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Landeskunde und Neue Medien. Vortrag auf der Alumnitagung des Lehrstuhls Deutsch als Fremdsprache an der TU Dresden im November 2013.
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Landeskunde und neue Medien
Dr. Zeuner
Lehrstuhl DaF
am Institut für Germanistik der TU Dresden
Gliederung
Was ist Landeskunde?
Was sind „neue“ Medien?
Was heißt Lernen mit neuen Medien?
Was folgt daraus für Landeskunde?
Was ist Landeskunde?Ansatz von Claus Altmayer (2002, 2004, 2007) - Landeskunde als Kulturwissenschaft:
Landeskunde hat es nicht mit Fakten und Zahlen, sondern vor allem mit „kulturellen Deutungsmustern“ zu tun.
Kulturelles Lernen in Gang setzen und unterstützen mit dem Ziel des Fremdverstehens
Kultur als geteiltes Wissen
Clifford Geerts: Kultur ist das “selbstgesponnene Bedeutungsgewebe” in das Menschen als Mitglieder sozialer Gruppen “verstrickt” sind.
„Mit ‚Kultur‘ wären demnach vor allem diejenigen Bestände eines ... von uns als ‚normal‘, ‚selbstverständlich‘ und allgemein bekannt angenommenen Wissens gemeint, das wir in unseren alltäglichen Lebensvollzügen immer schon verwenden ...“ (Altmayer 2002)
Kulturelle Deutungsmuster
„Wir deuten die gemeinsame Welt und Wirklichkeit und orientieren uns handelnd in dieser Wirklichkeit auf der Basis von Mustern, die wir im Verlauf unserer Sozialisation erlernt haben …
So weit es sich bei diesen Mustern um überlieferte, im kulturellen Gedächtnis einer Gruppe gespeicherte und abrufbare Muster von einer gewissen Stabilität handelt, spreche ich von ‘kulturellen Deutungsmustern’, und den Bestand an ‘kulturellen Deutungsmustern’, der einer Gruppe als gemeinsamer Wissensvorrat für die diskursive Wirklichkeitsdeutung zur Verfügung steht, nenne ich die ‘Kultur’ dieser Gruppe“ (Altmayer, 2007, S. 13).
Beispiel Kulturelles Deutungsmuster
Sicherheit versus Freiheit
Kulturelles LernenKulturelles Lernen heißt - veranlasst durch die Auseinandersetzung mit deutschsprachigen ‘Texten’ oder in Begegnungssituationen - über die eigenen Deutungsmuster reflektieren und diese so anpassen, umstrukturieren, verändern oder weiterentwickeln, dass sie den kulturellen Deutungsmustern der Zielkultur weitgehend entsprechen
und die Lernenden in die Lage versetzen, diesen Texten oder Situationen einen kulturell angemessenen Sinn zuschreiben und dazu angemessen Stellung nehmen zu können (Altmayer 2007, S. 17 – 18).
Ziel: Fremdverstehen
Fremdverstehen als Prozess in vier Schritten
” ‚Fremdverstehen’ heißt …, dass Fremdsprachenlerner bereit und in der Lage sind,
die eigenen individuellen und/oder kulturellen kognitiven Schemata der Welt- und Wirklichkeitsdeutung zu relativieren und in Frage zu stellen;
die eventuelle ‚Fremdheit’ und Unverständlichkeit von fremdsprachlichen Texten und Äußerungen prinzipiell auf diesen Texten/ Äußerungen möglicher Weise zu Grunde liegende andere und unbekannte kognitive Schemata zurückführen können;
Fremdverstehen als Prozess in vier Schritten
die ‚fremden’ Schemata als potenzielle Gründe rekonstruieren können, die für die mit fremdsprachlichen Texten und Äußerungen erhobenen Geltungsansprüche sprechen könnten;
auf der Basis dieser Rekonstruktion der rationalen Gründe von Geltungsansprüchen dazu begründet Stellung nehmen, d.h. die Gründe als hinreichend akzeptieren oder als inakzeptabel zurückweisen können.“ (Altmayer 2004, S. 70/71)
Beispiel Fremdverstehen
HongiMaj. Bill Eberhardt touches noses (Hongi) with a Maori warrior during a Powhiri, or welcoming ceremony, at Christchurch, New Zealand.
