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Mitgliederversammlung Einladung zur ZGF Mitglieder- versammlung 2013 Auftakt in Peru Neues großes Waldschutzprojekt im Manú Biosphärenreservat MITGLIEDERMAGAZIN DER ZOOLOGISCHEN GESELLSCHAFT FRANKFURT VON 1858 E. V. ISSN 1863-1789 GORILLA Chancen für Wildnis in Deutschland N o 03 2013

Gorilla 03/2013

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Page 1: Gorilla 03/2013

Mitgliederversammlung

Einladung zur ZGF Mitglieder-versammlung 2013

Auftakt in Peru

Neues großes Waldschutzprojekt im Manú Biosphärenreservat

MITGLIEDERMAGAZIN DER ZOOLOGISCHEN GESELLSCHAFT FRANKFURT VON 1858 E. V. ISSN 1863-1789

GORILLA

Chancen für Wildnis in Deutschland

No 03 2013

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24 AUS DEM ZOO FRANKFURT

24 Aktuelles

HerausgeberZoologische Gesellschaft Frankfurt von 1858 e.V.Bernhard-Grzimek-Allee 1, 60316 FrankfurtT: (069) 94 34 46 0 Fax (069) 43 93 48E: [email protected]: www.zgf.de

RedaktionDipl.-Biol. Dagmar Andres-Brümmer,Zoologische Gesellschaft FrankfurtT: (069) 94 34 46 11 F: (069) 43 93 48E: [email protected]

Mit Beiträgen vonDr. Christof Schenck, Dagmar Andres-Brümmer, Katharina Hensen, Michael Brombacher, Sonia Steiger, Christine Kurrle sowie namentlich gekennzeichneten Autorinnen und Autoren.

Fotos: alle Bilder ZGF, sofern nicht anders angegeben.

Titelfoto: Okapia / imagebroker / Alexander von Düren

Gestaltung: atelier himmelbraun, Frankfurt am Main

Lektorat: Maria Ullmann

Erscheinungsweise: vierteljährlich

Auflage: 5.500 Exemplare

Druck: Druck- und Verlagshaus Zarbock GmbH & Co. KG, Frankfurt, gedruckt auf 100 % Recyclingpapier

ISSN: 1863-1789

ZGF GORILLA ist die Mitgliederzeitschrift der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt von 1858 e. V. Der Bezugspreis ist im Mitglieds beitrag enthalten.

© ZGF 2013, Nachdruck nur mit Genehmigung gestattet

IMPRESSUM DANKE

Wir danken unseren Freunden, Spendern und Sponsoren, ohne die wir unsere Naturschutzarbeit nicht in dem Maße um setzen könnten, wie wir es heute tun.

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www.facebook.com/Frankfurt.Zoological.Society

WWW.ZGF.DE

03 EDITORIAL

10 SCHWERPUNKT: NATIONALPARKS & WILDNIS

10 Seelenschutzgebiete Warum wir Nationalparks brauchen

16 Wilder Kreislauf Ein Moor kommt zurück

19 Das Wildnisziel in Zahlen

20 Premiummarke Nationalpark

23 Im Gespräch: Michael Lammertz

04 AKTUELLES WELTWEIT

Neues aus unseren Projekten, von unseren Partnern und rund um die ZGF-Projektgebiete

26 ZGF DIALOG

26 Helfen Sie mit Ihrer Spende 27 Einladung zur Mitgliederversammlung

2013

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INHALT 03 / 2013

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teten Auen entstehen keine Verluste, genauso wenig wie bei Windwurf in Nationalparks. Gleichzeitig sind Wildnisgebiete wichtige Puffer für unsere Wohn- und Wirtschaftsregionen. Jeder Kubikmeter Wasser in der Aue findet sich nicht im Keller oder auf dem Acker.

Vierzehn Nationalparks gibt es heute in Deutschland, der Großteil von ihnen in den neuen Bundesländern. Abgesehen von den Küs-

tennationalparks sind sie von der Fläche her im internationalen Vergleich geradezu win-zig. Der jetzt so heiß diskutierte National-parkvorschlag im Nordschwarzwald, in der Basisvariante gerademal zehn auf zehn Ki-lometer Staatswald umfassend, hat weniger als ein Prozent der Fläche des peruanischen Manú-Nationalparks. Und da sage heute kei-ner mehr: „Tja, in Afrika und Südamerika gibt es riesige unbesiedelte Landstriche, die

kann man leicht als Nationalpark ausweisen“. Der Bedarf an Boden-schätzen, Straßen oder Staudämmen ist auch auf den anderen Kon-tinenten inzwischen riesig und dennoch haben die Länder dort bis zu zehn Mal mehr Anteile ihrer Landesfläche unter strengen Schutz gestellt. Und auch den wichtigen Wildnisansatz nehmen sie viel er-ster. Nur vier der deutschen Parks erfüllen überhaupt den internatio-nalen Standard, dass nämlich auf 75 Prozent der Nationalparkfläche kein Eingreifen des Menschen erfolgen soll.

Weltweit werden wir uns weiter mit aller Kraft für die Filetstücke des Naturschutzes, für die Nationalparks, einsetzen. Dem Klassen-Schlusslicht Deutschland wollen wir helfen, aus dieser Position he-rauszukommen und der internationalen Verantwortung und den nationalen Vorgaben gerecht zu werden. Mit Rat und Tat wollen wir den zukünftigen Nationalparks beistehen. Und Politkern, Behörden, Landräten, Forstämtern und Nationalparkgegnern können wir den Blick über den Tellerrand wärmstens empfehlen.

Es ist der Blick über den Tellerrand, der Erkenntnis schafft und Impulse gibt. Bernhard Grzimek hatte ihn ohne Zweifel, als er sich zusammen mit Hubert Weinzierl und weiteren Mitstrei-tern vor fast 50 Jahren vehement für den ersten deutschen Natio-nalpark im Bayerischen Wald einsetzte. Grzimek hatte zahlreiche Nationalparks in Amerika und Afrika bereist und längst stand diese Königskategorie der Schutzgebiete im Fokus der Naturschutzarbeit seiner Zoologischen Gesellschaft Frankfurt. Doch schon damals waren andere Länder und Kontinente den Deutschen im Flächen-schutz weit voraus. Amerika hatte mit dem Yellowstone Nationalpark 1872 den weltweit ersten Nationalpark geschaffen, Afrika folgte 1925 mit dem Virunga Nationalpark im Kongo, 1951 wurde die heute weltberühmte Serengeti als Nationalpark ausgewiesen, acht Jahre später folgten die Galápagos-Inseln vor der ekuadorianischen Küste. All diese Namen stehen heute für die schönsten und artenreichsten Landschaften, für ungezähmte Natur und häufig auch für einen großartigen wirtschaftlichen Erfolg. Millionen von Menschen verbringen dort ihren Urlaub, ihre „wert-vollsten Tage des Jahres“. Nationalparks finden sich auf Landkarten verzeichnet und in Reiseführern beschrieben. Sie gelten als Natur-kapital eines Landes und als Erbmasse für kommende Generationen.

Keine echten Naturlandschaften, keine Urwälder, kein Platz und das Holz brauchen wir für die Sägewerke und nicht für den Borken-käfer – das sind auch heute noch die gängigen Argumente, gegen neue Nationalparks in Deutschland. Dabei hat sich längst gezeigt, dass Forste wieder zu Urwäldern werden, wenn man sie nur lässt und dass sich selbst anspruchsvolle Tiere wie Luchs, Wolf, Schwarzstorch oder Seeadler wieder einstellen. Und die großen Fluten zum Sommer-anfang haben deutlich gemacht: Nur in Naturlandschaften können Naturkatastrophen keinen Schaden anrichten. Nur dort sind Sturm und Wasser nicht gefürchtet sondern gewünscht. Sie sind Bestandteil einer Dynamik, wie sie seit Millionen von Jahren besteht. In überflu-

Dr. Christof Schenck, Geschä! sführer der Zoologischen Gesellscha! Frankfurt

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Mitglieder und Freunde,

Nur vier der deutschen Nationalparks erfüllen

überhaupt den internatio-nalen Standard.

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EDITORIAL

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ALBANIEN

Prespa-Seen sind international bedeutsame Feuchtgebiete Es gibt viele Gründe, warum die Region um die Prespa-Seen so einzigartig und bedeutsam ist – die Landschaft, die Vogelwelt oder die by-zantinischen Ruinen. Auch der Fischreichtum des Sees ist bemerkenswert, 9 der 23 Fisch-arten in den Seen und Flüssen von Prespa sind endemisch. Das heißt, sie kommen nur hier und nirgendwo sonst auf der Erde vor. Bei den Vögeln ist die Liste noch eindrucksvoller: 272 Vogelarten wurden in der Region kartiert.

Anfang Juli hat das albanische Umweltmi-nisterium dem Rechnung getragen und die albanischen Anteile am Großen und am Kleinen Prespa-See bei der Ramsar-Kon-vention zum Schutz internationaler Feucht-gebiete nominiert. Prespa ist somit offiziell das vierte international bedeutsame Feucht-gebiet des Landes.

Fatos Bundo, der Leiter der Abtei-lung Biodiversität des albanischen Um-weltministeriums, freut sich über die Ramsar-Nominierungen: „Hierdurch er-fahren die Prespa-Seen, die als Perlen des Balkans gelten können, endlich den nöti-gen Schutz, der von internationalen Exper-ten schon lange gefordert worden war. Ohne die starke Unterstützung der Fachleute des von der KfW mitfinanzierten Projektes zum Aufbau der Prespa Nationalparkverwaltung, wäre die Nominierung nicht so schnell mög-lich gewesen.“

Die 1971 ins Leben gerufene Ramsar-Kon-vention ist eine internationale Vereinbarung, unter der sich die 168 beigetretenen Länder verpflichten, ihre Feuchtgebiete nachhal-tig und „weise“ zu nutzen und zu schützen. Weltweit gibt es mittlerweile 2.143 solcher Ramsar-Gebiete.

34 Jahre später als Griechenland Bereits im Jahr 1979 waren die griechischen Anteile der Prespa-Seen unter den Schutz der Ramsar-Konvention gestellt worden. Damals trennte der Eiserne Vorhang Jugos-lawien und Albanien von Griechenland. Erst

nach 1992 konnte die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Dreiländereck zwischen Griechenland, Albanien und Mazedonien in Angriff genommen werden. Heute ist das gesamte Seensystem, vom Ohrid-See bis zu den Prespa-Seen, eingebettet in internatio-nale Kooperationen wie etwa das „Grüne Band Europa“, in dem das Seengebiet einen wichtigen Eckstein darstellt.

