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Wie wird das Konsumverhalten von Menschen beeinflusst, wenn das Produkt personalisiert und eine emotionale Nähe zu ihm hergestellt wird? Eine Untersuchung am Beispiel von Fleischerzeugnissen. Masterarbeit vorgelegt an der HUMBOLDT-VIADRINA School of Governance im Juli 2012 von Dennis Buchmann Betreuerin: Prof. Dr. Sabine Fischer

Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

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Funktioniert MeinekleineFarm.org? Essen Menschen weniger Fleisch aber aus artgerechterer Haltung, wenn sie ihrer Wurst in die Augen gucken können? Diese Masterarbeit sagt: Ja.

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Wie wird das Konsumverhalten von

Menschen beeinflusst, wenn das Produkt

personalisiert und eine emotionale

Nähe zu ihm hergestellt wird?

Eine Untersuchung am Beispiel von

Fleischerzeugnissen.

Masterarbeit

vorgelegt an der

HUMBOLDT-VIADRINA School of Governance

im Juli 2012

von Dennis Buchmann

Betreuerin: Prof. Dr. Sabine Fischer

Page 2: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

I

Excecutive Summary

Mit wachsendem Wohlstand wird immer mehr Fleisch gegessen. Doch massenhafter Fleischkonsum führt zu schwerwiegenden globalen Umweltproblemen und ist ethisch bedenklich. Aufklärungskampagnen von Tierschutzorganisationen arbeiten mit negativen Botschaften aus der Massentierhaltung, und auch andere Apelle an einen reduzierten Fleischkonsum bleiben weitgehend wirkungslos. Auf der Fleischverkaufsplattform MeinekleineFarm.org hingegen wird nicht an Fleischverzicht appelliert, ohne Alternativen zu bieten, sondern dort ist der Fleischkonsum diese Alternative und damit Teil der Lösung für die oben genannten Probleme. Über positive Botschaften und Transparenz wird versucht, wieder eine Beziehung zwischen Konsument und Fleischprodukt herzustellen: Der Konsument sieht, welches Tier er isst und dass es artgerecht gehalten wurde. Diese Arbeit untersucht empirisch, ob diese Personalisierung des Produktes dazu führt, dass der Konsument eine neue Wertschätzung für Fleischprodukte entwickelt und dadurch sein Konsumverhalten ändert. Es kann gezeigt werden, dass selbst Menschen, die ohnehin schon bewusst Fleisch konsumieren, allgemein weniger Fleisch aber aus artgerechter Haltung essen, wenn zuvor über MeinekleineFarm.org eine emotionale Beziehung zu einem Fleischprodukt bzw. dem entsprechenden Tier hergestellt wurde. As affluence grows, so does the number of people who eat meat. However the massive consumption of meat leads to serious environmental problems globally and is ethically questionable. Educational campaigns done by animal welfare organizations spelling out negative messages about factory farms, among other appeals to reduce meat consumption remain largely ineffective. Conversely, the meat-selling platform MeinekleineFarm.org does not make an appeal to end meat consumption without offering an alternative. On MeinekleineFarm.org meat consumption is part of the solution to the above-mentioned problem. Through positive messages and transparency, MeinekleineFarm.org seeks to reestablish the relationship between consumer and meat product: the consumer sees what animal they eat, and that it was humanely treated. This thesis empirically investigates whether the personalization of the product leads consumers to develop of a new appreciation of meat products; and through this appreciation, change their consumption behavior. It can be shown that even people, who knowingly consume meat consciously, will generally eat less of it if they previously made an emotional connection through MeinekleineFarm.org to the corresponding animal.

Page 3: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

II

Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis ................................................................................ IV  Abbildungsverzeichnis .................................................................................. V  Tabellenverzeichnis ...................................................................................... VI  1   Einleitung und These ................................................................................ 1  2   Relevanz der Fragestellung ...................................................................... 2  2.1   Geschichte des Fleischkonsums und der -produktion. ............................. 3  2.2   Wie hoher Fleischkonsum Umweltprobleme verursacht ........................ 11  2.3   Ethische Aspekte der massenhaften Fleischproduktion ......................... 15  2.3.1   Tierleiden als ein Grund für die ethische Fleischdiskussion ................ 16  2.3.2   Ethische Konzepte zum Fleischverzehr .............................................. 18  2.3.3   Individuelle Verantwortung und die Distanz zwischen Handlungen und

den Folgen ....................................................................................... 19  3   Faktoren des Nahrungsmittelkonsums und sein Wandel ................... 23  3.1   Wie Konsumenten nach neuem Vertrauen suchen ................................ 23  3.2   Globaler Ernährungswandel ................................................................... 26  3.3   Faktoren des Fleischkonsumverhaltens ................................................. 28  4   MeinekleineFarm.org – Eine kleine Lösung für ein großes Problem?31  4.1   Wie MeinekleineFarm.org funktioniert .................................................... 31  4.2   Annahmen hinter MeinekleineFarm.org ................................................. 32  4.3   Transparenz, Kommunikation und Storytelling. ...................................... 37  5   Forschungsdesign .................................................................................. 40  5.1   Anforderungen und Ausgangssituation .................................................. 40  5.2   Reflektion des Autors ............................................................................. 41  5.3   Empirische Sozialforschung und ausgewählte Methoden ...................... 42  5.4   Durchführung der Befragung .................................................................. 43  5.5   Auswertung ............................................................................................ 44  6   Ergebnisse ............................................................................................... 46  6.1   Wer wurde gefragt: Biografische Daten und allgemeine Einstellungen der

Befragten. ............................................................................................ 46  6.2   Wie die Befragten Fleisch konsumieren ................................................. 51  6.3   Warum bei MkF gekauft wurde. ............................................................. 53  6.4   Empfindungen im Zusammenhang mit MkF ........................................... 54  6.5   Auswirkungen auf das Verhalten ............................................................ 55  7   Diskussion ............................................................................................... 58  7.1   Methodenkritik ........................................................................................ 58  

Page 4: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

III

7.2   Die Ergebnisse, ihre Aussagekraft und die Bedeutung für MkF ............. 59  7.3   Ausblick und Möglichkeiten weiter gehender Forschung ....................... 61  8   Fazit .......................................................................................................... 64  Literaturverzeichnis ...................................................................................... 66  Anhang ........................................................................................................... 73  

Page 5: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

IV

Abkürzungsverzeichnis Abb. Abbildung

BMELV Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und

Verbraucherschutz

BÖLW Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft

BRD Bundesrepublik Deutschland

CH4 Methan

CO2 Kohlenstoffdioxid

DDR Deutsche Demokratische Republik

DLG Deutsche Lebensmittelgesellschaft

etc. et cetera

FAO Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen

(Food and Agriculture Organization of the United Nations, FAO)

FAOSTAT Statistiken der FAO

HVSG Humboldt Viadrina School of Governance

Kap. Kapitel

kg Kilogramm

m2 Quadratmeter

MkF MeinekleineFarm.org

MPP Master of Public Policy

N2O Distickstoffmonoxid

s. siehe

s. a. siehe auch

S. Seite

Tab. Tabelle

u. a. und andere

u. ä. und ähnliche(m)/(n)/(s)

USA Vereinigte Staaten von Amerika (United States of America)

vgl. vergleiche

z. B. zum Beispiel

Page 6: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

V

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: US-Patent von 1882 zur Fließbandschlachtung von Schweinen. ......... 8  Abbildung 2: Durchschnittlicher Fleischverbrauch in Deutschland pro Kopf und

Jahr. ................................................................................................................... 9  Abbildung 3: Idealisierte Pyramide der biologischen Nettoproduktivität. .................. 11  Abbildung 4: Treibhausgasemissionen verschiedener Lebensmittel (von der

Landwirtschaft bis zum Handel). ...................................................................... 14  Abbildung 5: Treibhausgasemissionen von vier verschiedenen Mahlzeiten mit

demselben Energie- und Eiweißgehalt. ............................................................ 15  Abbildung 6: Phasen der Nutrition Transition. .......................................................... 27  Abbildung 7: Beispiel eines Aufklebers und wie dieser auf den Wurstprodukten

von MeinekleineFarm.org das entsprechende Schwein abbildet. .................... 32  Abbildung 8: Wirkungslogik von MeinekleineFarm.org. ........................................... 36  Abbildung 9: Altersverteilung der 113 Befragten. ..................................................... 46  Abbildung 10: Bewertung der Wichtigkeit verschiedener Faktoren auf die Frage:

„Was ist Ihnen beim Nahrungsmittelkauf besonders wichtig“. .......................... 49  Abbildung 11: Einkommensverteilung der 113 ausgewerteten

Umfrageteilnehmer. .......................................................................................... 51  Abbildung 12: Fleischkonsum vor MkF. Die Befragten haben angegeben, zu

welcher Tageszeit sie wie oft pro Woche Fleisch gegessen haben. ................ 52  Abbildung 13: Gründe für den Kauf von Biofleisch und wie wichtig sie den

Befragten sind. ................................................................................................. 53  Abbildung 14: Differenzen zwischen den Antworten auf die Fragen nach der

Häufigkeit des Fleischkonsums vor und nach MkF der einzelnen

Befragten. ......................................................................................................... 56  Abbildung 15: Fleischkonsum nach MkF. ................................................................. 57  

Page 7: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

VI

Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Häufigkeit der genannten Aspekte auf die Frage: „Bitte beschreiben

Sie, ob und wie Sie im Alltag den Umweltschutz berücksichtigen.“ ................. 47  Tabelle 2: Häufigkeit der genannten Aspekte auf die Frage: Wie würden Sie

ihren Einkaufs- und Ernährungsstil beschreiben?“. .......................................... 48  Tabelle 3: Bildungsgrad der Befragten. .................................................................... 50  Tabelle 4: Häufig genannte Aspekte in den Antworten auf die Frage:

„Beschreiben Sie bitte, warum Sie Wurst mit Gesicht gekauft haben“. ............ 53  Tabelle 5: Häufig genannte Aspekte in den Antworten auf die Frage: „Was

haben Sie beim Kauf von Wurst mit Gesicht empfunden?“. ............................. 54  Tabelle 6: Häufig genannte Aspekte in den Antworten auf die Frage:

„Beschreiben Sie die Situation und das Gefühl, als Sie ihrer Wurst in die

Augen geguckt haben.“ .................................................................................... 55  Tabelle 7: Auswertung der Antworten auf die Frage: „Haben Sie, nachdem Sie

Kunde von MeinekleineFarm.org geworden sind, öfter als vorher an

Fleischkonsum und seine Auswirkungen gedacht? Falls ja: in welchen

Situationen und an was haben Sie gedacht?“ .................................................. 55  Tabelle 8: Antworten auf die Frage: „Bitte beschreiben Sie ob und wie sich Ihr

Fleischkonsumverhalten verändert hat, nachdem Sie Wurst von

MeinekleineFarm.org gegessen haben.“ .......................................................... 56  

Page 8: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

VII

„Ich bin durch Galileo auf Sie aufmerksam geworden, und nun habe ich mich

endlich getraut auf Ihre Seite zu gehen und meine Neugierde zu stillen.

Ich muss sagen, dass ich sehr viel Wurst esse, und nie wirklich einen Draht zu

der Materie hatte, natürlich gehe ich schon immer respektvoll mit allen

Lebensmitteln um, doch so sehr wie Sie und Bauer Schulz habe ich mich noch

nie mit den Tieren dahinter auseinander gesetzt.

Ich muss Ihnen sagen, dass ich nun zum Nachdenken komme, und vorhabe schon

bald meine erste Wurst von Ihnen zu bestellen, doch vorerst meinen Fleischkonsum

gänzlich einstellen möchte um meine Sinne für die Tiere zu schärfen. Ich

danke Ihnen, dass nur ein Besuch auf dieser Seite mich ganz schön

wachgerüttelt hat!“

E-Mail von A.G. an MeinekleineFarm.org, 8. Juni 2011

Page 9: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  1

1 Einleitung und These Diese Arbeit hinterfragt das Projekt MeinekleineFarm.org (MkF), welches zentraler

Bestandteil des Public-Policy-Studiums (MPP) an der Humboldt Viadrina School of

Governance (HVSG) war. MkF diente als roter Faden der Praxis, an dem Theorie

gelernt und angewendet wurde. Wegen der Projektbezogenheit ist diese Arbeit also

gewissermaßen der Gipfel der Integration von Theorie und Praxis des

Masterstudiengangs. Erkenntnisse aus verschiedenen wissenschaftlichen Quellen

sowie ein Umfrage unter Nutzern von MkF sollen die grundlegende Frage eruieren,

ob das Projekt hinsichtlich seines gesellschaftlichen Anliegens funktioniert: Essen

Menschen weniger und anders Fleisch, wenn dieses Fleisch aus seiner Anonymität

geholt und eine emotionale Nähe zum Produkt bzw. dem entsprechenden Tier

hergestellt wird? Denn wer bei MeinekleineFarm.org Wurst kauft, sieht darauf stets

ein Foto von dem Tier, aus dem diese Wurst gemacht wurde. So wird „Fleisch ein

Gesicht gegeben“.

Die These hinter MeinekleineFarm.org, die in dieser Arbeit überprüft wird, lautet:

Wenn Konsumenten ein Fleischprodukt über Transparenz und Geschichten nahe

gebracht wird, entsteht eine unter anderem emotionale Beziehung, die zu einer

neuen Wertschätzung des Tieres und damit des Produktes führt. Das mündet in

bewussterem Fleischkonsum. Bewussterer Fleischkonsum bedeutet hier: weniger

Fleisch aber aus artgerechter Haltung zu essen.

Diese Verhaltensänderung ist dringend nötig. Umweltressourcen werden durch

massenhaften Fleischkonsum derart überlastet, dass irreversible Schäden des

globalen Ökosystems drohen (Kapitel 2). Außerdem führen die Bedingungen, unter

denen Tiere in der konventionellen Fleischindustrie gehalten werden, zu ethischen

Problemen, die ausgeblendet werden (Entkoppelung des Konsumenten vom

Ursprung seiner fleischlichen Nahrung). Umweltprobleme, Ethik und menschliches

Verhalten – diese Themen zeigen, dass in dieser Arbeit multi- und in den

Schlussfolgerungen auch interdisziplinär gearbeitet wird. So wird hier nicht nur ein

Aspekt der Konsumentenforschung tief gehend bearbeitet, sondern es werden

vielmehr die Gesamtzusammenhänge dargestellt. Der empirische Teil (Umfrage

unter MkF-Kunden) gestaltet sich deshalb entsprechend offen, um im Zuge der

Forschung (vgl. Kapitel 5.3) einen hohen Erkenntnisgewinn zu ermöglichen.

Page 10: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  2

2 Relevanz der Fragestellung „The world´s lifestock sector is at the junction of several of the great environmental

and moral issues of the modern age. This includes the urgent issues of food

insecurity, under-nutrition and its health consequences, environmental degradation,

exacerbation of global climate change and concern for animal welfare“

In diesem Zitat fassen McMichael & Butler (2010: S.187) zusammen, warum es

dringend notwendig ist, dass die Menschen ihren Fleischkonsum1 überdenken.

Denn massenhafter Konsum bedingt massenhafte Produktion. Doch über eine

massenhafte Produktion, die dem Konsumenten verborgen bleibt, aber billiges

Fleisch liefert, beschwert sich kaum ein Konsument. Doch wie konnte Fleisch

überhaupt zu einem Problem werden?

Fleisch ist ein hochwertiges Nahrungsmittel, reich an Eiweißen2 und für die meisten

Menschen Teil eines unhinterfragten Ernährungsalltags. Doch mit Fleisch verhält es

sich wie mit fast allen Nahrungsmitteln und anderen Dingen (etwa Medikamente),

die der Mensch zu sich nimmt: „Alle Dinge sind Gift, und nichts ohne Gift; allein die

Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist.“ (Paracelsus,16. Jahrhundert).

Diese „Dosis“ ist vor allem in industrialisierten Ländern und Gesellschaften mit

hohem Wohlstandsniveau (USA, Europa) sehr groß und gefährdet nicht nur die

individuelle Gesundheit3, sondern ist auch auf gesellschaftlicher und ökologischer

Ebene „Gift“. In aufstrebenden Ländern (vor allem in China) erhöht sich mit

wachsendem Wohlstand ebenfalls die „Dosis“. Doch bevor der Fleischkonsum

genauer quantifiziert wird, soll kurz darauf eingegangen werden, wie Fleisch

1 In dieser Arbeit geht es nur um Fleisch von gezüchteten Landtieren, nicht um Meerestiere

und Fischereiindustrie. 2 Der menschliche Körper kann Fleischeiweiße effizienter zum Aufbau eigener Eiweiße

nutzen als beispielsweise pflanzliche Kohlehydrate. 3 Gesundheitsprobleme im Zusammenhang mit erhöhtem Fleischkonsum werden in dieser

Arbeit weder auf individueller Ebene (Krankheiten) noch auf gesellschaftlicher (Belastung

des Gesundheitssystems) ausführlich behandelt. Dazu siehe beispielsweise Rayner &

Scarborough (2010, S.190ff.). Die Umweltprobleme sind gravierender, da von globaler

Bedeutung, und die ethischen Probleme sind wegen der Funktionsweise von MkF

(Emotionalität etc., vgl. Kapitel 4) relevanter.

Page 11: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  3

überhaupt zu einem Problem werden konnte (Kapitel 2.1: Geschichte des

Fleischkonsums und der -produktion) und in welchen Facetten (ökologische und

ethische, Kapitel 2.2 und 2.3) sich das Problem äußert. Daraus folgt die

Notwendigkeit eines reduzierten Fleischkonsums. Um diesen zu fördern, habe ich

im Rahmen des MPP an der HVSG das Projekt MkF realisiert. MkF steht für jenen

Teil der Fragestellung, der sich mit der Personalisierung und Emotionalität von

Fleischprodukten als potentiell verhaltensbeeinflussend beschäftigt. Über eine

Kundenumfrage sollen Erkenntnisse darüber gewonnen werden, ob die Idee hinter

MkF tatsächlich das menschliche Fleischkonsumverhalten beeinflussen kann.

Die Fragestellung ist also auch in praktischer Hinsicht relevant, da sie nicht nur

theoretisch ein wichtiges gesellschaftliches Problem erörtert, sondern einen

zumindest pilotartig umgesetzten Lösungsansatz evaluiert. Im Rahmen einer

Masterarbeit kann diese Evaluation nur begrenzt stattfinden, sie wird aber als

Ausgangspunkt für weitergehende Forschung durchaus von Wert sein.

2.1 Geschichte des Fleischkonsums und der -produktion.

Das Fleischkonsumverhalten lässt sich menschheitsgeschichtlich in drei große

Epochen aufteilen, in denen jeweils gravierende Veränderungen im

gesellschaftlichen Zusammenleben zu unterschiedlichen Mengen verfügbaren

Fleisches geführt haben: die Steinzeit (Jäger und Sammler), erste

Agrargesellschaften (vor ca. 10.000 Jahren) und moderne Industriegesellschaften

(seit etwa 200 Jahren).

Körperliche Grundvoraussetzungen für Fleischkonsum hat der Mensch im Laufe der

Evolution von seinen Vorfahren geerbt. „Untersuchungen der Skelettfragmente

dieser ersten Exemplare der Gattung homo, die man auf ca. 3,25 Millionen Jahre

zurückdatiert, belegen, dass die Nahrung unserer zweibeinigen Vorläufer zum Teil

aus Fleisch bestanden haben muss.“ (Mellinger 2000: S.16). Die Beschaffenheit des

Verdauungstraktes (nicht auf Zellulose spezialisiert) und des Gebisses der Primaten

zeigen, dass schon unsere Vorfahren auf „fleischliche“ Nahrung (Früchte, Wurzeln,

Insekten, Larven) angewiesen waren (Leroi-Gourhan 1988)4.

4 Detaillierter vergleichen McMichael & Butler (2010: S.178) die „Modern Western Diet“ mit

der unserer Vorfahren.

Page 12: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  4

Nachdem die ersten Menschen sich als Beuteräuber Fleisch beschafften, indem sie

Geier und Schakale von Kadavern vertrieben, wurden sie mit der Entwicklung von

Werkzeugen selbst zu aktiven Jägern. Dabei galt das sprichwörtliche „Fressen oder

gefressen werden“, das heißt, dass der Mensch in der Steinzeit noch nicht an der

Spitze der Nahrungskette stand und die Jagd nach Fleisch mit Lebensgefahr

verbunden war. Trotzdem nahm er das Risiko auf, um an die energetisch

hochwertige Kost zu gelangen, so dass „der Kalorienanteil aus fleischlicher Nahrung

in den steinzeitlichen Gesellschaften 35 Prozent ausmachte“, was ungefähr 788

Gramm pro Tag entspricht (Mellinger 2000: S.26). Laut dem Bundesministerium für

Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (2011) lag der Pro-Kopf-

Verbrauch von Fleisch in Deutschland 2010 bei 90,1 kg, das entspricht 247 Gramm

pro Tag. In Kapitel 2.2 und 2.3 wird noch deutlich werden, dass 90 kg Fleisch pro

Kopf und Jahr problematisch viel ist. Doch hier wird zunächst klar: Die ersten

Hominiden haben mehr als drei Mal so viel Fleisch gegessen wie die Deutschen

heute.

Damals trafen wenige Menschen auf sehr viele Beutetiere. Heute jedoch müssen 7

Milliarden Menschen zunächst einmal Tiere produzieren, um ihren Fleischkonsum

decken zu können. Damals trug der Kampf ums Überleben dazu bei, dass das

nahrhafte Fleisch und die Tiere als Lieferanten dessen wertgeschätzt wurden. Heute

gibt es zumindest in den Wohlstandsnationen für die meisten Menschen immer

genug zu essen, und Fleisch ist dort ein billiges Nahrungsmittel das vor allem

verarbeitet, also in Form von Wurst oder Convenience-Produkten verzehrt wird –

und von seinem Ursprung, dem Tier, entkoppelt ist (Zu Entkoppelungen auch bei

anderen Nahrungsmitteln s. Vilgis 2011).

