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Franz Fischer, 12. Lepsius u. E. Bacrwiiid. Gber Silthiurn usw. 243

Uber Silicium und seine Stellung in der therrnoelektrischen Spannungsreihe.

I. Mitteilung. Von

FRANZ FISCHER, RICHARD LEPSIUS und ERNST BAERW1h.D.

Mit 3 Figuren im Text.

Die L i t e r a t u r enthalt nur sparliche Angaben iiber die Thermo- kraft des Elementes Silicium. Nach einem Patent der General Electric Company of Schsnectady sol1 ein Thermoelement aus Silicium und Kupfer bei einer Temperatur von 600° eine E.M.K. von 0.25 Volt geben. Hiernach kame dem Silicium eine Thermo- kraft von etwa 415 Mikrovolt fur 1 O Temperaturdifferenz gegenuber Kupfer zu. Genaue wissenschaftliche Messungen der Thermokraft des Siliciums hat K~~SIGSBERGER vorgenommen. Als Mittelwert fur die Thermokraft des Siliciums bei 50° gibt dieser Autor 530 Nikro- volt an. Auch erwahnt K~NIGSBERGER, da6 die Angabe von F. Q. WICK^ - namlich etwa 400 Mikrovolt bei 50° - mit seinem Wert gut iibereinstimme in Anbetracht der Schwierigkeit der Messung.

Untereuchnng kiiuflioher Siliciumrorten.

Von der Annahme ausgehend, da6 auch das als rein be- zeichnete Silicium, das zu den erwahnten Messungen diente , noch bei weitem k e i n c h e m i s ch r e i n e s Silicium daretellte, unternahmen wir es nun, die thermoelektrischen Eigenschaften des Siliciums noch- mals zu untersuchen. Und zwar begannen wir mit der Untersuchnug einer moglichst groflen Anzahl von im Handel vorkommenden, also sicher durchaus unreinen Siliciumsorten, um zunachst ein Bild davon zu bekommen, wie stark sich uberhaupt die Verunreinigungen des Siliciums in der GrbSe seiner Thermokraft bemerkbar machen.

E. P. 17181 (1905) vgl. F.. PETERE Thermoelemente und Thermosiulen (1908), s. 43.

* Ann. d. Physik 35 (1911), 14 ff. WICK, Phys. Rev. 25 (1907), 392-390.

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244 Franx J’ischr, Ii. Lepsius iind E. Baerwind.

Da es nun bei der Untersuchung der technischen Silicium- sorten auf eine moglichst groBe absolute Genauigkeit der Werte der Thermokraft zunachst gar nicht ankam, sondern vielmehr darauf, eine groBe Menge ganzlich unregelmafiig gestalteten Materials ohne allzu zeitraubende Vorbereitung rasch der GroBenordnung nach zu bestimmen, benutzten wir eine m ogl i c hs t e i n f a c h e V e r s u c hs- a n o r d n u n g (vgl. Fig. 1). Das zu untersuchende Stuck wird zwiechen

Fig. 1.

zwei zylinderformige Kupferbarren (Durchmesser 40 mm ; Lange 100 mm) eingeklemmt, die unter Warmeisolierung durch Asbest auf Gestellen befestigt sind. In die Zylinder eingedrehte Kupferstabe dienen zur Befestigung der kupfernen Zuleitungsdrahte. Der linke Kupferbarren wird durch einen unter ihm angebrachten Buneen- brenner erhitzt, wahrend der rechte kalt bleibt; da er durchbohrt ist, so kann man eventuell zur Kuhlung Wasser durchlaufen lassen. Zur Vermeidung oberfllchlicher Oxydation und hieraus etwa ent- stehender Storungen durch Kupferoxyd - das j a eine sehr hohe Thermokraft hat - sind beide Barren an der Innenseite durch auf- genietete Silberplatten von 15 mm Dicke geschutzt. Die Silber- platten tragen j e eine senkrechte Bohrung von 20 mm Lange; in diesen Bohrungen angebrachte Thermometer gestatten es, die Tempe- raturdifferenz zwischen beiden Platten bis zu einer Differenz von etwa 340° abzulesen. Das zu untersuchende Siliciumstiick wird nun so zwischen die beiden Barren eingeklemmt, da6 es den hei6en

Silicium und seine Stelking in der thermoelektrischen Spannuugsreihe. 245

Barren mit einer Spitze beriihxt, an dem kalten aber mit einer ziemlich breiten, am Karborundumschleifstein angeschliffenen Flache anfliegt. Hierdurch erreicht man, da0 an der hei0en Beriihrungs- stelle dauernd die Temperatur des hei0en Barrens herrscht, da nur wenig Warme durch das Stiick abfliellen kann, wahrend die breite Fliiche rasch die von links zustramende Warme ail den kalten Kupferbarren abgibt und so des letzteren Temperatur behalt. Immer- hin wird der durch den WiirmefluS durch das Siliciumstiick hindurch bedingte Fehler in der Bestimmung der Temperaturdifferenz der

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Fig. 2.

