Kassen entsprechend aufgerüstet werden müssen. Treiber der Akzeptanz bei den Verbrauchern werden vor allem größere Unternehmen mit bekannten Marken sein, die ein hohes Maß an Vertrauen genießen. In jedem Fall sollten sich Einzelhändler an die Spitze der Bewegung setzen, da Vorreiter einen Zugriff auf das Portemonnaie von Kunden erhalten, so eine Menge über diese erfahren und über die Zeit zu einem unverzichtbaren Begleiter im Alltag werden können.

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STRATEGIEN

Andere Länder sind in Sachen offener Zugang zu Bankkonten bereits erheblich weiter. In China deckt Alibaba mit einer einzigen App bereits verschiedene Bedürfnisse von Verbrauchern im Alltag ab. Das Spektrum reicht von Einkauf und Bestellservice bis hin zu Bezahlung und Vermögensmanagement. Die App enthält sämtliche Finanzinformationen der Nutzer, lässt sich einfach verwalten und erleichtert es, mobil und online zu bezahlen. Dieses Konzept kommt bei Verbrauchern sehr gut an. 2015 vereinten Alipay von Alibaba sowie TenPay von Tencent mehr als 90 Prozent aller mobilen Bezahlvorgänge in China auf sich. Bloomberg zufolge entspricht dies einem Anstieg von 134 Prozent auf 3,4 Billionen US-Dollar innerhalb nur eines Jahres. Alipay allein verfügt mittlerweile über 300 Millionen Nutzer und verzeichnet 80 Millionen Transaktionen pro Tag. Das US-Magazin Forbes schätzt, dass chinesische Banken im Jahr 2015 Guthaben in Höhe von 22,2 Milliarden US-Dollar an Alibaba und Tencent verloren haben. Darüber hinaus können die beiden Unternehmen auf große Mengen werthaltiger Transaktions- daten zugreifen und damit unterschiedliche Produkte und Services gezielt vermarkten.

Neue Zahlungsoptionen verändern weltweit die Einzelhandelslandschaft. Damit kein Einzel- händler in Europa von einem Alipay-Pendant auf dem falschen Fuß erwischt wird, sollte sich jeder mit den kurz- und mittelfristigen Auswirkungen von PSD2 auf Zahlungsvorgänge im Handel beschäftigen. Mehr noch: Einzelhändler sollten selbst zum Payment Initiation Service Provider werden oder eine Partnerschaft eingehen und so die neuen Zahlungsoptionen zum eigenen Vorteil nutzen.

FAZIT

Mit der neuen EU-Richtlinie für den Zahlungsverkehr eröffnen sich dem europäischen Einzelhandel in den kommenden Jahren zahlreiche Chancen. Ohne Frage werden nun Innovationen auf den Markt kommen, die den Wettbewerb weiter anheizen. Je nachdem wann die einzelnen Unternehmen welche Maßnahmen einleiten, kann daraus eine Existenzbedrohung erwachsen. Angesichts des Konkurrenzdrucks ist damit jetzt die Zeit gekommen, sich auch unangenehmen Fragen über sein Geschäftsmodell und die eigene technische Kompetenz zu stellen.

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31% Warenhäuser/Einkaufszentren

17% Sonstiger Einzelhandel/Markenhändler17%Duty-Free-Läden an ausländischen Flughäfen

11%Duty-Free-Läden in Innenstädten

9%Duty-Free-Läden in China

8%Outlets

7%Läden in Hotels

Wo Chinesen auf Reisen einkaufen …

Ausgaben von chinesischen

Reisenden

165 MRD. $

Die Zahl der Einkaufszentren in China hat sich mehr als verdoppelt – von 832 im Jahr 2011 auf 1.705 im Jahr 2015

Die Anzahl der Auslandsreisen von Chinesen im Jahr 2015

> 120 MIO.

Wachstum der Ausgaben von chinesischen Reisenden im Jahr 2015

Anteil dieser Ausgaben für Dritte – als Geschenke oder für den Weiterverkauf

51%

27%

Die durchschnittliche Vertragslaufzeit in einem chinesischen Einkaufszentrum

3 JAHRE

der Einkaufszentren beheimaten Händler aus dem Niedrigpreissegment

80%

aller Einkaufszentren befinden sich in den sieben größten Städten Chinas

40%

… und wofür sie ihr Geld in verschiedenen Ländern ausgeben

FRANKREICH UK USA

100%

80%

60%

40%

20%

0%

Kosmetika, Pflegeprodukte und Parfüm

Bekleidung

Handtaschen und Reisegepäck

Uhren, Schmuck und Accessoires

Lebensmittel

Souvenirs

Säuglingsnahrung und Nahrungsergänzungsmittel

Alkohol

Schuhe

Reiseartikel

Elektronik und Küchenzubehör

2011 2015

832

1.705

WENN CHINESEN EINKAUFEN CHANCEN FÜR HÄNDLER IN EINKAUFS- ZENTREN UND JENSEITS DER GRENZEN

Das Wachstum des Onlinehandels in China ist atemberaubend. Seit 2011 hat sich das Volumen laut iResearch Global versiebenfacht – von 0,5 auf 3,8 Billionen Yuan. Doch auch ohne direkt mit den chinesischen Internetgiganten zu konkurrieren, können lokale und internationale Einzelhändler an der Konsumfreude der Chinesen partizipieren. Möglich keiten eröffnen sich zum einen angesichts der wachsenden Bedeutung von Einkaufszentren im Land und zum anderen mit Blick auf die Konsumbedürfnisse chinesischer Urlauber im Ausland.

EINKAUFEN IM EIGENEN LAND Eine Untersuchung von Einkaufszentren in 50 chinesischen Städten hat gezeigt, dass Einkaufszentren – trotz des rapiden Wachstums des Onlinehandels – erfolgreich sein können. Und zwar immer dann, wenn sie Einkaufen, Gastronomie und Unterhaltung unter einem Dach vereinen. Einzelhändler sollten ihre Investitionen auf solche Einkaufszentren konzentrieren.

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31% Warenhäuser/Einkaufszentren

17% Sonstiger Einzelhandel/Markenhändler17%Duty-Free-Läden an ausländischen Flughäfen

11%Duty-Free-Läden in Innenstädten

9%Duty-Free-Läden in China

8%Outlets

7%Läden in Hotels

Wo Chinesen auf Reisen einkaufen …

Ausgaben von chinesischen

Reisenden

165 MRD. $

Die Zahl der Einkaufszentren in China hat sich mehr als verdoppelt – von 832 im Jahr 2011 auf 1.705 im Jahr 2015

Die Anzahl der Auslandsreisen von Chinesen im Jahr 2015

> 120 MIO.

Wachstum der Ausgaben von chinesischen Reisenden im Jahr 2015

Anteil dieser Ausgaben für Dritte – als Geschenke oder für den Weiterverkauf

51%

27%

Die durchschnittliche Vertragslaufzeit in einem chinesischen Einkaufszentrum

3 JAHRE

der Einkaufszentren beheimaten Händler aus dem Niedrigpreissegment

80%

aller Einkaufszentren befinden sich in den sieben größten Städten Chinas

40%

… und wofür sie ihr Geld in verschiedenen Ländern ausgeben

FRANKREICH UK USA

100%

80%

60%

40%

20%

0%

Kosmetika, Pflegeprodukte und Parfüm

Bekleidung

Handtaschen und Reisegepäck

Uhren, Schmuck und Accessoires

Lebensmittel

Souvenirs

Säuglingsnahrung und Nahrungsergänzungsmittel

Alkohol

Schuhe

Reiseartikel

Elektronik und Küchenzubehör

2011 2015

832

1.705

EINKAUFEN AUF REISEN Wir haben zudem 1.750 Chinesen, die im vergangenen Jahr mindestens einmal ins Ausland gereist sind, zu ihrem Einkaufsverhalten auf Reisen befragt. Die Befragten gaben im Durchschnitt 1.200 US-Dollar pro Kopf für Einkäufe aus. Wenn Händler an diesen Ausgaben teilhaben möchten, sollte ihr Marketing potenzielle Kunden bereits vor Abreise erreichen, um die Qualität und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis ihrer Produkte näherzubringen.

STRATEGIEN

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TRANSFORMATION

EXPANSION IN SCHWELLEN- LÄNDER VIER HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN FÜR EINZELHÄNDLER

Die Einzelhandelsexpansion hat im größten Teil Westeuropas und in Teilen Nordamerikas heute die Sättigungsgrenze erreicht. Die Eröffnung weiterer Filialen führt nicht mehr automatisch zu besseren Ergebnissen. Unter diesen Umständen müssen Einzelhändler neue Wege finden, um auch weiterhin Jahr für Jahr Umsatz und Gewinn zu steigern. Dies lässt sich durch eine höhere Kosteneffizienz und damit höhere Gewinne bei gleich-bleibendem Absatz erreichen, aber auch durch Investitionen in kaufmännische Fertigkeiten, die den flächenbereinigten Umsatz erhöhen. Darüber hinaus können wachstumsstarke Märkte in Schwellenländern interessant werden.

TRANSFORMATION

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EXPANSION IN SCHWELLEN- LÄNDER VIER HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN FÜR EINZELHÄNDLER

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In vielen Schwellenländern sind Unternehmen bereits in die Fußstapfen etablierter Einzel-händler aus Industrieländern getreten und folgen dort dem bekannten Muster des schnellen Wachstums durch Expansion. Innovationen und eine Anpassung an lokale Gegebenheiten prägen Märkte wie China und Indien, aber auch weniger im Rampenlicht stehende Märkte wie Kasachstan und Tschechien.

Doch die Welt hat sich verändert, seitdem Vorreiter wie Tesco, Carrefour und Walmart ihre ersten Milliarden machten. Im Zeitalter der Globalisierung und Digitalisierung reifen Märkte in einem anderen Umfeld und mit einer anderen Geschwindigkeit. Das Internet, der internationale Wettbewerb sowie Partnerschaften machen es Einzelhändlern einfacher und schwieriger zugleich. Mit Blick auf diese Rahmenbedingungen finden sich nachfolgend vier Handlungsempfehlungen für Einzelhändler, die in Schwellenländern aktiv sind und solche, die in neue Märkte expandieren wollen.

GRÖSSER IST NICHT IMMER BESSER – DER CHARME KLEINER FORMATE

In Ländern wie Frankreich und Großbritannien trieben Einzelhändler ihr Wachstum voran, indem sie zuerst in der Peripherie der Städte Hypermärkte eröffneten und so ein großes Immobilienportfolio aufbauten, um sich häufig erst danach in den Zentren mit Convenience-Formaten breit zu machen. In den Schwellenländern gibt es zwar auch einen gewissen Bedarf für Super- und Hypermärkte. Doch die am schnellsten wachsenden Formate sind häufig kleinere Convenience-Stores mit weniger als 300 Quadratmetern.

In Russland setzen Pyaterochka (ein Teil des Einzelhandelskonzerns X5), Magnit und Dixy auf diesen Trend. Ihre auf Discount ausgerichteten Läden wenden sich mit niedrigen Preisen an Kunden, die zwar wenig, aber dafür regelmäßig einkaufen. Ihr Convenience-Konzept eignet sich für eine rasche Expansion, da die einzelnen Filialen klein sind, nur geringe Investitionen benötigen und mit einem Basissortiment leicht zu eröffnen sind. Zwischen 2012 und 2016 eröffneten die drei Unternehmen zusammen mehr als 13.000 neue Filialen. Dies entspricht mehr als einer Verdoppelung der Zahl modern organisierter Lebensmittelgeschäfte in Russland.

Kleine Formate sind beispielswiese auch in Indien enorm erfolgreich; hier decken lokale Anbieter den Großteil der Nachfrage nach Lebensmitteln ab. Und in Polen ist das Discount- Format Biedronka – eine Marke des portugiesischen Einzelhändlers Jeronimo Martins – Marktführer. All diese kleineren Formate sind flexibel genug, um Marktanteile von den globalen Hypermarkt-Kolossen zu gewinnen. Sie konzentrieren sich häufig auf den lokalen Bedarf und haben anpassungsfähige Lieferketten.

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TRANSFORMATION

ONLINE IST KEINE KÜR MEHR – SONDERN PFLICHT

In den Industrieländern besaßen die meisten großen Einzelhändler bereits eine starke Präsenz in der Fläche, bevor sie einen Onlinekanal aufgebaut haben. Diesen Luxus können sich Handelsunternehmen in vielen Schwellenländern nicht leisten und müssen entsprechend handeln. In China beispielsweise haben Alibaba, JD und Yihaodian eigene Logistiknetzwerke für ihr Onlinegeschäft – eine kostspielige Variante, die ihnen aber die vollständige Kontrolle über das gesamte Kundenerlebnis ermöglicht.

Auch in Kasachstan sind Verbraucher außerhalb der großen Städte daran interessiert, online einzukaufen, wenn es Technologie und Infrastruktur erlauben. Kasachische Einzelhändler haben dem Rest der Welt gezeigt, dass es bei Onlinebestellungen sinnvoll sein kann, eine Barzahlung bei Lieferung anzubieten.

Fehlende flexible Zahlungsmöglichkeiten führen häufig dazu, dass Konsumenten nicht online einkaufen. Sie haben entweder keinen Zugang zu Bankdienstleistungen oder bevorzugen aus unterschiedlichen Gründen Bargeld, beispielsweise aus Misstrauen gegenüber Onlinebezahldiensten.

Der Internetzugang selbst erfolgt in Schwellenländern häufiger über Smartphones und Tablets als über PCs und Laptops. Auch in Industrieländern gehen gerade Menschen mit geringerem Einkommen immer häufiger über mobile Endgeräte online. Erfolgreiche Einzelhändler investieren daher in mobile Websites, die darauf ausgelegt sind, auf einem kleinen Bildschirm zu surfen und einzukaufen.

Der Onlinehandel kann in einigen Ländern auch helfen, noch bestehende regulatorische Hürden zu überwinden. So umfasst allein der indische Lebensmittelmarkt ein Volumen von mehr als 650 Milliarden US-Dollar. Die Regulierung dieses gigantischen Marktes verfolgt das Ziel, den Wettbewerb durch internationale Anbieter zu beschränken. Es ist ausländi-schen Unternehmen jedoch erlaubt, Onlinemarktplätze zu betreiben und so Konsumgüter an abgelegene Orte zu bringen.

Einige Unternehmen ziehen hieraus bereits Vorteile. Der britische Textilhändler MISSguided zählt ebenso dazu wie die US-Marke The North Face. Sie machen Verbraucher mit ihren Marken vertraut und sind damit gut positioniert, Markt-anteile zu gewinnen, wenn die Onlinenutzung steigt und die Infrastruktur besser wird. Wer dagegen den Markt nur beobachtet und auf Gesetzesänderungen wartet, ist bereits im Rückstand.

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AUCH M&A-AKTIVITÄTEN IN ERWÄGUNG ZIEHEN

Traditionell ist Konsolidierung ein wichtiges Thema für den Einzelhandel. Sie kann lokal und kleinteilig erfolgen, wie das Beispiel der indischen Future Group zeigt. Das Unter-nehmen integriert kleine familiengeführte Betriebe (Kiranas), die derzeit 98 Prozent des Lebensmittelhandels abdecken, in ihre beiden Franchise-Ketten Aadhaar für ländliche und KB’s Fair Price für städtische Regionen.

Die Konsolidierung kann aber auch auf nationaler Ebene wie in Polen erfolgen. Diesen hoch- kompetitiven und fragmentierten Markt – bislang decken die fünf größten Lebensmittel- einzelhändler weniger als 50 Prozent des Marktes ab – formen nun teilweise Unternehmen mit einer Strategie der Integration von Franchise-Konzepten und lokalen Marken.

Die Konsolidierung in Polen wird in den kommenden Jahren weitergehen und den Zentra- lisierungsgrad sowie die Effizienz erhöhen. In einem solchen Umfeld gewinnen voraussichtlich diejenigen Unternehmen, die aktiv und frühzeitig die Konsolidierung vorantreiben und schnell sowie effizient Wettbewerber integrieren und damit ihr operatives Geschäft vom Category Management über den Einkauf bis hin zur Logistik straffen.

