Theaterpädagogisches Begleitmaterial Die Möwe Jonathan
1THEATERPÄDAGOGISCHES BEGLEITMATERIAL
Theaterpädagogisches Begleitmaterial Die Möwe Jonathan
Inhaltsverzeichnis
Entstehung: Flug der Träume S. 3
Von der Idee zum Stück I: Lebensräume S. 4
Von der Idee zum Stück II: Tanzen ohne Schwerkraft S. 5
Von der Idee zum Stück III: Ätherische Klänge S. 7
Ausstattung: Die Farbe Weiß S. 8
Inhalt: Die Möwe Jonathan S. 9
Vorschläge zur Vor- und Nachbereitung des Inszenierungsbesuchs S. 10
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Besetzung
Choreografie: Annett Göhre
Bühne/Kostüme: Karisma Costumes
Dramaturgie: Ulrike-Cordula Berger
Jonathan Justine Rouquart
Möwen und Menschen Miyu Fukagawa, Momoe Kawamura, Justine Rouquart,
Shahnee Page, Nicole Stroh, Julian Greene,
Francesco Riccardi, Jeaho Shin, Vincenzo Vitanza
Mitglieder der Clara-Schumann-
Philharmoniker Plauen-Zwickau Anne Langhoff, Querflöte
Marija-Anja Hübenthal, Harfe
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Quelle
Alle Texte sind Originalbeiträge für dieses Heft von Ulrike Berger, Annett Göhre und Ben Voorhaar. VerwendeteLiteratur Richard Bach, Die Möwe Jonathan, Ullstein Verlag Berlin, 1982 | Davis-Monthan Aviation Field Register,John H. Livingston – Dokumente, Biografie und Erinnerungen, 2008 Delta Mike Airfield inhttps://dmairfield.com/people/livingston_jh | Dr. Sönke Martens, Möwen haben nicht den besten Ruf, in KielerNachrichten vom 26.10.2015 und Möwen picken Hunde zu Tode in Die Welt vom 15.08.2015____________________________________________________________________________
Impressum
Herausgeber Theater Plauen-Zwickau gGmbH ¬ Schumannstraße 2 + 4 ¬ 08056 Zwickau ¬ Telefon [0375]27411-4630 ¬ Fax [0375] 27411-4609 ¬ www.theater-plauen-zwickau.de Generalintendant Roland MayGeschäftsführerin Sandra Kaiser Ballettdirektorin Annett Göhre Redaktion Ulrike Cordula Berger ProbenfotosAndré Leischner Spielzeit 2019/20 Kontakt Ulrike Berger ¬ berger@ theater-plauen-zwickau.de
Gefördert durch den Kulturraum Vogtland-Zwickau ¬ Diese Einrichtung wird mitfinanziert durch Steuermittel auf derGrundlage des von den Abgeordneten des Sächsischen Landtags beschlossenen Haushaltes.
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Theaterpädagogisches Begleitmaterial Die Möwe Jonathan
Flug der Träume
Richard Bachs Erzählung für Jugendliche Jonathan Livingston Seagull (Die Möwe Jonathan) traf bei
ihrem Erscheinen 1970 den Nerv der Zeit: Auch damals rebellierte weltweit die Jugend auf den Straßen
gegen die vorbestimmte Komfortzone, in der es sich ihre Eltern durch Unterordnung bequem gemacht
hatten. Vordenker für die Jugendbewegung von 1900 und die 1968er-Revolte war der, in den USA mit
einer Auflage von 11 Millionen Büchern am meisten gelesene europäische und nur acht Jahre vor Bachs
Roman verstorbene Autor Hermann Hesse. Seine Forderungen nach einer selbstbestimmten
Lebensgestaltung und die Infragestellung von Traditionen, Autoritäten und der Ablehnung von Krieg und
Mobbing formuliert er nicht nur in unzähligen Zitaten wie „Damit das Mögliche entsteht, muss immer
wieder das Unmögliche versucht werden.“ (Brief an Wilhelm Gundert, um 1926) sondern fließen als
Lebensweisheiten auch in das Buch Die Möwe Jonathan ein.