Beriihrungsstellen einige Grad ausmachen. Die Temperaturdifferenz wird also in Wahrheit etwas kleiner sein, als die Thermometer an- zeigen. Die von iins angegebenen Thermokrafte konnen daher stets nur etwas zu niedrige, nie zu hohe Werte zeigen.

Die Bes t immung de r T h e r m o s p a n n u n g kann natiirlich bei den hohen Ubergangswiderstanden zwischen Siliciumstuck und Metall- fliiche, der oft mehrere hundert Ohm betrjigt, nicht durch Ablesung an einem Galvanometer unter Vorschaltung von einigen tausend Ohm Widerstand geschehen. Wir maBen die Thermospannung durch Vergleich mit einer Zusatzspannung von bekannter Starke (vgl. Fig. 2), indem wir zunachst den Ausschlag beobachteten, den die Thermo- spannung hervorrief , dann die Zusatzspannung einschalteten und den Qesamtausschlag beobachteten. Die Thermospannung be- rechnet sich dann nach der Proportion:

Thermospannung - Zusatzspannung Thermoausschlag Zusatzausschlag

-

Natiirlich muS der Ubergangswiderstand wahrend des Versuchs der gleiche geblieben sein, wovon man sich durch mehrmaliges Ab- lesen mit und ohne Zusatzspannung iiberzeugt. Der Ubergangs-

246 h'ranz Fischer, I?. Lepsius w i d E. Baerwind.

widerstand variiert sehr stark durch Erschiitterung des Tisches, auf dem gearbeitet wird. Zur Abschwiiichung dieser Erschiitterung sind die Gestelle, die die Kupferbarren tragen, auf einem Brett montiert, das auf dicken Gummischlauchen ruht.

Mit dieser Apparatur maBen wir jetzt die Thermokraft so vieler technischer Siliciumsorten, wie wir erhalten konnten, im ganzen von etwa 25 Sorten.

,,Poeitivee" und ,,negatives" Silicinm.

Bei der Untersuchung tie1 uns nun in erster Linie auf, da0 einige der Siliciumsorten gegen Kupfer eine p o s i t v e T h e r m o - k r a f t , andere eine n e g a t i v e zeigten. Die Stiicke gaben groBen- teils an verschiedenen Stellen recht verschieden hohe Thermokrafte, so da0 wir zum Vergleich immer die hochsterreichten Werte be- nutzten, soweit sie nicht etwa nur einmal an dem gleichen Stuck, sondern an mehreren Stellen gemessen waren.

Wir werden von hier an der Einfachheit halber Siliciumsorten, die sich gegen Kupfer thermoelektrisch positiv verhalten, als , ,posi- t i v e ta bezeichnen, solche dagegen, die gegen Kupfer thermoelektrisch negativ sind, , ,negat iv" nennen. Ijabei sind wir uns naturlich bewuBt, da0 die Einteilung der Siliciumsorten in positive und nega- tive insofern willkiirlich ist, als sie von der Wahl des Kupfers als Vergleichsmetall abhangt. Bei der Wahl eines anderen Metalls als Vergleichsmetall mii0te die Einteilung sich naturgema0 verschieben. Die kurze Ausdrucksweise erscheint uns aber zweckma6ig und auch unbedenklich, da die typischen Siliciumsorten - sowohl positive wie negative - auf beiden Seiten nahezu am Ende der thermo- elektrischen Spannungsreihe iiberhaupt stehen.