Auch in reifen Märkten wird sich die Konsolidierung weiter fortsetzen, wie das Beispiel der Niederlande zeigt. Zuerst erwarb Jumbo C1000. Dann schlossen sich Albert Heijn und die belgische Supermarktkette Delhaize zusammen.

Über die nationale und internationale Konsolidierung innerhalb ihres Sektors hinaus sollten Einzelhändler auch offen für sektorübergreifende M&A-Aktivitäten sein. Ein Beispiel hierfür ist die Übernahme der britischen Argos mit ihrem Warenhaussortiment durch den Lebensmittelhändler J Sainsbury‘s. Dies könnte sich als geschickter Schachzug erweisen, um die Zukunft in einem Markt zu sichern, der durch fallende Margen bei Lebensmitteln, den Verlust von Marktanteilen an Discounter sowie unbeständiges Verbrauchervertrauen geprägt ist.

DAS KLEINE EINMALEINS IMMER IM BLICK BEHALTEN

Am Ende resultiert Erfolg im Handel immer aus der Zufriedenheit der Kunden mit Angebot und Preisen. Es braucht einen hervorragend geführten Betrieb, um diese Erwartungen zu erfüllen. Entscheidend ist insbesondere die Reduzierung der Komplexität und Kosten.

Aktionen können sich in diesem Zusammenhang zu einer „Seuche“ entwickeln. Sie plagt beispielsweise den Handel in Tschechien. In den vergangenen Jahren kam es hier im Kampf um Kunden und Marktanteile zu einer wahren Aktionsflut, an der sich nahezu alle Supermärkte beteiligten. Die Hälfte der Umsätze entfällt nun auf Aktionswaren.

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TRANSFORMATION

In einigen Sortimentsbereichen wie Geflügelfleisch und Bier steigt dieser Anteil zu bestimmten Zeiten sogar auf 80 Prozent. Die Betreiber mögen glauben, dass sie sich so als Niedrigpreis-anbieter positionieren. Doch im Ergebnis untergraben sie das Vertrauen der Kunden in die Normalpreise und verleiten sie, nur Aktionsware zu kaufen. Dies löst einen Teufelskreis aus und die ständig steigende Zahl von Aktionen beeinträchtigt letztendlich das Geschäft.

Aktionen, generell Preise und das Sortiment zählen zu den wichtigsten Stellhebeln, um die Ertragskraft im Einzelhandel zu steigern. Es ist daher essenziell, diese Größen aktiv zu steuern und sicherzustellen, dass die Geschäftsführung den Überblick und Kontrolle über die wichtigsten Entscheidungen behält.

Jeden Tag stehen Millionen auf dem Spiel, wenn Dutzende Einkäufer handeln. Wenn eine Unternehmensstrategie bis auf die einzelnen Warengruppen heruntergebrochen wird und der Einkauf zudem über die notwendigen Werkzeuge verfügt, um die richtigen Entscheidungen zu treffen, kann sich die Ertragskraft eines Einzelhändlers deutlich verbessern.

FAZIT

Der Erfolg im Lebensmitteleinzelhandel basiert auf der Fähigkeit der Anbieter, sich an neue und wechselnde Rahmenbedingungen anzupassen und zugleich kosteneffizient die richtigen Formate und Fertigkeiten zu entwickeln. Für den Erfolg in Schwellenländern sollten einheimische wie internationale Anbieter daher nicht nur das eigene Geschäfts-modell auf die spezifischen Herausforderungen und Chancen der jeweiligen Region zuschneiden, sondern sich auch mit neuen Konzepten und Erfahrungen in anderen Märkten auseinandersetzen – selbst wenn sie auf der anderen Seite des Globus liegen.

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KAMPF DER FORMATE WIRD ENGER KUNDENZUFRIEDENHEIT IM DEUTSCHEN LEBENSMITTELEINZELHANDEL

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TRANSFORMATION

Über die Preise keines Lebensmitteleinzelhändlers äußern sich die deutschen Verbraucher so zufrieden wie die von Aldi Süd. Bei der Leistung, gemessen an Auswahl, Qualität und Service, favorisieren sie Globus. Auch bei der Kombination aus Preis- und Leistungs- wahrnehmung sind die Saarländer neben Kaufland Branchensieger.

In einer Umfrage von Oliver Wyman im Mai 2016 gaben mehr als 3.000 Konsumenten in Deutschland Auskunft über ihre Zufriedenheit mit den 16 größten Lebensmitteleinzelhändlern in den beiden Dimensionen „Leistung“ und „Preis“. Seit Jahren quantifiziert Oliver Wyman anhand dieser Preis- und Leistungszufriedenheits-matrix, in welchem Maß einzelne Elemente des Angebots wie Preis, Sortiment, Qualität und Service die Gesamtzufriedenheit von Kunden beeinflussen und zeigt so, welche deutschen Lebens-mitteleinzelhändler aus Sicht der Konsumenten punkten und in welchen Bereichen es noch Handlungsbedarf gibt.

Noch können die SB-Warenhäuser mit den Branchenbesten mit- halten. Hinter den drei Discountern Aldi Süd, Aldi Nord und Lidl belegen Kaufland und Globus im aktuellen Branchenranking der Preiswahrnehmung die Plätze vier und fünf. In der Kategorie „Qualität und Service“ liegt Globus auf Platz eins, gefolgt von E-Center, Edeka, Rewe und Lidl. In ihrer ureigenen Domäne „Auswahl“ punkten die Großformate besonders: Hinter Globus platzieren sich hier Marktkauf, Kaufland, E-Center und Real.

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AUFHOLJAGD DER SUPERMÄRKTE

Ein Vergleich zu früheren Erhebungen von Oliver Wyman zeigt, in welchem Maß sich die Kundenzufriedenheit verändert hat: Vor allem die Großflächenformate verlieren und die Supermärkte legen zu. Die Großfläche muss künftig mehr investieren, um Mankos wie lange Anfahrtzeiten und längere Laufwege zu kompensieren. Auch bei Qualität und Service – hier vor allem bei frischen Produkten – gibt es der jüngsten Umfrage zufolge Verbesserungsbedarf. Die Großfläche muss sich weiter neu erfinden, um im Wettbewerb zu bestehen.

Die lange erfolgsverwöhnten Discounter sehen sich ebenfalls Herausforderungen gegen-über. Sie modernisierten zwar in den vergangenen Jahren ihre Verkaufsflächen, erweiterten ihr Angebot und nahmen Markenprodukte in ihr Sortiment auf. Dadurch verstärkte sich in Folge der umfassenden Investitionsprogramme von Aldi und Lidl die „Zweiklassengesellschaft“ bei den Discountern. Mittlerweile konkurrieren die führenden Discounter immer stärker mit den Supermärkten. Lidl hat hier aus Sicht der Verbraucher momentan die Nase vorn und konnte sich in der Leistungswahrnehmung spürbar von Aldi absetzen.

Die Supermärkte reagierten jedoch, investierten weiter in ihr Angebot und stärkten so ihre Position als starker Nahversorger im deutschen Lebensmitteleinzelhandel. Die Konsumenten honorieren diese Anstrengungen: Die Zufriedenheitswerte vor allem von Rewe aber auch Edeka steigen. Das gilt auch für das bislang wichtigste Differenzierungsmerkmal der Discounter, den Preis. Der Abstand zwischen Discountern und Supermärkten schrumpfte im Vergleich zu früheren Erhebungen. Die Supermärkte haben in den vergangenen Jahren vieles richtig gemacht und damit in den Augen der Verbraucher deutlich gewonnen. Dagegen zeigte Tengelmann in der aktuellen Erhebung wieder die schwächste Preiswahrnehmung und konnte trotz Entwicklung in der Leistungswahrnehmung nicht zu Rewe und Edeka aufschließen – das Ergebnis ist bekannt.

RÜCKLÄUFIGE ZUFRIEDENHEIT IST WARNSIGNAL Die Oliver Wyman-Matrix mit der Zufriedenheit bei Preis und Leistung ist ein aussagekräftiger Indikator für das Geschäftspotenzial im Lebensmitteleinzelhandel. Wenn ein Einzelhändler weiß, wie gut er in der Wahrnehmung der Kunden im Vergleich zum Wettbewerb dasteht, hat er erheblich bessere Chancen, seinen Umsatz zu steigern – und Marktanteile zu gewinnen.

Die beispielsweise in den letzten Jahren rückläufigen Marktanteile von Tesco in UK hatten sich in den regelmäßigen Oliver Wyman-Befragungen bereits seit 2008 klar abgezeichnet. Darin zeigte sich, dass Tesco den Konsumenten aus den Augen verlor und die Zufriedenheit mit dem Service und Preis-Leistungs-Verhältnis kontinuierlich nachließ. Kein Lebensmittel-händler darf sich mit hohen Zufriedenheitswerten oder Besucherfrequenzen begnügen. Um den Vorsprung zu erhalten oder weiter auszubauen, bedarf es kontinuierlicher Investitionen.

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TRANSFORMATION

ENTWICKLUNG IM ÜBERBLICK

• Globus und Kaufland sind rückläufig bei Leistung und auch Preis. • Discounter verlieren spürbar in der Preiswahrnehmung. Aldi und Lidl setzen sich aber von übrigen Anbietern ab. • Lidl ist stärkster Discounter in punkto Leistung. Netto und Norma bilden das Schlusslicht. • Rewe verkürzt den Abstand zu Edeka: Leistung seit 2009 doppelt so stark verbessert wie Edeka.

Quelle: Oliver Wyman „Customer Perception Map Deutschland 2016“ (exklusive Marktkauf wegen fehlender 2009er Werte)

KLARE GEWINNER UND VERLIERER AUS SICHT DER KUNDENKUNDENZUFRIEDENHEIT IM DEUTSCHEN LEBENSMITTELHANDEL 2009 VS. 2016

StarkSchwach PREISWAHRNEHMUNG

Stark

LEISTUNGSWAHRNEHMUNG

Schwach

E-Center

Edeka

ReweRewe Center

real,-

Globus

KauflandKaiser‘sTengelmann

Netto Nord

Netto MD

Norma

Penny

Lidl

Aldi Süd

Aldi Nord

2009 2016

Supermarkt

Großfläche

Discounter

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KEINE MACHT DEN AKTIONEN IN SECHS SCHRITTEN KANN DER HANDEL SEINE ABHÄNGIGKEIT ÜBERWINDEN

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TRANSFORMATION

Aktionen sind die Droge des Einzelhandels: Kurzfristig lindert sie die Schmerzen, doch mit zunehmendem Gebrauch wächst die Abhängigkeit und ein Entzug wird immer schwieriger. Nach Jahrzehnten des Missbrauchs beginnen die Nebeneffekte nun die Dynamik und das gesamte System des Handels zu zerstören. Unternehmen sollten sich daher früh und konsequent aus einer zu großen Abhängigkeit von Aktionen befreien.

Nachfolgend wird erläutert, wie Aktionen zur kurzfristigen Lösung für eine ganze Reihe von Herausforderungen werden konnten und wie die „Überdosis“ sowohl Einzelhändler und Hersteller als auch Verbraucher und Umwelt schädigt. Abschließend ist ein sechsstufiges Programm beschrieben, mit dem sich die Abhängigkeit überwinden lässt.

AKTIONEN WIRKEN SCHNELL UND EINFACH

Im Verdrängungswettbewerb und in Zeiten stagnierender Märkte liegt der Rückgriff auf Aktionen nahe. Mit ihnen lassen sich Quartalsziele noch erreichen, rückläufige Kundenzahlen kompensieren oder die Verkäufe vor Feiertagen steigern. In vielen reifen Märkten dienen Aktionen in zunehmendem Maß auch zur Ankurbelung der Umsätze, wenn es keinen Raum mehr für zusätzliche Filialen gibt. Unausweichlich steigt daher der Anteil der Aktionen am Umsatz – in Europa von um die 20 Prozent im Jahr 2003 auf zuletzt fast 35 Prozent.

Diesen Trend verstärkt das übliche Prozedere in Lieferantengesprächen: Die Einzelhändler fordern von den Lieferanten bessere Konditionen; diese fordern Gegenleistungen wie mehr Aktionen. Im Ergebnis wird ein immer größerer Teil der Marge durch Werbekosten-zuschüsse bestimmt. Es entsteht ein Teufelskreis. Wo aber liegt das Problem, wenn Aktionen die Absatzzahlen steigern, Kunden anlocken und von den Herstellern finanziert werden?

Man könnte nun einwenden, dass sich die aktuelle Situation nicht von der vor fünf oder zehn Jahren unterscheidet. In der Tat waren Aktionen schon immer eine Quelle interner Komplexität und wurden kontrovers diskutiert. Doch die Zeiten haben sich geändert. Der Druck von verschiedenen Seiten – einschließlich Regulierungsbehörden und Regierungen – zwingt Einzelhändler, sich erneut mit dem Thema zu beschäftigen. Der Handlungsbedarf steigt. Für viele Einzelhändler und Hersteller ist die Zeit gekommen, die Zahl ihrer Aktionen zu hinterfragen und zu reduzieren.

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AUF ENTZUG

Wenn Einzelhändler erkannt haben, wie Aktionen das operative Geschäft schädigen, können sie ihre Abhängigkeit in sechs Schritten überwinden. Da sich das Preis-Leistungs-Verhältnis verbessert, entsteht so ein Wettbewerbsvorteil. Dieser kann Absatzrückgänge verhindern; zugleich reduzieren sich Kosten und Komplexität im Betrieb.

EINSICHT – DER WAHRE STELLENWERT VON AKTIONEN Zu Beginn muss jeder Einzelhändler Klarheit über die Zwecke seiner Aktionen gewinnen: Welche Rolle spielen sie innerhalb des Gesamtangebotes? Welche Kundensegmente kaufen Aktionswaren? Wie vertragen sich Aktionen mit anderen Hebeln? Wie passen Aktionen in eine Welt, in der die 1:1-Kommunikation mit Kunden an Bedeutung gewinnt? Auf dieser Basis lässt sich das gewünschte Niveau von Aktionen festlegen – und dieses fällt im Vergleich zum Ist-Zustand wahrscheinlich erheblich niedriger aus.

VERSTÄNDNIS – DIE TATSÄCHLICHE WIRKUNG VON AKTIONEN Einzelhändler wie Hersteller investieren eine Menge Zeit und Energie in die Steuerung von Aktionen. Doch nur ein Bruchteil davon fließt üblicherweise in die Messung des tatsäch-lichen Nutzens für das operative Geschäft. Häufig wird beispielsweise der Erfolg von Aktionen allein an den Zuwächsen bei den Aktionsartikeln gemessen. Nebeneffekte wie die Kannibalisierung anderer Produkte sowie Vorratskäufe bleiben außen vor. Gravierender noch ist die Tatsache, dass der Einfluss von Aktionen auf die Kundenströme nicht erfasst wird. Dies macht eine Überprüfung der Performance von Woche zu Woche schwierig.

Abbildung 1: Messung der tatsächlichen Wirkung von Aktionen auf die Euro-Marge

Gewährter Rabatt

Bevorratungse�ekt

Interne Kosten

Lieferantenfinanzierung

Verbunde�ekt

GesamtDirekterUmsatzanstieg

Kannibalisierung

Bei genauer Messung könnte der Gesamte�ekt von Aktionen niedriger sein als erwartet – und mit Blick auf die Euro-Marge sogar negativ ausfallen.

VERÄNDERUNG DER EURO-MARGE

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TRANSFORMATION

In die Messung der tatsächlichen Wirkung von Aktionen müssen zahlreiche Faktoren einfließen – unter anderem das macht diese Aufgabe so schwierig. In Abbildung 1 finden sich die Kriterien, mit denen sich die wahre, oft im Verborgenen bleibende Gesamtwirkung jeder Aktion messen lässt: der direkte Umsatzanstieg, der entgangene Umsatz aufgrund des Rabatts, das Ausmaß der Lieferantenfinanzierung, die Umsatzveränderungen bei ähnlichen Produkten und Marken (Kannibalisierung) sowie im Vergleich zu der Zeit vor und nach der Aktion (Bevorratungseffekt), die Kosten der Vermarktung der Aktion, die zusätzlichen Kosten in Filiale und Lieferkette, um die Extramengen zu bewältigen, sowie die Veränderung des Einkaufskorbs und der Zahl der Kunden (Verbundeffekt).

