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blob in dUnner Lage der Luft ausgesetzt gewesen war, jede far sich, gesammelt, die letztere aber, da sich unter der zerriebenen eine geringe Menge abgeriebenen Glases be&- den mufste, gleicbfalls mit einer kleinen Quantitgt H'u€serst fein geriebenen Glases versetzt, um auf beiden Seiten die etwaige Mit - oder Gegenwirkung m6glichst gleicher Um- stsnde herbeizullihren.

Zwei gleiche Quantitgten Traubenzucker, jede in 10 Theilen destillirtem Wasser gelast , wurden jetzt, die eine mit der zerriebenen, die andere mit der unzerstarten Hefe gemischt, und beide kn Wasserbade einer Temperatur von 350 C. ausgesetzt.

Die mit unzertrUmmerter Hefe gemischte Fltissigkeit fing nach Verlauf einer halben Stunde an zu gtibren, und ibre Gabrung schritt, unter Steigerung der Intensittit, normd- miikig fort, bis nach Verlauf zweier Tage m t l i c h e r Zucker zersetzt war.

Die zerriebene Hefe entwickelte in h e r FlUssigkeit w&rend dieser Zeit auch nicht ein einziges Gasbltischen.

XVIII. Zur Gcschkhte des Selens; oon N. W. Fischcr.

z u den ausgezeicbneten Eigenscbaften dieses b6chst in- teressanten Stoffs geh6rt vontiglich das Verbalten bei der Oxydation zu Selen- und seleniger Sgare, so wie mnge- kehrt die Desoxydation und Reduction desselben aus die- sen Siiuren. Dadurch unterscheidet es sich auch vom Scbwe- fel, mit dem es so vie1 Uebereinsthnmendes zeigt, indem die beiden Sguren dieses Stoffes, welche im Uebrigen so ghnlich und isomorph den Sluren des Selens sind, ntimlich die schweflige und SchwefelsBure, ganz verschieden in Be- ziebung der Darstcllung und Zersetzung sich verhalten. So kann die Schwefebure durch Einwirkung der Salpcters&ure

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auf scbwefel und noch leichter auf scbweflige SHure ge- bildet werdeo, besonders unter Mitwirkung von Salzstiure. Das Selen hingegen wird unter diesen Umstinden nur zu seleniger Stiure oxydirt. Die Schwefeldnre hat einen Sied- punkt von 326O, bei dem sie unvertlndcrt destillirt; die Sele&ure wird schon bei 280° in Sauerstoff und selenige S u r e zersetzt. Salzsiure, welche auf Schwefeldure ohne alle Wirkung ist, desoxydirt die SelensPure zu seleniger Siure. Eben so wird die selenige Stlure, aufser durch schweflige Siure etc., durch viele Metalle reducirt, welche auf schweflige Siure entweder ohne alle Wirkung sind, oder es gcht, wenn sie sich auf Kosten eines Theils dieser S u r e oxydiren, der andere Theil mit dem ausgeschiedenen Schwe- fel eine Verbindung zu unterschwefliger Stiure ein, und die Wirkung besteht darin, daf sich eiii witerschwefigsaures Salz bildet, wie dieses namentlich beim Zink der Fall ist.

Folgende Abweichung dieser Angaben, welche ich bei eiuer neulichen Darstellung der selenigen S u r e fand, glaube ich als nicbt ganz uninteressant mittheilen z(1 diirfen. Ich batte dazu Salpetersiure von 1,3 spec. Gewicht, die zu- gleich etwas salpetrige Stlure enthielt, angewandt. Die als sch6nes gelbes Gas sich entwickelnde selenige Siure hatte sich genau, wie es Berze l ius aneebt, in langen nadel- farmigen, durchsichtigen und gltlnzenden Krystallen in dem obercn Theil der Retorte condensirt, aber aus der Retorte genommen und der Luft ausgesetzt, wurden diese Krystalle baM fmcht und I;er/lossm nach einiger Zeit ginzlich. Als Grund dieses so sehr abweichenden Verhaltens erkannte ich bald die Gegenwart von Selenraure, indem diese Kry- stalle, mit Salzsiure erhitzt, Chlor entwickelten, und mit einer Auflkung von Chlorbarium und freier Sal-ure ei- nen Niederschlag bildeten, nelcher erst beim Kochen, eben- falls unter Entwicklung von Chlor, sich auflbste. Anfangs glaubte ich diesen Gehalt an Selensiure dadurch erkltiren zu kannen, dab die geringe Menge, welche durch die con- centrirte Salyetersiiure - fieilich wider die bisherige An- nahme - gebildet m d e , bei der Sublimation der seleni-