Das nun nominierte albanische Ramsar-Ge-biet hat eine Fläche von 15.119 Hektar und ist vollständig eingebettet in den 1999 ge-gründeten Nationalpark Prespa in Albanien.

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BUKIT TIGAPULUH AUF CNNÜber acht Folgen hinweg nimmt uns ein Fernsehteam von CNN mit nach Bukit Tiga-puluh im Herzen Sumatras. Zwischen dem 13. September und dem 1. November geht Philippe Cousteau auf CNN International immer freitagabends im Land der 30 Hügel auf "Expedition: Sumatra". Cousteau beglei-tet das Tiger- und das Elefanten-Team und beobachtet natürlich die Arbeit auf der ZGF-Orang-Utan Station, die Auswilderung von Orang-Utan Bobo und das Leben der jungen

Die ZGF und die Österreichische Bundesforste AG führen das von der KfW fi nanzierte Projekt am Prespa-See gemeinsam durch.

Orangs Violet und Radja. Die genaue Sende-zeit wissen wir zum Zeitpunkt der Druckle-gung des GORILLAs leider noch nicht, sie wird aber zusammen mit dem Inhalt der einzelnen Folgen auf unserer Webseite zu finden sein.

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AKTUELLES WELTWEIT

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SERENGETI

Interaktive Safari Die Serengeti ist nicht nur weltweit berühmt, sondern auch Synonym für Wildnis in Afrika. Doch Klimawandel, Wilderei und eine stetig wachsende Bevölkerung bedrohen diesen Mythos. Im Juni machte sich ein Team der Deutschen Welle auf den Weg in die tansa-nische Savanne, um diese Problematik für die DW-Reihe „Global Ideas“ in einer sogenann-ten Web-Dokumentation zu thematisieren. „Global Ideas“ stellt Klima- und Artenschutz-projekte in Schwellen- und Entwicklungs-ländern vor. Gefördert wird die Reihe vom Bundesumweltministerium im Rahmen der Internationalen Klimaschutzinitiative.

Geplant und produziert wurde die Produk-tion in enger Zusammenarbeit mit der ZGF, denn der Schutz der Serengeti ist für die Or-

Serengeti – Wanderung ins Ungewisse

Die Web-Dokumenation mit Bildern, Filmen und Texten gibt es ab dem 20. August auf Deutsch, Englisch und Spanisch. Online unter:www.dw.de/serengeti (deutsch)www.dw.de/english/serengeti (englisch)www.dw.de/spanish/serengeti (spanisch) Die Reportage wird am 26.8. im TV-Pro-gramm der Deutschen Welle ausgestrahlt – in Deutsch, Englisch, Spanisch und Arabisch. Online zu sehen ist sie unter:¼ www.dw.de/themen/global-ideas/s-30494

Ein VogelparadiesDas Gebiet ist für Zugvögel der gesamten Paläarktis als Winterquartier von großer Bedeutung. Zehntausende von Zugvögeln verbringen jedes Jahr im Ohrid-Prespa-Seengebiet den Winter. Trotz ihrer Lage auf 690 bzw. 850 m Höhe frieren der Ohrid- und Prespa-See selten zu. Und dank ihres Fisch-reichtums bieten sie im Sommer wie im Winter ausreichend Nahrung für fischfres-sende Wasservögel.

Dank intensiver Schutzbemühungen, insbe-sondere auf griechischer Seite, hat sich in den vergangenen Jahrzehnten die Brutkolonie der beiden europäischen Pelikanarten (Rosa- und Krauskopfpelikan) zur größten Pelikan-kolonie des Balkanraums entwickelt. Mit ca. 1.100 Brutpaaren ist sie vielleicht sogar die größte in ganz Europa.

Durch die Gründung eines Nationalparks auf albanischer Seite im Jahr 1999, die jetzige Ramsar-Nominierung sowie die anstehende Einrichtung eines Biosphärenreservats, das mit über 500.000 Hektar den Ohrid- und die beiden Prespa-Seen umfasst, wird der Schutz durch die drei Anrainerstaaten noch deutlich verbessert. Hierdurch erhalten stark bedrohte Arten im Gebiet um die Seen ihren Lebens-raum zurück. Neben dem Braunbär und dem Wolf zählen insbesondere der Balkanluchs (Lynx lynx martinoi) und die Balkangämse (Rupicapra r. balcanica) zu den Arten, die im Fokus weiterer Schutzbemühungen stehen.

WEITERBILDUNG IN DEN USAClaudel Tshibangu aus dem ZGF-Team in Upemba im Ostkongo konnte im Juli an der jährlichen Konferenz der Society for Conservation GIS (SCGIS) in Kalifornien teilnehmen und zusätzlich noch seine GIS-Kenntnisse in einem Trainingskurs dort erweitern. Geografische Informationssy-steme, kurz GIS, sind Informationssysteme zur Erfassung, Bearbeitung, Analyse und Präsentation räumlicher Daten. Sie liefern

zum Beispiel die Datengrundlage zur Er-stellung von Karten. Claudel Tshibangu zeigte schnell Talent im Umgang mit Da-ten und Karten und half bei der Erstel-lung von Karten für den Managementplan des Upemba Nationalparks. Sein Einsatz zahlte sich nun aus: Für das Stipendium der SCGIS war Tshibangu aus 800 Bewerbern ausgewählt worden.

Claudel Tshibangu

ganisation seit Grzimeks Zeiten ein zentrales Anliegen. Mit dem Ziel, die Herausforde-rungen und die Arbeit der ZGF vorzustellen, sind die drei DW-Mitarbeiter in die Serengeti gereist und das Reporterglück war mit ihnen: Die Gnus machten sich während der Drehar-beiten kamerawirksam zu ihrer großen Wan-derung auf und auch die anderen Tiere lagen dem DW-Team zu Füßen und posierten für beeindruckende Bilder.

In der Web-Dokumentation „Serengeti – Wanderung ins Ungewisse“ kann sich der Internetnutzer per Mausklick auf eine in-teraktive Reise durch die Savanne begeben, Tiere betrachten, mehr darüber erfahren, was sie bedroht sowie ihren Beschützern bei der Arbeit über die Schulter sehen.

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AKTUELLES WELTWEIT

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PERU

Neues Waldschutzprojekt Deutschland trägt zum Schutz des Waldes und der biologischen Vielfalt im Manú Bio-sphärenreservat bei. „Wir tun dies, indem wir bestehende Schutzgebiete stärken und ver-größern oder Lebensräume wiederherstellen. All das ist auch zum Wohle der Menschen dort und der indigenen Gemeinden“, sagte der deutsche Botschafter in Peru, Christoph Schmillen, anlässlich des Projektstartes von „ProBosque Manú“. Damit bringt er den Kern des Projektes auf den Punkt.

Unter dem Motto „Mensch und Park“ strebt das Projekt eine größere Annäherung der in-digenen Gemeinden im Manú-Tiefland mit den Nationalparkbehörden an. Beide Par-

teien sollen gemeinsame Nutzungsstrategien entwickeln wie beispielsweise ein naturver-trägliches Tourismuskonzept.

Das Projekt mit dem langen Namen „Wald-schutz und Management der natürlichen Res-sourcen im Manú Biosphärenreservat“ wird vom Bundesumweltministerium (BMU) ge-fördert. Umgesetzt wird das Projekt gemein-sam von der ZGF und der peruanischen Schutzgebietsbehörde SERNANP. Hauptziele sind ein merklicher Rückgang der Entwal-dung sowie eine nachhaltigere Nutzung der natürlichen Ressourcen. Das Manú Biosphä-renreservat im Südosten Perus, das neben dem Manú Nationalpark im Amazonas-Tief-

AUSZEICHNUNG FÜR DIE ZGFDie nationale Biodiversitätskommission des peruanischen Umweltministeriums zeichnet jedes Jahr Personen und Institutionen für ihr besonderes Engagement zum Schutz der bio logischen Vielfalt aus. In diesem Jahr ging die Auszeichnung in der Kategorie „Institu-tionen“ an das ZGF-Team Peru. Unter dem diesjährige Motto „Water is life, life is biodi-versity“ fügt sich das Engagement der ZGF zum Schutz der Riesenotter ganz hervor-

QR Code: Video des Projekt-starts von ProBosque Manú in Lima.

land auch die Bergwälder an den Osthängen der Anden umfasst, ist Heimat unzähliger Tier- und Pflanzenarten. Im letzten Jahr-zehnt gingen jedoch immer größere Teile des Waldes verloren. Sie wurden von den Bewoh-nern abgeholzt, um Platz für Anbauflächen und Weideland zu schaffen.

Offiziell vorgestellt wurde das Projekt am 21. Mai 2013 in der peruanischen Hauptstadt Lima. Es wird mit zwei Millionen Euro aus der Internationalen Klimaschutzinitiative (IKI) des BMU gefördert. Das Projekt dient nicht nur der Erhaltung der Biodiversität im peruanischen Regenwald, durch das Ver-meiden von Entwaldung trägt es auch zum Klimaschutz bei.

Pedro Gamboa, Chef der peruanischen Schutzgebiete sowie Vize-Umweltminister Gabriel Quijandría Acosta zeigten sich zu-versichtlich, dass die ZGF der richtige Pro-jektpartner zur Umsetzung des Vorhabens sei. Um die gute Zusammenarbeit zu un-termauern, unterzeichneten Acosta und ZGF-Programmleiter Dr. Robert Williams eine neue Kooperationsvereinbarung zwi-schen der ZGF und dem Ministerium für die nächsten fünf Jahre.

ZGF-Programmleiter Dr. Robert Williams und der peruanische Vize-Umweltminister Gabriel Quijandría Acosta unterzeichneten eine neue Kooperationsvereinbarung zwischen der ZGF und dem Ministerium.

ragend ein. Und somit passte es auch, dass ZGF-Geschäftsführer Dr. Christof Schenck den Preis in Lima in Empfang nehmen konnte, denn mit seinen Arbeiten über die Riesenotter im Manú Nationalpark hatte vor mehr als 20 Jahren alles angefangen.

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AKTUELLES WELTWEIT

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40 Jahre Manú Nationalpark werden von Groß und Klein gefeiert.

ÄTHIOPIEN

Der Steinbock sucht ein Zuhause Drei Tage lang stand das große Konferenzzen-trum Addis Ababa Exhibition Center im Zeichen der Natur des Landes. Vom 28. bis 30. Juni fei-erten mehrere Tausend Besucher das erste Wildlife Festival. Aktionen, Ausstellungen, Vor-führungen und Infostände informierten über die vielfältigen Naturschätze Äthiopiens.