Als leidenschaftlicher Pilot erzählte Richard Bach in den meisten seiner Bücher von der Freiheit des
Fliegens. Als Vorbild für die beharrliche Selbstverwirklichung seiner Möwe Jonathan wählte Bach den
erfolgreichsten Flugpionier John H. Livingston, der zwischen 1920 und 1930 mehr als 80 Flugrennen
gewann. Er modifizierte die Flügellänge, die Motorleistung und die Stromlinienform seiner
Sportflugzeuge so, dass er die Geschwindigkeit um 25% steigerte und experimentierte mit dem
Luftwiderstand bei Gewitterflügen. Während des 2. Weltkrieges gab er sein Wissen an über 1500
Flugkadetten weiter. Doch Richard Bach beschränkte sich nicht auf eine Biografie, sondern überhöhte
seine Erzählung zu einer Fabel auf das Menschsein: Die Möwe Jonathan langweilt sich im allein auf
Futtererwerb ausgerichteten Möwenalltag und wagt es, den Sinn seines persönlichen Lebens zu finden.
Sein Traum ist es, seine eigenen Grenzen auszutesten und trainiert Flugakrobatik bis hin zur Perfektion.
Damit stellt er jedoch den Lebenssinn der Möwen-Gesellschaft im Ganzen in Frage. Das Kollektiv
bestraft ihn durch Belehrung, Ausgrenzung, Mobbing und Vertreibung. Bis zu seinem Tod verbringt
Möwe Jonathan frei, aber einsam. Durch sein Training erreicht er den Himmel, wo er auf Gleichgesinnte
trifft. Nun begreift er, dass der Sinn des Lebens darin besteht, sich von Grenzen und Scheitern nicht
beirren zulassen und es wenigstens zu versuchen, seine Träume zu verwirklichen, unabhängig vom
Urteil der Anderen. Ob man sein Ziel wirklich erreicht, ist zweitrangig, da Perfektion grenzenlos ist. Durch
das Weitervermitteln dieser Erkenntnis an seine Schüler ermöglicht es, die Gesellschaft toleranter
gegenüber anderen Lebensentwürfen zu machen. Die Originalauflage des Buches besteht durch
unzählige Illustrationen mit Flugstudien von Möwen und den Elementen Meer, Himmel und
Grenzenlosigkeit, den auch die 1973 aufwendig entstandene Romanverfilmung bestimmt. Kunstvoll
ergänzen sich aufeinandergelegte transparente Fotos einzelner Flügelschläge zu einem filmischen
Moment. Diese optische Orientierung prädestiniert das Buch für eine Umsetzung in Bewegung.
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Theaterpädagogisches Begleitmaterial Die Möwe Jonathan
Lebensträume
Mich begeisterte das Kultbuch Die Möwe Jonathan von Richard Bach schon in meiner Jugend.
Er schildert ganz wunderbar, wenn auch in einfacher Sprache für Kinder und Jugendliche verfasst, wie
die Möwe Jonathan ihren Traum vom akrobatischen Fliegen lebt. Dafür wird sie verstoßen. Möwen sind
untereinander ja sehr erbarmungslos. Sie treiben fremde oder verhaltensauffällige Artgenossen auf das
Meer hinaus, bis deren Kraft erschöpft ist. Für mich sind die Kernaussagen des Buches, das unsere
Aufgabe darin besteht, einen Sinn im Leben zu finden und unsere Freiheit zu nutzen und Grenzen zu
überwinden, um derjenige zu werden, wer wir wirklich sind. Es geht darum, Wissen und Liebe zu
vermitteln, aber nie schulmeisterlich. Es geht nicht darum, dass alle Möwen es Jonathan gleichtun,
sondern ihren eigenen Weg finden. Richard Bachs Buch ist ein Manifest gegen Mittelmäßigkeit und
Monotonie. Die Essenz dieser Geschichte ist, wie wichtig es ist, überhaupt Träume, Ziele oder
Hoffnungen im Leben zu haben und diese wenigstens zu versuchen. Dazu ist viel Selbstvertrauen nötig.