Zwischen diesen beiden Endpunkten der Chronologie des Fleischkonsums liegt der

Ackerbau, durch den vor etwa 10.000 Jahren erste sesshafte Gesellschaften

entstehen konnten (Neolithische Revolution). Zu dieser Zeit wandelte sich das Klima

von „kalt und trocken“ zu „warm und feucht“ und besonders in den „glücklichen

Breiten“ (zwischen 15° südl. und 35° nördlicher Breite) evolvierten ertragreiche

Getreidearten, so dass jede Kalorie, die zur Ernte eingesetzt wurde, 50 Kalorien

Nahrung ergab (Morris 2011). Die Jäger mussten nicht mehr dem Wild nachstellen,

sondern es kam, angezogen von der schmackhaften Ernte, von selbst in die Nähe

der Siedlungen (Reichholf 2008: S.34). Und es wurde zahm bzw. gezähmt. Vor

allem Ziegen, Schafe, Schweine und kleine Rinder zählten zu den ersten Nutztieren,

die Nahrung, Kleidung und Nebenprodukte lieferten (Vilgis, 2011: S.58). Zu diesem

Page 13: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  5

Zeitpunkt wurde Fleisch also erstmals nicht mehr gejagt, sondern produziert.5 Der

Fleischkonsum jedoch ging zurück, vor allem wegen der neuen Lebensumstände:

Anfangs war der Ackerbau noch recht arbeitsintensiv, und die Nutztiere dienten vor

allem als Zugtiere, Textilfaserlieferanten und Düngerspender. Auch die energetische

Tatsache, dass durchschnittlich 10 pflanzliche Kalorien aufgewendet werden

müssen, um eine Fleischkalorie daraus veredeln zu können, erlaubte es den

Menschen damals nicht, Tiere als reine Fleischlieferanten zu halten. Das Kosten-

Nutzen-Verhältnis war zu ungünstig oder anders ausgedrückt: Die Futtermittel

waren zu teuer. Die Jäger und Sammler konnten sich noch „bedienen“. Die

Sesshaften mussten nun viel Arbeit investieren, um ihre Nahrung herstellen und die

Vorteile der Standortgebundenheit genießen zu können. Die Nutztiere waren also

vor allem von Wert, wenn sie lebendig waren6.

Mit der Sesshaftigkeit entwickelte sich auch der Glaube der Menschen an das

Übernatürliche weiter (Morris 2011: S.102). Fleisch wurde weiterhin, also auch in

den sich entwickelnden Religionen an Götter geopfert, um diese milde zu stimmen

(Mellinger 2000: S.47). Fleisch war rar und wertvoll, was dazu führte, dass es vor

allem den reichen Bevölkerungsschichten vorenthalten war und für diese auch als

Status- und Machtsymbol fungierte. „Der hohe Wert des Fleisches als greifbares

Statussymbol beruhte nicht nur darauf, dass der Mensch die Kontrolle über die

Natur ausübte, sondern auch andere Menschen beherrschte“ (Frei et al. 2011:

S.60). Im Mittelalter hat diese Oberschicht in Deutschland mit ihren Gelagen und

Festmahlen dazu beigetragen, dass durchschnittlich etwa 50 Kilogramm Fleisch pro

Kopf und Jahr verbraucht wurden (Schubert 2006: S.104).

Im 16. Jahrhundert florierten die Städte, Arbeitsteilung setzte sich durch und mit der

Bevölkerung wuchs der Fleischbedarf. Es kam zu ersten

Entkoppelungserscheinungen: Fleisch wurde vor allem auf dem Land produziert und

5 Außerdem bestimmte die Art der Fauna, also welche Tiere in welchen Teilen der Welt

vorkamen, darüber, wie sich Gesellschaften weiterentwickelt haben. Lama und Alpaka

eigneten sich für amerikanische Indianer ebenso wenig als Zugtier wie der schwer zähmbare

Büffel. Esel, Pferde und Rinder hingegen waren in der Alten Welt (Eurasien) gute

Vorrausetzungen für technischen Fortschritt (etwa Transportsysteme) (Mellinger 2000:

S.41). 6 Und die Beziehung zu einem Tier, das lange von Nutzen sein soll, muss von mehr

Fürsorge geprägt sein, als eine, bei der das Tier lediglich möglichst schnell möglichst viel

Fleisch produzieren soll.

Page 14: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  6

in den Städten konsumiert. Doch Fleisch war nach wie vor teuer, weil die

Landwirtschaft noch vergleichsweise energieintensiv war. Weil das Getreide noch

zu kostbar war, um es zur Fleischherstellung zu nutzen, wurden Weideflächen zu

Gunsten von Ackerflächen eingeschränkt (Frei et al. 2011: S.61).

Denn der bestimmende Kostenfaktor bei der Fleischherstellung ist das Futter. Es

muss stets gefragt werden: Lohnt es sich, Getreide bei einem Wirkungsgrad von

etwa 10 Prozent in die Fleischveredelung zu investieren? Bis zum 19. Jahrhundert

lautete die Antwort meistens „Nein“, denn bis dahin erlebte die Landwirtschaft keine

wesentlichen technischen Effizienzsprünge. Folglich blieb der Fleischkonsum

weitgehend konstant7.

Doch dann begann das Zeitalter der Industriegesellschaften. „Die Menschen hatten

in den vergangenen Jahrhunderten bis zu 90 Prozent ihrer Ernährungsausgaben für

Brot und Brei ausgegeben. Nun sank die Bedeutung des Getreides. Nachdem der

relative Rind- und Schweinefleischverbrauch im Deutschen Bund 1816 bei ungefähr

11 bis 14 kg pro Kopf lag, stieg der Verbrauch von ungefähr 21 kg in den 1840er

Jahren auf über 40 kg bis zur Jahrhundertwende an“ (Frei et al. 2011: S.61ff.)8. Die

höheren Erträge, also billigeres Futter, waren ein Grund dafür. Der Zweite: Die

Nutztiere, vor allem Ochsen, verloren zunehmend ihre Rolle als Arbeitskraft und

wurden durch Maschinen ersetzt. Außerdem stieg der Wohlstand und die Kaufkraft

der Bevölkerung.

Zur weiteren Verbreitung von Fleisch trugen zunächst neue Verfahren des

Haltbarmachens bei: Salzen, Räuchern und Trocknen machten Fleisch nur begrenzt

haltbar, doch die Erfindung der Konserve (1810) machte es möglich, Fleisch auf

lange Reisen zu schicken – und zunächst vor allem Armeen in Kriegen damit zu

7 Abgesehen von einschneidenden Ereignissen wie etwa dem Dreißigjährigen Krieg, der

allgemein zu einer Verschlechterung der Lebensumstände und so auch zu reduziertem

Fleischkonsum führte. 8 Zu dieser Zeit entstanden auch erste Vegetarier-Verbände. Fritzen (2006: S.336) schreibt

über die Lebensreformer: „Der Gegenwart, die in ihren Augen von körperlicher, geistiger,

sittlicher und sozialer Krankheit geprägt war, setzten sie eine andere Welt entgegen: ein

`vegetarisches Zeitalter`, auf das sie mittels Aufklärung des Volkes über gesündere

Lebensführung hinarbeiteten.“ Zu religiös, spirituell oder mythisch motiviertem Vegetarismus

(z.B. ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. bei Buddhisten in Indien) siehe Mellinger (2000: S.76ff.).

Page 15: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  7

versorgen9. Neben Fortschritten in der Agrarwissenschaft ermöglichte auch das

verbesserte Transportwesen (vor allem die Eisenbahn) eine Steigerung der

Fleischproduktion.

So konnte die Viehhaltung auch von der Landwirtschaft entkoppelt werden.

Während zuvor nur so viele Tiere gehalten werden konnte, wie das eigene oder

zumindest nahe gelegene Land an Futter hergab, gab es nun

Futtermittelproduzenten einerseits und Tierproduktion andererseits. Die Viehhaltung

wurde auch von der Fruchtbarkeit des Bodens entkoppelt: Das Haber-Bosch-

Verfahren ermöglicht seit Anfang des 20. Jahrhunderts die synthetische Herstellung

von Ammoniak und damit Kunstdünger. Ohne diese künstliche Stickstoffquelle

wären die heutigen Getreideernten undenkbar. Die Erträge vervielfachten sich, und

Getreide wurde so billig, dass es sich erstmals ökonomisch lohnte, dieses an Tiere

zu Veredelung zu verfüttern. Die enormen Effizienzsteigerungen lassen sich an

Zahlen erkennen, die Smil (2002: S.31) zitiert: 1850 arbeiteten noch 60 Prozent der

Menschen in den USA in der Landwirtschaft. 1900 waren es weniger als 40 Prozent,

1950 noch 15 Prozent und seit 1975 weniger als 2 Prozent – bei steigenden

Erträgen.

Die erste zentrale Fleischverarbeitungsanlage (vgl. Abb. 1) der Welt entstand dann

1865 mit dem Union Stock Yard in Chicago, USA, in denen 1884 bereits 200.000

Tiere pro Tag geschlachtet wurden10. In Europa war La Villette in Paris das erste

große moderne Schlachthaus (Mellinger 2000: S.112ff.). Durch diese

Produktionsweise verschwand die Fleischverarbeitung – und damit der Tod des

Tieres – weitgehend aus der Öffentlichkeit. Die Orte der Produktion und des

Konsums von Fleisch wurden getrennt. Fleisch wurde anonym. Doch während etwa

in Frankreich und England Tierschutzgesetze gegen die „öffentliche Ausübung roher

Gewalt an Tieren“ (Mellinger 2000: S.125), gegen Hahnenkämpfe und zum Schutz

von Hunden erlassen wurden, gab es keine Entsprechungen für die Fleischindustrie.

9 Büchsenfleisch ermöglichte auch einen internationalen Fleischhandel, so dass England

1871 bereits 11.000 Tonnen Fleisch aus Australien importierte (Mellinger, 200: S.108). 10 Dort wurde auch erstmals am Fließband gearbeitet. Diese dis-assembly Line war Vorbild

für die assembly-Line zum Bau des Ford T.

Page 16: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  8

Abbildung 1: US-Patent von 1882 zur Fließbandschlachtung von Schweinen: „Das

Schwein M dient als Köder für die anderen, und so spart man viel Zeit und

Mühe. Mittels der Bremse wird die Falltür langsam abgesenkt, bis die

Schweine vollständig in der Luft hängen und an der Stange K zu der Stelle

rutschen, wo sie getötet werden.“

Vor dem ersten Weltkrieg hatte das Deutsche Reich keine Lebensmittelvorräte

angelegt und so sank der Fleischkonsum aufgrund der Blockadepolitik von England

von rund 53 kg pro Kopf im Jahr 1914 auf rund 10 kg im Jahr 1918 (Panzer 1975).

Im Zweiten Weltkrieg ging die Fleischversorgung vor allem auf Kosten der besetzten

Ost-Gebiete, denen massiv Fleisch entzogen wurde. In der Nachkriegszeit wurde

Fleisch dann endgültig in großen Mastanlagen hergestellt und somit zur billigen

Massenware. Sowohl in der BRD als auch in der DDR wurde das Konzept vom

Sonntagsbraten durch die Anspruchshaltung ersetzt, dass jeden Tag Fleisch in

beliebiger Menge für alle verfügbar sein sollte (Fichtner 2004). Es war verfügbar und

wurde auch durch politische Maßnahmen (Subventionen) verfügbar gemacht.

Page 17: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  9

Nachdem der Fleischverbrauch11 durch den Zweiten Weltkrieg in Deutschland von

52,8 kg pro Kopf (1935/38) auf 37 kg gesunken war (1950/51) stieg er nun wieder

an, bis er 1990/91 den Rekordwert von 102,1 kg erreichte12. Seitdem ist der

Fleischkonsum bis auf 88,5 kg im Jahr 2008 zurückgegangen und bis 2010 auf 90,1

kg wieder leicht angestiegen (Abb. 2).

Abbildung 2: Durchschnittlicher Fleischverbrauch in Deutschland pro Kopf und Jahr.

Quelle: Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und

Verbraucherschutz (2011).

Die Verfügbarkeit von Fleisch wurde durch Effizienz steigernde Technologien und

einen auch daraus resultierenden, sinkenden Preis erhöht. Intensivierung und

Automatisierung ermöglichten es, dass nun ein einzelner Mensch 1.000

Mastschweine oder 100.000 Hühner „betreuen“ kann (Borowski 2007: S.25). Daraus 11 Der Fleischverbrauch ist nicht gleich dem Fleischverzehr und beschreibt den

Gesamtverbrauch an Fleisch, um die verzehrbaren Produkte herstellen zu können. Da der

Fleischverbrauch auch Knochen, Sehen und andere Teile umfasst, ist er stets größer als der

eigentliche Verzehr. Fleischkonsum beschreibt hier stets den Fleischverbrauch. Der

Fleischverzehr lag 2007 bei etwa 61 kg pro Kopf und Jahr (in den 1990er-Jahren noch bei

65 kg) (Gurath, 2008: S. 23). 12 Hier werden die Zahlen des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und

Verbraucherschutz (BMELV 2011) genutzt. Jene von der FAO oder dem Statistischen

Bundesamt unterscheiden sich dazu nur unwesentlich

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resultierte auch eine Konzentration der Produktionsstätten: Während es 1960 noch

etwa 1,3 Millionen Schweinehalter in Deutschland gab, waren es 2011 noch 32.000

– bei einer Zunahme der Fleischproduktion um über 60 Prozent (Witten 2001 und

BMELV 2011). Heute werden mehr als die Hälfte aller Schweine in Deutschland von

vier Unternehmen geschlachtet (Lütge 2012).

Stärkste Treiber für Fleischverzicht sind Lebensmittelskandale13 und Seuchen

(Schweinepest 1994, BSE 2000, Vogelgrippe 2006; ausführlich dazu Greger 2010),

nach denen die Menschen aus Angst vor Erkrankungen handeln. Aber auch

unabhängig von diesen Einzelereignissen ist der Verbrauch von Fleisch z.B. in den

Niederlanden, in der Schweiz, in Deutschland, Frankreich, Belgien oder Neuseeland

rückläufig (Frei et al. 2011, FAOSTAT). Das kann auch an einem allgemeinen,

gesellschaftlichen Bewusstseinswandel liegen, an einem Trend zu weniger Fleisch,

wie er auch durch die Medien und Bestseller unterstrichen wird (dazu ausführlich

Busse & Keller 2012).

Global betrachtet bleibt der hohe Fleischkonsum jedoch eine Herausforderung: Mit

wachsender Bevölkerung und steigendem Wohlstand wird die Fleischproduktion von

280 Millionen Tonnen (2008) auf über 450 Millionen Tonnen (2050) wachsen

(FAOSTAT 2012). In den nächsten 20 Jahren wird etwa 85 Prozent des

Nachfragewachstums nach Getreide und Fleisch aus Entwicklungsländern stammen

(Pinstrup-Andersen et al. in Caballero & Popkin 2002: S.4). Doch besonders in

Ländern mit weniger Wohlstand ist Vieh für Familien eine wichtige wirtschaftliche

Reserve. Und in Gegenden, wo kein Getreide wächst (z.B. Hochland), sind Ziegen

und andere Grasverwerter eine der wenigen Möglichkeiten zur

Nahrungsmittelversorgung. Aber beispielsweise führt die Zunahme des

Schweinefleischkonsums in China zu einer Verschärfung der

Nahrungsmittelkonkurrenz14, da die Futtermittel auch direkt vom Menschen verzehrt

werden könnten. „Gleichzeitig ist der übermäßige Verzehr von Fleisch und Wurst für

auffallende Gesundheitsprobleme in Überflussgesellschaften verantwortlich:

Übergewicht und Fettsucht sowie damit verbundene Erkrankungen.“ (Frei et al. 13 „Ein Beispiel auf der Futtermittelstufe ist der MPA- oder so genannte „Hormon-Sirup“-

Skandal des Jahres 2002. Vorsätzlich waren hormonhaltige Abfälle aus der Pharmaindustrie

in Futtermitteln „entsorgt“ worden. Zahlreiche EU-Mitgliedsstaaten waren betroffen. Allein in

den Niederlanden mussten rund 50.000 Schweine getötet werden.“ (Burdick & Klein, 2004:

S.249). 14 weitere Faktoren sind Agrartreibstoffe und Börsenspekulationen mit Nahrungsmitteln.

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2011: S.67). Die sogenannte „Western Style Diet“ führt in Ländern mit wachsendem

Wohlstand zu erhöhtem Fleischkonsum (Burger, etc.) und Gesundheitsproblemen.

Wenn sich dieser „style“ jedoch ändert, könnte er wie sonst auch als Vorbild dienen.

Eine Reduktion des Fleischkonsums würde außerdem gravierende Umweltprobleme

reduzieren, wie sie im folgenden Kapitel beschrieben werden.

2.2 Wie hoher Fleischkonsum Umweltprobleme verursacht

Tierische Zellen betreiben Zellatmung zur Energiegewinnung: Glucose und

Sauerstoff werden zu Kohlenstoffdioxid und Waser oxidiert, wobei Energie frei bzw.

gebunden wird. Glucose wird über die Nahrung zugeführt, doch bei der Nutzung von

Nahrung zum Aufbau und Erhalt des eigenen Organismus geht der größte Teil der

Energie in Form von Wärme verloren: Nur etwa 10 Prozent der aufgenommenen

Energie wird in Biomasse umgesetzt (ökologische Effizienz) (Campbell 1997:

S.1253). Um also eine Fleischkalorie herstellen zu können, müssen durchschnittlich

10 Pflanzenkalorien eingesetzt werden. Deshalb ist auch die globale Biomasse der

Pflanzen, die die Basis der Biomassepyramide und dank der Photosynthese den

Ausgangspunkt der meisten Nahrungsketten darstellen, am größten (Abb. 3). Dann

folgen die Primärkonsumenten (Pflanzenfresser), usw. mit relativ wenigen

Fleischfressern (Carnivoren) an der Spitze.

Abbildung 3: Idealisierte Pyramide der biologischen Nettoproduktivität. Von einer

Trophiestufe zur nächsten werden jeweils etwa 10 Prozent der Energie in

Biomasse umgesetzt (Pflanzen nutzen nur 1% der Sonnenenergie).

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Um Fleisch herstellen zu können, wird also ein Großteil der landwirtschaftlichen

Erträge unter Energieverlust veredelt. Doch „insgesamt hat die Industrialisierung der

Landwirtschaft den Verbrauch der Energie im Vergleich zur traditionellen

Landwirtschaft verfünfzigfacht.“ (Bäuerlein 2011: S.45). Der hohe Energieaufwand

bei der Herstellung von viel Fleisch15 (weltweit 229 Millionen Tonnen im Jahr 2001

(Mackensen 2008: S.232)) fußt also auf einem ohnehin schon hohen

Energieaufwand für pflanzliches Futter. So führt industrialisierte Fleischproduktion

zu verschiedenen ökologischen Folgeproblemen:

• Klimagase: Methan (CH4), Distickstoffmonoxid (Lachgas, N2O) und

Kohlenstoffdioxid (CO2) sind maßgeblich klimawirksam. 18 Prozent des

Gesamtausstoßes dieser Gase wird durch die Viehwirtschaft verursacht

(Steinfeld / FAO, 2006). Sie entstehen vor allem bei der Atmung, durch

synthetische Dünger für Futtermittel und im Verdauungstrakt der

Wiederkäuer. Das vom Menschen freigesetzte Methan stammt zu 37 Prozent

aus der Tierhaltung (Methan wirkt als Klimagas 23 mal stärker als CO2). Vor

allem der Kunstdüngereinsatz führt dazu, dass 65 Prozent der

Lachgasemissionen durch die Landwirtschaft verursacht sind (Lachgas wirkt

als Klimagas etwa 300 mal stärker als CO2).

• Wasserverbrauch und -verschmutzung: Etwa 8 Prozent des global

verfügbaren Trinkwassers wird durch die Viehwirtschaft verbraucht (Steinfeld

/ FAO, 2006). Und um ein Kilogramm Rindfleisch herstellen zu können,

benötigt man etwa 15.000 Liter, für ein Kilogramm Getreide 450 Liter.

„Abgesehen vom hohen Wasserverbrauch trägt die Nutztierhaltung durch

tierische Abfälle, Antibiotika, Hormone, Chemikalien von Gerbereien,

Düngemittel und Pestizide auch zu Wasserverschmutzung, Eutrophierung

und zur Zerstörung der Korallenriffe bei.“ (Mackensen 2008: S.233).

• Boden: Im Zuge der Intensivierung der Viehwirtschaft wurde diese von den

Futtermittelflächen „getrennt“. Früher hat der Bauer so viele Tiere halten

15 Veredelungsverluste bei der Fleischerzeugung im Vergleich zu Brot bzw. direkter

pflanzlicher Nahrung (1:1): Hühnerfleisch 1:2, Schweinefleisch 1:3, Eier 1:4, Milch 1:5,

Rindfleisch 1:10 (Katalyse Institut nach Waskow & Rehaag, 2011). Im Gegensatz dazu Smil

(2002), der Milch als effizientestes tierisches Nahrungsmittel vor Eiern und Hühnerfleisch

nennt.

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können, wie er mit dem Futter, das er auf seinem Land anbaute, ernähren

konnte. Heute ist der Futtermittelhandel globalisiert und verursacht

Transportkosten (CO2). Auf 33 Prozent der Anbauflächen wird Futter für

Nutztiere angebaut (Steinfeld 2006). Um weitere Flächen zu erschließen,

wird Regenwald abgeholzt (und damit ein CO2-Speicher16). Weideflächen

und Futtermittelmonokulturen führen dazu, dass der Boden auslaugt,

versandet (Desertifikation) und seine CO2-Speicherkapazität zurück geht.

