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Wissenschaftliches Arbeiten – SS2010 - Teil 12/Galilei und die Kirche 16.06.2010 1

Wissenschaftliches Arbeiten

Teil 12: Galilei und die Kircheoder

Wie gehen Wissenschaftler/innen miteinander um

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Literatur

Di Trocchio, Federico: Newtons Koffer. Geniale Außenseiter, die die Wissenschaft blamierten. Campus, 1998, S.186-206

[7]

Verfilmung von [5]: Der Längengrad. Grenada, 2000[6]

Sobel, Dava: Längengrad. Die wahre Geschichte eines einsamen Genies, welches das größte wissenschaftliche Problem seiner Zeit löste. btb, 1998

[5]

Bellone, Enrico (Hrsg.): Galileo Galilei. Spektrum der Wissenschaft, Sonderausgabe, 1, 2002

[4]

Gebler, Karl von: Galileo Galilei und die Römische Kurie. Emil Vollmer Verlag, ohne Jahresangabe

[3]

Feyerabend, Paul: Wider dem Methodenzwang. Suhrkamp, stw 579, 1986

[2]

Brecht, Bertholt: Leben des Galilei. edition Suhrkamp, 1963[1]

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Vorbemerkung

• In diesem Teil geht es nicht um eine Aufarbeitung der Geschichte, um zu einer korrekten Rekonstruktion zu gelangen,

• auch geht es nicht um eine Studie der Moral bzw. Ethik etc.• es soll dagegen versucht werden, die laut Literatur

vorhandene Geburtsstunde der modernen Wissenschaften sowie die der experimentellen Methode wissenschafts-theoretisch zu interpretieren.

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Lebensdaten von Galileo Galilei I

Nachbau des Fernrohres1609

Lehrstuhl für Mathematik in Padua, was zur Republik Venedig gehörte

1592

Besuch in Rom, Vorführungen und hohe Ehrungen1611

Veröffentlichung: Sidereus Nuncius (Sternenbote)Entdeckung der Phasen der VenusEntdeckung der Monde des JupiterMondlandkartenCosimo II ernennt ihn zum Mathematikprofessor

1610

Lektor in Mathematik an der Universität PisaEndeckungen/Erfindungen:Thermometer, Pendelversuche, Fallgesetze, Schiefe Ebene

1589

Geburt1564

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Lebensdaten von Galileo Galilei II

"Dialogo" mit Verhöhnungen seiner Gegner und des ihm wohl gesonnenen Pabsts erscheint

1632

(Falsche) Theorie der Gezeiten, Relativitätsprinzip1630

Kardinal Maffeo Barberinni (Förderer von Galilei) wird PapstGalilei beginnt mit Polemiken seine Gegner zu reizen

1623

Nachbau von Mikroskopen1616

Entdeckung der Drehung der Sonne aufgrund der Sonnenflecken

1613

Erste Bücherverbote: Foscarini, Kepler, Kopernikus (suspendiert)

1616

Bestimmung des spezifischen Gewichts der Luft1614

Erstes geheimes Verfahren ohne Beteiligung GalileisErmahnung, seine Ideen nur als Hypothese und nicht als Wahrheit/Tatsache zu veröffentlichen

1616

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Lebensdaten von Galileo Galilei III

Werk "Discorsi" außerhalb des Einflusses der Römischen Kirche veröffentlicht

1635

Erblindung - aufgrund der Sonnenbeobachtungen?1638

InquisitionsprozessVorhaltungen: Dialogo, BellarminbriefGalilei versuchte sich heraus zu winden (lügen?)Lebenslange Haft bzw. Hausarrest und AbschwörenVerbot jeglicher Veröffentlichungen

1633

Tod1642

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Zum Fernrohr

• Erfunden hat es der holländische Optiker Hans Lippershey(1570-1619)

• Galilei hat es lediglich nachgebaut, verbessert und es "verkauft" (1609).

• Unklar ist, ob in diesem Punkt Galilei ehrlich war - in BertholtBrecht's Stück über ihn [1] war er es nicht.

• Alle Fernrohre zu dieser Zeit hatten starke optische Mängel:– Farbverschiebungen– Nicht vorhandene Ränder– Objektverdoppelungen

• Alle Mondkarten von Galilei sind falsch: es gibt noch nicht einmal Ähnlichkeiten mit der "heutigen Realität".