Ein ganz besonderes Augenmerk lag auf dem Simien Nationalpark im Norden des Lan-des, der unter dem Motto „The Walia needs a home“ auf sich und die Gefahren, die den Park bedrohen, aufmerksam machte. Der „Walia“ ist der Äthiopische Steinbock, ein wunderschöner schokoladenbrauner Stein-bock, der nur in den hohen Lagen im Nor-den Äthiopiens vorkommt. Anfang der 1960er-Jahre waren aufgrund von Jagd und Lebensraumverlust weniger als 200 Tiere der Art Walia ibex übrig geblieben. Mit der Gründung des Simien Nationalparks 1969 wurde der Walia dessen Flaggschiffart und erholte sich langsam. Heute gibt es zwar wie-der etwa 500 Tiere, doch gefährdet ist die Art immer noch. Simien beheimatet nicht nur die einzige geschützte Steinbock-Population, sondern auch die zweitgrößte Population des Äthiopischen Wolfs.

Wie überall kann der Schutz des National-parks nur gelingen, wenn die Menschen im Land gut informiert sind und den Park ak-zeptieren. Auch dazu wollte das Festival beitragen. Veranstaltet wurde es daher von der äthiopischen Naturschutzbehörde, der Ethiopian Wildlife Conservation Autho-

rity (EWCA). Treibende Kraft hinter dem Fes tival war Sängerin und Aktivistin Chachi Tadesse, die auch Ehrenbotschafterin der EWCA ist. Aber auch die ZGF war als Part-ner von EWCA einer der Hauptorganisatoren des Festivals. Das ZGF-Team in Äthiopien präsentierte während des Festivals einen ganzen Schwung an neuen Flyern und Bro-schüren, die dazu beitragen sollen, Simien bekannter zu machen, ein neuer Führer zu den Tieren und Pflanzen des Parks und vor allem die brandneue Internetseite des Parks. Unter www.simienmountains.org kann man

FESTE FEIERN IM MANÚIm Mai und Juni kam das ZGF-Team in Peru kaum noch aus den Festivitäten heraus. Zu-erst stand das Riesenotterfestival in der Pro-vinzhauptstadt Puerto Maldonado auf dem Programm. Zum zweiten Mal wurde das von der ZGF ins Leben gerufene Festival gefeiert. Viele Vereine und Schulen beteiligten sich bei Vorträgen und einem Festumzug, das ZGF-Team organisierte eine Ausstellung, Filmvorführungen und Kinderaktionen.

Höhepunkt war die Zählung der Riesenotter im Tambopata-Reservat, die unter Anleitung des ZGF-Otterteams von Parkrangern, Tou-ristenführern und Volontären durchgeführt wurde. Insgesamt 25 Riesenotter konnten die Beobachter zählen. Wenig später stan-den die Zeremonien anlässlich des 40-jäh-rigen Bestehens des Manú Nationalparks an. Seit 20 Jahren ist die ZGF ein fester und wichtiger Partner des Nationalparks.

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nun den Park erforschen und findet wert-volle Tipps für eine Reise nach Simien.

Die ZGF arbeitet seit 2006 in enger Abstim-mung mit der Ethiopian Wildlife Conser-vation Authority im Simien Nationalpark. Gemeinsam mit EWCA und dem Amhara Bureau of Culture and Tourism entwickelt das ZGF-Team vor Ort zurzeit einen Manage-mentplan für den Nationalpark, bildet das Parkpersonal aus und fördert die Umwelt-clubs in den Schulen in den Simien-Bergen. ¼ www.simienmountains.org

Viele Ausstellungen und Musikdarbietungen auf dem ersten Wildlife Festival in Addis Abeba standen ganz im Zeichen des Simien Nationalparks.

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AKTUELLES WELTWEIT

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RUMÄNIEN

Naturnahe Wiederaufforstung in den KarpatenIn den letzten zehn Jahren fielen im Dam-bovita Tal, dem östlichen Teil des Natura-2000-Gebietes Muntii Fagaras, knapp 2.000 Hektar Wald einem unkontrollierten Raub-bau zum Opfer. Im Rahmen eines LIFE-Pro-jektes, dem Finanzierungsinstrument der EU für Natur- und Umweltschutz, bemüht sich die CARPATHIA-Initiative um die Wie-derherstellung der degradierten Flächen. Aufgrund der nachlässigen Forstwirtschaft-spraktiken zeigen viele der Flächen eine feh-lende oder sehr verzögerte Naturverjüngung

und der Boden ist ungeschützt der Erosion preisgegeben. Hinzu kommt, dass umlie-gende Schäfer diese Kahlschläge vermehrt als Waldweide nutzen und damit eine even-tuell aufkommende Naturverjüngung gleich wieder vernichten. In den letzten Monaten wurde aus diesen Gründen mit der Bepflan-zung erster ausgesuchter Flächen begonnen, um so den Grundstein für eine naturnahe Waldentwicklung zu legen. Besonderes Au-genmerk wird dabei auf eine dem Standort entsprechende natürliche Artenzusammen-

setzung gelegt: eine Mischung aus Buche, Tanne, Berg ahorn, Esche und Ulme soll die ansonsten vorherrschenden Fichtenbestände langsam zurückdrängen. Ziel der Initiative ist die Errichtung eines 60.000 Hektar großen Wildnisgebietes mit einer reich strukturierten Waldlandschaft, die einer vielfältigen Tierwelt als Rückzugsgebiet dient. Mithilfe starker pri-vater Unterstützung entwickelt sich hier eines der größten Naturschutzprojekte Europas. Die Zoologische Gesellschaft Frankfurt ist seit 2012 Partner dieser Intitiative.

DER DEUTSCHE WALDEinst war Deutschland zu 95 Prozent mit dichtem Wald bedeckt. Eine Vielfalt von fast 70 Baumarten, von der heute nur noch Frag-mente zeugen. Die prächtigsten dieser Er-innerungsstücke hat der Fotograf Thomas Stephan für dieses Buch zusammengetra-gen: Ein nationaler Schatz, der sich wieder ausbreiten könnte, wenn unsere Politiker ihr Versprechen von fünf Prozent Waldwildnis wahr machen würden. Das Buch führt uns von den Wäldern an Deutschlands Küsten bis

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AKTUELLES WELTWEIT

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Obwohl Orang-Utans (Pongo abelii) bereits seit 50 Jahren wieder ausgewildert werden, sind noch lange nicht alle Fragen zu den Men-schenaffen beantwortet, zu ihrem Verhalten und vor allem der Frage, wie die Wiederan-siedlungen so gestaltet werden können, dass sie auch wirklich der Erhaltung der Art dienen.

Um mit ihrer Forschung zum Erfolg von Orang-Utan-Wiederansiedlungen beizutra-gen, untersuchte Dr. Doris Kelle vom Institut für Forstwissenschaften der Universität Frei-burg unter der Leitung von ZGF-Projektleiter Dr. Peter Pratje für ihre Doktorarbeit Orang-Utans in freier Wildbahn und entwickelte ge-meinsam mit Kolleginnen und Kollegen ein Überlebensmodell für die Tiere. Dank dieses Modells wurde nun sehr viel klarer, was ein Wald den Orang-Utans bieten muss, damit er ihnen dauerhaft ein Zuhause sein kann.

Doris Kelle forschte fast zwei Jahre lang in der Auswilderungsstation der ZGF in In-donesien, vermaß in der Zeit 18.344 Bäume, beobachtete vier Monate lang den Alltag der Orang-Utans und analysierte deren Nahrung. Besonderes Augenmerk galt der räumlichen Verteilung von Baumarten, besonders der Bäume, die den wiederausgewilderten Orang-Utans als Nahrung dienen. Dabei zeigte sich, dass gewässernahe Tieflandgebiete, aber auch Sekundärwald eine hohe Anzahl wich-tiger Nahrungsbäume aufweisen und dass die Baumarten Ficus, Parkia und Artocarpus für die Affen besonders wichtige Nahrungsquel-len sind. Dass Sekundärwald für die Orang-

Utans besser oder auch genauso gut geeignet sein soll wie der ursprüngliche Primärwald, irritiert zunächst.

„Im direkten Vergleich zwischen Primär-wald und Sekundärwald habe ich tatsäch-lich hinsichtlich der Nahrungsbäume eine geeignetere Baumartenzusammensetzung im Sekundärwald gefunden“, sagt die Wissen-schaftlerin. Dies gehe wahrscheinlich damit einher, dass in den "alten" Wäldern Baumar-ten vorherrschen, die zwar für die Holzindu-strie interessant seien, aber nicht als Nahrung für die Orang-Utans infrage kommen. „Da-durch, dass diese Bäume riesig sind und al-les andere unterdrücken, ist die Artenvielfalt geringer und somit auch die Nahrungsbaum-vielfalt für Orang-Utans. Zudem gibt es im Sekundärwald Öffnungen im Kronendach und größere lichte Stellen. Das heißt, es gibt eine Vielfalt an Sukzessionsstadien, die opti-mal für schnell wachsenden Bäumen sind“, erläutert Kelle.

Daraus allerdings den Schluss zu ziehen, ein sekundärer, also ein nach dem Abholzen des ursprünglichen Primärwaldes wieder neu gewachsener Wald, sei vollkommen aus-reichend, wäre ein arger Trugschluss. „Wir haben vielmehr gezeigt, dass der Sekun-därwald in Puncto Nahrung für die Tiere ein sehr gutes Habitat ist“, sagt Doris Kelle. Ihre Arbeit belegt damit einmal mehr, wie wichtig die Pufferzonen um den National-park herum sind und dass Störungen in die-sen Pufferzonen, etwa durch Holzeinschlag

oder die Förderung von Kohle im Tagebau, weit in den Bukit Tigapuluh Nationalpark hineinwirken. „Der Wert des Primärwaldes mit Lianen und hohen Schlafbäumen für die Orangs ist nicht zu unterschätzen, mal ganz abgesehen von der Abgeschiedenheit und Sicherheit des Parks“, sagt Doris Kelle.

Noch ist die neue Orang-Utan-Population in Bukit Tigapuluh nicht endgültig etabliert, was es schwer macht, zu bewerten, in wel-chem Umfang sie tatsächlich zur Erhaltung des Art Pongo abelii beiträgt. Doch es gibt mittlerweile die erste Generation von Orang-Utans, die in der Wildnis geboren worden ist. Damit wurde eine große Hürde auf dem Weg zur dauerhaften Etablierung bereits ge-nommen. „Da Orang-Utans sich nur sehr langsam entwickeln und fortpflanzen, wird es noch einige Jahre dauern, bis eine ein-deutigere Bewertung möglich ist“, sagt Doris Kelle. „Bis dahin ist die größte Aufgabe bei der Wiederauswilderung von Orang-Utans die Erhaltung des Lebensraums, ohne den die Art nicht bestehen kann.