Hinzu kommt, dass Kühe, damit sie schneller wachsen, mit Kraftfutter

gefüttert werden und so auch in Nahrungsmittelkonkurrenz zum Menschen

treten – obwohl sie eigentlich die Eigenschaft haben, für den Menschen nicht

direkt essbares Gras in Fleisch zu verwandeln.

• Diversität: 90 Prozent aller Nutztiere weltweit gehören zu 15 Tierarten (FAO

2007). Zusammen mit den Futtermittelmonokulturen kommt es so zu einem

starken Diversitätsverlust im globalen Ökosystem, der dessen Resilienz

(Toleranz eines Systems gegenüber Störungen) schwächt (dazu ausführlich:

Gura 2010).

• Dünger: Die Herstellung von Kunstdünger ist sehr energieaufwändig. Die

CO2-Bilanz von Agrarprodukten und Fleisch verschlechtert sich also durch

den Einsatz von Kunstdünger. „Weltweit fließen jährlich etwa 90 Millionen

Tonnen Erdöl in die Herstellung von Dünger für den konventionellen

Landbau und setzen dabei 250 Millionen Tonnen CO2 frei.“ (Mackensen

2008: S.235). Außerdem kommt es zu Grundwasserbelastungen und dem

Ausstoß von Lachgas, weil Bodenbakterien den Düngerstickstoff

umwandeln.

Die oben genannten Punkte zeigen, dass es energetisch ineffizient ist, viel Fleisch

zu essen. Die industrialisierte, globalisierte Fleischwirtschaft verursacht mit den

oben genannten Aspekten hohe Kosten, die externalisiert werden. Der Fleischpreis

beim Endverbraucher ist niedrig, die Kosten für die Allgemeinheit sind hoch (vgl.

Hardin (1968) und die Tragik der Allmende). Die ökologische Produktion von Fleisch

16 Nach einer neuen Rechnung von Kurt Schmidinger vervielfacht sich der CO2-Abdruck von

Fleisch erheblich, wenn man die verlorengegangene Speicherkapazität des Regenwaldes

berücksichtigt: von 59 auf 335 kg (http://www.zeit.de/wissen/umwelt/2012-07/klimakiller-

fleisch (Letzter Zugriff: 5. Juli 2012))

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kann aber nur eine Lösung sein, wenn gleichzeitig auch der Fleischkonsums

reduziert wird, da die CO2-Bilanz von artgerecht gehaltenen Tieren oft schlechter ist

als von konventionell17 gehaltenen,

u. a. wegen der längeren Lebens- und damit Emittierzeit der Öko-Tiere18. Und: Die

Gleichung „Weniger Fleisch = weniger Treibhausgase“ ist zu kurz gegriffen.

Reduzierter Fleischkonsum ist nur ein Faktor, bei dem auch innerhalb der

Fleischsorten unterschieden werden muss: Rindfleisch weist beispielsweise eine

vielfach schlechtere Klimabilanz auf als Schweinefleisch (vgl. Garnett 2010;

Wirsenius & Hedenus 2010: S. 240). Auch führt beispielsweise Käse zu höheren

Treibhausgasemissionen als Fleisch insgesamt (Abb. 4).

Abbildung 4: Treibhausgasemissionen verschiedener Lebensmittel (von der

Landwirtschaft bis zum Handel). Aus: Wiegemann et al. (2005), S.30.

17 Bemerkenswert ist, dass die industrialisierte Massentierhaltung den Begriff „konventionell“

für sich besetzen konnte. „Konventionell“ bedeutet laut Duden Fremdwörterbuch „den

gesellschaftlichen Konventionen entsprechend“ oder „herkömmlich“. Da die industrialisierte

Massentierhaltung der gesellschaftlichen Öffentlichkeit weitgehend verborgen bleibt, ist

fraglich, ob die Gesellschaft diese Haltungsform tatsächlich Konvention akzeptieren würde.

Auch bezogen auf die gesamte industrialisierte Landwirtschaft merkt Tudge (2010: S.15) an,

dass der Begriff „konventionell“ „anomal“ verwendet wird. 18 Aber auch hier muss differenziert werden: Die ökologische Produktion von

Schweinefleisch verursacht weniger CO2 als die konventionelle, bei Rindern ist es

umgekehrt (vgl. Williams et al. 2006: S.73). Werden aber auch externe Kosten wie

Düngereinsatz oder Treibstoffe einberechnet, sei die Energieeffizienz und auch die CO2-

Emmisionen der ökologischen Landwirtschaft besser, argumentiert Young (2010: S.87).

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So zeigt Abbildung 5, dass eine vegetarische Mahlzeit, bestehend aus Reis und

Tomaten, bezüglich der Treibhausgasemissionen auch schlechter abschneiden

kann als eine Mahlzeit aus Schweinefleisch und Kartoffeln (bei gleichem Energie-

und Eiweißgehalt). Jedoch: „Generell lässt sich sagen, dass eine Ernährung mit viel

Obst und Gemüse und wenig Fleisch- und Fertigprodukten durch geringe

Emissionen und geringen Flächenverbrauch geringere Umweltauswirkungen hat, als

eine Ernährung mit viel Fleisch- und fetthaltigen Milchprodukten.“ (Stratmann 2008:

S.13)

Abbildung 5: Treibhausgasemissionen von vier verschiedenen Mahlzeiten mit

demselben Energie- und Eiweißgehalt (2000 Joule und 22-24 g Protein).

Aus: Osterburg et al. (2009), S. 75, nach Carlsson-Kanyama (1998).

Nicht messbar oder objektivierbar sind hingegen ethische Aspekte der industriellen

Fleischproduktion, wie das folgende Kapitel zeigt.

2.3 Ethische Aspekte der massenhaften Fleischproduktion

Industrialisierte Massentierhaltung ist legal. Es gibt Vorschriften zu Haltungs- und

Transportbedingungen, es gibt Futtermittelverordnungen, und es gibt überwachende

Veterinärämter. Durch solche Maßnahmen will der Gesetzgeber die

Gesundheitsrisiken für den Verbraucher minimieren. Das Gesetz ist die Instanz,

nach der die Produzenten ihr Handeln ausrichten müssen. Entsprechend der

Mechanismen des freien Marktes steht dabei das Interesse an Fleisch mit einem

guten Preisleistungsverhältnis im Mittelpunkt. Wenn technologische und Effizienz

steigernde Innovationen seitens der Produzenten nicht gegen das Gesetz

verstoßen, freuen sich die Verbraucher über kleinere Preise und die Produzenten

Page 24: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

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über einen Wettbewerbsvorteil. Doch Fleisch unterscheidet sich von anderen

Produkten in einem wesentlichen Punkt: Es lebt während der meisten Zeit der

Produktion als ein höheres Lebewesen (Wirbeltier). Der Naturphilosoph Michael

Hampe (2011: S.277) fasst diesen Unterschied zusammen: “Wenn Tiere als

Fleischressource betrachtet werden, dann stellen sie dieselbe Art von Natur für uns

Menschen dar wie das Erz in einem Bergwerk, das ausgebeutet wird; mit dem

Unterschied, dass diese Ressource nachgezüchtet werden kann. Warum kann

Menschen das als falsch erscheinen? Weil Tiere leiden, ist eine mögliche Antwort,

und Leid vermieden werden sollte. Erz kann man nicht grausam behandeln,

Schweine, Rinder und Hühner sehr wohl.”

Und so soll es hier in erster Linie um jene ethischen Aspekte gehen, die das

Produkt, also das Tier selbst betreffen. Hinzu kommen Probleme bezüglich der

Verantwortung des einzelnen Konsumenten gegenüber den oben erwähnten

Umweltauswirkungen des Fleischkonsums und den Kosten, die der Gesellschaft

dadurch entstehen. Andere Aspekte werden hier aber vernachlässigt, etwa die

Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie (Billiglöhne etc., vgl. Lütge 2012) oder

soziale und gesundheitliche Probleme von Bauern durch Intensivtierhaltung

(Borowski 2007, Jürgens, 2002)).

2.3.1 Tierleiden als ein Grund für die ethische Fleischdiskussion

Leid ist eine recht subjektive Empfindung. Menschen leiden aus verschiedenen

körperlichen oder seelischen Gründen und je nach Konstitution unterschiedlich

stark. Umso schwieriger ist es, tierisches Leid zu erfassen, da Tiere ihr Leid nicht in

Form von Sprache mitteilen können. Die Wirbeltiere, um die es hier geht, besitzen

aber zumindest alle ein Nervensystem inklusive Nozizeptoren (Schmerzsinn), mit

denen sie unangenehme (aversive) Reize aufnehmen können und auf die sie

reagieren (etwa durch Humpeln oder vermeidendes Verhalten). Das Ausmaß

tierischen Schmerzes lässt sich nicht objektivieren, auch nicht in welcher Form und

wie bewusst Tiere Schmerz erleben. Weil der Mensch sich nicht in das Schwein

hinein versetzen oder sich mit ihm austauschen kann, bleibt tierisches Leid

Ausgangspunkt für ethische Diskussionen19. Folgende Faktoren, die dieses Leid

19Dazu siehe etwa Singer (1996) oder Wolf (2005). Zu den Grundeinstellungen siehe

anthropo- patho-, bio- oder physiozentrische Positionen (Sombetzki 2010).

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  17

verursachen könnten und in der deutschen Intensivtierhaltung auftreten, werden

besonders häufig genannt:

• Bei Schweinen:

o Auf Spaltböden kann der genetisch verankerte Trieb des Wühlens

nicht ausgelebt werden, es kommt zu Triebstau und

Ersatzhandlungen (gegenseitiges Flanken blutig wühlen,

Ohrenbeißen, Kotfraß) (Borowski 2007: S.37).

o Den Ferkeln werden ohne Betäubung die Samenleiter durchtrennt,

die Wunde bleibt offen. „Das höchstens sieben Tage alte Tier schreit

erbärmlich.“ (Etscheit 2012).

o Abschneiden der Schwänze und Abschleifen der Zähne (ohne

Betäubung), um durch die Stallenge auftretenden Anzeichen von

Kannibalismus zu minimieren.

o Enge: Einem 110 kg schweren Mastschwein stehen in

Gruppenhaltung laut EU-Richtlinie (2008) 0,65 m2 Fläche zu.

o Stecher haben meist weniger als zwei Sekunden Zeit zum Abstechen

pro Tier. Ein Grund, warum in Deutschland ca. 250.000 Schweine

jährlich lebendig gebrüht werden (Tröger 2012).

• Bei Hühnern:

o Schnabelkürzen mit einer Zange und ohne Betäubung, um durch die

Stallenge auftretenden Anzeichen von Kannibalismus zu minimieren.

o Vergasung oder Schreddern (mit dem so genannten Kükenmuser)

von 30 bis 50 Millionen männlichen Küken jährlich aus der

Legehennenproduktion in Deutschland (Etscheit 2012).

o Herz-Kreislaufprobleme und Beinschäden durch Überzüchtung

(Mastzeit hat sich in den letzten 50 Jahren von 90 auf 30 Tage

verringert) (Hörning 2011).

• Bei Rindern:

o Milchleistungssteigerungen seit 50 Jahren und entsprechende

Zuchtmerkmale führen dazu, dass in Deutschland „annähernd zwei

Drittel der Kühe aufgrund von (teilweise zuchtbedingten)

Gesundheitsstörungen wie Sterilität, Euterkrankheiten,

Stoffwechselkrankheiten u. ä. vorzeitig geschlachtet“ werden müssen

(Hörning 2011).

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  18

o Fütterung mit für Kühe schwer verdaulichem Kraftfutter, was zu

schnellerem Wachstum aber auch Schädigungen der inneren Organe

führt (Borowski 2007: S.35).

• Artübergreifend: Durch die globalisierte Fleischindustrie und

Transportsubventionen werden lebende Tiere innerhalb Europas und bis in

den Nahen Osten und Nordafrika transportiert. 1-2 Prozent der Rinder und

jedes zehnte Schwein sterben durch den Stress bzw. körperlichen

Belastungen wie Durst, Hitze, Kälte, etc. (Borowski 2007: S.38).

2.3.2 Ethische Konzepte zum Fleischverzehr

Ausgeblendet wird hier die Ethik-Frage, ob Tiere überhaupt geschlachtet werden

sollten, um dem Menschen als Fleischlieferant zu dienen. Vielmehr wird es darum

gehen, wie Tiere zu Fleischlieferanten werden und welche ethischen Implikationen

Intensivtierhaltung und massenhafter Fleischkonsum mit sich bringen.

Zunächst: Was haben wir davon, wenn wir uns moralisch gut verhalten? In der

Nikomachischen Ethik geht Aristoteles der Frage eines glücklichen Lebens

(eudaimonia) nach und kommt zu dem Schluss, dass ein moralisch gutes Leben zu

einem glücklichen Leben führt. Moral wird zu einem Mittel zum Zweck (Sombetzki

2010). Dieses Konzept könnte bei entsprechenden Moralvorstellungen dazu führen,

dass der bewusstere Konsum von Fleisch (weniger und aus artgerechter Haltung)

Menschen glücklich macht. Nach Kants kategorischem Imperativ ist ethisches

Handeln ein Selbstzweck, doch bei beiden Konzepten gilt eine Voraussetzung: Der

Mensch muss sich seinen Handlungen und den daraus folgenden Konsequenzen

bewusst sein. Er muss Verantwortung übernehmen. Nur dann kann er ethisch

handeln, sei es, weil er nach Glück strebt oder einem kategorischen Imperativ folgt.

Durch Max Weber hat diese Verantwortung Einzug in die Ethik gehalten. Während

Kant und Aristoteles eher auf einer Metaebene argumentieren, die relativ weit

entfernt vom praktischen Alltag ist, eignet sich der Verantwortungsbegriff hier

besser, weil er Handlungen und ihre Konsequenzen schon in sich trägt. Jeder kann

Konsequenzen seiner Handlungen konkret und im situativen Kontext vorausahnen

oder retrospektiv betrachten. Diese Verantwortung kann deskriptiver (ursächlicher)

oder normativer (an Wertmaßstäben orientierter) Natur sein.

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  19

Deskriptiv betrachtet ist jeder Mensch, der Fleisch isst, mitverantwortlich für die

oben genannten Umweltzerstörungen. Hinzu kommen die Betreiber der

Intensivmastanlagen und großen Schlachthöfe, die Politiker, die keine Leid

reduzierenden Gesetze einführen, die Futtermittelhersteller usw.. Die Liste zeigt,

dass es sich beim heutigen Fleischproblem um eine kollektive Verantwortung

handelt. Betrachtet man diese mit der Differenz-Sicht, nach der sich die individuelle

Verantwortung in Abhängigkeit von der Anzahl der Personen vermindert (Sombetzki

2010) führt das schnell zu dem Argument: „Wenn ich auf mein Schnitzel verzichte,

ändert das nichts an der Massentierhaltung“. Doch Verantwortung ist keine fixe

Größe, die sich wie ein Kuchen aufteilen lässt (Invarianz-Sicht). Die Verantwortung

gegenüber dem Fleischproblem lässt sich nach De George (1986, nach Lenk &

Maring 1995) so beschreiben, dass die Gruppe voll und die Mitglieder partiell

verantwortlich sind. Wer genau Teil dieser Gruppe (Produzenten, Politiker etc.) ist,

kann hier nicht erarbeitet werden. Wichtig ist, dass die Konsumenten dazu gehören.

Sie sind teilweise für die oben genannten Probleme verantwortlich. Weil sich die

Fragestellung dieser Arbeit auf die Konsumenten bezieht, soll es hier nun noch um

deren Selbstverantwortung gehen und um das Problem der Distanz zwischen

individuellen Handlungen und gesellschaftlichen bzw. globalen Auswirkungen20.

2.3.3 Individuelle Verantwortung und die Distanz zwischen

Handlungen und den Folgen

Verantwortlichkeit bezüglich der Auswirkungen des massenhaften Fleischkonsums

kann hier nicht deskriptiv behandelt werden. Wer in der oben genannte Gruppe wie

kausal für welchen Teilbereich verantwortlich ist, ist unter anderem wegen der

Komplexität des Systems kaum zu beantworten. Mit Blick auf die Konsumenten und

ihre Handlungsmotivationen, um die es hier geht, soll es um normative

Verantwortung gehen. Und da wiederum stellt sich zunächst die Frage nach der

Instanz: Vor wem oder was soll ich mich verantworten?

Sombetzki (2010) lässt die Wahl, grob gesagt, zwischen Gott, Gesetzen oder

Gewissen. Gott (oder andere absolute Instanzen wie die Natur, die Menschheit etc.)

sind nicht hinterfragbar und werden hier nicht diskutiert. Instanzen wie Gerichte oder

20 Dieser Fokus, der sich auf die Folgen von Handlungen richtet, ist dem Utilitarismus

zuzuordnen. Vgl. dazu: Deontologische Ethik, die vor allem die Intention des Handelnden

moralisch beurteilt.

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  20

das Gesetz sind jene mit den objektivsten Kriterien – Verantwortung wird vor

Gerichten auch eher im Zusammenhang mit Schuld behandelt. Wenn etwa ein

Großhändler verdorbenes Fleisch umetikettiert oder ein Tiertransporter die

vorgeschriebenen Pausenzeiten nicht einhält und erwischt wird, muss er sich vor

Gericht verantworten. Der Großteil der Aktivitäten in der Fleischindustrie ist jedoch

legal. Außerdem könnten lediglich Politiker Verordnungen oder Gesetze ändern und

über diesen Hebel die oben genannten Probleme angehen21. Hier jedoch soll es um

den Konsumenten gehen, der sich im Zusammenhang mit bewusstem oder

nachhaltigem Konsum vor seinem Gewissen verantwortet. Das Entscheidende

hierbei: Es ist eine höchst subjektive Instanz. Denn die notwendigen normativen

Kriterien, die dem Gewissen, der Verantwortung vor dem Selbst, zu Grunde liegen,

sind abhängig von den Erfahrungen und Einstellungen des Einzelnen. Der eine mag

es unverantwortlich finden, ein Tier töten zu lassen, um ein Schnitzel essen zu

können. Der andere beruft sich auf den Menschen als das die Natur beherrschende

Wesen und hat kein schlechtes Gewissen, wenn in der Fleischindustrie tierisches

Leid entsteht.

Aber gerade weil die subjektiven Kriterien des Gewissens von Erfahrungen

abhängen, sind sie auch potentiell von außen beeinflussbar. Menschen können

neue Erfahrungen machen, sie können neue Informationen aufnehmen, die die

Kriterien ihres Gewissens verändern. Würden also mehr Menschen von den

Problemen des Fleischkonsums wissen, würden weniger von ihnen

verantwortungslos (in großen Mengen und aus Massentierhaltung) Fleisch essen?

Wäre eine groß angelegte Aufklärungskampagne ein adäquater Lösungsansatz?

Weil durch Fehlernährung vor allem für Gesundheitssysteme hohe Kosten

entstehen, starten Regierungen regelmäßig Aufklärungskampagnen, um das

Problem im Bewusstsein der Menschen zu verankern. Doch obwohl sie dabei nicht

an das Gewissen gegenüber anderen appellieren, sondern sogar die eigene

Gesundheit als Motivation anbieten, spricht vieles dafür, dass mit Informationen und

Aufklärung kaum etwas erreicht wird. Die Erfolge von Verbraucherinformation,

-aufklärung und -bildung sind gering (Reisch & Gwozdz 2011).

21 Das Gesetze jedoch auch Spielraum für Interpretationen lassen, zeigt sich am deutschen

Tierschutzgesetz, das nach §1 verbietet, einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen,

Leiden oder Schäden zuzufügen. Die Verfügbarkeit von preiswertem Fleisch scheint ein

hinreichend vernünftiger Grund zu sein.

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Beim massenhaften Fleischkonsum kommt hinzu, dass Aufklärung und Transparenz

wegen der entsprechenden Umstände in Ställen und Schlachthöfen seitens der

Produzenten nicht gewünscht und seitens der Politik nicht erzwungen wird. Der

Konsument ist vom Tier, dessen Tod und der Verarbeitung entkoppelt, weshalb es

für ihn kaum möglich ist, eine Beziehung zu den Problemen aufzubauen bzw. ein

Bewusstsein dafür zu entwickeln.

Doch wird das Verantwortungsbewusstsein des einzelnen gegenüber der (globalen)

Gesellschaft immer wichtiger. Maniates (2002: S.45) nennt diesen Trend die

„Individualisierung der Verantwortung“. Und Sombetzki (2010: S.20) zitiert Ludger

Heidbrink (2006): „Ohne das Verantwortungsprinzip scheint die moderne

Gesellschaft nicht mehr lebensfähig zu sein.“ Die Summe der Handlungen des

einzelnen Menschen führen zu Problemen wie Umweltzerstörung, Klimawandel oder

dem Fleischproblem. Doch der Einzelne trägt keine ursächliche Schuld. Nach De

Georges Modellen der Zuschreibung kollektiver moralischer Verantwortung (1986,

nach Lenk & Maring 1995) sind die Fleischkonsumenten eine Gruppe, die als solche

voll verantwortlich ist und in der alle Mitglieder partiell verantwortlich sind. Doch die

Gruppe ist nicht ansprechbar und die Mitglieder sind so zahlreich, das ihre

Teilverantwortung verschwindend gering ist. Es kann nur schwer ein

Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung einer Handlung hergestellt werden:

„Wenn ich kurz mit dem Auto statt mit dem Fahrrad zur Arbeit fahre, ändert das

nichts am Klimawandel. Wenn ich auf mein Schnitzel verzichte, wird der Regenwald

trotzdem für die Schnitzel der Millionen anderen gerodet,“ denken sich viele.

Außerdem ist Nahrungsaufnahme als Teil allgemeinen Konsums eine alltägliche

Gewohnheit wie Schlafen, Sporttreiben oder Kinderbetreuung. Und obwohl für diese

Tätigkeiten Materialien und Infrastrukturen benötigt werden, werden Menschen sich

nicht bewusst, dass sie dabei Ressourcen verbrauchen (Røpke 2009: S.2490).

