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WIRKUNGSM~GLICHKEITEN UND GRENZEN DER ANIMATION RURALE

HERBERT BERGMLYN

Itutitnt & Piabgngie Appliquie a Vocation Rurah Buea, Kamerun

In einer Reihe von frankophonen Staaten Schwarzafrikas wurde nach der Erlangung der politischen Unabhangigkeit mit Programmen zur Mobilisierung der Landbevolkerung experimentiert, die unter dem Sammelnamen Animation Rurale eine Parallele zum Community Development darstellten. Die Meinungen uber die Wirksamkeit des Animationsansatzes gehen auseinander. Der vorliegende Aufsatz wird versuchen, dieser Frage mit Hilfe einer systematischen Analyse der Animation Rurale in der Republik Senegal nachzugehen. Um dabei uber die begrenzte Aussagekraft einer Fallstudie hinauszugelangen, wird das gesamte Animationsprogramm, insbesondere seine organisa- torische Struktur, als einehnovation behandelt, auf die die Begriffe und Hypothesen der Innovationstheorie (Rogers, I 962 ; Rogers & Shoe- maker, 1971) angewandt werden. Dabei wird zu beriicksichtigen sein, d& dieser theoretische Ansatz nicht wie meist auf eine technische IMO- vation, sondern auf eine komplexe soziale Innovation angewandt wird.

Zunachst soll die Animation R u d e in Senegal unter zwei Haupt- aspekten dargestellt werden - die Eingliederung der Animations- behorde in die ubrige VerwalQng und die Eingliederung der Ani- mateurs in das Dorf. Anschlieknd soll der so dargestellte Fall mit Hilfe des theoretischen Ansatzes analysiert werden.

I . D I E A L L G E M E I N E N P R I N Z I P I E N D E R A N I M A T I O N R U R A L E

Bekanntlich lassen sich die Grundprinzipien der h imat ion R u d e wie folgt skizzieren: - Das Ziel ist, die liindliche Entwicklung durch administrativ ange-

leitete Initiativen der Bevolkerung voranzutreiben.

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- Die Entwicklungsinitiativen sollen auf der Ebenc cines oder

- Sic sollen von Animateurs stimuliert und unterstiin werden, die

- Die Animateurs werden in mehrwochigen Schulungen auf ihre

- Die Animateurs vcrrichten ihre THtigkeit unentgeltlich. - Sic fungieren als Zwischenstation in der Kommunikation zwischcn

den Entwicklungsvcrwaltungen und der Bcvolkenmg.

mehrerer Dorfer (Zone) statthnden.

von der Bevolkerung ausgewiihlt worden sind.

Rolle als Neuerer vorbereitet.

2. DER IDEOLOGISCH-POLITISCHE R A H M E N

Die Landwirtschaftspolitik der Republik Senegal wurde auf dem Hintergrund cines noch vage ddinierten afrikanischen Sozialismus konzipiert. Zwei Ansatze, die sich wechselseitig stiitzen, sollten die Landbevolkcrung direkt organisieren und in cine geplante nationale Entwicklung aktiv einbeziehen: die Gcnosscnschaftsbildung und die Animation Rurale. Die Integration beider Ansatze stellt sich wie folgt dar:

"...die Genossenschaft als okonomische und inenschliche Organisationsweise, die &em sozialistischen Leben entspricht, ist der Ort, an dem die Menschen die Venntwortung fiir ihr wirtschaftlichu Handeln selbst iibernchmen. Die Genosscruchaftsbchorde hat der Genossenschaftsbewegng N dienen, urn sich rnit der Zeit ubcrfliissig N machen. .. Die Aufgabe der Animation hesteht darin. den Massen ihre Verantwormng fiir die Ent- wicklung deutlich zu rnach en... Sic sol1 ein neuu mcnschlicha Milieu votbereitm, in du aich die G e n d a f t e n rasch in ihrer cigendichen Dimension einfiigen konncn. D i m Option setzt cine engee. dauerhafte Zusamrnenarbeit zwischen der Animation und den Genossenschnftsbchordcn voraus, sowohl irn Feld wic an der Spiac. Die Ani- mation.. . will.. . auch die sozio-politische Strukturierung fordern und sol1 daher die Bildung von hdl ichen Basisgemeinden erreichen.. . , Zellen d u Muerlichcn Demokratic, in die sich die Genosscnschaftsbeweyng hannonisch eingliedern kann.. ." (Rtpublique du Sentgal, 1968, S. I).

Der ziticrte Text macht allerdings nicht hinreichcnd deutlich, daO die Zieigruppe der Animation auch die Beamtenschaft dcr Entwick- lungsvemaltungen war. In den Behorden sollte die Voraussetzung dafiir geschaffen werden, daO die Beteiligung der einmal aktiviertcn Bevolkerung nicht nur toleriert, sondcrn systematisch ermutigt wurde.

Das zcntrale, kurzfristig nicht zu veriindernde Datum der 1Hnd- lichen Entwicklungspolitik Senegals ist die Erdndmonokultur, die im Rahmen traditionalcr bauerlichcr Landwirtschaft bctrieben wird und den grol3ten Teil des Devisenaufkommcns erbringt. Die Ent-

Wirkmgsm6glicbkeiten und Greqen der Animation &ah 263 wicklungspolitik stellte hinsichtlich dieses Bereiches der Landwirt- schaft zwei Ziele in den Vordergmd: - Kontrolle der Erdndwirtschaft bis zum Verkauf ans Ausland oder

- Steigerung der Erdnul3produktion. Letzteres war notig, urn den steigenden Investitionsbedarf zu finan- zieren und um die Einnahm eeinbden auszugleichen, die sich durch die Eingliederung Frankreichs in die EWG und den damit einher- gehenden Fortfall der Pderenzpreise ergaben.

an die weiterverarbeitende Industrie im Lande,

3 . D I E S I T U A T I O N D E R A N I M A T I O N R U R A L E

Die folgende Darstellung stiitzt sich auf Daten, die im Jahre 1969 in einer der sieben Regionen des Senegal in einer Zufallsstichprobe von Genossenschaftsdorfern und bei Beamten der verschiedenen Ent- wicklungsverwaltungen erhoben worden sind (vgl. Bergmann, I 972).