Einige der charakteristischen Siliciumsorten und ihre Thermo- kriifte seien hier aufgefiihrt:

Thermokraft bei 230° Tlierrnokr. b. lo l'emperaturdifferenz Siliciumsorte

1. Si von ,,l<arbidwerke Ileutsch-Jlatrei" + 113. IO-;Vol+ ~ 4 9 2 . Volt 2. Si von ,,Konsortiuni fiir elektrochern.

3. Si von ,,Deutsche Gold- und Silber-

4. Si von ,,Carborundum Co. Siagara" . +99.10-S ,, +430.10-" ,,

Industrie, Niirnberg" . . . . . i-85.1(l-3 ,, +370.10-" ,,

scheideanstalt" . . . . . . . . -122.10-5 ,, -530.10-6 ,,

5. Si einer Diisseldorfer Firrna . . , . -1120.10-3 ,, -522.10-* ))

Wir durchsuchten nun nochmals die L i t e r e t u r nach Angaben iiber die Thermokraft des Siliciums und lasen diesmal auch den

Silicium zcnd seiiie Stellung in der thermoelektrischeu Spannungsreihe. 2 17

von KONIGSBEBGER zitierten -4rtikel yon WICK im Original.' Da zeigte sich denn, da6 der yon WICR angegebene Wert von 400 Mikro- volt pro Grad Temperaturdifferenz mit dem I(6NIosBEactERschen Wert von 530 Mikrovolt zwar der GroBenordnung nach ziemlich iibereinstimmt, dat) er sich aber dem V o r z e i c h e n n a c h u n t e r - s c h e i d e t ; denn KONIOBBERGEB gibt an, dab Silicium gegen Kupfer +530 Mikrovolt Spannung liefert, d. h. sich im selben Sinne verhalt wie Antimon und Tellur. WICK miSt 400 Mikrovolt, indem er

ELEMENT AUS I . U N D ~ .

p' w LL f L 3 Y

2 w b w 0

e +

2 ? > .- J .- -I+

= I

SO' uo' Ira' uo' i s ; mob yo' Md 458 TEMPE RATUR-

DiFFERENZ Fig. 3.

hinzufiigt, daf3 die Thermokraft des Siliciums in der GroBenordnung mit Tellur vergleichbar sei, - ,,but of opposite sign", d. h. negativ gegen Kupfer - im selben Sinne wie Wismut . Das Silicium, das K~NIGSBEEGEB benutzte, gibt also eine vollkommen andere Thermo- kraft als das von WICK benutzte, und doch hielt jeder der beiden Autoren sein Silicium fiir annilhernd rein.

Es lag nun nahe, nachdem Siliciumsorten von so extrem ver- schiedener Thermokraft zu Gebote standen, einmal probeweise ein T h e r m o e l e m e n t aus zwei Antipoden zu kombinieren. Hierzu wurde

\V~ct i , I%ys. He@. 26 (1907), 392-390.

248 I.i.anx E'ischer, R. Lepsius und E. Baenuind,

in einem Porzellantiegel Aluminium eingeschmolzen und dann zwei zurechtgeschlagene Siliciumstucke von entgegengesetzten Vorzeichen eingetaucht. Nach dem Erkalten des Aluminiumblocks wurden die aus dem Aluminiumblock herausschauenden Enden der Silicium- stucke zwischen zwei kalte Kupferbarren geklemmt und der Alumi- niumblock mit einem Bunsenbrenner angeheizt. Die Temperatur wurde thermoelektrisch (Platin-Platinrhodium), in einer im Aluminium- block angebrachten Bohrung annkhernd gemessen. Die Thermo- kraft des Siliciumelementes und die Thermokrafte der einzelnen Siliciumsorten gegen Kupfer sind in den abgebildeten Kurven darge- stellt (vgl. Fig. 3). Dieses Element gibt also bei 450° Temperaturdiffe- renz eine Spannung yon 368 Millivolt = 0.37 Volt, d. h. fiir 1 O Tempe- raturdifferenz eine Thermokraft von 820 Nikrovolt. DaB die Thermo- kraft des Elements nicht ganz so hoch ist, wie man durch Addition der beiden Komponenten errechnet (vgl. Kurven), hat eeinen Grund jedenfalls darin, daB die auBerordentlich groBen Beruhrungsflachen der Siliciumstucke am Aluminium nie eine ganz so hohe Tempe- ratur haben konnen, wie das Platin-Platinrhodiumthermoelement an- gibt. Jedenfalls zeigt dieses Thermoelement unter allen eingliedrigen Thermokombinationen eine der hocheten Spannungen.

Unterenchnngen a d andere phyeikalieche Unterachiede zwischen den Silicinmaorten.

