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Der Weg ist das Ziel Verhaltensökonomische Prinzipien der Verkehrsmittelwahl Moritz Jäger 7. April 2015 Zürich Behavioral Economics Network

Verhaltensökonomie und Verkehr

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Page 1: Verhaltensökonomie und Verkehr

Der Weg ist das ZielVerhaltensökonomische Prinzipien der Verkehrsmittelwahl

Moritz Jäger

7. April 2015

Zürich Behavioral Economics Network

Page 2: Verhaltensökonomie und Verkehr

FehrAdvice & Partners AG, April 2015 2

Ist die Verkehrsmittelentscheidung von Menschen rational?

Page 3: Verhaltensökonomie und Verkehr

Vorab: Umgang mit den «Voting Devices»

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1

FehrAdvice & Partners AG, April 2015 3

Page 4: Verhaltensökonomie und Verkehr

1: Auto/Motorrad

2: ÖV

3: Velo

4: Zu Fuss

12%

74%

9%

6%

Wie sind Sie heute zum Meetup angereist?

Zum Auftakt beantworten Sie bitte folgende Fragen…

FehrAdvice & Partners AG, April 2015 4

Page 5: Verhaltensökonomie und Verkehr

Wie sieht ein rationaler Verkehrsentscheider aus?

FehrAdvice & Partners AG, April 2015 5

Menschen machen eine bewusste Abwägung von Pros und Contras bei der Verkehrsmittelwahl

und verhalten sich konsistent zu ihren Einstellungen und Intentionen.

Menschen schätzen Reisezeit objektiv ein und beziehen sie rational in ihre Entscheidung mit ein.

Menschen schätzen Kostenaspekte objektiv ein und beziehen sie rational in ihre Entscheidung

mit ein

Menschen kennen die relevanten Informationen für die Verkehrsmittelwahl und ziehen diese

auch in Betracht.

Zeit und Kosten sind die wichtigsten Treiber der Verkehrsmittelwahl

?

?

?

?

?

Menschen beziehen alle verfügbaren Verkehrsalternativen in ihre Entscheidung ein ?

Page 6: Verhaltensökonomie und Verkehr

1: Ich wäge bewusst die Pros und Contras aller Alternativen ab

2: Ich überlege meist nicht viel und nehme dasjenige

Verkehrsmittel, das ich immer nehme

3: Mein Partner/meine Partnerin übernimmt das Einkaufen…

31%

57%

11%

Stellen Sie sich vor, wie Sie für Ihren Haushalt an Ihren typischen Einkaufsort einkaufen gehen.

Wie entscheiden Sie, welches Verkehrsmittel Sie nehmen?

Bitte beantworten Sie folgende Frage…

FehrAdvice & Partners AG, April 2015 6

Page 7: Verhaltensökonomie und Verkehr

Habitualisierung und Informationssuche

FehrAdvice & Partners AG, April 2015 7Verplanken, B., Aarts, H., & Van Knippenberg, A. (1997). Habit, information acquisition, and the process

of making travel mode choices. European Journal of Social Psychology, 27, 539–560.

Habitualisierte Entscheidungen führen dazu, dass nur wenige Informationen überhaupt in die

Entscheidung einfliessen

Page 8: Verhaltensökonomie und Verkehr

Zwischenbilanz: Menschen verhalten sich nicht wie ein homo oeconomicus im

Verkehrsverhalten

FehrAdvice & Partners AG, April 2015 8

Menschen machen eine bewusste Kosten-Nutzen-Rechnung bei der

Verkehrsmittelwahl und wägen alle Alternativen systematisch ab. x

Die Verkehrsmittelwahl findet häufig habitualisiert statt

Informationen werden nur selten nachgefragt und gewisse Alternativen gar

nicht ins Entscheidungsset aufgenommen

Unterstützt wird diese Entscheidungsfindung durch den Status quo Bias

und den Availability Bias.

Page 9: Verhaltensökonomie und Verkehr

1: 5,80 CHF

2: 6,60 CHF

3: 7,40 CHF

4: 7,80 CHF

18%

26%

15%

41%

Was kostet ein ÖV-Ticket von hier an den Flughafen?