Als ein Werk der Regierung der Vereinigten Staaten ist diese Datei gemeinfrei. Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File%3APowhiri%2C_USAF.jpg
Video: What a Hongi means -
http://youtu.be/uwN3TcsLXsU
Video: What a Hongi means -
http://youtu.be/uwN3TcsLXsU
Zugänge für kulturelles Lernen
Kultur in Sprache
Kultur im Verhalten/ Handeln von Menschen
Kultur in Manifestationen, d.h. diejenigen institutionellen, historischen und kulturellen Gegebenheiten, die das Beziehungsgefüge für unsere Alltagskultur herstellen (vgl. Krumm 1998)
Mögliche Themenbereiche für
LandeskundeIdentität
Raum
Zeit
Werte als universale Daseinserfahrungen (vgl. Altmayer 2007)
Beispiel: Kultur in Sprache - Identität
Muddeln ist Widerstand (Tom Pauls)
Auf der Webseite des Tom-Pauls-Theaters Pirna heißt es im Text „Die sächsischen Wörter des Jahres 2008“ zum Wort „Muddln“:
„Wir muddeln rum. Nicht, dass wir nichts täten. Wir machen schon was; bloß – es wird nischt. Wir haben uns gleichsam von der Zeit abgekoppelt, wir sind ausgestiegen aus dem Weltengetriebe, wir sind nicht weg, aber wir sind auch nicht hier. Wir sind bei uns. … Muddeln ist eine großartige
Sache, die gesund erhält. Es ist die sächsische Art zu meditieren.“
Auf der Webseite des Tom-Pauls-Theaters Pirna heißt es im Text „Die sächsischen Wörter des Jahres 2008“ zum Wort „Muddln“:
„Wir muddeln rum. Nicht, dass wir nichts täten. Wir machen schon was; bloß – es wird nischt. Wir haben uns gleichsam von der Zeit abgekoppelt, wir sind ausgestiegen aus dem Weltengetriebe, wir sind nicht weg, aber wir sind auch nicht hier. Wir sind bei uns. … Muddeln ist eine großartige
Sache, die gesund erhält. Es ist die sächsische Art zu meditieren.“
Beispiel: Raum/Proxemik - Verhalten bei
Begrüßung
Zwei Bilder aus einem studentischen Projekt (2003): Ein brasilianischer Student begrüßt eine deutsche Studentin/ Zwei Deutsche begrüßen sich.
Beispiel: Werte - Manifestationen
Autowerbung: Sorry - Sicherheit als Wert - http://youtu.be/joG8s_BAisA
Beispiel: Zeit - Sonntag
Sonntag: Beispiel für Zeitkompartimentierung
Was sind „neue“ Medien?Heute und für unser Thema interessant: Web 2.0:
„Web 2.0 ist ein Schlagwort, das für eine Reihe interaktiver und kollaborativer Elemente des Internets, speziell des World Wide Webs, verwendet wird. Hierbei konsumiert der Nutzer nicht nur den Inhalt, er stellt als Prosument selbst Inhalt zur Verfügung. Der Begriff postuliert in Anlehnung an die Versionsnummern von Softwareprodukten eine neue Generation des Webs und grenzt diese von früheren Nutzungsarten ab. Die Verwendung des Begriffs nimmt jedoch zugunsten des Begriffs Social Media ab.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Web_2.0)
Web 2.0
Quelle: http://www.dadalos-d.org/web20/images/web_10_20.png
Potential für Kulturlernen 1
Material sammeln und zusammenstellen:
RSS Feeds; E-Portfolios; social bookmarking; Evernote; …. Blog-Archiv als E-Portfolio –
Informationen sammeln als Grundlage für eine Rekonstruktion der fremden kognitiven Schemata
Potential für Kulturlernen 2
Material mit anderen diskutieren – zusammenarbeiten:
Kollaborative Online-Tools wie z.B. Google Docs ; Wikis; Etherpad; TitanPad; Mindmeister; Skype; Soziale Netzwerke (Twitter, Facebook, Google+; Google+-Hangout)
Rekonstruktion der fremden kognitiven Schemata im Austausch auch mit den Fremden
Potential für Kulturlernen 3
Eigene Texte/Materialien erstellen bzw. veröffentlichen:
Blogs; Medien teilen (YouTube; Flickr); E-Book erstellen; Slideshare; Prezi; Wikis; … –
Veröffentlichen/Teilen von Erkenntnissen zu fremden kognitiven Schemata; begründet dazu Stellung nehmen.
ODER: Zum Anstoß von Lernprozessen: Fremde Handlungen, Texte, Äußerungen sehen/hören/erfassen.