3 . I . Vorgehen und administrative Eingiiedermg

Die von einer bestimmten Zone delegierten Animateurs wurden nach modernsten padagogischen Gesichtspunkten fur ihre Aufgabe vor- bereitet und sollten dann durch Reprasentanten der Verwalmg in ihr Amt eingefuhrt werden. Es folgten in unregeldigen Abstiinden Aufbauseminare, in denen Spezialaspekte der Entwicklungsprogram- me erlautert wurden. Die wihrend der Animationsarbeit auftretenden Probleme fuhrten zu Spezialseminaren, einmal fur Animateurs und Hauptlinge, zum anderen fur Genossenschaftsvorsitzende, Wiege- meister und Animateurs. Ober fortlaufende Programme zur Akti- vierung der Beamtenschaft im Sinne der Animation ist dagegen kaum emas bekannt.

Im Ministerium fur lhdliche Entwicklung bestand zur Zeit unserer Untersuchung eine Direction de l'Animation et de l'Expansion, die sowohl fur die Animation Rurale wie auch fur die no& m erkutem- den Ibdlichen Entwiddungszentren (CER) verantwortlich war. Auf den verschiedenen Stufen der territorialen Untergliederung des Landes - Region, DCpartement und Arrondissement - war die Ani- mation nicht immer verueten; so fehlte etwa auf der Arrondissements- ebene ein Vertreter. Auf Regional- und Departementsebene arbeiteten die Animationsbeamten in den jeweiligen Entwicklungskommittees mit; dagegen fehlte die Vertretung in den hdlichen Entwicklungs- tentren, die auf Arrondissementsebene t3itig waren. Somit hatten die

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Beamten, die am intensivstcn mit den konkreten Problemen der staat- lichen Entwicklungspolitik konfrontiert wurden, keinen Kollegen von der Animation. Die Gefahr war groI3, da13 sic ihn als einen in der N&e dcs Prsekten agierenden Kontrolleur sahen.

Ein weiteres Problem ergab sich h u s , daf3 die Stellung der Gouvcrneure und Pdekten im S h e des franzosischcn, stark zentra- lisierten Verwaltungssystems stark ausgebaut war. Die Macht- stellung der Reprasentanten der Zentralgewalt kam der vorkolonialen politischen Tradition entgegen, in der ein Kriegeradel stiindig seine Macht zu erweitem suchte. Auf diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welchen Spielraum die Animation fur eine Kritik innerhalb der Verwaltungsstruktur selbst uberhaupt haben kann.

Zum Verstiindnis der folgenden Ausfuhrungen mussen die Auf- gabenbereiche der bisher e r w h t e n Dienststellen etwas d e r er- lautert werden.

Die Genossenschaftsbebor~ uberwachte die Griindung und Arbeits- weise der Genossenschaften und war fur die Organisation des Emte- abtransportes und die Verteilung der durch den Genossenschafts- kredit bereitgestellten Guter (Produktionsmittel und Konsumguter)

Die landlichen Entwickhngsxentren (CER) gruppierten auf Arron- dissernentsebene die Beamten der Fachressorts, die im liindlichen Bereich tatig waren. Ihre Zusammenfassung in einer Dienststelle sollte koordinierte Aktionen bei grohnoglicher hfitteleinsparung ermoglichen. Jedoch hingen die Mitarbeiter der CER weiterhin von ihren Fachressorts ab; die Befugnisse der Leiter waren ungenau dcfiniert.

Die SATEC war eine franzosische Organisation, die mit der Steigerung der Produktivitat beim Erdnufl- und Hirseanbau beauftragt war. Sie war im Ministerium fur landliche Entwicklung eingegliedert, hatte aber in der Auswahl der Mitarbeiter wie in der Programm- gestaltung groI3en Spielraum. Sic arbeitete mit Gruppen einheimischer Landwirtschaftsberater, die anders a l s die Rnimateurs mehrcre Dorfer zu betreuen hatten und entlohnt wurden.

zustiindig.

3 . 2 . Die Animation und die ibn’gen Dienststellen der Entwickrlungs- verw aitmg

Die Vorgehensweise der ubrigen Dienststellen widersprach in krasser Weisc dem von der Animation Ruralc propagierten Verhaltensmodell, wenn auch Unterschiede zwischen einzelncn Dienststellen nicht ge-

Wirkxngsmligli ten und Grenxen &r Animation RwaLe 261

leugnet werden sollen. Die Programme orientierten sich weit mehr an den Direktiven der Zentrale als an ortlichen Gegebenheiten. Besuchs- und Beratgstermine wurden oft nicht eingehalten. Zur Losung bestimmter Probleme - etwa mangelhafte Ruckzahlung von Genossenschaftskrediten - wurden nicht selten Einschuchterung und Gewalt angewendet. Geringschatzung und Verachtung der Bauem war weit verbreitet. Schwierigkeiten auf dem Wege zur Entwicklung wurden ausnahmslos den Umweltbedingungen und der RiickstZndig- keit der Bevolkerung, kaum aber der Verwaltung zugeschrieben. Diese Auffassung, die sich von der der Kolonialbehorden h u m unter- scheidet, stellte keine Grundlage fur den von der Animation ange- strebten Dialog zwischen Landbevolkerung und Verwaltung dar.

Von den vorgesetzten Dienststellen wurden den Adenposten eine Fixierung auf Symptome wie Kreditriickzahlungsrate, Konflikt- haufigkeit etc. aufgmungen, statt sie auf grundlegende Faktoren wie Neuerungsbereitschaft, Risikosicherung und demokratische Kontroll- vorgange zu orientieren. Die Entwicklungsverwaltgen hatten fur die Durchsetzung zentral und regional festgelegter Normen fur die Ausstattung der landwirtschaftlichen Betriebe mit Produktionsmitteln, wie verbesserten Arbeitsgeraten, Zugvieh, Diinger und Schiidlings- bekampfungsmitteln zu sorgen und trugen damit unter Anwendung administrativen Drucks zur Verschuldung der Bauern bei ihrer Ge- nossenschaft bei, die dann oft wieder nur mit Hilfe von Zwangs- maonahmen abgebaut werden konnte. Dies blieb nicht ohne Folgen fur das Verhdtnis zwischen der Animation Rurale und den ubrigen Dienststellen der Venvaltung.