Zwischen Handlungen und den Folgen besteht nur ein diffuser

Verstrickungszusammenhang. „Schicksalhaft ist die moderne Verantwortung, weil

sie […] sich als Folge unkontrollierbarer systemischer Prozesse einstellt.“ Und: „Wo

das Individuum sich aus freiem Antrieb in Verstrickungszusammenhänge

hineinstellt, an denen es keine direkte Schuld trägt, übernimmt es das in seine

Zuständigkeit, was jenseits der kausalen und normativen Zurechenbarkeit liegt.“

(Heidbrink 2008/09).

Theoretisch ist der Fleischkonsument also mitverantwortlich für die

Fleischprobleme. Doch seine Einflussmöglichkeiten sind begrenzt. Immerhin: Er

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  22

kann passiv Einfluss nehmen, indem er seine Konsumgewohnheiten ändert. Und

das ist zunehmend der Fall. Immer mehr Konsumenten bevorzugen Güter und

Dienstleistungen, die über einen moralischen Mehrwert verfügen, Verantwortung ist

zu einem Marktfaktor geworden (Heidbrink & Schmidt 2009). Die Handlungen der

Einzelnen summieren sich zumindest zu einer wahrnehmbaren Masse. Diese

Moralisierung der Märkte ist unter anderem drauf zurückzuführen, dass sich das

allgemeine Konsumverhalten ändert.

Und besonders beim Fleisch gibt es noch einen zweiten, direkteren Weg, über den

es zu Verantwortungsbewusstsein kommt: Das Leiden der Tiere. Während die

Regenwaldrodungen abstrakt und weit weg bleiben, veröffentlichen viele

Tierschutzorganisationen (etwa Peta) emotional aufwühlende Bilder aus

Schweineställen und von Tiertransporten. Dieser wirkt zumindest kurzfristig als Apell

an das Gewissen. Das Projekt MeinekleineFarm.org, das in Kapitel 4 beschrieben

wird, geht den entgegengesetzten Weg und nutzt positive Gefühle (die im

Gegensatz zu Schockbildern dauerhaft rezipiert werden können und nicht zu einer

Blockadehaltung führen).

Ob es nun um die Umweltzerstörung oder das Tierleiden geht – das Gewissen ist

die Instanz, an der sich das Handeln ausrichtet. Die Maßstäbe des Gewissens sind

jedoch durch Erfahrungen und Reize wandelbar und auch von gesellschaftlichen

Moralvorstellungen beeinflusst. Mit dem Wandel gesellschaftlicher Trends und

Strömungen ändert sich demnach auch das Verhalten vieler Menschen in diesen

Gesellschaften.

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  23

3 Faktoren des Nahrungsmittelkonsums und sein

Wandel In Deutschland und anderen sogenannten Überflussgesellschaften sind die

materiellen Grundbedürfnisse der Menschen befriedigt. Niemand muss verhungern,

und weil die Qualitätsstandards im Nahrungsmittelbereich gleichmäßig hoch sind,

bleibt dem Konsumenten vor allem der Preis als Auswahlkriterium. Doch auch die

Preisunterschiede sind auf dem ausdifferenzierten Markt nur noch marginal. Da der

Grundbedarf also gedeckt ist und die Produkte sich kaum noch materiell

unterscheiden, wird eine nächste Stufe des Anspruchs beschritten: Zunehmend

gewinnen immaterielle Werte an Bedeutung. Individualisierung, Selbstversorgung

(Urban Gardening etc.) und eine bewusste Beziehung zum Ursprung der Nahrung

werden wieder nachgefragt.22 Dieser Werteanspruch hängt bei Nahrungsmitteln

zudem mit Gesundheitsaspekten zusammen: Biozertifizierte Lebensmittel müssen,

je nach Verband und Siegel, strengere Auflagen bezüglich Pestizideinsatz u. ä.

einhalten.

Doch während Konsumenten hierzulande ethische, soziale und ökologische

Ansprüche an den Herstellungsprozess von Nahrungsmitteln stellen, versuchen

knapp 2,5 Milliarden Menschen mit weniger als 2 US-Dollar pro Tag (Weltbank

2012), „nur“ ihren Energiebedarf zu decken. Neben dem sich hier vollziehenden

Wandel (Kapitel 3.1) darf nicht vergessen werden, dass Fleischkonsum auch eine

globale Komponente hat (Kapitel 3.2).

3.1 Wie Konsumenten nach neuem Vertrauen suchen

Bio boomt immer noch. Zuletzt (2011) stieg in Deutschland der Umsatz mit

Bioprodukten um 9 Prozent, der Anteil am gesamten Lebensmittelmarkt erhöhte

sich auf 3,7 Prozent (BÖLW 2012). Trotz dieses noch geringen absoluten Wertes

deuten einige Faktoren darauf hin, dass Bio sich weiter etabliert: Es gibt kaum noch

22 So spricht das Gottlieb Duttweiler Institut (11. Juli 2012 ) in seiner Einladung zu einer

Gesprächsrunde über die Zukunft der Produktion von der „immer stärker werdenden

Sehnsucht nach Re-connection“ und dem „Age of Less“, das bereits angebrochen sei.

Allerdings unterscheiden sich die Ausrichtungen der Lebensstile je nach Milieu und Gruppe

recht stark (vgl. Sinus-Milieus).

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  24

Discounter, die nicht auch Bio-Produkte anbieten. Und die Zahl der Nicht- bzw.

Zufallskäufer von Bio-Produkten sank (2005 bis 2008 von 63% auf 50%), während

die der Wenig- und Medium-Käufer stieg. Doch unabhängig von Bio-Siegeln wächst

unter dem Schlagwort „Nachhaltigkeit“ ein Bewusstsein für soziale, ökologische und

ethische Auswirkungen der Lebensmittelproduktion. Dieses Bewusstsein gründet

auch in einem Vertrauensverlust des Konsumenten gegenüber den Produzenten.

Der Konsument hat keinerlei Kontakt mehr zum Produzenten, denn dieser

kommuniziert heute nur einseitig-monologisch Richtung Konsument über Werbung

(in den Medien und am Point of Sale) und die Produktverpackung. Lebensmittel sind

anonym, und der Kunde hat den menschlichen Kontakt zum Hersteller oder

Verkäufer verloren. Diese Entwicklung begann in den 50er-Jahren, als in Läden und

Kaufhäusern die Tresen abgeschafft wurden. Das sparte Personalkosten und

machte Platz für ein wachsendes Sortiment. „Der abnehmende Kundenkontakt

führte zur kommunikationssoziologisch folgenreichen Transformation des Small

Talks an Theke und Kasse in einen Brand Talk zwischen Konsument und

Verpackung.“ (Wilk 2011: S.256). Über die Texte auf der Verpackung wurde

versucht genau das zu kompensieren, was verloren gegangen ist: Nähe und

Vertrauen.

Dieses Pseudo-Vertrauen wurde durch Lebensmittelskandale erschüttert. „Um der

Verbraucherverunsicherung entgegen zu wirken und um Lebensmittel unbeschwert

genießen zu können, besteht ein Bedarf nach Natürlichkeit, Glaubwürdigkeit und

Entanonymisierung.“ (Banik & Simons 2007). Bioprodukte decken diesen Bedarf

besser als konventionelle Produkte. Bio-Siegel müssen vertrauensbildend als

Garant wirken, dass bestimmte Kriterien bei der Herstellung eines Produktes

eingehalten wurden. Diese Siegel stellen eine extreme Komplexitätsreduktion der

vielfältigen Auswirkungen der Lebensmittelproduktion dar. Kaum ein Verbraucher

kennt die Richtlinien der verschiedenen Bio-Siegel oder weiß, was diese für den

Bauern, das Tier und die Ökobilanz bedeuten23 (vgl. BÖLW 2011 und Banik &

Simons 2007). Das Vertrauen kann sich nur auf das Siegel stützen, da der Kunde

auch bei den meisten Bio-Produkten nach wie vor keinen Kontakt zum Produzenten

wiedererlangt hat.

23 Dazu eine Antwort aus der Umfrage: „Wer kenn sich schon wirklich mit Biosiegeln aus?“.

Eine weitere: „Biosiegel *lach. Hat zwischenzeitlich ja jede Kette ein eigenes. Blickt der

Großteil der Bevölkerung doch gar nicht.“

Page 33: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  25

Weil dieser Kontakt verstärkt nachgefragt wird, gewinnen regionale Produkte immer

mehr Marktanteile, denn sie suggerieren eine Re-Koppelung zwischen

Konsumenten und Produzenten. Die geografische Nähe und kulturelle

Verwandtschaft zum Ursprung der Nahrung schafft bei regionalen Produkten

Vertrauen. So achten etwa die Hälfte aller Verbraucher beim Einkaufen auf

regionale Lebensmittel (Kunze 2012) und die Deutsche Lebensmittelgesellschaft

schreibt 2011, dass Regionalität ein Megatrend sei (DLG 2011).

Nun können regionale Produkte biozertifiziert sein oder nicht, und Bio-Produkte

können regional oder in Übersee hergestellt worden sein. Für den Verbraucher

bedeutet dies eine Verdoppelung der Komplexität. Erste Versuche, auch

Regionalität mit einem Siegel zu kennzeichnen und mit dem Bio-Siegel zu

verbinden, sind regionale Biosiegel etwa aus Baden-Württemberg und anderen

Regionen24. Innerhalb der Bioprodukte ist Regionalität für Verbraucher der

wichtigste Faktor vor artgerechter Tierhaltung (BÖLW 2011). Weil Regionalität auch

für Natürlichkeit steht, müssen regionale Produkte nicht unbedingt biozertifiziert

sein, um das Vertrauen des Verbrauchers zu gewinnen. Das Bio-Konzept ist

komplizierter als der Regionalitätsgedanke, so dass die beiden Konzepte auch in

einem Spannungsverhältnis stehen. Banik & Simons (2007) berichten von

Interviews zum Thema Regionalität, die „weitaus entkrampfter“ waren als zum

Thema Bio.

Trommsdorff (2009: S.182) nennt Zahlen, nach denen die Umwelt-Sensibilität in den

80er Jahren von 72 auf 98 Prozent gestiegen ist und das Umwelt-Verhalten von 23

auf 47 Prozent. Aber weil viele Verbraucher trotz der Bio-Siegel noch verunsichert

sind, besteht eine Lücke zwischen Intentionen und Handlungen – eine positive

Einstellung gegenüber Bio-Produkten führt nicht unbedingt zu entsprechendem

Verhalten. Kuckartz et al. (2007) sprechen dann von Umweltrhetorikern, zu denen

sie 22 Prozent der Konsumenten zählen. Ein weiterer Hinderungsgrund, sich

entsprechend der Intention zu verhalten, liegt im Fehlen von Transparenz und

Vertrauen zwischen Produzenten und Konsumenten (Heidbrink & Schmidt 2009:

S.29). Dieses mangelnde Vertrauen rührt auch daher, dass industrialisierte Nahrung

zunehmend als Risikofaktor wahrgenommen wird. „Natürlichkeit gewinnt bei den

Konsumenten an Bedeutung“ und Produktion, Handel und Konsum von

24 vgl.: http://www.bio-siegel.de/infos-fuer-verbraucher/regionale-bio-siegel/ (letzter Zugriff:

19. Juli 2012).

Page 34: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  26

Lebensmitteln sowie mögliche Alternativen werden zunehmend in der Öffentlichkeit

diskutiert. (Brunner 2011: S.211).

Bio-Nahrungsmittel und die entsprechenden Siegel werden also nach wie vor

nachgefragt. Noch eingängiger und vertrauenswürdiger ist zurzeit jedoch der

Gedanke an die geografische Nähe zum Herstellungsort der Nahrung. Doch

während sich hier einige auf Regionalität rückbesinnen, führt der globale

Ernährungswandel zu alten Problemen in neuen aufstrebenden Gesellschaften.

3.2 Globaler Ernährungswandel

Während der Fleischkonsum in einigen westlichen Industrieländern stagniert oder

zurückgeht, steigt er in sich wirtschafltich entwickelnden Ländern und global weiter

an (s. Kapitel 2.1). Wie in Abbildung 6 zu sehen, ist dieser Anstieg unter anderem

bedingt durch die sogenannte Nutrition Transition, nach der sich mit wirtschaftlichem

Wachstum, Urbanisierung, Rückgang körperlicher Arbeit und wachsendem Einfluss

von Massenmedien auch die Ernährungsgewohnheiten ändern (Caballero & Popkin

2002). Während in Ländern großer Armut viele Menschen darunter leiden, dass sie

wenig Fette und viel Kohlehydrate zu Verfügung haben, aber körperlich hart

arbeiten müssen, wird diese Diät in westlichen Überflussgesellschaften im Namen

der Gesundheit bevorzugt. Der wesentliche Unterschied ist jedoch, dass

hierzulande kein Nährstoffmangel besteht.

Zwischen Hunger und Überfluss kommt es zu einer Art Sättigung (in Abb. 6 Pattern

4), in der Zucker, Fett, Fleisch und Fast-Food zusammen mit dem Rückgang

körperlicher Arbeit zu gesundheitlichen Problemen, besonders Adipositas führen.

Weil die Nutrition Transition in Schwellenländern viel schneller abläuft als früher in

westlichen Staaten, kommt es zu Überreaktionen: Waskow & Rehaag (2011: S.145)

zitieren Hawkes, nach dem sich der Speiseölkonsum in China von 1995 bis 2005

verdoppelt hat. Anfangs ein Segen für Unterernährte, liegen die verzehrten Mengen

heute weit über den empfohlenen Mengen.

Page 35: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  27

Abbildung 6: Phasen der Nutrition Transition (aus Caballero & Popkin, 2002: S.3).

NR-NCD bedeutet Nutrition Related Non-Communicable Disease (nicht

übertragbare Krankheiten wie Diabetes, Osteoporose oder Adipositas, die

durch ungesunde Ernährung wahrscheinlicher werden). Abb. inkl. Pattern 1

und 2 (Jäger/Sammler und Hunger) s. Caballero & Popkin, 2002: S.112.

Die Änderung der Ernährungsgewohnheiten geht auch mit der zunehmenden

Urbanisierung und „Supermarktisierung“ einher. Die Liberalisierung der Agrarmärkte

fördert das Wachstum ohnehin schon großer Nahrungsmittelkonzerne und

Skalierungen bezüglich des massenhaften Absatzes von Produkten. Während in

westlichen Ländern der Markt materiell weit gehend gesättigt ist, gibt es in den

Schwellen- und Entwicklungsländern noch großes Absatzpotential für Produkte, die

hierzulande zunehmend in Verruf geraten25.

Dort wächst die Zahl der Supermärkte mit mehr und mehr erschwinglichen bunten

(aber ungesunden) Produkten. Hier kommt es zur Verhaltensänderung wie in

Pattern 5 der Abb. 6 beschrieben: Ständiges Sitzen (sedentarianism) in

Dienstleistungsgesellschaften wird durch Sport und andere Aktivitäten

ausgeglichen, die Ernährung erfolgt bewusster und gesundheitsorientierter. Dort 25 Die Verbreitung von Fernsehern fördert diesen Absatz nicht nur durch Werbung, sondern

trägt darüber hinaus auch zu einem inaktiven Lebensstil bei. (Caballero & Popkin, 2002: S.4)

Page 36: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  28

kommt es zu massiver Werbung, die den Western Lifestyle26 anpreist, der wiederum

zu Übergewicht führt und bei immer mehr Menschen die Lebenserwartung verringert

(„globesity“ wird dieses weltweite Phänomen auch genant). Hier sind regionale und

ökologische Nahrungsmittel zunehmend gefragt, und zurückhaltender, bewusster

Konsum ist auch medial ein Dauerthema27.

Nachdem der allgemeine Ernährungswandel in Deutschland, in westlichen

Gesellschaften und global betrachtet wurde, geht es nun um Fleischkonsum im

speziellen.

3.3 Faktoren des Fleischkonsumverhaltens

Verhaltensweisen beim Nahrungsmittelkonsum werden von vielen verschiedenen

Faktoren beeinflusst. Dazu zählen etwa soziökonomische und soziodemografische

Faktoren wie Alter, Geschlecht, Lebensstil, finanzielle Situation oder Bildungsgrad

aber auch situative Faktoren wie die momentane Gefühlslage, Atmosphäre oder

Gruppendynamik in der Verzehrsituation. Auch körperliche Dispositionen (etwa

Allergien) spielen eine Rolle (vgl. Ernährungsökologie bei Schneider & Hoffmann

2011). Ernährung wird auch durch kulturelle und religiöse Faktoren beeinflusst (vgl.

Palmer 2010: S.227ff.), als Statussymbol verwendet und befriedigt physiologische

(Nährwert) und psychologische (Genusswert) Bedürfnisse, die in einem emotionalen

Wert münden (Kofahl 2011: S.280).

Beim Fleischkonsum spielen neben dem zunehmenden Gesundheitsbewusstsein

und abschreckenden Tierseuchen und Skandalen auch Wertevorstellungen eine

Rolle. Das Image von Fleisch hat sich seit den 90er-Jahren verschlechtert, was

auch an der massenhaften, billigen Verfügbarkeit, der Sättigung des Marktes und

26 Und im Ursprungsland des Western Lifestyle, den USA, gibt es seit den 90er Jahren eine

wachsende Bewegung der „Voluntary Simplifiers“, die bewusst auf einen Teil ihres

Einkommens und materiellen Luxus verzichten. Die Simplifiers entspannen und vereinfachen

ihr Leben auch durch reduzierten Konsum, um glücklicher zu werden (Maniates, 2002

S:199ff.). 27 Etwa Kultur SPIEGEL, Januar 2012: „Abspecken“ (reduzierter Konsum); DIE ZEIT, 15.

Dezember 2011: „Unsere Gier nach Futter“ (globale Fleischindustrie); DIE ZEIT, 22. März

2012: „Bio“ als Titelgeschichte; STERN, 9. Februar 2012: „Unser täglich Fleisch“;

Neuerscheinungen wie das Magazin „enorm“ (nachhaltiger Konsum); zeo2 03/12: „Unsere

irre Lust auf Fleisch“.

Page 37: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  29

der Berichterstattung in den Massenmedien liegt (Alvensleben & Mahlau 1998).

„Auch eine zunehmende Entfremdung von der Landwirtschaft im Allgemeinen und

speziell zur Schlachtung von Tieren sowie der Wahrnehmung des Tieres als

Nutztier“ tragen dazu bei (Deimel et al. 2010: S.10).

Deshalb und im Zuge des in Kapitel 3.1 genannten Wandels ist Transparenz

gefragt. Während 1989 noch 50 Prozent Menschen bei einer Befragung sagten,

dass sie mehr Frischfleisch kaufen würden, wenn sie den Produzenten persönlich

kennen würden, waren es 1996 bereits 69 Prozent (Bei Wurst waren es 46 bzw. 63

Prozent) (Alvensleben & Mahlau 1998). Sich wandelnde Wertevorstellungen28 in der

Gesellschaft führen dazu, dass der Konsument nicht mehr einfach nur viele Proteine

für wenig Geld, sondern auch immaterielle Eigenschaften wie Verantwortung

gegenüber Mitmenschen, Tieren und Umwelt fordert. Mit Blick auf die Zahlen klafft

aber noch eine große Lücke zwischen Forderung und entsprechender Handlung:

Der Bio-Anteil bei Fleisch und Wurst betrug 2011 in Deutschland nur 1,1 Prozent.

Die Nachfrage ist allerdings um 28 Prozent gestiegen, und es könnte mehr Bio-

Fleisch abgesetzt werden, wenn das Angebot da wäre (BÖLW, 2012).

Menschen nutzen den Konsum auch als Statement über ihre Wertvorstellungen

(Deimel et al. 2010: S.5). Der Tierschutz ist dabei ein Wert, der im Zusammenhang

mit Fleischkonsum besonders an Bedeutung gewonnen hat. 2008 beurteilten 40

Prozent der Befragten einer Studie den Tierschutz als besonders wichtig (Schulze et

al. (2008) nach Deimel et al., 2010). Das am häufigsten genannte Motiv für den Kauf

von Bio-Nahrungsmitteln war 2012 noch vor der regionalen Herkunft an erster Stelle

die Tierhaltung (DIE ZEIT, No.13). Auch Deimel et al. (2010) konstatieren die

wachsende Bedeutung der artgerechten Tierhaltung für den Verbraucher. Die

Verknüpfung des Fleischkonsums mit dem Klimawandel ist noch nicht weit

fortgeschritten, was auch an dessen Abstraktheit und Distanz liegen mag (vgl.

Kapitel 2.3.3). 2007 gaben 22 Prozent der Befragten einer GfK-Studie an, weniger

Fleisch essen zu wollen, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Im

Zusammenhang mit dem Klimawandel bestimmen Stromverbrauch und Transport

28 Nach Trommsdorff (2009: S. 174) umfassen Werte Einstellungen zu Objekten, stehen

wegen ihres normativen Charakters mit Belohnung und Bestrafung in Verbindung und

verbinden den Einzelnen mit seiner Umwelt (sozialer Aspekt). Werte beeinflussen also das

Verhalten, weil durch sie der Soll-Zustand mit dem Ist-Zustand von Objekten abgeglichen

werden kann.

Page 38: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  30

(Auto, Flugzeug) das Bewusstsein der Menschen (Deimel et al. 2010: S.11).

Allerdings ist „grass-fed“ in den USA bereits ein Trend (Kühe werden nur mit Gras

gefüttert, was Nahrungsmittelkonkurrenz vermeidet und die Klimabilanz verbessert)

(Bäuerlein 2011: S.62).

Solche Einstellungen und Gefühle29 sind maßgebliche Einflussfaktoren des

spezifischen Kaufverhaltens, besonders beim Fleischkauf. So wird Fleisch zur

Jahrtausendwende (1999) in Deutschland kaum noch als Statussymbol oder

essentieller Eiweißlieferant betrachtet (Deimel et al. 2010: S.6ff.).

