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Steuer-Luchs Das Familienheim im Lichte der Erbschaftsteuer - Teil 2 In der letzten Ausgabe des Steuerluchses sind wir auf die allgemeinen steuerlichen Voraus- setzungen, wann ein Familienheim von der Erbschaft-, beziehungsweise Schenkungsteuer befreit ist, eingegangen. Manche Voraussetzungen sind jedoch auslegungsbedürftig, so dass sich die Finanzgerichtsbarkeit mit der Auslegung zu befassen hat. Wird ein Familienheim im Wege einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses erworben, so muss der Erwerber (Ehepartner, eingetragene Lebenspartner oder Kinder) die Wohnung unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmen. Dabei gibt es über das Merkmal der Unverzüglichkeit immer wieder Streit. So erfolgt eine Handlung nach ständiger Rechtsprechung dann unverzüglich, wenn sie in- nerhalb einer nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessenden Prüfungs- und Überle- gungszeit vorgenommen wird. Hierzu muss der Erwerber innerhalb einer angemessenen Zeit nach dem Erbfall die Absicht zur Selbstnutzung des Familienheims fassen und auch tatsäch- lich umsetzen. Dabei liegt Unverzüglichkeit auf jeden Fall vor, wenn innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall das Familienheim selbst genutzt wird. Bedenkt man aber, dass oftmals nicht eindeutig feststeht, wer überhaupt Erbe geworden ist, oder dass es dauert, bis eine Erbengemeinschaft auseinandergesetzt ist, so kann die 6- Mo- natsfrist kaum eingehalten werden. Nach ständiger Rechtsprechung ist aber das Merkmal der Unverzüglichkeit auch noch nach der 6-Monatsfrist eingehalten, wenn der Erwerber darlegen und glaubhaft machen kann, wa- rum eine Selbstnutzung innerhalb des 6-Monatszeitraums nicht möglich war und warum er diese Gründe nicht zu vertreten hat. Hierzu führte das Finanzgericht Münster vor kurzem aus, dass vom Erwerber solange keine Maßnahmen zur Umsetzung einer Entscheidung zur Selbstnutzung verlangt werden kann, bis sich der Erwerber seiner Eigentümerposition nicht sicher sein kann. Wird die Eigentümerposition des Erwerbers also erst nach einem längeren Zeitraum geklärt und zieht er dann in das Familienheim ein, dann ist die Selbstnutzung im- mer noch unverzüglich. In dem Fall, der dem Finanzgericht Münster vorlag, wurde die Unverzüglichkeit jedoch ver- neint, da der Kläger am 02.09.2015 Eigentümer des Familienheims wurde, jedoch erst im April 2016 Angebote von Baufirmen einholte und die tatsächlichen Baumaßnahmen erst ab Juni 2016 begonnen haben. Dieser Zeitraum war für die Finanzrichter zu lange. Es ist aber nochmals darauf hinzuweisen, dass das Finanzgericht den Zeitraum, in dem die Eigentü- merposition geklärt wurde, nicht für die Beurteilung der Unverzüglichkeit herangezogen hat. Wäre der Kläger z.B. im Februar 2016 in das Familienheim eingezogen, wäre dies sicherlich unverzüglich gewesen. Je nachdem aber wie umfassend die Renovierungsarbeiten an dem Familienheim sind, fal- len diverse Vorarbeiten, wie z.B. Finanzierungsfragen, Vergleich von Handwerkerangeboten, Abstimmung der Gewerke, etc. an, die viel Zeit beanspruchen. Ob in diesem Lichte betrach- tet, das obige Urteil richtig sein kann, besonders auch weil die Finanzrichter bestätigen, dass die Immobilie den neuen Lebensmittelpunkt des Erwerbers bildet, ist äußerst fraglich.