3 . 2 . I . Die Zi~ratnmenarbeit

Die Ausbildung und Betreuung von Animateurs bildetc eine Grund- lage fur relativ gesicherte Zusammenarbeit mit den technischen Diensten. Die Leiter der Iandlichen Entwicklungszentren und die Genossenschaftsbeamten schatzten &e Dienste der Dorfanimateurs bei der Weitergabe von Informationen und Anordnungen. In vielen Fdlen verliel3 man sich fast ganz auf die Arbeit der Animateurs, urn die Kosten f i r Fahrten in den Busch niedrig halten zu konnen. Weit- verbreitet war die Auffassung, durch die Animateurs solle ein gunsti- ges Klima fur Aktionen der technischen Dienste geschafTen werden, die ohne Beteiligung der Bevolkerung geplant worden waren. Konsens ergab sich auch hinsichtlich der Leistungen im Bereich der Gesundheitserziehung und der Sozialstrukturprojekte, f i r die die

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meisten Entwicklungszentren nicht hinrcichend ausgestattet waren. Diese Auffassung von Animation entsprach keineswegs ihrem Selbst- verstindnis, wurde aber teils resignierend, teils unter taktischen Ge- sichtspunkten akzeptiert: Man hofTte, sich unentbehrlich zu machen und aus einer so gestirkten Position die politischen Aspekte der Animationsarbcit zum Tragen bringen zu konncn. Dies durfte aber auch zur Zcit der Untersuchung schon illusorisch gewescn sein, da P h e zur Zuordnung der Animateurs zu den lhdlichen Entwicklungs- zentrm bestanden, was ihrm de-faao-Status als unbezahlte Hilfs- kriifte n u rechtlich abgesichcrt hittc.

3.2.2. Konfliktt

Sehr friih zeigten sich Konflikte zwischen den Entwicklungsver- waltungen und der Animation Rurale, die verstindlicherweise von bciden Seiten unterschiedtich wiedergegcben werden. Die Anzeichen fiir die Konfliktlage reichtcn bei den tcchnischen Diensten von Des- interessc uber Kritik bis zur kaum verhiillten Forderung nach der Auflosung der Animation R u d e a l s eigene Dienststellt. Im einzelnen auI3ertc sich der Konflikt wie folgt : I) Dcsintaasc (Zitat: ,@ doit ittc utile puisquc ga existen), z) Schadmfrcudc iiber die Schwimigkcitcn dcr Animationsarbeit, 3) Kritik am Fchla vorwcisbarcr Projekte und Erfolgc, 4) Forderung nach Anpassung dcr ARimationsmcthodcn an die Bediirfnisse und Kennt-

5) Kritik an dcr wciten r.idichen Strcuung, 6) Vonvurf dcr Kornpetenziibenclucitg in vcnchiedenen Abstufungen: Doppcl-

arbeit; Fehla einer klar umgrcnzten tcchnischen Aufgabe dcr Animation fiihrc dazu, dal3 sic rystcrnatisch Konfliktc suchc; Kornpcterurtreitigkcitcn bei dcr Konflikt- regdung in Genmsenschaften, Anmdung von Leistungs- und Kontrollbdugnissen.

7) Fordcrung nach Adijsung - a gauge, die Bcuntm dcr tcchnischen Ditnstc in den Methoden dcr Animation N scbulch

8) Ah indirektc Kritik mu5 die k c r k u n g ventanden wcrdcn, die Bauern scim schr ‘pditisirn’. sic fiihrten hu6g k h w c r d e bei PrSfektca und noch hoher gcstdtcn Pcd5nlichkeitcn. D i a wurdc in hohem Grade alr h t i g unpfunda und oft dmkt auf die Tltigkcit dcr Animation zuriidrgdiihrt.

nissc der Landbevolkerung,

Die Beamten der Animation Rutale setzten in h e r Einschitzung der Kon9ikdage lediglich andcre Akzcnte. Statt aggressiv die andcren Dienststellen zu kritisiercn, stellten sic defcnsiv dercn Verhalten gegeniibcr dcr Animation heraus : I) Wegm d u sthdigm Kontliktc mit den PrSfdckten wcchselten die Leitcr d u Ani-

z) Ablchnuag durch die iiberwiegende Mchrheit dcr iibrigen Bamtcn, m n t i ~ U a l stlndig.

Wirkmgsm6glicbkcitm und Grenxen Lr Animation Rwah 267 3) Vcrkcnnung dcr politischen Rollc, 4) K o d k t e iiber die KontrollfunLtion des Personals auf Dorf- und ubaojrtliche E k e , 3 ) hohere Anforderungen an die tcchnischm Dienste scituu d a von dtr

6) Unvcnchdnis fiir das Fchlen spaihxhet tcchnischcl Projektc. 7) Nichtcrwhung der Bcteiligung dcr Animation an den Projektcn d a vldacn

8) Zwang zur Baeiligung an Aktioncn, die den hnimauonsprinzipicn zuwidahufcn

9) Ausfall gcmeinsamcr Seminarc wcgm inneradministrativa Konflikte.

informierren Bauan,

Diwtstcllen,

(so die oben e r w h t c zwangsweix Eintreibung von Gcnosscnachaftsschulden).

Wie die aufgefiihrten Einzelpunkte zeigen, konzcntriert.cn sich die Konflikte nicht um nachgeordnete Reibereien, sondem urn die Grund- konzeption der Animation im Rahmen der lidlichen Entwicklungs- politik. Es stellt sich die Frage, wieso solche grundsitzlichen Kon- U t e a d lokaler Ebene ausgetragen und nicht von der Zentralgewalt gelost wurden, da doch die Animation Rurale lediglich die formal noch immer geltende Konzeption der lhdichen Entwiddungspolitik vertrat und sich somit im Recht w h e n konnte. Hiear lassen sich drei Ursachenbiindel identifizieren : I ) Der Ausgang des Machtkampfes zwischen dem Priisidenten der Republik (L. S. Senghor) und dem Ratsprasidenten (M. Dia) hatte die Vertreter einer sozialistischen Entwicklung und damit einer politisch gemeinten Animationsarbeit geschwacht. (Cruise O’Brien, I 971, S. 270). z) Die inneradministrative Machtverteilung zwischen den ver- schiedenen Machtgruppen hinter der Fassadc der zentralisierten Ver- waltung und der dominierenden Partei fiihrte manchmal zu sachlich kaum zu rechtfertigenden Entscheidungen. Nur damit Mt sich etwa die verfehlte Konstruktion der lhdlichen Entwicklungszentren er- klaren, die deren Leitern nicht einmal die elementarsten Disziplinar- befugnisse iiber die abgeordneten Beamten uberliel3. 3) Die sechziger Jahre waren durch einen anhaltendm Preisverfall fur Erdniisse gekennzeichnet. Dies gefhdete die Entwicklungspliine der Regierung und verschob die Prioritaten bei den mtwicklungs- politischen Zielen in den okonomischen Bereich. In den Vordergrund traten kurzfristig wachstumswixksame Maf3nahmen. Entsprechmd diirften die Belange der damit direkt bdal3ten Behorden vordriaglich beriicksichtigt worden sein.

