Transcript
Page 1: Untersuchungen über die Pathogenese der Aleutenkrankheit der Nerze : II. Elektrophoretische und biochemische Untersuchungen des Harnes

Aus dem Institut fiir Pathologie der Tierarztlichen Hochschde Hannover Direktor: Prof. Dr. L.-Cl. Schulz

Abteilung fi ir Immunpathologie Leiter: Prof. Dr. G. Trautwein

und der Medizinischen Universitats-Poliklinik Heidelberg Direktor: Prof. Dr. H . Pliigge

Untersuchungen iiber die Pathogenese der Aleutenkrankheit der Nerzel)

11. Elektrophoretische und biochemische Untersuchungen des Harnes

Von

G. TRAUTWEIN und H. WEICKER

Mit 6 Abbildungen und 3 Tabellen

(Eingegangen am 23. Dezember 1968)

Bei Versuchsnerzen entwickelt sich 3-4 Wochen nach experimenteller In- fektion mit dem Agens der Aleutenkrankheit eine Dysproteinamie mit Erho- hung der 1)-Globulinfraktion auf 21-29 rel.O/o und entsprechender Abnahme der Albuminfraktion (TRAUTWEIN, 1969). In den folgenden Monaten erreicht die y-Globulinfraktion Werte von 40-47 rel.O/o, urn dann auf dieser Hohe mehrere Monate zu bleiben. Ungefahr ab der 4. Woche lassen sich in den Nie- ren infizierter Nerze erste morphologische Veranderungen in Form von inter- stitiellen Infiltraten und glomerularen Veranderungen nachweisen. Bislang ist unbekannt, zu welchem Zeitpunkt nach experimenteller Infektion Funktions- storungen der Nieren mit Proteinurie eintreten. Ziel der vorliegenden Unter- suchungen war es daher, durch qualitative Eiweigproben, papier- und immun- elektrophoretische Untersuchungen des Harnes infizierter Nerze in verschiede- nen Phasen post infect. den Beginn einer Proteinurie und die Art der ausge- schiedenen Proteine zu erfassen. Durch biochemische Untersuchungen des Harnes erkrankter Nerze wurden die bei Aleutenkrankheit ausgeschiedenen Uroproteine naher charakterisiert.

Material und Methode Gewinnung von Harnproben. Zur Harngewinnung wurden Versuchs-

nerze 24 Std. in modifizierten Stoffwechselkafigen gehalten und der Harn durch eine Kombination von Drahtrosten kotfrei gewonnen.

Qualitative Eiweipnachweise. Orientierende Untersuchungen auf Eiwei8 im Harn erfolgten mit Albustix-Teststabchen (Merck) bzw. rnit 20 O/oiger Sul fosaliz ylsaure.

:$) Der Deutschen Forschungsgemeinschaft danken wir fur die finanzielle Unterstiitzung.

49')

Page 2: Untersuchungen über die Pathogenese der Aleutenkrankheit der Nerze : II. Elektrophoretische und biochemische Untersuchungen des Harnes

754 TRAUTWEIN und WEICKER

Papierelektrophorese. Bei positivem Eiweii3nachweis wurde der Harn durch ein Papierfilter filtriert, mit Cialit (1 : 50 000) versetzt, durch Dialyse gegen Polyvinylpyrrolidon auf 1/10 des Ausgangsvolumens ein eengt und an-

papierelektrophoretische Auftrennung erfolgte in TRIS-Puff er, p H 8, 6, ge- mai3 der in der ersten Mitteilung angegebenen Methodik (TRAUTWEIN, 1969).

Immunelektrophorese. Die immunelektrophoretische Untersuchung des eingeengten Harnes erfolgte rnit der Mikromodifikation der Immunelektro- phorese nach SCHEIDEGGER (1955) entsprechend der in der I. Mitteilung an- gegebenen Methodik (TRAUTWEIN, 1969). Hierbei wurde auf einem Objekt- trager das Immunelektropherogramm der Harnprobe eines aleutenkranken Nerzes rnit dem Immunelektropherogramm des Blutserums eines gesunden Nerzes verglichen. Als Antiseren wurden ein selbst hergestelltes polyvalentes Antinerzserum vom Kaninchen und ein Antiserum gegen Bence- Jones-Protein des Menschen (Highland Laboratories, USA) verwandt.