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gen S u r e , ungeachtet der hohen Temperatur, n i t fortge- risscn worden sey, und home, durch nochmaliges Auflbsen der krystabirten Saure in Wasser, Verdampfen dieser, Adssen, und rascbes und starkes Erhitzen des trocknen Hiickstands, den Antheil an Selensllure zu zersetzen und reine selwige SBure sublimirt zu erhalten. Das war aber uicht der Fall. Nacl wiederlioltem Auflbsen und Sublimi- ren zeigten die Krystalle das obige Vcrbalten, d. b. einen Gehalt ail Selenslure. Da das angewandte Selen aus der Fabrik von Bat h a in Prag etwas Schwefel, so wie cine geringc Mcnge Kupfer enWalt, so glaubte ich den Grund der uuzersetzt mit der selenigen Sliure Ubergehenden Se- lenslure davon ableiten zu kbnnen, dab es die bier zu- gleich gebildete Schwefebure eigentlich scy , welcle die Selensliure mit sich fortreifst - obgleich es noch weniger zu erklaren ist, w a r m die Selenstrure bei der. Temperatur, bei welcher die Schwefelsaure destillirt , unzersetzt bleibt. - Ich wandte daher reines Selen, welcbes sich aus der Aufl6sung des unreinen in KalilUsung an der Luft abscbei- det, zur Darstellung der selenigen Sllure an; aber auch diese enthielt Selenaure , indem die groiieo nadelfhuigen ICrgstalle, unmittelbar aus der Retorte genommen, ganz trockeu wareu, iu kuner Zeit an der Luft nab wurdcu, und das angcgebene Verhalten tu Salzslurc uud Barytauf- IOsung zeigten. Iclr slaube diesein nach zur ErHlrung die- ser Erscheiuung als wahrsclreinlich annehrnen zu diirfen, d a t die Selenlure, in einem besthmten Verhiltnifs init scleni- gcr verbundcn, bei einer nocb hi5heren Temperatur, als bei welcber sie isolirt die Zersetzung erleidet, unzersetzt subli- inirt wird. Ueber die Richtigkeit dieser Aanahme, und ob diese Verbindung eiue eigenthiimliche Slure, analog dcr Unterschwcfelsaure, oder cine Doppebure, wie dio Ver- bindung der Schwefel- lnit der schwefigen Saurc ader der Salpeter- mit der salyetrigen Slure sey, wird erst bei fort- gesetzten Versuchen entschieden werden kbnuen. Dieser AMabmc zufolge wiire die untcr den angegebenen Uuistiia- den erhaltene krystallisirte SIive gri5Cstentheils zwar sele-

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nigc Sliure, die jedoch mehr oder weniger von dieser Ver- bindung der selenigen d t der Selenslrure enthiilt, von wel- cher sie auch leicht getrennt werden kann, wenn sie auf Filtrirpapier gelegt und so lange mit frischem geprebt wird, bis es trocken bleibt.

Fiir eine solche Verbindung scheint auch folgende Beob- achtuoe; zn sprechen, die ich vor mehreren Jabren gemacbt, und sowohl H. R o s e als R e d t e n b a c h e r in Prag damals mitgetheilt habe. Wird reine selenige Saure im Wasser gel6st und die Aufl6sung bei 6Q0 bis 100° oder bei einer noch h6heren Temperatur verdampft, so erscheint der trockne Rackstand r6thlich geBrbt, und scheidet im Wiederauflh sen mehr oder weniger Selen aus. Und dieses ist immer der Fall, so oft auch die S u r e von Neuem aufgebst, die Aufltlsung durchfiltrirt und von Neuem zum trocknen Rack- stand verdampft wird. Hat dieses mehrmals stattgefunden, so wird die trockne Sliure an der Luft fencht und zer- fliebt nach einiger Zeit; kurz die Stsure enthlilt Selensliure, welche sich auf Kosten eines The& seleniger Shre, und folglich unter Ausscbeidong von Selen gebddet hat. Da nun diese verlioderte selenige Stlure bei einer Temperatnr von 20" bie 3 0 0 no& ganz trocken ist, und erst bei nie- driger, gewahnlicher Temperatur zediebt, so ist es wohl wahrscheinlich, dab h e r kein blohes Gemenge, sondern cine chemische Verbindung der beiden Stsuren vorhanden ist.

Eiue &hnliche Verbindung, wie die Selenlure, bildet auch die Schwefelstsure mit der selenigen, wie aus Folgen- dem hervorgeht. Als ich zur Dantellung der selenigen SHure auf schwefelhaltiges Selen concentrirte Salpeterslure einwirken lie&, und die nach Verdampfen der Fltissigkeit erhaltene weite Masse zur Sublimation der selenigen Saure stark erhitzte, flob cine Plige Flassigkeit von der W6lbung der Retorte in Streifen nach dern Boden derselben, welche, nachdem alle selenige Saure s u b b i i t war, beiin Erkalten clcr Retortc zu einer wciken, festcn, unkrystallisirtcn Masse erstarrtc, und, an die Luft gebracbt, schiiell zertloli, und als eiitc Verbindung von Schwcfcl- und seleniger SBure sich vcrhiclt.