Diese drei Faktorenbundel waren fiir die administrativen Um- organisationen weitgehend verantwortlich, durch die sich die Emp- findlichkeit der Beamten hinsichtlich der Kompetenzgrenzen u&en lafit. Zwischen 1960 und 1969 haben in den cinzelnen Dicnststellen

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folgende Verinderungen stattgefunden. Die Vermarktungs- und die Genossenschaftsbehorde waren zusammcngefah worden. Die liind- lichen Entwicklungszentren traten an die Stelle der einzeln ope- rierenden technischen Dienste. Die urspriinglich in die Zentren ein- gegliedmen Genossenschaftsbeamten wurden wieder in einer eigenen Behorde zusammengefal3t. Viele Zentren erreichten h e n vorgesehe- nen Personalbestand nicht, einige verloren ihn wieder. Die SATEC iibemahm in ihrem Arbeitsbereich praktisch die bei den Entwick- lungszentren liegenden Aufgaben der Beratung und Entwicklung. Wo die Dorfanimateurs kleinere Entwicklungsprojekte in Gang setzen konnten, arbeiteten sie praktisch immer im Kompetenzbereich der Entwicklungszentren, wihrena aber die Animation das Verdienst an diesen Aktion fiir sich beanspruchte.

Die Lage wurde dadurch weiter kompliziert, da13 eine Reihe von Aktionen, im Zusammenhang mit dem Erdndnnbau und der Erdnd- vermarktung, von mehreren oder allen Diensten gemeinsam durch- gefiihrt werden sollten. Aber die faktische Abgrenzung der Tatig- keiten folgte keineswegs h e r den Vorschriften, sondern wurde vielfach durch Freundschaften, die Verfugung uber Transportmittel, Interesse und Engagement der Beamten bestimmt.

Der Fehlschlag der Animation Rurale in bezug auf ihre Ziele in der Verwaltung wirft die Frage auf, ob zur Kritik am Venvaltungs- handeln nicht Wege beschritten werden miissen, die die mit der Animationsarbeit betrautcn Instanzen dem ZugriE der exekutiven Hierarchie entziehen. Moglichemeise hatte die schwache politisch- administrative Stellung der Animation Rurale durch cine starke Stellung in den betreuten Dorfem ausgeglichen werden konnen. Die folgenden Abschnitte werden die Stellung der Animateurs in den Dorfern analysieren.

3 . 3 . 3 .3 . I . Geograpbiscbe Verteilmg md soxiale Eingliederung der Animateurs Von j o untersuchten Dorfern mit Genossenschaften waren 16 ohne Animateurs. Die programmatisch geforderte Pardelitiit von Ani- mation Rurale und Genossenschaftsaufbau war somit nur in zwei Dritteln aller Untersuchungsdorfer verwirklicht. Die Genossen- schaftsdorfer ohne Animateurs konzentrierten sich allerdings in einem Departement, in dem cine der groI3en islamischen Bruderschaften, die Tidjaniya, ihr Zentrum hat (Montcil, 1964; Cruise O’Brien, 1971 ;

Die E i n g l i e h g ins Ihirdlicbe Soxialgtstem

C O P S C t d., 1972).

Wirhgsmoglichkiten und Grenxen der Animation &a& 269 Interviews bestlitigten, dal3 die hochgestellten Wurdenuager der

Bruderschaften in ihrem unmittelbaren EiduBbereich unter den verschiedenen Fonnen staatlicher Intervention auswihlten : wirt- schaftliche und technische Interventionsformen, wie Aufbau von Absatzgenossenschaften und Beratung wurden akzeptiert und tum Ted aktiv unterstiitzt, wihrend die Animation Rurale, teilweise auch die Einschulung der Kinder blockiert wurden. Auch der Siedlungstyp und die soziale Zusammensetzung ekes Dorf‘es wirkten sich auf die Rekrutierung von Animateurs aus. Mit einer Ausnahme kamen Animationszellen (Gruppen von iinimateurs einer ganzen Zone) nur in Dorfern vor, die infrastrukturell besonders gut ausgestattet waren. ,,hue ethisch und bruderschaftlich heterogenen Dorfer haben.. . mindestens einen Animateur, wahrend viele der ethnisch homogenen und die meisten der bruderschaftlich homogenen Diirfer ohne Ani- mateur auskommen mussen” (I3ergmann, 1972, S. 83). Nur am Rande sei angemerkt, da0 dies der Teildenz nach eher zu einer VergroBerung des Entwicklungsgefdes zwischen Dorfern unterschiedlichen Ent- wicklungsgrades fuhrt. Von den Animateurs wie von der zustkdigen Verwaltung wurde die Animationsarbeit interpretiert als an eine eigene soziale Position gebunden. Fur den Erfolg von Inhabern sozialer Positionen ist es wichtig, wie sie in der sozialen Umwelt verankert sind. Dies durfte in besonderem MaGe fur neue Positionen gelten, deren Inhaber nicht a d eine positionell abgesicherte, anerkannte hutoritat zuriickgreifen konnen. Da die Animateurs einen gewissen EinfluB auf die Dorf- bevolkerung ausuben sollten, sind a l s besonders wichtige Aspekte ihrer Position Ressourcen wie sozialer Rang und gute Beziehungen zu einfldreichen Personlichkeiten anzusehen.

Hinsichtlich des Sozialstatus waren fur die Animateurs Nonnen vorgegeben, die das Alter, den Familienstand, die Haupttatigkeit und die Stellung im Dorf betrafen. Enge Beziehungen zu den Dorf- notabeln waren verpont. Animateurs sollten nicht aus der person- lichen Klientel von Dorfhauptlingen oder geistlichen Wurdentragern rekrutiea werden. Eine M y s e der sozialstatistischen Merkmale der Animateurs zeigt, dal3 die Normen hinsichtlich des Sozialstatus ein- gehalten wurden. Im Vergleich mit den Hauptlingen wird abet klar, daI3 cs sich dabei vie1 eher um die Statusressourcen ‘moderner’ stidtischer Gesellschaften (Schulbildung, Monogamie, Mittelschicht) a l s urn die traditionaler Gesellschaften handelt.

Dies fiihrte zur Marginalisierung der Animateurs im Entscheidungs- prozel3 der Dorfgesellschaft. Wihrend der EinAul3 der Notabeln

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(Dorfhiuptling, Dorfgeistlicher) eindeutig an deren Position gebunden war und von den Merkmalen des Sozialstatus nicht mehr beeinflul3t wurde, war ,,die Anhatcursposition.. . noch nicht zu 'Autoritit ge- langt'. Sie ist als neue Position noch immer auf die 'Statusressourcen' des Inhabers.. . angewiesen" (Bergmann, 1972, S. 17j, Anmerkung I). Eine besondere Rolle spidt dabei das Alter, wogegen die Elementar- schulbildung allein keine Grundlage fiir Autoritat und EinLlul3 legt.