Immundijjusion. Die zweidimensionale Immunodiff usion nach OUCHTER- LONY (1962) wurde mit einer LKB-Immunodiff usionsapparatur (LKB-Produk- ter AB, Stockholm) auf Objekttragern durchgefuhrt. In die peripheren Locher wurden die zu vergleichenden Serum- und Harnproben bzw. y-Globulin vom Nerz eingefullt. Die Entwicklung der Immunodiffusion erfolgte rnit einem in das zentrale Loch eingefullten Kaninchenserum gegen Nerzvollserum.

Biochemische Untersuchungen. Fur die biochemischen Untersuchungen standen je 80 ml Sammelurin gesunder bzw. aleutenkranker Nerze 7 Monate p. i. zur Verfugung. Entsprechend der Urin-Aufarbeitung bei menschlichen Paraproteinosen wurde folgende Isolierung der Uroproteine vorgenommen: Der dialysierte Sammelurin von Normaltieren bzw. erkrankten Tieren wurde 5 Min. bei p H 7,4 auf 70' erhitzt und bei 6000 U/min zentrifugiert. Der klare Oberstand wurde gefriergetrocknet und das Sediment verworfen (PRU 11). Die gefriergetrocknete Substanz wurde zur Extraktion der Lipide 12 Std. mit wasserfreiem Methanol und anschliei3end 12 Std. mit Chloroform- Methanol 2 : 1 v/v im Ruckflui3 extrahiert.

Der lufttrockene Extraktionsruckstand wurde rnit Wasser eluiert und das Eluat filtriert und anschliei3end gefriergetrocknet. Die gefriertrockne Substanz (A) wurde in einer 1 O/oigen Losung auf 100' C erhitzt und anschliei3end bei 6000 U/min zentrifugiert. Der Oberstand wurde dialysiert und der Inhalt des Dialyseschlauches gefriergetrocknet. Das Sediment wurde verworfen. Die ge- friertrockne Substanz (A 100') wurde 1 O / o in 0,6 m eiskalter HCIOp gelost, bei 17 OOO U/min zentrifugiert und der Oberstand sofort gegen fliei3endes Wasser dialysiert. Das Sediment wurde verworfen. Nach anschliefiender Dia- lyse gegen Aqua dest. wurde der Inhalt des Schlauches gefriergetrocknet. Nach Trocknung uber Phosphorpentoxyd wurden an der perchlorsaureloslichen Fraktion folgende Analysen durchgefuhrt: N-Bestimmung nach KJELDAHL (YEMM u. WILLIS, 1954), Ermittlung der Gesamthexosen mit der Orcin- und Anthronmethode, bezogen auf den Galaktose-Standard (WINZLER, 1955), Fucose-Bestimmung nach DISCHE und SHETTLES (1948), Neuraminsaure-Be- stimmung rnit der Resorcin-Methode von SVENNERHOLM (1957), Bestimmung der enzymatisch freigesetzten Neuraminsaure nach der Methode von WARREN (1959), Neuramidase-Abbau mit 1 mg (500 i. U.) kristalliner Neuramidase (1 Ampulle), Behring-Werke, Marburg. Eingesetzt wurden 2 mg Glykoproteid (KUHN, GRASSLIN u. WEICKER, 1967), Glucuronsaure-Bestimmung nach DISCHE und SHETTLES, modifiziert von GREGORY (1960), Xylose-Bestimmung mit der kolorimetrischen Methode von ROE und RICE (1948) nach Hydrolyse des Glykoproteids mit 2 N Schwefelsaure, anschliei3ender Neutralisation der

schliei3end auf vorbereitete Papierelektrophoresestreifen au B getragen. Die

Page 3: Untersuchungen über die Pathogenese der Aleutenkrankheit der Nerze : II. Elektrophoretische und biochemische Untersuchungen des Harnes

Untersuchungen iiber die Pathogenese der Aleutenkrankheit der Nerze 755

Schwefelsaure mit Bariumhydroxyd bei 50' C und Entfernung des restlichen Bariums an Dowex 50 X 8 (200-400 msh), Hf-Form, Hexosamin-Bestim- mung nach Hydrolyse des Glykoproteids mit 8 N HC1 (3 Std. 100" C) mit der Methode von CESSY und PILIEGO (1960). Der Neutralzucker-Verlust durch Hydrolyse wurde durch die Quote des Hydrolyse-Verlustes der Reinsubstanz korrigiert.

