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Das Thema der Früh- und Sofort -belastung stand und steht immerwieder im Mittelpunkt von Konsen-suskonferenzen von implantologi-schen Fachgesellschaften. Dies zeigt,dass die Frage nach der optimalenEinheilzeit immer wieder von gro-ßem Interesse ist. Aufgrund der tech-nischen Entwicklungen und den bio-

logischen Erkenntnissen der letztenJahre unterlagen die Belastungspro-tokolle neuen Anpassungen. Ziel istes, die Attraktivität der Implantatbe-handlung mit kürzeren Einheilzeitenzu verbessern, ohne aber die Früh-misserfolgsrate zu erhöhen. Sowohldie Implantateinheilung als auch dieWahl des richtigen Zeitpunktes fürdie Implantatversorgung ist multi-faktoriell (Abb. 1). Der Patient stehtim wahrsten Sinne des Wortes imMittelpunkt der Behandlung, da sys-temische und lokale Faktoren, wieauch die Qualität der verwendetenBiomaterialien, die Osseointegrationbeeinflussen. Andere wichtige Fak -

toren sind die Erfahrung und die Präzision des chirurgischen, gewe be -schonenden Eingriffes durch den behandelnden Zahnarzt oder dieZahnärztin. Der Kliniker, der primärdie verwendeten Biomaterialien aus-wählt, sollte über deren Eigenschaf-ten und den richtigen Einsatz im Detail Bescheid wissen.

In folgendem Artikel beziehensich die Definitionen der Einheil -zeiten auf die aktuelle Nomenklaturder ITI-Konsensuskonferenz (2008)und wurden so übernommen.1

Die funktionelle Belastung inner-halb einer Woche wird als „Sofortbe-lastung“ definiert, als „Frühbelastung“bezeichnet man die Versorgung zwi-schen einer Woche und zwei Monatennach der Implantation. Alle Implan-tate, die zu einem späteren Zeitpunktversorgt werden, fallen unter die Kate-gorie der konventionellen Belastung(Abb. 2). Im Rahmen der ITI-Konsen-suskonferenz (2008) haben Expertenin systematischen Übersichtsarbeiten

die vorhandene Literatur zu diesemThema aufgearbeitet.

Ziel von Konsensuskonferenzenist es, anhand klinischer StudienEmpfehlungen für die Einheilzeitenabzugeben. 2008 wurden dabei klini-sche Studien zu den Themen Sofort-,Früh- und konventionelle Belastungin Abhängigkeit von der anatomi-

schen Region und der prothetischenVersorgung analysiert. Anhand einersystematischen Literaturauswertungwurden insgesamt 2.371 Abstrakts ge-lesen, 295 Volltextartikel untersuchtund 60 Studien in den Übersichtsar-tikel eingeschlossen.1 Die Implantat-überlebensraten wurden sowohl fürden Ober- und Unterkiefer als auchderen Unterteilung in anterior undposterior und der Art der protheti-schen Versorgung erhoben (Abb. 3).Die Ergebnisse zeigen, dass die kon-ventionelle Belastung sowohl in allenanatomischen Regionen als auchfestsitzende und abnehmbare Zahn-

No. 4/2013 · 10. Jahrgang · Leipzig, 3. April 2013

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Explantation im BlickpunktZu Beginn einer Therapie steht dasThema Entfernung von Implantatenmeist im Hintergrund, gewinnt aber imLaufe der Jahre zunehmend an Be -deutung. �Seite 22

Aus Fehlern lernenBeim 14. EXPERTENSYMPOSIUM„Inno-vative Implantologie“ am 26. und 27. April2013 in Berlin wird über das Thema„Wann gehen Implantate verloren“ dis-kutiert.�Seite 19

Dental Campus für ImplantologenProf. Dr. Christoph Hämmerle im Ex -klusivinterview über die neue Online-Plattform zur umfassenden Aus- undWeiterbildung auf dem Gebiet der Im-plantologie.