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Weit inerkwiirdiger, wie dieses Verhalten bei cler Oxy- tlation, ist das bei der Reduction dieses Stoffes aus der sclenigen Ssure. Nach ineinen Beobachtungen im J. 1S27 wird diese, niclit nut wie bereits B e r z e 1 i u s angegeben, tlurch Zink iiiid Eisea, sondern durch alle Metalle, welche das Silber reduciren, ja selbst durch dieses Metal1 be- wirlit ') (diese Annal. Bd. 10, S. 153). Aber der Grund dieser Rcduction kanii unmiiglich derselbc seyii , auf dciu die Wiederherstellung der Metalle aus ilireii Aufl6suugeii diirch anderc Metalle beruht , dafs ntimlich die letzteren oxydirbarer oder inehr positiv elektrisch als das aufgel6ste sind, da zwiscben Selen und den angegebenen Metallen das Umgekehrte statffindet ; sondern die Wiederherstellung des Selens a i ~ der selenigen SSure beruht auf der dop- pelten Verwandtschaft , welche die Metalle cinerseits zum Selen imd andererseits im oxydirten Zustand zu der se- lenigeii Siure haben. Es werden daher bier zwei Pro- ducte gebildet, ein Selenmetall und eiu seleaigsaures Salz, welche auch in einem bestiinmten VerhSltnifs zu einander stehen, so dafs niemals alle selenige SBure reducirt wird. Diesem nach &ken ruch diejenigen Metalle am starksten, und selbst auf eine sebr verdtinnte AuflOsung der seleni- gen SPure ein, welcbe eine starke Anziehung zum Selen baben, wie dieses beim Silber und nach neueren Vcrsu- chcn in noch hiiherem Gradc beim Kupfer der Fall ist. Weit langsamer iind weniger einpfindlich wirkcn Blci, Wis- muth uud Antimon ein. Wenn beim Zinli w d Eisen dns Selcii allein abgcschieden werden sollte, so intifste aage- iiommen werden, dafs bei dicsen Metallen nur die rcine ( praedhpoilirende) Verwandtschaft der Oxyde zu der SIurc thiitig sey, nacli welcher sie sich auf Kosten eincs Tlieils der selenigeii Slure oxydiren. Doch hat Berzel ius in clem durch Eisen reducirten Seleii etwas Seleneiseu germ- den, und dicses dUrfte wohl aucli in dem durcli Zink dar- gcstcllteii tler Fall seyn. Dic Gegenwart einer niidcrcu SBurc be,-stigt die Reductioii, tbeils dadurclr , dal's sic

einen idioelektrisdiro Stos - uach \vie v w t u den Blcialleu z:Idt. 1 ) VicllcicliL ist diescr niit cio Crund, \w,lialb B e r r c l i u s das Sclen -

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das gebildete selenigsaure Salz, welches unlclslich ist, auf- last, the& dab sie eine starkere Anziehung zu dem gebil- deten Oxyd, als die selenige S u r e besitzt, und sich folg- lich damit verbindet. In diesem letzteren Falle kann da- her aUe selenige Sgme reducirt werden. Dab diese be- gansti%ende Wirkung von der Natur, sowohl der fremden Spure, als des reducirenden Metalls, abhsogen wird, ver- steht sich von selbst.

Ueberraschend ist die Wwkung, welche diese Metalle auf die grtine Aufl6sung des Selens in SchwefeMure aus- &en, indem sie sich fast augenblicklich mit dem gebilde- ten Selenmetall abeniehen, wie dieses besonders mit dem Silber und Kupfer der Fall ist. Ein Kupferdraht in diese Aufl6sung gestellt, bildet in kaner Zeit eine so dicke Rinde von Selenkupfer und selenigsaurem Kupferoxyd , dafs sie von dem ungelast gebliebenen Kupferdraht ah R6hrchen abgezogen werden kann.

An& diejenigen Metalle, welche die selenige S u r e nicht reduciren, wie Gold, Platin und Palladium l), zeigen eine starke Anziehung zum Selen. Wird daher auf diese Me- talle ein Tropfen von der @en Ad6sung des Selens in Schwefelsgure gebracht and der Luft aasgesetzt, so haftet das durch die Anziehung der Feuchtigkcit der Luft sich allmtilig abscheidende Selen so fest an diesen Metden, daEs es nicht weggewischt werden kann.

Breslau, den 10. Febr. 1846.

1) Daa PaWom wirkt DO& S e h d redueLcod aof 4- S l ~ n bci erbijhter Tuapmtur 4x1.


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