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Zu den Jupitermonden

• Galilei nannte diese Monde nach seinem erhofften zukünftigen Mäzen: Medici‘sche Monde.

• Entdeckt wurden sie vorher (1609) durch Simon Marius (1573-1624) in Ansbach.

• Simon Marius hatte diese Entdeckung nicht veröffentlicht(aus gutem Grund?).

• Simon Marius war Schüler von Tycho Brahe und von Kepler.• Ähnlich verhält sich dies mit den Sonnenflecken.• Heute heißen die Monde Galileische Monde.

Die Entdeckung der Monde war ein entscheidender Schritt zurAblehnung des Ptolemäischen Weltbildes, das ein hinter den JupiterVerschwinden (und Verdeckt-sein) nicht zuließ.

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Ptolemäisches Weltbild

• Die Erde steht still und alles am Himmel sich Bewegende umkreist die Erde.

• Der Himmel wird in Sphären aufgeteilt und angenommen, dass die dortige Materie nicht den Gesetzen der Materie der Erde genügt, sondern denen des Himmels.

• Zu den Berechnungen wurden kreisförmige Bahnen, auf denen sich Mittelpunkte weiterer Kreisbahnen (Epizyklen) befinden, benutzt.

• Mit den Epizyklen wurden Abweichungen von der angenom-menen Bahn korrigiert (Ad hoc-Annahmen zur Reparatur).

• Die Berechnungen waren kompliziert, aber recht genau.• Das Ptolemäische Weltbild war damals genauso plausibel und

im Denken verankert wie unser heutiges Weltbild.• Tycho Brahe war ein Vertreter eines weiter entwickelten

Modells dieses Weltbilds.

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Die Idee des Kopernikus I

• Die Erde kreist um die Sonne wie auch die anderen Sterne bzw. Planeten.

• Die Bahnen wurden wie bei Ptolemäus als kreisförmig mit Epizyklen angenommen.

• Die Berechnungen waren etwas einfacher, aber keineswegs dem alten Modell überlegen, in einigen Fällen sogar schlechter.

• Es ist unklar, ob Kopernikus sein Modell als eine Art vereinfachte Berechnung, also rein hypothetisch, ansah, oder ob er glaubte, dass es sich tatsächlich so verhielt.

• Sein Hauptwerk "De Revolutionibus Orbium Coelestium" wurde 1543 posthum mit einer nicht von ihm geschriebenen Einleitung veröffentlicht.

• Kopernikus besaß nie ein Fernrohr.

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Die Idee des Kopernikus II

• Das Kopernikanische Weltbild wurde sogar von der Kirche wohlwollend aufgenommen.Es kann sein, dass es als interessante Hypothese und nicht als Wahrheit aufgefasst wurde.

• Die theoretischen Schwierigkeiten dieses Weltbildes wurden erst durch Isaac Newton beseitigt.

• Galilei hat über Kopernikus, um seine Ideen zu verteidigen, Falsches verbreitet, z.B. dass Kopernikus ein Priester war etc.

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Ein Gedankenexperiment

• Fall 1:Ein Beobachter steht auf einem im Bezugssystem festen Punkt und Lichter (Fixsterne) bewegen sich kreisartig auf der Innenseite einer Kugel, an deren Mittelpunkt der Beobachter steht.

• Fall 2:Ein Beobachter steht auf einem bewegenden Punkt relativ zu einem Bezugssystem und sieht die über ihm bezüglich des Bezugssystems sich bewegenden Lichter (Fixterne).

• Frage:Kann der Beobachter zwischen beiden Situationen unterscheiden, wenn er dieselben Lichtbewegungen sieht?Falls nein, was begründet den Standpunkt Galileis?

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Erschütterungen des damaligen Weltbildes

• Entdeckung, dass der Mond angestrahlt wird, also keine eigene Lichtquelle ist

• Entdeckung der Jupiter-Monde, die sich kreisförmig um den Jupiter bewegen, d.h. hinter ihm verschwinden.

Beides wurde durch das damalige Weltbild nicht erklärt.

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Der 1. Prozess 1616 I

• Es wurden zwei Gutachten zur Kopernikanischen Lehre angefertigt, genauer zu folgenden Sätzen:– Die Sonne ist das Zentrum der Welt und infolgedessen ohne

örtliche Bewegung.– Die Erde ist nicht das Zentrum der Welt und nicht

unbeweglich, sondern bewegt sich auch in täglicher Umdrehung um sich selbst.

