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Zur entfirbenden Wirkung der Kohle. Von L. R o s e n t h a l e r .

In einer unlangst in L i e b i g 's Annalenl) erschienenen Arbeit beanstanden F. G 1 a 13 n e r und W. S u i d 2 zwei Angaben, die in den Untersucliungen von F. T i i r k und mir iiber die ad- sorbierende Wirkung verschiedener Kohlensorten2) enthalten sind. Der erste Einwand betrifft die von uns vorgenommene Identifizierung von Tier- und Knochenkohle. Sie erfolgte auf Grund folgender Angaben in dem Index von E. M e r c k s ) , von dem die Kohle bezogen war.

Carbo animalis purissimus Tierische Kohle (Beinschwarz, Spodium), Carbo animalis puriss. pr. anal.

Da uber die Herkunft der zweiten Sorte nichts vermerkt ist,, so durfte geschlossen werden, daB sie eine lediglich weiter gereinigte Modifikation der erst'en Sorte ist. Wenn die Firma E. M e r c k in einem von G 1 a I3 n e r und S u i d a in den Annalen abgedruckten Brief behauptet, daB die beiden Sorten von Carbo animalis aus den Ruckstanden der Blutlaugensalzfabrikation (unter hauptsaclilicher Verwendung von Fleisch- und Blutabfiillen) hergestellt seien, SO

steht diese Behaupt#ung in einem Widerspruch zu der zitierten Angabe des M e r c kschen Index.

Der zweite Einwand geht aus folgenden Worten hervor: ,,Aus diesenVersucben kann man entnehmen, daB, im Gegen-

satz zu den Behauptungen von R o s e n t h a 1 e r und T ii r k, die Konzentration der wasserigen Losung der Farbstoffe in bezug auf das Aufnahmevermogen der Kohlen keine irgendwie nennens- werte Rolle spielt." Dam ist zunachst zu bemerken, dalj wir mit Farbstoffen (wie man vielleicht nus obigem Satz schlieBen konnte) Versuche uber den EinfluB der Konzentration auf die Adsorption nicht ausgefiihrt haben, sie erstreckten sich vielmehr auf Koffein und Dextrose. Ersteres wurde (somohl in Chloroform als in einern Geinenge von Chloroform und Weinge,ist gelost) mit Tierkohle, Pflanzenblutkohle und Fleischkohle behandelt, die Dextrose in wasseriger Losung mit Tierkohle. Simtliche Versuche ergaben dasselbe Resultat. Mit den1 Sinken der Konzentration steigt die relativ adsorbierte Menge. So wurden aus einer 5,028 yo igen

Bd. 367, 95 (1907). 2, Diese Ztschr. Rd. 244, S. 517. 3, IJ. Aufl. (1902), S. 63.

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Dextroselosung 19,9yo, aus einer 2,557y0 igen 27,3%, aus einer 1,044%igen 39,9%, und aus einer 0,524%igen 47,9% Dextrose ad- sorbiert.

Dieser EinfluS der Konzentration wurde so allgemein bei Adsorptionserscheinungen beobachtet, daB man sich wundern miiBte, ihm gerade bei der Kohle nicht zu begegnen. Er findet sich z. B. bei der Verteilung substantiver Farbstoffe zwischen Faser und Flottel), und (um noch ein Beispiel aus einem moglichst entfernten Gebiete zu entnehmcn) Versuche von L a n d s t e i n e r und U h 1 i r z ) zeigen, daS durch Kaolin aus einer 2 yo igen Euglobulinlosung 15% aufgenommen wurden, aus einer 0,13yoigen aber 92%.