Das Familienheim im Lichte der Erbschaftsteuer - Teil 2

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Steuer-Luchs

Das Familienheim im Lichte der

Erbschaftsteuer - Teil 2

In der letzten Ausgabe des Steuerluchses sind wir auf die allgemeinen steuerlichen Voraus-

setzungen, wann ein Familienheim von der Erbschaft-, beziehungsweise Schenkungsteuer

befreit ist, eingegangen. Manche Voraussetzungen sind jedoch auslegungsbedürftig, so dass

sich die Finanzgerichtsbarkeit mit der Auslegung zu befassen hat.

Wird ein Familienheim im Wege einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses erworben, so

muss der Erwerber (Ehepartner, eingetragene Lebenspartner oder Kinder) die Wohnung

unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken

bestimmen. Dabei gibt es über das Merkmal der Unverzüglichkeit immer wieder Streit.

So erfolgt eine Handlung nach ständiger Rechtsprechung dann unverzüglich, wenn sie in-

nerhalb einer nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessenden Prüfungs- und Überle-

gungszeit vorgenommen wird. Hierzu muss der Erwerber innerhalb einer angemessenen Zeit

nach dem Erbfall die Absicht zur Selbstnutzung des Familienheims fassen und auch tatsäch-

lich umsetzen. Dabei liegt Unverzüglichkeit auf jeden Fall vor, wenn innerhalb von sechs

Monaten nach dem Erbfall das Familienheim selbst genutzt wird.

Bedenkt man aber, dass oftmals nicht eindeutig feststeht, wer überhaupt Erbe geworden ist,

oder dass es dauert, bis eine Erbengemeinschaft auseinandergesetzt ist, so kann die 6- Mo-

natsfrist kaum eingehalten werden.

Nach ständiger Rechtsprechung ist aber das Merkmal der Unverzüglichkeit auch noch nach

der 6-Monatsfrist eingehalten, wenn der Erwerber darlegen und glaubhaft machen kann, wa-

rum eine Selbstnutzung innerhalb des 6-Monatszeitraums nicht möglich war und warum er

diese Gründe nicht zu vertreten hat. Hierzu führte das Finanzgericht Münster vor kurzem

aus, dass vom Erwerber solange keine Maßnahmen zur Umsetzung einer Entscheidung zur

Selbstnutzung verlangt werden kann, bis sich der Erwerber seiner Eigentümerposition nicht

sicher sein kann. Wird die Eigentümerposition des Erwerbers also erst nach einem längeren

Zeitraum geklärt und zieht er dann in das Familienheim ein, dann ist die Selbstnutzung im-

mer noch unverzüglich.

In dem Fall, der dem Finanzgericht Münster vorlag, wurde die Unverzüglichkeit jedoch ver-

neint, da der Kläger am 02.09.2015 Eigentümer des Familienheims wurde, jedoch erst im

April 2016 Angebote von Baufirmen einholte und die tatsächlichen Baumaßnahmen erst ab

Juni 2016 begonnen haben. Dieser Zeitraum war für die Finanzrichter zu lange. Es ist aber

nochmals darauf hinzuweisen, dass das Finanzgericht den Zeitraum, in dem die Eigentü-

merposition geklärt wurde, nicht für die Beurteilung der Unverzüglichkeit herangezogen hat.

Wäre der Kläger z.B. im Februar 2016 in das Familienheim eingezogen, wäre dies sicherlich

unverzüglich gewesen.

Je nachdem aber wie umfassend die Renovierungsarbeiten an dem Familienheim sind, fal-

len diverse Vorarbeiten, wie z.B. Finanzierungsfragen, Vergleich von Handwerkerangeboten,

Abstimmung der Gewerke, etc. an, die viel Zeit beanspruchen. Ob in diesem Lichte betrach-

tet, das obige Urteil richtig sein kann, besonders auch weil die Finanzrichter bestätigen, dass

die Immobilie den neuen Lebensmittelpunkt des Erwerbers bildet, ist äußerst fraglich.

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Hinweis:

Zur Fortbildung des Rechtes und da es beim BFH anhängige Verfahren zu diesem Themen-

bereich gibt, hat das Finanzgericht Münster die Revision zum BFH zugelassen.