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crowdfunding Musiker und Crowdfunding - geht das? Aufstrebende Musiker brauchen Unterstützung. Im letzten Jahrhundert wurde das Risiko für die nö- tige Anschubsfinanzierung überwiegend von der Musikindustrie getragen. Mit Crowdfunding im Internet betritt ein weiterer Akteur die Bühne: der Musik-Fan. auch der Pianist Alex Sebastian er- fahren. Seinen Le- bensunt erhalt kann er davon zwar nicht bestreiten, auf mys- herpas.com hat er jedoch 2696 Euro für eine Single-Produk- tion eingeworben. "Das zeigte mir, dass es da draußen Musik-Enthusiasten gibt, die nicht nur das Einige Vertreter der deutschen Musikwirt- über Medien vermittelte ,Industrie-Material' I rden Crowdfunding nur s ehr gezielt in Anspruch nehmen: di e Ber liner Band Bonaparte I F oto: Me li ssa Hostet ier schaft reagieren auf die vermeintliche neue Konkurrenz gelassen. Für Stephan Steiglei- der, Director Digital Media bei Universal Mu- sic Classic & Jazz, ist Crowdfunding aus kom- merziell er Sicht wenig erfolgversprechend. "Mir sind keine Künstler bekannt, die es durch Crowdfunding-Plattformen wie Sella- band oder Kickst arter in die deu t schen Charts gebracht haben", resümiert der Ange- stellte des größten Majorlabels. "Für uns sind solche Plattformen vielleicht aus A&R-Per- spektive interessant." Die "positiv Verrückten u Direkte Erfahrungen mit dem Phänomen Crowdfunding hat Andreas Bischof vom In- die -Label Anal ogsoul dagegen schon 2009 sammeln können . Damals finanzierte er er- folgreich Benzin und Busmiete für eine Tour- nee du rch Osteuropa. "Crowdfunding schließt eine Lücke. Es ist eine Möglichkeit ohne eigenen finanziell en Einsatz Projekte zu realisieren", sagt der Leipziger St uden t der Kul turwissenschaften. Moment an wird auf der Crowdfunding- Plattform visionbakery .de schon die zweite EP-Veröffentlichung von Analogsoul mit ei- nem Volumen von knapp 1500 Euro mitfi- nanziert. Doch wer engagiert sich für solche Projekte? "Die vier F's: Familie, Freunde, Fans und Fools", beschreibt Bischof seine För- derer. Die positiv "Verrückten" sind dabei die Nu tzer, die sich auf den Pla ttformen be- wegen und selbst Projekte finanzieren, die sie vorher noch nicht kannten. Dass anonyme Unterstützer existieren, die bis zu dreistellige Beträge "locker" machen, hat möglichst kostenlos herunterladen möchten", so der Musiker. Nüchtern erklärt er weiter: "Allein die Tatsache, dass ein Künstler auf Crowdfu nding- Pl attformen sta ttfindet, bringt noch keinen einzigen Euro. Der Pro- jekteigentümer muss selbst die Werbetrom- mel rühren, sonst passiert da gar nichts." Noch besteht Erklärungsbedarf Auch Johannes Marx von der deutsch-japani- schen Elektro-Rock-Band Pitchtuner sieh t Crowdfunding als eine Art Vorschuss, um aufwendigere Musikproduktionen zu finan- zieren: "Die Idee, dass die Fans das Geld eher als Investition sehen können, finde ich gut". Probleme bereitet ihm der niedrige Bekannt- heitsgrad dieser Plattformen: ,,80 Prozent der Zeit haben wir damit verbracht, den poten- ziellen Unterstüt zern Sell aband zu erklären. Ich musste feststellen, dass selbst Leute, die Geld bezahlt ha tten, das Prinzip noch nicht so richtig begriffen haben." Die Wahlberliner Band Bonaparte um Ha u pt- Ideengeber Tobias Jundt ist mi t zahlreichen Aktivitä ten im Social Web vertreten. Trotz- dem wurde die Form einer Projektfinanzie- rung, die vom Publikum getragen wird, bis- her nicht von ihnen in Betracht gezogen. ,,Ich agiere lieber au t onom. Viele Menschen und Geld: Das endet sehr oft im Chaos", begrün- det Jundt seine Entscheidung. Ihm gefällt es, dass eine Plat te immer nur die aktue ll en fi- nanziellen Möglichkeiten der Band wieder- spiegelt. "Das erste Bonaparte-Alb um wurde im Wohnzimmer aufgenommen und das durfte man auch hören", so der aus der Schweiz stammende Musiker. Crowdfun- ding würde er nur sehr gezielt für kleine Pro- jekte, beispielsweise eine spezielle Crowdfunding-Band oder -Platte, einsetzten. "Zu ökonomisch u Den meisten Musikern ist Crowdfunding je- doch eher suspekt. So will Jonas Poppe von der Berliner Elektro-Pop-Band Kissogram Crowdfunding nicht ausprobieren. Für ihn können solche Aktivitäten allenfalls eine Not- lösung sein: "Das Verkaufen von Anteilen, et wa wie Aktien, ist mir zu ökonomisch. Ich bin doch kein Unt ernehmer. Crowdfunding kann keine richtige Pla tt enfirma ersetzen." Besonders kritisch sieht der Musiker das öko- nomische Verhältnis zum Publikum, wo - durch die künstlerische Freiheit beeinträchti- gen werden könnte. "Das ist Anbiedern. Man verkauft sich dann doch bis aufs letzte Hemd. Der Künstler muss sein Ding machen können und nicht das, was das Publikum verlangt. " Daher sei ihm Distanz zwischen Künstler und Publikum wichtig. Es existieren allerdings immer mehr Nutzer, die sich im Internet nicht nur über Musik in- formieren, sondern auch aktiv am Entste- hensprozess partizipieren wollen. Sie nutzen die Kommunika tionskanäle im Social Web, um für sie relevante Inhalte weiterzuverbrei- ten, zu unterstützen und gegebenenfalls so- gar selbst daran teilzuhaben. Crowdfunding beschreibt dabei die Ar t der finanziellen Be - teiligung. Ein weiterer Schritt wäre die Teilhabe am musikalischen Gestalt ungspro- zess. I Matthias Krebs & Jens Kupillas c: Michael Krebs und Jens Kupillas CL .... ::::J N Matthias Krebs und Jens Kupillas (v. 1.) sind Doz en- ten für Musikmarket ing an der Universi t ät der . n ste Berl in. Im Zertifikatskurs " DigiMedial- St rategisches Musikmarketing im Internet" lernen Musiker/-innen Social-Media-Strat egien erfolg - reich im Selbstmarket ing einzusetzen. www.dlglmedlal.udk-berlln.de u ·Vi '"' ::::J E 'Vi -es cv -es .... 0 u cv .... 17