• Ergebnis– Die Lehre sei töricht und absurd in der Philosophie, also mit

heutigen Worten: unwissenschaftlich. Dies wurde ohne Betrachtung theologischer Positionen untersucht.

– Die Lehre sei formal häretisch.

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Der Beweis: Das Fernrohr

• Es ist historisch falsch, dass sich die damaligen Gelehrten geweigert hätten, durch das Fernrohr zu schauen.So bestätigt Pater Clavius Beobachtungen mit dem Fernrohr.

• Ganz im Gegenteil, bei dem Besuch von Galilei im Rom gab es Vorführungen und Ehrungen.

• Das Problem war:– Die Verwendung des Fernrohrs auf der Erde wurde geprüft

und akzeptiert.– Die Verwendung zur Sternenbeobachtung wurde in Frage

gestellt - aus folgenden Gründen:Die Gesetze auf der Erde gelten nicht im Himmel (Induktionsproblem).Es ist ein Lernvorgang nötig, bei dem gelernt wird, was wie zu erkennen ist.

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Also...

• Aus der Sicht der damaligen Zeit sowie der tatsächlich vorgetragenen und veröffentlichten Argumente hatte Galileis Theorie erhebliche Schwierigkeiten.

• Das Turmargument z.B. konnte Galilei nie widerlegen, also ohne erfundene Experimente und ohne rhetorische Tricks.

• Die damals allgemein anerkannte Lehre erklärte recht gut auch die von Galilei gemachten Entdeckungen (mit vielen Ad hoc-Annahmen - aber Galileis Version war hierin auch nicht besser).

• Auch standen eine zu frühe Veröffentlichung, seine Arroganz sowie seine Polemik der Anerkennung im Wege.(Z.B. war Kepler dagegen ein sehr höflicher Mensch).

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Der 1. Prozess 1616 II

• Galilei erhielt eine Ermahnung, seine Lehre nur als Hypothese und nicht als Wahrheit zu veröffentlichen.

• Die Inquisition war in diesem Verfahren Galilei sehr zugeneigt.

• Der Prozess selbst, also die Prüfung und Beantwortung der obigen Fragen fand ohne Galilei statt.

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Bemerkungen

• Es muss davon ausgegangen werden, dass Anzeigen und Verleumdungen seitens der anderen Wissenschaftler seiner Zeit zum 1. Prozess führten.

• Die Inquisition war an einer Verurteilung eher nicht interessiert.

• In der damaligen Zeit gehörten der Kirche die besten Wissenschaftler und "hellsten Köpfe" an, die sehr interessiert an der Wissenschaft waren.

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Der 2. Prozess 1633 I

• Der entscheidende Punkt war:Galilei hielt sich nicht an die Ermahnung des 1. Prozesses.

• Galilei behauptete, Wahrheit bzw. Wirklichkeit gefunden zu haben.

• Für Galilei waren seine Ideen keine Hypothesen sondern Wahrheiten.

• Und diese können – seiner Meinung nach - sehr wohl veröffentlicht werden.

• Galilei konnte aber außer Vermutungen und Plausibilitäts-argumenten nichts vorbringen.

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Der 2. Prozess 1633 II

• Bei diesem Prozess stand nicht die Kopernikanische Theorie zur Debatte, sondern das Verhalten Galileis.

• Seine Aussage "Und sie dreht sich doch" (Eppur si muove) ist nicht belegt, wahrscheinlich eine spätere Erfindung seiner Anhänger.

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Abschwörungsurkunde vom 22.06.1633 I

Ich Galileo [...] stehe persönlich vor Gericht und knie vor Euch Eminenzen,die Ihr in der ganzen Christenheit die Inquisitoren gegen die ketzerischeVerworfenheit seid. Ich habe vor mir die heiligen Evangelien, berühre siemit der Hand und schwöre, dass ich immer geglaubt habe, auch jetzt glaubeund mit Gottes Hilfe auch in Zukunft glauben werde alles, was mir dieheilige katholische und apostolische Kirche für wahr hält, predigt und lehrt.Es war mir von diesem heiligen Offizium von Rechts wegen die Vorschriftauferlegt worden, dass ich völlig die falsche Meinung aufgeben müsse,dass die Sonne der Mittelpunkt der Welt ist, und dass sie sich nicht bewegt,und dass die Erde nicht der Mittelpunkt der Welt ist, und dass sie sichbewegt. Es war mir weiter befohlen worden, dass ich diese falsche Lehrenicht vertreten dürfe, sie nicht verteidigen dürfe und dass ich sie in keinerWeise lehren dürfe, weder in Wort noch in Schrift. Es war mir auch erklärtworden, dass jene Lehre der Heiligen Schrift zuwider sei.

