Wirkungen messen –Jugendhilfe weiter entwickeln
Prof. Dr. Michael Macsenaere
IKJ – Institut für Kinder- und Jugendhilfe
Johannes Gutenberg-Universität MainzUniversität zu Köln
Hochschule Niederrhein
Übersicht
1. Welche Praxisforschung lässt sich nutzen? Wirkungsstudien
2. Was wirkt in der Erziehungshilfe? Wirkfaktoren
3. Welche Wirkungen erreicht die Erziehungshilfe? Effektivität und Effizienz
4. Was lässt sich daraus für die Praxis ableiten?
Welche Praxisforschung lässt sich nutzen?
Wirkungsforschung in den Erziehungshilfen
Mittlerweile weltweit ca. 250 Wirkungsstudien(deutschsprachig über 100)
Jugendhilfestudien: JuLe, JES, EST!, Bundesmodellprogramm
IKJ-Effektivitätsforschung- 40 HzE-Wirkungsstudien ab 1995 - Auftraggeber und Kooperationspartner:
- 2 Bundesministerien und 8 Landesministerien- 3 Landesjugendämter und über 50 kommunale Jugendämter- Über 1000 Institutionen
Wirkungsorientierte Evaluationen: z. B. EVAS
KlientelÜber 50.000 Hilfen
16 Bundesländer
Ca. 50.000.000 Daten
EinrichtungenTrägerübergreifend
250 Institutionen
Europäisch:
- Deutschland
- Österreich
- Luxemburg
- Niederlande
- Bulgarien
14 Hilfearten
Wirkung sozialer Arbeit und ihre Theorien - Historie
Begriffsbestimmung „Wirkung“:Durch zielgerichtetes Handeln erreichte Ergebnisse
bis 1995: Reduzierung von Defiziten
ab 1995: Aufbau von Ressourcen und Reduzierung von DefizitenMacsenaere, Petermann, Schmidt
Aktuell: Förderung der Grundbefähigungen (Capabilities) Nussbaum, Sen, Otto/Ziegler, Macsenaere
Folie Nr. 9
10 Leitlinien der Wirkungsmessung - ÜBERBLICK
1. Immer einzelfallbezogen2. Prospektive Veränderungsmessung (Längsschnittdesign)3. Fokus auf Ergebnisqualität4. Erfassung von Wirkfaktoren5. Intendierte und nicht intendierte Wirkungen erfassen6. Verschiedene Sichtweisen berücksichtigen7. Repräsentative/Überregionale Stichproben8. „Hochwertige“ Untersuchungsdesigns / Kontrollgruppen9. Anerkannte Teststandards berücksichtigen10.Alltagstauglichkeit und Ethik sicherstellen
(adaptiert nach Macsenaere, 2007)
Was wirkt in der Erziehungshilfe?
Wirkfaktoren und Akteure
Wirkfaktoren
Leistungserbringer Jugendamt
Adressaten
Qualitäts-Entwicklung
PartizipationKooperationHilfedauer
Nachsorge
Ressourcenor. Pädagogik
Mitarbeiter-Qualifikation
Elternarbeit
Indikation
Sozialpäd. Diagnostik
Ressourcenor. Hilfeplanung
Individualpädagogik
Alter
Keine Jugendhilfekarriere
WirkungsorientierteVerlaufsplanung
Zentrale Wirkfaktoren
Beziehungsqualität
Traumapädagogik
Intensivpädagogik
Casemanagement
Klinische OrientierungBerufsorientierung
Verselbständigung
Wirkungsdialog
1.Wirkfaktor
Sozialpädagogische Diagnostik
--
+
-
-
+
+
+
+ +Sozialpädagogische Eingangsdiagnostik
Zuweisungsqualität
Kosten der HilfeGeeignete Hilfe
Effektivität Abbruchquote
Anschlusshilfen Outcome: Effizienz
Aufwand
+Reliabilität
Validität
Akzeptanz-
2.WirkfaktorIndikation
Zuweisungsqualität (EVAS, aktualisiert)
0% 25% 50% 75%
61%
12%
27%
nicht tauglich
bedingt tauglich
sehr tauglich
n = 17.619
Arbeitsbelastung
x
Unterstützung durch gespeichertes Erfahrungswissen
§ 30 § 31 § 32 § 34 § 35
nichttauglich
bedingt tauglich
(sehr)tauglich
Ausgangslage: 15 Jahre; männlich; kaum Ressourcen nutzbar; externalisierend;hoch aggressiv und delinquent; 6 Hilfeabbrüche im Vorfeld; „Systemsprenger“
x
xx
x
x
3.WirkfaktorenHielfedauer,
Wirkungsor. Verlaufsplanung und Wirkungsdialog
-5
0
5
10
15
20
25
30
Beginn 6 12 18 24 30 36 48 > 48
Gesamt stationär
expl. Einrichtung A
expl. Einrichtung B
Hilfedauer in Monaten
Hilfedauer und Effekte
EVAS
-Eff
ekti
ndex
-5
0
5
10
15
20
25
Beginn 6 12 18 24 30
Tagesgruppe
Heimerziehung
GU
ISE
Hilfedauer in Monaten
Hilfedauer und Effekte bei schwierigsten Ausgangslagen
EVA
S-Ef
fekt
inde
xMaximalniveau
Wirkungsorientierte Hilfeplanung im Einzelfall
-15
-10
-5
0
5
10
15
20
Beginn 6 Monate 12 Monate 18 Monate 24 Monate Ende
EVA
S-Ef
fekt
inde
x
Steuerungspotentialin der Hilfeplanung
Hilfen mit einer Laufzeit von mind. 2 Jahren
Grundlage für „Wirkungsdialog“
4.Wirkfaktor
Partizipation und Kooperation
Stufen der Partizipation (Kühn, 2013)
Stufe 4 – Selbstbestimmung: Das Kind erlebt Eigenverantwortlichkeit, auch in Teilfragen. Selbstwirksamkeit wird erlebt.