Doris Kelle und Jenggo, einer der Orang-Utans des Wiederauswilderungsprogrammes.

ORANG-UTANS

Die Baumvermesserin

zu den bayerischen Bergwäldern. Die außer-gewöhnlichen Aufnahmen werden begleitet von einem Text der ehemaligen GEO-Re-dakteurin Uta Henschel, der anschaulich und mit manch überraschender Information die Geschichte von der romantischen Verklä-rung bis zur heutigen politischen Diskussion um den deutschen Wald erzählt.

Thomas Stephan, Uta HenschelGRÜNES WUNDER – Wälder in Deutschland

Erschienen 2012 bei Grubbe Media GmbHHardcover mit Schutzumschlag200 Seiten mit ca. 180 Farbabbildungen, 49,95 !

ISBN: 978 3 942194 08 2

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AKTUELLES WELTWEIT

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Warum wir Nationalparks brauchen.

THEMAS c h w e r p u n k t

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SCHWERPUNKTTHEMA | NATIONALPARKS & WILDNIS

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Unser Land ist reich an vielfältigen Landschaften. In der Mitte Europas gelegen, hat es Anteile an vielen Naturräumen dieses Kontinents, die uns als seit Jahrhunderten genutzte und ge-

pflegte Naturlandschaften vertraut sind.

Arm ist unser Land hingegen an ursprünglicher Wildnis. Nur im Hochgebirge, in Teilen der Küstenlandschaft an Nord- und Ostsee sowie auf Restflächen der ehemals großen Moorlandschaften finden wir noch Gebiete, wo seit jeher Natur Natur sein darf. Diese Armut an Wildnis mit ihrem eigenen Wert und Reiz an Schönheit, Unbere-chenbarkeit und manchmal auch Gefahr wird uns umso bewusster, je mehr sich in den letzten Jahrzehnten die alte, vertraute, vielfältige Kulturlandschaft der Äcker, Wiesen und Wälder in hochmechani-sierte Produktionsflächen von Nahrungsmitteln und nachwachsen-den Rohstoffen verwandelt hat.

Erstmals leben in Deutschland mehr Menschen in den Städten als auf dem Land. Unsere moderne Art zu leben hat weltweit die Gren-zen der nachhaltigen Nutzung des Planeten überschritten. Die Fol-gen dieser Entwicklung können wir an unseren Landschaften sehen und den Verlust an Vielfalt in den Roten Listen und der geringer werdenden Artenvielfalt erkennen. Der Verlust für die Qualität un-serer eigenen Beziehung zu unserer natürlichen Umwelt ist erst in Ansätzen zu erahnen. Diese knappe Situationsbeschreibung zeigt den Hintergrund, vor dem heute eine oft hoch emotional geführte Debatte über das Zulassen von neuer Wildnis in Nationalparks und den Kernzonen der Biosphärenreservate entbrannt ist.

Von Karl Friedrich Sinner

In unseren Nationalparks lassen wir Wildnis zu, darf die Natur Natur sein. Nicht nur für Artenvielfalt und natürliche Prozesse ist dies elementar, sondern auch für uns Menschen.Das Ziel, fünf Prozent unserer Wälder aus der wirtscha! lichen Nutzung zu nehmen, sollte eigentlich ohne große Debatte umgesetzt werden können. Eigentlich.

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ZGF GORILLA | AUSGABE 3/2013 11

SCHWERPUNKTTHEMA | NATIONALPARKS & WILDNIS

Page 12: Gorilla 03/2013

Im "Gesellschaftlichen Vertrag zu Waldbewirt-schaftung" war bereits 2001 Konsens, dass

fünf Prozent der Waldfläche aus der Nutzung zu nehmen sind.

Auslöser für die Debatte ist das Ziel in der Biodiversitätsstrategie der Bundesregierung, bis 2020 in Deutschland wieder auf zwei Prozent der Fläche Wildnis zuzulassen und fünf Prozent der Wälder unseres Landes nicht mehr zu nutzen. Es ist ein bleibender Verdienst des Deutschen Forstwirtschaftsrates, dass anlässlich des 1. Deutschen Waldgipfels 2001 mit allen relevanten Gruppen der Forstwirtschaft, der Holzindustrie und des Naturschutzes der „Gesellschaftliche Ver-trag zur Waldbewirtschaftung“ abgeschlossen wurde. Im Kapitel Na-turschutz sieht dieser Vertrag vor, dass neben der Integration des Naturschutzes in die Bewirtschaftung, fünf Prozent der Waldfläche aus der Nutzung zu nehmen sind. Aus diesem von allen getragenen Konsens kam das Fünf-Prozent-Ziel in die Biodiversitätsstrategie – und damit begann ein erbitterter Streit zwischen den Partnern des gesellschaftlichen Vertrages.

Wildnisgegner argumentieren mit dem nicht zu verantwortenden Verzicht auf die Nutzung der natürlichen Ressourcen unseres Lan-des, dem tausendfachen Verlust von Arbeitsplätzen in der Wert-schöpfungskette des Clusters Forst, Holz und Papier sowie der Vernichtung von Existenzen gerade im ländlichen Bereich und da-mit der Verödung ganzer Landstriche, ja der Entvölkerung ganzer Dörfer. Wildnis wird damit als zerstörerisch für die Natur – Totholz-wüste statt Wald – und menschenfeindlich dargestellt. Wildnis sei damit die ökologische und ökonomische Katastrophe für den vom Menschen über Jahrhunderte gepflegten Garten Eden unserer Kul-turlandschaft, der von allen geliebten und vertrauten Heimat. In dieser Argumentation wird ein Bild menschenfeindlicher Wildnis gezeichnet, mit der emotional – Heimatverlust – Menschen zur Ver-teidigung nüchterner wirtschaftlicher Interessen im Rahmen von Verteilungskämpfen an der Verfügbarkeit von zwar nachwachsen-den, aber dennoch begrenzten Rohstoffen mobilisiert werden.

Wildnis ist der Teil der Natur, den wir Menschen nicht unseren materiellen Bedürfnissen untergeordnet haben.

Wildnis kann nicht wissenschaftlich definiert werden. Wildnis ist die Beschreibung für den Teil der Natur, den wir Menschen nicht unseren materiellen Bedürfnissen untergeordnet haben, von dem sich die ersten Bauern und Viehzüchter durch Zäune abgegrenzt ha-ben, um ihre Produktion vor den Gefahren der umgebenden Wild-nis zu schützen. Wildnis war das Unkontrollierte und Gefährliche, waren die wilden unzugänglichen Wälder unseres Landes mit ihrer

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erschreckenden unermesslichen Uferlosigkeit, ihren wilden gefähr-lichen Tieren, bestenfalls Aufenthaltsort für Gesetzlose und Räuber, für Zauberer und Hexen. Es wurde als kulturelle Leistung verstan-den, diese Wildnis zu beseitigen, sie nutzbar zu machen und ihre Na-tur zu zähmen und zu kontrollieren. Doch mit ihrem zunehmenden Verschwinden wurden die letzten kleinen Reste der wilden Wälder zu Denkmälern einer vergangenen Zeit, zu Symbolen einer nicht ge-stillten Sehnsucht nach ursprünglicher, unverfälschter Natur, nach Mythen und Sagen, nach den Traumländern der Kindheit mit Elfen, guten Feen und helfendem kleinen Volk, den Zwergen.

Aus der neuen Welt, aus den Vereinigten Staaten von Amerika mit ihrem Wilden Westen, kam in dieser Zeit des fast vollständigen Verschwindens unserer heimischen Ursprungslandschaft die Idee der Nationalparks nach Europa und spät auch in unser Land. 1970 wurde der erste Nationalpark in Deutschland im Bayerischen Wald gegründet, dem bis heute 13 weitere folgten.

Das war der Aufbruch zu einem neuen Weg des Naturschutzes. Nicht mehr das Festhalten eines gerade existierenden wertvollen Entwicklungszustandes der Natur in der Kulturlandschaft, sondern das Wiederzulassen der natürlichen Dynamik und der natürlichen Prozesse wurde nach vielen Diskussionen und Lernen von ande-ren Nationalparks weltweit zum Markenzeichen der Nationalparks in Deutschland.

Macht und Kraft der Natur zeigen sich im schier undurchdringlichen Verhau von Windwür-fen, im Mikadospiel zusammenbrechender Bor-

kenkäferflächen. Alle Pflanzen und Tiere, die im tiefen Schatten der Wälder oft jahrzehntelang auf

das Öffnen des Kronendaches warten mussten, nutzen ihre Lebenschance – bis sich der Vorhang erneut zuzieht und für lange Zeit das geheimnis-

volle Dämmerlicht des Waldinneren schafft.

Genauso tastend und vorsichtig, wie sich der Gedanke einer neu entstehenden Wildnis in Nationalparks entwickelte, so langsam und gleichsam zögerlich entwickelten sich die Wälder in den National-parks; zunächst fast unmerklich, dann aber oft stürmisch und hoch dynamisch sprengten sie das ihnen durch die frühere menschliche Nutzung angelegte Korsett und gewannen damit nach und nach alle Strukturen und Lebensphasen wieder, wie sie ursprünglichen natür-lichen Wäldern zu eigen sind. Dieser Prozess ist unaufhörlich und gibt den ehemaligen Wirtschaftswäldern Reifung, Alterung, Zerfall und Erneuerung mit all ihren uns fremd gewordenen Erscheinungs-formen zurück. Bäume leben wieder bis an ihr natürliches Lebens-ende, werden zu mächtigen Baumgestalten und erfüllen unsere

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fantasievollen Vorstellungen von Uraltwäldern mit Bildern aus den Märchen unserer Kindheit. Macht und Kraft der Natur zeigen sich im schier undurchdringlichen Verhau von Windwürfen, von Schnee-bruchnestern, im Mikadospiel zusammenbrechender Borkenkäfer-flächen, in denen schon am Tag des uns Menschen oft verstörenden Naturereignisses des scheinbaren Waldzusammenbruches das neue Leben beginnt. Alle Pflanzen und Tiere, die im tiefen Schatten der Wälder oft jahrzehntelang auf das Öffnen des Kronendaches war-ten mussten, haben nun ihr „Eldorado“ gefunden, nutzen die Gunst der Stunde und ihre Lebenschance, bis nach wenigen Jahren und Jahrzehnten die heute kaum daumengroßen Sämlinge herangewach-sen sind und erneut den Vorhang zuziehen und für lange Zeit das geheimnisvolle Dämmerlicht des Waldinneren schaffen. Dann ist aus den alten, abgestorbenen Bäumen längst fruchtbarer Humus geworden, nachdem sie über viele Jahre vom eigenen Leben zum Lebensmittel für viele geworden sind.