DigiMediaL Crowdfunding Artikel musikmarkt

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crowdfunding

Musiker und Crowdfunding - geht das? Aufstrebende Musiker brauchen Unterstützung. Im letzten Jahrhundert wurde das Risiko für die nö­tige Anschubsfinanzierung überwiegend von der Musikindustrie getragen. Mit Crowdfunding im Internet betritt ein weiterer Akteur die Bühne: der Musik-Fan.

auch der Pianist Alex Sebastian er­

fahren. Seinen Le­

bensunterhalt kann

er davon zwar nicht

bestreiten, auf mys­

herpas.com hat er

jedoch 2696 Euro für eine Single-Produk­

tion eingeworben.

"Das zeigte mir, dass es da draußen

Musik-Enthusiasten

gibt, die nicht nur das Einige Vertreter der deutschen Musikwirt- über Medien vermittelte ,Industrie-Material'

I Würden Crowdfunding nur sehr gezielt in Anspruch nehmen: die Berliner Band Bonaparte I Foto: Me lissa Hostet ier

schaft reagieren auf die vermeintliche neue

Konkurrenz gelassen. Für Stephan Steiglei­

der, Director Digital Media bei Universal Mu­

sic Classic & Jazz, ist Crowdfunding aus kom­

merzieller Sicht wenig erfolgversprechend.

"Mir sind keine Künstler bekannt, die es durch Crowdfunding-Plattformen wie Sella­

band oder Kickstarter in die deutschen

Charts gebracht haben", resümiert der Ange­

stellte des größten Majorlabels. "Für uns sind solche Plattformen vielleicht aus A&R-Per­

spektive interessant."

Die "positiv Verrückten u

Direkte Erfahrungen mit dem Phänomen Crowdfunding hat Andreas Bischof vom In­

die-Label Analogsoul dagegen schon 2009

sammeln können. Damals finanzierte er er­

folgreich Benzin und Busmiete für eine Tour­

nee durch Osteuropa. "Crowdfunding schließt eine Lücke. Es ist eine Möglichkeit ohne eigenen finanziellen Einsatz Projekte zu

realisieren", sagt der Leipziger Student der

Kul turwissenschaften.