Ergebnisse Laufend nach experimenteller Infektion mit dem Agens der Aleuten-

krankheit durchgefuhrte Harnuntersuchungen lassen erkennen, dai3 in der 7.-8. Woche post infectionem von rund 70 O/o der Nerze EiweiB mit dem Harn ausgeschieden wird. 3-4 Monate p. i. finden sich Uroproteine im Harn nahezu aller infizierter Nerze. Die Eiweii3ausscheidung 1ai3t sich auch 12 Mo- nate p. i. bei Versuchsende noch nachweisen.

Ein Vergleich der Elektropherogramme des Blutserums und des Harnes zeigt, dai3 Veranderungen des Blutserums mit Anstieg der y-Globulinfraktion 3-4 Wochen p. i. beginnen (TRAUTWE~N, 1969), wahrend Uroproteine erst in der 7.-8. Woche papierelektrophoretisch nachweisbar werden. Demnach geht die Dysproteinamie den Nierenfunktionsstorungen mit Ausscheidung von Uro- proteinen voraus.

Papierelektrophoretisch weisen die Uroproteinfraktionen bei einzelnen Nerzen starke individuelle Schwankungen auf (Tab. 1). Jedoch sind in allen Phasen der Krankheit Albumine, a-, p- und y-Globuline im Harn nach-

weisbar (Abb. 1, 2, 3). Insgesamt ent- i + - steht der Eindruck, dai3 sich die y-Glo-

A

B

C

D

h

-

bulinausscheidung in den spaten Phasen der Aleutenkrankheit 9-12 Monate p. i. verstarkt; die hohen y-Globulin- werte der entsprechenden Blutseren werden jedoch nur bei einzelnen Tieren erreicht.

Abb. 1. Papiereletrophoretische Untersuchung von Blutserum und Harn des Nerzes 383 vor und nach experimenteller Infektion. A, .B, D = Serum vor, 8 bzw. 12 Wochen post in- fectionem. C, E = Harn 8 bzw. 12 Wochen p. i. A = Serum, Alb. = 69 O/o, a, = 6 O / o , a? = 8 O/O, B = 8 O/O, y = 9 O / o , B = Serum, Alb. = 46 O/o, a, = 8 O / o , a2 = 8 O / o , B = 9 "10, y1 = 10 o / o , yp = 19 O / o , C = Harn, Alb. = 41 Ole, a + /? = 33 O / o , y = 26 O / o . D = Serum, Alb. = 39 O / o , a, = 8 " / o , a, = 8 " / o , ,8 = 9 " /o , y1 = 6 O / o , y2 = 30 O / o . E = Harn, Alb. =

36 " / o , a = 18 O / o , B = 17 O/o, y = 29 O/o

Page 4: Untersuchungen über die Pathogenese der Aleutenkrankheit der Nerze : II. Elektrophoretische und biochemische Untersuchungen des Harnes

756 TRAUTWEIN und WEICKER

Tabelle 1 Papierelektrophoretische Untersuchung des Harnes in verschiedenen Phasen der experimen-

tellen Aleutenkrankheit

12

( 2 3 - 391 ( 1 5 - 4 1 ) [ 18 - 26 1 ( 1 6 - 21 )

23.5 16,O 27,O 33.5 ( 1 3 - 3 L l ( 10 - 22 I ( 2 5 - 291 ( 1 5 - 521

In Obereinstimmung mit der Papierelektrophorese finden sich auch in der Immunelektrophorese Proteine im Albuminbereich sowie in unterschiedlicher Konzentration im Bereich der a-, /3- und y-Globuline (Abb. 4). In keinem

Fall wird das ganze Spektrum der Serumproteine im Harn erkrankter Nerze nachweisbar.

Die zweidimensionale Immuno- diffusion nach OUCHTERLONY (1 962) wurde zur Klarung der Frage durch- gefuhrt, ob in Harn und Serum aleutenkranker Nerze Proteine mit gemeinsamen Antigendeterminanten vorkommen. Das Ergebnis der bei 12 Nerzen durchgefuhrten Immuno-

+ - t

Abb. 2. Vergleich der Elektrophoresedia- gramme und Elektropherograrnrne des Blut- serums und Harnes von Nerz 378, 3 Monate p. i. Blutserurn (A): Alb. = 31 Ole, a, und a = 14 '10, /3 = 12 '10, y1 = 7 '10, yr = 36 O/O.