Holz bewohnende Insekten graben ihre Gänge in das noch feste helle Holz der toten Bäume, bereiten den Weg für farbenprächtige Holz zersetzende Pilze mit ihren schwarzen, grauen, orangefarbenen oder zitronengelben Fruchtkörpern, während ihr weißes Myzel den Holzkörper durchdringt und aufschließt. In allen Schattierungen der Farbe Grün besiedeln Moose den Baum, durchsetzt von Algen mit ihren blaugrünen Lichtern und gekrönt von Flechten in Silbergrau und Purpurrot. Ihnen allen folgt das Milliardenheer an Bakterien und Kleinstlebewesen, die aus dem festen Holz einen Wasser hal-tenden Schwamm machen, der zum idealen Keimbett für eine neue Waldgeneration wird. Natur darf wieder Natur sein.

Tagelang in der Wildnis zu wandern, gibt uns ein Gefühl für die Großartigkeit unserer Heimat-

landschaften zurück. Nationalparks sind nicht nur Naturschutzgebiete, sondern auch Seelen-

schutzgebiete für Menschen.

Diese Vollständigkeit des Lebens in unseren Wäldern können wir heute in unseren bestehenden und künftig in weiteren National-

parks erleben. Diese Wälder unterscheiden sich deutlich von den Wirtschaftswäldern mit ihrem dichten Erschließungsnetz an Forst-wegen und Rückegassen. Am besten sind sie auf schmalen Steigen und Pfaden zu erkunden, mitten durch ihr geheimnisvolles wildes und freies Leben, nicht auf breiten Wegen, wo man sich zwischen zwei Wald rändern bewegt. Sie breiten einen ständig im Muster wech-selnden Patchworkteppich an Formen und Farben vor uns aus. Die vertrauten Formen und Farben der Waldbäume mit ihren grauen und braunen Rinden, glatt oder schuppig gestaltet, ihren hellgrü-nen Blättern und dunklen Nadeln werden harmonisch ergänzt mit dem samtigen Silber hochaufragender Säulen mit rauen schartigen Bruchkanten, deren helles Holz im Laufe der Jahre von Hellgelb über Orangerot ins satte Mahagoni wechselt. Das Heer der Zunder-schwämme formt neue Gesichter, wie Diamanten funkelnde Was-sertropfen schmücken die vielfarbigen Pilzkonsolen. Blütenduft und Sonnenwärme wechseln mit dunklen Schatten und dem tiefen Duft des von grünen Kissen aus Moos bedeckten Waldbodens. Diese Wäl-der lassen uns verstehen, was Hubert Weinzierl meinte, als er sagte: „Wildnis ist, den Garten Eden nicht zu jäten, sondern einfach wach-sen zu lassen.“ Tagelang in der Wildnis zu wandern, gibt uns ein Ge-fühl für die Großartigkeit unserer Heimatlandschaften zurück, lässt uns teilhaben an der Freiheit alles Lebendigen, so zu leben, wie es ihr eigenes Leben ist, ihr Sterben und das neu entstehende Leben in einem nicht endenden vielfältigen Prozess des Werdens, Vergehens und wieder Werdens. In diesen Grundelementen des Daseins auf der Erde haben wir die Möglichkeit, uns selbst zu finden und mit allen unseren Facetten neu zu entdecken und zu verstehen, was Albert Schweitzer die Ehrfurcht vor dem Leben nannte („Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will“).

Die Nationalparks mit ihrer faszinierenden Wildnis sind damit nicht nur wichtig für unsere Mitgeschöpfe, sie sind wichtig für uns selbst. Sie sind nicht nur Naturschutzgebiete, sondern Seelenschutzgebiete für Menschen.

Der Weitblick der Teilnehmer am 1. Deutschen Waldgipfel vor zwölf Jahren und der Abschluss eines gesellschaftlichen Vertrags mit der Zielsetzung, fünf Prozent der Wälder stillzulegen, ist bemerkens-wert. Es gilt, diesen Vertrag mit Leben zu erfüllen, mit dem Leben neuer wilder Wälder.

Der Forstwissenschaftler Karl Friedrich Sinner war von 1998 bis 2011 Leiter des Nationalparks Bayerischer Wald und ist nun im Ruhestand. Sinner gilt als engagierter Verfechter der Waldwildnis und erfolgreicher Brückenbauer zwischen Forstwirtschaft und

Naturschutz. Sinner ist im Vorstand von Europarc Deutschland und setzt sich gemeinsam mit der ZGF für die Einrichtung

neuer Nationalparks in Deutschland ein.

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NATIONALPARKS IN DEUTSCHLAND

HAMBURGISCHES WATTENMEER

13.750 Hektar (ca. 97 % Wasserfläche)Seit 1990

HARZ

24.732 Hektar Seit 1990 /94

HAINICH

7.513 Hektar Seit 1997EIFEL

10.880 Hektar Seit 2004

MÜRITZ NATIONALPARK

32.200 Hektar Seit 1990

SÄCHSISCHE SCHWEIZ

9.350 Hektar Seit 1990

BERCHTESGADEN

20.804 Hektar Seit 1978

SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES WATTENMEER

441.500 Hektar (ca. 98 % Wasserfläche)

Seit 1985

VORPOMMERSCHE BODDENLANDSCHAFT

78.600 Hektar (ca. 83 % Wasserfläche)

Seit 1990

JASMUND

3.003 Hektar (ca. 22 % Wasserfläche)Seit 1990

UNTERES ODERTAL

10.323 Hektar Seit 1995

BAYERISCHER WALD

24.217 Hektar Seit 1970

NIEDERSÄCHSISCHES WATTENMEER

345.000 Hektar (93 % Wasserfläche)

Seit 1986

KELLERWALD-EDERSEE

5.724 Hektar Seit 2004

Nationalparks sind das Herzstück der Wildnis in Deutschland. Einzig der Südwesten der Republik besitzt bisher keinen Nationalpark. Konkret in der Planung sind jedoch National-parks im Nordschwarzwald und im Hunsrück.

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Auf den Flächen der Stiftung Naturlandschaften Brandenburg darf Wildnis in ihrem ursprünglichsten Sinne entstehen. Das bedeutet auch, dass Lebensräume verschwinden – weil ihnen andere nachfolgen.

Von Heiko Schumacher

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Felder von fruchtendem Wollgras zaubern ein helles Weiß in die Landschaft, Seggen, kleine Torfmoosberge und im Wind wogende Schilfhalme ein tiefes Grün, der Sonnentau ein intensives Rot. Skurrile Baumskelette ragen am Moorrand in den Abendhimmel, während das Moor im Begriff ist, gefallene Baumstämme zu ver-schlingen. Glitzernde Wasserflächen im Moor spiegeln sich in der Abendsonne, bewegt vom Wind und einigen Grünfröschen, die ab und an knurrende Geräusche von sich geben.

Ich sitze am Großen Luch. Inmitten einer großen, beeindruckenden Wildnisfläche im Süden Brandenburgs. Und ich bin fasziniert von den Farben und Formen dieses Naturschauspiels.

Für das Lied dieser Landschaft sorgen auch die Kraniche, wenn sie, erschreckt durch einen am Moorrand vorbeiziehenden Rothirsch, trompetend die Luft erfüllen. Der Drosselrohrsänger knarzt laut ver-nehmbar auf einem Schilfhalm, den er bald der Rohrammer über-lässt und die Bekassine fliegt meckernd ihre Kreise hoch über dem Moor. Ich schließe die Augen und denke, ich bin im Paradies.

Alles nur Fantasie? Wunschträume aus längst vergangenen Zeiten? Keineswegs - das Große Luch ist eine der Moorflächen der Stiftung Naturlandschaften Brandenburg im Jahr 2013. Hier, auf dem ehema-ligen Truppenübungsplatz Lieberose, darf Wildnis entstehen – auch und besonders dank des Engagements vieler Förderer wie der Zoo-logischen Gesellschaft Frankfurt.

MOORE – BESONDERE NISCHEN FÜR BESONDERE ARTEN

Ökologisch besonders wertvoll sind sie, die Moore der Lieberoser Hochfläche, ca. 90 Kilometer südöstlich von Berlin. Als Lebens-raum, als CO2-Speicher helfen sie, den Klimawandel einzudämmen und als Wasserreservoir übernehmen sie viele wichtige Ausgleichs-funktionen in Trocken- wie in Hochwasserzeiten. Zahlreiche seltene, an die speziellen Lebensbedingungen angepasste Tier- und Pflan-zenarten leben in den Mooren und finden hier ihr Rückzugsgebiet. An den Moorrändern entstehendes Totholz bietet wiederum ganz anderen Arten einen wichtigen Lebensraum. Eine nahezu unglaub-liche Vielfalt an Pilzen, schützenswerten Käfern und Spinnen lebt hier. Spechte zimmern ihre Höhlen in das Holz und sind wichtige Baumeister am Haus der biologischen Vielfalt – mit ihrer Aktivität schaffen sie Wohnraum für wiederum neue Nutzer – andere Vogel-arten, Insekten, Spinnen oder Fledermäuse.

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Die Moorfl äche des Großen Luchs in Brandenburg im Laufe der Zeit. Dank mehrerer regenreicher Jahre setzte der natürliche Kreisauf wieder ein, die Bäume auf der ausgetrockneten Moorfl äche starben ab, Torfmoose, Seggen, Sonnentau und andere typische Moorbewohner wie beispielsweise die Moosbeere (links) fanden wieder eine Lebensgrundlage vor und began-nen zu wachsen.

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SCHWERPUNKTTHEMA | NATIONALPARKS & WILDNIS

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So faszinierend sieht es aus, wenn Natur Natur sein darf. Es entste-hen besondere Nischen für Arten, die es gelernt haben, mit extre-men Lebensbedingungen auszukommen. Selbst die Rettung dieser Moore hat die Natur beinahe selbst geregelt: Bis nach der Jahrtau-sendwende bewirkten geringe Niederschläge sowie Kiefern und Birken mit ihrer Verdunstungsaktivität eine oberflächige Austrock-nung der Moore. Danach setzten Jahre mit viel Regen den natür-lichen Kreislauf wieder in Gang.