29 Gefühle werden auch durch den Kulturkreis beeinflusst, in dem man sich bewegt.

Page 39: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  31

4 MeinekleineFarm.org – Eine kleine Lösung für

ein großes Problem? Kapitel 2.2 und 2.3 haben deutlich gemacht, dass massenhafter Fleischkonsum zu

ökologischen und ethischen Problemen führt. Das Projekt MeinekleineFarm.org

(MkF) will diesen Problemen entgegen wirken, indem es versucht, das Bewusstsein

und Verhalten der Konsumenten gegenüber Fleisch zu verändern30. Im Folgenden

wird kurz erläutert, wie MkF funktioniert, welche Annahmen dahinter stehen und wie

dabei Transparenz, Kommunikation und Storytelling zusammenwirken31.

4.1 Wie MeinekleineFarm.org funktioniert

Bei MeinekleineFarm.org kann man Wurst im Internet bestellen. Auf dieser Wurst ist

ein Foto von genau dem Schwein, aus dem diese Wurst hergestellt wurde. Der

Konsument kann quasi seiner Wurst in die Augen gucken. Er sieht das Antlitz des

Tieres, das er in Form von Leberwurst, Sülze oder anderem isst (Abbildung 7).

Bevor der Kunde die Wurst bestellt, muss er im MkF-Internet-Shop ein Schwein

auswählen32, von dem er Wurst bestellen möchte. Zwei ineinander greifende

Merkmale kennzeichnen MkF also aus: Die Entität ist das individuelle Tier, und

dessen Antlitz individualisiert das Produkt.

30 Im modernen Fleischkomplex ist der Konsument nur einer von vielen Beteiligten: Auf

politischer Ebene wird beispielsweise über Subventionen und Richtlinien entschieden, die

sich auf Art und Intensität der Fleischwirtschaft auswirken. Dieser mögliche Hebel der

Veränderung wird hier nicht betrachtet. 31 Ein ausführlicher Projektbericht, der auch das dahinter stehende Studium reflektiert, ist

hier abrufbar: http://storify.com/dennisbuchmann/meinekleinefarm-org-projektbericht (Letzter

Zugriff: 21. Juli 2012). 32 www.meinekleinefarm.org/schweine (Letzter Zugriff: 21. Juli 2012).

Page 40: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  32

Abbildung 7: Beispiel eines Aufklebers und wie dieser auf den Wurstprodukten von

MeinekleineFarm.org das entsprechende Schwein abbildet. Die Schweine

sind nummeriert, und neben dem ungefähren Geburtsdatum ist das

Schlachtdatum angegeben.

4.2 Annahmen hinter MeinekleineFarm.org

Ausgangspunkt für MkF war das politische Anliegen bewussteren

Nahrungsmittelkonsums. Nahrungsmittel sind insofern ein hochpolitisches Thema,

weil sie ein lebenswichtiger Teil jener knapper Ressourcen sind, um dessen

Verteilung es in der Politik geht. Durch Großkonzerne, Finanzspekulationen mit

Lebensmitteln, Nahrungsmittelkonkurrenzen (z.B. durch Fleisch oder Biokraftstoffe)

und sehr große Landverkäufe (Land-Grabbing) wird die Produktion zunehmend

globalisiert. Diese De-Regionalisierung führt zu weltweiten Abhängigkeiten und

reduzierter Resilienz (Anpassungsfähigkeit) des Systems gegenüber veränderten

Umwelteinflüssen33. Wie in Kapitel 3.1 angesprochen, sehen vor allem in westlichen

33 vgl. Fink-Keßler (2002): Mehr Sicherheit beispielsweise in bei der Fleischerzeugung kann

nur bedingt erreicht werden, indem die Vielfalt der Betriebe eingeschränkt wird. Wenn die

Produktion zentralisiert wird und kleine Handwerksbetriebe auf Großbetriebe abgestimmte

Vorschriften nicht einhalten können und aussterben, entsteht eine Art Monokultur: Schlüpft

dann ein Erreger durch die Sicherheitsvorkehrungen, haben Seuchen ein viel größeres

Zerstörungspotential als in einer diversen Landschaft von kleinen und mittelgroßen

Produzenten.

Page 41: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  33

Industriegesellschaften viele Menschen diese Entwicklung kritisch. Ein wesentlicher

Grund für diese Kritik und Verunsicherung ist die Entkoppelung des Konsumenten

vom Produzenten. Die Frage: „Wo kommt eigentlich mein Essen her?“, kann kaum

jemand beantworten, der in einer von Supermärkten geprägten Gesellschaft lebt34.

Die Frage wurde auf eines der wertvollsten Nahrungsmittel, das Fleisch, angewandt.

Was bedeutet die Entkoppelung für den Fleischesser, der ein halbes Hähnchen

fertig gegrillt für 2,25 € kaufen kann35? Wie das Wort Entkoppelung schon sagt: Es

bedeutet eine wachsende Distanz zwischen Konsument und Produkt. Deshalb freut

sich der Hähnchenesser über den günstigen Preis seiner Fleischmahlzeit und denkt

nicht an die Herstellungsbedingungen – will er auch nicht. Gäbe es auf der

Rückseite der Hähnchenbraterei eine große Glasscheibe, die den Blick in einen

konventionellen Hühnerstall frei gibt, ginge der Absatz der Grillhähnchen

wahrscheinlich zurück: Solch ein Anblick verdirbt den Appetit.

Folgt daraus also, dass man mehr schockierende Bilder von den Zuständen in der

industriellen Massentierhaltung verbreiten sollte, um Menschen zu einem

bewussten, reduzierten Fleischkonsum anzuregen? Problematisch dabei ist, dass

diese negative Herangehensweise vor allem über Schuldgefühle funktioniert, die

verdrängt und dann gemieden werden. Zwar wird wahrscheinlich bei vielen

Menschen kurzfristig die Instanz des Gewissens angesprochen. Aber die Botschaft

lässt sich nur sehr schwer zeitlich und örtlich mit der relevanten Handlung

zusammenbringen: Der Besitzer der Hähnchenbraterei wird es nicht zulassen, dass

schockierende Poster seinen Kunden den Appetit verderben. Doch wenn das

schlechte Gewissen und die ursächliche Handlung nicht zusammen kommen, ist

eine Verhaltensänderung unwahrscheinlich. Wer hier einen Bericht über die

Auswirkungen massenhaften Fleischkonsums liest oder sieht und vom emotional

wirksameren Tierleiden betroffen ist, sieht dort am nächsten Tag wieder das Foto

der Hähnchenidylle bei der Braterei. Zusammen mit dem appetitanregenden Geruch

werden so eher positive Emotionen ausgelöst, und Emotionen sind in

Entscheidungssituationen von großem Gewicht36 (Kroeber-Riehl et al. 2011: S.102).

Negative Bewertung von Informationen über die Massentierhaltung (etwa aus den

34 zur weltweiten Supermarktisierung siehe Wasko & Rehaag 2011: S.148 35 Etwa beim „Hühnerhaus“, Skalitzer Straße, Ecke Görlitzer Straße, 10999 Berlin-

Kreuzberg. 36 Dazu jemand aus der unten stehenden Umfrage: „Ach, die armen KZ-Hühnchen, die beim

Hähnchenstand immer so verführerisch duften…“

Page 42: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  34

Medien) kann vom limbischen System nicht direkt mit der entsprechenden Handlung

in Verbindung gebracht werden (bzw. höchstens mit der Handlung des Sitzens oder

ähnlichem im Moment des Rezipierens der Informationen). Und im Moment der

Handlungsentscheidung ist das negative Gefühl, das hemmend wirken könnte,

bereits verblasst. Die Erinnerungsfähigkeit an negative Emotionen ist ohnehin

eingeschränkt, und emotionale Belastung ist bei beabsichtigter Verhaltensänderung

nicht förderlich (vgl. de Jong-Meyer, 2009).

Auch die Ausgangsrahmenbedingungen des Projektes sprachen dagegen, mit

negativen Botschaften zur industriellen Massentierhaltung zu arbeiten, da mit

großem Widerstand seitens der Verkäufer konventionellen Fleisches gerechnet

werden musste. Es ist auch unwahrscheinlich, als Einzelner eine besondere

Wirkung zu erzielen mit einer Methode, die Vegetarier- und Tierschutzverbände

schon seit Jahrzehnten einsetzen.

Bei MkF wird deshalb eine positive Botschaft direkt mit der Konsumhandlung

verknüpft. Bevor man die Wurst auf das Brot schmiert, kann man dem Schwein, aus

dem sie gemacht ist, in die Augen gucken. Zusammen mit der Transparenz auf der

Webseite, wo zu lesen ist, von welchem Hof das Tier stammt, unter welchen

Bedingungen es aufgewachsen und wo es geschlachtet worden ist, vermittelt dies

im Moment des Konsums ein positives Gefühl und ein Gefühl des Vertrauens, so die

Annahme. Dieses Positive ist der tierisch-ethische Aspekt, dass es dem Tier, das

man gerade isst, besser ging als jenen aus der industriellen Haltung. Das Gewissen

(Kapitel 2.3.2 und 2.3.3), dessen Kriterien sich bei vielen Menschen im Zuge des

Gesellschaftswandels geändert haben (Kapitel 3), wird „beruhigt“. MkF appelliert

also nicht an die Verantwortung gegenüber der Umweltauswirkungen hohen

Fleischkonsums. Denn, so die Annahme: Die positiven Umweltauswirkungen

reduzierten Fleischkonsums lassen sich schlecht darstellen und wirken weniger

emotional – sie sind abstrakt und „weit weg“.

Und: Konsumentscheidungen als Teil menschlichen Verhaltens setzen sich immer

aus einer rationalen und einer emotionalen Komponente zusammen. Emotionen

wirken als Stimuli direkter, sie bedürfen keiner Begründung. Rationale Stimuli

hingegen müssen erst verarbeitet werden, sie beruhen auf der Interpretation von

Daten (Chaudhuri 2006: S.30ff.). Während bei anonymem Fleisch eher ein

emotionales Defizit herrscht (es kann keine Beziehung zum Produzenten oder Tier

hergestellt werden), versucht MkF diese Lücke mit positive Emotionen zu füllen.

Page 43: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  35

Ziel ist, dass der Konsument sein Bewusstsein und seine Einstellung zu Fleisch

dauerhaft ändert – von sich aus. Denn Ernährungsgewohnheiten von Menschen

lassen sich kaum durch einfache Empfehlungen oder normative Apelle ändern

(Hayn, 2005: S.284). Aber die positiven Anreize der „Wurst mit Gesicht“ wirken

motivierend, weil der Konsument sich als Teil der Lösung für die oben genannten

Probleme fühlen kann (zumindest für das tierisch-ethische Problem). Statt mit

Schuldzuweisung und Sanktionierung zu drohen, bietet MkF dem Konsumenten

einen leichten Weg, über den er sich ohne absoluten Verzicht engagieren kann. Es

ist eine Art des „sanften Stupsens“ (Reisch & Gwozdz 2011: S.331), das keine

Bedrohung von Alltagsgewohnheiten darstellt oder dem Konsumenten Anstrengung

abverlangt. Im Gegenteil: Das Produkt ist Teil der Lösung und der Fleischesser

kann nach wie vor Wurst essen. Über diesen minimalinvasiven Weg soll er lernen,

dass sich reduzierter Fleischkonsum vielfach positiv auswirkt.

Und „gelernt wird nicht einfach alles, was auf uns einstürmt, sondern das, was

positive Konsequenzen hat.“ (Spitzer 2007: S.177). Diese positiven Konsequenzen

aktivieren das Dopaminsystem im menschlichen Gehirn, was zur Freisetzung von

Opioiden führt – eine Belohnung. Mit Belohnungen verbundener Input (Reize,

Erfahrungen) werden mit erhöhter Wahrscheinlichkeit abgespeichert. An negativen

Erfahrungen ist das Dopaminsystem hingegen nicht beteiligt (Spitzer 2007: S.181).

MkF wirkt sich außerdem positiv auf das Belohnungssystem aus, weil es neu ist:

Während viele Menschen wissen (aber verdrängen), dass die industrielle

Massentierhaltung ethisch-problematische Haltungsbedingungen für die Tiere mit

sich bringt, konnte man bislang noch nicht per Internet von einem bestimmten

Schwein Wurst bestellen, dessen Gesicht dann auch auf jener prangt.

Darüber hinaus schafft die Transparenz auf der Webseite nicht nur Vertrauen,

sondern bietet Möglichkeiten des Lernens, etwa über ein animiertes Video, das die

globale Fleischproblematik vermittelt oder über Texte unter den Schweinen, die

Haltungsbedingungen und ökonomische Zwänge des Bauern thematisieren. „Wer

lernt, kann Schwarzweiß-Anteile seines Weltbildes durch differenziertes Verständnis

ersetzen. Aus diesem Verständnis heraus ist es möglich, sich selbst und anderen

gegenüber verantwortlich und ethisch zu handeln.“ (Buchmann 2011: S.1).

MkF hat also das ambitionierte Ziel, das Fleischkonsumverhalten von Menschen zu

verändern. Zwar sind die Aussichten auf Erfolg durch positive Incentivierung besser

als durch negative Sanktionierungen und Schuldzuweisungen. Aber ambitioniert

Page 44: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  36

bleibt das Ziel trotzdem, denn der Mensch ist ein „Gewohnheitstier37“ und ändert

sein routiniertes, allgemeines Verhalten nur ungern – er ist dies bezüglich träge

(Ben Larbi 2010: S. 31). „Insbesondere alltägliche Kaufentscheidungen sind oft stark

habitualisiert, d. h. sie werden lediglich aus Gewohnheit getroffen.“ (Sigg 2009: S.1).

MkF will ein Lösungsansatz für das Fleischproblem sein. Es geht aber nicht darum,

möglichst viele Menschen zum absoluten Fleischverzicht zu bewegen. „Weniger

Fleisch aber besseres – diese Botschaft ergibt am meisten Sinn“, schreibt auch

Bäuerlein (2011: S.98).

Dass MkF sich in einem komplexen Themenfeld bewegt und von vielen externen

Faktoren beeinflusst wird, zeigt die Wirkungslogik in Abbildung 8.

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Abbildung 8: Wirkungslogik von MeinekleineFarm.org. Der unmittelbare Output

wurde bereits geleistet, der mittelfristige Outcome wird in dieser Arbeit auf

seine prinzipielle Möglichkeit hin untersucht und der Impact wird auch in

Zukunft kaum kausal mit Mkf verbunden werden können (Komplexität der

Wechselwirkungen mit externen Einflussfaktoren). Eigene Darstellung.

37 Aus einer E-Mail der Kundin E. S. an MeinekleineFarm.org vom 24. Juli 2012: „Aber der

Faktor Gewohnheit bzw. Bequemlichkeit ist neben dem finanziellen Mehraufwand leider

nicht zu unterschätzen.“

Page 45: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  37

Der langfristige Impact (Massentierhaltung geht zurück, etc.) kann hier nicht (wenn

überhaupt) nach einem linearen Ursache-Wirkungs-Verständnis nachgewiesen

werden. Vielmehr geht es darum, mit einer Umfrage unter ersten Kunden zu zeigen,

ob der Ansatz von Mkf prinzipiell funktioniert.

Es muss klar sein, dass es sich bei MkF um einen exemplarischen Lösungsansatz

handelt, der nicht den Anspruch hat, den globalen Fleischkomplex aufzubrechen.

MkF ist vielmehr ein Studentenprojekt, das in der Öffentlichkeit relativ weite

Verbreitung gefunden hat und Aussicht auf Wachstum hat. Aber die bislang 22

verkauften Schweine ändern wahrscheinlich wenig am steigenden Fleischkonsum in

Entwicklungs- und aufstrebenden Ländern. Trotzdem: MkF kann einen Denkanstoß

geben und das sogar über die deutschen Grenzen hinaus bis ins

schweinefleischhungrige China38. Dazu hat nicht nur die Neuheit der Idee, sondern

auch die radikale, in gewisser Weise auch provokative Transparenz beigetragen

Folgende weitere Faktoren sind für die Wirkungsweise des Projektes von zentraler

Bedeutung.

4.3 Transparenz, Kommunikation und Storytelling.

Zwar konnten bislang erst 11 Schweine39 in Form von Wurst und Fleisch

ausgeliefert und so etwa 700 Kunden beliefert werden. Doch ist MkF vielmehr als

nur Wurst mit Gesicht. MkF ist Transparenz, Kommunikation und Storytelling.

Dass man seiner Wurst in die Augen gucken kann, ist die Hauptgeschichte, welche

auch die Medien anzieht. Dass dies als neu und kurios aufgenommen wurde, ist ein

weiterer Hinweis auf die Entkoppelung des Menschen von seiner Nahrung. Denn

noch vor wenigen Jahrzehnten war es durchaus üblich, sich beim Bauern ein

Schwein oder ein Teil davon auszusuchen, dem Tier also zu dessen Lebzeiten noch

zu begegnen. Heute sind die meisten Tiere, wenn wir ihnen das erste Mal

begegnen, „zum Verzehr aufbereitet […], als handelte es sich um Ikea-Regale:

massenhaft, lieblos und billig.“ (Bäuerlein 2011: S.16).

38 zur internationalen Berichterstattung über MkF, z.B. in der chinesischen Volkszeitung oder

beim internationalen TV-Sender Al Jazeera siehe

http://www.meinekleinefarm.org/in_der_presse (letzter Zugriff 21. Juli 2012) 39 zwar sind weitere 11 Schweine vorbestellt, so dass insgesamt 22 verkauft wurden

(http://www.meinekleinefarm.org/schweine, letzter Zugriff 21. Juli 2012). Allerdings werden

11 dieser Schweine erst im Herbst geschlachtet und in Form von Wurst ausgeliefert.

Page 46: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  38

MkF möchte also mit dem Foto des Schweins zu einer Re-Koppelung beitragen. Der

Konsument sieht sich damit konfrontiert, dass und wie vor der Wurst ein

entsprechendes Tier dafür gelebt hat. Konventionelle Fleischhersteller können diese

Transparenz nicht leisten, sondern müssen die Entkoppelung der Produktion vom

Konsumenten aufrechterhalten – sonst verginge ihm der Appetit. Somit ist Mkf in

erster Linie Kommunikation. Denn die Wurst unterscheidet sich nicht von anderer

Wurst des Metzgers, und der Bauer40 hält seine Schweine nicht anders als zuvor.

Der einzige Unterschied ist die radikal kommunizierte Transparenz in Form des

Schweineaufklebers.

Hinzu kommt Storytelling41. Zu jedem Schwein, das über MkF verkauft wird, wird

eine kleine Geschichte erzählt: Was ist das für ein Schwein? Wann wurde es

geboren? Was hat es erlebt? Diese Geschichten sind Teil der Rekoppelung von

Konsument und Produzent und entanonymisieren das Produkt42. Denn in der

Supermarkt-Gesellschaft ist es dem Großstädter kaum möglich, Kontakt zu seinen

Nahrungsmittelherstellern aufzunehmen (vgl. Kapitel 4.2). Die Großkonzerne sind

nicht zugänglich und die Bauern weit weg. Weil der Konsument nur unter relativ

großem Aufwand zum Bauernhof fahren kann, bringt MkF den Bauernhof zum

Konsumenten – über das Internet, mit Fotos und Geschichten. So soll das

Fleischbewusstsein der Konsumenten weiter geschärft werden43. Die Geschichten

sorgen dafür, dass der Konsument auch eine emotionale Nähe und Beziehung zum 40 Informationen zum Bauern, mit dem MkF kooperiert, finden sich hier:

http://www.meinekleinefarm.org/ueberbauerbernd (letzter Zugriff 21. Juli 2012). 41 Storytelling wird bei MkF im Sinne von Frenzel et al. (2006: S.3) eingesetzt. Demnach

heißt Storytelling, „Geschichten gezielt, bewusst und gekonnt einzusetzen, um wichtige

Inhalte besser verständlich zu machen, um das Lernen und Mitdenken der Zuhörer

nachhaltig zu unterstützen, um Ideen zu streuen, geistige Beteiligung zu fördern und damit

der Kommunikation eine neue Qualität hinzuzufügen“. 42 Beispielsweise Schwein 9: http://www.meinekleinefarm.org/schwein-9 (letzter Zugriff 21.

Juli 2012). 43 Bilder und Geschichten der Schweine führen dazu, dass Einkaufen bei MkF zum

Erlebniskonsum wird. Dieses Erlebnis führt zu Emotionen und sogenanntem Involvement,

das die Wurst von anderen Würsten absetzt (die materielle Produktqualität ist weitgehend

gleich, bzw. nicht neu). Konsumenten suchen zunehmend nach Produkten, die ihr Leben

positiv beeinflussen und einen bleibenden Eindruck hinterlassen (Langhammer 2005: S.1).

Folglich kann die Transparenz und das Storytelling bei MkF auch als Marketingstrategie

verstanden werden. Da jedoch das gesellschaftliche Anliegen und nicht Profitmaximierung

Ausgangspunkt des Projektes sind, werden Marketing-Aspekte hier nicht weiter behandelt.

Page 47: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  39

zukünftigen Produkt aufbaut. Schon 1998 empfehlen Alvensleben & Mahlau, mehr

emotionale statt nur rationaler Aspekte in der Kommunikation zu Fleischkonsum zu

nutzen und den Konsumenten persönlicher anzusprechen, um Vertrauen zu

schaffen.

Storytelling hat bei MkF auch zur Folge, dass Schlüsselinformationen verdichtet und

in Form des jedem bekannten Geschichtenmusters vermittelt werden. Auch wegen

dieses Musters wirken Geschichten überwiegend unbewusst, was wiederum zur

Folge hat, dass die Informationen effizienter und bevorzugt verarbeitet werden

(Herbst 2011: S.28ff.). „Storytelling ist gehirngerechte Kommunikation.“ (Herbst

2011: S.71).