HANDELN – DAS WISSEN NUTZEN Wenn die Ergebnisse der Messung der einzelnen Effekte vorliegen, lässt sich herausarbei-ten, warum sich einige Aktionen nicht rechnen. Falls die Nachfrage nicht steigt, sollte man sich fragen: Sind die Kunden nicht interessiert? Ist die Platzierung der Produkte optimal? Befand sich jederzeit genügend Ware in den Regalen? Selbst wenn die Nachfrage steigt, sollten Unternehmen hinterfragen, ob dies aus der Aktion oder anderen Faktoren resultiert.

Ein besseres Verständnis der tatsächlichen Performance jeder Aktion ermöglicht Unter-nehmen eine bessere Auswahl anstehender Aktionen. Dank vielfältiger Informationen können sie entscheiden, welche Aktionen sie weiter betreiben und welche nicht. Zudem können sie die einzelnen Faktoren, die die Profitabilität einer Aktion beeinflussen, so steuern, dass Umsätze und Margen steigen.

VERZICHTEN – SOWEIT MÖGLICH AKTIONEN REDUZIEREN Wenn der wahre Nutzen von Aktionen identifiziert ist und Verlustbringer der Vergangenheit angehören, wird eine weitergehende Analyse der verbleibenden Aktionen zeigen, bei welchen Produkten und Warengruppen es von Vorteil wäre, statt auf Aktionen auf Dauerniedrigpreise zu setzen. Üblicherweise sind dies Warengruppen mit hohen Teilnahmequoten bei Aktionen (größer als 40 Prozent), rückläufigen Zuwächsen (geringere Grenzerträge bei steigenden Ausgaben für Aktionen) und einem hohen Anteil der Lieferantenfinanzierung (typischerweise mehr als 80 Prozent der Rabatte).

Wahrscheinlich befinden sich einige Lieferanten dieser Warengruppen in demselben Teufels- kreis wie Einzelhändler: hohe Kannibalisierungsraten, niedrige oder gar keine Absatzzuwächse sowie eine sich verschlechternde Markenpositionierung. Diese Lieferanten sind daher offen für Partnerschaften mit dem Ziel einer veränderten Aktionsstrategie.

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DIE WAHREN KOSTEN VON AKTIONEN

In Wirklichkeit schaden Aktionen nicht nur Einzelhändlern, sondern auch Herstellern und verschlechtern langfristig die Position beider Seiten. Zudem können sie für die Gesundheit und Haushaltskasse der Verbraucher sowie die Umwelt von Nachteil sein.

Aktionen sind ein kostene�zienter Weg, die Auslastung zu steigern.

Aktionen erhöhen die Kosten in der Lieferkette, da mit ihnen die Volatilität und Komplexität steigt.

UMWELT

EINZELHÄNDLER

Aktionen machen Händler in den Augen der Verbraucher günstiger.

Aktionen haben einen geringeren Einfluss auf die Preiswahrnehmung der Verbraucher als Dauerniedrig-preise (EDLP). Zu viele Aktionen können die Kunden sogar verwirren und damit die Wahrnehmung verschlechtern.

MYTHOS

REALITÄTHERSTELLER

Aktionen sind die beste Option, wenn der Markt kaum wächst sowie Produkt-innovationen und Di�erenzierungen nicht für genügend Umsatz sorgen.

Wer weniger Aktionen fährt, kann mehr in Innovation und Entwicklung investieren, anstatt so viel Zeit mit taktischen Spielereien mit Einzel-händlern zu verbringen.

Aktionen bringen Kunden dazu, mehr auszugeben.

Mit der wachsenden Zahl von Aktionen verschwindet dieser E�ekt nahezu, da die Elastizität von Aktionen sinkt und der Kannibalisierungsgrad steigt.

Aktionen nutzen der Marke und der Bekanntheit.

Aktionen mindern langfristig den Wert der Marke, weil Verbraucher beginnen, den regulären Preis als zu hoch zu empfinden.

Aktionen locken Kunden in den Laden, die dort dann ihren gesamten Einkauf erledigen.

Preisvergleichsportale und Apps präsentieren die besten Angebote. Verbraucher können so gezielt Aktionen verschiedener Händler für verschiedene Teile ihres Einkaufs nutzen.

Aktionen bieten Kunden ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis.

Einige Aktionen sind eher verwirrend. Verständlichere Preise und Auswahlmöglichkeiten könnten die wahren Bedürfnisse der Kunden auf einfachere Weise erfüllen.

Aktionen sind für Kunden immer eine gute Sache.

Aktionen können ungesundes Essverhalten fördern, wenn sie beispielsweise zuckerhaltige Getränke und Snacks beinhalten, bei denen mehr Käufe auch mehr Konsum bedeuten.

Aktionen stabilisieren den Absatz.

Der Absatz steigt nur kurzfristig und Kunden beginnen, das Produkt nur noch im Angebot zu kaufen. Den Absatz zu halten, erfordert jedes Jahr mehr Aufwand.

Aktionen sind simpel.

Aktionen verursachen in jedem Prozess-schritt zusätzliche Kosten: vom Zusatz-aufwand in Category Management und Marketing über größere Schwankungen in der Lieferkette und mehr Abfall bis hin zu mehr Aufwand für die Gewährleistung der Verfügbarkeit in den Filialen.

Aktionen haben nur einen geringen oder keinen Einfluss auf die Umwelt.

Da sich die Mengen bei Aktionswaren schwerer vorhersagen lassen, verursachen Aktionen typischerweise mehr Abfall in den Filialen. Weil Verbraucher dazu verführt werden, mehr zu kaufen als nötig, erhöhen Aktionen auch die Abfallmengen in den Haushalten.

KUNDEN

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TRANSFORMATION

Aktionen sind ein kostene�zienter Weg, die Auslastung zu steigern.

Aktionen erhöhen die Kosten in der Lieferkette, da mit ihnen die Volatilität und Komplexität steigt.

UMWELT

EINZELHÄNDLER

Aktionen machen Händler in den Augen der Verbraucher günstiger.

Aktionen haben einen geringeren Einfluss auf die Preiswahrnehmung der Verbraucher als Dauerniedrig-preise (EDLP). Zu viele Aktionen können die Kunden sogar verwirren und damit die Wahrnehmung verschlechtern.

MYTHOS

REALITÄTHERSTELLER

Aktionen sind die beste Option, wenn der Markt kaum wächst sowie Produkt-innovationen und Di�erenzierungen nicht für genügend Umsatz sorgen.

Wer weniger Aktionen fährt, kann mehr in Innovation und Entwicklung investieren, anstatt so viel Zeit mit taktischen Spielereien mit Einzel-händlern zu verbringen.

Aktionen bringen Kunden dazu, mehr auszugeben.

Mit der wachsenden Zahl von Aktionen verschwindet dieser E�ekt nahezu, da die Elastizität von Aktionen sinkt und der Kannibalisierungsgrad steigt.

Aktionen nutzen der Marke und der Bekanntheit.

Aktionen mindern langfristig den Wert der Marke, weil Verbraucher beginnen, den regulären Preis als zu hoch zu empfinden.

Aktionen locken Kunden in den Laden, die dort dann ihren gesamten Einkauf erledigen.

Preisvergleichsportale und Apps präsentieren die besten Angebote. Verbraucher können so gezielt Aktionen verschiedener Händler für verschiedene Teile ihres Einkaufs nutzen.

Aktionen bieten Kunden ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis.

Einige Aktionen sind eher verwirrend. Verständlichere Preise und Auswahlmöglichkeiten könnten die wahren Bedürfnisse der Kunden auf einfachere Weise erfüllen.

Aktionen sind für Kunden immer eine gute Sache.

Aktionen können ungesundes Essverhalten fördern, wenn sie beispielsweise zuckerhaltige Getränke und Snacks beinhalten, bei denen mehr Käufe auch mehr Konsum bedeuten.

Aktionen stabilisieren den Absatz.

Der Absatz steigt nur kurzfristig und Kunden beginnen, das Produkt nur noch im Angebot zu kaufen. Den Absatz zu halten, erfordert jedes Jahr mehr Aufwand.

Aktionen sind simpel.

Aktionen verursachen in jedem Prozess-schritt zusätzliche Kosten: vom Zusatz-aufwand in Category Management und Marketing über größere Schwankungen in der Lieferkette und mehr Abfall bis hin zu mehr Aufwand für die Gewährleistung der Verfügbarkeit in den Filialen.

Aktionen haben nur einen geringen oder keinen Einfluss auf die Umwelt.

Da sich die Mengen bei Aktionswaren schwerer vorhersagen lassen, verursachen Aktionen typischerweise mehr Abfall in den Filialen. Weil Verbraucher dazu verführt werden, mehr zu kaufen als nötig, erhöhen Aktionen auch die Abfallmengen in den Haushalten.

KUNDEN

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Durchschnittlicher Mehrabsatz je rabattiertem Artikel – erheblich niedriger als die meisten Einzel-händler annehmen

Anteil der Aktionen, die den Absatz nicht fördern, aber den Gewinn vor Lieferantenfinanzierung reduzieren und damit Wert für Einzelhändler und Hersteller vernichten

Rückgang der Umsatz-zuwächse infolge von

Aktionen in den vergangenen fünf Jahren

18%

Anteil der Aktionen bei Frischwaren ungeachtet

ihrer strategischen Bedeutung

20%

Anstieg der Kannibalisierungs-effekte in Europa in den

vergangenen zehn Jahren

20%

1/3

60% 70%

AKTIONEN ERHÖHEN DEN ZUCKERKONSUM

FAKTEN ZUR ABHÄNGIGKEIT VON AKTIONEN

Erwarteter Gewinnrückgang, wenn Teilnahme an Aktionen um zehn Prozentpunkte steigt

1Prozentpunkt

In den Industriestaaten achten Verbraucher, Regierungen und Gesundheitssysteme immer mehr auf eine Einschränkung des Konsums von Zucker, Salz und Fett. Nachdem auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos 2016 beim Oliver Wyman-Panel zum Thema „Zucker, Fettleibigkeit und Diabetes – die andere globale Nahrungs-mittelkrise“ der Einfluss von Aktionen auf ernährungsbedingte Krankheiten zur Sprache kam, analysierten wir, ob ein typisches Aktionsprogramm wirklich häufiger zuckerhaltige Produkte enthält und wie sich das Verbraucherverhalten tatsächlich verändert. Aus den Ergebnissen ergibt sich ein Reputationsrisiko für Einzel-händler – und damit ein weiterer Grund, die Zahl der Aktionen in diesen Warengruppen zu reduzieren.

Die Wahrscheinlichkeit, dass Produkte und Waren-

gruppen mit überdurch-schnittlichem Zuckergehalt

ein Bestandteil von Aktionsprogrammen sind

Anstieg des Verbrauchs stark zuckerhaltiger

Produkte infolge von Aktionen – bedingt vor allem durch das Kaufverhalten von

Geringverdienern

Anteil der Aktions-finanzierung durch

Lieferanten in Verbindung mit Süßwaren, Limonaden

und Alkohol

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VERHANDELN – MIT DEN LIEFERPARTNERN GEEIGNETERE KONDITIONSMODELLE VEREINBAREN Zu den wesentlichen Ursachen für die Ausbreitung von Aktionen zählen die über die Zeit zwischen Einzelhändler und Lieferanten ausgehandelten Konditionen und Konditions-modelle. Der für beide Seiten hohe Stellenwert der Lieferantenfinanzierung muss daher zur Sprache kommen. Auch wenn die Gespräche alles andere als einfach sind, ist eine Veränderung am Ende gut für beide Parteien: Sie überwindet die Abhängigkeit von Aktionen und hilft dabei, aus dem Teufelskreis auszubrechen.

Der Übergang zu stabileren Preisen erhöht letztlich die Freiheitsgrade für Einzelhändler und Hersteller, bessere Wege zu finden, um Kunden und Marktanteile zu gewinnen. Nach Beobachtungen von Oliver Wyman besteht in Europa auf beiden Seiten ein Interesse, dieses Thema anzugehen.

INVESTIEREN – TECHNOLOGIE UND FÄHIGKEITEN IM FOKUS Das Verständnis und die Steuerung von Aktionen erfordern hohe analytische Kompetenz sowie exzellente operative Prozesse. Viele Einzelhändler und Hersteller haben dement-sprechend in erheblichem Umfang in neue Technologien investiert. Dabei kommt es zu einem Wettrüsten: Nur wer an der Spitze steht, gewinnt Kunden und kann seine Ertrags- und Finanzkraft steigern.

Gerade wenn es um die Genauigkeit von Prognosen für Aktionen geht, hat der technolo-gische Fortschritt einen spürbaren Einfluss auf das operative Geschäft. In den vergangenen zwei Jahren gab es hier einen Wandel weg von traditionell linearen Prognosen hin zu ausgefeilten, auf maschinellen Lernverfahren und künstlicher Intelligenz beruhenden Ansätzen. Diese können die Fehlerquoten um mehr als 50 Prozent reduzieren.

FAZIT

Aktionen können kurzfristig die erhoffte Wirkung entfalten. Langfristig schaffen sie allerdings Probleme für Einzelhändler, Hersteller und Kunden. Nach langen Jahren der Abhängigkeit von Aktionen bahnt sich nun ein Wandel an: Einzelhändler wollen umsteuern und Hersteller sind bereit, sich an Programmen zu beteiligen, die der Reduzierung der Zahl von Aktionen dienen. Die Überwindung der Abhängigkeit ist alles andere als einfach – aber möglich, wenn Unternehmen systematisch einem datenbasierten Ansatz folgen.

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DIGITALISIERUNG KOMMERZIELL

NUTZENNEUE ERLÖSQUELLEN IN DER

KONSUMGÜTERINDUSTRIE

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DIGITALISIERUNG KOMMERZIELL

NUTZENNEUE ERLÖSQUELLEN IN DER

KONSUMGÜTERINDUSTRIE

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Über die gesamte Konsumgüterbranche hinweg suchen Unternehmen nach neuen „Value Pools“, neuen Erlösquellen. Auslöser ist vor allem der technologische Fortschritt und die damit verbundene Digitalisierung des Alltags. An die Stelle der üblichen Bottom-up-Ansätze („Testballons“) vieler Unternehmen sollte eine systematische Top-down-Strategie treten, um neue Umsatzquellen zu erkennen und zu erschließen.

Damit vermarktungsfähige Innovationen entstehen, müssen die Hersteller zugleich ihre Forschungs- und Entwicklungsressourcen in Richtung neuer Value Pools umschichten und die Genehmigungsprozesse für entsprechende Projekte anpassen. All das sollten sie eher früher als später in Angriff nehmen, denn das Tempo des technologischen Fortschritts nimmt immer weiter zu.

Grob vereinfacht erfassen Value Pools die verschiedenen Umsatzquellen eines Unternehmens. Naturgemäß sind diese gerade mit Blick auf die heutigen Veränderungen im Kundenverhalten stark im Fluss. Treiber des Wandels sind häufig neue oder weiterentwickelte Technologien. Dazu zählen die immer bessere Verfügbarkeit des Internets ebenso wie der globale Siegeszug sozialer Medien oder der 3D-Druck.

So übernahm der Sportartikelkonzern Adidas für 220 Millionen Euro die Online-Fitness-Community Runtastic. Lego als einer der weltweit größten Spielzeughersteller erschließt immer stärker das Geschäft mit Videospielen, digitalen Produkten und selbst Kinofilmen. Und auch Haushaltsgerätehersteller halten ständig Ausschau nach Anwendungsmöglich-keiten für vernetzte Geräte.