Harn (B): Alb. = 37O/0, al und a, = 2 O o / o , B = 15 Ole, y = 28 O/o

Page 5: Untersuchungen über die Pathogenese der Aleutenkrankheit der Nerze : II. Elektrophoretische und biochemische Untersuchungen des Harnes

Untersuchungen iiber die Pathogenese der Aleutenkrankheit der Nerze 757

t

A

t

Abb. 3. Papierelektrophorese von Serum eines gesunden Nerzes (A) und Harn von aleuten- kranken Nerzen in verschiedenen Phasen der A. K. A = Serum 375, Alb. = 43 " / o , a, = 16 O/o,

a2 = 12 O / o , B = 12 " / o , y = 17 O / o . B = Harn 378, 8 Wochen p. i., Alb. = 40 " / o , a + = 43 O / o ,

y = 1 7 O / o . C = Harn 385, 8 Wochen p. i., Alb. = 52 O / o , a -t B = 36 "10, y = 12 O / o . D = Harn 385, 3 Mon. p. i., Alb. = 55 O / o , a + B = 23 " / o , y = 22 " / o . E = Harn 185, 6 Mon. p. i., Alb. = 29 " / o , = Harn 182, 9 Mon. p. i., Alb. = 34 " / o , a =

18 O / o , j3 = 21 " / o , y = 27 O / o

a + B = 55 ' / o , y = 16 O / o . F =

diffusion zeigt, dai3 sich die Immun- prazipitationslinien der Serumproteine und der im Harn vorkommenden Uroproteine vollkommen vereinigen (Abb. 5). Es besteht somit Antigen- gemeinschaft zwischen den mit dem Harn ausgeschiedenen Uroproteinen und ent- sprechenden Serumproteinen. Eines der ausgeschiedenen Uroptroteine ist ein y-G-Globulin (Abb. 6 ) .

Mit der beschriebenen Aufarbeitungsmethode liei3 sich im Urin aleuten- kranker Nerze nach Erhitzen auf 70' eine Uroprotein-Mischfraktion nach- weisen, die etwa achtfach groi3er war als bei Normaltieren (Tab. 2). Die End- stufe der Praparationen zeigte bei den erkrankten Tieren nur eine geringe Zunahme der kohlenhydratreichen perchlorsaureloslichen Uroproteine. Hier- aus ist zu erkennen, dai3 der uberwiegende Anteil der Ausgangssubstanz aus kohlenhydratfreien oder kohlenhydratarmen Proteinen bestehen mui3. Die Analyse der perchlorsaureloslichen Substanz ergab bei normalen Tieren hohere Gesamtkohlenhydrat- und Neuraminsaure-Werte als bei den erkrankten (Tab. 3). Entsprechend lag der Peptidgehalt bei den erkrankten Tieren etwas hoher. In der quantitativen Diff erenzierung der Kohlenhydrate, die wir nach Hydrolyse der perchlorsaureloslichen Paraproteine auf Cellulose-Dunnschicht- platten in dem Losungsmittel tertiares Butanol: Methylathylketon: Ameisen- saure: Wasser = 8 : 6 : 3 : 3 vlv vorgenommen hatten, war mit Anilinphtha- lat, Fucose und Galaktose gut darzustellen. Mannose war hingegen nur in Spuren zu erkennen. Signifikante Unterschiede zwischen normalen und er-

Page 6: Untersuchungen über die Pathogenese der Aleutenkrankheit der Nerze : II. Elektrophoretische und biochemische Untersuchungen des Harnes

758

Material

Protein des Resturins IPRU II 1 Proteinruckstand Gefriertrockene Substanz A

HC1OL - Losliche Substanz

I1 11 A 100‘

TRAUTWEIN und WEICKER

N e k e

normal I erkrankt I Ausbeute in mg 1

108,2 801,s 78,O 98,O L0,S 6 1,s 16,4 25,lr 1 l,L 16,2

Tabelle 2 Fraktionierung des Urins normaler bzw. aleutenkranker Nerze

Ausgangsmenge: j e 80 ml Sammelurin

Material Nerze

NZ Peptide Gesam thexosen NA - Neuraminsaure ND - abspaltbare NA - Neuraminsaure Hexosamin Fucose