IMPLANT TRIBUNEThe World’s Implant Newspaper · German Edition

Fortsetzung auf Seite 18 �

Die Implantologie ist in der modernen Zahnheil-kunde fest verankert und

zu einem Querschnitt- und Metho-denfach geworden. Als innovativeTherapieform hat sie viele Gebieteder Zahnmedizin verändert undbeeinflusst. Selbst in komplexen Situationen können wir Patientenheute erfolgreich mit implantat -getragenen Restaurationen versor-gen. Dies verdanken wir neuenTechniken, Materialien und Me-thoden. Nicht zuletzt die gerade zu Ende gegangene InternationaleDental-Schau (IDS) in Köln machtedie rasante Entwicklung der Im-plantologie deutlich, die auf die-ser Messe umfangreich präsentiertwurde.

Doch alle Neuerungen müsseneinem Ziel dienen: Es gilt, die im-plantologische Therapie noch siche -rer und vorhersehbarer zu machen.Für Patienten und uns Zahnärztin-nen und Zahnärzte ist die Aussichtauf eine Therapie wichtig, derenBehandlungsergebnis möglichstpräzise vorhersagbar ist.

Um bei der Vielzahl neuer tech-nischer und methodischer Ent-wicklungen die Spreu vom Weizentrennen und die Integration wich-tiger neuer Verfahren in die Praxisbegleiten zu können, brauchen wir Forschung, die Wissen schafft.Als große Gemeinschaft und größtewissenschaftliche Gesellschaft Eu-

ropas auf ihrem Gebiet kann dieDGI durch die Zusammenarbeitvon Forschern und Praktikern die-ses Wissen generieren und durcheine strukturierte Fortbildung breitverfügbar machen.

Um die Komplexität unserermodernen Möglichkeiten auchdidaktisch optimal darzustellen,brauchen wir neue und zusätzlicheWege in der Wissensvermittlung. Inder Aus- und Fortbildung der DGIwird darum die digitale Zukunfteinziehen, wir setzen verstärkt aufE-Learning, das neue Möglich -keiten eröffnet. Unter E-Learningverstehen wir dabei nicht den Ein-satz abgefilmter Vorträge oder lan-ger OP-Videos, sondern medien- und fachdidaktisch aufbereiteteOn line-Fortbildungen, die das ge-samte Methodenspektrum moder-ner Kommunikation integrieren.

Auf der Website der DGI können interessierte Kolleginnenund Kollegen ein Modul testen, das zeigt, wie wir E-Learning- Komponenten in unser Curriculum Implantologie integrieren werden.Die DGI kann damit als erste Gesellschaft in der Zahnmedizinauf diesem Gebiet ein innovatives Konzept präsentieren, das der im -plantologischen Fortbildung neueImpulse geben wird.

Abb. 1: Faktoren, die das Implantatergebnis beeinflussen. – Abb. 2: Timeline der Belastungsprotokolle.

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Sofort- & Frühbelastung: das Berner KonzeptZiel: Attraktivität der Implantatbehandlung mit kürzeren Einheilzeiten.

Von Dr. med. et Dr. med. dent. Ulrike Kuchler und Prof. Dr. med. dent. Daniel Buser, Bern, Schweiz.

* Präsident der Deutschen Gesellschaft fürImplantologie e.V. (DGI)

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Wissen vermitteln für die Zukunft der Praxis und für die Praxis der Zukunft Statement von Dr. Gerhard Iglhaut, Memmingen*

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versorgungen sehr gut klinisch unter-sucht und wissenschaftlich hervor -ragend dokumentiert sind. Die Arbei-ten zur Frühbelastung verdeutlichenebenfalls eine gute wissenschaftliche