Wi r hofften nun, bei den Siliciumsorten, die eich in ihren thermo- elektrischen Eigenschaften so sehr unterschieden, vielleicht auch noch Unterschiede in anderen phyeikalischen Eigenschaften zu finden. Besonders lieB die Bestimmung des Verhaltnisses der Warmeleit- fahigkeit zur elektrischen Leitfihigkeit Aufschlusse erwarten. Doch es bot die Anwendung der von JAGEB und DIESSELIIOBST' fur Metall- stabe ausgearbeiteten Methode bei so sprodem Material wie Silicium sehr groBe Schwierigkeiten dar. Wir stellten, was die W a r m e - l e i t f a h i g k e i t angeht, nur fest, da6 diese beiSilicium ctwa so gro6 ist wie die des Eiseus, ohne aber bei den einzelnen Siliciumsorten wesent- liche Unterschiede finden zu konnen. Den e l e k t r i s c h e n W i d e r - s t a n d verschiedener Siliciumsorten bestimmten wir an Staben, die a m Karborundumschleifstein aus Stucken herausgeschliffen wurden. Indem wir durch die Ytabe von bekanntem Querschnitt einen Strom

Wissensclieftliche Abbandlungen der physikaliscli - tcchuiachen Reiclis- anstalt, Bd. 3.

Silicium und seine Stelluw in der tliernweleklrischen Spannungmeihe. 249

von hekannter Starke durchsandten und den Spannungsabfall zwischen zwei Punkten des Stabes, deren Entfernung voneinander bekannt war, maBen, bestimmten wir den spezifischen Widerstand des Materials. Der Spannungsabfall wurde mit Hilfe zweier aufgesetzter Spitzen und eines hochempfindlichen Galvanometers mit hohem Vorschalt- widerstand bestimmt:

Siliciurnsorte: Wideratand des ccm-Wiirfels: 1. Si von ,,Karbidwerke Dentach-Matrei" 0.28 Ohm 2. Si von ,,Konsortium Niirnberg'' . . 0.07 ,, 3. Si von ,,Scheideanstalt'L . . . . . . 0.05 ,, 4. Si einer Diiseeldorfer Firma . . . . 0.11 ,,

Typieche Unterschiede zwischen positivem und negativem Silicium in der elektrischen Leitfahigkeit lieBen sich also auch nicht finden.

EinflnB der Abkiihlnngegeschwindigkeit naoh dem Schmelzen a d die Thermokraft.

Es handelte sich nun darum, die Ursachen festzustellen, wes- halb manche Siliciumsorten so hohe positive , andere dagegen so hohe negative Thermokraft gegen Kupfer zeigen. Zunachst dachten wir daran, daS die verschiedenen Werte vielleicht zwei verschie- denen Modifikationen des Elements zukamen, wie dies - allerdings in geringerem MaSstab - beim Tellur der Fall ist.' In analoger Weise versuchten wir, dnrch Schmelzen des Siliciums und Erstarren- lassen unter verschiedenen Bedingungen zum Ziel zu gelangen. DaS die Werte der Thermokraft durch Erhitzen des Siliciums bis auf 1100-1200° nicht geandert wurden, hatten wir schon bei einigen Versuchen festgestellt, bei denen Siliciumstticke im elektrischen Widerstandsofen in geschmolzenes Kupfer eingetaucht wurden.

1. S c h m el zv e r su c h e im KO h leg r i e s w i d e r s t an dso fen. Die Schwierigkeit der Unterauchung besteht in der Auswahl des GefaS- materials, in dem das Silicium geschmolzen wird, da bei der hohen Temperatur Silicium alle Materialien stark angreift. Wir schmolzen das Silicium mit hohem positiven Wert zunachst in einem mit Magnesiawanden ausgekleideten Kohlegrieswiderstandsofen. Das Innere mit dem Silicium angefiillte MagnesiagefaS wurde, nachdem die charakteristisch blendendweiBe Flamme des brennenden Silicium- dampfes eine Zeitlang sichtbar geworden war, aus dem Ofen heraus-

Vgl. Dissertation von HAKEN, Berliner Univereitiit 1910.

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genommen und rasch abgekuhlt. Dns vorher positive Silicium war geschmolzen, wieder erstarrt und gab nunmehr nur negative Werte. Eine ebenso behandelte negative Probe hatte nach dem Schmelzen ihre negativen Werte beibehnlten. Hiernach war es ja wohl mog- lich, daB bei der raschen Abkiihlung die Modifikation mit negativer Thermokraft entsteht, wiihrend bei langsamem Erstarren die posi- tive Modifikation entstehen konnte. Hierzu wurde es passen, daB die schmalen Stiibe von WICK, die gegossen und dabei sicher sehr rasch abgekuhlt waren, negative Werte zeigten, wiihrend das von KONIGEBEBGER gegossene Silicium , das offenbar aus groBeren er- stnrrten Stilcken herausgeschliffen war, positive Werte aufwies. Doch war das &!rgebnis noch zu unsicher, weil chemische Veriinderungen des Siliciums nicht ausgeschlosseri schienen, da die Tiegelwande immer sehr stark zerstort waren und das Silicium wiihrend des ganzen Schmelzens der Einwirkung des reduzierenden Kohlenoxyde aus dem Kohlegries ausgesetzt war.