Glucuronsaure Gesamt - Kohlenhydrate

Ruckgewinnung

krankten Tieren lagen nicht vor. Die immune1ektrophoretisch.en Untersuchun- gen dzr einzelnen Praparationsstufen liei3en weder mit Anti-Humanserum noch mit speziellem Bence- Jones-Antiserum vom Menschen oder mit Antinerz-

serum eine Proteinfrak- - + tion erkennenn, die als Bence- Jones-Protein hat- te angesprochen werden k” onnen.

Abb. 4. Immunelektropho- rese des Harnes von drei Nerzen mit exp. A. K. a) Se- rum eines normalen Nerzes 352, s) polyvalentes Anti- nerzserum von Kaninchen 409, c) Harn von Nerz 385, 10 Wo. p. i., d) Harn von Nerz 381, 5 Mon. p. i., e) Harn von Nerz 183, 9 Mon.

p. i.

Page 7: Untersuchungen über die Pathogenese der Aleutenkrankheit der Nerze : II. Elektrophoretische und biochemische Untersuchungen des Harnes

Untersuchungen iiber die Pathogenese der Aleutenkrankheit der Nerze 759

Abb. 5. Immunodiffusion nach Ouchterlony mit einem polyvalenten Antinerzserum von Kaninchen 322 (Zentrum). a) Serum b) Harn von Nerz 179, 6 Mon. p. i., c ) Serum d) Harn

von Nerz 182, 9 Mon. p. i., e) Serum f ) Harn von Nerz 183, 9 Mon. p. i. Abb. 6. Immunodiffusion nach Ouchterlony mit einem polyvalenten Antinerzserum von Kaninchen 322 (Zentrum). a) und b) Harn von Nerz 182, 9 Mon. p.i., c) y-Globulinfrak- tion aus Nerzserum 494, d) und e) Harn von Nerz 395, 10 Wo. p. i., f ) Vollserum von Nerz

391, 10 Wo. p. i.

Besprechung der Ergebnisse Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchungen zeigen, dai3 sich bei

Versuchsnerzen nach experimenteller Infektion mit dem Agens der Aleuten- krankheit eine Proteinurie entwickelt. Letztere beruht auf einer Schadigung des glomerularen Apparates, welche die Ultrafiltration groi3erer Mengen ver- schiedener Serumfraktionen erlaubt. Wahrend die Ausscheidung von Uropro- teinen papier- und immunelektrophoretisch 7-8 Wochen post infect. nach- weisbar wird, setzt die Dysproteinamie mit Anstieg der y-Globulinfraktion bereits 3-4 Wochen p. i. ein (TRAUTWEIN, 1969). Die Veranderungen der Serumproteine gehen demnach den Nierenfunktionsstorungen mit Ausschei- dung von Uroproteinen voraus. Letztere wandern im elektrischen Feld im Bereich der Albumine, a-, 8- und y-Globuline und weisen in den verschie- denen Phasen der experimentellen Aleutenkrankheit eine unterschiedliche prozentuale Zusammensetzung auf. Da nach dem Ergebnis der Immunodif- fusion Antigengemeinschaft zwischen den ausgeschiedenen Uroproteinen und den entsprechenden Serumproteinen besteht, durfte es sich bei den Uroprotei- nen um Proteinfraktionen des Blutserums handeln, welche bei gestorter Nie- renfunktion ausgeschieden werden.

Durch die biochemische Analyse 1ai3t sich 7 Monate p. i. im Harn aleuten- kranker Nerze eine Uroprotein-Mischfraktion nachweisen, die etwa 8mal hoher ist als die des Harnes gesunder Tiere. Nach Lipid-Extraktion, Dialyse, Erhitzen auf 100° C und Abtrennen der perchlorsaureloslichen Fraktion fan- den wir bei gesunden Tieren 11,4 mg perchlorsaurelosliches Glykoproteid, bei aleutenkranken Tieren hingegen 16,2 mg/100 ml Urin. Die Analysen der perchlorsaureloslichen Substanz ergaben bei den aleutenkranken Nerzen hohere Werte fur Stickstoff und Peptide, jedoch niederere Werte fur Gesamt- kohlenhydrate, Gesamthexosen und Neuraminsaure. Bei den Werten fur Hexosamin, Fucose, Mannose und Glucuronsaure liei3en sich signifikante Unterschiede zwischen gesunden und erkrankten Tieren nicht nachweisen.