CHANCEN UND RISIKEN DURCH VERÄNDERUNG VON ERLÖSSTRÖMEN

Die Veränderung von Erlösströmen trifft Konsumgüterhersteller in besonderem Maß und ist Chance und Risiko zugleich:

Chancen entstehen, da sich mit neuen Value Pools Kundenbeziehungen erweitern lassen und Anbieter so zusätzliche Umsätze erzielen oder zumindest Verluste an anderer Stelle ausgleichen können – beispielsweise infolge der Verschiebungen im Einkaufsverhalten von Offline- hin zu Onlinekanälen.

Risiken ergeben sich aus der Tatsache, dass viele Unternehmen nicht über die notwendigen Fähigkeiten verfügen, um Umsätze in den neuen Value Pools zu erzielen. Damit entstehen Einfallstore für neue Wettbewerber und über die Zeit das Risiko einer Marginalisierung in ihren angestammten Märkten. Vor diesem Hintergrund sollten Konsumgüterhersteller entstehende Value Pools rechtzeitig identifizieren, ihre Relevanz erkennen und richtig abgrenzen.

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Gut nachvollziehbar ist dieser Gedanke am Beispiel der großen Automobilhersteller. Sie alle haben mittlerweile erkannt, dass sie nicht mehr länger nur Autos, sondern zunehmend Mobilität verkaufen müssen. Daraus ergeben sich die oben beschriebenen Chancen und Risiken. Automobilhersteller investieren daher in neue Geschäftsmodelle wie Car-Sharing, Taxi-Apps, digitale Inhalte für Insassen und Sicherheitsdienste. Mehr noch: Derzeit entsteht gerade erst der vielleicht größte neue Value Pool rund um das vernetzte Auto. Dies alles mag wie eine Chance auf zusätzliche Umsätze mit neuen Geschäftsmodellen klingen. Doch die etablierten Automobilkonzerne dürften diese Trends nicht ganz so rosig sehen. Durch die Hintertür der Digitalisierung bahnen sich große Technologiekonzerne wie Google und Apple einen Weg in die Branche. Google debütierte bereits 2010, als ein Blinder den ersten Prototypen eines selbstfahrenden PKW fuhr. Apple hat seine Ambition erkennen lassen, bis 2020 in die Branche einzusteigen. In jüngster Zeit rekrutierte das Unternehmen zahlreiche Automobilingenieure in den USA.

TYPISCHE MUSTER IN DER KONSUMGÜTERINDUSTRIE

Wie Konsumgüterhersteller mit den neuen Value Pools umgehen sollten, untersuchte Oliver Wyman erst kürzlich für mehr als 20 Industriezweige. Das Spektrum reicht von Herstellern weißer und brauner Ware über Haushaltwaren, Spielzeug, Sportartikel, Bekleidung bis hin zu Werkzeugen.

Die beiden Fallstudien zeigen charakteristische Beispiele, wie neue Value Pools ganze Industriezweige verändern können. Sie stehen für bestimmte Muster, die in der gesamten Konsumgüterbranche anzutreffen sind:

• Die Sportartikelbranche zeigt, wie die Wertschöpfung zersplittern kann, und wie schwierig es dadurch wird, sämtliche Kundenbedürfnisse zu erfüllen.

• Das Beispiel der Haushaltsgerätehersteller verdeutlicht, wie neue Value Pools einer Differenzierung vom Wettbewerb dienen können.

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FALLSTUDIE 1

NEUE ERLÖSQUELLEN BEI SPORTARTIKELN

Wie schnell in einer Branche die Komplexität infolge des technologischen Fortschritts zunehmen kann, verdeutlicht das Beispiel der Sportartikelhersteller. Die Messung der sportlichen Leistung und Körperfunktionen ist zum globalen Megatrend geworden. Umso schwieriger wird es, den Gesamtmarkt zu adressieren. „Smarte“ Bekleidung und Uhren sowie eine Unzahl damit verbundener Angebote führen zu einer Zersplitterung der Value Pools und machen es einem einzelnen Unternehmen unmöglich, alle Bereiche der Wertschöpfung abzudecken.

Abbildung 1: Der technologische Fortschritt erhöht die Komplexität bei Sportartikeln

• Bekleidung mit integrierten Messgeräten, die Herzschlag, Atmung oder Muskelkontraktionen erfassen

• Die ersten High-End Sport-Shirts sind bereits auf dem Markt

• Die Funktionalität „smarter“ Bekleidung wird in den kommenden Jahren stark zunehmen

SMARTE BEKLEIDUNG

RALPH LAURENATHOSOMSIGNALBeispiele:

1. GENERATION WEARABLES BEIM SPORT

• Start-ups erschließen den Markt mit Fitness-Apps und eigenen Wearables

• Hohes Maß an Interaktion mit Kunden und innerhalb der Community

• Etablierte Hersteller investieren in den schnell wachsenden Markt (etwa Adidas, Under Armour)

FITNESSPROGRAMME, DIE IMMER HÄUFIGER WEARABLES NUTZEN

MYFITNESSPALRUNTASTICFITBIT

Beispiele:

• Smart Watches messen nicht nur den Herzschlag, sondern enthalten auch Messaging- und Telefonfunktionen

• Hoher Kannibalisierungsgrad bei traditionellen Uhren in jungen Altersgruppen und bei Basissportarten (Jogging, Workout)

SMART WATCHES GROSSERTECHNOLOGIEKONZERNE

APPLEGOOGLESONYSAMSUNGBeispiele:

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CASE STUDYFALLSTUDIE 2

NEUE ERLÖSQUELLEN BEI WEISSER WARE

Große Haushaltsgeräte sind Produkte mit langer Lebensdauer und sollten weniger als andere von der Digitalisierung betroffen sein. Doch jüngst gab es bemerkenswerte Veränderungen in Richtung neuer Value Pools, vor allem verbunden mit der Vernetzung privater Haushalte, digitalen Inhalten, Communities und Möglichkeiten der Personalisierung. Beschleunigt wurde das Ganze durch den Koch-Boom. Das Aufkommen neuer Umsatzquellen steht noch am Anfang, erkennbar vor allem im Umfeld des „Smart Home“, in dem Konzerne wie Google, Nest und Apple mit dem HomeKit aktiv sind. Amazon schließt mit sprachgesteuerten Geräten wie Echo, Tap und Eco Dot auf, die die Alexa-Technologie nutzen. Andere etablierte Hersteller setzen auf Allianzen, etwa Samsung mit Microsoft und Intel. Sie erschließen sich so neue Umsatzquellen, die anders als in der ersten Fallstudie nicht bestehende Produkte ersetzen.

Abbildung 2: Zusätzliche Umsatzquellen bei Haushaltsgeräten

INNERES ÖKOSYSTEM ÄUSSERES ÖKOSYSTEM

HAUSHALTS-GERÄTEOptionen zur

PersonalisierungBeispiele:

Individuelle Nutzerschnittstellen

und Benutzer-oberflächen

Traditionelle und digitale Services

inklusive FinanzierungBeispiele:

Kundendienst, Konsumentenkredit

Communities und EventsBeispiele:

Kochschulen, Rezeptwettbewerbe

Sharing-DiensteBeispiel:

Gemeinsame Nutzung von

Waschmaschinen

Traditionelles und digitales Zubehör

Beispiele: Bildschirmschoner,

gekoppelte Leuchten

Vernetzung und Fernbedienung

Beispiele: Kontrolle über

Apps; vernetzte Haushaltsgeräte

Digitale Inhalte und Services

Beispiele: Rezepte,

maßgeschneiderteProgramme

• Neue Umsatzquellen wie Miet- und Leasing-Modelle

• Umsätze mit Dritten auf Basis von Kundendaten, etwa vom Kühlschrank initiierte Lebens- mitteleinkäufe

• Bescha�ung von Verbrauchsgütern wie Nespresso, Brita, Amazon Dash Button

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NEUE ERLÖSQUELLEN RICHTIG ERSCHLIESSEN

Eine Analyse von 20 Konsumgüterbranchen zeigt, dass sich Veränderungen von Value Pools in drei Phasen vollziehen (vgl. Abbildung 3). Kaum eine Branche befindet sich noch in Phase 1. In den meisten Branchen sind bereits neue Umsatzquellen entstanden (Phase 2). Zudem gibt es eine Reihe kleinerer Unternehmen, die an Geschäftsmodellen für neue Ökosysteme (Phase 3) arbeiten. Diese Start-ups bündeln Umsatzpotenziale und greifen etablierte Anbieter an, indem sie beispielsweise den Preis physischer Güter subventionieren. Hier müssen Unternehmen zeitnah passende Gegenmaßnahmen ergreifen.

Abbildung 3: Die drei Phasen der Veränderungen von Value Pools

• 100% Wertschöpfung aus dem Verkauf physischer Produkte

• Keine zusätzlichen Value Pools, die das Potenzial hätten, − das physische Gut

zu ersetzen− einen Mehrwert

hierfür zu scha�en− zusätzliche Einnahmen

zu generieren

• Value Pool wird durch zusätzliche, neue Einnahmequellen ergänzt

• Neue branchenfremde Wettbewerber treten auf, ohne Etablierte schon bedrohen zu können

• Neue Geschäftsmodelle wie Leasing, Miete oder Streaming entstehen

• Etablierte ringen damit, Relevanz und Wachstumspotenzial der neuen Angebote zu erkennen

• Neue Erlösquellen sind in Summe größer als die ursprüngliche

• Es entstehen neue Ökosysteme mit neuen Angeboten und Spielregeln

• Neue Anbieter können die Etablierten überflüssig machen

• Neue Anbieter haben erkannt, dass das Produkt nur ein Bestandteil der Kundenerwartungen über den gesamten Lebenszyklus hinweg ist

MobilitätPKW

Sportartikel

Möbel

Haushaltsgeräte/Weiße Ware

PHYSISCHEGÜTER

Neues Ökosystem

1. KONZENTRIERTE VALUE POOLS

2. ZERSPLITTERTE VALUE POOLS

3. NEUE ÖKOSYSTEME

CommunityVernetzung

DigitaleAngebote

Apps Services

PHYSISCHEGÜTER

Community Vernetzung

DigitaleAngebote

Apps Services

PHYSISCHEGÜTER

BEISPIELE (BLICK VON AUSSEN)

Anmerkung: Größe der Kreise zeigt die Umsatzverteilung

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TRANSFORMATION

STRUKTURIERTE BEWERTUNG VON CHANCEN UND RISIKEN

Bislang gelingt einer beträchtlichen Zahl von Konsumgüterherstellern noch nicht, neue Value Pools systematisch „top down“ anzugehen. Stattdessen werden scheinbar un-strukturiert Initiativen gestartet, neue Teams und Geschäftsbereiche geschaffen und bei Gelegenheit Start-ups übernommen. All dies geschieht, ohne dass es einen Plan gibt, welche Value Pools adressiert werden sollen und wie sich die Investitionen in Personal und Infrastruktur rechnen. Das ist eine gefährliche Strategie, wenn man bedenkt, mit welcher Geschwindigkeit neue Value Pools entstehen, das bestehende Geschäft bedrohen und so Einfallstore für neue Wettbewerber schaffen.

Jeder Konsumgüterhersteller sollte in der Lage sein, die folgenden Fragen zu beantworten:

• Wie aufnahmebereit sind unser Markt und unsere Konsumenten für neue Value Pools? • Welche relevanten Value Pools bestehen bereits oder werden entstehen und wie

können wir diese anzapfen? • Sind sie eher eine Chance auf zusätzliche Umsätze oder aber eine Bedrohung für die

bestehenden Umsätze mit physischen Gütern? • Wer sind heute und morgen die Wettbewerber in diesen Value Pools? Ist das eigene

Unternehmen in der Lage zu konkurrieren und welche Fertigkeiten braucht es dazu? • Wie sollte das Innovationsmanagement gestaltet werden, um neue Value Pools

effektiv und effizient adressieren zu können?

Nachfolgend findet sich ein ganzheitlicher Ansatz in drei Schritten, um sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen.

IDENTIFIKATION DER CHANCEN UND RISIKENMit Blick auf die Value Pools gibt es drei wesentliche Formen der Bedrohung – von gering bis hoch. Diese haben ganz unterschiedliche Implikationen für etablierte Anbieter und legen fest, wie schnell ein Unternehmen handeln muss:

Ersetzende Value Pools: Eine solche Bedrohung entsteht, wenn sich ein Produkt komplett oder in Teilen durch ein anderes, möglicherweise digitales Produkt ersetzen lässt. In diesem Fall ist die Gefahr am größten, dass neue Anbieter die etablierten Märkte zerstören. Genau dies geschah beispielsweise im High-End-Markt für Kameralinsen, als die Smartphones die Aufgaben von Fotoapparaten übernahmen.

Ergänzende Value Pools: Ein solcher Fall liegt vor, wenn neue Value Pools das bestehende Angebot stark beeinflussen. Dies können Add-ons, Upgrades oder Möglichkeiten der Personalisierung sein. Solche Features spielen – abhängig von einer Reihe von Faktoren wie dem Lebenszyklus der Produkte – eine wichtige Rolle bei der Kaufentscheidung von Verbrauchern. Auch mit Blick darauf suchen zahlreiche Hersteller von Haushaltsgeräten derzeit nach Anwendungen für vernetzte Geräte.

Schaffung neuer Ökosysteme: Neue Value Pools können zusammengenommen auch ein komplett neues Ökosystem schaffen und dabei andere Wertschöpfungsketten schlucken. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Mobilfunkbranche, in der die Hardware – sieht man von den iPhones ab – gegenüber digitalen Services, Programmen und Apps ins Hintertreffen geraten ist.

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ABGLEICH BRANCHENENTWICKLUNG UND WETTBEWERBSSITUATION Ein erster Indikator für den Handlungsbedarf eines Unternehmens ist das Chancen-Risiko -Profil in der eigenen Branche. Doch erst mit einer Analyse des unmittelbaren Wettbewerbsumfelds sind wirklich belastbare Aussagen möglich. Während Sportartikelhersteller neue Value Pools beispielsweise als Quelle zusätzlicher Umsätze erschließen können, sehen sich andere Industriezweige plötzlich dem direkten Wettbewerb mit führenden Technologiekonzernen wie Apple, Google oder Microsoft ausgesetzt. Entscheidend ist hierbei die Frage, wie leicht sich ein Produkt digitalisieren oder ersetzen lässt. Die Risikomatrix in Abbildung 4 ist hilfreich, um die individuellen Risiken eines Unter-nehmens zu erkennen. Sie basiert auf den zuvor festgelegten Bedrohungen der Branche und der jeweiligen Wettbewerbssituation. Hierzu zählen fehlende Fertigkeiten oder Ressourcen, um neue Value Pools zu erschließen.

Abbildung 4: RisikomatrixAus der Verbindung der Bedrohungen der Branche mit der individuellen Wettbewerbssituation ergibt sich die Größe des Handlungsbedarfs

BEDROHUNGSNIVEAU DER BRANCHE

GroßKlein ABSTAND ZUR PERFORMANCE DER WETTBEWERBER

Hoch

Niedrig

Branche stark bedroht, doch der

Konkurrenzdruck ist noch schwach bzw.

es herrscht Wettbewerb auf Augenhöhe

Besonders großer

Handlungsbedarf

Branche kaum bedroht und Wettbewerb

kümmert sich kaum um neue Value Pools/

Digitalisierung

Branche noch kaum bedroht,

doch etablierte wie neue Konkurrenten

experimentieren mit neuen Value Pools

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TRANSFORMATION

UMSETZUNG MIT DASHBOARDSWenn das Topmanagement den Handlungsbedarf festgestellt hat, sollte ein Dashboard genutzt und regelmäßig aktualisiert werden. Die Kernelemente sind:

Landkarte der aufkommenden Value Pools: Sie enthält einen Kriterienkatalog, um deren Relevanz einzuordnen, sie zu klassifizieren und zu priorisieren. Danach sollten Ziele für das Umsatzpotenzial oder den Markanteil festgelegt und auch in interne Ressourcen, beispiels- weise für Forschung & Entwicklung, übersetzt werden.