Wenn G l a B n e r und S u i d a bei ihren Versuchen rnit Farbstoffen einen derartigen EinfluS der Konzentration nicht be- obachtet haben, so konnte daraus geschlossen werden, daS die Entfarbung der Farbstofflosungen, mit denen G 1 a B n e r und S u i d a arbeiteten, keine reine Adsorptionserscheinung ist, sondern daB storende Momente vorhanden sind. Als solche kommen zwei in Betracht 1. die von beiden Autoren walirscheinlich gemachte Gegenwart von Korpern, die mit Farbstoffen unlosliche Verbindungen bilden, 2. der oxydierende EinfluS der Kohle. G 1 a B n e r und S u i d a glauben den letzteren nicht berucksichtigen zu miissen, weil Versuche mit Krystallviolett ergaben, daB ,,die Aufnahme- fahigkeit der rnit Wasser ausgekochten und hierauf wieder unter Wasser abgekiihlten Blutkohle ganz dieselbe blieb wie bei un- behandelter Blutkohle, welche direkt mit Wasser iiberschichtet und unmittelbar darauf zum Versuche benutzt wurde" Wenn ich auch auf Grund spater zu schildernder Verauche ebenfalls der Ansicht bin, daB die oxydierende Wirkung der Kohle bei bestiindigen Farb- stoffen von keinem (oder keinem wesentlichen) EinfluS auf die Entfarbung ist, so kann doch aus dem soeben geschilderten Versuch von G 1 a B n e r und S u i d a ebensowohl gefolgert werden, daB die oxydierende Wirkung der Blutkohle bei der von ihnen vorgenomnienen Behaodlung nicht eingeschrankt wurde. Dafiir wiirde folgender Versuch sprechen: Zu Blutkohle, die ca. 8 Stunden mit Wasser gekocht und in dem noch heiS verschlossenen Kolben unter Wasser abgekuhlt war, wurde eine meingeistige Losung von Guajakonsaure und Chloroform gegeben. Die Fliissigkeit blieb zwar zunachst ungefarbt, nach mehrmaligem Oeffnen und Schiitteln, was auch G l a S n e r und S u i d a zur Ausfuhrung ihrer Versuche tuti

l ) Vgl. Ber. d. d. chem. Ges. 38, S. 2963. a ) Zentralbl. f . Bakter., 1. Abt., Orig. Bd. 40, S . 265 f f . , nacli

H. B e c h h o 1 d , Ztschr. f . physik. Chemie LX., 3 (1907), S. 85.

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muljten, farbte sich das Chloroform durch das Oxydationsprodukt der Guajakonsaure blaul).

Versuche uber eine etwaige Oxydierbarkeit der Farbstoffe unter den1 EinfluB der Blutkohle habe ich nach verschiedenen Richtungen ausgefiihrt. Sie verliefen alle niehr oder minder negativ so die Versuche, etwaige Oxydationsprodukte des Indigo zu fassen; doch nurden diese Versuche nicht weit ausgedehnt, weil bei negativem Ausfall der Versuche stets mit einer Adsorption der Oxydations- produkt,e durch die Kohle gerechnet werden mulj. Eine zweite Versuchsreihe ging von folgender Ueberlegung aus. Wenn die Kohle Farbstoffe oxydiert, so mu6 sie selbst ihre oxydierenden Eigenschaften einbiiljen und dann nicht mehr imstande sein, Guajakonsaure zu oxydieren. Zu diesen Versuchen wurde eine Anzahl von Farbstoffen verwendet, die in Wasser loslich, in Chloro- form unloslich oder kaum loslich waren. 0,2 g Blutkohle wurde mit soviel Farbstofflosung ubergossen, da6 die Fliissigkeit nach eingetretener Adsorption noch stark gefarbt war. Zu der mit samt der Kohle in einem Scheidetrichter befindlichen Fliissigkeit wurde nach 24 Stunden weingeistige Guajakonsaureliisung und Chloroform hinzugefugt und umgeschiittelt. Bei einigen Farbstoffen (z. B. Eosin und Ponceau RR) trat fast sofort die Blaufarbung des Chloro- forms ein, bei anderen wie Indigosulfosiiure, Anilinschwarz und Chry- soidin war das Resultat zweifelhaft; die Farbung trat bei einigen Versuchen ein, bei anderen blieb sie aus, und das abgetrennte Chloro- form gab dann noch mit Blutkohle eine Blaufarbung, ein Beweis dafiir, daR Guajakonsaure im UeberschuD vorhanden war. Von einer Diskussion dieser Versuche sei abgesehen. Unzweifelhaft gegen eine durch Oxydation hervorgebrachte entfarbende Wirkung der Blutkohle sprechen folgende Versuche : Weder eine wasserige Losung von Anilinschwarz noch eine solche von Indigosulf osiiure konnten bei Gegenwart von Blutkohle entfarbt werden, als Sauer- stoff 12 Stunden durch die Losungen hindurchgeleitet wurde.