Es kommt nicht darauf an, ob sich diese Wünsche tatsächlich erfüllen. Denn Träume verleihen dem
Menschen eine positive Lebensenergie und Motivation. In meiner Jugend hatten Kinder und Jugendliche
noch nicht die vielen globalen Möglichkeiten und digitalen Quellen, um herauszufinden, welche
Lebensperspektiven sich mir überhaupt vor Ort bieten. Aber diese Einschränkung half mir, viel
ausschweifender zu träumen. Vielleicht ist es nicht heutzutage mitunter ein Problem für einen jungen
Menschen angesichts dem Überfluss an Möglichkeiten zu wissen, was er/sie überhaupt will. Natürlich ist
es ein mühsamer und langer Weg, auf einen Traum hinzuarbeiten. Das Scheitern gehört ganz
wesentlich dazu. Die erfolgreichsten Menschen sind eben nicht diejenigen, denen alles zugeflogen ist,
sondern es sind die Menschen, die sich am wenigsten beirren lassen, wenn sie scheitern. Der
Basketballspieler Michael Jordan sagt: „Ich habe mehr als 9.000 Würfe in meiner Karriere verfehlt. Ich
habe mehr als 300 Spiele verloren. Ich habe immer wieder Fehler begangen in meinem Leben. Und das
ist eins meiner Erfolgsgeheimnisse.“
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Theaterpädagogisches Begleitmaterial Die Möwe Jonathan
Das Scheitern bedeutet für mich etwas Positives, weil es uns hilft, sich zu verbessern und zu lernen.
Wenn etwas sofort funktioniert, findet keine Weiterentwicklung statt. Deshalb sollten wir, die wir immer
auf Erfolg getrimmt sind, nie vergessen, dass auch das Nichtgelingen im Leben seine Berechtigung hat.
Manchmal stellen wir fest, dass wir uns einen verwirklichten Traum anders vorgestellt hatten, oder dass
der Traum sich mit der Zeit verändert, wie auch wir uns verändern. Die Erfüllung von Wünschen z. B.
nach Liebesbeziehungen hängt auch mit der Offenheit und dem Vertrauen gegenüber Anderen
zusammen. Eine Beziehung kommt oft nicht zustande oder scheitert mit der Zeit, weil der Partner nicht
dazu bereit oder der Zeitpunkt nicht der Richtige ist. Daher verlassen wir im zweiten Teil meines
Tanzabends die Geschichte der Möwe Jonathan, sobald er seinen Traum erreicht hat, und beleuchten
die verschiedenen Aspekte von Lebenszielen in der realen Welt in assoziativen Situationen. Wir lösen
also die Tierfabel auf. Als Symbol für die Träume werden die Möwen zu Papierfliegern. Statt linearer
Handlung erzählen wir Situationen, für die die Tänzerinnen und Tänzer in Workshops durch
Improvisationen neue Bewegungsformen entdeckt haben: Welche Gefühle lösen Lebensträume oder
Scheitern in uns aus? Ein Träumer lässt sich fallen, greift nach etwas und richtet seine Bewegungen auf
seine Innenwelt. Ein scheiternder Mensch ohne Selbstvertrauen führt die wiederholten, instabilen
Bewegungen nicht zu Ende. Er versteckt sich, kauert sich zusammen oder zieht die Schultern hoch.
Scheiternde Beziehungen z. B. sind gekennzeichnet, indem sich der Partner abwendet, sobald man sich
ihm zuwendet, oder den anderen nicht auffängt, ihn loslässt.
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Theaterpädagogisches Begleitmaterial Die Möwe Jonathan
Tanzen ohne Schwerkraft
Für uns Menschen ist ja das Fliegen das Sinnbild für Freiheit, Unabhängigkeit und Stärke überhaupt.
Das Fliegen erlaubt, die Welt aus einer anderen Perspektive zu begreifen, über sich hinauszuwachsen
und dem Alltag zu entfliehen. In der Traumdeutung symbolisiert das Fliegen, sich von Zwängen oder
Pflichten zu lösen, frei und glücklich zu sein: z. B. steht ein geträumtes Flugzeug für eine größere
Veränderung im Leben, während ein zu hoch fliegender Hubschrauber die Selbstüberschätzung des
Träumers aufdeckt. Wer mit einem fliegenden Auto unterwegs ist, dem entgleitet die Kontrolle. Ein
fliegender Baum signalisiert dem Träumer, dass er seine Lebensenergie und seine Wurzeln verliert. Ich
habe nach einer neuen Übersetzung für das Fliegen gesucht, und wie man das Fliegen darstellen kann.