Stufe 3 – Mitbestimmung: Kind wird gleichberechtigt an Entscheidungsverfahren beteiligt.
Stufe 2 – Mitsprache: Das Kind wird selbstverständlich nach seiner Sichtweise und Meinung gefragt, die Weichen stellen jedoch die Betreuungspersonen. „Keine Entscheidung ohne das Kind gehört zu haben!“
Stufe 1 – Information (Mindestanforderung!): Das Kind wird umgehend über alle Dinge, die es betreffen informiert.
Stufe 0 – Nicht-Information, Manipulation: Dem Kind sind Prozesse nicht transparent, es erlebt sich den Entscheidungen ausgeliefert („Wir werden das im Team besprechen!“)
Part
izip
atio
n
+
Große Unterschiede zwischen a) Einrichtungenb) Einrichtungskonzeption und Realität
-2
0
2
4
6
8
10
12
14
Partizipation
niedrigePartizipation
hohePartizipation
EVAS
-Eff
ekti
ndex
Effektivität und Partizipationsgrad
-
+
0
2
4
6
8
10
12
14
16
Kooperation in Hilfe Kooperation in Schule
niedrige Kooperation
hohe Kooperation
EVAS
-Eff
ekti
ndex
Kooperation und Effektivität
-
+
Welche Wirkungen erreichen Hilfen zur Erziehung?
Effektivität der Hilfen zur Erziehung
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
positiv neutral negativ
- beim jungen Mensch mehr
als im Umfeld
- regionale Disparitäten
- Besonderheiten der
Hilfearten
- erreichte Wirkungen
bleiben stabil
- UMA effektiv
Sind Hilfen zur Erziehung ihr (vieles) Geld wert?
Effizienzmodell
Roos, K. 2005: Kosten-Nutzen-Analyse von Jugendhilfemaßnahmen
Erste Kosten-Nutzen-Analyse in der Jugendhilfe
Effizienz von Heimerziehung (Roos, 2005, 2009)
Kosten: 120.317 €
Nutzeneffekte
– Bildung, Arbeitslosigkeit und Erwerbstätigkeit
– Gesundheit
– Delinquenz
Gesamtnutzen: 355.137 €
Jugendhilfe rechnet sich (auch für teure Hilfen):
Das ist nur der tangible Nutzen.Der intangible Nutzen kommt noch dazu.
Keine Kosten, sondern Investitionen !
Effizienz von Heimerziehung (Roos, 2005; IKJ, 2009)
Was lässt sich daraus für die Praxis ableiten?
Nutzen einer Wirkungsorientierung
Das systematische Wissen um die erreichten Wirkungen ermöglicht: Überblick Legitimation Vergleich Qualitätsentwicklung: Auseinandersetzung mit den eigenen Wirkungen aber auch Auseinandersetzung mit Wirkfaktoren
mittelfristig effektivere + effizientere Jugendhilfe
Stufen zur Wirkungsorientierung
Stufe 1: SozPäd‐Diagnose
Stufe 2: Indikation
Stufe 3: Wirkungen
Stufe 4: Wirkfaktoren
Weitere Informationen
IKJ Institut für Kinder- und Jugendhilfe gGmbHSaarstraße 1 55122 Mainz
Tel.: 0 61 31 - 94 79 7 - 0Fax: 0 61 31 - 94 79 7 - 77
eM@il: [email protected]
Internet: www.ikj-mainz.de