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Page 1: Wertvolle Unterstützung, aber kein Ersatz für den Arzt

Gesunde zu Kranken gemacht mit der Folge, dass in vielen Fällen eine medika-mentöse � erapie mit ihren potenziellen Nebenwirkungen ohne Not eingeleitet würde.

Nach dem neuen DMS-5 soll eine län-ger als zwei Wochen andauernde Trauer schon als Depression gelten. „Dies ist nicht nachvollziehbar, denn eine zeitlich befristete Trauer nach Verlusterlebnissen gehört zum gesunden Anpassungs- und Bewältigungsrepertoire des Menschen“, so Hecken. Die neue Klassi� zierung kön-ne dazu führen, dass bei einer zunehmen-den Zahl trauernder Menschen eine krankheitsrelevante psychische Störung mit allen negativen Begleiterscheinungen

diagnostiziert werde. DMS-5 müsse aller-dings vor dem Hintergrund gesehen wer-den, dass im amerikanischen Gesund-heitssystem im Unterschied zu Deutsch-land eine therapeutische Hilfe ohne eine Diagnose gar nicht möglich ist.

Alter ist noch keine KrankheitAndere „neue“ Diagnosen sind die „Dis-ruptive Mood Dysregulation Disorder“, abgekürzt DMDD, also Emotionsregulati-onsstörungen, womit Kinder mit Wutan-fällen belegt werden sollen, das „Night Ea-ting Syndrom“, d. h. das nächtliche unkon-trollierte Herfallen über den Kühlschrank zweimal pro Woche, und die minoren neurokognitiven Störungen, also quanti-

tativ ausgeprägte Normvarianten des Al-terns mit Alltagseinschränkungen wie das Nachlassen von Gedächtnisleistungen.

„Die Tatsache, dass ältere Menschen Hilfe aus ihrem sozialen Umfeld brauchen, rechtfertigt keineswegs eine Klassi� kation als Krankheit“, so Hecken. Bei der Mehr-zahl solcher Menschen entwickele sich nie eine Demenz. Ähnlich wie bei der Verlust-trauer bestehe auch hier die Gefahr, dass normales Verhalten bzw. physiologische Alterungsprozesse zu krankha� en Störun-gen würden. Dieser Fehlentwicklunger Fehlentwicklunger soll- Fehlentwicklung soll- Fehlentwicklungten auch die Fachgesellscha� en Einhalt ge-bieten.

Dr. med. Peter Stiefelhagen ■■ Quelle: DGPPN-Kongress, Berlin, 27.–30.11.2013

AKTUELLE MEDIZIN_REPORT

Amoklauf

Meist aus heiterem Himmel −Nach Amokläufen wird immer wieder

gefragt: Warum? Was hat den Täter zu Warum? Was hat den Täter zu Wseiner Tat getrieben? Hätte man die Ge-fahr erkennen und somit das furchtbare Ereignis verhindern können, ja sogar müssen?

„Amokläufe treten fast immer ohne Vorwarnung auf,Vorwarnung auf,Vorwarnung auf “ sagte Prof. � omas E. Schläpfer, Bonn. Die individuelle Moti-vation sei höchst unterschiedlich. Hinter der Tat könne sich eine psychische Stö-rung, insbesondere eine Persönlichkeits-

störung, verbergen. O� sei jedoch keine Erklärung möglich. Nur selten hätten Amokläufer vor ihrer Tat eine psycholo-gische oder psychiatrische Behandlung in Anspruch genommen. Eine Ankün-digung der Gewalttat im Internet sei auch eher die Ausnahme. Auslöser sei-nen häu� g subjektiv empfundene Verlet-zungen, die bei einer narzistischen Per-sönlichkeit zu einem solchen Drama führen könnten. „Doch eine prospektive Täter-Typisierung ist nicht möglich und

Amokläufer sind in der Regel nicht un-sere Patienten“, so Schläpfer. Menschen mit psychischen Erkrankungen seien in der Regel weder gefährlich noch aggres-siv. sti ■

Online-Therapie bei Depression

Wertvolle Unterstützung, aber kein Ersatz für den Arzt

−Der Bedarf an Psychotherapie für de-pressive Patienten ist hoch. Deshalb be-stehen gerade in psychotherapeutisch unterversorgten Gebieten o� lange War-tezeiten. Angesichts dieser Problematik scheint es sinnvoll und notwendig, über neue � erapiestrategien nachzudenken.

Nachdem das Internet in den letzten Jahren Einzug in den Alltag der meisten Menschen gefunden hat, wird dieses Me-

dium auch zunehmend von Patienten ge-nutzt, um sich über ihre Erkrankung zu informieren. Erste Erfahrungen zeigen, dass mit Online-Programmen auch die Versorgung depressiver Patienten verbes-sert werden kann. „Diese Programme sind eine wertvolle � erapieunterstützung, da sie zeit- und ortsunabhängig eingesetzt werden können, und sie verbessern auch die Adhärenz der Pharmakotherapie“, so

Prof. Gerd Laux, Wasserburg. Online-Pro-gramme basieren auf der kognitiven Ver-haltenstherapie, wobei ein individueller dynamischer Dialog mit dem Patienten si-muliert wird. „Die Online-� erapie kann jedoch kein Ersatz für die fachärztliche Be-handlung sein“, betonte Laux. Sie müsse vielmehr in die ärztliche Behandlung in-tegriert und durch individuell vereinbarte Gesprächstermine begleitet werden. sti ■

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MMW-Fortschr. Med. 2014; 156 (5) 19

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