Im Vergleich mit den Ergebnissen der Untersuchungen auf Uroproteine beim Menschen liegt der Anteil der perchlorsaureloslichen kohlenhydratreichen Glykoproteide bei normalen Nerzen hoher als bei gesunden Untersuchungs- personen. Hingegen beobachteten wir bei Patienten mit Plasmozytom oder Makroglobulinamie Waldenstrom eine hohere Ausscheidung an perchlorsaure-

Page 8: Untersuchungen über die Pathogenese der Aleutenkrankheit der Nerze : II. Elektrophoretische und biochemische Untersuchungen des Harnes

TRAUTWFIN u n d WEICKCR 760

loslichen Uroproteinen (WEICKER u. Mitarb., 1961, 1962, 1963). Die Uropro- tein-Konzentration im Harn gesunder bzw. aleutenkranker Nerze lafit sich am ehesten mit den Relationen der Harnbefunde bei Gesunden und Patienten mit entzundlichen Erkrankungen vergleichen.

Durch die immunelektrophoretische Untersuchung des Harnes rnit Kanin- chen-Aiitinerzserum bzw. Antiserum gegen Bence-Jones-Protein des Menschen ergab sich kein Hinweis auf das Vorkommen des Bence- Jones-Eiweiflkorpers im Harn aleutenkranker Nerze. Dieses Ergebnis stimmt rnit den Befunden von KENYON und Mitarbeiter (1965) uberein. Diese Autoren fanden im Urin aleutcnkranker Nerze ein Protein mit einer Sedimentationskonstante von 1,5-2,5 Svedberg-Einheiten, welches aber nicht die physikalischen Eigen- schaften des Bence- Jones-Protein aufwies. Immunelektrophoretisch war das Protein im Bereich der 0,-Globuline lokalisiert. Auch THOMPSON und ALIFERIS (1 964) wiesen bei Aleutenkrankheit eine Proteinurie, jedoch niemals Bence- Jones-Protein nach.

Im Gegensatz hierzu fanden PORTER und Mitarbeiter (1965) im Harn aleutenkranker Nerze ein Protein, welches die charakteristischen physikalischen Eigenschaften des Bence- Jones-Protein zeigte, in der Zonenelektrophorese im Bereich der 11-Globuline wanderte und in der Ultrazentrifugenanalyse eine Sedimentationskonstante von 1,6 und 3,4 Svedberg-Einheiten besafl. Diese unterschiedlichen Befunde finden vielleicht darin ihre Erklarung, dafl PORTER und Mitarbeiter Nerze untersucht haben, die homozygot fur das Aleutengen waren. Bei einzelnen dieser Nerze kommt es in spaten Stadien der Aleuten- krankheit zu einer Paraproteinamie und Paraproteinurie, welche mit der Paraproteinamie und Bence- Jones-Proteinurie bei menschlichem Plasmozytom vergleichbar ist. In den eigenen experimentellen Untersuchungen fanden je- doch nur Nerze Verwendung, die heterozygot fur das Aleutengen waren und die auch nach 12monatiger Versuchszeit keine Anzeichen einer Paraprotein- 3mie zeigten (TRAUTWEIN, 1969).

Daruber hinaus ist zu berucksichtigen, dai3 auch bei der im Zusammen- hang mit dem Plasmozytom des Menschen auftretenden Paraproteinamie der Bence- Jones-Eiweiflkorper nur in einem bestimmten Prozentsatz der Falle nachgewiesen werden kann.

