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Menschen

Physikalische Blätter55 (1999) Nr. 4

Bjørn H. Wiik

B jørn H. Wiik starb durcheinen häuslichen Unfall am26. Februar 1999. Er war Vor-

sitzender des Direktoriums desDeutschen Elektronen-Synchro-trons DESY und Professor an derUniversität Hamburg. Mit ihm hatdie Welt eine große Persönlichkeitund einen herausragenden Wissen-schaftler verloren, der die Hoch-

energiephysikder letzten Jahr-zehnte wesent-lich mitgeprägthat.

Bjørn Wiikwurde 1937 inBruvik bei Ber-gen in Norwe-gen geboren.Nach seinemAbitur in Nor-wegen studierteer Physik an derTH Darmstadtund promovierte1965 bei Profes-sor P. Brix. Da-nach ging er indie USA und ar-beitete in der

Gruppe von D. Ritson am StanfordLinear Accelerator Center SLAC.Im Jahre 1972 kam er zum DESY.Hier war er zunächst an zwei wich-tigen Vorschlägen maßgeblich betei-ligt, nämlich dem Experimentvor-schlag DASP für den DORIS-Spei-cherring und an einem Vorschlag,DORIS als Elektron- Proton-Spei-cherring zu benutzen, der Aus-gangspunkt für den späteren Bauvon HERA. Mit dem DORIS-Spei-cherring und dem DASP-Detektorwurden 1975 die P-Wellen Charmo-niumzustände entdeckt und somitdie Spektroskopie mit schwerenQuarks eröffnet. Beim Elektron-Positron-Speicherring PETRA warBjørn Wiik ebenfalls maßgeblicham Bau des TASSO-Detektors be-teiligt. Damit gelang bald nach In-betriebnahme von PETRA die Ent-deckung des Gluons, des Quantsder starken Wechselwirkung, einerder größten wissenschaftlichen Er-folge von DESY. Bjørn Wiik warder erste, der 1979 auf einer inter-

nationalen Tagung in Bergen dar-über berichten konnte. Im Jahre1981 wurde er an die UniversitätHamburg berufen. Bereits vorherhatte er begonnen, den Plan einesgroßen Elektron-Proton-Speicher-rings HERA bei DESY mit großemNachdruck zu verfolgen. Im Jahre1984 wurde das HERA-Projekt ge-nehmigt. Der Bau des Elektronen-rings lag in den bewährten Händenvon G. A. Voss; für den Bau desProtonenrings mit supraleitendenMagneten und 6.4 km Umfang warBjørn Wiik verantwortlich. Dieswar ein äußerst schwieriges Projekt.Bjørn Wiik rekrutierte für dieseAufgabe eine begeisterte Gruppevon Physikern und Ingenieuren, diesich wichtige Teile des benötigtenWissens hauptsächlich am Fermilaberst aneignen mußten. Sie hattenErfolg, und mit der Inbetriebnahmedes HERA-Speicherrings 1992 hattesich B. Wiik als einer der führendenBeschleunigerphysiker der Welt eta-bliert. Er vereinigte damit in einzig-artiger Weise Expertise sowohl aufdem Gebiet der Hochenergiephysikals auch der Beschleunigerphysik.

Im Jahre 1993 wurde er zumVorsitzenden des DESY-Direktori-ums berufen. Unter seiner weitsich-tigen Führung begann DESY dasTESLA-Projekt vorzubereiten, zweigegeneinander gerichtete supralei-tende Linearbeschleuniger von ins-gesamt 33 km Länge. Es gelangihm, breite internationale Unter-stützung für die Entwicklungsarbei-ten zu diesem Projekt zu gewinnenund diese zum Erfolg zu führen.Eine weitere Idee, die er mit Enthu-siasmus verfolgte, galt der Kombi-nation des supraleitenden Linear-beschleunigers mit einem „Freie-Elektronen-Laser“ (FEL). Dieseröffnet eine neue Strahlenquelleunerreichter Intensität vom VUVbis ins Röntgengebiet, mit neuarti-gen Anwendungsmöglichkeiten inder Festkörperphysik, der Chemieund vor allem auch in der Biologie.Er hat diese Erweiterung der wis-senschaftlichen Möglichkeiten vonDESY mit Weitsicht und großerEnergie verfolgt. Für den Bau einerPrototypanlage zur Demonstration

des neuen Laserprinzips und für er-ste Experimente im VUV konnte erwieder breite internationale Unter-stützung gewinnen. Es war ihmnicht mehr vergönnt, die Fertigstel-lung dieser Anlage, die ihm so amHerzen lag, zu erleben.

Professor Wiik hat zahlreicheAuszeichnungen und Ehrungen er-halten, u. a. war er Mitglied in fünfwissenschaftlichen Akademien inNorwegen, den USA und in Polen.Er erhielt den Hochenergie-Physik-preis der Europäischen Physikali-schen Gesellschaft 1995, die Ehren-doktorwürde der Universität Oslound eine Ehrenprofessur der Uni-versität Krakau.

Bjørn Wiik war ein großer Wis-senschaftler und eine große Persön-lichkeit. Er hatte die einzigartigeGabe, auf Menschen zugehen zukönnen und sie zur Verfolgung ei-nes gemeinsamen Ziels zu motivie-ren. Wenn er sprach, strahlte erKompetenz, Sicherheit und Zuver-sicht aus. Seine Visionen gründetensich auf Realitätssinn und Kompe-tenz; sie haben deshalb der PhysikRichtung und neue Wege gewiesen.Er hat die Einbindung von DESY indie internationale Gemeinschaftweitergeführt und gestärkt. Er warin der ganzen Welt hochangesehenund mehr als das; die zahlreichenBeileidsschreiben aus der ganzenWelt sprechen von ihm als einemFreund und einem großen Vorbild.Die Universität Hamburg verdanktihm neben seinem Beispiel diegroßzügige Förderung der For-schung und des wissenschaftlichenNachwuchses. Bei aller großen Ver-antwortung, die er zu tragen hatte,war er offen für die Nöte anderer.Viele brachten ihm eine tiefe Zu-neigung entgegen. Wir haben einengroßen Wissenschaftler, einengroßen Menschen und einen gutenFreund verloren. Unser tiefes Mit-gefühl gilt seiner Frau und seinendrei Kindern.

Zum Gedenken an Bjørn H. WiikErich Lohrmann

Prof. Dr. Erich Lohr-mann, UniversitätHamburg, Notkestr.85, D-22607 Ham-burg

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