Der Tanz als solches nähert sich dieser Art Fortbewegung natürlich schon sehr an. Die Tänzerinnen und
Tänzer können mit Hebefiguren oder Sprüngen in der Luft schweben. Es gibt verschiedene Positionen,
um mit den Armen und Händen zu flattern und zu schwingen. Typisch für Vögel sind ruckhafte
Kopfbewegungen und flinke Füße in der tiefen Hocke. Doch ich wollte noch ein anderes Element
einbauen, das neue Ausdrucksformen erlaubt. Aerial-Yogatücher bieten uns mannigfache Möglichkeiten:
Man kann sie so weit auffächern, dass man sich in ihnen verstecken kann, man kann mit ihnen
herumschwingen, und sie eignen sich auch für akrobatische Figuren. Es war ein spannender Prozess,
weil die Tücher ungewohnte Partner waren, auf die der Körper anders reagierte. Wir mussten die
Technik verstehen, um zufällige Ergebnisse immer wiederholen zu können.
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Theaterpädagogisches Begleitmaterial Die Möwe Jonathan
Ätherische Klänge
Musik spielt als Emotions- und Bewegungsmotor natürlich eine entscheidende Rolle. Ich fand, dass die
Kombination aus einer live gespielten Flöte und Harfe genau die richtige schwebende und ätherische
Atmosphäre schafft, um das Leben in den Lüften aufzugreifen. Und welches Instrument ist „vogeliger“
als die Flöte? Gemeinsam mit Anne Langhoff und Maria-Anja Hübenthal wählten wir Werke aus
verschiedenen Epochen aus, die auch gegenteilige Stimmungen tragen können. Besonders Johann
Sebastians Bachs Partita, Sem Dresdens Sonate für Flöte und Harfe von 1924, Eugène Bozzas Deux
Impressions von 1967 und Steve Reichs Vermont Counterpoint für 11 Flöten von 1982, die Anne
Langhoff wegen des homogenen Klangs im Tonstudio alle selbst einspielte, erzeugen das Flattern und
Gezwitscher und unterstützen auch aggressive Momente. Dagegen schaffen die Harfenklänge in Philip
Glass‘ Metamorphosis Nr. 2 Flowing von 1988 das Schweben des Fluges und die Einsamkeit. Diese live
gespielten Werke werden verknüpft durch Elektropop-Einspielungen z. B. von Linkin Park oder Jon
Hopkins, die eine andere Energie mitbringen. Immanuel von Hase hat nicht nur Klangcollagen mit
synthetischen Naturklänge wie Möwenrufe und Windgeräusche, sondern auch drei weitere
Musikkompositionen eigens für unser Tanzstück geschaffen. Ich verrate Ihnen ein Geheimnis: Hinter
dem Pseudonym verbirgt sich niemand anderes, als unser GMD Leo Siberski! Mir war es wichtig, dass
musikalisch auch die Jugendlichen im Publikum angesprochen werden und sich ein rundes klangliches
Gesamtkonzept ergibt.
Annett Göhre
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Theaterpädagogisches Begleitmaterial Die Möwe Jonathan
Die Farbe Weiß
Wir haben auf der Bühne natürlich nicht die
szenischen Möglichkeiten, die z. B. die Verfilmung
von 1974 bot, mit realen Schauplätzen. Dadurch
müssen wir abstrakter denken – zumal Die Möwe
Jonathan ja eine Tierfabel ist, also ein Gleichnis auf
die menschliche Gesellschaft. Daher verzichte ich
auf eine naturalistische Darstellung von Möwen.
Ich habe eine Fantasie-Möwe im Graffiti-Stil mit
Digitaldrucker auf Stoff produziert, aus dem wir
dann durch Spiegelung ähnliche, aber doch
individuelle Kostüme schneidern. Eine Möwe
gleicht ja auch nicht der andern. Mir war es wichtig,
dem Lebensraum der Möwen im ersten Teil eine
Leichtigkeit zu geben. Daher gestalte ich den
Raum komplett weiß aus: weißer Tanzteppich, der
nach hinten eine Welle bildet und den Raum
verzerrt, wie es auch im Traum geschieht; weiße,
fließende, doppellagige Seitenvorhänge, die leicht
wehen oder wallen können und dabei schöne
Strukturen werfen; und natürlich die weißen
Aerialtücher, die wie Wolken wirken. Die Farbe Weiß symbolisiert für mich Reinheit, Luftigkeit. Die Farbe
nimmt aber auch jede andere Beleuchtungsfarbe und andere Inhalte auf. Es gibt dann einen abrupten
Wechsel in die Menschenwelt: Die weißen Vorhänge fallen, und wir stehen auf der profanen Bühne als
Erde. Die Tänzerinnen und Tänzer ziehen sich ein Jeanskostüm über die Trikots, da Jeans universell
von Menschen jeden Geschlechts, Alters oder sozialen Status getragen werden. Dieser Wechsel von
weiß auf schwarz steht auch für die Gegensätze im Stück: z. B. für Gegensatzpaare wie Erfolg/Scheitern
oder Anerkennung/Ausgrenzung.