2. S c h m e l z v e r s u c h e i m e l e k t r i s c h e n L i c h t b o g e n m i t S i l i c i u m e 1 e k t r o d e n u n t e r Quarz s a n d. Es golt, diese chemischen Einfliisse auszuschalten und einen Weg zu finden, um durch lang- same8 Erkaltenlassen auch negatives Silicium in positives iiberfiihren zu konnen. Wir schmolzen von jetzt a n das Silicium durch die Hitze des elektrischen Lichtbogens, indem wir die Siliciumstucke in dicke eiserne Elektroden, die der Stromzufuhrung dienten, ein- klemmten und zwischen den groBen Siliciumstilcken den Lichtbogen uberspringen lieBen; urn und iiber die Siliciumstiicke schutteten wir reinen Quarzsand. Dieser schmolz durch die Erhitzung zu einem vollkommenen Gem6 zusammen, das sich aufblahte und in dem sich das fliissige Silicium ansammelte und nach Abstellen des Stromes erstarrte. Als Resultat einer Reihe solcher Schmelzversuche ergab sich, dab trotz ganz langsamen Abkuhlens alles geschmolzene, vorher positiv gewesene Silicium negativ geworden war und alles vorher negativ gewesene negativ geblieben war. Es war also entweder nicht gelungen, langsam genug abzukiiblen oder es spielten che- mische Einfllisse eine Rolle.

Einmal war ein als Elektrode dienendes positives Stuck Silicium an der einen Seite ganz zusammengeschmolzen, aber es war das flussige Silicium nicht von dem festgebliebenen weggeflossen. Nach dem Erkalten hatten wir also ein Stuck, das auf der einen Seite geschmolzen und wieder erstarrt war, wiihrend die andere Seite un- verandert fest geblieben war. Das unveranderte Ende zeigte nun

l.>anz F'ischr, R Lclps-ius und E. Baerwind.

Silicium und seine Stellung i n der thermoelektrischen Spannungsreihe. 28 1

die urspriinglichen positiven Werte, wahrend das umgeschrnolzene Ende ganz negativ geworden war. Wurde dieses Stuck mit beiden Enden an zwei kalte Kupferbarren geklemmt, und in der Mitte - an der Beriihrungsstelle zwischen geschmolzenem und ungeschmol- zenem Teil - erhitzt, so entspracth dies The rmoe lemen t dem aus zwei einzelnen entgegengesetzten Siliciumstucken und dem Aluminium- block hergestellten, das weiter oben beschrieben ist. Wurde die Beruhrungsstelle auf schwache Rotglut - also etwa 600° - erhitzt, so war die Thermokraft trotz des sehr raschen Warmeabflusses von der Mitte zu den Enden 410 Millivolt = 0.41 Volt.

Urnwandlung von positivem und negativem Silicium ineinander. 3. Schmelzversuche im L ich tbogen m i t Kohlee lek t roden

u n t e r Holzkohle. Da bis jetzt kein EinfluB der Abkuhlungs- geschwindigkeit hatte festgestellt werden konnen, so sollten nun- mehr einmal die chemischen Bedingungen gegeniiber den Schmelz- versuchen 2. geandert werden. Der Lichtbogen wurde deshalb bei dieser Versuchsreihe in der Weise erzeugt, daB die Stromxufuhrung durch zwei Kohleelektroden erfolgte, zwischen die das zu schmelzende Stuck Silicium gelegt wurde. Der Lichtbogen sprang dann zwischen Kohle und Silicium beiderseits uber, und das Ganze wurde mit reiner Holzkohle bedeckt. Auch unter diesen Bedingungen war das Re- sultat das gleiche wie beim Schmelzen unter Quarzsand. Alle ge- schmolzenen vorher positiven Stiicke zeigten negative Werte; irgend ein EinfluB der Abkuhlungsdauer war nicht zu konstatieren. Bei diesen Versuchen bildete sich nebenbei reichlich ein Einwirkungs- produkt der Kohle Ltuf den Quarz, welches negative Werte der Thermokraft, doch nicht so hohe, wie das negative Silicium zeigte. Das entstandene Produkt war in seiner graugrunen Farbe, seiner verhaltnismaBig guten elektrischen Leitfahigkeit und seiner Thermo- kraft der als ,,Silundum" in den Handel kommenden Verbindung durchaus gleich.