Wettbewerbsradar: Er erfasst bereits in Konkurrenz stehende Geschäftsmodelle in benachbarten Value Pools sowie voraussichtliche künftige Wettbewerber.

Ergebnisorientierte Forschung & Entwicklung/Innovationsorganisation: Wenn die Prioritäten festliegen, sollten Unternehmen eine F&E-Roadmap entwickeln. So schaffen sie die Voraussetzungen, um in den bevorzugten Value Pools Erfolg zu haben. Um eine Ver- wässerung von Verantwortlichkeiten zu vermeiden, sollten die damit verbundenen Ressourcen getrennt von den Teams bleiben, die an den üblichen Innovationen für bestehende Produkte arbeiten. Unternehmen sollten zudem ihre bestehenden Genehmigungs- prozesse für Innovationen anpassen, da es ansonsten Produkte in den neuen Value Pools nie bis zur Marktreife schaffen werden.

FAZIT

Neue Value Pools werden tektonische Verwerfungen in allen Zweigen der Konsumgüter-branche auslösen. Das gilt auch für Bereiche mit traditionell langen Produktlebenszyklen: Diese werden sich verkürzen und neue Wettbewerber am Horizont auftauchen. Daher sollte jedes Unternehmen seinen Markt kontinuierlich mit Blick auf neue Value Pools beobachten und mit einem Top-down-Ansatz diejenigen auswählen, in denen sie selber aktiv werden wollen.

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ZURÜCK AUF NULL WIE SICH DIE KOSTEN IM HANDEL UM 20 BIS 40 PROZENT REDUZIEREN LASSEN

Seit jeher sind die Kosten ein Thema für jeden gut geführten Einzelhändler. Da sie üblicherweise schneller steigen als die Preise, müssen Unternehmen ständig ihre Effizienz erhöhen, um ihre Gewinne nur stabil zu halten. Auf der Suche nach Einsparungen können Unternehmen in eine Tretmühle geraten, in der sie immer wieder eine Salamitaktik für Einschnitte beim Personal nutzen, den Druck auf Lieferanten erhöhen und ihre Ausgaben auf den Prüfstand stellen. Solche kleinteiligen Maßnahmen sind Alltag bei den meisten Einzelhändlern. Doch reichen sie heute nicht mehr aus.

OPERATIONAL EXCELLENCE

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Die Nachfrage stagniert, Verkaufsflächen gibt es im Überfluss und der Druck durch Anbieter mit niedrigen Kosten wächst. Viele Händler müssen daher ihre Kosten radikal reduzieren und ihre Einsparerfolge vervielfachen – es geht um 20 Prozent und nicht mehr nur um zwei Prozent weniger Kosten.

Andere Branchen haben einen solchen Wandel bereits durchlebt. Um in Zeiten rückläufiger Durchschnittsumsätze pro Kunden profitabel zu bleiben, haben beispielsweise die Telekommunikationsanbieter in Europa ihre Betriebsausgaben je Nutzer in weniger als zehn Jahren um mehr als 30 Prozent gesenkt (vgl. Abbildung 1). In einer ähnlichen Größen- ordnung reduzieren derzeit Retail-Banken ihre Kosten, während die Digitalisierung ihrer Produkte läuft und die Bedeutung der Filialnetze abnimmt.

Abbildung 1: Telekommunikationsanbieter haben ihre Betriebsausgaben je Nutzer in weniger als zehn Jahren um mehr als 30 Prozent gesenkt

50

0

100

2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013

BETRIEBSAUSGABEN JE NUTZER

Osteuropa

Westeuropa

Quelle: UBS; Wireless Matrix (BoA, Merrill Lynch); Informa Telecoms & Media; CISCO; IEEE; Oliver Wyman

Zum ersten Mal sind nun auch viele Einzelhändler bereit, radikale Sparmaßnahmen zu ergreifen. Aber wie kann einem Einzelhändler ein derartiger Quantensprung bei den Kosten gelingen? Eine Möglichkeit ist die Abkehr von einer schrittweisen Reduzierung der Zahl der Beschäftigten in den Zentralen hin zu einem „Zero-Base-Ansatz“, einer Planung der Kosten vom Nullpunkt aus. Im Mittelpunkt stehen dabei in allen Bereichen die unbedingt notwendigen Aufgaben, für die es einen echten Business Case gibt, und das Abschneiden sämtlicher „Nice-to-Have“-Aktivitäten.

Eine weitere Möglichkeit liegt darin, über alle Bereiche hinweg interne wie kundenorientierte Prozesse radikal zu vereinfachen und zu automatisieren sowie dabei von den neuen, rein digital agierenden Einzelhändlern zu lernen. Es gibt mittlerweile reine Onlinehändler mit Umsätzen von mehr als einer Milliarde US-Dollar, die in ihren Zentralen weniger als 200 Beschäftigte haben. Natürlich lässt sich das nicht 1:1 auf etablierte Einzelhändler übertragen. Doch das Vorgehen der neuen Wettbewerber ist sehr aufschlussreich, gerade wenn es darum geht, mit Analysetools und Algorithmen die Personalkosten zu senken. Die erste Fallstudie beschreibt den Wandel in einer Versicherung infolge der Digitalisierung.

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OPERATIONAL EXCELLENCE

Das Geschäft im Handel lässt sich auch vereinfachen, indem man zahlreiche Nischenprodukte auslistet, zum Beispiel in Bereichen, in denen Kunden eine große Auswahl überhaupt nicht schätzen. Die zweite Fallstudie erläutert, wie ein Discounter sein Sortiment in einer durch- schnittlichen Filiale um 20 Prozent verkleinerte. Selbstverständlich erfordert die Reduzierung der Zahl der Artikel viel Fingerspitzengefühl. Umsatzeinbußen lassen sich jedoch mini- mieren, wenn sich die Einschnitte auf Doubletten im Sortiment sowie Bereiche konzentrieren, in denen die Elastizität bei der Auswahl gering ist. Wer sein Sortiment auf diese Weise strafft, steigert die Effizienz in Lieferkette und Betrieb und reduziert die Kosten.

Schließlich lassen sich auch Quantensprünge bei den Kosten durch eine Vereinfachung und Straffung der Lieferantenbasis erreichen. Wenn Einzelhändler mit einer geringen Zahl von Zuliefern wesentlich enger kooperieren, erhalten sie erheblich bessere Konditionen (mehr dazu in der Studie: „Vertrauen ist besser“, Seite 62). Bei einigen Einzelhändlern besteht zudem die Möglichkeit, Mittelsmänner in der Lieferkette auszuschalten und den Anteil an höhermargigen Eigenmarken zu steigern.

FAZIT

Die enormen Einsparerfolge anderer Branchen sollten sich Einzelhändler zum Vorbild nehmen. Dazu müssen sie allerdings auch in größeren Dimensionen denken. Weitreichende Einsparungen lassen sich nicht durch kleinteilige Veränderungen bestehender Geschäfts-modelle erreichen. Stattdessen müssen Einzelhändler noch einmal von vorne beginnen, die gewohnten Denk- und Arbeitsweisen hinter sich lassen sowie vom Nullpunkt aus ihre Kosten planen. Immer im Blick: die wahren Wünsche und Bedürfnisse der Kunden. Der Einzelhandel hat wie andere Branchen eine profitable Zukunft, wenn er seine Produkte und Dienst- leistungen im Rahmen eines Geschäftsmodells mit niedrigen Kosten erbringen kann. Wichtige Beiträge dazu können beispielsweise neue Technologien leisten, die die Komplexität reduzieren oder dem Kunden helfen, sich selbst zu helfen. Solche Veränderungen geschehen nicht über Nacht. In den kommenden Jahren wird es jedoch immer mehr Einzelhändler in mehr Märkten geben, die solche Vorstöße wagen.

Abbildung 2: In drei Schritten zum Zero-Base-Ansatz bei den Kosten

Aktuelle Kostenbasis

Mindest-anforderungen

für das Überleben

Strategische Mindestanforde-

rungen

Einspa-rungen

Ziel

Schritt 1: Festlegung der Mindestanforderungen für das Überleben

• Zwingend erforderliche Aufgaben wie die Erfüllung gesetzlicher Vorgaben

• Berechtigte Anforderungen an den Betrieb wie Gesundheit und Sicherheit

• Kein Schnickschnack, keine Extras

Schritt 2: Festlegung der strategischen Mindestanforderungen

• Berücksichtigung kurz-, mittel- und langfristiger Ziele

• Kein Schnickschnack, nur wenige Personen sind beteiligt, es gibt gezielte Investitionen

Schritt 3: Festlegung eines realistischen Ziels für die Optimierung

• Berücksichtigung einer begrenzten Zahl von Extras

• Keine überflüssigen internen Anforderungen

• Nur wenige nicht wertgenerierende Aktivitäten

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FALLSTUDIE 1

KOSTENSENKUNG DURCH DIGITALISIERUNG

AUSGANGSLAGE Ein traditionsreicher europäischer Anbieter von Personenversicherungen verlor Kunden an neue digitale Wettbewerber. Dem Management war klar, dass die Digitalisierung der Schlüssel zum Überleben war – und genutzt werden muss, um die Agilität beim Pricing zu erhöhen sowie den Betrieb zu straffen.

BEITRAG VON OLIVER WYMAN Eine Benchmark-Analyse mit anderen Versicherern und erfolgreichen digitalen Angreifern brachte das Management dazu, die bisherigen Arbeitsweisen im Unternehmen zu überdenken. Bei der Analyse stellte sich heraus, dass einer der Anbieter seine Preise alle 15 Minuten aktualisieren konnte, während ein anderer mit nur 30 Servicekräften 750.000 Policen betreute.

Mit diesem Wissen wurden sämtliche Schlüsselprozesse neu aufgesetzt. Der traditionsreiche Versicherer sollte künftig wie ein digitaler Angreifer agieren. So war es für Kunden fortan möglich, Forderungen online einzureichen und deren Bearbeitung zu verfolgen. Für die entsprechenden Dienstleister gab es nur noch eine Anlaufstelle.

Oliver Wyman nutzte zudem mehr als ein Terrabyte Daten des Versicherers zum Aufbau einer kundenspezifischen Datenbank. Diese liefert nun wöchentlich eine Einschätzung der Risiken bei Versicherten und nutzt dazu 8.000 Kombinationen von Risikofaktoren, 750.000 Datenpunkte und mehr als 200 Millionen individuelle Angebote.

ERGEBNISSE Der Nutzen für den Versicherer war erheblich:

• Innerhalb von 18 Monaten summierten sich die Ersparnisse auf mehr als 100 Millionen Euro. Das Unternehmen bewegte sich mit hoher Geschwindigkeit in Richtung der angestrebten Kostenziele.

• Die Marge verbesserte sich um mehr als fünf Prozentpunkte durch dynamisches Pricing, eine Verringerung der Risiken und den verstärkten Vertrieb von Zusatzleistungen.

• Die Reaktionsgeschwindigkeit bei Preisänderungen der Konkurrenz nahm deutlich zu.

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OPERATIONAL EXCELLENCEFALLSTUDIE 2

KOSTENSENKUNG DURCH REDUZIERUNG DER KOMPLEXITÄT

AUSGANGSLAGE Ein angeschlagener Discounter in den USA erkannte, dass sein breites Sortiment die Komplexität seines Geschäftsmodells und damit die Kosten in die Höhe trieb.

BEITRAG VON OLIVER WYMAN Dank der Zusammenarbeit mit Lieferanten gelangten nur noch verkaufsfertige Frischwaren in die Lager des Händlers, die weder geschnitten noch verpackt werden mussten. Bei der Straffung des Frischesortiments wurden Artikel mit hohen Abschriftenquoten gestrichen. Zudem lag der Fokus nun auf Lieferanten in der Nähe der Logistikzentren des Händlers. Dies reduzierte die Kosten in der Lieferkette. Durch regalfertige Verpackungen und in einigen Fällen auch einen Wechsel von Verpackungen hin zu Minipaletten gelang es zudem, die Zahl der händisch einzusortierenden Artikel zu verringern (vgl. Abbildung 3). Um die Prozesse an der Kasse zu beschleunigen, wurde die Position der Barcodes auf den Artikeln optimiert, sodass Produkte auf jeden Fall beim ersten Mal erfasst werden. Zudem sind die Kassentheken nun höher und Artikel gelangen nach dem Scannen direkt wieder in den Einkaufswagen.

ERGEBNISSE Der Einzelhändler konnte die Zahl der verschiedenen Produkte in einer typischen Filiale um 25 Prozent reduzieren. Dies ermöglichte auch eine Senkung der:

• Kosten der Lieferkette um 20 Prozent • Filialkosten für Versorger, Wartung und Reinigung um mehr als fünf Prozent • Personalkosten in den Filialen um mehr als 30 Prozent

Abbildung 3: Schnelle und effiziente Lösungen für die Wiederauffüllung von Regalen können die Effizienz in den Filialen um 1 bis 1,5 Prozent steigern

Schüttgut1%

Paletten1%

Schüttgut8%

Regalfertige Verpackungen

40%

Händisch einsortierte

Artikel24%

Händisch einsortierte

Artikel52%

Paletten28%Regalfertige

Verpackungen46%

TYPISCHER SUPERMARKT

SUPERMARKT NACH KOSTEN-

SENKUNG

VOLUMEN

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Die Geschäftsmodelle im Einzelhandel stehen von mehreren Seiten unter Druck: die Kosten- inflation, der Wettbewerb durch Discounter und Onlineanbieter sowie sich rasant verändernde Kundenbedürfnisse erfordern weitreichende Anpassungen. Immer kritischer durchleuchten die Unternehmen jeden Bestandteil ihres Geschäfts und damit auch ihre Beziehungen zu Lieferanten. In der Konsequenz verschärfen hier einige Einzelhändler die Gangart. Während sie kurzfristig davon profitieren können, gibt es nach Beobachtungen von Oliver Wyman zugleich einen anderen Trend: Einzelhändler erarbeiten gemeinsam mit Lieferanten neue Möglichkeiten der Wertsteigerung, um höhere und nachhaltigere Verbesserungen zu erzielen.

Schritt für Schritt wird nachfolgend erläutert, wie sich die Beziehungen zu Lieferanten zum beiderseitigen Nutzen neu gestalten lassen. Die Konzentration auf eine höhere Effizienz des gesamten Lieferanten-Händler-Systems führt zu höheren Einsparungen als die her- kömmliche „Die versus wir“-Methode.

Gemeinsam mit Einzelhändlern stellt Oliver Wyman derzeit rund um den Globus die Prozesse bei ausgewählten Schlüssellieferanten auf den Prüfstand. Daraus ergeben sich Einspar- potenziale in Millionenhöhe. Auf den Gesamtmarkt hochgerechnet summieren sich diese allein für Frischprodukte zu Milliarden (vgl. Abbildung 1).

VERTRAUEN IST BESSER WER MIT LIEFERANTEN KOOPERIERT, KANN MILLIONEN EINSPAREN

Abbildung 1: Einsparpotenziale durch Partnerschaften mit Frischproduktelieferanten

LAND MÖGLICHE EINSPARUNGEN

Euro (in Mrd.) Lokale Währung (in Mrd.)

China 0,8–1,2 ¥ 5,8–8,8

Frankreich 1,4–2,0 € 1,4–2,0

Deutschland 1,2–1,8 € 1,2–1,8

Großbritannien 1,5–2,3 £ 1,2–1,8

USA 6,2–9,2 $ 7,0–10,6

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OPERATIONAL EXCELLENCE

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Die Beziehungen zwischen Einzelhändlern und Lieferanten verändern sich in diesen Projekten von Grund auf. An die Stelle halbjährlicher Treffen von zwei Personen pro Partei tritt eine Struktur, die eine Vielzahl von Abteilungen umfasst und alle Beteiligten ermuntert, sich auf Basis gemeinsamer strategischer Ziele zu engagieren und neue Ideen voranzubringen – mit gegenseitigem Respekt und Vertrauen. Es geht um die gemeinsame Schaffung von Werten (Joint Value Creation).