Durch die hohen Wasserstände starben die Bäume, die auf den aus-getrockneten Mooren mittlerweile gewachsen waren, wieder ab. Torfmoose, Seggen, Sonnentau, Weißes Schnabelried und andere typische Moorbewohner fanden ihre Lebensgrundlagen erfüllt und begannen erneut mit dem Wachstum. Moor-Charakterarten wie die Bekassine, der Kranich oder die Große Moosjungfer können sich aus ihren Rückzugsräumen heraus wieder ausbreiten.

Eine letzte Hilfe von Menschenhand leistet die Stiftung Naturland-schaften Brandenburg: Sie wird alte Entwässerungseinrichtungen zurückbauen, damit künftig das Wasser im Moor bleiben kann und nicht im Grund versickert. Dann ist alles getan, um die Moore end-gültig einer Wildnisentwicklung zu übergeben.

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Auch auf einer anderen Fläche der Stiftung, einem ehemaligen Trup-penübungsplatz bei Jüterbog, können wir ein einzigartiges Schau-spiel erleben. Im Sommer 2010 brannte dort der Wald auf einer Fläche von etwa 250 Hektar. Trockenheit und Hitze begünstigten das Feuer, das vermutlich durch Selbstentzündung alter Munition

verursacht worden war. Auf der Stiftungsfläche durfte das Feuer wü-ten, ein weiträumig gezogener Randstreifen jedoch verhinderte die Ausbreitung des Brandes auf angrenzende Wälder und Ortschaften.

In der Brandfläche selbst starben die Kiefern und Birken sowie der Bodenbewuchs teils vollständig, teils nur partiell ab. Solche Ereig-nisse eröffnen die Chance für neues Leben. Spannende Prozesse beginnen mit dem Wiederaustrieb der Gräser und Kräuter, dem Keimen von Arten, die ohne den Brand keine Chance auf Wachsen und Gedeihen gehabt hätten. An den Wurzelstöcken austreibende und neu keimende Bäume geben der Landschaft durch das Neben-einander von Sterben und neuem Leben in kürzester Zeit ein faszi-nierendes Bild.

Auf Flächen, auf denen man einst Kriege zu führen übte, kann sich der stille Gast nun an der berauschenden Natur erfreuen. Der Wert der Wildnis, er wird besonders in unseren Mooren deutlich, aber auch durch die Kraft spürbar, mit der sich Natur selbst regene-rieren kann.

Dr. Heiko Schumacher ist Projektleiter Lieberose bei der Stiftung Naturlandschaften Brandenburg und häufig auf den Flächen des ehemaligen Truppenübungsplatzes unterwegs.

250 Hektar Wald brannten im Sommer 2010 bei Jüterbog ab. Innerhalb kürzester Zeit begann die Wiederbesiedlung der Flächen.

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SCHWERPUNKTTHEMA | NATIONALPARKS & WILDNIS

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WALDSCHUTZist keine Frage der Ideologie. Seinen ursprünglichen Wald zu bewahren, ist die Verantwortung jedes Landes – nicht nur der Regenwald-Länder wie Brasilien oder Indonesien.

5% der staatlichen Waldfläche sollen sich nach Plänen der deutschen Bundes-regierung natürlich entwickeln dürfen. Die restlichen 95 Prozent an Wald-fläche würden von der Forstwirtschaft genutzt werden. Die Naturschutzver-bände fordern 10 Prozent natürliche Waldentwicklung.

14 Nationalparks haben wir in Deutschland. Um das Wildnisziel der Bundesregierung von 2 Prozent zu erreichen, fehlen noch mehr als 450.000 Hektar. Eigentlich müssten bis 2020 zwei bis drei Nationalparks oder andere große Wildnis-Schutzgebiete aus-gewiesen werden – pro Jahr!

BUCHENwerden bis zu 300 Jahre alt. Erst ab einem Alter von 180 Jahren werden sie interessant für viele Tier- und Pflanzenarten wie etwa den Schwarz-specht. Nutzen wir die Buchen etwa für Brennholz oder in der Möbelindustrie, werden sie im Alter von 100 bis 140 Jahren gefällt.

WILDNISkann sich großflächig nur in Nationalparks aber beispielsweise auch auf ehemaligen Truppenübungsplätzen entwickeln, denn sie geben der Natur Raum, sich ungestört durch menschliche Eingriffe zu entfalten. Die ZGF hat sich aus ihren Kulturlandschafts-projekten in Deutschland und Mitteleuropa zurückgezogen, um im größten Defizit des Naturschutzes, dem großflächigen Wildnis-schutz, in den kommenden Jahrzehnten signifikante Fortschritte zu erzielen.

MENSCHENsind in Nationalparks als Besucher und Beobachter willkommen. Deutsche National-parks kosten im Gegensatz zu Parks in den meisten anderen Ländern keinen Eintritt.

51 Mio.Besucher zieht es jährlich in deutsche Nationalparks. Das generiert in denNationalparkregionen rund 21 Mrd. Euro. (Bundesamt für Naturschutz, 2009)

der deutschen Landesfläche sollen bis 2020 Wildnis sein, das hat Deutschland der inter-nationalen Staatengemeinschaft zugesagt. Bislang darf aber nur auf 0,7 Prozent unserer Landesfläche Natur wirklich Natur sein. Damit liegt Deutschland im europaweitenVergleich weit hinten.

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DAS WILDNISZIEL IN ZAHLEN

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SCHWERPUNKTTHEMA | NATIONALPARKS & WILDNIS

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Premiummarke

NationalparkNationalparks dienen zum einen der Erhaltung natürlicher Ressourcen und der Biodiversität. Zum anderen stellen sie wichtige Attraktionen für den Naturtourismus dar. Bringen National-parks etwas für die Regionalentwicklung?

Von Prof. Dr. Hubert Job

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SCHWERPUNKTTHEMA | NATIONALPARKS & WILDNIS

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Der deutsche und insbesondere der glo-bale Tourismus haben in den letzten zwei Jahrzehnten phänomenal zugenommen. Laut Zahlen der Welttourismusorganisa-tion UNWTO gab es 2012 mehr als eine Milliarde internationale Reisende. Welt-weite Zukunftsprognosen sagen weiter Wachstumsraten von ca. vier Prozent jähr-lich für den Tourismus voraus. Bereits 1998 schätzte die UNWTO, dass der Naturtouris-mus in Schutzgebieten für etwa 20 Prozent aller touristischen Ausgaben verantwort-lich war. In vielen Regionen und Ländern ist der Fremdenverkehr ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor.

Auch in Deutschland repräsentieren Natio-nalparks und andere Schutzgebiete die land-schaftliche Vielfalt des Reiselandes. „Natur und Landschaft“ gehören laut der Deutschen Zentrale für Tourismus DZT seit nunmehr fünf Jahren durchgehend zu den Top-Ent-scheidungskriterien für einen Deutschland-urlaub. Naturtourismus ist jedoch oftmals vielschichtig; nicht nur dem Erholungsbe-dürfnis soll Rechnung getragen werden, son-dern auch Naturschutzanliegen sowie der Entwicklung der lokalen und nationalen Wirtschaft. Häufig stehen diese Zielsetzungen im Konflikt miteinander, beispielsweise im Falle von ansteigenden Besucherzahlen, die dann zunehmend für ökologische oder auch soziale Probleme sorgen.

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Bringen Nationalparks etwas für die Regio-nalentwicklung? Ja, das tun sie, auch wenn sich das zunächst etwas abwegig anhören mag. Nationalparks verkörpern das weltweit tradierte Flächenschutzinstrument, bei ih-nen geht es um Prozessschutz. Das heißt: in bestimmten, klar definierten Räumen Natur Natur sein zu lassen. Hier soll letztlich Wild-nis entstehen.

Gegen Wildnis wurde in der mitteleuropä-ischen Kulturgeschichte Jahrtausende lang angekämpft. Und dennoch kann eine Region

Von Rangern geführte Touren stehen bei den Besuchern des Nationalparks Eifel hoch im Kurs. Jeder zweite Teilnehmer einer solchen Tour ist Übernachtungsgast in der Region und bleibt im Schnitt 3,5 Tage.

von einem Nationalpark wirtschaftlich pro-fitieren, auch in Deutschland!

Das haben politische Entscheidungsträger schon früh erkannt. Der Nationalpark Bay-erischer Wald wurde bereits 1970 mit dem expliziten Ziel einer regionalwirtschaft-lichen Förderung ausgewiesen, was sich durch die damalige Lage im Zonenrand-gebiet begründete. Heute liegen bis auf die Eifel alle deutschen Nationalparks in dünn besiedelten, ländlichen Regionen mit ge-ringer Wirtschaftskraft sowie relativ hoher Arbeitslosigkeit. Das Bestreben, in Zukunft genau dort weitere Verluste der Wirtschafts-kraft und ein Abwandern der Bevölkerung zu verhindern, findet man in den Verord-nungen dieser Schutzgebiete verankert. Für den Müritz-Nationalpark liest sich das ex-emplarisch so: „In dem Nationalpark wird keine wirtschaftsbestimmte Nutzung be-

zweckt; er soll aber zur Strukturverbesserung der Region beitragen.“

VOM NUTZEN EINES NATIONALPARKS

Der Nutzen eines Nationalparks resultiert aus seinen mit der Naturnähe gekoppelten Funktionen, das heißt: Güter und Dienst-leistungen, die uns Menschen durch das Schutzgebiet als öffentliches Gut kostenlos zur Verfügung stehen. Man spricht hier von Ökosystemleistungen.

Die wirtschaftlichen Wertkomponenten eines Nationalparks lassen sich in Ge-brauchswerte und Nicht-Gebrauchswerte unterteilen. Für die regionale Wirtschaft von besonderem Interesse sind die direkten Gebrauchswerte, unter anderem Land- und Forstwirtschaft, Jagd und Fischerei sowie Tourismus.

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Aufgrund ihrer landschaftlichen Attrak-tion als Wildnisgebiete haben National-parks eine einmalige Marktstellung. Sie ist weder beliebig vermehrbar noch trans-ferierbar und – wegen der rechtsstaatlichen Verankerung – auch nicht imitierbar. Natio-nalparks zählen weltweit traditionell zu den touristischen Highlights. Das heißt, das Potenzial zur Regionalentwicklung steckt hauptsächlich im Markencharakter sowie in der Knappheit der Nationalparks am Markt. Und eine immer stärker urbani-sierte Gesellschaft in Deutschland verlangt nach ökologisch intakten und naturnahen, ästhetisch beeindruckenden Landschaf-ten. Die Verminderung eines dementspre-chenden Angebots insbesondere in den Ballungsräumen, in denen schon heute fast drei Viertel der deutschen Bevölkerung le-ben, eröffnet den Nationalparkregionen die Chance, sich gegenüber anderen touristi-schen Destinationen durch ihre exklusive Offerte an Natur abzusetzen.