4. Schmelzversuche im Magnes iaschi f fchen im Wolfram- Vakuumofen. Da es also durch Schmelzen im Lichtbogen nicht gelungen war, negatives Silicium in positives uberzufiihren, wurde nunmehr folgender Weg eingeschlagen. Kleine Siliciumstucke wurden in ein SchiEchen aus reiner gebrannter Magnesia der Berliner Porzellan- manufaktur gelegt und dieses in ein Wolframschiffchen eingesetzt. Das Wolframschiffchen wurde zwischen zwei gekuhlten Kupferelektroden im hohen Vakuum durch den elektrischen Strom erhitzt, wobei man

252 Franx Fischer, R. Lepsius und E. Baerwind.

das Silicium ohne Miihe zum Schmelzen brachte. Die Apparatur entsprach der von FRANZ FISCHER und TIEDE in ihrer Arbeit uber ,,einen fur chemische Zwecke geeigneten elektrischen Wolframwider- standsofen" angegebenen.

a) Bei ku rzem Schmelzen. Bei diesen Versuchen ergab sich nun, daB nach kurzem Schmelzen das positive Silicium negativ ge- worden und vorher negatives negativ geblieben war. Hierbei waren die Magnesiaschiffchen stets nur schwach angegriffen.

Wurde das Silicium dagegen langere Zeit - etwa 10-15 Minuten - im Schmelzen gehalten, so war negatives Silicium positiv geworden, positives war positiv geblieben. Dabei waren die Magnesiaschiffchen stark angegriffen, oft durch und durch grau geworden. Hier war es also deutlich, daB der chemische EinfluB der Magnesia auf das Silicium, diesem bei l'angerer Einwirkung positive Eigenschaften verleiht. Es wurde in dieser Anordnung auch reines Silicium, welches durch Einwirkung von Aluminium auf Kieselfluorkalium und Auskristallisieren aus Aluminium erhalten worden war, mit Magnesiapulver gemischt, ge- schmolzen. Die Siliciumkristallchen waren zu einem Stuck zu- sammengeschmolzen, und das Stuck zeigte positive Thermoelektrizitat, wie das Ausgangsmaterial.

DaB Magnesia bei der Schmelztemperatur des Siliciums mit diesem schon leicht reagiert, zeigte ubrigens auch die Erscheinung, da5 sich beim Schmelzen bald ein dicker schwarzer Beschlag an der inneren Wandung des Vakuumballons ansetzte, der das Glas rasch undurchsichtig machte. Der Beschlag erwies sich als Gemisch von Magnes iumsi l ic id mit elementarem Silicium. E r loste sich in Salzsaure unter Gasentwickelung und lebhafter Feuererscheinung, die auf das durch selbstentzundlichen Siliciumwasserstoff verun- reinigte SiH, zuruckzufuhren ist, das durch Sauren aus Magnesium- silicid entsteht. Die salzsaure LGsung enthielt Magnesiumchlorid in reichlicher Menge. In der Losung suspendiert waren Flocken von abgeschiedener Kieselsaure und fein verteiltes braunes Silicium, das durch Salzsaure nicht in Losung gebracht werden konnte, sich in Alkali aber leicht loste. Enthielt das angewandte Silicium Eisen, so war Eisen in dem Beschlag reichlich vorhanden, da Eisen im Vakuum ja leicht destilliert.

5. Schmelzversuche im L ich tbogen u n t e r Magnesia.

b) Bei l ange rem Schmelzen.

~-

Ber. 44 (1911), 1717.

Silicium und seine Stellung in der thermoelektrischen Spannungsreihe. 2 5 3

Konnte man durch langeres dchmelzen des Siliciums im Magnesia- schiffchen negatives Silicium in positives uberfiihren, so war dies vielleicht auch durch Schmelzen rnit dem elektrischen Licht- bogens zu erreichen, falls man das geschmolzene Silicium langere Zeit mit Magnesia in Beriihrung bringen konnte. Mehrere Versuche, bei denen wir negatives Silicium zwischen Kohleelektroden im Licht- bogen schmolzen, indem w i r rings um das Siliciumstiick und urn die Elektroden gepulverte Magnesia hauften, zeigten denn auch, daf3 so Silicium erhalten wurde, das nur noch positive Werte der Thermo- kraft gab.