Ben Voorhaar (Karisma Costumes)
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Theaterpädagogisches Begleitmaterial Die Möwe Jonathan
Die Möwe Jonathan
Teil 1 – In der Luft Eine neue Generation Möwen wird flügge und passt sich den Regeln der Kolonie
an. Nur die Möwe Jonathan ist anders. Sie träumt davon, der beste Flugkünstler zu werden, trainiert
fleißig und erfindet neue Flugtechniken. Selbst Unfälle halten sie nicht ab. Die Artgenossen werden
misstrauisch. Sie verstehen es nicht, dass Möwe Jonathan der Möwenalltag aus Jagd, Fressen, Balz
und Gesellschaft nicht genügt. Sie beginnen, sie auszugrenzen und zu mobben. Als Möwe Jonathan den
Schwarm gefährdet, wird sie aus der Kolonie verstoßen. Sie ist nun auf sich allein gestellt, lässt sich
aber nicht beirren, weiter zu trainieren. Je ehrgeiziger die Flugmanöver werden, um so häufiger scheitert
Möwe Jonathan. Als sie an sich zweifelt, gelingt endlich ein Rekordflug, direkt in den Himmel.
1. Geburt Nils Frahm & Ólafur Arnalds 00:26 Ryan Davis Rethink
2. Möwenalltag Sem Dresden Sonate für Flöte und Harfe ¬ 1. Satz (Ausschnitt)
3. Vogelduette Johann Sebastian Bach Partita für Flöte a-moll ¬ Courante
4. Unverständnis Sem Dresden Sonate für Flöte und Harfe ¬ 2. Satz
5. Aggression Linkin Park Session (Soundtrack zu Matrix Reloaded)
6. Einsamkeit Philip Glass Metamorphosis 2 ¬ Flowing
7. Scheitern und Wut Immanuel von Hase Möwenwelt Nr. 1
8. Durchbruch Immanuel von Hase Möwenwelt Nr. 2
Teil 2 – Auf der Erde Die Möwe Jonathan kehrt als Idee auf die Erde zurück zu den Menschen.
Eingeschliffene Gewohnheiten bringen die Menschen immer wieder von ihrem langen Weg zu sich
selbst ab. Welchen Sinn haben die eigenen Träume, und können wir sie ausleben, wenn das Individuum
von der Gesellschaft in eine bestimmte Form mit eigenem Wert gepresst wird? Die Hoffnungen und
Erwartungen werden getragen, gebremst oder verhindert durch das Miteinander und Gegeneinander in
der Gemeinschaft. Die eigene Enttäuschung und der Neid führen zum Scheitern. Das Scheitern setzt
jedoch auch neue Energien und Ziele frei. Liebesbeziehungen brechen mit der Zeit auseinander, wenn
die Partner keine gemeinsamen Träume entwickeln. Möwe Jonathan bestärkt die Menschen, an sich und
ihre Träume zu glauben. Auch wenn Träume nicht in Erfüllung gehen, sind sie doch wichtig.