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Abschwörungsurkunde vom 22.06.1633 II

Trotzdem habe ich ein Buch geschrieben und zum Druck gebracht, in demich jene verurteilte Lehre behandle und in dem ich mit viel GeschickGründe zugunsten derselben beibringe, ohne jedoch zu irgendeiner Entschei-dung zu gelangen. Daher bin ich der Ketzerei in hohem Masse verdächtigbefunden worden, darin bestehend, dass ich die Meinung vertreten und ge-glaubt habe, dass die Sonne der Mittelpunkt der Welt und unbeweglich ist,und dass die Erde nicht Mittelpunkt ist und sich bewegt. Ich möchte michnun vor Euren Eminenzen und vor jedem gläubigen Christen von jenemschweren Verdacht, den ich gerade näher bezeichnete reinigen. Daherschwöre ich mit aufrichtigem Sinn der Heuchelei ab, verwünsche undverfluche jene Irrtümer und Ketzereien und darüber hinaus ganz allgemeinjeden irgendwie gearteten Irrtum, Ketzerei oder Sektiererei, die derHeiligen Kirche entgegen ist. Ich schwöre, dass ich in der Zukunft wederin Wort noch Schrift etwas verkünden werde, das mich in einen solchen

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Abschwörungsurkunde vom 22.06.1633 III

Verdacht bringen könnte. Wenn ich aber einen Ketzer kenne oder jemandender Ketzerei verdächtig weiß, so werde ich ihn bei diesem HeiligenOffizium anzeigen oder ihm dem Inquisitor oder der kirchlichen Behördemeines Aufenthaltsortes angeben.[...]Ich, Galileo Galilei, habe abgeschworen, geschworen, versprochenund mich verpflichtet, wie ich eben näher ausführte. Zum Zeugnisder Wahrheit habe ich diese Urkunde meines Abschwörens eigenhändigunterschrieben und sie Wort für Wort verlesen, in Rom im Klosterder Minerva am 22. Juni 1633. Ich Galileo Galilei, habe abgeschworenund eigenhändig unterzeichnet.

Galileo Galilei

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Die Rehabilitierung

ROM, 1. November (AP/AFP).Fast 360 Jahre nach dessen Verurteilungdurch die katholische Inquisition hat Papst Johannes Paul II. amSamstag den italienischen Physiker und Mathematiker GalileoGalilei (1546-1642) offiziell rehabilitiert. Der Papst erklärte,die Kirche habe geirrt, als sie Galilei am 22. Juni 1633 wegenseiner Lehre verurteilte, da die Erde nicht der Mittelpunkt desUniversums sei, da sie sich um die Sonne drehe - und nicht dieSonne um die Erde, wie damals die offizielle Kirchenlehre lautete.Galilei war von der Inquisition unter Androhung der Foltergezwungen worden, seiner Lehre des Kopernikus entnommenen Theseabzuschwören und zu lebenslanger Haft verurteilt worden. DieStrafe wurde später in Hausarrest umgewandelt.

Frankfurter Rundschau, 2. November 1992

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Und heute?

• Wenn jemand eine absurde, unbegründete und auf nicht nachvollziehbaren Beobachtungen beruhende Lehre innerhalb der Wissenschaftsgemeinde veröffentlicht, dann...

• Wenn jemand ohne weitere Untersuchungen eine erste Entdeckung in einer Pressekonferenz bekannt gibt, wie z.B. die kalte Fusion im Wasserglas, dann...

• Wenn jemand behauptet, kein Modell, keine Theorie, keine Hypothese sondern die Wahrheit gefunden zu haben, dann...

Aber genau das alles hat Galilei, der als Begründer der modernenWissenschaften gilt, getan.[was aber nicht heißt, dass er damit unrecht hatte]

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Nun etwas Entspannung...

Der Weg zurWahrheit istwie ein Wegauf einenGipfel....


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