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XBRL - ein Akronym gewinnt zusehends Bedeutung in der Finanzwelt. XBRL oder eXtensible Business Reporting Language ist eine frei verfügbare Computersprache, die einen standardisierten und vereinfachten Austausch von Finanzinformationen zwischen verschiedenen Parteien ermöglicht. XBRL ist nicht zuletzt eine weitere Sprachvariante für den Geschäftsbericht.
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XBRL – ein neuer Standard für die Finanzkommunikation
focus
Liebe Leserinnen und Leser
Der Kapitalmarkt fordert eine immer grössere Ef-
fizienzsteigerung im Bereich der Unternehmens-
berichterstattung nach der Maxime: schneller,
kostengünstiger und gleichzeitig transparenter.
Dieses Ziel kann mit XBRL erreicht werden. Die
Computersprache minimiert Übertragungsfehler
bei der Verarbeitung von Daten und ermöglicht die
anschliessende multiple Weiterverarbeitung der
übertragenen Informationen. Die Realität sieht weni-
ger idealtypisch aus. Jene Unternehmen, die XBRL
eingeführt haben, mussten erkennen, dass nicht alle
Geschäftsvorfälle vorbehaltlos standardisiert werden
können. Die Einführung von XBRL erfordert eine
intensive Auseinandersetzung mit dem Thema.
Lohnt sich daher die weitere Beschäftigung mit XBRL
nicht? Wir von sensus denken doch. Diese neue
Technologie ist auf dem richtigen Weg. Es wurden
bereits bedeutende Schritte in Richtung praktische
Umsetzung vollzogen. Die Entwicklung von länder-
spezifischen Taxonomien wird von der XBRL Inter-
national Organisation vorangetrieben. Es ist somit
nur eine Frage der Zeit, bis sich XBRL im Rahmen
der Finanzberichterstattung fest etabliert hat.
Barbara Galliker Guglielmetti, M.Sc.com
Senior Consultant, sensus Investor & Public Relations
Lieber Leser, liebe Leserin
Herzliche Gratulation! Da Sie sich für XBRL inte-
ressieren, gehören Sie (zumindest im deutsch-
sprachigen Raum) ohne Zweifel zu den Pio-
nieren der Finanzmarktkommunikation.
Angesichts der internationalen Verbreitung und Dy-
namik dieses Standards ist das allerdings ein zwei-
schneidiges Statement ... umso wichtiger ist es, die
weltweite Dynamik der Einführung von XBRL auch
bei uns zum Tragen zu bringen. Zentrale Vorausset-
zung dafür ist das Wissen um den Standard und
die damit verbundenen Vorteile und Änderungen.
Es freut mich daher, im Namen von XBRL CH (www.
xbrl-ch.ch), der offiziellen Schweizer XBRL Jurisdik-
tion, diese Dokumentation als ersten Anknüpfungs-
punkt für Ihre Entdeckung von XBRL zu unterstützen.
Ich wünsche Ihnen eine interessante Xpedition!
Christian Dreyer, CFA
Präsident XBRL CH
focus
XBRL (eXtensible Business Reporting Language) ist
eine frei verfügbare und nutzbare Computersprache,
die einen standardisierten Austausch von Finanzinfor-
mationen zwischen verschiedenen Parteien ermög-
licht. Sie gewährleistet eine regulierte Vermittlung
von elektronischen Dokumenten wie beispielsweise
Finanzkennzahlen, Jahresabschlüsse usw. Diese
Computersprache wurde 1999 vom amerikanischen
Wirtschaftsprüfer Charles Hoffmann für die Fachan-
wender von Unternehmenskennzahlen entwickelt.
Die Berichterstattung über Finanzinformationen ist
ein wichtiger Bestandteil der globalen Kapital märkte
und das wesentliche Kommunikationsinstrument für
den Informationsaustausch zwischen Unternehmen
auf der einen und Analysten und Investoren auf der
anderen Seite.