PLE/PLN für Kulturlernen
Quelle: Lisa Rosa: Lernen Lernen lernen mit dem persönlichen Lernnetzwerk
Was heißt Lernen in diesem Zusammenhang?
Quelle: http://www.dadalos-d.org/web20/images/lernen_20.png
Was heißt Lernen in diesem Zusammenhang?
traditionelle Vorstellung
konstruktivistische Vorstellung
konnektivistische konnektivistische VorstellungVorstellung
Wissen kann vermittelt werden
Wissen wird konstruiert
Wissen ist verteilt und vernetzt
Instruktionselbstbestimmtes
LernenLernen als
lebenslanger Prozess
unterrichten begleitenTeilnehmende lernen
voneinander/ miteinander
Lehrer als „Meister“Lehrer als
Moderator/ Coach
Lehrer als Teilnehmender des
Lernnetzwerkes
Lerner als „Lehrling“
Lerner als aktives Subjekt
Lerner aktiv als Teil eines Netzwerkes
Lehrsystem LernumgebungPersönliches
Lernnetzwerk (PLN)
... ... ...
Lernen heißt ...
... nicht, Informationen zu erwerben.
Lernen heißt, Informationen zu diskutieren, Informationen zu bezweifeln, Informationen zu kritisieren, Informationen zu teilen, Informationen zu schaffen.
Lernen heißt, bedeutungsvolle Verbindungen zwischen Informationen zu erzeugen. Lernen heißt Bedeutung für sich zu erschaffen (vgl. Michael Wesch: „A Portal to Media Literacy“).
Lernen im konnektivistischen Ansatz (George Siemens)
Daten: originale Sachverhalte, Symbole
Informationen: Daten, die gegliedert, interpretiert, aufbereitet und verwendbar für den Zweck gemacht wurden, für den die Daten ursprünglich gesammelt wurden
Wissen: Informationen im Kontext (d.h. die Bedeutung von Informationen verstehen) oder Information mit semantischer Bedeutung
Lernen: Zur Handlung gebrachtes oder in Handlung überführbares Wissen, etwas mit dem Wissen tun.
Quelle: George Siemens (2005): What is Learning: http://www.connectivism.ca/?p=14
Frage?
Wie können Internet und Social Media Lernprozesse des Fremdverstehens unterstützen, d.h.
fremde Schemata der Weltdeutung zu finden und zu erkennen, deren Bedeutung zu rekonstruieren und begründet dazu Stellung zu nehmen,
d.h. für sich Bedeutung zu schaffen und mit diesem Wissen etwas zu tun?
Beispiel: Projekt 1968
Rainald Grebes Lied als Ausgangspunkt - Daten
Daten gegliedert - gemeinsam erstellte Mindmap als Grundlage für Gruppenarbeit zum Sammeln von Informationen
Gruppenarbeit - Deutungsmuster/ kulturelle Schlüsselwörter mit Inhalt füllen - Bedeutung schaffen - Wissen - für Gruppenarbeit social media nutzen
Lernen/etwas mit dem Wissen tun: Ergebnisse präsentieren und diskutieren: Gruppenblogs/ Präsentationen
Reinald Grebe: 1968 - Daten
Liedtext: http://lyrics.wikia.com/Rainald_Grebe:1968
Videoquelle: http://youtu.be/p1iw2c9CS14
Daten gegliedert/ Informationen - Mindmap
Bedeutung schaffen - Wissen
Gruppenarbeit: Zu jeweils einem Teil des Bedeutungsnetzes Hintergrundinformationen sammeln und verarbeiten (Suchmaschine der Wahl; Evernote; Dropbox; Delicious).
Für Austausch in der Gruppenarbeit: Blog oder Wiki oder ein Soziales Netzwerk oder kollaborative Onlinetools nutzen
Evtl. Deutungsmuster „1968“ in anderen Kulturen diskutieren
Etwas mit dem Wissen tunErgebnisse der Gruppenarbeit online
und/oder offline präsentieren und diskutieren:
Blogs, YouTube, Flickr, Slideshare, Prezi; E-Book erstellen ...
Evtl. Diskussion:
„... Recourcenschonung, Klimawandel - wenn heute Janis Joplin davon reden würde! Oder nehmen Sie "Nachhaltigkeit": Damals hieß es "die young" und: "Man kann schlafen, wenn man tot ist." 20-Jährige von heute reden ganz anders, die sind schon so straight drauf ...“ (Rainald Grebe über 68 im taz-Interview).