9. Träume Sprechdialog
Johann Sebastian Bach Partita für Flöte a-moll ¬ Allemande
10. Gewohnheit Joe Hisaishi Into A Trance (Soundtrack zu Sonatine)
11. Hoffnung & Scheitern Eugène Bozza Zwei Impressionen für Flöte und Harfe
12. Enttäuschung & Neid Immanuel von Hase Menschenwelt
13. Beziehungen ¬ Duette Jon Hopkins Vessel aus dem Album Insides
14. Neue Wege ¬ Finale Steve Reich Vermont Counterpoint für 11 Flöten
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Vorschläge zur Vor- und Nachbereitung des Inszenierungsbesuchs
1. Bewegung im Raum
Tanzen ist Bewegung. In unserer Inszenierung Die Möwe Jonathan findet der Tanz in einem klar
definierten Raum statt, obwohl die Geschichte von grenzenloser Freiheit handelt. Lassen Sie
deshalb die Schüler*innen den Raum in verschiedenen Bewegungsübungen erkunden. Dazu
sollte der Raum leer sein bzw. sollten Tische und Stühle zur Seite geräumt werden.
→ Lassen sie die Schüler*innen zuerst frei im Raum im normalen Schritttempo umhergehen.
Jede*r Schüler*in geht für sich allein kreuz und quer durch den Raum. Es wird nicht
gesprochen. Es darf sich nicht berührt werden. Wenn die Gruppe in eine Kreisbewegung
gerät, muss diese wieder aufgelöst werden.
→ Die Schüler*innen versuchen in verschiedenen Geschwindigkeiten zu gehen. Dabei sollen
sie weiterhin kreuz und quer durch den Raum gehen, jedoch bewusst auf ihre
Mitschüler*innen im Raum achten. Folgende Geschwindigkeiten können vorgegeben
werden: 1. Stehen / 2. Zeitlupe / 3. Langsames Gehen / 4. Normales Tempo / 5. Zügiges
Gehen / 6. Rennen
→ Die Schüler*innen probieren verschiedene Gangarten aus. Diese können Sie zu Beginn
den Schüler*innen vorgeben. Im weiteren Verlauf sollen die Schüler*innen dann
eigenständig weitere Gangarten ausprobieren. Folgende Gangarten können vorgegeben
werden: schleichen, kriechen, springen, rückwärts gehen, marschieren, tanzen, hüpfen,
schlürfen, stampfen usw.
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→ Die Schüler*innen bewegen sich in verschiedenen Emotionen durch den Raum. Bei
Emotionen verändert sich nicht nur die Mimik, sondern auch Haltung und Gangart.
Folgende Emotionen können vorgegeben werden: Wut, Trauer, Ekel, Eifersucht, Freude,
Angst, Scham, Enttäuschung, Liebe.
→ Lassen Sie die Schüler*innen im Raumlauf das Gefühl von Enge und Weite erfahren.
Geben Sie den Schüler*innen die Anweisung, sich einen Kreis von 2 Metern Durchmesser
vorzustellen, den kein*e andere*r Schüler*in übertreten darf. Die Schüler*innen sollen sich
mit dieser Vorstellung kreuz und quer durch den Raum bewegen. Geben Sie den
Schüler*innen nach einiger Zeit die Anweisung, dass dieser Kreis um sie herum langsam
schrumpft (evtl. erst 1,5 Meter, 1 Meter, 50 Zentimeter, ganz weg). Je kleiner der Kreis
wird, desto näher können sich die Schüler*innen kommen.
→ Die Schüler*innen stellen sich eng zusammen. Lassen Sie die Schüler*innen sich nun im
Bewegungschor durch den Raum bewegen. Wenn dies auf Anhieb nicht funktioniert,
bestimmen sie jemanden der Richtung, Tempo und Gangart vorgibt. Der /die
Gruppenführer*in kann mehrfach wechseln. Nach einiger Zeit, bestimmen sie jemanden,
der aus der Gruppe ausbricht und Weg, Geschwindigkeit und Gangart selbst bestimmt.
Die Gruppe, versucht denjenigen sofort zu folgen und wieder in die Gruppe zu integrieren.
Dies kann ebenfalls mehrfach, auch mit wechselnden Schüler*innen passieren.
→ Die Schüler*innen bewegen sich wieder frei kreuz und quer durch den Raum. Geben Sie
nun verschiedene Begriffe vor, zu denen die Schüler*innen sich entsprechend durch den
Raum bewegen sollen. Folgende Begriffe können vorgegeben werden: Freiheit, Angst,
Zwang, Traum, Gefangenschaft, Wagemut, Scheitern, Grenze, Gefahr, Ausdauer.
Lassen Sie die Schüler*innen die Erfahrungen der Übung reflektieren. Welche Übung fiel leicht?