Momentan wird auf der Crowdfunding­Plattform visionbakery.de schon die zweite

EP-Veröffentlichung von Analogsoul mit ei­

nem Volumen von knapp 1500 Euro mitfi­

nanziert. Doch wer engagiert sich für solche

Projekte? "Die vier F's: Familie, Freunde, Fans und Fools", beschreibt Bischof seine För­

derer. Die positiv "Verrückten" sind dabei die Nutzer, die sich auf den Plattformen be­

wegen und selbst Projekte finanzieren, die sie vorher noch nicht kannten.

Dass anonyme Unterstützer existieren, die bis

zu dreistellige Beträge "locker" machen, hat

möglichst kostenlos herunterladen möchten",

so der Musiker. Nüchtern erklärt er weiter:

"Allein die Tatsache, dass ein Künstler auf

Crowdfunding-Plattformen sta ttfindet,

bringt noch keinen einzigen Euro. Der Pro­

jekteigentümer muss selbst die Werbetrom­mel rühren, sonst passiert da gar nichts."

Noch besteht Erklärungsbedarf Auch Johannes Marx von der deutsch-japani­schen Elektro-Rock-Band Pitchtuner sieht

Crowdfunding als eine Art Vorschuss, um

aufwendigere Musikproduktionen zu finan­

zieren: "Die Idee, dass die Fans das Geld eher

als Investition sehen können, finde ich gut". Probleme bereitet ihm der niedrige Bekannt­

heitsgrad dieser Plattformen: ,,80 Prozent der

Zeit haben wir damit verbracht, den poten­

ziellen Unterstützern Sellaband zu erklären.

Ich musste feststellen, dass selbst Leute, die

Geld bezahlt hatten, das Prinzip noch nicht so

richtig begriffen haben." Die Wahlberliner Band Bonaparte um Haupt­

Ideengeber Tobias Jundt ist mit zahlreichen

Aktivitäten im Social Web vertreten. Trotz­dem wurde die Form einer Projektfinanzie­

rung, die vom Publikum getragen wird, bis­

her nicht von ihnen in Betracht gezogen. ,,Ich

agiere lieber autonom. Viele Menschen und

Geld: Das endet sehr oft im Chaos", begrün­

det Jundt seine Entscheidung. Ihm gefällt es, dass eine Platte immer nur die aktuellen fi­

nanziellen Möglichkeiten der Band wieder­

spiegelt. "Das erste Bonaparte-Album wurde im Wohnzimmer aufgenommen und das

durfte man auch hören", so der aus der Schweiz stammende Musiker. Crowdfun-

ding würde er nur sehr gezielt für kleine Pro­

jekte, beispielsweise eine spezielle Crowdfunding-Band oder -Platte, einsetzten.

"Zu ökonomischu

Den meisten Musikern ist Crowdfunding je­

doch eher suspekt. So will Jonas Poppe von

der Berliner Elektro-Pop-Band Kissogram

Crowdfunding nicht ausprobieren. Für ihn können solche Aktivitäten allenfalls eine Not­

lösung sein: "Das Verkaufen von Anteilen, etwa wie Aktien, ist mir zu ökonomisch. Ich

bin doch kein Unternehmer. Crowdfunding

kann keine richtige Plattenfirma ersetzen." Besonders kritisch sieht der Musiker das öko­

nomische Verhältnis zum Publikum, wo­

durch die künstlerische Freiheit beeinträchti­

gen werden könnte. "Das ist Anbiedern. Man verkauft sich dann doch bis aufs letzte Hemd.

Der Künstler muss sein Ding machen können und nicht das, was das Publikum verlangt. "

Daher sei ihm Distanz zwischen Künstler und

Publikum wichtig.

Es existieren allerdings immer mehr Nutzer, die sich im Internet nicht nur über Musik in­

formieren, sondern auch aktiv am Entste­

hensprozess partizipieren wollen. Sie nutzen

die Kommunikationskanäle im Social Web, um für sie relevante Inhalte weiterzuverbrei­

ten, zu unterstützen und gegebenenfalls so­

gar selbst daran teilzuhaben. Crowdfunding

beschreibt dabei die Art der finanziellen Be­

teiligung. Ein weiterer Schritt wäre die

Teilhabe am musikalischen Gestaltungspro­zess. I Matthias Krebs & Jens Kupillas

c: ~ Michael Krebs und ~ Jens Kupillas CL .... ::::J N

Matthias Krebs und Jens Kupillas (v. 1.) sind Dozen­ten für Musikmarketing an der Universität der . Künste Berlin. Im Zertifikatskurs " DigiMedial­Strategisches Musikmarketing im Internet" lernen Musiker/-innen Social-Media-Strategien erfolg­reich im Selbstmarketing einzusetzen. www.dlglmedlal.udk-berlln.de

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Juni 126-11 1. Juli 2011, Jahrgang 53

www.musikmarkt.de

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