6. Schmelzversuche im L i c h t b o g e n u n t e r Calciumoxyd. Urn nun zu erkennen, ob bei der Umwandlung von negativem Sili- cium in positives durch Schmelzen unter Magnesia eine spezifische Wirkung des Magnesiumoxyds in Betracht karn, oder ob auch das Schmelzen mit anderen Basen den gleichen Erfolg habe, wurden jetzt Versuche mit Calciumoxyd gemacht. Es zeigte sich, daf3 beim Schmelzen von negativem Silicium mit Calciumoxyd zwischen Kohle- elektroden ebenfalls eine Siliciumsorte erhalten wurde, die zwar noch hohe negative Werte, aber sehr viele ganz geringe negative, und auch schon positive Werte zeigte. Doch eignete sich Kalk schlecht zu den Versuchen, da er mit der Kohle vie1 Calciumkarbid bildete, welches beim Abkiihlen der Reaktionsmasse mit Wasser in storender Weise Acetylen entwickelte. Auch war das Silicium nach diesen Versuchen immer sehr miirbe und wenig zur Untersuchung geeignet.

7. Schmelzversuche im L ich tbogen u n t e r Aluminium- oxyd. Die nachsten Versuche galten der Untersuchung des Ein- flusses, den Aluminiumoxyd auf Silicium ausiibt. Wahrend beim Schmelzen von negativem Silicium mit Magnesia sehr leicht posi- tives Silicium erhalten worden war, konnte bei den ersten Ver- suchen mit Aluminiumoxyd kein positives Silicium aus negativem dargestellt werden. Doch zeigten die Stucke deutlich geringere negative Werte als die Stucke, von denen man ausgegangen war. Schmolzen wir aber die gleichen Stucke mehrmals hintereinander langere Zeit rnit Aluminiumoxyd zusammen, so erhielten wir bald auch Stiicke, die ganz geringe Thermokrafte gegen Kupfer zeigten, also etwa in der Mitte zwischen positivem und negativem Silicium standen. Und nach recht langem, einmaligem oder mehrmaligem Schmelzen bekamen wir schlief3lich Stucke, die nur noch positive Werte, und zwar ziemlich hohe zeigten. Es scheint also die Ein-

254 Franz Fischer, R. Lepsius und E. Baerwind.

wirkung des Aluminiumoxyds der der Magnesia zu entsprechen, aber langsamer zu verlaufen. Urspriinglich positives Silicium war nach haufigem (bis funfmaligem) Schmelzen mit Aluminiumoxyd positiv geblieben.

Nur ein einziges Ma1 zeigte ein Stuck, das nur ganz kurz ge- schmolzen war, und kaum mit Aluminiumoxyd reagiert haben konnte, deutlich neutrale und schwach negative Werte, wabrend es vorher positiv gewesen war.

8. Schmelzversuche im offenen L ich tbogen zwischen Si l ic iumelekt roden . Es wurden zwei groBe Stucke positiven Siliciums in dicken Eisenbacken befestigt und dann wurde zwischen diesen Siliciumstiicken als Elektroden ein elektrischer Lichtbogen erzeugt. Hielt man in diesen Lichtbogen ein dunnes Stuck positives Silicium, so schmolz es an der erhitzten Seite zusammen und so konnte diese Stelle langere Zeit im Schmelzen gehalten werden. Das erkaltete Siliciumstuck zeigte an den Stellen, die geschmolzen gewesen waren, nur noch ziemlich hohe negative Werte oder ganz geringe Werte der Thermokraft.

Erklarungsversuch. Aus den bisherigen Versuchen geht hervor, dab es sich bei

der groBen Verschiedenheit der Thermokraft von einzelnen Silicium- sorten jedenfalls n ich t n u r um eine physikalische Verschiedenheit, etwa zwei verschiedene Modifikationen, handelt, sondern daB che- mische Verschiedenheiten von maggebendem EinfluB sind. Und zwar scheint uns folgende Anschauung das Richtige zu treffen, durch die alle Versuche mit Ausnahme von 4a. und vielleicht auch dem zuletzt erwahnten Versuch von 7. erklart werden: S i l ic ium, d a s ke in SiO, ge los t en tha l t , v e r h a l t s i ch the rmoe lek t r i s ch posit iv. Hiermit stimmt uberein, daB das aus Aluminium kristal- lisierte Silicium (Versuch 4b.), das auf einem Wege dargestellt wurde, der einen Gehalt an SiO, ausschlieBt, positiv ist. Ebenso erklart sich daraus, daB positive Siliciumsorten beim Schmelzen unter basischen Substanzen wie Magnesia, Kalk oder Aluminium- oxyd, welche alle entstehende Kieselsaure binden, positiv bleiben (Versuche 4b und 7). D u r c h Aufnahme von SiO,, d a s s ich im Si l ic ium los t , g e h t d ieses i n nega t ives iiber.l Hierfiir sprechen die Versuche 2. und 3., bei denen offenbar die durch Ver-

Silundum, dss auch SiOe enthalt, ist gegenuber Kupfer thermoelektrisch negativ.