Für diesen Wandel sind aus Sicht des Handels drei Schritte entscheidend:

• Die Auswahl der geeigneten Lieferanten • Der Aufbau einer produktiven Partnerschaft • Neue, bessere Prozesse für gemeinsame Innovationen

AUSWAHL DER RICHTIGEN LIEFERANTEN

Zu beachten ist, dass sich der Joint-Value-Creation-Ansatz nicht für alle Lieferanten eignet. Das bisherige Vorgehen mit harten Verhandlungen und klar abgegrenzten Interaktionen bleibt für die große Mehrheit der Lieferantenbeziehungen der richtige Weg. Für die Auswahl möglicher „Innovationspartner“ und die Überprüfung der bisherigen Zusammenarbeit nutzen Vorreiter eine Struktur, wie sie Abbildung 2 zeigt.

Abbildung 2: Konzept zur Identifizierung der richtigen Partner für „Joint Value Creation“

THEMA PUNKTE BEGRÜNDUNG

Prioritäten:

In welchem Ausmaß ist der Lieferant an „Joint Value Creation“ interessiert?

GERING HOCH

1 2 3 4 5

Ein hohes wirtschaftliches Eigeninteresse ist notwendig, damit beide Parteien die richtigen Ressourcen für dieses Programm bereitstellen.

Strategisches Potenzial:

Wie wichtig ist dieser Lieferant künftig in diesem Markt?

GERING HOCH

1 2 3 4 5

Da sich Märkte verändern, ist es wichtig, in diejenigen Partner-schaften zu investieren, die Vorteile für die Zukunft wie einen exklusiven Zugang zu Produkten und Diensten versprechen.

Vertrauen:

In welchem Maß vertrauen sich die Führungskräfte beider Unternehmen?

GERING HOCH

1 2 3 4 5

Vertrauen ist eine entscheidende Größe für den Erfolg gemeinsamer Initiativen. Führungskräfte beider Parteien müssen hinter den Veränderungen stehen und die neuen Denkweisen vorleben. Sie müssen sie als Chance begreifen und nicht als neuen Weg, mehr Geld mit der Gegenseite zu verdienen.

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OPERATIONAL EXCELLENCE

AUFBAU EINER PRODUKTIVEN PARTNERSCHAFT

Jedes Joint-Value-Projekt sollte konsequent darauf abzielen, einen nachhaltigen Wettbewerbs- vorteil für beide Partner zu erlangen. Das kann nur gelingen, wenn sich beide Seiten von Beginn an auf eine mehrjährige Zusammenarbeit auf der Basis einer klar definierten, auf gegenseitiger Wertschätzung beruhenden Struktur fortlaufender Interaktionen einlassen. Über die Zeit wächst das Vertrauen. In erfolgreichen Projekten verändern sich nicht nur die Prozesse, sondern auch die Haltung aller Beteiligten.

Einzelhändler und Lieferant müssen hierfür ein gemeinsames Ziel verfolgen. Dessen Fest- legung ist nicht so einfach. Schließlich geht es üblicherweise nicht nur um Preise und Mengen, sondern auch um Marktanteile, Kundenzufriedenheit, Produktqualität, Innovation, Effizienz der Lieferkette und andere komplexe Themen. Mögliche Ziele sind:

• „Wir wollen unseren gemeinsamen Marktanteil in den kommenden drei Jahren um 200 Basispunkte steigern.”

• „Wir werden jedes Jahr gemeinsam eine bahnbrechende Innovation auf den Markt bringen.”

• „Wir wollen den End-to-End-Prozess in der Lieferkette für Frischwaren um 24 Stunden verkürzen.“

Wer ein solches Ziel vereinbart hat, arbeitet enger zusammen und baut beispielsweise gemeinsame Teams rund um die Themen Produktentwicklung, Prognosen, Qualitäts- management und Logistik auf oder erhöht zumindest die Frequenz und Qualität der direkten Interaktion. Nach Erfahrung von Oliver Wyman sollte sich das Topmanagement mindestens zweimal pro Jahr treffen, die operativen Teams bis zu einmal im Monat.

All diese Treffen dienen dazu, die Fortschritte der gemeinsamen Projekte zu verfolgen, neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu finden und aktuelle Probleme zeitnah zu lösen. Eine höhere Besprechungsfrequenz macht allerdings nur Sinn, wenn beide Unternehmen zugleich mehr relevante Informationen austauschen und Einigkeit über Auswahl und Berechnungsmethoden der Kennzahlen (KPIs) besteht. Ein gutes Instrument sind gemein- same „Scoreboards“, die Daten beider Parteien in Echtzeit aufbereiten. Damit setzen Führungs- wie Fachkräfte auf Lieferanten- und Händlerseite auf den exakt gleichen Informationen auf (vgl. Abbildung 3).

In besonders weitreichenden Partnerschaften verändern die Unternehmen sogar ihre variablen Vergütungssysteme und integrieren die gemeinsam definierten KPIs. Wenn die Teams beider Seiten für eine gemeinsame Erfolgsstory motiviert sind, verdoppeln oder verdreifachen sich häufig die positiven Effekte dieser Partnerschaften.

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NEUE, BESSERE PROZESSE FÜR GEMEINSAME INNOVATIONEN

Einzelhändler wie Lieferant profitieren, wenn sie gemeinsam ihre bestehenden Prozesse überprüfen. Eine Zusammenarbeit eröffnet nach Beobachtungen von Oliver Wyman kurz- fristig vor allem hohe Verbesserungspotenziale in der Produktentwicklung, bei Prognosen, der Vermeidung von Doppelarbeit sowie innerhalb der Lieferkette.

PRODUKTENTWICKLUNG Während der Produktentwicklung interagieren Einzelhändler und Lieferanten bei verschiedenen Gelegenheiten. Vielfach folgen die Prozesse keinem gemeinsam erstellten Plan; die beiden Parteien handeln auch nicht eng verzahnt.

Wie ein gemeinsamer Ansatz funktionieren könnte, zeigt Abbildung 4. Wenn sich beide Parteien fragen, wie sie die Erträge aus dem neuen Produkt erhöhen können, kommen sie automatisch dahin, mehr Informationen auszutauschen und so den gesamten Prozess zu verbessern. Damit steigt die Attraktivität der neu entwickelten Produkte, die Zahl der Über- arbeitungsschleifen sinkt, die Zeit bis zur Markteinführung verringert sich ebenso wie die zwischenzeitliche Unsicherheit und es fällt leichter, Bestellungen und Produktion nach der Markteinführung zu planen. Der Fokus einer solchen gemeinsamen Produktentwicklung liegt in der Regel auf den Handelsmarken, da hier eine ausgeprägte Balance der Verantwortungs-bereiche beider Partner besteht.

Abbildung 3: Beispiel eines Supply Chain Scoreboards

Indicator Granularity / Calculation Last month level YTD level vs. target

ECONOMIC PERFORMANCE | SERVICE LEVEL & QUALITY

SUPPLY CHAIN SCOREBOARD

Sales Volume & value 340 T

10.0%

2.0%

1.2%

2.6%

2.2%

2.0%

1.7%

1.4%

1.1%

3.4%

27%

12%

95%

96%

86%

90%

90%

95%

92%

89%

1,905 T

7.0%

1.7%

1.5%

3.0%

2.8%

2.7%

2.1%

1.8%

1.7%

3.6%

25%

15%

94%

97%

88%

92%

91%

97%

90%

87%

% of sales volumes

% of net sales value

% Abs di�erence between forecasted & sales volumes

% Abs di�erence between forecasted & ordered volumes

% OSA based on hour-by-hour sales analysis vs. comparable store

-

-

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OPERATIONAL EXCELLENCE

Abbildung 4: Produktlebenszyklus, wenn Lieferant und Händler zusammenarbeiten

LIEFERKETTE

VERKAUF

PRODUKT-(NEU)-

ENTWICKLUNG

PRODUKT-(NEU)-ENTWICKLUNG LIEFERKETTE VERKAUF

• „Wir geben klare Hinweise, wie unsere Handelsmarken aussehen sollten.”

• „Wenn wir Lücken im Sortiment erkennen, informieren wir darüber auch die Lieferanten. So identifizieren wir neue Chancen.”

• „Wir ermuntern unsere Category Manager, mit Lieferanten über ihre Strategie zu sprechen.“

• „Wir verfolgen die Lager-bestände genau und wissen, wann Nachbestellungen erforderlich sind.”

• „Wir haben immer die Mindesthaltbarkeitsdaten im Blick, damit möglichst wenig Abfall anfällt.“

• „Wir wissen am besten, wie und wo wir Produkte platzieren müssen.”

• „In unseren Filialen gibt es regelmäßig Marketingaktivitäten.“

• „Wenn es zur gemeinsamen Nutzung von Daten kommt, können wir die Produktions-planung und Herstellung deutlich e�zienter gestalten.“

• „Wir suchen nach Wegen, unsere Produkte nach der Herstellung schneller in die Lager bzw. Filialen unserer Kunden zu bringen.“

• „Mit unseren Analysen helfen wir Einzelhändlern, ihre Produkt-auswahl zu verbessern.”

• „Wir beteiligen uns an Marketing-aktivitäten in den Filialen.”

• Der End-to-End-Prozess beansprucht insgesamt weniger Zeit und Kosten.

• Der Frischegrad der Produkte in den Regalen steigt ebenso wie deren Verfügbarkeit; die Abschreibungen sinken.

• Lieferant und Händler erarbeiten gemeinsam Konzepte für die Präsentation im Laden sowie Regal-Planogramme und sortieren „Ladenhüter“ aus.

• Der Lieferant agiert als externer Berater und möglicherweise auch als Category Captain.

• Umsätze und Margen beider Seiten steigen, wenn neue Produkte auf den Markt kommen:

− Die Entwicklungskosten des Lieferanten sinken.

− Der Einzelhändler profitiert von einer höheren Zahl exklusiver Produkte, die genau seinen Bedürfnissen entsprechen.

• „Wir analysieren regelmäßig, welche Lücken im Sortiment wir noch schließen können.“

• „Bei unseren Produktkonzepten behalten wir die Strategien in dieser Warengruppe sowie Veränderungen am Markt im Blick.“

• „Unsere Informationen über voraussichtliche Kosten, Regalpreise und Margen teilen wir mit Händlern.“

EINZELHÄNDLER

LIEFERANT

WAHRSCHEINLICHES ERGEBNIS

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PROGNOSEN Die Qualität der Prognosen ist entscheidend um sicherzustellen, dass Lieferanten Einzel- händlern Produkte in den richtigen Mengen, zur richtigen Zeit und zu den geringstmöglichen Kosten liefern. Die Praxis sieht oft noch anders aus. Bei einigen Einzelhändlern bereiten teilweise verschiedene Teams die Normal- und Aktionsmengenprognosen vor, doch keines tauscht sich mit den Lieferanten aus.

Ein erster Schritt nach vorn ist in vielen Fällen ein simpler Prozess, mit dem alle Beteiligten vorliegende Prognosen prüfen können. Über die Zeit vereinheitlicht, verfeinert und ver- bessert sich das Zahlengerüst. Die besten Partnerschaften setzen dagegen auf gemeinsame Prognosen auf Basis einer einheitlichen Datenbasis. Im Ergebnis sind die Produkte an dem Ort und zu der Zeit verfügbar, wo sie der Kunde benötigt – und das in der erwarteten Qualität. Die Kosten für Abschreibungen und entgangene Umsätze können auf diese Weise erheblich sinken. Rückläufig sind auch die Herstellungskosten, da die Volatilität der Bestellungen zurückgeht und die Planung leichter fällt.

DOPPELARBEIT Überraschend viel Zeit entfällt bei Einzelhändlern und Lieferanten auf die gleichen Tätigkeiten. Beide bereiten Daten auf, verfolgen Bestellprozesse und führen Qualitätskontrollen durch. Die Reduktion solcher Doppelarbeiten lässt beiden Parteien mehr Zeit für Aktivitäten, die ihre Profitabilität direkt verbessern.

Häufig ist eine solche Vereinfachung gar nicht so schwierig. So lassen sich Bestellformulare online versenden und bearbeiten, anstatt zwei Systeme zu nutzen, die beide manuelle Dateneingaben erfordern. Bislang laufen auch oft noch dieselben Qualitätskontrollen beim Verlassen der Fertigung wie beim Eingang in den Logistikzentren der Einzelhändler. Wenn beide ihre Ergebnisse teilen und sich gegenseitig konsequent vertrauen würden, könnte eine Kontrolle problemlos wegfallen.

LIEFERKETTE Die Prozesse in der Lieferkette folgen häufig noch wenig verzahnten Arbeitsweisen und sind reif für eine Optimierung. Das gilt insbesondere bei Frischwaren, da hier schon geringe Zeitverluste die Verweildauer im Verkaufsregal deutlich verkürzen können.

Bei einem weitgehenden Umbau konzentrieren sich Einzelhändler und Lieferanten nach Beobachtungen von Oliver Wyman vor allem auf die folgenden Themen, um den Frischegrad zu erhöhen, die Abschreibungen zu reduzieren und die Umsätze zu steigern:

• Sie liefern in Zeitfenstern, wo weniger Betrieb herrscht. • Sie finden alternative Lieferwege. • Sie nutzen Lieferwege gemeinsam mit anderen Lieferanten oder Händlern. • Sie schalten externe Logistikanbieter ein. • Sie zentralisieren Prozesse wie die Zusammenstellung und Verpackung

von Bestellungen. • Sie tauschen Informationen aus.

Wer weiß, welche Informationen an welcher Stelle der Lieferkette wichtig sind, kann die wichtigsten Prozesse ohne größere Probleme beschleunigen. So geben Einzelhändler oft Informationen erst dann weiter, wenn sie sich zu 100 Prozent sicher sind. Doch schon mit vagen Prognosen könnte ein Lieferant mit der Produktion beginnen und später die exakten Mengen aus der Bestellung nachreichen. Im Idealfall lässt sich so die Lieferzeit halbieren (vgl. Abbildung 5).

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OPERATIONAL EXCELLENCE

FAZIT

In den meisten Märkten steigt der Druck auf Einzelhändler und Lieferanten. Dessen un-geachtet ist allein für Frischprodukte ein Potenzial von 14 Milliarden Euro weltweit noch unerschlossen, da die Verzahnung der Prozesse zwischen Einzelhändlern und Lieferanten unzureichend ist und keiner die Initiative ergreift, die Effizienz des gesamten Systems zu steigern.

Eine Ersparnis von 14 Milliarden lässt sich allerdings nur realisieren, wenn sich die Zusammen- arbeit zwischen Einzelhändlern und Lieferanten grundlegend ändert. Harte Verhandlungen, lange gepflegte Gewohnheiten und Rivalitäten gehören der Vergangenheit an. Es geht um die gemeinsame Schaffung von Werten. Der damit verbundene Kulturwandel bildet die größte Herausforderung: Anstatt sich um Nachkommastellen zu streiten, müssen beide Parteien in einem langfristig angelegten Projekt zusammenarbeiten.

Die Kooperation auf Basis des Ansatzes von Oliver Wyman zahlt sich für Einzelhändler wie Lieferanten aus: Die Innovationsgeschwindigkeit steigt ebenso wie der Umsatz, der Erfolg von Aktionen und die Effizienz der Lieferkette. Bei konsequenter Umsetzung resultiert daraus in reifen Märkten eine Steigerung der erzielten Deckungsbeiträge um fünf bis zehn Prozent – für beide Parteien ein enormer Gewinn.

Abbildung 5: Optimierung der Lieferzeit für Frischwaren

Filiale bereitet Bestellung vor

Zusammen-fassung der

Bestellungen

Verarbeitung Produktion

Lief

eran

tH

änd

ler

STANDARDPROZESS: 24 STUNDEN

OPTIMIERTER PROZESS: 12 STUNDEN

Filiale bereitet Bestellung vor

Zusammen-fassung

Verarbeitung Produktion

Lief

eran

tH

änd

ler

Zentrale Bestell-

prognose

Zeitersparnis

2 4 6 8 10 12 14 16 18 22 240Stunden

Up

dat

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erB

este

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g

Ver

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Ver

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Bes

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ng

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FALLSTUDIE 1

HÖHERER FRISCHEGRAD DANK OPTIMIERTER LIEFERKETTE

AUSGANGSLAGEEin europäischer Lebensmittelhändler plante einen gewaltigen Schritt nach vorn in Sachen Kosten und Qualität für sein Frischwarensortiment. Oliver Wyman unterstützte ihn dabei, die Beziehung zu einem Schlüssellieferanten neu zu gestalten.