Naturtourismus gilt weltweit als die beste Option für Regionalentwicklung im Natio-nalparkumfeld. Touristisch geht es nicht nur um den Nationalpark selbst, sondern um die gesamte benachbarte Region, die sich als naturtouristische Destination im Marke-ting nach innen aufstellen und nach außen kohärent präsentieren muss, um am hart umkämpften Tourismusmarkt langfristig erfolgreich sein zu können. Schaffen das die Nationalparks in Deutschland?

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Lange mangelte es in Deutschland an be-lastbaren Daten. Die Aufgabe einer lang-fristig angelegten Untersuchung durch das Bundesumweltministerium bestand des-halb darin, eine Abschätzung der durch Naturtourismus in deutschen National-parks erzielten ökonomischen Effekte durchzuführen.

Für die verschiedenen Nationalparks in Deutschland lässt sich das sogenannte Einkommensäquivalent für eine Region ableiten, vergleichbar mit potenziellen Vollzeitarbeitsplätzen. Hochgerechnet auf Bundesebene gibt das einen Wert für den touristischen Nutzen aller 14 deutschen Nationalparks.

Bei jährlich rund 10,5 Millionen National-parktouristen im engeren Sinne, das heißt, Personen, für die das Schutzgebiet eine wesentliche Rolle bei der Reiseentscheidung gespielt hat, werden in den Nationalpark-regionen ca. 431 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet. Dies entspricht einem Ein-kommensäquivalent von ungefähr 14.000 Personen. Werden darüber hinaus auch die „sonstigen“ Nationalparktouristen berück-sichtigt, ergeben sich deutschlandweit insge-samt rund 51 Millionen Touristen, die einen Umsatz von ungefähr 2,1 Milliarden Euro generieren. Dies wiederum kommt einem Einkommensäquivalent von etwas mehr als 69.000 Vollzeitarbeitsplätzen gleich.

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International spielen Nationalparks als Des-tination im Naturtourismus eine wichtige Rolle. Insbesondere in Nordamerika, Sub-sahara-Afrika und Australien / Neuseeland stellen sie wichtige Regionen für den Touris-mus aus dem Ausland, aber auch des Bin-nentourismus dar. Auch in Deutschland werden Nationalparks in jüngerer Zeit in eine umfassende touristische Entwicklungs-planung eingeschlossen, wie die seit Novem-ber 2005 bestehende Dachmarke „Nationale Naturlandschaften“ beweist. Erst in wenigen Fällen wird aber die Zugkraft der staatlichen Prädikatisierung für eine naturtouristische Vermarktung ausreichend genutzt.

Nationalparks können für dünn besiedelte, strukturschwache ländliche Räume, in denen sie fast ausnahmslos liegen, zur Regional-entwicklung beitragen, vor allem aufgrund des wirtschaftlich vielfältig vernetzten Tou-rismus. In Zukunft mehr noch als heute, da

der demografische Wandel gerade dort zu erheblichen Bevölkerungsverlusten führen wird (besonders im Osten der Republik). Oft stehen einer professionellen natur-touristischen Nutzung bislang leider noch die mangelnde Zusammenarbeit von Tourismusmanagement und Schutzgebiets-verwaltung sowie bestehende Traditionen und daraus resultierende Kommunikations-probleme entgegen.

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Nationalparks haben zuerst ihre vom Ge-setzgeber vorgegebene Naturschutzfunktion zu erfüllen. Auch aus touristischer Perspek-tive ist das absolut wichtig, da sonst das zentrale Qualitätsversprechen für den Kon-sumenten – das ungestörte Naturerlebnis – infrage gestellt wird. Arten- oder biotop-schutzspezifische Vorbehalte gilt es deshalb immer sehr ernst zu nehmen.

Eines der Ziele der Konvention zum Schutz biologischer Vielfalt CBD ist, dass bis zum Jahr 2020 17 Prozent der Landoberfläche unseres Planeten unter Schutz gestellt wer-den sollen. Das bedeutete etwa sechs Milli-onen Quadratkilometer mehr als 2010, mit einem Schutzgebietsanteil von 12,7 Prozent gerechnet. Man darf annehmen, dass sich viele dieser potenziellen Flächen dort be-finden, wo bereits Menschen siedeln. Hier braucht es neue (Regionalentwicklungs-)Strategien und pro-aktive Ansätze im Park-management, um die Akzeptanz für weitere Nationalparks und deren politische Unter-stützung zu fördern. Die Rolle des Natur-tourismus wird mit entscheidend dafür sein, dieses Ziel zu erreichen. Das gilt auch für Deutschland und das in der Biodiversitäts-strategie der Bundesregierung formulierte Ziel von zwei Prozent Wildnisflächen.

Prof. Dr. Hubert Job unterrichtet und forscht am Lehrstuhl für Geographie und Regionalforschung der Universität Würzburg. Er untersucht die Effekte von Nationalparks in Deutschland für die Regionalentwicklung.

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SCHWERPUNKTTHEMA | NATIONALPARKS & WILDNIS

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ZGF-GORILLA: Herr Lammertz, was ist das Besondere am Nationalpark Eifel? Michael Lammertz: Im vor rund 10 Jahren eingerichteten National-park Eifel werden weltweit erstmalig bodensaure Buchenwälder in atlantisch geprägtem Klima unter den hohen Schutz eines National-parks gestellt. Bislang haben unsere Wissenschaftler im 11.000 Hektar großen Nationalpark Eifel über 7.000 Tier- und Pflanzenarten erfasst, von denen mehr als 1.600 auf einer Roten Liste der gefährdeten Arten geführt sind; ein Indiz für die hohe Schutzwürdigkeit des bislang ein-zigen Nationalparks in der südwestlichen Hälfte der Bundesrepublik.

Was bedeutet der Nationalpark für die Eifelaner? Nicht nur wegen dieser wichtigen Naturschutzaspekte hat die Ein-richtung des Nationalparks Eifel bei der Bevölkerung einiges aus-gelöst. Bei den Menschen in der Region hat der Nationalpark einen großen Schub hinsichtlich Identifikation, Wertschätzung und Stolz auf ihre Eifel verursacht. Aber auch der Zusammenhalt und der Kooperationswille der Akteure aus den verschiedenen, den Nati-onalpark umgebenden Städten, Gemeinden, Kreisen und Insti-tutionen ist enorm gewachsen. Das „Kirchturmdenken“ ist dem gemeinsamen Ziel der Etablierung einer florierenden Erlebnis-und Ferienregion Nationalpark Eifel gewichen. Für das Destinations-management der touristischen Partner und Akteure ist es natürlich sehr hilfreich, dass Bekanntheit, Wahrnehmung und Wertschätzung der Eifel von außen mit der Einrichtung des Großschutzgebietes ge-stiegen sind. Die Eifel ist einfach hipp!

Wie ist die Akzeptanz des Nationalparks vor Ort?Für uns war es immer wichtig, einen Nationalpark aufzubauen, der von den Menschen in der Region akzeptiert wird. 2006 wurde

Seit 2004 Jahren besteht der Nationalpark Eifel. Die ZGF hat damals den Förderverein für den Nationalpark unterstützt, um die Einrichtung des Nationalparks voranzutreiben. Was hat der Nationalpark Eifel konkret für die Region, ihre Menschen und für die Natur gebracht?

„Wir wollten einen Nationalpark

aufbauen, der von den Menschen

akzeptiert wird.“

in den Ortschaften, die um den Nationalpark herum liegen, eine Akzeptanz analyse durchgeführt. Sie hat uns in unserer bisherigen Arbeit bestärkt: Auf die sogenannte Sonntagsfrage „Wie würden Sie wählen, wenn Sie kommenden Sonntag über den Fortbestand des Nationalparks Eifel entscheiden könnten“, antworteten nur 20 Pro-zent, dass sie gegen den Fortbestand stimmen würden.

Wie hat sich der Nationalpark finanziell auf die Region ausgewirkt? Viele Menschen in der Region müssen traditionell täglich zur Arbeit in die Ballungsräume Köln, Bonn, Aachen und Ruhrgebiet pendeln. Einige sind froh, durch den Nationalpark vor Ort einen Arbeitsplatz gefunden zu haben. Leider liegen mir nur belastbare Zahlen aus dem Jahre 2007 vor, als Professor Job bei uns 11.900 Gäste gezählt und in-terviewt hatte, um damit die regionalwirtschaftlichen Effekte zu un-tersuchen. Damals, also drei Jahre nach Gründung des Nationalparks, haben die seinerzeit 450.000 jährlichen Besucher des Schutzgebietes bereits 8,7 Millionen Euro generiert, was 265 Beschäftigungsäquiva-lenten entspricht. Auf die Nationalparktouristen im engeren Sinne entfielen davon über 27 Prozent. Ich bin schon auf die Ergebnisse ei-ner Wiederholungsbefragung gespannt, die wir für nächstes Jahr, also zehn Jahre nach Nationalparkgründung planen.

Wird der Park auch außerhalb der Eifel positiv gesehen?Es hat uns alle sehr gefreut und geehrt, dass Bundesumweltminis-ter Peter Altmaier gemeinsam mit dem Präsidenten des Deutschen Tourismusverbandes Reinhard Meyer die Eifel im Mai dieses Jahres mit dem Sonderpreis Biodiversität im „Bundeswettbewerb Nach-haltige Tourismusregionen“ ausgezeichnet hat. Neben dem breiten Spektrum an Möglichkeiten für Menschen mit und ohne Behin-derung, die Artenvielfalt zu erleben, wurde in der Begründung die enge, vielfältige und erfolgreiche Kooperation zwischen Groß-schutzgebieten und Tourismus in der Eifel hervorgehoben.

Vielen Dank für das Gespräch.

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Michael Lammertz,Fachgebietsleiter Kommunikation und Naturerleben

bei der Nationalparkverwaltung Eifel.

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SCHWERPUNKTTHEMA | NATIONALPARKS & WILDNIS

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NEUZUGANG IM GRZIMEKHAUS

Quolls – getupfte Kerlchen aus Tasmanien

WUSELIGE ZOOLIEBLINGE

Neues Erdmännchen-Trio ist in das umgestaltete Gehege eingezogen

Die nachtaktiven Tüpfelbeutelmarder mit den zarten weißen Punkten sind im Juli ins Grzimekhaus eingezogen. Außer in Frankfurt sind die charismatischen Tiere in Deutsch-land nur noch im Zoo von Leipzig zu sehen. Von dort hat der Frankfurter Zoo auch seine Neuzugänge übernommen.