Dagegen ist nach den Untersuchungen von G 1 a B n e r und S u i d a wohl nicht zu bezweifeln, daB die Entfarbung, wenn auch niclit allein verursacht, so doch bei manchen Kohlen und bei inanchen Farbstoffen beeinfluljt wird durch Bestandteile der Kohlen, die sich niit Farbstoffen verbinden. Wenn aber die genannten Autoren aus ihren Versuchen schlieljen, ,,daB der Vorgang der

1) Rei derartigen Versuchen l a D t es sich leicht feststellen, da13 die oxydierende Wirkung der Kohlen nicht rnit der adsorbierenden identisch ist ; die oxydierende Wirkung der Blutkohle auf Guajakonsaure uber- wiegt die adsorbierende.

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Entfarbung von Fliissigkeiten durch animalische Kohlen im wesent-

geht dies zu weit. Es erscheint wohl von vornherein kaum gerechtfertigt, die

Adsorption der Farbstoffe von ganzlich anderen Gesichtspunkten aus zu betrachten, als die Adsorption anderer Korper, die, wie aus den zahlreichen Untersuchungen uber die adsorbierende Wirkung der Kohlen hervorgeht, oft in betrachtlichem MarJe adsorbiert werden. Man sollte demnach erwarten, daR auch solche Korper mit den Cyanderivaten, die G l a B n e r und S u i d a fur die Adsorption verantutortlich machen, Niederschlage geben. Ich habe deshalb das Verhalten einiger der Korper, die zu den Adsorptions- versuchen von T i i r k und mir dienten, gegen gesattigte wasserige Losungen von Cyanursaure und Melamin gepriift. Es traten weder rnit Pikrinsaure , Gerbsaure und Indigosulfosaure noch rnit Kodein und Koffein Niederschlage ein. Das Adsorptionsvermogen von Melam priifte ich an Pikrinsaure und Indigosulfosaure.

1. 50 ccrn Pikrinsaurelosung, von der 20 ccrn durch 3,l ccm Kalilauge neutralisiert wurden, brachte ich mit 0,2 g Melam

unter haufigen Umschiitteln 12 Stunden in Beriihrung. 20 ccm des Filtrates') neutralisierten 1,55 ccm ' /lo KOH. Adsorption 50%. Wurde derselbe Versuch unter Anwendung von 0,5 g Tierkohle ausgefiihrt, so wurde zur Neutralisation von 20 ccm Filtrat noch 0,l ccm Kalilauge verbraucht. Adsorption: 96,67%.

2. 20 ccm einer Losung von Indigosulfosaure, von der 5 ccm 5,55 ccm einer Permanganatlosung verbrauchten, wurden rnit 0,2 g Melam, wie oben, in Beriihrung gebracht; 5 ccm des Filtrates verbrauchten noch 5 ccrn Permanganat, wahrend 10 ccm derselben Indigolosung durch 0,25 g Tierkohle vollstandig entfarbt wurden. Das Melam hat also hier als Adsorptionsmittel vollig versagt, kann also in diesem Falle nicht die Ursache der entfarbenden Wirkung der Tierkohle sein.

I n Beriicksichtigung aller dieser Momente und der neuen (Xesichtspunkte, die durch die wiohtige Untersuchung von G 1 a 13 n e r und 8 u i d a gegeben sind, glaube ich behaupten zu durfen : Die durch Kohlen bewirkten Entfkrbungs- und Adsorptions- erscheinungen sind physikalische Vorgiinge, modifizierbar durch Reaktionen, die zwischen Bestandteilen der Kohlen und den zu adsorbierenden Stoffen vor sich gehen konnen.

lichen auf einem chemischen Vorgang beruhen diirfte", - - - - so

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l ) Die ersten Anteile des Filtrates wurden, wie auch in den folgenden Versuchen, nicht zur Verwendung gebracht.

Arch. d. Pharm. CCXXXXV. Bds. 9. Heft. 44


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