WESENTLICHE AKTIVITÄTENZu Beginn stand eine Analyse der bestehenden Prozesse auf beiden Seiten. Daraus ergaben sich Schwachpunkte sowie Möglichkeiten für Verbesserungen. Auf dieser Basis legten Einzelhändler und Lieferant vier gemeinsame Ziele fest:

• Sie wollten eine neue Ära in der operativen und strategischen Zusammenarbeit beginnen und ihr Geschäft als Partner gemeinsam voranbringen.

• Sie wollten die Lieferkette soweit beschleunigen, dass die Produkte mehr als 24 Stunden länger im Regal sein konnten.

• Sie wollten die Genauigkeit der Bestellprognosen verbessern, um auf dieser Basis kosteneffizienter zu produzieren.

• Sie wollten ein kontinuierliches Verbesserungsprogramm mit den Schwerpunkten Produktqualität und Verweildauer im Regal auflegen.

Die Führungskräfte beider Seiten trafen sich ebenso regelmäßig wie die operativen Teams und Prognoseexperten. Dabei nutzten sie neue, gemeinsame KPIs. Interaktionen waren so nicht länger auf die Verhandlungsteams beschränkt.

Zwei gemeinsame Prognosen für Normal- und Aktionsware ersetzten die Vielzahl bisheriger Prognosen beider Seiten; die Partner glichen dazu Prognose- und Bestellvorgänge an. Die monatliche Beschäftigung mit der Aktions-Pipeline führte zu einer verbesserten Planungsqualität und gemeinsamer Optimierung des Gesamtertrags.

ERGEBNISDank der neuen Struktur und den regelmäßigen Meetings saßen nun alle Verantwortlichen an einem Tisch, um Strategien zu entwickeln, Marktrends zu bewerten und gemeinsame Leistungskennzahlen zu analysieren. Die verstärkte Zusammenarbeit erleichterte es, die Lieferzeiten zu verkürzen. Dies senkte die Kosten, da die Abschreibungen sanken, und führte zu zusätzlichen Einnahmen, weil den Kunden mehr attraktive Frischwaren zur Verfügung standen.

Der Anteil fehlerhafter Prognosen sank von mehr als 30 auf weniger als zehn Prozent. Die gemeinsame Beschäftigung mit der Aktions-Pipeline erhöhte deren Erfolgsquote, denn die Produkte waren nun zur richtigen Zeit und in der richtigen Menge am richtigen Ort.

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OPERATIONAL EXCELLENCEFALLSTUDIE 2

HANDELSMARKENPRODUKTE GELANGEN 30 PROZENT SCHNELLER AUF DEN MARKT

AUSGANGSLAGEEin europäischer Lebensmittelhändler erkannte die langsame Produktentwicklung seiner Handelsmarken als strategische Schwäche. Gemeinsam mit einem Schlüssellieferanten wollte er den Prozess beschleunigen, ihn zugleich effizienter gestalten und künftig besser auf Veränderungen im Kundenverhalten reagieren können.

WESENTLICHE AKTIVITÄTENDie Experten von Oliver Wyman analysierten den gesamten Prozess in der Produktentwick-lung bei beiden Unternehmen. Es ergaben sich zahlreiche Redundanzen; Daten wurden doppelt erfasst, Produkttests waren überflüssig. Ein wichtiger Faktor: unzureichende Kommunikation zu Beginn der Entwicklung.

Oliver Wyman verbesserte die Kommunikation und half den Unternehmen beim Aufbau neuer Fertigkeiten und Prozesse. Entwicklungs projekte ließen sich damit beschleunigen, einfrieren oder beenden, je nachdem wie sich die Bedürfnisse des Händlers und seiner Kunden veränderten.

ERGEBNISDie Produktentwicklung wurde flexibler und konnte auf veränderte Prioritäten reagieren. Im Ergebnis war schließlich 30 Prozent weniger Zeit nötig, bevor ein neues Produkt im Regal stand. Bei Projekten mit hoher Priorität ging es noch schneller.

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STOPP DER VERSCHWENDUNG SO LASSEN SICH ABFÄLLE BEI FRISCHWAREN VERMEIDEN

Rund ein Drittel aller für den menschlichen Verzehr produzierten Lebensmittel wird vergeudet oder weggeworfen – weltweit sind dies circa 1,3 Milliarden Tonnen pro Jahr. Die damit verbundenen Kosten belaufen sich auf rund 900 Milliarden US-Dollar. Ohne Frage ist eine solche Größenordnung weder ethisch noch ökonomisch vertretbar. Weltweit steigt der Druck von Regierungen, Unternehmen und Verbraucherschützern, das Thema anzugehen. Allerdings wird es eine Illusion bleiben, die Verschwendung von Nahrungsmitteln komplett stoppen zu können. Der Versuch wäre nicht nur ein unrealistisches Unterfangen, sondern würde auch dazu führen, dass die Nahrungsmittel-versorgung und Rechte von Verbrauchern massiv beeinträchtigt werden könnten. Dessen ungeachtet gibt es unverändert sehr viele Möglichkeiten, die Menge weggeworfener Lebensmittel deutlich zu reduzieren. Bei richtigem Vorgehen ergeben sich daraus Vorteile für Produzenten, Einzelhändler und Verbraucher zugleich.

Wenn Einzelhändler den Frischegrad ihrer Produkte und damit deren Haltbarkeit erhöhen, leisten sie nicht nur einen Beitrag, um die Menge der weggeworfenen Lebensmittel auf Ebene der Verbraucher zu reduzieren und deren Zufriedenheit zu erhöhen. Vielmehr senken sie zugleich ihre Kosten durch reduzierten Verlust und Verderb. Über diese Einsparungen

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OPERATIONAL EXCELLENCE

STOPP DER VERSCHWENDUNG SO LASSEN SICH ABFÄLLE BEI FRISCHWAREN VERMEIDEN

hinaus können Lebensmittelhändler mit besonders frischen Produkten auch ihre Umsätze und Marktanteile erhöhen und ihr Image bei den Verbrauchern verbessern. So kann beispielsweise ein typischer Anbieter mit einer Nettomarge von drei Prozent seinen Gewinn um 17 Prozent steigern, wenn er den Anteil weggeworfener Lebensmittel von zwei auf 1,5 Prozent des Gesamtumsatzes reduziert.

Gemeinsam mit der entsprechenden Fachgruppe der Efficient-Consumer-Response-Initiative (ECR) hat Oliver Wyman die Wechselwirkung zwischen Maßnahmen zur Reduzierung der Abschriften und der Regalverfügbarkeit von Produkten analysiert. Die Leitung dieser breit angelegten internationalen Studie übernahm ein führendes Forschungsinstitut für den Einzelhandel von der Technischen Universität Eindhoven. Aus dieser Arbeit entstanden drei zentrale Empfehlungen, wie Einzelhändler eine Balance finden können zwischen ihrem Bestreben, die Umsätze zu steigern und die Verschwendung einzudämmen.

Die Studie steht zum Download unter www.ecr-shrink-group.com zur Verfügung.

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An der Studie beteiligten sich drei große europäische Lebensmitteleinzelhändler. Sie lieferten Daten zu mehr als 17.000 Artikeln für 27 Filialen, die die Basis für tief gehende Analysen in den Warengruppen Frische-Convenience, Obst und Gemüse sowie Frischfleisch darstellten. Diese deckten mehr als 50 Prozent aller im Markt entstehenden Lebensmittelabfälle ab.

DAS OPTIMUM HERAUSHOLEN

Aus der Studie ergeben sich drei zentrale Erkenntnisse: Erstens erfordert der Ausgleich zwischen Abfallvermeidungs- und Verfügbarkeitszielen einen Balanceakt, zweitens lässt sich die Höhe der Abschriften einfach und präzise voraussagen und drittens bedeutet ein hoher prozentualer Anteil weggeworfener Lebensmittel nicht automatisch, dass hohe Verbesserungspotenziale bestehen.

AUSGLEICH ZWISCHEN ABFALLVERMEIDUNGS- UND VERFÜGBARKEITSZIELEN ERFORDERT BALANCEAKT Es ist allgemein bekannt, dass eine höhere Regalverfügbarkeit tendenziell ein Treiber für höhere Abfallmengen ist. Der Studie gelang es, diesen Zusammenhang für drei Frisch-warensortimente zu quantifizieren (vgl. Abbildung 1). Anhand der Ergebnisse wird auch deutlich, dass bei gegebener Regalverfügbarkeit die zu erwartenden Abschriften stark variieren können.

Es ist sehr wichtig, die Ziele richtig festzulegen. Wenn eine zu hohe Regalverfügbarkeit angestrebt wird, steigt das Risiko überproportionaler Abfallmengen. Wenn sich jedoch ein Einzelhändler ein zu ehrgeiziges Ziel für deren Reduzierung setzt, können sich Nachteile bei der Regalverfügbarkeit und damit der Umsätze und Kundenzufriedenheit ergeben.

Abbildung 1: Abfallquoten steigen unterschiedlich mit der Regalverfügbarkeit

6

2

4

86 90 94 98 10084 88 92 96

REGALVERFÜGBARKEIT IN %

0

10

8

ABSCHRIFTEN IN % DES UMSATZES (NUR VERDERB)

Gemüse und Obst

Frische-Convenience

Frischfleisch

Quelle: Efficient Consumer Response (ECR) Community Shrinkage and On-Shelf Availability Group und Oliver Wyman

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OPERATIONAL EXCELLENCE

Es hängt von den jeweiligen Warengruppen und Filialen ab, wo die optimalen Zielgrößen liegen. Kein Einzelhändler sollte die damit zusammenhängenden Entscheidungen auf die leichte Schulter nehmen.

EINFACHE UND PRÄZISE PROGNOSEN ÜBER DIE HÖHE DER ABSCHRIFTEN SIND MÖGLICH Für jedes Produkt lässt sich eine Kennzahl, genannt relative Kolli-Reichweite, des voraus-sichtlichen Verderbs je Liefereinheit (Kolli) kalkulieren. Man muss dazu die durchschnittliche Nachfrage pro Tag, die Kolli-Größe und die Resthaltbarkeit im Regal erfassen. Je größer die Kennzahl, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass Artikel bis zum Verfallsdatum unverkauft bleiben. Je geringer der Wert ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass alle Artikel vor diesem Datum verkauft sind und damit die Abschriften sinken. Die relative Kolli-Reichweite bildet damit einen guten Anhaltspunkt um zu erkennen, welcher Anteil eines Produkts im Laden voraussichtlich am Ende im Abfall landet (vgl. Abbildung 2).

TROTZ HOHER ABSCHRIFTEN LÄSST SICH NICHT UNBEDINGT VIEL VERBESSERN Ein Vergleich der 27 Filialen offenbart erhebliche Unterschiede in Sachen Abschriften von Frischwaren. Ein Teil dieser Abweichungen lässt sich durch Unterschiede bei Umsatzgröße, Größe der Verpackungen und Haltbarkeit der Produkte erklären. Um den Einfluss dieser Faktoren herauszufiltern, verglichen die Experten die tatsächliche Situation in den Filialen – gemessen an der Regalverfügbarkeit und der tatsächlichen Abschriftenquote – mit der prognostizierten Abschriftenquote. Dabei berücksichtigten sie Schlüsselfaktoren wie die Sortimentsauswahl, die durchschnittliche tägliche Nachfrage und die Haltbarkeit, die von Filiale zu Filiale und zwischen den einzelnen Warengruppen variieren können. So war es möglich, die Entwicklung in jeder Filiale den Prognosen gegenüberzustellen. Aus dem Abstand zwischen den prognostizierten minimalen Abschriften und der Ist-Situation ergab sich das Ausmaß des Verbesserungspotenzials (vgl. Abbildung 3).

Abbildung 2: Die relative Kolli-Reichweite liefert eine gute Prognose für Abschriften

10

15

5

0,1 0,3 0,5 0,7 0,8 0,9 1,00,0 0,2 0,4 0,6

RELATIVE KOLLI-REICHWEITE

0

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ABSCHRIFTEN IN % DES UMSATZES (NUR VERDERB)

Quelle: Efficient Consumer Response (ECR) Community Shrinkage and On-Shelf Availability Group und Oliver Wyman

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Die Ergebnisse verdeutlichen, dass ein hoher Anteil weggeworfener Lebensmittel nicht unbedingt auf ein hohes Potenzial für Verbesserungen schließen lässt. Umgekehrt können sich auch Filialen oder Warengruppen mit niedrigen prozentualen Abschriften noch weit vom Idealzustand entfernt befinden. Wenn sich Einzelhändler auf die falschen Filialen konzentrieren, können Maßnahmen zur Eindämmung der Verschwendung nutzlos oder sogar kontraproduktiv sein. Um hier effektiv Fortschritt zu erzielen, ist es entscheidend zu erkennen, wo tatsächlich das Potenzial zur Reduzierung der Abfallmengen liegt.

VERSCHWENDUNG REDUZIEREN Aus der Studie ergeben sich drei Empfehlungen, um den Anteil weggeworfener Frischwaren zu reduzieren: Es geht um die Setzung der richtigen Ziele für die Verfügbarkeit und die Abfallvermeidung, die Konzentration auf Filialen und Warengruppen mit erheblichem Verbesserungspotenzial sowie eine höhere Lebensdauer im Regal.

DIE RICHTIGEN ZIELE FÜR VERFÜGBARKEIT UND ABSCHRIFTEN Bei der Festlegung des Ziels für die Regalverfügbarkeit handelt es sich um eine strategische Entscheidung. Wer in seiner Strategie vor allem auf ein hohes Serviceniveau setzt, strebt üblicherweise im Trockensortiment eine Regalverfügbarkeit von mindestens 98 Prozent an. Bei verderblichen Waren hingegen liegt das Ziel mit Blick auf den direkten Einfluss der Verfügbarkeit auf die Höhe der Abschriften normalerweise niedriger.

Auf der Suche nach der optimalen Balance zwischen Verfügbarkeit und Abfallvermeidung hilft es Einzelhändlern, die erwarteten Abschriften zu kalkulieren und die Ziele gemäß des tatsächlichen Verbesserungspotenzials zu setzen. So können sie erkennen, wie ein höheres oder niedrigeres Verfügbarkeitsziel ihre Ertragslage beeinflusst.

Abbildung 3: Filiale ist nicht gleich FilialeDas Potenzial zur Reduzierung von Abschriften kann stark variieren

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2

4

86 90 94 98 10084 88 92 96

0

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ABSCHRIFTEN IN % DES UMSATZES (NUR VERDERB)

REGALVERFÜGBARKEIT IN %

Filiale X erwartete Abschriften

Filiale X tatsächliche Abschriften

Filiale Y erwartete Abschriften

Filiale Y tatsächliche Abschriften

Verbesserungs-potenzial

Quelle: Efficient Consumer Response (ECR) Community Shrinkage and On-Shelf Availability Group und Oliver Wyman

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OPERATIONAL EXCELLENCE

Es braucht unterschiedliche Ziele für unterschiedliche Sortimentsbereiche. So sollte das Ziel für die Regalverfügbarkeit von Langsamdrehern mit einer kurzen Lebensdauer im Regal erheblich niedriger beziehungsweise die Toleranz für Abschriften höher liegen als für Schnelldreher mit einer mittleren bis hohen Lebensdauer im Regal.

Aus diesen unterschiedlichen Zielen können sich große Vorteile im Vergleich zu einem einheitlichen Ziel für alle Artikel ergeben. Der Studie zufolge kann eine Differenzierung zwischen Schnell- und Langsamdrehern die Abfallmengen um 12 Prozent reduzieren sowie die Regalverfügbarkeit um 1,3 Prozentpunkte erhöhen.