Zusammenfassung Bei Versuchsnerzen entwickelt sich 7-8 Wochen nach experimenteller

Infektion mit dem Agens der Aleutenkrankheit (A. K.) eine Proteinurie. Die ausgeschiedenen Uroproteine wandern papierelektrophoretisch im Bereich der Albumin-, ( I - , p'- und y-Globuline. Sie weisen in den verschiedenen Phasen der experimentellen A. K. eine unterschiedliche prozentuale Zusammensetzung auf. 7 Monate post infectionem ist die Uroprotein-Mischfraktion etwa 8mal hoher als die des Harnes gesunder Nerze. Die Werte fur perchlorsaurelosliches Glykoproteid liegen bei gesunden Nerzen bei 11,4 mg, bei aleutenkranken Nerzen bei 16,2 mg. Die Analysen der perchlorsaureloslichen Substanz ergeben bei kranken Nerzen hohere Werte fur Stickstoff und Peptide, jedoch niederere Werte fur Gesamtkohlenhydrate, Gesamthexosen und Neuraminsaure als bei gesunden Nerzen. Bei den Analysen fur Hexosamin, Fucose, Mannose und Glucuronsaure bestehen keine signifikanten Unterschiede. Die immunelektro- phoretische Analyse des Harnes ergibt keinen Anhalt fur das Vorkommen des Bence- Jones-Eiweiakorpers.

Den med.-techn. Assistentinnen, Fraulein Gisela SCHAAF und Frau Mari- anne BRACK, danken wir fur fleiflige und gewissenhafte Mitarbeit.

Page 9: Untersuchungen über die Pathogenese der Aleutenkrankheit der Nerze : II. Elektrophoretische und biochemische Untersuchungen des Harnes

Untersuchungen iiber die Pathogenese der Aleutenkrankheit der Nerze 761

Summary Studies on the pathogenesis of Aleutian disease in mink.

11. Electrophoretic and biochemical studies on urine Mink developed proteinuria 7-8 weeks after experimental infection

with the agent of Aleutian disease (AD). The uroproteins excreted travel on paper electrophoresis to the area of the albumins and the alpha, beta and gamma globulins. At different stages in the disease the proportions of the different proteins vary. Seven months after infection the uroprotein mixed fraction is about 8 times the level in the urine of healthy mink. The value for perchloric-acid-soluble glycoprotein in healthy mink is 11.4 mg. and in mink with AD it is 16.2 mg. Analysis of the perchloric-acid-soluble substance from diseased mink shows higher values for nitrogen and peptides and lower values for total carbohydrate, total hexoses and neuraminic acid than in healthy mink. Values for hexosamine, fucose, mannose and glucuronic acid showed no significant changes from normal. Immuno-electrophoretic analysis of the urine gave no indication of the presence of Bence- Jones protein.

Resume Recherches sur la pathogenie de la maladie alioutienne des visons.

11. Examens Clectrophoritiques et biochimiques de I’urine Aprks infection expkrimentale des visons B l’aide de l’agent de la

maladie alkoutienne, on observe aprks 7-8 semaines une protkinurie. Les uroprotkines kliminkes migrent dans la rkgion de l’albumine et des a, /? et y-globulines dans l’klectrophorkse sur papier. Elles manifestent une composition proportionnelle diffkrente au cours des diffkrentes phases de la maladie alkoutienne expkrimentale. 7 mois aprks l’infection, la fraction inixte des uroprotkines est environ 8 fois plus klevke que celle de I’urine des visons sains. Les valeurs des glycoprotkides solubles A l’acide perchlorique se trouvent vers 11,4 mg chez les visons sains, vers 16,2 mg chez les visons malades. Les analyses de la substance soluble A l’acide perchlorique indiquent des valeurs plus klevkes en azote et peptides et des valeurs plus faibles en hydrates de carbone totaux, en hexoses totaux et en acides neuraminiques chez les visons malades que chez les visons sains. Les analyses de l’hexosamine, du fucose, du mannose et de I’acide glucuronique ne rkvklent pas de diffkrences significatives. L’analyse immunoklectrophorktique de l’urine n’apporte aucun indice sur la prksence de protkines de Bence- Jones.

Resumen Estudios sobre la patogenia de la plasmocitosis de visbn europeo.