Die Ansprache mit Geschichten soll auch dazu führen, dass der Konsument

Respekt gegenüber dem Tier empfindet, also dafür, dass das Tier als

Fleischlieferant dient. Weil, wie oben erwähnt, Eindrücke, die mit Emotionen

verbunden sind, besser erinnert werden, kann das dazu führen, dass der

Konsument beim nächsten Kontakt mit Fleisch an diese Geschichten denkt. Die

Absicht von MkF ist, dass der Konsument die guten Geschichten mitnimmt und

zukünftig auf konventionelles Fleisch mehr und mehr verzichtet. Ähnlich wie bei der

oben erwähnten Hähnchenbraterei ist MkF zwar nicht präsent, wenn der Konsument

im Supermarkt seinen Gewohnheiten nachgeht und vor dem Wurstregal steht. Aber

die Wahrscheinlichkeit, dass er sich an Mkf-Wurst erinnert, ist wesentlich größer als

bei schockierenden Dokumentationen, da MkF mit positiven Gefühlen arbeitet (vgl.

Kapitel 4.2). Eine Erinnerung an MkF, so die These, kann dann dazu führen, dass

der Konsument mit seiner Gewohnheit bricht und zunehmend auf konventionelles

Fleisch verzichtet. Denn wenn Emotionen transportiert werden, die zu Vertrauen

führen, können sich dauerhafte Einstellungen zum Fleischkonsum bilden, die sich in

Kaufabsichten niederschlagen (Deimel et al. 2010: S.6).

Ob MkF tatsächlich das Fleischbewusstsein und das Konsumverhalten seiner

Kunden beeinflusst soll nun der empirische Teil zeigen.

Page 48: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  40

5 Forschungsdesign Das Forschungsdesign richtet sich nach den Anforderungen und der

Ausgangssituation des zu untersuchenden Gegenstandes, also

MeinekleineFarm.org. Da der Autor Gründer und Leiter des Projektes ist, reflektiert

er in Kapitel 5.2 seine Rolle, bevor die ausgewählten Methoden begründet werden.

Dann wird beschrieben, wie die Umfrage durchgeführt und ausgewertet wurde.

5.1 Anforderungen und Ausgangssituation

Als eine Art Zwischenfazit: MeinekeineFarm.org will das Fleischkonsumverhalten

seiner Kunden dahin gehend beeinflussen, dass diese zukünftig weniger Fleisch

aber aus artgerechter Haltung essen. Denn die Reduktion des Fleischkonsums trägt

dazu bei, dass ökologischen Ressourcen entlastet werden. Die artgerechte Haltung

minimiert ethische Probleme, die im Zuge der industriellen Massentierhaltung

entstehen.

Die Anforderung an das Forschungsdesign besteht also darin, folgende Frage

eruieren zu können: Ändern Kunden von MkF tatsächlich ihre Einstellung zu Fleisch

und ihr Fleischkonsumverhalten, weil das Produkt von MkF eine emotionale Nähe

herstellt (vgl. Kapitel 4.2)? Die Eruierung ist deskriptiv und interpretativ gestaltet,

was einer Masterarbeit angemessen ist (Flick 2000: S.258). Auf der Ebene der

Zielsetzungen verfolgt die Arbeit persönliche Ziele (Master-Titel), praktische (ob

MkF funktioniert) und Forschungsziele (Erkenntnisse über die Funktionsweise der

inhaltlich positiven Kommunikation von MkF). Das Generalisierungspotential der

Ergebnisse ist begrenzt, da Konsumentenverhalten ein komplexer, multidisziplinärer

(Psychologie, Neurologie, Marketing, Kulturwissenschaften, Soziologie) Gegenstand

ist, der auch stark von der Lebenssituation, dem Charakter, etc. des Einzelnen

abhängt. Außerdem geht es um das konkrete Projekt MkF, das nicht für

Fleischkonsum im Allgemeinen stehen kann.

Die zu beantwortende Frage hat sowohl quantitative als auch qualitative Merkmale.

Um die Frage nach dem „ob“ der Verhaltens- oder Bewusstseinsänderung

beantworten zu können, müssen möglichst viele Kunden erreicht werden. Fragen

nach dem „wie“ müssen hingegen offen gestellt werden, um den Befragten Raum

zur Beschreibung ihres Verhaltens zu geben.

Page 49: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  41

Zur Ausgangsituation: MkF startete Mitte November 2011 mit der Schlachtung des

ersten Schweins44. Bis Juni 2011 wurden etwa 700 Kunden mit Produkten von 11

Schweinen beliefert. Diese 700 Kunden haben „Wurst mit Gesicht“ konsumiert und

eignen sich, um die Frage nach der Wirksamkeit von MkF zu untersuchen. Weil die

Zahl der Kunden für das relativ junge Projekt recht groß ist, bietet es sich an,

möglichst viele Kunden einzubeziehen. Mit der Zahl der befragten Kunden wächst

auch die Repräsentativität der Umfrage. Weil die Kunden aber in ganz Deutschland

wohnen, und weil sie so zahlreich sind, schieden Methoden wie die teilnehmende

Beobachtung oder das persönliche Interview aus – sie wären im vorgegebenen

zeitlichen Rahmen nicht umsetzbar gewesen.

Ein einfacher und direkter Zugang zu den Kunden ist der Newsletter von MkF: Von

1134 Newsletter-Abonnenten (Stand: 6. Juli 2012) sind 720 auch Kunden (einige

von ihnen haben noch keine Produkte erhalten, weil ihre Bestellungen noch offen

sind). Wegen dieses einfachen Zugangs habe ich über den Newsletter zu einer

Online-Umfrage aufgerufen.

5.2 Reflektion des Autors

Das Projekt MeinekleineFarm.org geht auf mich, den Autor dieser Arbeit, zurück. Ich

habe die Idee im Public Policy Studium an der Humboldt Viadrina School of

Governance entwickelt, in verschiedenen Präsenzphasen ausgebaut und schließlich

umgesetzt. Deshalb ist mein Bezug zu dieser Arbeit sehr persönlich. Es geht mir

hier darum, das Fleischproblem in seiner Komplexität detaillierter zu durchdringen

(Kapitel 2 und 3), und ich möchte diese Erkenntnisse in Zukunft auch in der

Kommunikation mit meinen Kunden nutzen.

Vor allem geht es mir aber um die Frage: „Funktioniert MkF überhaupt?“. Denn

angetreten bin ich in erster Linie mit einem gesellschaftlichen Anliegen und mit einer

These: Wenn Fleisch entanonymisiert wird, bekommt es wieder einen Platz im

Bewusstsein des Konsumenten, der dann sein Verhalten ändert. Folglich ist es mein

Wunsch, dass sich die These positiv untermauern lässt. Trotzdem werde ich die

Ergebnisse dieser Arbeit möglichst objektiv und kritisch betrachten, auch um die

44 Siehe: http://www.meinekleinefarm.org/schwein-1 (letzter Zugriff 21. Juli 2012)

Page 50: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  42

Glaubwürdigkeit von MkF nicht zu gefährden. Trotzdem wird die Wahrnehmung und

Interpretation der Ergebnisse durch meine Perspektive beeinflusst.

Ein weiterer Faktor, der durch mich als Autor hinzukommt, ist meine mangelnde

Ausbildung in der Sozialforschung. Als Diplom-Biologe habe ich bislang nur

naturwissenschaftlich-quantitativ geforscht (Diversitätsberechnungen an

Korallenriffen), und sozialwissenschaftliche Forschungsmethoden waren nicht Teil

dieses Master-Studiengangs. Das ist aber nicht unbedingt ein Nachteil, da ich so

den faktisch-kritischen Blick des Naturwissenschaftlers mit dem des interpretativen

Sozialwissenschaftlers vereinen kann. Insgesamt ist diese Arbeit auch keine speziell

sozialwissenschaftliche Untersuchung, sondern ist breit und entsprechend inter-

bzw. transdisziplinär angelegt.

Vorteilhaft ist, dass ich als Gründer und Leiter des Projektes dieses am meisten

durchdrungen habe und Erfahrungen sowie implizites Wissen einbringe – beides

lässt sich für externe, bislang unbeteiligte Forscher nur schwer nutzbar machen45.

5.3 Empirische Sozialforschung und ausgewählte Methoden

Empirische Sozialforschung eignet sich, um die Frage dieser Arbeit zu eruieren,

denn „unter Empirischer Sozialforschung wird allgemein eine Gesamtheit von

Methoden, Techniken und Instrumenten zur wissenschaftlich korrekten

Durchführung von Untersuchungen des menschlichen Verhaltens und weiterer

sozialer Phänomene verstanden.“ (Häder 2010: S.20).

In dieser Arbeit geht es weniger darum, etwas quantitativ zu messen, sondern

vielmehr darum, das Verhalten und die Einstellungen von Menschen bezüglich des

Lebensmittels Fleisch und dessen Konsum zu erfassen. Qualitative Forschung

eignet sich dafür, weil durch sie Lebenswelten aus der Sicht der handelnden

Menschen beschrieben werden können (Flick et al. 2000: S.14). Außerdem ist der

Standardisierungsdruck bei qualitativen Methoden geringer, weil es weniger darum

geht, objektivierbare Erkenntnisse zu erlangen (etwa durch wiederholbare

Experimente). Es sind plastische Beschreibungen gefragt, die praxisrelevant und

nah am speziellen Kontext sind. Gerade weil hier eine bislang unerforschte

Fragestellung bearbeitet wird, ermöglichen qualitative Methoden eine offene

45 Zu implizitem Wissen siehe Polanyi (1966): The Tacit Dimension.

Page 51: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  43

Herangehensweise, nach der Raum für Interpretationen und Gewichtungen bei der

Auswertung bleibt.

Während die qualitativen Aspekte durch offene Fragen bearbeitet werden, welche

die Befragten über das rein Faktische hinaus beantworten können, ergänzen

geschlossen Fragen die Auswertung um direkt vergleichbare Ergebnisse. Faktoren

wie die Menge des täglich konsumierten Fleisches oder Ja-Nein-Fragen

ermöglichen auch, Widersprüche (etwa durch soziale Erwünschtheit) bei den

Befragten aufzudecken.

Insgesamt geht es bei dieser Arbeit wie bei der Grounded Theory (vgl. Hildebrand

2000: S.32ff.) nicht darum, Vorannahmen bzw. Hypothesen zu überprüfen, sondern

erst im Zuge der Forschung Erkenntnisse zu gewinnen. Es soll mit einem Minimum

an Datenerhebung ein Maximum der Datenanalyse ermöglicht werden. Deshalb hat

die hier verwendete Methode einen offenen Charakter (etwa im Vergleich zu

Experimenten unter „kontrollierten“ Bedingungen).

5.4 Durchführung der Befragung

Die Befragung wurde online und mit ausformulierten, offenen und geschlossenen

Fragen durchgeführt. Der Aufruf erfolgte am 1. Juli 2012 per Newsletter an 1134

Abonnenten, von denen bis zum 7. Juli 2012 188 die Umfrage46 beantwortet haben

(16,6 Prozent). Von den 188 Beantwortungen wurden jene herausgenommen, aus

denen klar wurde, dass der entsprechende Umfrageteilnehmer noch keine Wurst

von MkF erhalten hat oder kein Kunde ist. Ebenso wurden abgebrochene

Beantwortungen herausgenommen, so dass schließlich 113 ausgefüllte Fragebögen

ausgewertet wurden.

Die Befragung hat vor allem aus praktischen Gründen online stattgefunden (vgl.

Kapitel 5.1). Aber auch für die Befragten ist ein Online-Formular einfacher

auszufüllen, als beispielsweise ein so genanntes Paper-and-Pencil-Interview (PAPI),

46 einsehbar unter https://www.surveymonkey.com/s/MeinekleineFarm. Einige der Fragen

werden hier nicht explizit behandelt (etwa Marktforschungsfragen) bzw. nur indirekt

ausgewertet, da sie Kontrollzwecken dienen (etwa die Frage, wann das erste Mal „Wurst mit

Gesicht“ gegessen wurde, um jene Personen ausschließen zu können, die keine MkF-

Produkte konsumiert haben.)

Page 52: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  44

das zurückgeschickt werden muss. Bei der Auswertung ist die digitale Befragung

ebenfalls vorteilhaft, weil die Daten einfach digital aggregiert und bearbeitet werden

können. Der Trend zur Online-Umfrage ist an Daten der Arbeitsgemeinschaft

Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute zu erkennen: von 1990 bis 2007

sank die Zahl der PAPI-Interviews kontinuierlich, postalische Interviews gingen seit

1999 zurück. Online-Interviews hingegen nahmen stetig zu (Häder 2010: S.188).

„Vor allem zeichnen sich schriftliche Befragungen durch den Wegfall des

Interviewereinflusses, durch einen gegenüber persönlich-mündlichen Befragungen

geringeren Gesamtaufwand sowie durch eine höhere Anonymität aus.“ (Häder

2010: S.191). Die Empfänger waren als Newsletter-Abonnenten leicht zu erreichen

(es mussten keine Adressen gesammelt werden). Allerdings kann bei schriftlichen

Online-Befragungen nicht überprüft werden, wer den Fragebogen beantwortet. Der

geringe Grad der Beteiligung kann auch ein Problem sein, in diesem Fall sind über

113 Antworten jedoch ausreichend.

Die Formulierung und Auswahl der Fragen basiert auf den oben genannten

Erfahrungen und dem impliziten Wissen, dass der Autor als Gründer des Projektes

mitbringt. Konkrete Regeln zur Erstellung von Fragebögen gibt es ohnehin nicht,

weil es schwierig ist, diese systematisch und generalisierend zu begründen.

Fragebogenerstellung bedarf auch einer gewissen Erfahrung (Häder 2010: S.193ff.).

Auch weil diese Erfahrung beim Autor begrenzt ist47, war es umso wichtiger, die

Umfrage vorher mit unbeteiligten Personen zu testen. Nachdem drei Personen

konstruktive Rückmeldungen gegeben hatten, wurde die Umfrage optimiert und

schließlich verschickt.

5.5 Auswertung

Die hier durchgeführte Online-Umfrage lässt sich entsprechend der Anforderungen

(vgl. Kapitel 5.1) sowohl quantitativ, als auch qualitativ auswerten. Bei den

geschlossenen Fragen sind prozentuale Angaben zu den Verteilungen möglich.

Diese ergänzen die offenen Fragen. Wenn zum Beispiel offen gefragt wird:

„Beschreiben Sie, ob und wie sich ihr Fleischkonsumverhalten geändert hat“, lassen

47 Im Zuge des post-graduierten Studienganges Diplom-Journalismus hat der Autor für seine

Abschlussarbeit drei persönliche Leitfadeninterviews mit Wissenschaftsjournalisten

durchgeführt und ausgewertet.

Page 53: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  45

sich die Aussagen denen der geschlossenen Fragen „Wie oft essen sie Fleisch?“

(vor bzw. nach MkF) gegenüber stellen.

Bei den offenen Fragen sind die Antworten meist stichwortartig bzw. auf wenige

Sätze begrenzt. Nach- oder Verständnisfragen waren nicht möglich, auch konnten

keine Notizen zu Mimik, Gestik, Zögern o. ä. gemacht werden. Eine ausführliche

Auswertung mit Kategorisierungs- und Codierleitfaden ist hier deshalb nicht

angebracht. Sinnvoll ist jedoch eine Verschlagwortung der Antworten der offenen

Fragen, um Tendenzen erkennen zu können. Dabei wird nach Schlüsselbegriffen

gesucht, die vermehrt genannt werden und so Clusterungen ermöglichen. Ein

induktives Vorgehen (vgl. Mayring 2008: S.472): Erst werden die Rohdaten

gesichtet, dann werden daraus sinnvolle Cluster abgeleitet. Zum Beispiel die Frage:

„Beschreiben Sie, ob und wie sie im Alltag den Umweltschutz berücksichtigen.“ Zur

Auswertung wird zunächst gezählt, wie viele Antworten überhaupt auf ein

Umweltschutzbewusstsein hindeuten. Dann werden Schlüsselbegriffe zu Transport

(Auto, Flugzeug, Fahrrad, etc), Energie (Stromsparen, Ökostrom, etc.) oder anderen

Ressourcen (Müll, Kompost, etc.) gesammelt, da sie häufig genannt werden. So

lässt sich zeigen, welche Grundeinstellung die Mehrheit der Befragten hat

(Umweltbewusstsein ja oder nein) und wie diese Grundeinstellung charakterisiert ist.

Die Auswertung der schriftlich ausgefüllten Fragebogen ist also eine Inhaltsanalyse,

da Kommunikationsmaterial systematisch bearbeitet wird (Mayring 2008: S.468).

Diese Inhaltsanalyse führte zu folgenden Ergebnissen.

Page 54: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  46

6 Ergebnisse Im Folgenden werden nun die Ergebnisse der Umfrage dargestellt. Die kursiv

gestellten Texte in Kästen sind Zitate aus der Umfrage, die die jeweiligen Stellen

qualitativ illustrieren. Kritisch diskutiert werden die Ergebnisse dann in Kapitel 7.

6.1 Wer wurde gefragt: Biografische Daten und allgemeine

Einstellungen der Befragten.

Von den 113 ausgewerteten Fragebögen wurden 50 von Männern und 63 von

Frauen ausgefüllt. Auf geschlechterspezifische Korrelationen wird nicht weiter

eingegangen, es soll hier lediglich gezeigt werden, dass die Verteilung der

Geschlechter innerhalb der Gruppe der Befragten nicht auffällig ungleich ist.

Gleiches gilt für die Altersverteilung48, die in Abbildung 9 dargestellt ist.

Abbildung 9: Altersverteilung der 113 Befragten. 20 Prozent der Kunden sind 50

Jahre oder älter.

48 Aus E-Mails und Gesprächen mit älteren Kunden geht hervor, dass diese es besonders

schätzen, „wie früher“ direkt beim Bauern von einem bestimmten Tier bestellen zu können.

So zeigt Abb. 9, dass 20 Prozent der befragten Kunden 50 Jahre oder älter sind.

Page 55: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  47

Relevant ist vor allem die Grundeinstellung der Befragten. Wen hat MkF bislang

erreicht? Vor allem Menschen, die ohnehin schon ein mehr oder weniger

ausgeprägtes Umwelt- und Ernährungsbewusstsein haben oder auch jene, die

hauptsächlich auf den Preis und weniger auf Herkunft, Qualität oder

Umweltauswirkungen ihrer Nahrungsmittel achten? Die entsprechende offene

Frage49 lautet dazu: „Bitte beschreiben Sie, ob und wie Sie im Alltag den

Umweltschutz berücksichtigen.“ Die Clusterung der Antworten ist in Tabelle 1

zusammengefasst.

Tabelle 1: Häufigkeit der genannten Aspekte auf die Frage: „Bitte beschreiben Sie,

ob und wie Sie im Alltag den Umweltschutz berücksichtigen.“ Pro Antwort

wurden zum Teil mehrere Aspekte genannt. Ein Aspekt wurde nur einmal pro

Antwort zugewiesen.

Es wird deutlich: Bis auf eine Person haben alle Befragten einen oder mehrere

Umweltschutzaspekte genannt, die im Alltag berücksichtigt werden. Für über die

Hälfte war Müll ein Umweltthema. Das mag daran liegen, dass Mülltrennung bereits

eine langjährige Geschichte50 in Deutschland hat und im Alltag vieler Menschen

integriert ist. Transport- und Energieaspekte werden ebenfalls von fast der Hälfte

der Befragten als umweltrelevant aufgefasst (vgl. Kapitel 3.3). Nahrungsmittel

49 Auch Bitten um Beschreibungen werden im Folgenden „Fragen“, genannt, obwohl sie

grammatikalisch betrachtet Aussagesätze sind. 50 Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft wurde

1961 gegründet und die darin organisierten Entsorgungsunternehmen führten schon bald

Altpapier- und Glassammelsysteme ein (http://www.bde-berlin.org/?p=3, letzter Zugriff: 12.

Juli 2012), da die sich die Bürger mittlerweile gewöhnt haben.

Aspekt Mülltrennung bzw. -vermeidung, Recycling

Transportaspekte (ÖPNV, Auto- und Flugvermeidung, Fahrradnutzung)

Energiesparen (Strom, Heizung, Wasser).

regionale Produkte

Bioprodukte allgemein

Zahl der Antworten, in denen der Aspekt genannt wurde

69 61 54 34 29

Aspekt Weniger, artgerechtes oder Biofleisch

saisonale Produkte

soziale Aspekte (Fairtrade)

keine Rücksicht auf Umweltschutz

Zahl der Antworten, in denen der Aspekt genannt wurde

25 10 6 1

Page 56: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  48

werden auch mit Umweltschutz in Verbindung gebracht: Etwa ein Drittel der

Befragten geben an, regionale Produkte zu konsumieren. Und der in Kapitel 3.1

erwähnte Trend von Bio- zu regionalen Produkten deutet sich an: 34 Personen

erklärten, regionale Produkte zu kaufen, 29 nennen „Bio“. 22 Prozent der Befragten

gehen schon bei dieser allgemeinen Frage auf das Thema Fleisch ein (25 Mal

erwähnt). Insgesamt lässt sich folgern: Die Befragten geben fast alle an,

Umweltschutz im Alltag auf irgendeine Art zu berücksichtigen. Man kann von einer

umweltbewussten Gruppe von Befragten sprechen.

Bezogen auf den Nahrungsmittelkonsum sind die Ergebnisse ähnlich (Tabelle 2).

Die Befragten wurden gebeten, ihren Ernährungs- und Einkaufstil zu beschreiben.

Tabelle 2: Häufigkeit der genannten Aspekte auf die Frage: Wie würden Sie ihren

Einkaufs- und Ernährungsstil beschreiben?“ Pro Antwort wurden zum Teil

mehrere Aspekte genannt. Ein Aspekt wurde nur einmal pro Antwort

zugewiesen.