Welche Übung war unangenehm? Welche Übung war herausfordernd? Welche Übung war
überraschend? Lassen Sie die Schüler*innen Begründungen für Ihre Eindrücke formulieren. Um
jede*n Schüler*in zu Wort kommen zu lassen, können sie ihre Eindrücke auch auf einen Zettel
schreiben und diese werden dann sortiert vorgelesen.
2. Körperbilder
In der vorhergehenden Übung sollten die Schüler*innen bereits Begriffe in Bewegung
umwandeln. Dies war vor allem ein sehr subjektives Wahrnehmen des eigenen Körpers. In dieser
Übung stellen sie die Schüler*innen im Kreis auf. Geben Sie ihnen nun noch einmal die Begriffe
nacheinander vor und lassen Sie sie dazu eine passende Körperhaltung einnehmen. Die
Schüler*innen können sich dadurch gegenseitig wahrnehmen und erkunden, welche
Unterschiede oder Konformitäten bei den Darstellungen entstehen können. Folgende Begriffe
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Theaterpädagogisches Begleitmaterial Die Möwe Jonathan
können vorgegeben werden: Freiheit, Angst, Zwang, Traum, Gefangenschaft, Wagemut,
Scheitern, Grenze, Gefahr, Ausdauer.
3. Chorische Übung - Gruppenzwang / Individualität
Bereits in der ersten Übung sollten sich die Schüler*innen im chorischen Bewegen und dem
durchbrechen dieses gemeinsamen Bewegungsablaufes ausprobieren. Teilen Sie in dieser
Übung die Schüler*innen zu kleinen Gruppen von je 5 bis 6 Schüler*innen ein. Nun sollen die
Gruppen zunächst jeweils drei eigene Motive für Gruppenzwang und für Individualität finden und
diese nonverbal durch szenisches Spiel oder Bewegungsabläufe darstellen.
Besprechen Sie mit den Schüler*innen in der Auswertung die ausgewählten Motive und deren
Umsetzung.
4. Arbeit mit Zitaten
Teilen Sie in dieser Übung die Schüler*innen zu kleinen Gruppen von je 4 bis 6 Schüler*innen
ein. Geben Sie an jede Gruppe ein oder zwei der nachfolgenden Zitate:
Damit das Mögliche entstehe, muss immer wieder das Unmögliche versucht werden.
– Hermann Hesse, Zen, Brief an Wilhelm Gundert –
Wenn ein Tier oder ein Mensch seine ganze Aufmerksamkeit und seinen ganzen Willen auf eine bestimmte
Sache richtet, dann erreicht er sie auch.
– Hermann Hesse, Demian –
Lebe dein Leben nicht um Siege zu feiern, sondern um Niederlagen zu überwinden.
– Che Guevara –
Beim Menschen ist kein Ding unmöglich, im Schlimmen wie im Guten.
– Christian Morgenstern –
Die Zukunft gehört denen, die an die Wahrhaftigkeit ihrer Träume glauben.
– Eleonor Roosevelt –
Nenne dich nicht arm, weil deine Träume nicht in Erfüllung gegangen sind; wirklich arm ist nur, der nie
geträumt hat.
– Marie von Ebner-Eschenbach –
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Unsere Träume können wir erst dann verwirklichen, wenn wir uns entschließen, einmal daraus zu
erwachen.
– Josephine Baker –
Eines Tages wird man offiziell zugeben müssen, dass das, was wir Wirklichkeit getauft haben, eine noch
größere Illusion ist als die Welt des Traumes.
– Salvador Dalì –
Phantasie ist nicht Ausflucht. Denn sich etwas vorstellen, heißt, eine Welt bauen, eine Welt erschaffen.
– Eugène Ionescu –
Lassen Sie die Schüler*innen die Zitate auf ihre Aussage hin untersuchen und besprechen,
inwiefern sie zu unserer Inszenierung Die Möwe Jonathan passen.
Im Anschluss sollen die Schüler*innen kurze nonverbale Bewegungsgeschichten zu ihren
jeweiligen Zitaten entwickeln. Dazu können die Schüler*innen zuerst ein Standbild entwickeln aus
dem heraus sie dann die Bewegungsgeschichte erzählen.
5. Regel/-bruch
In unserer Inszenierung durchbricht die Möwe Jonathan die Regeln der Kolonie.