Dokumentation. Bei genauerer Be-trachtung der Ergebnisse von frühbe-lasteten Implantaten wird klar, dassdie Anzahl der Studien limitiert ist,welche die abnehmbare implantolo-gische Versorgung im Oberkiefer undfestsitzende Versorgungen im Unter-kiefer untersuchten. Bei der syste -matischen Suche nach Artikeln zurSofortbelastung von Implantaten ka -men die Experten/-innen damals zudem Schluss, dass es wenig Literaturzum Thema abnehmbare Versor -gungen im Oberkiefer und Sofort -implantation mit Sofortbelastung imUnterkiefer gibt (Abb. 4).1–3

Seit dem Abschluss dieser Kon-sensuskonferenz erschienen einigeneue Studien zum Thema Sofort -belastung von Implantaten im zahn -losen Unterkiefer. So zeigte eine pros -pektive Studie mit 124 zahnlosen Patienten, dass eine Sofortbelastungvon zwei Implantaten mit Stegver-sorgung im Beobachtungszeitraumvon 12 bis 40 Monaten Implantat-überlebensraten von 98,8 Prozentaufwiesen.4 Eine andere Studie imzahnlosen Unterkiefer versorgte undbelastete ein oder zwei Implantate so-fort mit Kugelkopfankern.5 Nach dreiJahren konnten von den ursprüng-lich 36 Patienten 19 untersucht wer-

den und es zeigte sich, dass die So -fortbelastung keine negativen Aus-wirkungen auf die Implantatüber -lebensrate hatte. In einer weiterenUntersuchung mit 36 Patienten, dieebenfalls das Thema Sofortbelastung

im Unterkiefer bei zahnlosen Patien-ten aufgriff, kamen die Autoren zumSchluss, dass es zu erhöhten margina-len Knochenverlusten rund um diesofortbelasteten Implantate kam.6

Zusammenfassend zeigen diese Er-gebnisse, dass die Sofortbelastungvon Implantaten im zahnlosen Un -terkiefer möglich ist, jedoch für einhöheres Evidenzniveau noch weitereStudien erforderlich sind.

Das Berner KonzeptAn der Berner Klinik für Oral -

chirurgie werden seit rund 30 JahrenImplantate gesetzt, und viele dieserImplantate sind im Rahmen vonLangzeitstudien nachuntersucht wor-den. Die Implantatbelastung standdabei schon früh im Mittelpunkt desInteres ses. In einer Studie mit 100Hohlschrauben- und Hohlzylinder -implantaten aus dem Jahr 1990, diealle min destens drei Monate einheil-ten, konnten 98 Prozent nach einemJahr als erfolgreich eingestuft werden.7

Diese Dauer richtete sich nach demdamaligen Wissensstand und den da-mals erhältlichen Implantatdesignsund -oberflächen, die heute nichtmehr am Markt verfügbar sind.

In einer eben zur Publikation angenommenen Studie konnten

95 dieser Implantate nach 20 Jahrennachuntersucht werden. Die Ergeb-nisse zeigen eine Implantatverlustra tevon 10,5 Prozent (zehn Implanta te),von denen drei durch eine Frakturverloren gingen.8

2002 wurden die Ergebnisse ei-ner Muliticenterstudie veröffent-licht, bei der Implantate mit einer neuentwickelten sandgestrahlten undsäuregeätzten Oberfläche (SLA®) bereits nach sechs Wochen belastetwurden. Nach einem Jahr lag die Im-plantaterfolgsrate bei 99,3 Prozent.9

Die eben erst publizierten Langzeit -ergebnisse von 511 Implantaten ausdiesem Zeitraum zeigen nach zehnJahren Implantatüberlebensraten von98,8 Prozent.10

Nachdem präklinische Studieneine noch schnellere Knochenanla -gerung mit der hydrophilen SLA-Oberfläche zeigten,11, 12 wurde dieEinheilphase bei Standardimplan -tation im Unterkieferseitenzahn be -reich weiter verkürzt und auf dreiWochen festgelegt. Bei einer so kur-zen Einheilphase war es notwendig,die Implantatstabilität objektiv mes-sen zu können, was mithilfe der Re -sonanzfrequenzanalyse (RFA) unterMessung der ISQ-Werte (Implantat-stabilitätsquotient) erfolgte.