KONZENTRATION AUF FILIALEN UND WARENGRUPPEN MIT ERHEBLICHEM VERBESSERUNGSPOTENZIAL Eine Kennzahl für die erwarteten Abschriften je Liefereinheit ist sowohl leicht zu berechnen als auch von hoher Treffsicherheit. Category- und Supply-Chain-Manager, Einkäufer und Lieferanten können so auf einfache Weise erkennen, bei welchem Artikel voraussichtlich wie viel Abfälle je Liefereinheit entstehen und verfügen über eine gute Ausgangsbasis, diese Menge zu reduzieren.

Darüber hinaus ist dieses Vorgehen sinnvoll, um abteilungsübergreifende Diskussionen in die richtige Richtung zu lenken. So können große Liefereinheiten zwar die Logistikkosten reduzieren. Doch was hilft das, wenn danach die Hälfte der Produkte im Abfall landet? Mit Benchmark-Analysen wird es auch möglich herauszufinden, bei welchen Filialen und welchen Frischwaren die größte Lücke zwischen Prognosen und Ist-Situation klafft. Diese Ergebnisse können dazu dienen, Best-Practice-Ansätze in schwächeren Filialen zu implementieren.

LÄNGERE HALTBARKEIT Schon die Verlängerung der Haltbarkeit von Frischwaren um einen Tag bringt erhebliche Vorteile. Bei Produkten mit einer Haltbarkeit von weniger als acht Tagen senkt ein einziger Tag mehr im Regal laut Modellrechnung die Abschriften um 42,8 Prozent und erhöht die Regalverfügbarkeit um 3,4 Prozentpunkte.

Ein guter Weg, den Frischegrad zu erhöhen, kann der Verzicht auf Mindestbestellmengen in den Logistikzentren sein. Dies erhöht die Flexibilität bei der Belieferung der Filialen mit Frischwaren. Natürlich müssen Unternehmen hierbei die höhere Komplexität im Betrieb und die damit verbundenen Kosten berücksichtigen. Doch das Potenzial in Sachen Verschwendung kann erheblich sein. In der Stichprobe verringerte dieses Vorgehen die Abschriften um 32,5 Prozent und erhöhte die Regalverfügbarkeit um zwei Prozentpunkte.

FAZIT

Lebensmittel wegzuwerfen sehen Einzelhändler oft als unvermeidlich an. Dabei haben sie durchaus noch Handlungsspielraum. Es gibt vielfältige Möglichkeiten, durch Verderb verur-sachte Abschriften zu senken, so die Effizienz im Sortiment und in den Filialen zu steigern sowie letztendlich die Ertragskraft zu stärken. Die Verschwendung von Nahrungsmitteln lässt sich erheblich reduzieren, wenn Einzelhändler die richtige Balance zwischen einer hohen Regalverfügbarkeit und niedrigen Abfallmengen finden sowie konsequent Bereiche mit Verbesserungspotenzial identifizieren.

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SCHWERPUNKT 2016: CREATING A TRUE RETAIL DESTINATION – THE HUNT FOR TRAFFIC AND CUSTOMER ENGAGEMENT Unser zweites CEO-Event für den Handel fand im Oktober in Düsseldorf statt. Nach einem herausfordernden Jahr drehten sich die Diskussionen um die Frage, wie sich die Rolle als „Retail Destination“ im Handelsumfeld absichern lässt. Mehr als 30 Entscheider folgten der Einladung zu diesem Kreis, der von Vorträgen mehrerer CEOs aus der Gruppe flankiert wurde.

Wie gewohnt wurde in vertraulicher Runde offen gesprochen: Der CEO eines im Turnaround befindlichen Händlers teilte seine Sicht ebenso wie der Deutschlandchef eines globalen Marktplatzes und der Geschäftsführer eines sehr erfolgreichen Möbelhändlers. Aus dem Zusammenspiel dieser Perspektiven ergaben sich spannende Einblicke. Insbesondere wurde deutlich, wie stark drei zentrale Eigenschaften einander bedingen, um im Wett- bewerbsumfeld erfolgreich zu sein.

ZEITGEMÄSSE TECHNOLOGISCHE FÄHIGKEITEN Es ist ein bekanntes Spiel: Die Gunst des Kunden und damit Frequenz gewinnt derjenige, der die Kundenwünsche am besten bedient. Neu ist, was sich Kunden wünschen: Shopping-Convenience, „any where, any time“, am liebsten kanalübergreifend. Damit einher geht der Bedarf, den Kunden über mehrere Kanäle hinweg möglichst nahtlos und flexibel zu bedienen.

Den Standard setzen einige wenige Händler, meist aus dem Onlinebereich, auf den alle anderen reagieren müssen. Für die meisten Händler bedeutet das, aus dem stationären Geschäft heraus auch ein erfolgversprechendes Onlineangebot auf die Beine zu stellen. Dies bedarf neuer Fähigkeiten und Ansätze: Onlinesortimente mit oft über 100.000 Artikeln lassen sich auf traditionelle Weise kaum noch von Einkäufern und Category Managern betreuen.

GUTE HANDWERKLICHE FÄHIGKEITEN UND ANALYTICS Richtige Sortimente, Preise und Promotions – sie bleiben weiterhin das Herzstück beim Buhlen um die Gunst des Kunden. Aufgrund immer höherer Geschwindigkeiten und kürzerer Saisonzyklen sowie stetig steigendem Bedarf an Lokalisierung und Individualisierung steckt dahinter eine Unzahl an Mikroentscheidungen. Nur wer es schafft, die richtigen Entscheidungen schnell zu treffen, kann den Kunden begeistern – analytische Fähigkeiten sind dafür unerlässlich.

RETAIL LEADERSHIP

CIRCLE

DIFFERENTIATED OFFER AND TIGHT CATEGORY DISCIPLINE

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OPERATIONAL EXCELLENCE

Aufgrund ihrer DNA tun sich stationäre Händler traditionell schwerer mit dem Aufbau und der Anwendung analytischer Fähigkeiten. Doch gerade sie müssen schnell handeln, um nicht den Anschluss zu verlieren. Gerade bei schnellen und präzisen Entscheidungen zur Preissetzung kann viel Geld gewonnen oder auch verloren werden.

RICHTIGE KULTUR UND MITARBEITERFÖRDERUNG Wie ein erfahrener Manager an diesem Tag sagte: Es gibt nur ein einziges Gut, das im Handel nicht oder nur schwer kopierbar ist – die Mitarbeiter und ihre Kultur sowie der Umgang miteinander und mit dem Kunden. Gerade im Handel machen diese oft den Unterschied aus, ob wir uns also gut behandelt, gut beraten und willkommen fühlen.

Vor allem im stationären Handel ist dies offensichtlich. Es ist aber auch in der Onlinewelt nicht minder relevant, denn hier ist der zwischenmenschliche Kontakt zum Unternehmen geringer. Er begrenzt sich auf Interaktion mit der Servicehotline oder Reaktionen in sozialen Medien. Kontakt wird oft erst aufgenommen, wenn es Probleme gibt. Umso kritischer ist, dass der Mitarbeiter bei diesen wenigen Kontaktpunkten richtig reagiert. Ein anderes Beispiel sind die sozialen Medien, in denen nur über Text kommuniziert wird. Hier ist die Gefahr ungleich größer als in der realen Welt, nicht den richtigen Ton zu treffen.

Zu häufig werden gute Mitarbeiter als selbstverständlich angesehen. Gerade sehr erfolg- reiche Unternehmen wie dm oder IKEA zeigen, dass es einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Qualität und Zufriedenheit der Mitarbeiter sowie dem langfristigen unter- nehmerischen Erfolg gibt.

Haben Sie Interesse am nächsten CEO-Event von Oliver Wyman? Bei Fragen zum Retail Leadership Circle 2017 – Inhalte, Termin, Teilnahme – steht Ihnen Dr. Martin Schulte gerne unter [email protected] zur Verfügung.

DIFFERENTIATED OFFER AND TIGHT CATEGORY DISCIPLINE

DILIGENT CUSTOMER JOURNEY MANAGEMENT

FULLY INTEGRATED OMNICHANNEL APPROACH

UNIQUE VALUEPROPOSITION

EFFECTIVE CUSTOMER ACTIVATION

DATA-DRIVEN COMMERCIAL DECISIONS – PRICING, PROMO, MARK-DOWN

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PUBLIKATIONEN VON OLIVER WYMAN

Weitere Publikationen finden Sie unter www.oliverwyman.de sowie www.oliverwyman.com. Interesse an der Ideas App von Oliver Wyman? http://apple.co/1UBhSPE

DIGITALES DEUTSCHLAND DEN STANDORT NUTZEN, VOM STANDORT PROFITIEREN

DIGITALES DEUTSCHLAND

Haben wir die Digitalisierung im Griff? Oder sie uns? Die branchenübergreifende Analyse beschreibt die zentralen Erfolgsfaktoren, mit denen die digitale Transformation gelingen kann.

OUT OF THE BLUE

iAM1/4 .ME

TRANSPORT & LOGISTICS 2016

Digital Industry: Taking Rail Virtual

Uber-Trucking Is on Its Way

Speeding Up Aerospace Innovation

Reinventing Online Travel Booking

And more…

NACHZÜGLER HABEN DAS NACHSEHEN

TRADITIONELLE UNTERNEHMEN IN DER

DIGITALEN WELT

TRADITIONELLE UNTERNEHMEN IN DER DIGITALEN WELT

Die globale Untersuchung zeigt, wie sich etablierte Unternehmen neu erfinden und den Wettbewerb im digitalen Zeitalter für sich entscheiden können.

FROM OLIVER WYMANDIGITAL IDEASTEN

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LIVE

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L | VO

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THE OLIVER WYMAN

CMT JOURNAL VOLUME 3

OLIVER WYMAN VALUE SOURCING AND SUPPLY CHAIN JOURNAL 2016

OUT OF THE BLUE

Die digitale Revolution verändert das Nutzungsverhalten und die Präferenzen von Verbrauchern. Der mehrteilige Report erläutert die neuen Dimensionen der Individualisierung und Personalisierung.

TEN DIGITAL IDEAS

Digitale Innovationen zählen zu den größten Herausforderungen unserer Zeit. Die Publikation gibt Einblicke in die Digitalisierungs-strategien von Entscheidern aus verschiedenen Industrien.

THE OLIVER WYMAN RETAIL JOURNAL AUSGABE 4

Der Einzelhandel befindet sich in einer Phase des tief greifenden Wandels. Im Mittelpunkt steht daher der Blick in die Zukunft: Wie können die kommenden Jahre erfolgreich gestaltet werden?

THE OLIVER WYMAN CMT JOURNAL

Die Ausgabe beschreibt die transformativen Veränderungen durch die Digitalisierung und zeigt die wichtigsten Chancen sowie Herausforderungen für die Telekommunikationsbranche.

THE OLIVER WYMAN TRANSPORT & LOGISTICS JOURNAL

Die jährliche Publikation über aktuelle Trends und Themen der Transport- und Logistikbranche beleuchtet komplexe, industrie- übergreifende Herausforderungen.

THE OLIVER WYMAN VALUE SOURCING AND SUPPLY CHAIN JOURNAL

Beschaffungsfunktionen stehen vor signifikanten Herausforderungen, um „harte“ Einsparungen zu erzielen. Die Publikation beschreibt innovative Lösungen.

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VOLUME 6

THE OLIVER WYMAN

PERSPECTIVES ON THE RISKS THAT WILL DETERMINE YOUR COMPANY’S FUTURE

RISK

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JOURNAL

2016

AUTOMOTIVE MANAGERTHE OLIVER WYM AN

THE OLIVER WYMAN

ENERGY JOURNAL

VOLUME 2

ZUKUNFT VON INSURTECH IN DEUTSCHLAND DER INSURTECH-RADAR

DAS GROSSE GANZE

NUTZEN UND GRENZEN EINES VERHALTENSKODEXES FÜR RESTRUKTURIERUNG

THE OLIVER WYMAN

PERSPECTIVES ON MANUFACTURING INDUSTRIES

VOLUME 11

THE MARKETPLACE REVOLUTION SHATTERING THE FOUNDATION OF THE $3 TRILLION SICK-CARE MARKETPLACE

TOM MAIN AND ADRIAN SLYWOTZKY

THE OLIVER WYMAN RISK JOURNAL

Die aktuelle Ausgabe beleuchtet die wichtigsten globalen Risiken und Chancen: technologischen Wandel, Cyberattacken, volatile Energiepreise, steigende Gesundheitskosten sowie strukturelle Risiken.

ZUKUNFT VON INSURTECH IN DEUTSCHLAND

InsurTechs sorgen für einen immensen Innovationsschub im Versicherungsgeschäft. Die Publikation unterzieht die Start-ups der deutschen Versicherungswirtschaft erstmals einer systematischen Analyse.

WOMEN IN FINANCIAL SERVICES

Die zweite Ausgabe des globalen Reports gibt einen Überblick über aktuelle Impulse und Entwicklungen der Geschlechtervielfalt in der Finanzdienstleistungsbranche.

DAS GROSSE GANZE

Das Umfeld einer Restrukturierung ist extrem dynamisch. Die Studie beleuchtet Nutzen und Grenzen eines Verhaltenskodexes und analysiert die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Anwendung in der Praxis.

THE OLIVER WYMAN AUTOMOTIVE MANAGER

Die Publikation für die Entscheider der Automobilindustrie bietet Herstellern, Zulieferern und dem Handel tiefe Einblicke in Chancen und Lösungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

PERSPECTIVES ON MANUFACTURING INDUSTRIES

Das Magazin für den Maschinen- und Anlagenbau untersucht den Einfluss der Digitalisierung auf die Branche und geht zum Beispiel der Frage nach, was diese von der Softwareindustrie lernen kann.

THE OLIVER WYMAN ENERGY JOURNAL

Der Wandel ist zu einer Konstante in der Energiewirtschaft geworden. Die Ausgabe beschreibt aktuelle Trends und Herausforderungen und zeigt Lösungen auf, um die tief greifenden Veränderungen erfolgreich zu meistern.

THE MARKETPLACE REVOLUTION

Der Report analysiert die disruptiven Strukturveränderungen im Gesundheitsmarkt vom Patienten hin zum Konsumenten und beschreibt das Potenzial von Multi-Chain-Geschäftsmodellen.

Bei Interesse an diesen oder weiteren Publikationen steht Ihnen [email protected] gerne zur Verfügung.

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RICHARD McKENZIE Asian Retail Practice Co-Leader [email protected] +86 21 8036 9320 SIRKO SIEMSSEN European Retail Practice Co-Leader [email protected] +49 89 939 49 574 FREDERIC THOMAS-DUPUIS North American Retail Practice Co-Leader [email protected] +1 514 350 7208

ÜBER OLIVER WYMAN

Oliver Wyman ist eine international führende Managementberatung mit weltweit 4.000 Mitarbeitern in mehr als 50 Büros in 26 Ländern. Das Unternehmen verbindet ausgeprägte Branchenspezialisierung mit hoher Methodenkompetenz bei Strategie-entwicklung, Prozessdesign, Risikomanagement und Organisationsberatung. Gemeinsam mit Kunden entwirft und realisiert Oliver Wyman nachhaltige Wachstums-strategien. Wir unterstützen Unternehmen dabei, ihre Geschäftsmodelle, Prozesse, IT, Risikostrukturen und Organisationen zu verbessern, Abläufe zu beschleunigen und Marktchancen optimal zu nutzen. Oliver Wyman ist eine hundertprozentige Tochter von Marsh & McLennan Companies (NYSE: MMC).

Weitere Informationen finden Sie unter www.oliverwyman.de.

KONTAKTE JAMES BACOS Global Retail Practice Leader [email protected] +49 89 939 49 441 CHRIS BAKER North American Retail Practice Co-Leader [email protected] +1 612 692 7714 WAI-CHAN CHAN Asian Retail Practice Co-Leader [email protected] +852 2301 7500 NICK HARRISON European Retail Practice Co-Leader [email protected] +44 20 7852 7773

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