Hier, beim Einkaufs- und Ernährungsstil, drängt sich keine eindeutige Clusterung

auf. Die Antworten sind divers, von „Lieber Klasse statt Masse“ über „durchmischt“

bis zu „so, dass nichts weggeworfen werden muss“. Bei den

Clustern „Bio“, „regionale Produkte“ und „saisonale Produkte“

werden die entsprechenden Wörter in den Antworten explizit

genannt. Auch hier fällt ein leichter Trend auf, dass Regionalität

wichtiger ist als „Bio“. Am häufigsten nennen die Befragten

jedoch das spezielle Thema des reduzierten oder artgerechten

Fleischkonsums (38 Mal bzw. 33,6 Prozent der Befragten).

Auffällig ist, dass 26 Befragte bzw. 23 Prozent explizit das Wort

„bewusst“ genutzt haben, um ihren Einkaufs- und Ernährungsstil zu beschreiben.

Aspekt

Weniger, artgerechtes oder Biofleisch

Bio regionale Produkte

saisonale Produkte „bewusst“

Zahl der Antworten, in denen der Aspekt genannt wurde

38 26 29 8 26

Aspekt selbst Kochen, kein Fast Food oder Convenience

preisbewusst fairtrade nicht bewusst (fast food, etc.)

Zahl der Antworten, in denen der Aspekt genannt wurde

13 4 3 3

„Kleine Einkäufe, Mischung aus normalem Supermarkt, Bio-Supermarkt und Bio-Markt; bewusste Ernährung (Bio-Produkte, Vollkorn, maßvolle Mengen,...)“

Page 57: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  49

Nur drei Antworten deuten darauf hin, dass Gesundheit, Erzeugung oder

Zusammensetzung der Nahrung keine besondere Rolle spielen. So lässt sich auch

schlussfolgern, dass die Befragten zum größten Teil einen gewissen monetären und

zeitlichen Aufwand auf sich nehmen, um qualitativ hochwertige Produkte zu

erhalten, bzw. dass Ernährung eine gewisse Priorität hat.

Die geschlossene Frage „Was ist ihnen beim Nahrungsmittelkauf wichtig“ stützt

diese Annahme. Der Geschmack ist den Befragten besonders wichtig, was nicht

verwunderlich ist, da durch die gustatorische Wahrnehmung die Nahrung darauf

geprüft wird, ob sie überhaupt als solche geeignet ist. Abbildung 10 zeigt auch, dass

97 Befragten Regionalität wichtig oder besonders wichtig ist. Abgesehen von den

Fleischaspekten in der offenen Frage zuvor, war auch dort Regionalität das

wichtigste Thema (vgl. Tab. 2).

Abbildung 10: Bewertung der Wichtigkeit verschiedener Faktoren auf die Frage:

„Was ist Ihnen beim Nahrungsmittelkauf besonders wichtig“.

Während bei der offenen Frage kaum jemand soziale Faktoren erwähnt hat, sind

diese nun 87 Befragten wichtig („Note“ 2) oder sehr wichtig („Note“ 1), etwa so

wichtig wie Umweltverträglichkeit (88 wichtig oder sehr wichtig.

Hier ist das Potential der sozialen Erwünschtheit aber auch

besonders hoch. Interessant ist, dass Biosiegel eine

vergleichsweise geringe Priorität haben (nur die Exklusivität des

„Ich tue mich schwer, allem zu glauben, was "bio" ist.“

Page 58: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  50

Produktes ist noch unwichtiger): Geschmack, Umweltverträglichkeit, soziale

Faktoren oder Regionalität werden nicht mit einem Biosiegel gleichgesetzt. Von den

insgesamt 33 Anmerkungen zu dieser Frage beinhalten 7 auch explizite Zweifel an

der Glaubwürdigkeit von Biosiegeln.

Im Zuge dieser Erkenntnisse ist nun auch nicht verwunderlich, dass der

Bildungsgrad der Befragten hoch51 ist: 62 Befragte (54,9%) haben studiert oder

promoviert, 27 (23,9%) haben Abitur (ohne (bislang) studiert zu haben).

Tabelle 3: Bildungsgrad der Befragten. Bei Promotion ist ein Studium vorausgesetzt,

beim Studium das Abitur. Die 27 Abiturnennungen beziehen sich auf jene

Befragten, die (noch) nicht studiert haben, jedoch z.T. eine Lehre absolviert

haben (deshalb ist die Summe größer als die der Befragten (113)).

Bei der Einkommensverteilung (Abb. 11) wird deutlich, dass knapp die Hälfte der

Befragten (49 %) ein monatliches Netto-Einkommen von bis zu 2000 Euro hat. Das

ist, verglichen mit den Daten des Statistischen Bundesamtes von 2011, leicht unter

dem durchschnittlichen Netto-Einkommen eines deutschen Arbeitnehmers52.

Zumindest lässt sich daraus ableiten, dass nicht nur überwiegend besser

Verdienende bei MkF Wurst für einen relativ hohen Preis kaufen. (Der Wurstpreis

von MkF bewegt sich auf dem Niveau von Biowurst, die etwa doppelt so teuer ist,

wie konventionelle Wurst.) Nur 20 Prozent verdienen mehr als 3000 Euro netto im

Monat.

51 vgl. unter anderem die Nationale Verzehrstudie 2 zum Ernährungsverhalten von 20.000

Studienteilnehmern: Hohes Einkommen und hoher Bildungsgrad sind deutliche

Charakteristika von Biokonsumenten. Aus ökolandbau.de:

http://www.oekolandbau.de/haendler/marktinformationen/konsumentenverhalten/biokunden-

lebensstile-und-ernaehrung/ (letzter Zugriff 12. Juli 2012). 52 Ein durchschnittliches Netto-Einkommen ist stark vereinfachend, da das Einkommen je

nach Familienstand, Zahl der Kinder, Art der Stellung (Fachkraft, leitender Angestellter etc.),

Wohngebiet (West- oder Ostdeutschland), Geschlecht, Alter etc. variiert.

Hauptschule Realschule Abitur Lehre Meister Studium Promotion Zahl der Nennungen 5 17 27 26 3 55 7

Page 59: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  51

Abbildung 11: Einkommensverteilung der 113 ausgewerteten Umfrageteilnehmer.

K. A. = Keine Angabe.

6.2 Wie die Befragten Fleisch konsumieren

Um zeigen zu können, wie sich das Fleischkonsumverhalten der Befragten

verändert hat, nachdem sie „Wurst mit Gesicht“ gegessen haben, wurden Sie

zunächst gefragt, wie oft sie pro Woche zu welcher Tageszeit Fleisch gegessen

haben, bevor sie mit MkF in Kontakt kamen. Abbildung 12 zeigt, dass es vor allem

abends schwer fällt, auf Fleisch zu verzichten. Es wird aber deutlich, dass die

Befragten keine ausgeprägten Vielfleischesser sind, da mehr als die Hälfte morgens

und mittags maximal zwei Mal pro Woche Fleisch isst. Nur wenige essen überhaupt

mehr als vier Mal pro Woche Fleisch bei einer der drei Mahlzeiten.

Page 60: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  52

Abbildung 12: Fleischkonsum vor MkF. Die Befragten haben angegeben, zu welcher

Tageszeit sie wie oft pro Woche Fleisch gegessen haben. Die

Prozentangaben beziehen sich auf den Anteil der Befragten mit den

entsprechenden Antworten.

Da den Kunden von MkF ein gewisses Grundinteresse an Fleisch aus artgerechter

Haltung unterstellt werden kann, wurde überprüft, ob diese artgerechte Haltung

auch ein relevanter Faktor ist, der zum Biofleischkauf motiviert. Die bei MkF

transparent dargestellte Freilandhaltung trifft nach Abbildung 13 auf Menschen, die

ohnehin ein großes Interesse an artgerechter Haltung haben. Während jedoch

Regionalität in den oben genannten Fragen stets eine wichtige Rolle gespielt hat,

spielt dieser Faktor bei Fleisch eine vergleichsweise geringe Rolle. Insgesamt finden

ohnehin zwei Drittel der Befragten alle Faktoren sehr wichtig („Note“ 1) bis wichtig

(„Note“ 2).

Page 61: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  53

Abbildung 13: Gründe für den Kauf von Biofleisch und wie wichtig sie den Befragten

sind.

6.3 Warum bei MkF gekauft wurde.

Auf die Frage, warum „Wurst mit Gesicht“ gekauft wurde, wird

sehr häufig ein Aspekt genannt, der schon in Kapitel 4.2

erwähnt wurde: Die Idee. Das Foto des Schweins, aus dem

die Wurst gemacht wurde, auf der Wurst abzubilden, ist neu

und hat den tieferen Sinn, den Konsumenten wieder mit seiner

Nahrung zu koppeln. MkF als Gesamtkonzept wird bei 40

Prozent der Befragten als Kaufgrund genannt. Teil dieses

Konzeptes sind die Transparenz zum Produzenten und die artgerechte Haltung der

Schweine. Diese beiden Aspekte werden ebenfalls häufig genannt. Weitere Aspekte

sind nicht gehäuft aufgetreten.

Tabelle 4: Häufig genannte Aspekte in den Antworten auf die Frage: „Beschreiben

Sie bitte, warum Sie Wurst mit Gesicht gekauft haben“.

Idee/ Konzept Infos/ Transparenz/ Nähe Artgerechte Haltung Zahl der Nennungen 47 32 34

„Der Bezug zum Fleisch muss wieder hergestellt werden, meine Tochter glaubt sonst, Leberwurst wird in den Bergen abgebaut. Nur mit Wissen können wir eine echte Entscheidung treffen.“

Page 62: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  54

6.4 Empfindungen im Zusammenhang mit MkF

Da der Konsument bei MkF schon vor dem Verzehr der Wurst eine Beziehung zu

„seinem“ Schwein aufbaut (er „muss“ sich mindestens ein Foto des Schweins

angucken), wurde die Frage nach den Empfindungen beim

Kaufprozess gestellt. Der Tod des Tieres rückt hier bereits

ins Bewusstsein, da man es zu dessen Lebzeiten in Form

von Wurst bestellt. Während nur 5 Befragte explizit nichts

Besonderes empfunden haben, sprechen 37 (knapp ein

Drittel) von einem allgemeinen guten Gefühl bzw. gutem Gewissen dem Tier

gegenüber. (Eine konservative Clusterung, da die oft genannte „Vorfreude“ und „ein

gutes Gefühl“ hier nicht mitgezählt wurden, da unklar bleibt, worauf sich diese

positiven Empfindungen beziehen). Insgesamt wurde eine Vielzahl von

Empfindungen, u. a. Neugier auf den Geschmack oder allgemeine „Freude“

genannt. Hier ist jedoch nur die Zahl der Äußerungen relevant, die sich auf das

entsprechende Schwein beziehen: Ein Drittel der Befragten wurde quasi in einem

ersten Schritt mit ihrer Wurst re-koppelt.

Tabelle 5: Häufig genannte Aspekte in den Antworten auf die Frage: „Was haben

Sie beim Kauf von Wurst mit Gesicht empfunden?“.

Nach diesem ersten Schritt Bestellung folgte die zentrale Handlung: Die Kunden

haben über den Aufkleber auf der dadurch entanonymisierten Wurst „ihrem“

Schwein in die Augen geguckt. MkF möchte durch diese Entanonymisierung seine

Kunden zum Nachdenken anregen. Wurde tatsächlich ein neuer Bezug zwischen

Konsumenten und Produkt bzw. Schwein hergestellt? Haben

die Kunden überhaupt etwas Relevantes empfunden?

Deshalb wurden die Befragten aufgefordert, Situation und

Gefühl zu beschreiben, als sie ihrer Wurst „in die Augen

geguckt“ haben. Etwas mehr als die Hälfte der Befragten (58)

hat in ihren Antworten direkt oder indirekt Empfindungen gegenüber dem Schwein

genannt. Antworten wie „ein gutes Gewissen“ wurden als indirekten Hinweis auf

Gedanken an das Schwein dazu gezählt, auch wenn das Schwein nicht explizit

genannt wurde. 12 Befragte (11,5 %) gaben an, nichts Besonderes empfunden zu

Respekt/ Wertschätzung/ Gewissen ggü. Tier nichts Besonderes

Interesse am Geschmack

Zahl der Nennungen 37 5 11

„…dass ich etwas für die artgerechte Tierhaltung beitrage. Am Schlachttag habe ich auch an mein Schwein gedacht.“

„Ich habe das “Produkt" als solches bewusster wahrgenommen, anders als bei "anonymer" Massenware… “

Page 63: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  55

haben. 11 ging es nur um den Geschmack. Das zeigt, dass die Re-Koppelung im

Vergleich zum Bestellvorgang durch die eigentliche Verzehrhandlung noch häufiger

stattgefunden hat.

Tabelle 6: Häufig genannte Aspekte in den Antworten auf die Frage: „Beschreiben

Sie die Situation und das Gefühl, als Sie ihrer Wurst in die Augen geguckt

haben.“

6.5 Auswirkungen auf das Verhalten

Die Re-Koppelung zwischen Konsument und Produkt ist Voraussetzung dafür, dass

sich ein bewusster Umgang mit Fleisch und entsprechendes Verhalten einstellt.

Deshalb wurde gefragt, ob MkF auch über den Verzehr hinaus

(nach)gewirkt hat, ob und in welchen Situationen die Befragten öfter

an Fleischkonsum und seine Auswirkungen gedacht haben. 50

eindeutige Ja-Antworten stehen hier 27 eindeutigen Nein-Antworten

gegenüber. 26 der Ja-Sager gaben an, beim Einkaufen an MkF bzw.

die Auswirkungen von massenhaften Fleischkonsums gedacht zu haben. Da hier

die Einteilung in „Ja“, „Nein“ und „Nicht eindeutig“ vorgenommen wurde, entspricht

die Summe der drei Antworten der Zahl der Befragten (113).

Tabelle 7: Auswertung der Antworten auf die Frage: „Haben Sie, nachdem Sie

Kunde von MeinekleineFarm.org geworden sind, öfter als vorher an

Fleischkonsum und seine Auswirkungen gedacht? Falls ja: in welchen

Situationen und an was haben Sie gedacht?“

Ob diese Gedanken nun auch zu entsprechendem Verhalten führen, sollte die

Frage klären: „Bitte beschreiben Sie ob und wie sich Ihr Fleischkonsumverhalten

verändert hat, nachdem Sie Wurst von MeinekleineFarm.org gegessen haben.“ Die

Antworten wurden in „Ja“, „Nein“, „Mehr“ und „nicht eindeutig“ aufgeteilt

Respekt/ Wertschätzung/ gutes Gewissen ggü. Tier/ Bewusstsein/ Entanonymisierung/

Nichts besonderes

nur Geschmacksaspekte

Zahl der Nennungen 58 12 11

Ja nicht eindeutig Nein Zahl der Nennungen 49 davon beim Einkaufen:

26 27 36

„Ich kaufe seitdem so gut wie keine Wurstprodukte im Supermarkt.“

Page 64: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  56

(Gesamtsumme = Zahl der Befragten). Innerhalb der Ja-Antworten wurden Cluster

zur Art der Verhaltensänderung gebildet, um zu zeigen, wie oft Aspekte reduzierten

bzw. artgerechteren Konsums genannt wurden (Mehrfachzuweisungen möglich).

Die Antworten sind ausgeglichen, 49 Befragte gaben an, ihren Fleischkonsum

verändert zu haben (im Sinne von MkF), 47 verneinten dies. 3 gaben an, seit MkF

sogar mehr Fleisch zu essen.

Tabelle 8: Antworten auf die Frage: „Bitte beschreiben Sie ob und wie sich Ihr

Fleischkonsumverhalten verändert hat, nachdem Sie Wurst von

MeinekleineFarm.org gegessen haben.“ („Mehr“ bedeutet gestiegenen

Fleischkonsum.)

Die offene Frage nach der Änderung des Fleischkonsumverhaltens wurde ergänzt

durch eine geschlossene Frage nach der Häufigkeit des Fleischkonsums, nachdem

die Befragten „Wurst mit Gesicht“ gegessen hatten. Diese Frage entspricht der aus

Abbildung 12. Die jeweiligen Antworten werden in Abbildung 14 miteinander

verglichen, um zeigen zu können, wie sich das Fleischkonsumverhalten der

Befragten durch MkF geändert hat.

Abbildung 14: Differenzen zwischen den Antworten auf die Fragen nach der

Häufigkeit des Fleischkonsums vor und nach MkF der einzelnen Befragten.

Negative Werte stehen für reduzierten, positive für gestiegenen und keine

(Nullwerte) für gleich gebliebenen Fleischkonsum.

Ja Nein Mehr Nicht eindeutig Zahl der Nennungen 49 weniger:

37 artgerechter:

22 47 3 14

Page 65: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  57

Hat ein Befragter beispielsweise vor MkF 7 Mal pro Woche Fleisch gegessen und

danach 5 Mal, ist die negative Differenz 2 ein Zeichen reduzierten Fleischkonsums.

Positive Werte deuten auf gestiegenen Fleischkonsum hin. In Abbildung 14 ist an

der Mehrzahl der negativen Werte zu erkennen, dass die Mehrheit der Befragten

ihren Fleischkonsum reduziert hat.

Zusammenfassend stellt Abbildung 15 die Veränderung des Fleischkonsums der

Befragten dar. Auch hier wurden die Antworten einzelnen Befragten auf die Fragen

nach dem Fleischkonsum vor und nach MkF miteinander verglichen. Gab jemand

beispielsweise an, vor MkF kein Mal morgens, 2 Mal mittags und 3 mal abends pro

Woche Fleisch gegessen zu haben, ergibt sich ein Gesamtwochenwert von 5. Gab

dieser Befragte an, nach MkF kein Mal morgens, einmal mittags und einmal abends

pro Woche Fleisch gegessen zu haben, ergibt sich ein Gesamtwert von 3. Die

Differenz von 2 (5-3) deutet auf reduzierten Fleischkonsum hin. Da man bei drei

Mahlzeiten und 7 Tagen in der Woche maximal 21 Mal Fleisch pro Woche essen

kann, ist die maximale Differenz zwischen den Fragen entsprechend 21 oder -21. Im

folgenden Diagramm wurde noch differenziert zwischen leichter Abnahme des

Konsums (Differenz 0 bis -2) und starker Abnahme (Differenz > -2). Nullwerte

entsprechen keiner Veränderung, positive Werte bedeuten eine Zunahme des

Fleischkonsums.

Abbildung 15: Fleischkonsum nach MkF. Differenzen zum Konsum vor MkF, die > -2

sind, werden als „deutlich seltener konsumiert“ und Differenzen zwischen 0

und -2 als „seltener konsumiert“ dargestellt.

Page 66: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  58

7 Diskussion Zunächst werden die Methoden kritisch betrachtet. Dann wird diskutiert, zu welchen

Ergebnissen diese Methoden geführt haben, wie aussagekräftig die Ergebnisse

demnach sind und was sie für das Projekt MkF bedeuten. Daraus folgen schließlich

Empfehlungen für weitere Forschungsansätze bzw. Verbesserungsvorschläge.

7.1 Methodenkritik

Die Online-Umfrage ist in diesem Fall geeignet gewesen, weil dadurch eine

größtmögliche Zahl an Antworten generiert werden konnte. Dieser quantitative

Aspekt ist wichtig, um eine gewisse Generalisierung der Ergebnisse zu ermöglichen:

Wären beispielsweise drei ausführliche persönliche Interviews geführt worden, wäre

zwar die Tiefe der Erkenntnisse größer gewesen, es hätten auch Nachfragen

gestellt werden können. Aber die Frage dieser Arbeit hätte nur für drei Menschen

beantwortet werden können. Bei der Online-Umfrage mussten Abstriche bei der

Ausführlichkeit der Antworten hingenommen werden, aber 113 ausgewertete

Antworten von 720 Kunden (15,7 %), die bereits „Wurst mit Gesicht“ gegessen

haben, lassen erste generalisierende Rückschlüsse zu.

Die Fragen aus der Umfrage sollen hier nicht im Einzelnen bezüglich potentieller

Fehlerquellen53 diskutiert werden. Insgesamt muss jedoch klar sein, dass das

Problem der sozialen Erwünschtheit (Selbst- und Fremdtäuschung) bei dem hier

behandelten Thema eine Rolle spielt. In einer Gesellschaft, in der immer mehr an

die Verantwortung des Einzelnen gegenüber globalen Problemen appelliert wird

(vgl. Heidbrink 2008/2009), möchte kaum jemand als verantwortungslos dastehen,

auch nicht im Zusammenhang mit den hier behandelten Themen des

Umweltbewusstseins und verantwortungsvollen Fleischkonsums. Die Anonymität

und die Abwesenheit eines Fragenstellers reduzieren hier jedoch den Effekt der

sozialen Erwünschtheit (Moosbrugger & Kelava 2008: S.59). Da bei offenen Fragen

der Befragte von selbst auf die Beispiele kommen muss, nach denen er etwa den

Umweltschutz im Alltag berücksichtigt, ist die soziale Erwünschtheit hier auch

geringer als bei geschlossenen Fragen, bei denen durch die Vorgaben auf Dinge

gebracht werden kann, die ihm selbst nicht eingefallen wären.

53 Häder (2010) listet Zufallsfehler (etwa wenn der Befragte sich vertippt oder verklickt),

systematische Fehler (etwa wenn der Befragte bei der Angabe seines Einkommens das

Weihnachts- oder Urlaubsgeld mit anzugeben) und die soziale Erwünschtheit (S.197ff.)

Page 67: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  59

Die hier angewandte Methode lässt es nicht zu, einen eindeutigen kausalen

Zusammenhang zwischen MkF und der Änderung des Fleischkonsums

herzustellen. Zwar deuten die Antworten der offenen Fragen in Kombination mit den

Differenzen der entsprechenden geschlossenen Fragen darauf hin (vgl. Abb. 14-16).