Was genau ist XBRL?Die Zielsetzung von XBRL liegt in der Etikettierung von
Geschäftsinformationen. Auf diese Weise können die
Informationen von verschiedenen Softwareanwendun-
gen identifiziert werden. Bis heute müssen bspw. Ana-
lysten die in den Geschäftsberichten enthaltenen Zah-
len umständlich manuell in ihre Kalkulationstabellen
eintippen. Dieser aufwändige Vorgang kostet Zeit und
birgt mögliche Fehlerquellen bei der Übertragung. Um
dies zu verhindern, werden in der elektronischen Spra-
che XBRL die Zahlen mit Kennzeichen (Tags) verse-
hen. In der Abbildung 1 ist die Summe der Aktiva mit
verschiedenen Kennzeichen, den so genannten Tags,
versehen. Wenn diese Kennzahl im XBRL-Format wei-
tergeleitet wird, werden alle angeschlossenen Zusatz-
informationen auch übermittelt. Der Empfänger erhält
diese Finanzinformation und erkennt, dass die Summe
Aktiva der Firma XY angehört, in Schweizer Franken
beziffert ist und den Stichtag 31.12.2008 betrifft. Ohne
XBRL müssen alle diese Zusatzinformationen oder
Tags zuerst mühselig aus dem Geschäftsbericht her-
ausgesucht werden.
«XBRL bringt die Industrielle Revolution in
Finanzkommunikation und -analyse.»
Christian Dreyer, CFA Präsident XBRL CH
TaxonomienFinanzberichte können aber viel komplexer und viel-
fältiger sein als das oben erwähnte Beispiel. Buchhal-
tungsgrundsätze – wie beispielsweise Umsatzkosten,
Bruttogewinn oder transitorische Aktiva – müssen
eindeutig und unmissverständlich gekennzeichnet wer-
den. Deshalb werden in XBRL die technischen Spezifi-
kationen des Standards getrennt von der Geschäftslo-
gik entwickelt. So können sogenannte Taxonomien für
beliebig viele Buchhaltungsnormen entwickelt werden.
Taxonomien sind nicht anderes als Datenwörterbü-
cher, die die branchenspezifischen, verbindlichen und
geläufigsten Buchhaltungsgrundsätze definieren. Sie
geben exakt an, was jede Zahl abbildet und wie sich
diese auf andere Zahlen in der Taxonomie bezieht. So
gibt es selbstverständlich unterschiedliche Taxono-
mien für IFRS, US-GAAP, das deutsche HGB usw.
Bilanz – Aktiva Jahr 1
Sachanlagen 2 736
Finanzanlagen 66
Anlagevermögen 2 802
Vorräte 2 016
Forderungen 2 064
Umlaufvermögen 4 080
Summe Aktiva 6 882
Bilanz – Aktiva Jahr 1
Sachanlagen 2 736
Finanzanlagen 66
Anlagevermögen 2 802
Vorräte 2 016
Forderungen 2 064
Umlaufvermögen 4 080
Summe Aktiva 6 882
<Firma XY><CHF> <per 31.12.2008>
Links ist die Zahl «Summe Aktiva» mit verschiede-
nen Kennzeichen versehen, rechts steht die Zahl
ohne zusätzliche Informationen
Abbildung 1 Abbildung 2
Was leistet XBRL? XBRL-Unternehmensdaten behalten ihre Bedeutung und
ihren Kontext bei jedem Austausch oder jeder Analyse
bei. Die Vorteile von XBRL resultieren aus dieser einzigar-
tigen Eigenschaft. Folgendes leistet XBRL:
» Qualitativ hochwertige Informationen
Die Unternehmensdaten sind selbstprüfend, identi-
fizierbar und müssen nicht manuell in eine Tabellen-
kalkulation eingegeben werden.
» Schnellere und bessere Informationssuche
XBRL erleichtert die Informationsgewinnung, denn
Finanzdaten können einfach in ein Kalkulationsblatt
übertragen werden. Zudem können XBRL Informa-
tionen in Echtzeit bereitgestellt werden. Diese Fakto-
ren führen zu einer erhöhten Transparenz der Finanz-
berichterstattung.