Silicium und seine Stellung in der therrnoelektrischen Spannungsreihe. 255

brennung des Siliciums entsbehende SiO, sich teilweise im Silicium gelost hat. Besonders deutlich aber zeigt Versuch 8, bei dem das ge- schmolzene Siliciumstuck nicht wie in Versuch 2. mit dem Sand in Beruhrung war, sondern nur der Einwirkung der Luft ausgesetzt war, daB wahrscheinlich ein Gehalt an SiO, die negativen Eigen- schaften des Siliciums bedingt. D u r c h Schmelzen u n t e r b a - s i s chen Korpe rn , wie Magnes ia , E a l k und Tonerde , k a n n man n u n of fenbar dem Si l ic ium se inen .Geha l t a n SiO, en tz iehen u n d so nega t ives S i l ic ium wieder i n pos i t i ves i iberfuhren. Hierbei tritt der basische Korper mit der Kieselsaure zu Silikaten zusammen, die dann eine Schlacke bilden. Dieser Vor- gang bietet eine gewisse Analogie zu dem ,,ThomasbessemerprozeB". Dies geht aus den Versuchen 5., 6. und 7. hervor. DnB SiO, von Silicium uberhaupt gelost wird, zeigt j a auch die Erscheinung, daB beim AusgieBen geschmolzenen Siliciums auf einen Block von er- starrtem Silicium, der an seiner Oberflache oxydiert ist, doch ein einheitlicher, fugenloser GuBblock entsteht.

DaB aber neben diesen chemischen Einflussen auch noch eine Modifikationsanderung - ahnlich wie beim Tellur (Haken lc.) - mitspielt, erscheint nicht ausgeschlossen (vgl. Versuch 4a. und 7., letzter Versuch).

Analytisches. Diese Erklarung muBte nun dadurch begriindet werden, daB

die Analysen von positiven Siliciumsorten einen geringeren SiO,- Gehalt zeigten als die negativen Sorten. Unsere analytischen Unter- suchungen ergaben nun zwar, wie unsere Annahme verlangt , einen Mehrgehalt einiger negativer Sorten an SiO, gegenuber positiven Sorten. Doch geben die Analysen noch kein geniigend uberein- stimmendes Bild , um schon jetzt quantitative Angaben machen zu konnen. Auch halten wir die angewandte analytische Methode noch fur verbesserungsfahig.

Die Untersuchung der Umwandlungsbedingungen von beiden Siliciumarten ineinander und besonders der Vergleich der thermo- elektrischen Eigenschaften mit den analytischen Ergebnissen wird fortgesetzt.

Zusammenfaasnng. 1. Es wurde eine groBe Anzahl technischer Siliciumsorten auf

ihre thermoelektrischen Eigenschaften untersucht.

Vgl. ASKENABY, Technische Elektrochemie, Bd. I, S. 88.

256 Ban% Fischer, R. Lepsius u. E. Baevwind.

2. Es wurde festgestellt, daB es sowohl Siliciumsorten mit hoher negativer als solche mit hoher positiver Thermokraft gegen Kupfer 'gibt.

3. Es wurde eine Apparatur ausgearbeitet, um Stiicke unregel- ma6iger Gestalt rasch auf ihre Thermokraft untersuchen zu kijnnen.

4. Es wurden mehrere Wege gefunden, um ,,negative" und ,,positive" Siliciumsorten ineinander iiberzufiihren.

5. Es wird wahrscheinlich gemacht, da6 Silicium durch Auf- nahme von SiO, ,,negativ" wird und durch Entziehung von SiO, wieder in ,,positives" zuriickverwandelt werden kann.

6 . Es konnen durch Kombination von ,,negativem" und ,,poai- tivem" Silicium Thermoelemente von etwa 1000 Mikrovolt Spannung pro Grad Temperaturdifferenz konstruiert werden.

Uber Siliciurn usw.

Charlottenburg, Elektrochemisches Laboratorium der Technischm Hochschub.

Rei der Redaktion eingegangen am 18. Marz 1913.


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