Aber gerade bei den geschlossenen Fragen kann nicht eindeutig davon

ausgegangen werden, dass allein MkF jener Stimulus war, der das

Konsumverhalten verändert hat. Die Befragten hätten beispielsweise auch durch

eine negative Berichterstattung über Massentierhaltung, die sie im gleichen

Zeitraum rezipiert haben, beeinflusst worden sein. Deshalb wäre es optimal

gewesen, wenn eine Kontrollgruppe hätte befragt werden können, also Menschen,

die MkF noch nicht kennen. Diese Kontrollgruppe in vergleichbarer Größe zu

akquirieren, hätte aber den zeitlichen Rahmen dieser Arbeit gesprengt.

Insgesamt hat sich das Umfragedesign als geeignet erwiesen, um einen komplexen

Gegenstand wie die Änderung des Konsumverhaltens einerseits ausreichend

qualitativ offen und andererseits anhand möglichst vieler Befragter zu eruieren, um

erste Aussagen treffen zu können.

7.2 Die Ergebnisse, ihre Aussagekraft und die Bedeutung für

MkF

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass zumindest ein Teil der Befragten durch das

Kommunikationskonzept von MkF und den damit verbundenen Verzehr von „Wurst

mit Gesicht“ seinen Fleischkonsum reduziert hat. 49 von 113 Befragten (43,4%)

gaben an, dass sie seit MkF weniger Fleisch und / oder jenes aus artgerechterer

Haltung essen. Allerdings gaben auch 47 Befragte (41,6%) an, dass sich ihr

Fleischkonsumverhalten nicht geändert hat. Das Gegenteil des Anliegens von MkF

wurde nur bei 3 Befragten (2,7%) erreicht: Sie gaben an, seit MkF mehr Fleisch

gegessen zu haben (allerdings ohne Angabe über dessen Herkunft). Der Vergleich

der beiden geschlossenen Fragen über den Konsum vor und nach MkF ergibt ein

ähnliches Bild. 52 Prozent der Befragten essen, seit sie „Wurst mit Gesicht“

gegessen haben, seltener Fleisch54.

54 Hier wurde nach der Häufigkeit der Fleischmahlzeiten gefragt, um der Alltagsdenkweise

der Befragten gerecht zu werden: Wann man Fleisch gegessen hat, lässt verlässlicher

erinnern, als die Menge. Es lässt sich nur schwer abschätzen, wie viel Gramm die Scheibe

Page 68: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  60

Bemerkenswert ist, dass die Hälfte der Befragten, die weniger als 2000 Euro netto

im Monat verdienen damit ein unter bis durchschnittliches monatliches

Nettoeinkommen haben, trotzdem den vergleichsweise hohen Preis für die Wurst

von MkF bezahlen. Dies könnte auf eine entsprechende Priorisierung der

artgerechten Tierhaltung hinweisen. Es müsste jedoch untersucht werden, ob diese

Kunden nicht nur einmalig ihr Geld dafür ausgegeben haben, weil sie eine neue

Idee ausprobieren wollten. (Als weiterer Kaufgrund kann der persönliche Bezug

einiger Befragter zum Autor vernachlässigt werden: Nur 3 gaben dies an.)

Diese neue Idee hat nicht nur dazu geführt, dass viele der Befragten Freunden und

Bekannten davon erzählt haben (siehe hier nicht explizit ausgewertete Frage 13 im

Anhang). Sie ist auch eine Herausforderung für MkF, denn es muss sich zeigen, ob

und wie die Kunden von Mkf auch dauerhaft bereit sind, „Wurst mit Gesicht“ zu

konsumieren. Das ist nicht nur für die Wirtschaftlichkeit von MkF als Unternehmen

relevant, sondern auch bezüglich der Botschaft – wie lässt sich diese über einen

längeren Zeitraum verbreiten, ohne dass sie langweilig wird und die Konsumenten

sich abwenden?

Die Aussagekraft dieses Ergebnisses, das als Teilerfolg für das Anliegen von MkF

gewertet werden kann, ließe sich beispielsweise durch die oben erwähnte

Kontrollgruppe erhöhen. Ebenfalls könnten zusätzliche persönliche Interviews, in

denen Nachfragen möglich sind, die Aussagekraft steigern. Trotzdem hat sich die

angewendete Methode als adäquat erwiesen, um die Ausgangsfrage dieser Arbeit

zu eruieren. Es konnte festgestellt werden, dass das Konsumverhalten der

untersuchten Gruppe von rund der Hälfte der Befragten dahin gehend beeinflusst

wurde, dass der Konsum abnahm und Fleisch aus artgerechter Haltung bevorzugt

wurde. Eine eindeutige Kausalität zwischen Entanonymisierung des Produktes und

Verhaltensänderung ist nur schwer nachweisbar. Aber emotionale und ethische

Faktoren werden von den Befragten häufig genannt: Das „gute Gewissen“ kann

daher resultieren, dass der Konsument Verantwortung übernommen hat (bewusst Wurst auf dem Frühstücksbrötchen wiegt. Außerdem hätte die Frage auf die wöchentliche

Menge reduziert werden müssen, da sie sonst zu kleinteilig geworden wäre. Diese

wöchentliche Menge zu schätzen, fällt aber schwer (merkte auch eine Testerin im Vorfeld

der Fragebogenerstellung an). Es wird angenommen, dass die Befragten bei geringerer

Häufigkeit des Fleischkonsums auch weniger Fleisch gegessen haben. Diese Annahme wird

durch die offene Frage gestützt, bei der fast ein Drittel der Befragten von sich aus

angegeben haben, seit MkF weniger Fleisch zu essen.

Page 69: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  61

vor allem gegenüber dem Tier). Mit Blick auf Kapitel 2.3.2 kann dieses moralische

Handeln auch zu einem Gefühl von Glück führen.

Geht man davon aus, dass eine gewisse Verhaltensänderung herbeigeführt werden

konnte, ist nun vor allem die Anschlussfrage relevant: Bei wem? Denn MkF möchte

vor allem jene Menschen zu einer Änderung ihres Fleischkonsumverhaltens

motivieren, die besonders viel und ethisch fragwürdiges Fleisch essen und so nicht

nur ihre eigene Gesundheit gefährden, sondern auch maßgeblich zu den oben

genannten Umwelt- und ethischen Problemen beitragen. Die Ergebnisse der hier

durchgeführten Umfrage deuten jedoch darauf hin, dass MkF vor allem so genannte

low hanging fruits erreicht: Denn bereits in der Eingangsfrage geben 112 von 113

Befragten an, in irgendeiner Art und Weise den Umweltschutz zu berücksichtigen

(obwohl die Gefahr der sozialen Erwünschtheit hier hoch ist), und 22,1 % sagen hier

von sich aus, dass sie weniger oder artgerechteres Fleisch essen, obwohl in der

Frage nur von Umweltschutz die Rede war. Auch bei der Frage nach dem Einkaufs-

und Ernährungsstil wird deutlich: Die Befragten ernähren sich bereits recht bewusst,

25 nutzen dieses Wort explizit in ihrer Antwort. Geringer Fleischkonsum aus

artgerechter Haltung ist für viele der Befragten ebenfalls wichtig, was aus den

Antworten nach der Veränderung der Einstellung gegenüber Fleisch durch MkF

deutlich wird: Viele der Befragten erwähnen hier, das MkF lediglich ihre

Grundeinstellung bestätigt. Und die Befragten repräsentieren zumindest teilweise

den Kundenstamm von MkF.

Um sein eigentliche Anliegen vorantreiben zu können, steht MkF also vor der

Herausforderung, eine erweiterte Zielgruppe zu erreichen: Es müssen vermehrt jene

Menschen erreicht werden, die viel billiges Fleisch essen, etwa bei Schnellimbissen

oder von Discountern. Dazu zählen vor allem Menschen mit einem niedrigen sozio-

ökonomischen Status (vgl. Reisch & Gwozdz 2011). Die Mehrheit der hier

Erreichten bewegt sich jedoch auf einem relativ hohem Bildungs- und

Einkommensniveau.

7.3 Ausblick und Möglichkeiten weiter gehender Forschung

Die Ergebnisse dieser Arbeit haben am Beispiel Fleisch gezeigt, dass es durchaus

möglich ist, die Einstellung und das Verhalten von Menschen zu beeinflussen,

indem man Nähe zum Produkt herstellt und positive emotionale Anreize schafft.

Page 70: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  62

Menschliches Verhalten ist jedoch ein derart komplexes Thema, dass diese

Masterarbeit nur ein Anfang sein kann.

Zunächst sollte die Validität der hier gezeigten Ergebnisse durch oben erwähnte

persönliche Interviews, teilnehmende Beobachtung55 und Kontrollgruppen

hinterfragt werden. Dies sollte sowohl vor einem ersten Kontakt mit MkF als auch

nach dem Konsum von „Wurst mit Gesicht“ geschehen, um den Einflussfaktor MkF

besser eingrenzen zu können. Außerdem könnte eine Typisierung von

Fleischessern vorgenommen werden, um Einflussfaktoren detaillierter darstellen zu

können: Welche Menschen aus welchen Milieus lassen sich wie zu einem

bewussteren Fleischkonsum motivieren? An welchen Stellschrauben (Preis,

Verfügbarkeit, Storytelling, Emotionalisierung, Unterhaltung etc.) muss gedreht

werden, um eine möglichst große Wirkung zu erzielen? Und eine größer angelegte

Umfrage mit mehr Teilnehmern würde zu signifikanteren Ergebnissen führen.

Korrelationen zwischen verschiedenen Faktoren können dann auf kausale

Zusammenhänge hinweisen. Auch ließen sich die Erkenntnisse dann besser

generalisieren und statistisch validieren.

Weil sich die Ergebnisse dieser Arbeit auf den speziellen Fall von MkF beziehen,

bleibt die Frage nach der Übertragbarkeit. Lässt sich das grundsätzliche Prinzip der

positiven Incentivierung und Transparenz auch auf andere Bereiche übertragen?

Etwa zur Stärkung regionaler Versorgungsstrukturen? Darüber hinaus, mit Blick auf

das globale Fleischproblem, muss ganzheitlicher und inter- bzw. transdisziplinär

geforscht werden. Das Fleischproblem ist auch ein Ernährungsproblem und spielt

sich auf verschiedenen Systemeben mit verschiedenen Graden von Differenzierung

55 So haben zwei Kunden dem Autor in einem persönlichen Gespräch davon berichtet, wie

besonders die Kinder (Grundschulalter) in der Familie offen und interessiert auf die „Wurst

mit Gesicht“ reagiert haben. Sie waren nicht erstaunt o.ä. (wie viele Erwachsene), sondern

fanden es natürlich, das die Wurst von jenem Schwein auf dem Aufkleber stammte. Seitdem

jedoch misstrauen sie Wurst aus dem Supermarkt oder andere Wurst, bei der nicht die

Frage beantwortet werden kann, von welchem Tier es stammt. Hier wären altersabhängige

Untersuchungen interessant: Ab welchem Alter sind Kinder derart sozialisiert, dass Sie

ähnlich wie Erwachsene erschrecken? Außerdem: Wie langfristig wirkt Wurst mit Gesicht bei

Kindern? Entwickeln sie ein entsprechend wertschätzendes Fleischkonsumverhalten, das

sich als Gewohnheit im Erwachsenenleben verankert?

Page 71: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  63

bzw. Integration ab. Es gibt viele mögliche Lösungsansätze seitens der Beteiligten56.

Das Wirkungsnetz ist sehr komplex, statt linearer Ursache-

Wirkungszusammenhänge herrscht Multikausalität (vgl. Schneider & Hoffmann

2011). Die große Herausforderung besteht darin, verschiedene Detailergebnisse auf

höherer Ebene zu integrieren, um der Globalität des Problems begegnen zu

können.

56 Als ein seitens der Politik induzierter Lösungsansatz sei hier beispielhaft die Ende 2011 in

Dänemark eingeführte Fettsteuer genannt: Pro Kilogramm gesättigte Fettsäuren fallen

umgerechnet etwa 2,15 € für Produkte an, die mehr als 2,3 Prozent dieser Fette enthalten.

Ziel ist eine Verhaltensänderung in der Bevölkerung zu bewirken.

Page 72: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  64

8 Fazit Es konnte gezeigt werden, dass erhöhter Fleischkonsum nicht nur zu

ernstzunehmenden, globalgesellschaftlich relevanten Umweltproblemen führt,

sondern durch die Massentierhaltung auch ethische Fragestellungen aufgeworfen

werden. Mit diesen Fragen beschäftigen sich Konsumenten in Deutschland und

anderen hochentwickelten (Überfluss-) Gesellschaften zunehmend, was unter

anderem an der Individualisierung der Verantwortung für gesellschaftliche und

globale Probleme liegt.

Mit zunehmender materieller Sättigung in westlichen Gesellschaften stellen

Konsumenten neue Ansprüche an ihre Nahrungsmittel, etwa hinsichtlich Ethik oder

Natürlichkeit. So haben sich Bio-Produkte bereits etabliert und wurden

massentauglich. Doch mit dieser Bio-Industrialisierung entsteht ein neues

Misstrauen, weshalb viele Konsumenten nun über geografische Nähe versuchen,

Vertrauen wiederzugewinnen: Die Regionalität von Produkten ist ihnen wichtiger als

ein Biosiegel, denn Regionalität wirkt auch entanonymisierend.

Diese Suche nach Nähe ist ein Zeichen dafür, dass Konsumenten wieder eine

Beziehung bzw. Verbindung zu ihrer Nahrung aufbauen möchten. Bei

Fleischprodukten sind die meisten Konsumenten besonders stark vom Produkt

entkoppelt: Produzenten haben kein Interesse daran, Haltungs- und

Produktionsbedingungen der konventionellen Fleischindustrie transparent zu

machen, da diese Transparenz dem Konsumenten möglicherweise den Appetit

verdirbt. Aus diesem Grund hat auch der Konsument kein besonderes Interesse an

dieser Transparenz.

MeinekleineFarm.org versucht, dieses Dilemma aufzulösen und das Bedürfnis nach

Vertrauen zu nutzen, um Menschen mit Fleischprodukten zu re-koppeln, indem

ihnen artgerechte Haltung kommuniziert und das entsprechende Produkt dazu

angeboten wird. So soll eine neue Wertschätzung für Fleisch herbeigeführt werden,

die zu einem reduzierten, aber bewussteren Fleischkonsum führt.

MkF zeigt dem Konsumenten das Tier, welches er isst. Diese direkte Re-Koppelung

wird von den MkF-Kunden positiv aufgenommen. Die hier durchgeführte

Untersuchung hat gezeigt, dass MkF bislang vor allem Menschen erreicht, die

Page 73: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

  65

ohnehin schon ein gewisses Umweltbewusstsein und auch Wertschätzung

gegenüber Tieren mitbringen bzw. wenig Fleisch aber aus artgerechter Haltung

essen. Trotzdem hat etwa die Hälfte der 113 Befragten angegeben, seit MkF noch

bewusster und weniger Fleisch zu konsumieren.

Das stützt die in Kapitel 1 gestellte These: Wenn Konsumenten ein Fleischprodukt

über Transparenz und Geschichten nahe gebracht wird, entsteht eine unter

anderem emotionale Beziehung, die zu einer neuen Wertschätzung des Tieres und

damit des Produktes führt. Das mündet in bewussterem Fleischkonsum (weniger

Fleisch aber aus artgerechter Haltung).

Trotzdem ist diese Arbeit nur ein erster Schritt: Weitere Forschung mit weiteren

Methoden ist nötig, um Erkenntnisse gewinnen zu können, die sich stärker

generalisieren lassen. Das praktische Projekt MkF steht außerdem vor der

Herausforderung, auch jene Menschen zu erreichen, die noch kein besonders

bewusstes Fleischkonsumverhalten aufweisen, auch weil hier der Hebel bzw. das

Wirkungspotential am größten ist.

Page 74: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

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Page 81: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

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Anhang Liste der gestellten Fragen aus der Umfrage

Nr Frage Art Anmerkung 1 Bitte beschreiben Sie, ob und wie

Sie im Alltag den Umweltschutz berücksichtigen.

Offen Auch bei den geschlossenen Fragen gab es ein offenes Feld für Anmerkungen

2 Zum Nahrungsmittelkonsum: Wie würden Sie ihren Einkaufs- und Ernährungsstil beschreiben?

Offen

3 Was ist ihnen beim Nahrungsmittelkauf wichtig?

Geschlossen (Bewertung der Wichtigkeit von Faktoren wie „Geschmack“, „Regionalität“ u.ä. durch Werte von 1 bis 6)

4 Warum kaufen Sie Bio-Produkte? Weil ich glaube, dass sie...

Geschlossen (Bewertung der Wichtigkeit vorgegebener Faktoren wie „weniger Schadstoffe“, „bessere Qualität“ o.ä. durch Werte von 1 bis 6)

5 Warum kaufen Sie Biofleisch? Weil ich glaube, dass...

Geschlossen (Bewertung der Wichtigkeit vorgegebener Faktoren wie „artgerechte Tierhaltung“, „Umweltschutz“ u.ä. durch Werte von 1 bis 6)

6 BEVOR sie MeinekleineFarm.org kennengelernt haben: Wie oft haben Sie Fleisch gegessen?

Geschlossen („morgens“, „mittags“, „abends“ 0 bis 7 mal pro Woche)

7 Beschreiben Sie bitte, warum Sie Wurst mit Gesicht gekauft haben.

offen

8 Wie haben Sie Wurst bei MeinekleineFarm.org bestellt?

Geschlossen (ankreuzen von Optionen wie „Ich habe den Text unter den Produkten gelesen“ u.ä.)

Frage nicht ausgewertet, da auf Involvement nicht weiter eingegangen werden konnte

9 Was haben Sie beim Kauf von Wurst mit Gesicht empfunden?

offen

10 Wann haben Sie das erste Mal der Wurst von MeinekleineFarm.org "in die Augen" geguckt?

Geschlossen (ankreuzen von Optionen: Dezember 2011 bis Mai und „noch gar nicht“)

Kontrollfrage, um jene Umfrageteilnehmer ausschließen zu können, die „Wurst mit Gesicht“ noch nicht gegessen haben. Wird in der Auswertung nicht erwähnt.

11 Beschreiben Sie die Situation und das Gefühl, als Sie ihrer Wurst in die Augen geguckt haben.

Offen

12 Haben Sie, nachdem Sie Kunde von MeinekleineFarm.org geworden sind, öfter als vorher an Fleischkonsum und seine Auswirkungen gedacht? Falls ja: in welchen Situationen und an was haben Sie gedacht?

offen

Page 82: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

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13 Haben Sie Freunden und

Bekannten von der Wurst mit Gesicht erzählt?

Geschlossen (ankreuzen von Optionen wie „bis zu 5 Leuten“, „5 bis 10 Leuten“, u.a.)

Marktforschungsfrage zur Mundpropagandaverbreitung von MkF. Wird in dieser Arbeit nicht ausgewertet.

13a Warum haben Sie davon erzählt? offen s. Frage 13 14 Bitte beschreiben Sie ob und wie

sich Ihr Fleischkonsumverhalten verändert hat, nachdem Sie Wurst von MeinekleineFarm.org gegessen haben.

offen

15 Weniger Fleisch – mehr Respekt: Hat MeinekleineFarm.org bei Ihnen zu dieser Einstellung beigetragen?

Geschlossen (Ankreuzen der Optionen „ja“, „nein“ und „weiß nicht“)

Frage wird in dieser Arbeit nicht ausgewertet, da sie zu unpräzise gestellt wurde und sich nur begrenzt für Schlussfolgerungen eignet. Außerdem Marketing-Frage, um plakativ darstellen zu können, dass MkF funktioniert.

16 NACHDEM Sie Ihrer Wurst mit Gesicht gegessen haben: Wie oft essen Sie nun Fleisch?

Geschlossen (s. Frage 6)

17 Sind Sie zufrieden mit Ihrer Bestellung? Warum würden Sie noch einmal bestellen, warum nicht?

offen Marktforschungsfrage, die in dieser Arbeit nicht ausgewertet wird.

18 Könnten sie sich vorstellen, mit Freunden ein ganzes Schwein zu kaufen (ca. 2000€ für 80 kg, 25% billiger als bei Einzelkauf der Produkte) und es acht Monate von der Geburt bis zum Schnitzel zu begleiten? Warum, warum nicht?

offen s. Frage 17

19 Wenn Sie drei Wünsche an MeinekleineFarm.org frei hätten, welche wären das?

offen s. Frage 17

20 Ihr Netto-Einkommen pro Monat ("netto" meint nach Steuern und Sozialversicherung)

Geschlossen (Ankreuzen der Optionen „weniger als 1000€“, „zwischen 1000 und 1500€“ u.ä.)

21 In welchem Jahr sind Sie geboren?

offen

Welche Ausbildung haben Sie absolviert?

Geschlossen (Ankreuzen der Optionen „Realschulabschluss“, „Studium“ u.ä.)

22 Ihr Geschlecht? Geschlossen (Ankreuzen der Optionen „männlich“, „weiblich“ und „weder noch“.)

Page 83: Masterarbeit über MeinekleineFarm.org

Einverständnis zur Einsichtnahme in die Masterarbeit Hiermit erkläre ich mich einverstanden, dass meine vorgelegte Masterarbeit „Wie wird das Konsumverhalten von Menschen beeinflusst, wenn das Produkt personalisiert und eine emotionale Nähe zu ihm hergestellt wird? Eine Untersuchung am Beispiel von Fleischerzeugnissen.“ den nachfolgenden Jahrgängen des Studienganges MPP zur Einsicht bereitsteht. Eidesstattliche Erklärung Ich, Dennis Buchmann, erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit mit dem Thema „Wie wird das Konsumverhalten von Menschen beeinflusst, wenn das Produkt personalisiert und eine emotionale Nähe zu ihm hergestellt wird? Eine Untersuchung am Beispiel von Fleischerzeugnissen.“ selbständig verfasst und nur unter Verwendung der angegebenen Literatur und Hilfsmittel angefertigt habe. Die aus fremden Quellen direkt oder indirekt übernommenen Inhalte sind als solche kenntlich gemacht. Ebenfalls versichere ich, dass die Arbeit bisher keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch nicht veröffentlicht wurde.