Beutelmarder sind über ganz Australien ver-breitet. Man unterscheidet sechs Arten. Der Tüpfelbeutelmarder ist eine davon. Diese Art wurde in den letzten Jahrzehnten auf dem australischen Kontinent ausgerottet und kommt jetzt nur noch in Tasmanien vor. Vier Tiere hat der Zoo nun von den Kollegen aus Leipzig bekommen, aber nicht alle sind der-

Mitte Juli sind wieder drei Erdmännchen in das großzügige Gehege neben dem Men-schenaffenhaus eingezogen. Nachdem sechs Tiere bei einem Erdeinbruch im Oktober 2012 ums Leben gekommen waren, wurde die An-lage in den letzten Monaten vollständig über-arbeitet und neu eingerichtet.

„Wir sind uns sicher, dass wir mit den bau-lichen Veränderungen die Risiken, die na-turnahe Anlagen mit sich bringen können, weiter minimiert haben. Jetzt hoffen wir, dass sich die Gruppe gut einlebt und zur Familie zusammenwächst“, sagt Zoodirektor Profes-sor Dr. Manfred Niekisch. Die beiden Männ-chen YARIS und KIANO wurden im August 2012 im Zoo von Wien geboren, ihre neue Partnerin TÜTE kam im März 2012 im Zoo von Szeged in Ungarn zur Welt. Die traurige Meldung vom Tod von sechs Erdmännchen, die in ihrer Schlafhöhle vom Einbruch der Höhlendecke überrascht worden waren, ist vielen noch in Erinnerung. Obwohl die An-lage auch seinerzeit schon sicher gebaut war, hat man das Erdreich jetzt noch weiter abge-sichert, ohne den Bewegungs- und Grabtrieb der Tiere zu sehr einzuschränken. „Schließ-lich müssen Erdmännchen Höhlen und

Wenn der Zoo einen Preis für Niedlichkeit verlei-hen würde – die Quolls hätten gute Chancen!

zeit in der Schauanlage zu sehen. Der Grund: Eines der Weibchen trägt Jungtiere in sei-nem Beutel und soll möglichst viel Ruhe ha-ben. Die nachtaktiven Einzelgänger gehören zur Familie der Raubbeutler, ebenso wie der bekannte Beutelteufel. Hauptsächlich ernäh-ren sie sich von Insekten, kleinen Säugetie-ren und Vögeln aber auch von Früchten und Aas. 7 bis 15 Wochen lang bleiben die Neu-geborenen in beutelartig ausgebildeten Haut-falten am Bauch der Mutter. Aber auch wenn sie dem Beutel entwachsen sind, bleiben die Jungtiere noch mehrere Monate bei der Mut-ter. Wenn alles gut geht, wird man die Jung-tieraufzucht in wenigen Wochen auch im Frankfurter Zoo beobachten können.

Gänge graben können. Eine Haltung, die das nicht zulässt, wäre alles andere als artgerecht“, so Niekisch. Außerdem wurde das Substrat in der Tiefe auf ca. 40 cm reduziert. Es stammt aus dem Braunkohletagebau und wurde nach dem Vorbild des Kölner Zoos ausgewählt, der

Neugierig aber wachsam – die drei neuen Erdmännchen erkunden ihr Zuhause.

sehr erfolgreich Erdmännchen hält. Außer-dem wurden künstliche Höhlen aus Natur-fels in die Anlage integriert. Diese sicheren Höhlen, zwei in der Außenanlage, eine in-nen, können die Erdmännchen nun weiter nach ihrem Geschmack gestalten.

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NEUGESTALTUNG ABGESCHLOSSEN

Willkommen im Ukumari-LandAm 3. Juli eröffnete der Frankfurter Zoo nach rund zwei Jahren Bauzeit die neue Anlage für Brillenbären und Schwarze Brüllaffen. Wenige Schritte hinter dem ebenfalls neuge-bauten Zooeingang heißt es nun „Willkom-men im Ukumari-Land“ – ein unmittelbares Zooerlebnis mit üppigen Pflanzen, verschlun-genen Pfaden, vielen Informationsangeboten und wirklich beeindruckenden Tieren.

Mehr als 1.600 Quadratmeter Fläche wurden für Bären und Brüllaffen mit Naturmateri-alien, zahlreichen Bäumen und Sträuchern, vielen Klettermöglichkeiten sowie Wasser-becken, Sandkuhlen und Höhlen abwechs-

lungsreich gestaltet. „Alles ist genauso ge-worden, wie wir es uns vorgestellt haben“, sagt Zoodirektor Prof. Dr. Manfred Nie-kisch. Auch die neuen südamerikanischen Bewohner der Anlage freuen sich über ihre neue Heimat und fühlen sich sicht-lich wohl. Lebhaft und neugierig erkun-den sie die Anlage und nehmen über die Gräben hinweg, die die Anlage in drei Teile teilen, Kontakt auf. Lange wird es nicht mehr dauern, bis zumindest die Bären zu-sammengelassen werden können. Nahezu unsichtbar verbirgt sich hinter der Außen-anlage ein großes Tierhaus, das für Besu-cher allerdings nicht zugänglich ist. Hier

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Den Bär (fast) hautnah: Besucherinnen und Besucher bewundern CASHUs Kletterkünste.

befinden sich neben den Futterküchen die Nachtquartiere, die Rostkatzenzucht und viele Gehege, die für das Tierma-nagement benötigt werden. Übrigens:Ukumari ist ein Wort aus der Quechua-Sprache, die in Südamerika gesprochen wird, und bedeutet „Bär“.

… während Bär NOBODY am liebsten badet.

Brillenbärin CASHU klettert gerne ....

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IHRE SPENDE HILFT, EINZIGARTIGE WILDNISGEBIETE ZU BEWAHREN!

KASACHSTAN MIGRATION IN DER SERENGETI DES NORDENS

RUMÄNIEN DIE LETZTEN GROSSEN URWALDGEBIETE EUROPAS

HELFEN SIE MITDie Zoologische Gesellscha! Frankfurt setzt sich an vielen Orten für den Erhalt von Wildnis und Artenvielfalt ein. Unwiederbringlich gehen diese Schätze allzu o! verloren. Doch gemeinsam mit Ihrer Hilfe können wir dazu beitragen, die Faszination für diese atemberaubende Schönheit und die Wundern der Natur zu bewahren.

Die kasachischen Steppen entwickeln sich wieder zur Serengeti des Nordens. Sie sind die größten natürlichen Steppenlandschaften Eu-rasiens. Das Projektgebiet der ZGF, das Altyn Dala Gebiet mitten in Kasachstan, ist wieder Heimat für zehntausende einst vom Aussterben bedrohter Saiga-Antilopen. Immer größer werdende Herden wandern durch die weiten Steppen im Zentrum des Landes. In den kommenden Jahren sollen sogar die dort ausgestorbenen Wildpferde wieder ange-siedelt werden. Bereits seit 10 Jahren unterstützt die ZGF erfolgreich die Bemühungen kasachischer Naturschützer.

¼ Um noch effektiver arbeiten zu können, bedarf es noch an Fahrzeu-gen, Ferngläsern und anderer Ausrüstung für die Arbeit „im Feld“.

Die bewaldeten Gebiete der Karpaten, u.a. der Nationalpark König-stein in Rumänien, gehören zu den größten zusammenhängenden Ur-waldgebieten Europas. Es wird vermutet, dass in Rumänien noch rund 5.000 Braunbären leben – der größte Bestand in Europa außerhalb Russ-lands! Durch die derzeitige Rückübertragung von Waldflächen an Privatpersonen, auch innerhalb der Schutzgebiete, drohen Kahlschlag und Raubbau. Es besteht derzeit die einmalige Chance, diese großen natürlichen Waldflächen durch Ankauf dauerhaft für den Naturschutz zu sichern. Flächen halb so groß wie der Nationalpark Bayerischer Wald wurden bereits mit Unterstützung der ZGF aufgekauft.

¼ Weitere Flächenkäufe können rund 60.000 Hektar Waldgebiet im Nationalpark Königstein dauerhaft für den Naturschutz sichern.

K E N N W O R T: S A I G A - A N T I L O P E

K E N N W O R T: R U M Ä N I E NW O R T R U M Ä N I E N

K E N N W O R T: R U M Ä N I E N

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ZGF DIALOG

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EINLADUNG ZUR MITGLIEDERVERSAMMLUNG 2013 DER ZOOLOGISCHEN GESELLSCHAFT FRANKFURT

DATUM

Donnerstag, 10. Oktober 2013

BEGINN

16:00 Uhr

ORT

Ausstellungssaal im Zoo-Gesellschaftshaus des Zoos FrankfurtBernhard-Grzimek-Allee 1, 60316 Frankfurt am Main

TAGESORDNUNG

1. Begrüßung2. Geschäftsbericht & Jahresabschluss 20123. Beschlussfassung über den Jahresabschluss 20124. Entlastung des Vorstandes5. Wahl des Abschlussprüfers6. Anträge

Antrag des Vorstands auf Änderung der Satzung7. Verschiedenes

KAFFEEPAUSE

anschließend Präsentation der Naturschutzarbeit der ZGF im Jahre 2012 durch die Referatsleiter/innen und Möglichkeit zur Diskussion.

Gerhard Kittscher, ZGF-Präsident

Im Namen des Vorstandes möchte ich hiermit alle Mitglieder der Zoologischen Gesellscha! Frankfurt von 1858 e. V. zu unserer jährlichen Mitgliederversammlung im Oktober herzlich einladen.

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ZGF DIALOG

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Die Zoologische Gesellschaft Frankfurt hilft, den Lebensraum von wilden Tieren zu bewahren. Helfen Sie mit. Unterstützen Sie unsere Arbeit mit Ihrer Spende oder werden Sie Mitglied im Kreis unserer Freunde und tragen Sie dazu bei, die Heimat von Löwen und Elefanten, von Orang-Utans und Tigern, von Wölfen und Bären zu erhalten.

Spendenkonto: 80002Frankfurter SparkasseBLZ: 500 502 01

Zoologische Gesellschaft Frankfurt von 1858 e. V.Bernhard-Grzimek-Allee 1 | 60316 Frankfurt Telefon: 069 94 34 46 - 0 | E-Mail: [email protected]

WWW.ZGF.DE

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