Jennis Joplin 1969 - Live Fast, Love Hard, Die Young
Textfassung des Vortrags
Textfassung in meinem Blog unter http://uzeuner.wordpress.com/2013/07/31/landeskunde-und-neue-medien/
Literatur
Altmayer, Claus. (2002). Kulturelle Deutungsmuster in Texten. Prinzipien und Verfahren einer kulturwissenschaftlichen Textanalyse im Fach Deutsch als Fremdsprache. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht [Online], 6(3), Available: http://zif.spz.tu-darmstadt.de/jg-06-3/beitrag/deutungsmuster.htm
Altmayer, Claus: Kultur als Hypertext. Zur Theorie und Praxis der Kulturwissenschaft im Fach Deutsch als Fremdsprache. Iudicium Verlag München 2004
Altmayer, Claus (2008): Von der Landeskunde zur Kulturwissenschaft. Innovation oder Modetrend? – In: Germanistische Mitteilungen 65/2007. – Online am 03.11.2008: http://www.bgdv.be/gm65/GM65_altmayer.pdf
Aufenanger, Stefan: Keynote von Prof. Dr. Stefan Aufenanger (Universität Mainz, Erziehungswissenschaft und Medienpädagogik): “‘Gefällt mir!’ – Besser Lernen mit digitalen Medien” http://youtu.be/v78gOFnUoLA (Veröffentlicht am 06.02.2013)
Bernhardt, Thomas und Marcel Kirchner: E-Learning 2.0 im Einsatz – Online am 26.07.2013. URL: http://elearning2null.de/learnmedia/Bernhardt-Kirchner_E-Learning-2.0-im-Einsatz.pdf
Bernhardt, Thomas und Marcel Kirchner: Lerntheoretischer Hintergrund. In: E-Learning 2.0. Gemeinschaftlich geführte Weblog der Wissenschaftlichen Mitarbeiter und Promotionsstudenten Thomas Bernhardt (Uni Bremen) & Marcel Kirchner (TU Ilmenau) zum Thema “E-Learning 2.0″.Online am 26.07.2013. URL: http://www.elearning2null.de/publikationen/expose/2-lerntheoretischer-hintergrund/ .
D@dalos – Internationaler UNESCO Bildungsserver für Demokratie-, Friedens- und Menschenrechtserziehung: Online-Lehrbuch Web 2.0. Online: http://www.dadalos-d.org/web20/inhalt.htm
Geertz, Clifford. (1995). Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme. 4. Aufl. Frankfurt a.M.
Krumm, H.-J.: Landeskunde Deutschland, D-A-CH oder Europa? Über den Umgang mit Verschiedenheit im DaF-Unterricht. – In: Info DaF. Informationen Deutsch als Fremdsprache 25, 5 (1998), S. 523-544.
Penning, D.: Landeskunde als Thema des Deutschunterrichts – fächerübergreifend und/oder fachspezifisch? – In: Info DaF 22, 6 (1995), 626 – 640.
Podcasting im Fremdsprachenlernen & Interkulturellen Lernen Testwiki der Duisburg-Essener Anglistik. – Online am 14.07.2013: http://wiki.uni-due.de/ang/index.php/Podcasting_im_Fremdsprachenlernen_%26_Interkulturellen_Lernen
Rosa, Lisa: Lernen Lernen lernen mit dem persönlichen Lernnetzwerk. Wie im digitalen Zeitalter eigensinnig und gemeinsam gelernt wird. – Vortrag auf der #relearn der re:publica 13 2013. Online: http://shiftingschool.wordpress.com/2013/05/10/lernen-lernen-lernen-mit-dem-personlichen-lernnetzwerk-wie-im-digitalen-zeitalter-eigensinnig-und-gemeinsam-gelernt-wird/
Siemens, George: Connectivism: http://www.connectivism.ca/
Tushar Chaudhuri und Csilla Puskás: Interkulturelle Lernaktivitäten im Zeitalter des Web 2.0. Erkenntnisse eines telekollaborativen Projektes zwischen der Hong Kong Baptist University und der Justus-Liebig-Universität Gießen – In: Informationen Deutsch als Fremdsprache • 38. Jahrgang • Heft 1 • Februar 2011. – Online am 14.07.2013: http://www.iudicium.de/InfoDaF/contents/InfoDaF_2011_Heft_1.htm
Wesch, Michael: Vortrage “A Portal to Media Literacy”, (17. Juni 2008 an der University of Manitoba). – Online: http://youtu.be/J4yApagnr0s