Bitte beantworten Sie folgende Frage…

FehrAdvice & Partners AG, April 2015 9

Page 10: Verhaltensökonomie und Verkehr

FehrAdvice & Partners AG, April 2015 10

Das Vertrauen in Preiswissen von Verkehrsalternativen ist häufig sehr gering

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

Sehrsicher

Sicher Unsicher Sehrunsicher

KeineAhnung

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

Sehrsicher

Sicher Unsicher Sehrunsicher

KeineAhnung

Autofahrer

ÖV-

Fahrer ÖV-

Fahrer

Autofahrer

Quelle: FehrAdvice Research

Häufig ist nur wenig Wissen über Verkehrsalternativen vorhanden

Dies gilt vor allem für die Verkehrsmittel, die man selbst nicht häufig braucht

Benzinpreis ÖV-Ticket

Page 11: Verhaltensökonomie und Verkehr

Zwischenbilanz: Menschen verhalten sich nicht wie ein homo oeconomicus im

Verkehrsverhalten

FehrAdvice & Partners AG, April 2015 11

Menschen haben vollständige Informationen über die Verkehrsmittel, die

ihnen zur Verfügung stehen x

Menschen besitzen häufig nur wenig Informationen über Verkehrsmittel

Vor allem für Verkehrsmittel, die man selbst nicht häufig benutzt, ist das

Informationswissen schwach ausgeprägt✓

Page 12: Verhaltensökonomie und Verkehr

1: Ja – je teurer mein Auto, desto mehr benutze ich es

2: Ja – je billiger mein Auto, desto mehr benutze ich es

3: Nein – das spielt für mich keine Rolle

18%

14%

68%

Spielt der Preis ihres Autos eine Rolle dafür, wie viel Sie fahren?

Jetzt ist Ihre Einschätzung als Autofahrer gefragt!

FehrAdvice & Partners AG, April 2015 12

Page 13: Verhaltensökonomie und Verkehr

Sunk cost fallacy: Die Anschaffungskosten für ein Auto beeinflussen, wieviel

man es benutzt

FehrAdvice & Partners AG, April 2015 13Ho, T.-H., Png, I. P. L., & Reza, S. (2013). Sunk Cost Fallacy in Driving the World’s Costliest Cars, (April), 1–36.

Sunk cost fallacy für Luxusautos in Singapur

Anschaffungspreis +$ 4’500

(= Effekt der Policy in Singapur)

+ 71 km pro Monat (6,4%)

Page 14: Verhaltensökonomie und Verkehr

Benzinkosten oder ÖV-Abo-Kosten aus der Vergangenheit werden nicht in die

Entscheidung miteinbezogen

FehrAdvice & Partners AG, April 2015 14

Mental Accounting führt dazu, dass bereits getätigte Investitionen nicht mehr als Kosten

wahrgenommen werden, wenn sie später konsumiert werden.

Page 15: Verhaltensökonomie und Verkehr

Zwischenbilanz: Menschen verhalten sich nicht wie ein homo oeconomicus im

Verkehrsverhalten

FehrAdvice & Partners AG, April 2015 15

Menschen beziehen Verkehrskosten rational in ihre Entscheidung mit ein x

Biases und Heuristics wie Prospective Accounting und Sunk Cost Fallacy

führen zu irrationalen Kostenwahrnehmungen von Verkehrsmitteln.

Kosten im Autoverkehr wie Benzin, Abschreibungen oder Versicherung

fallen häufig nicht zum Zeitpunkt der Entscheidung an und werden damit

diskontiert oder nicht miteinbezogen.

Page 16: Verhaltensökonomie und Verkehr

1: Komfort

2: Sicherheit

3: Umweltanliegen

4: Zeit

5: Flexibilität

21%

15%

3%

15%

45%

FehrAdvice & Partners AG, April 2015 16

Jetzt ist Ihre Einschätzung als Autofahrer gefragt!

Welches Kriterium, denken Sie, würden Autofahrer an erster Stelle für ihre Mobilitätswahl

aufführen?

6: Kosten

0%

Page 17: Verhaltensökonomie und Verkehr

1: Komfort

2: Sicherheit

3: Umweltanliegen

4: Zeit

5: Flexibilität

23%

0%

14%

31%

14%

FehrAdvice & Partners AG, April 2015 17

Jetzt ist Ihre Einschätzung als ÖV-Fahrer gefragt!

Welches Kriterium, denken Sie, würden ÖV-Fahrer an erster Stelle für ihre Mobilitätswahl

aufführen?