11. Andlisis electroforkticos y bioquimicos de la orina En visones europeos de laboratorio se desarroll6 una proteinuria tras

infecci6n experimental con el agente de la enfermedad aleutiana (EA). Las uroproteinas excretadas migran pipiroelectroforkticamente en .el imbito de las globulinas albuminicas, (1, j3 y 7’. En las fases diversas de la EA expe- rimental presentan una composicibn porcentual diferente. 7 meses post in- fectionem, la fraccibn mixta uroproteica es unas 8 veces mayor que la de la orina de 10s visones sanos. Los valores del glucoproteido soluble en lcido percl6rico oscilan en 10s visones sanos alrededor de 11,4 mg, mientras que en 10s visones enfermos de plasmocitosis alrededor de 16,2 mg. Los anllisis de la substancia soluble en lcido perclbrico arrojan en 10s visones enfermos valores superiores para nitrbgeno y pkptidos, mientras que valores menores para

Page 10: Untersuchungen über die Pathogenese der Aleutenkrankheit der Nerze : II. Elektrophoretische und biochemische Untersuchungen des Harnes

762 TRAUTWEIN und WEICKER

10s hidratos de carbon0 totales, hexosas totales y hcido neuraminico que en 10s visones sanos. En 10s an4lisis relativos a la hexosamina, fucosa, mannosa y icido glucur6nico no se establecen diferencias significativas. El andisis inmunoelectroforktico de la orina no ofrece indicio alguno sobre la presencia del cuerpo proteico de Bence- Jones.

Literaturverzeichnis 1. CESSI, C., and F. PILIEGO, 1960: The determination of amino sugars in the pre-

sence of amino acids and glucose. Biochem. J. 77, 508-510. 2. DISCHE, Z., and L. B. SHETTLES, 1948: A specific color reaction of methylpentoses and a spectrophotometric micromethod for their determination. J. biol. Chem. 175, 595-603. 3. GREGORY, J. D., 1960: Arch. Biochem. Biophys. 89, 157. 4. KENYON, A. J., S. W. NIELSEN and C. F. HELMBOLDT, 1965: Urinary proteins in mink with Aleutian disease. Amer. J. Vet. Res. 26, 781-786. 5. KUHN, D., I). GRASSLIN und H. WEICKER, 1967: Neuraminsaure-Bestim- mung aus den Erythrozyten-Membranen gesunder und von Patienten mit gestorter Erythro- poese. Klin. Wschr. 45, 1029-1031. 6 . OUCHTERLONY, O., 1962: Diffusion-in-gel methods for immunological analysis 11. Progr. Allergy 6, 30-154. 7. PORTER, D. D., F. J. DIXON, and A. E. LARSEN, 1965: The development of a myeloma-like condition in mink with Aleutian disease. Blood 25, 736-742. 8. ROE, J. H., and E. W. RICE, 1948: A photometric method for the determination of free pentoses in animal tissues. J. biol. Chem. 173, 507-512. 9. SCHEIDEGGER, J. J., 1955: Une micro-mCthod de l’immuno-Clectrophordse. Inter. Arch. Allergy 7, 103-110. 10. SVENNFRHOLM, L., 1957: Quantitative estimation of sialic acids. 11. A colorimetric resorcinol-hydrochlorid acid method. Biochim. biophys. Acta 24, 604-611. 11. THOMPSON, G. R., and P. ALIFERIS, 1964: A clinical-pathological study of Aleutian mink disease; an experimental model for study of the connective tissue diseases. Arthritis Rheumatism 7, 521-533. 12. TRAUTWEIN, G., 1969: Untersuchungen iiber die Pathogenese der Aleutenkrankheit der Nerze. I. Veranderungen der Serumproteine. Zbl. Vet. Med. B, Im Druck. 13. WARREN, L., 1959: The thiobarbituric acid assay of sialic acids. J. Biol. Chem. 234, 1971-1975. 14. WEICKER, H., A. WAGNER und K. HUHNSTOCK, 1962: Klinische und biochemische Beobachtungen bei Makroglobulinamie. Dtsch. Arch. klin. Med. 208, 135-158. 15. WEICKER, H., K. HUHNSTOCK und D. GASSLIN, 1963: Isolierung und Feststellung der chemischen ZusanimensetLung eines Perchlorsaure-Ioslichen Glykopro- teids aus dem Urin von Plasmozytom-Kranken. Z. klin. Chem. 1, 117-126. 16. WINZLER, R. J., 1955: In: D. Glick: Methods of biochemical analysis. 2, 279, Interscience Publischer, Inc. New York 1955. 17. YEMM, E. W., and A. J. WILLIS, 1954: The estimation of car- bohydrates in plant extracts by anthrone. Biochem. J. 57, 508-514.

Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. G. Trautwein, Institut fur Pathologie der Tierarzt- lichen Hochschule, 3 Hannover, Bischofsholer Damm 15.


Recommended