Die Kriterien hinsichtlich der Bindung der Animateurs an die Notabeln wurden nur selten beriicksichtigt. So war einer von ihnen der Doaup t l ing selbst, j 8% aller Animateurs waren mit dem Dorf- hiiuptling verwandt, einer war mit dem Dorfgeistlichen verwandt. Damit konnten die Animateurs nicht als Gegenposition zu den Hiiuptlingen im S h e h e r funktionalen, uber Wissen legitimierten Autoritiit eingesetzt werden.

3.3.2. Die Am-gestdtmg &r Animatewsposition

Zwei Gesichtspunkte der Ausgestaltung einer sozialen Position sollen untersucht werden, nhl ich ihre Aufgaben und das Verhalten, das ihr von ihren Interaktionspartnern im Rollensatz geschuldet wird. Du Rollensatz einer Position besteht aus d e n Mitgliedern eines sozialen Systems, mit denen sie regelmid3ig in Interaktion steht. Dabei mu13 neben der Sicht der Animateurs als Positionsinhaber auch die Sicht der Interaktionspartner beriicksichtigt werden, wenn man sich ein vollstkdiges Bild iiber die husgestaltung der Animateursposition machen will.

In der Sicht der Animateurs liegt ihr Aufgabenschwerpunkt im Bereich von Beratung und Hilfeleistung. Dieser Schwerpunkt domi- niert aber nur gegenuber den einfachen Dorfbewohnern, wahrend in den Pflichten gegenuber den Notabeln und den leitenden Positionen der Genossenschaft andere Akzente gesetzt werden. Gegenuber dem Dorfgeistlichen und dem Landwirtschaftsberater der SATEC steht die informelle Hilie im Vordergmd; in den Pf'lichten gegeniiber den Genossenschaftspositionen dominiert die direkte Beteiligung an deren Arbeit. In den Beziehungen zum Hauptling tritt die Zusammen- arbeit in seinen Aufgaben zuriick; dagegen wird eine Informations- pflicht ubcr Vorgange im und aul3erhalb des Dorfes genannt. Die Mehrheit der Animateurs sieht sich dariiber hinaus verpfichtet, den Hauptling um seine Mithilfe zu bitten; etwas seltencr hat sich diese Verpflichtung auch gegenuber dem Genossenschaftsvorsitzenden (27% der Animateurs), dem Wiegemeister (18%) und dem Dorf-

Wirhargsmiglicbkifen und Grenxen dcr Animation &ale 27'

geistlichen ( I 27;) herausgebildet. Da die o f h i d e Konzeption der Animateursrolle nur den Aufgabenschwerpunkt der Beratung und Hilfcleistung festlegt, mu13 man schlieflen, daI3 die Ausgestaltuag der Positionspfichten gegenuber den Notabeln und den ubrigen genann- ten Positionen im laufenden Interaktionsprozel3 dehniert worden ist. Dabei weist die Verpfiichtung, die cinLlul3rcichen Positionen um ihre Zusammenarbeit anzugehen, auf cine besonders starkc Abhkgigkcit hin. Die deutliche Differenzierung der Positionsgestaltung nach den Interaktionspartnern zeigt sich auch darin, welches Verhalten die Animateurs von beiden Gruppen fordern.

Die Dorfbewohner sollen vor d e m die Ratschlage des Animateurs befolgen und seine Miihe durch Anerkennung und Dankbarkeit lohnen. Der Hauptling SOU allgemcine Unterstiitzung gewihen und seinen Einflul3 zugunsten dcs Animateurs einsetzen. Letztere Forde- rung wird in geringerem M a e auch an Positionen herangetragen, die weniger mit politischen, mehr mit fachlichen Kompetenzen ausge- stattet sind - der Wiegemeister der Genossenschaft in der Ver- marktung, der Berater der SATEC im Produktions- und der Dorf- geistliche im religiosen Bereich. Vide Animateurs versuchen, den Einflufi ihrer Position gegenuber den Dorflern mit der geborgten Autoritat anderer Positionen auszubauen, indem sic bemuht sind, spezielle Gegenleistungen zu erbringen. So erkennt man gegenuber den Amtstnigem der Genossenschaft die Verpflichtung zur Zu- sammenarbeit an, fordert aber eine ebenso spezielle Zusammenarbeit bei der Animationsarbeit ein. Dieses komplizierte System von Leis- tung und Gegenleistung und der deutliche Autoritatsanspruch gegen- uber den einfachen Dorflern zeigt, wie sehr sich die Animateurs be- miihen, ihre Aufgabe in einer gesonderten, herausragenden Position auf Dorfebene (und nicht nur im administrativen System) zu ver- festigen, statt sich a l s Bauern mit Spezidkenntnissen zu begreifen, was mit der Gesamtkonzeption durchaus vereinbar gewesen wke.

Die Option f i r die Schafhng einer eigenen Animateursposition im dorflichen Sozialsystem hat ihre eigenen Chancen und Gefahren. Die Chancen dieses Prozesscs bestanden darin, eine Position mit sachlich legitimierten Kompetenzen zu scMen, deren Dienste allen Mit- gliedern der Dorfgemcinschaft zur Verfiigung gestanden hatten. Da eine solche Handlungskonzeption aus der gdtenden Tradition der Klientelbildung nur schwer entstehen konnte, hatte sic der massiven Stutzung von auflen, eixa durch die Animationsbehorde, bedurft. Die Gcfahr besteht darin, da13 cine weitere Honoratiorcnposition neben den traditionalen Notabeln entsteht. Wegen der relativen

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Schwache der Animationsbehorde diirfte sich letztere Tendenz wcit- gehend durchgesetzt haben. Trotz des fehlenden administrativen und politischen Ruckhaltes wurde das Experiment aber nicht aufgegeben. In Verkennung der Schwierigkeiten bei der Eingliederung h e r neuen Position in cine Sozialstruktur wurde auf die Nutzung traditiooaler Statusressourcen venichtet, da man sie als ungerechtfertigt ansah. Die TvIechanismen der Interaktion zwischen der neuen Position, h e r Zielgruppe und den traditionalen Autoritiitspositionen kamen eben- falls zur Auswirkung. Beides zusarnmen fiihrte dann dam, da13 der am wenigsten erwiinschte Effekt eintrat - die Animation wurde letztlich von den traditionalen AutoritHten und von den technischen Dicnsten f i r ihre Zwecke genutzt.