Eine prospektive Fallstudie zeig -te, dass die Frühbelastung bei die-ser Indikation mit hoher Erfolgs -sicherheit möglich ist.13–15 Wenn eine Frühbelastung nach drei Wo-chen mit einer definitiven Rekons -

truktion bereits möglich ist, dann isteine Sofortversorgung aus Gründender Kosteneffizienz keine Option,weshalb die Sofortversorgung beimteilbezahnten Patienten an der Uni-versität Bern kaum zur Anwendungkommt.

Frühbelastung bei Implantationmit simultaner Augmentation

Im ästhetischen Bereich werdenImplantate meist mit einer simulta-nen Konturaugmentation eingesetzt,damit zuverlässig eine ausreichenddicke faziale Knochenwand erzieltwerden kann. Dabei wird die Früh -implantation vier bis acht Wochennach Extraktion klar favorisiert. Die Konturaugmentation wird mitautologen Knochenchips und einembovinen Knochenersatzmaterial(KEM) mit geringer Substitutions-rate durchgeführt, wobei heute eineresorbierbare Kollagenmembran alstemporäre Barrierenmembran ver-wendet wird.16 Die Freilegung derImplantate erfolgt heute routine -mäßig bereits acht Wochen nach derImplantation. Eine entsprechendeFallstudie mit 20 konsekutiv ope -rierten Implantaten zeigte ausge-zeichnete ästhetische Ergebnisse.17, 18

In einer weiteren Untersuchung zurKonturaugmentation konnte nach-gewiesen werden, dass die mit bovi-nem KEM und Eigenknochen aug-mentierte faziale Knochenwand auch nach fünf bzw. neun Jahren stabil ist.19

Im Oberkieferseitenzahnbereichmuss die fehlende Knochenhöhe oft mit einer Sinusbodenele vation(SBE) kompensiert werden. Dabeikommt meist die laterale Fenster-technik zur Anwendung – unter Ver-wendung eines „Composite Grafts“mit einer Mischung von autologenKnochenchips und einem bovinenKEM. Die Kombination mit derhydrophilen SLA-Oberfläche erlaubtes, diese Implantate, die mit einer simultanen SBE eingesetzt werden,bereits nach acht Wochen mit der RFA-Methode nachzumessen. Ist der ISQ-Wert nach acht Wochen ≥70, werden die Implantate definitiv

prothetisch versorgt. Diese acht Wo-chen Frühbelastung bei Implantatenmit simultaner SBE wird aktuell in einer prospektiven Fallstudie über-prüft und zeigt bis dato eine erfreu-lich hohe Anzahl von Implantatenvon rund 80 Prozent, die nach dieserkurzen Einheilphase einen ISQ-Wertvon ≥70 erzielen.

ZusammenfassungDie Sofort- und Frühbelastung

ist heute sehr gut dokumentiert undkann aus gutem Grund empfohlenwerden. Beim teilbezahnten Patien-ten steht jedoch die Frühbelastungnach drei oder acht Wochen imVordergrund, wobei sich hier dieMessung der Implantatsta bilität mit-hilfe der RFA-Methode alssehr nützlich und zuverlässigerwiesen hat. IT

State of the Art IMPLANT TRIBUNE German Edition · Nr. 4/2013 · 3. April 201318

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Dr. med. dent. et Dr. med. Ulrike KuchlerKlinik für Oralchirurgie und StomatologieFreiburgstr. 7, 3010 Bern, SchweizTel.: +41 31 [email protected]

Prof. Dr. med. dent. Daniel BuserDirektor der Klinik für Oralchirurgie und StomatologieUniversität Bern, Klinik für Oralchirurgie und StomatologieFreiburgstr. 7, 3010 Bern, SchweizTel.: +41 31 6322566/[email protected]

Kontakt

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Abb. 3: Implanatüberleben abhängig von der Region, der prothetischen Versorgung und des Belastungsprotokolls. –Abb. 4:Übersicht der Evidenz.

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