» Erhöhte Analysequalität
Die XBRL-Unternehmensdaten sind interaktiv; darum
kann man Performancevergleiche erstellen und bspw.
spanische Abschlüsse mit deutschen oder chinesi-
schen positionsweise nach den genauen Richtlinien
des jeweiligen Bilanzierungsstandards vergleichen.
Wenn die verwendete Taxonomie es erlaubt, kann
der Bericht mit einem Mausklick in andere Sprachen
übersetzt werden. So liegt die IFRS Taxonomie bei-
spielsweise in Englisch, Italienisch, Französisch, Nie-
derländisch, Chinesisch, Arabisch und Spanisch vor.
» Effizienter Datenaustausch
Wichtige Empfänger für die standardisierten Daten-
formate sind sowohl Investoren, Analysten und Wirt-
schaftsprüfer als auch Steuerämter, Handelsregister,
Börsen und Aufsichtsbehörden.
XBRL ermöglicht nicht zuletzt die Visualisierung wirt-
schaftlicher Daten aller Art, jeglicher Struktur sowie
jeden Umfangs und überträgt alle Formen strukturier-
ter Unternehmensdaten wie Finanz-, Controlling- und
Konsolidierungsdaten aus unterschiedlichen Finanz-
buchhaltungssystemen sowie Steuerinformationen.
focus
Die Vor- und Nachteile von XBRL Die elektronische Sprache kann Investoren mit Fak-
ten und Zahlen beliefern, aber einige Informationen
kommen von anderen Quellen wie bspw. aus der
Unternehmensstrategie, den Industrietrends und dem
direkten Kontakt mit dem Management. XBRL kann
nur die Daten und Informationen produzieren, die vom
Unternehmen geliefert werden. Und doch liegt der
bedeutendste Vorteil von XBRL vor allem in der Ver-
meidung von Fehlern bei der Übertragung der Zahlen.
Weitere Vorzüge sind sicherlich die höhere Transpa-
renz und die bessere Vergleichbarkeit. Dies besitzt
vor allem auf internationaler Ebene Gültigkeit und ist
komplementär zum IFRS-Prozess. Schliesslich kann
eine Finanzberichterstattung mittels XBRL ein ausge-
zeichnetes Werkzeug für eine Kapitalbeschaffung dar-
stellen, nicht zuletzt für klein- und mittelkapitalisierte
Unternehmen. Obwohl XBRL erst in wenigen Märkten
eine breite Verwendung findet, wird ein XBRL berich-
tendes Unternehmen in Zukunft leichter die Aufmerk-
«Die XBRL-Standardisierung in der Finanz-
berichterstattung sehe ich als Risiko. Gewisse
Geschäftstätigkeiten können nicht nach dem
Schwarz-Weiss-Ansatz betrachtet werden.»
Kay Bommer, Geschäftsführer DIRK – Deutscher Investor Relations Verband
samkeit von Analysten gewinnen und eine internati-
onale Anlegerbasis erreichen können. Als nachteilig
sind vor allem die Kosten anzusehen. Erstens müssen
interne Prozesse der neuen Berichtsform angepasst
werden und zweitens steigt der Bedarf an speziali-
siertem Personal, externer Beratung und Software.
Schlüsseltechnologie in der Finanzberichterstattung Ungeachtet aller berechtigten Einwände entwickelt sich
XBRL zur Schlüsseltechnologie in der Finanzbericht-
erstattung kapitalmarktorientierter Unternehmen und
ist in vielen Ländern bereits erfolgreiche Praxis. Hier
übertreffen nicht die Grossen die Kleinen, sondern die
Schnellen die Langsamen. In den USA müssen ab 2011
alle börsenkotierten Firmen in XBRL an die Börsenauf-
sicht berichten. In China müssen die an den Börsen
von Schanghai und Shenzhen gelisteten Unternehmen
schon jetzt in XBRL berichten. Indien will XBRL bald
zum obligatorischen Standard erklären, und in Japan
berichten bereits 80% aller an der Tokioter Börse ko-
tierten Unternehmen in XBRL. Die Bankenkommission
Frankreichs nimmt seit Mitte 2007 die Basel-II-Bericht-
erstattung in XBRL entgegen. Ein anderes Projekt hat
die Neugestaltung der gesamten Berichterstattungs-
landschaft unter XBRL zum Ziel. In Grossbritannien
liefern seit 2007 mehr als 125’000 Gesellschaften ihre
Berichte freiwillig im XBRL-Format an die Aufsichts-
behörden. Per 2011 müssen zudem alle Firmen ihre
Steuererklärungen in XBRL liefern. Spanien setzt seine
Pionierrolle bei der Verbreitung von XBRL im Zusam-
menhang mit der Geldwäschereiüberwachung fort.