Urn zu klken, ob der Anspruch der Animateurs auf cine Sonder- position im Dorf durchgesetzt werden konnte, mu13 untersucht werden, wie die iibrigen Dorfbewohner deren Position sehen. Sic ade rn erheblich seltener Erwartungen an den Animateur als die Animateurs Pflichten angeben. Das in der Rollenauffassung nieder- gelegte Aufgabenbild mu13 demnach eher a ls ein Leistungsangebot, nicht schon als eine sozial weitgehend akzeptierte Aufgabenstruktur, angesehen werden. Die Festigung der Animatcursposition ist am ehesten gegenuber den einfachen Dorfiern gelungen, jedoch auch hier nicht im erstrebten Umfang. So werden TOO/, aller Animateurs nach eigenen Angaben nur von einigen wenigen Dorfbewohnern direkt um Rat gefragt. Entsprechend sieht ein Viertel d e r befragten Dorfler keinerlei Nutzen der Animation, fast die H a t e v e r d t sichtbare Erfolge. Geschatzt wird die Beratung und die Information uber Regierungsprogramme und administrative Manahmen. Hietin stimmen die Entwicklungsverwaltungen und die Dorfbewohner uberein. Jedoch handelt es sich bei diesen Informationen nur selten urn technische Spezialkenntnisse. Denn die Einweisung in die Be- nutzung der neuen Geriite und H i l f s m i t t e l , die uber den Genossen- schaftskredit verteilt werden, geschieht nach Angaben der Dorfier in erster Linie durch den Berater der SATEC, dessen Nutzlichkeit allgemeia anerkannt wird.

Auch a l s Informationsqude fir die Regeln genossenschaftlicher Zusammenarbeit tritt der Animateur nicht in Erscheinung. Die meisten Animateurs sehen m a r Aufgaben im Bereich der Genossen- scha€t, sie konzentrieren sich aber auf die Kontrolle einer korrekten Geschiiftsabwicklung, vor d e m bcim Abwiegen der angekauften ErQuBemte, und a d die Vermeidung und Bereini von Kon- fliktcn, die beim Abwiegen, bei der Verteilung der irg erschiisse und

Wir,bingsmCgLicbkeiien und Greqen &r Animation &ah 273 bei der Zuteilung der Produktionsmittel entstehen. Es ist zu ver- muten, dan diese Ausrichtung der genossenschaftlichen Tatigkeit der Animateurs ihrc schwache Stellung nicht stiirken k a ~ . Die starke Bindung der Animateurs an die Notabeln und einfldreichen Personlichkeiten lant befurchten, daf3 Interessenkonflikte eher im Sinne dieser Gruppe als im Sinne der einfluBloseren Genossenschafts- mitglieder behandelt werden. Auch im genossenschaftlichen Bereich scheinen die Angaben der Animateurs uber ihre Arbeit zum Teil auf Wunschdenken zu beruhcn; sie werden jedenfalls von den Leitungs- positionen der Genossenschaft nicht bestatigt. Nimmt man an, da13 die Animateurs ihre Bedeutung b e w d t uberschatzt haben, die ein- flunreichen Personlichkeiten dagegen die herunterspielen wollten, so diirfte die Wahrheit irgendwo zwischen beiden Angaben liegen. Auch dann mul3 man feststellen, dal3 nur in wenigen F a e n klare und d g e - mein akzeptierte Kompetenzen mit der Animateurposition ver- bunden sind.

4. D I S K U S S I O N D E R E R G E B N I S S E

Im Rahmen der Innovationstheorie ist nun zu fragen, welche Merk- male der Innovation Animation Rurale sich im administrativen und im lokalcn soziokulturellen System ausgewirkt haben.

Rogers und Shoemaker (1971) machen fur den relativen Erfolg einer Innovation bekanntlich folgende Faktoren verantwortlich, die sie - nicht immer korrekt - der jeweiligen Innovation a l s Merkmal zuschreiben :

- ihr relativer Vorteil, - ihre Vereinbarkeit mit bestehenden Werten, mit vorher bestehen-

- ihre Komplexitat - die Moglichkeit, vor der endgultigen Ubernahme Versuche anzu-

- die Beobachtbarkeit h e r Auswirkungen (S. I 37 ff.).

Die Behandlung der Animation Rurale als Innovation LiBt sich im Rahmen der Dorfsituation damit rechtfertigen, da13 ihre Leistungen angeboten wurden. Selbst die Ausbiidung von Animateurs sollte auf ausdriicklichen Wunsch der Dorfler geschehen. Im administrativen Bereich war die Animation m a r nicht im selben M d e wie auf Dorf- ebene ein Angebot. Da aber nur die Minimalbeziehungen zwischen

den Vorstellungen und Bedurfnissen,

stellen,

274 Herbert Bergmann

ihr und den ubrigen Dienststden festgelegt und abgesichert waren, konnen d e dariibcr hinausgehenden Verhaltensweiscn als autonome Reaktionen auf eine Innovation interpretiert werden.

Wit wollen im folgenden die Animation unter den von Rogers enmickelten Gcsichtspunkten betrachten.

4. I , Der rchtive Vorted &r Animation

Wit an anderu Stelle dargelegt (Bergmann & Khademadam, 1973, S. 123), ergibt sich der relative Vorteil einer Innovation aus zwei un- abhhgig voneinander variierenden Faktoren - der Problemsicht der Adressaten einer Innovation und der Beschaffenheit eventucll vor- handener konkurrierender Innovationen. - Im Bereich der Ent- wicklungsverwaltungen und hier besonders bei den Beamten, die direkt mit den Bauern zu arbeiten hatten, konnte von eincm relativen Vorteil der Animation Rurale nicht gesprochen werden. Das Problem- bed t se in , das an hoherer Stelle zu dieser Einrichtung gefuhrt hatte, hatte den unteren Rkgen nicht wirksam ubcrmittelt werden konnen. Dort wurde die Existenz der Animation eher als Nachteil empfunden. Im Bereich des Dorfes variierten beide Faktoren. Die Problemlage

der einfachen Dorfbewohner sprach eher zugunsten der Animation als die der Notabeln, so da13 - entsprechend der Konzeption - vor allem die einfachen Leute mit dem Animateur zusammenarbeiteten. Zusatzlich gab es aber gerade bei der Beratung konkurriercnde An- satze, so etwa die Beratung der 1;dndlichen Entwicklungszentren und der SATEC. Da die Einkommen der Erdnunproduzenten durch die Prcisentwicklung bedroht waren, munte der groBte relative Vorteil bei der Beratung durch die SATEC liegen. Das Innovationsangebot im politischen Bereich, dessen Vereinbarkeit mit bestehenden politi- schen Strukturen gcsondert zu untcrsuchen ist, traf auf cine un- gunstige Problemlage bei den Bauern: In den ersten Jahren nach der Unabhkgigkeit empfand man wahrscheinlich cine politische Ver- besserung im Vergleich zur Kolonialzeit; spater, als Unzufrieden- heit mit der cinheimischen Verwaltung aufkam, hatte diese die Animation schon fest im G S . Hinzu kommt, daf3 die Animation politisch in Konkurrenz mit dem relativ efiienten traditionalen Klientelsystem, mit den Dorfkomitees der Rcgierungspartei und spiiter mit dem Landfunk der Regierung (Radio Educative Rurale) stand.