Lassen Sie die Schüler*innen eine Liste erstellen, die alle Aktivitäten unter dem Aspekt „Du sollst
/ du sollst nicht“ vom ersten Moment des Aufwachens am Morgen bis zum Einschlafen am Abend
beinhaltet. Die Schüler*innen sollen sich in Kleingruppen oder als Klasse darüber austauschen,
welche Regeln es im Leben gibt. Werfen Sie verschiedene Fragen auf, bei denen die
Schüler*innen in einen Diskurs kommen sollen: Wozu brauchen wir Regeln? Wozu sind sie
hilfreich? Wann schränken sie einen Menschen ein? Kann man Regeln ändern? Welche
Regel würdet ihr gern für euer Umfeld erfinden? Wann sind Regeln unsinnig? Wann sollte man
Regeln nicht befolgen? Wie geht man mit einem Regelbruch um?
Lassen Sie die Schüler*innen im Anschluss in einer Paarübung drei Regeln aufstellen und dazu
Standbilder entwickeln, bei denen dargestellt wird, wie die jeweiligen Regeln durch- oder
gebrochen werden.
6. Eine Regel-Choreographie
Die Schüler*innen gehen in Kleingruppen von jeweils 3 Schüler*innen zusammen - Spieler*in A,
B und C. Jede*r Schüler*in der Gruppe überlegt sich eine einfache Bewegung, die ihr/ihm zum
Thema „Regeln“ einfällt und die er/sie nonverbal ausführen kann, zum Beispiel: Bewegung für
„leise sein“, „nicht rennen“, „gerade stehen“, „hinlegen“. Die Schüler*innen müssen darauf
achten, dass die Bewegungen wiederholbar sind. Jede*r Schüler*in bringt seine/ihre Bewegung
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den anderen Gruppenmitgliedern bei, so dass in der Gruppe ein Bewegungsrepertoire entsteht,
das alle problemlos durchführen können. Die Gruppe legt nun fest, wie sie diese Bewegungen
von Spieler*in A, B und C hintereinander bauen und wie oft jeweils wiederholen. Es entsteht eine
kleine Choreographie, die so oft wiederholt wird, bis sie alle können und aufführen können. Ist es
einfacher die Bewegungen zur selben Zeit durchzuführen, wenn dabei gezählt wird? Wenn die
Schüler*innen Lust haben, können sie es sich gegenseitig vorführen und besprechen.
7. Perspektivwechsel
Lassen Sie die Schüler*innen verschiedene Perspektiven im Klassenzimmer einnehmen: zum
Beispiel auf die Tische steigen, in einer Ecke kauern, auf den Rücken legen, auf den Kopf stellen
(wenn möglich) etc. Gängige Regeln für den Raum werden somit gebrochen. Die Schüler*innen
sollen beschreiben, was sie sehen. Geben Sie ihnen vorher Zeit, ihre Gedanken dazu
aufzuschreiben. Durch den Perspektivwechsel werden neue Bilder und Ideen geformt und
vielleicht wird auch die Fantasie angeregt.
8. Kreatives Schreiben
Um die Eindrücke aus der Inszenierung Die Möwe Jonathan für sich zu sortieren, können Sie die
Schüler*innen mit einer kreativen Schreibübung arbeiten lassen und somit auch Material für eine
Nachbereitung sammeln. Geben Sie den Schüler*innen die Aufgabe, sich einen ruhigen, sicheren
und angenehmen Platz im Raum zu suchen und sich entspannt hinzusetzen. Nun lassen Sie die
Schüler*innen 5 Minuten frei schreiben, ohne den Stift abzusetzen. Dabei sollen sie notieren, was
ihnen aus der Inszenierung Die Möwe Jonathan in Erinnerung geblieben ist. Was haben die
Schüler*innen gesehen, gehört, gefühlt und welche Assoziationen, Bilder und Gedanken sind
ihnen beim Betrachten entstanden? Im Anschluss können Sätze oder einzelne Worte aus den
entstandenen Texten herausgenommen und auf der Tafel oder einem großen Blatt Papier
gesammelt werden. Überlassen Sie es den Schüler*innen, ob sie ihren gesamten Text vorlesen
oder nur mit kleinen Ausschnitten, Sätzen oder einzelnen Wörtern antworten wollen.
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