6: Kosten

17%

Page 18: Verhaltensökonomie und Verkehr

Zeit ist das wichtigste Kriterium für die Mobilitätswahl aller Fahrer

FehrAdvice & Partners AG, April 2015 18

1. Zeit

2. Flexibilität

3. Sicherheit

4. Komfort

5. Umweltanliegen

6. Kosten

1. Zeit

2. Umweltanliegen

3. Kosten

4. Komfort

5. Flexibilität

6. Sicherheit

1. Zeit

2. Umweltanliegen

3. Flexibilität

4. Kosten

5. Sicherheit

6. Komfort

Autofahrer: ÖV-Fahrer: Auto/ÖV-Kombinierer:

Nicht-monetäre Variablen spielen eine grosse Rolle

Kosten spielen nur eine untergeordnete Rolle bei Verkehrsmittelentscheidungen.

Zeit ist – nach Meinung der Menschen – das wichtigste Kriterium ihrer Verkehrsmittelwahl.

Mobilitätsverhalten von Pendlern zur Spitzenzeit heute und morgen (FehrAdvice 2012)

Page 19: Verhaltensökonomie und Verkehr

Zwischenbilanz: Menschen verhalten sich nicht wie ein homo oeconomicus im

Verkehrsverhalten

FehrAdvice & Partners AG, April 2015 19

Zeit und Kosten sind die wichtigsten Treiber der Verkehrsmittelwahl (x)

Psychologische Faktoren wie Komfort, Status oder Umweltanliegen sind

wichtige Treiber der Verkehrsmittelwahl

Kosten spielen nur eine untergeordnete Rolle in der Verkehrsmittelwahl

Zeit ist – nach Meinung der Menschen – der wichtigste Faktor in ihrer

Verkehrsmittelwahl

Ist Zeitwahrnehmung von Menschen im Verkehr objektiv?

?

Page 20: Verhaltensökonomie und Verkehr

1: Auto

2: ÖV

3: Beide sind ungefähr gleich schnell

47%

41%

12%

Stellen Sie sich vor, Sie fahren jetzt von hier zum Flughafen Zürich. Mit welchem Verkehrsmittel

sind Sie schneller – Auto oder ÖV?

Fragen zum Mobilitätsverhalten: Fahrzeit

FehrAdvice & Partners AG, April 2015 20

Nur Autofahrer antworten

Page 21: Verhaltensökonomie und Verkehr

1: Auto

2: ÖV

3: Beide sind ungefähr gleich schnell

36%

46%

18%

Stellen Sie sich vor, Sie fahren jetzt von hier zum Flughafen Zürich. Mit welchem Verkehrsmittel

sind Sie schneller – Auto oder ÖV?

Fragen zum Mobilitätsverhalten: Fahrzeit

FehrAdvice & Partners AG, April 2015 21

Nur ÖV-Benutzer antworten

Page 22: Verhaltensökonomie und Verkehr

Um Menschen zum Umsteigen auf den ÖV zu bewegen gibt es systematische

Hindernisse

FehrAdvice & Partners AG, April 2015 22Van Exel, N. J. a, & Rietveld, P. (2009). Could you also have made this trip by another mode? An investigation of perceived travel possibilities of car and train

travellers on the main travel corridors to the city of Amsterdam, The Netherlands. Transportation Research Part A: Policy and Practice, 43(4), 374–385.

Autofahrer haben extrem verzerrte Wahrnehmungen bezüglich der Reisezeit mit ÖV. Wären die

Zeiteinschätzungen realistisch, würden 30% mehr Menschen den ÖV als Alternative zum

Auto betrachten.

Weshalb sind Zeiteinschätzungen von Verkehrsmitteln so verzerrt??

Page 23: Verhaltensökonomie und Verkehr

Weshalb überschätzen Autofahrer die benötigte ÖV-Reisezeit im Vergleich zum

MIV? (I/II)

FehrAdvice & Partners AG, April 2015 23Wittmann, M. (2009). The inner experience of time. Philosophical Transactions of the Royal Society of London. Series B, Biological Sciences,

364(1525), 1955–1967. doi:10.1098/rstb.2009.0003

Gründe, dass ÖV-Reisezeit im Vergleich zu Auto-Reisezeit von Autofahrern massiv überschätzt wird

Fehlende Information

Emotionen bestimmen Zeitwahrnehmung

Episodisierung der ÖV-Reisezeit (loss aversion)

Selbstrechtfertigung/Dissonanzreduktion

Overconfidence

Page 24: Verhaltensökonomie und Verkehr

Weshalb wird benötigte ÖV-Reisezeit im Vergleich zu MIV überschätzt? (II/II)

FehrAdvice & Partners AG, April 2015 24

Mehr als die Hälfte der Autofahrer erinnert sich nicht an Stau! (Fallstudie Dietlikon, ZHW, 2002)

Parkplatzangebot und Luftbelastung bei Einkaufszentren. Fallstudie Dietlikon. ZHW. (2002).