4.2. Beobacbtbarkeit, Kompiexitd und Testbarhit Die Animation Rurale war nicht darauf angclegt, kurzfristig spekta-

Wirhgsmiig/icbhiten und Grenxen h r Animation Rwak 27 I kulke Ergebnisse zu erbringen, sondern sollte zu einer graduellen Neuorientierung der Landbevolkerung fiihren. Das Kriterium der s c h n e l l sichtbaren Erfolge wurde aber von den technischen Diensten und von der Dorfbevolkerung an sic herangetragen. Dies durfte sich erst recht zu ihren Ungunsten ausgewirkt haben, seit die SATEC mit einem konkurrierenden Beratungsansatz auftrat. Unter diesem Aspekt wird die Aufiiihlung von Klein- und Kleinstprojekten versthdlich, die in vielen Gesprachen mit Animationsbeamten und Animateurs auftauchte. - Da die Akzeptierung der Animateurs und ihrer Be- ratung keine materiellen Risiken mit sich brachte, spielt die Testbar- keit keine Rolle. Die Komplexidt auf Dorfebene ist zumindest hinsichtlich ihrer formalen Struktur gering.

4.3. Vereinbarhit mit den CrtLicben Gegebenheiten

Es sollen zwei Aspekte beleuchtet werden, die mir als zentral bei der Behandlung sozialer Innovationen erscheinen: - Soziale Innovationen erweitern und veriindern nicht wie technische Innovationen lediglich das Arsenal materieller Werkzeuge und pro- duktiver Prozesse, sondern veriindern und enveitern direkt und un- ubersehbar das Interaktionsgefuge der Struktur, in die sie eingefiigt werden. Wie die Interaktion aus neuen Positionen oder Organisatio- nen immer Impulse zur Umstrukturierung der bestehenden Suuk- turen freisetzt, gehen aus der Interaktion durch die Mechanismen gegenseitiger Unterstiitzung und Konfliktaustragung Impulse zur Umgestaltung der sozialen Innovation aus. Daher EI3t sich die Frage nach der Vereinbarkeit solcher Innovationen mit den bestehenden Sozialstrukturen nicht losgelost von der Frage der Machtverteilung zwischen der Innovation einerseits, den bestehenden Strukturen andererseits behandeln. Dieser Faktor, der zusatzlich zur Interessen- lage der Beteiligten ins Spiel kommt, bewirkt, daI3 cine soziale In- novation nicht cidach ausprobiert, ubernommen oder abgelehnt wird, sondern daf3 sic je nach Machtverteilung umgebaut und a d dem Hintergrund der lokalen Traditionen uminterpretiert wird. Dies ist bei Ansatzen wie der Genossenschaftsbildung, dem Community Development und der Animation Rurale nicht genugend beachtet worden. - Auf dem Hintergrund dieser Oberlegungen mu13 gefragt werden, wieweit der Ansatz der Animation Rurale mit dcr traditionalen poli- tischen Kultur zu vereinbaren war. Dabei mu13 beriicksichtigt werden: - die Strukturierung politischer Interaktionen nach dem Klicntel-

274 Herbert Bcrgmann

prinzip (Lemarchand 1972, S. 68-90), das die in der Genossenschaft wie in der Animation Rurale gcfordcrte, uneigennutzige Hand- lungsweise nur sehr schwer versthdlich erscheinen l a t ;

- das institutionell stark hervorgehobene Status- und Prestige- bewufltsein, das um einen speziellen Ehrbegrif€ zentriert ist und ein Streben nach Verbesserung des Ranges cines Individuums und/oder seiner Familie frcisetzt.

Beidcs erklart, warum die Animateurs ihre Aufgabe in einer eigen- sthdigen Position in der Dorfgesellschaft zu verfestigen suchen. DCM nur eine anerkannte Position vermag den Anspruch, zu den Notabeln zu gehoren, zu stiitzen. Die Festigung einer solchen Position mit ungehinderter Mitsprache im Dorf und in der Genossenschaft ver- langte aber die Ausstattung dieser Position mit einer anerkannten Autoritat. Diese konnte allein aus dem Impuls zur Problemerkenntnis und Problemlosung, den die Animateurs in die Dorfgesellschaft ein- geben sollten, nicht gewonnen werden. Die Bindung an die Dorf- notabeln und/oder an die aus der Sicht der Dorfler relativ machtigen Beamten der Entwicklungsverwaltungen gab hier cine bessere Basis ab.

Die landwirtschaftliche Beratung durch die SATEC, ebenfalls cine soziale Innovation, war unter diesen Gesichtspunkten besser konzi- piert. Von vornherein wurde die Position eines einheimischen Be- raters geschaffen und durch Entlohnung, Sachmittel und intensive, kontinuierliche Schulung ausgestattet. Er war fur cine game Reihe von Dorfern zustandig und entzog sich damit der intensiven Inter- aktion im Rahmen eines Dorfes. Er hatte einen eng umschriebenen Aufgabenbereich, der nicht in die Bereiche der dorflichen Macht- strukwen direkt eingr8 und niemandem Konkurrenz machte.

Eine weitere Innovation, die auch den politischen Bereich abdeckte, vermied einige der Schwierigkeiten, mit denen die Animation zu khpfen hatte. Es handelte sich dabei um den oben erwahnten Land- funk, der in ausgcwahlten Dorfern Horerdubs gebildet hatte, die die Sendungen diskutierten und iiber die Ergebnisse dieser Diskussionen schriftlich berichteten. Die Hauptinteraktionsrichtung ging nicht in die dofiche Sozialstruktur, sondern zur politischen und wirtschaft- lichen Zentrale des Landes. Die Horerclubs waren nicht auf die Unter- stiitzung der Dorfnotabeln angewiesen. Weit wichtiger aber diirfte gewesen sein, daI3 sic einen Kommunikationsweg zwischen den Bauern und der nationalen Fuhrung darstellten, der von der Ver- waltung nicht blockiert werden konnte. Die alsbald in der Verwaltuag adiretenden Widerstinde konnten nicht mehr in Konflikte auf

Wirhgsttzoglicbkeiten und Grey en der Animation Rurrrlc 277 lokaler Ebene umgesetzt werden, sondern mul3ten mit dcr politischen Zentrale diskutiert werden, die ihrerseits fur die Einrichtung des Landfunks verantwordich war und wegen seiner Konuollfunktion nicht willens war, davon abzulassen.