«XBRL wird sich erst in 5–8 Jahren in der
Finanzberichterstattung de facto durchsetzen
können. In der Zwischenzeit braucht es noch
sehr viel Entwicklungsarbeit.»
Kay Bommer, Geschäftsführer DIRK – Deutscher Investor Relations Verband
In den Niederlanden läuft ein Taxonomieprojekt, das
allen 600’000 Firmen eine verbilligte Einreichung der
Steuerdeklarationen einräumen soll. Seit Anfang 2007
akzeptiert der deutsche Bundesanzeiger Geschäftsbe-
richte im XBRL-Format zu kostengünstigeren Bedin-
gungen. Auch die Steuererklärungen von Unternehmen
werden demnächst in diesem Format obligatorisch.
Die Vorteile von XBRL auf einen Blick:
» Höhere Datenqualität durch Vermeidung von Übertragungsfehlern
» Erhöhte Transparenz
» Verbesserte Vergleichbarkeit
» Flexibilität
» Schnellere und automatisierte Auswertungen
» Neue Wege in der Unternehmensfinanzierung
» Günstigere Kreditkosten durch elektronische Ratings
Die Nachteile von XBRL auf einen Blick:
» Kosten
» Einschränkung bilanzpolitischer Handlungsspielräume
» Beratungs- und Softwarebedarf
» Erhöhter Informationsfluss
» Stetige Entwicklung der Technologie
Unique Selling Proposition fürs ReportingUnd die Schweiz? Die SIX Group und die eidgenös-
sische Finanz- und Steuerverwaltung verhalten sich
noch abwartend. Allerdings bestehen keine Zweifel,
dass sich das Format XBRL auch in der Schweiz durch-
setzen und zum Standard werden wird. Die Einführung
des XBRL-Formats ist daher ein Thema für First Mo-
vers und IR-Meinungsführer und eröffnet innovativen
Unternehmen die Chance, sich in der Financial Com-
munity zu profilieren. Gerne wird nämlich übersehen,
dass Emittenten auch in der Finanzkommunikation
ihre USP finden müssen, um sich von anderen Titeln
zu differenzieren und um sich die Aufmerksamkeit
von Analysten und Investoren zu verschaffen.
«Die Finanzanalyse nimmt XBRL-Berichte heute
noch kaum zur Kenntnis. Nach Anpassung der
Research-Prozesse wird sie aber keine anderen
mehr verarbeiten.»
Christian Dreyer, CFA Präsident XBRL CH
Technische GrundlagenDie technische Grundlage von XBRL stellt die
Websprache XML (eXtensible Markup Language) dar,
die mit der bekannten Programmiersprache HTML
verwandt ist. Während HTML jedoch eigens für den
Zweck der Darstellung von Daten entwickelt wurde
und sich auf den Schwerpunkt konzentriert, wie die
jeweiligen Daten aussehen sollen, verfolgt XML und
daher auch XBRL den Zweck der Beschreibung der
Daten und fokussiert auf die Bedeutung der Daten.
Sensus Investor & Public Relations ist ein auf
Finanz- und Kapitalmarktkommunikation fokussier-
ter Dienstleister. Sensus ist für nationale und inter-
nationale Unternehmen unterschiedlicher Grösse
und aus verschiedenen Branchen tätig. Das Team
setzt sich aus erfahrenen und ausgewiesenen Kapi-
talmarkt- und Kommunikationsprofis zusammen.
Sensus Investor & Public Relations
Bederstrasse 51 | CH-8002 Zürich
Phone +41 43 366 55 11 | Fax +41 43 366 55 12
www.sensus.ch | [email protected]