Nein, ich stand

nicht im Stau!

Page 25: Verhaltensökonomie und Verkehr

Zwischenbilanz: Menschen verhalten sich nicht wie ein homo oeconomicus im

Verkehrsverhalten

FehrAdvice & Partners AG, April 2015 25

Menschen beziehen die Reisezeit objektiv in ihre Entscheidung mit ein. x

Zeitschätzungen im Verkehr sind stark subjektiv geprägt und von

psychologischen Faktoren abhängig

Autofahrer überschätzen die Zeit, die sie mit dem ÖV brauchen würden,

stark✓

Wittmann, M. (2009). The inner experience of time. Philosophical Transactions of the Royal Society of

London. Series B, Biological Sciences, 364(1525), 1955–1967. doi:10.1098/rstb.2009.0003

Page 26: Verhaltensökonomie und Verkehr

Lessons learnt: Menschen verhalten sich nicht wie ein homo oeconomicus im

Verkehrsverhalten

FehrAdvice & Partners AG, April 2015 26

Menschen machen eine bewusste

Kosten-Nutzen-Rechnung bei der

Verkehrsmittelwahl und verhalten sich

gemäss ihren Einstellungen.x

Menschen beziehen Verkehrskosten

rational in ihre Entscheidung mit ein x

Die Verkehrsmittelwahl findet meist

habitualisiert statt, eine bewusste

Kosten-Nutzen-Rechnung findet nur

selten statt.✓

Biases und Heuristics wie Prospective

Accounting, Diskontierung und Sunk

Cost Fallacy führen zu irrationalen

Kostenwahrnehmungen.✓

Menschen haben vollständige

Informationen für die Verkehrsmittelwahl xViele Informationen – vor allem

diejenigen der Verkehrs-Alternativen –

sind Menschen gar nicht bekannt ✓

Menschen beziehen die Reisezeit rational

in ihre Entscheidung mit ein

Zeitschätzungen sind stark subjektiv

geprägt und oft zugunsten der Default-

Alternative verzerrt. x ✓

Menschen beziehen alle Verkehrsmittel in

ihre Entscheidung ein xÖV wird häufig gar nicht als Substitut des

MIV wahrgenommen und kommt deshalb

gar nicht ins Alternativenset. ✓

Zeit und Kosten sind die wichtigsten

Treiber der Verkehrsmittelwahl

Psychologische Nutzen sind zentrale

Treiber der Verkehrsmittelwahl und

wichtiger als Kosten.x ✓

Page 27: Verhaltensökonomie und Verkehr

Klassische Massnahmen zur Steuerung der Verkehrsmittelwahl zeigen häufig

nicht die erwünschte Wirkung

FehrAdvice & Partners AG, April 2015 27

Page 28: Verhaltensökonomie und Verkehr

Was sind verhaltensökonomische Handlungsräume für effektive Massnahmen

zur Steuerung der Verkehrsmittelwahl?

FehrAdvice & Partners AG, April 2015 29

1 Break habit

Massnahmen, die Habit brechen Strassengebühren (Stockholm)

Wenn Habit natürlich unterbrochen wird Verkauf des Autos

Wechsel des Wohnorts

Freeway closure

Massnahmen, bevor Habit gebildet wird

Awareness im Moment des Entscheidungszeitpunkts (z.B. App, Radio, Strassenschild)

2Wahrgenommene Nutzen-Kosten-Struktur verändern

Berücksichtigung von nicht-monetären Nutzen und Kosten und sozialen Normen

Belohnungs-/Sanktionierungssysteme (Punktesyteme, Strassengebühren)

Belief-Update über Zeit, Kosten und psychologische Nutzen (z.B. App)

Effiziente und effektive Massnahmen zur Steuerung der Verkehrsmittelwahl müssen auf echtem

Verhalten von Menschen basieren.

Mobilitätsverhalten von Pendlern zur Spitzenzeit heute und morgen (FehrAdvice 2012)

Verplanken et al. (2008)

Fujii, S., Garling, T., & Kitamura, R. (2002)

Page 29: Verhaltensökonomie und Verkehr

FehrAdvice & Partners AG, April 2015 30

Ist die Verkehrsmittelentscheidung von Menschen rational?