Hinsichtlich der Eingliederung der Animation in die Verwaltung und der dort auftretenden Vereinbarkeitsprobleme sei nur folgendes erwiihnt : Im franzosischen Modell, das der senegalesischen Ver- waltung zugrunde lag, wurde die Kontrolle uber die Exekutive in- haltlich vom Parlament, formal vom Rechnungshof durchgefuhrt. In der Kolonialvenvaltung, aus der die meisten Beamten kamen, fehlte eine demokratische Kontrolle des Verwaltungshandelns de fact0 vollig. Information und Kommunikation waren umso strenger hierarchisch gebunden, je mehr sie Anweisungscharakter hatten. Daher war die Tendenz zur Verschiebung von Verantwortung, zur Berufung auf reinc Routine und auf die etablierten Kompetenzen umso ausgepragter, je niedriger ein Beamter in der Hierarchic stand, d.h. je mehr direkten Kontakt er mit der Landbevolkerung hatte.

Die Animation, die Initiative und Kommunikationsfreudigkeit uber die Ressortgrenzen hinweg bewirken sollte, setzte die Ver- waltungsreform, die sie anstrebte, zur erfolgreichen Arbeit voraus.

Es soll fairerweise nicht verschwiegen werden, dafl aus den oben dargestellten Fehlern gelernt worden ist. So verzichtet Belloncle (1971b) nicht nur auf die Position des Dorfanimateurs; auch die Be- ziehungen zwischen den verschiedenen technischen Diensten und der Animation werden geregelt. Die Animation tritt nur auf Anforderung der technischen Dienststellen in Aktion. Sie beschriinkt sich auf eine Aufldarung uber die gcplanten Projekte und bereitet so daI3 Terrain fur die Aktion vor. Aul3erdem ubernimmt sie die Evaluierung der Aktionen, ist aber wahrend der Durchfiihrungsphase nicht priisent.

Zudem hat sich a l s Erkenntnis durchgesetzt: ,,Ce ne sont pas les mentalitts et les comportements de la population qui sont les plus difiiciles A modifier, mais les comportements et mentalitts des agents de I’administration” (Belloncle, 1971b, S. 3).

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S U M M A R Y

P O T E N T I A L I T I E S A N D L I M I T S O F A N I M A T I O N R U R A L E

T H E E X A M P L E O F SENEGAL

Programmes of animation rwah are analyzed as social innovations. As a case-study the situation of the animation r w a h in Senegal is described; the integration of the animation offices in the general frame- work of the development administration is analyzed as well as the in- corporation of the village mimatem into the rural social system. The

Wirhgsmiglicbkeiten nnd Grenzen akr Animation h a l e 279 empirical background is derived from field research by the author in jo villages of a region of Senegal.

The integration of animation into the administration fails due to lack of political support. Thus, organizational deficiencies could not be avoided. The integration of the animaternr in their villages is abortive, since the elementary mechanisms of interaction are ignored whiete the animation holds a weak administrative position. It becomes a tool of traditional local interests and of bureaucratie interests in the region.

In the analysis of animation as a social innovation, the adaptation of social innovations to their socio-cultural context emerges as the central problem, in which power plays a decisive role.

P O S S I B I L I T E S e T L x M i - r e s DE L ’ A N I M A T I O N nunALe L ’ E x e H P L e DU S E N ~ C A L

L’auteur analyse les programmes d’animation r u d e - et plus parti- culitrement la situation au SCntgal - en tant qu’innovation sociale. L’ttude porte aussi bien sur les services charges de l’animation dans le cadre general de l’administration du developpement que sur l’insertion des animateurs de villages dans la structure sociale rurale. L’auteur s’appuie pour cela sur une etude rtalisee dans 5 0 villages d‘une region du StnCgal.

L’inttgration de l’animation dans la structure administrative a echouk; vue l’absence de support politique, les difficultis d‘organi- sation ne pouvaient &re evitees. L’integration des animateurs dans les villages a, de meme, tchouC dam la mesure, oh les mecanismes les plus tlementaires d‘interaction sociale ont tte ignorks et OCI l’ani- mation ne jouit que d’une faible position administrative. Elle devient, de ce fait, l’instrument des inter& locaux traditionnels et ceux de la bureaucratie rigionale. U resort de cette analyse de l’animation, phhomtne social, que

l’adaptation des innovations au contexte socio-culture1 constitue le problkme essentiel dans lequel le facteur pouvoir politique joue un role dkcisif.

280

2 US A M M EN F A S S U N G

Herbert Bergmann

W I R K U N G S Y O G L I C H K E I T E N U N D G R E N Z E N DER ANIZLATION RURALE D A S BEISPIEL DES S E N E G A L

Programme der Animation R u d e werden als soziale haovationen analysiert. Als Fallstudie wird die Lage der Animation Rurale in Senegal dargestcllt; dab4 wird sowohl die Eingliederung der Ani- mationsbehorde in den Gesamtrahmen der Entwicklungsverwaltung wie auch die Eingliederung von Dorfanimateurs in das dofiche Sozialsystem untersucht. Als empirische Grundlage dient eine Unter- suchung des Autors in 5 o Dorfern einer senegalesischen Region.

Die Eingliederung der Animation in die Venvaltung scheitert am Mangel an politischer Unterstiitzung, weswegen Organisationsmiingel nicht mehr beseitigt werden konnten. Die Eingliederung der Anima- teurs in ihre Dorfer scheitert an der Nichtberiicksichtigung elemen- tarer Interaktionsmechanismen und an der schwachen administrativen Stellung der Animation. Sie wird zum Werkzeug traditionaler In- teressen auf lokaler Ebene und burokratischer Interessen im iiber- lokalen Bereich.

In der Analyse dieses Falles stellt sich als Zentralproblem das der Anpassung sozialer Innovationen an den soziokulturellen Kontext heraus, in den sie gestellt werden, wobei der Machtfaktor eine ent- scheidende Role spielt.


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