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Netzwerkplattformen und soziale Netzwerke – Persönliche Öffentlichkeiten und etablierte Medien Dr. Jan-Hinrik Schmidt Wissenschaftlicher Referent für digitale interaktive Medien und politische Kommunikation Bonn, 27.10.2009

Netzwerkplattformen und soziale Netzwerke

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Vortrag beim ARD-ZDF-Onlineworkshop, 27.10.2009, Bonn

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Page 1: Netzwerkplattformen und soziale Netzwerke

Netzwerkplattformen und soziale Netzwerke –

Persönliche Öffentlichkeiten und etablierte Medien

Dr. Jan-Hinrik Schmidt

Wissenschaftlicher Referentfür digitale interaktive Medien und politische Kommunikation

Bonn, 27.10.2009

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Agenda

1. Welchen Stellenwert haben Netzwerkplattformen?

Ergebnisse einer repräsentativen Befragung von 12-24-Jährigen Internet-Nutzern in Deutschland (N= 650; Feldzeit: Oktober/November 2008)

2. Was macht Netzwerkplattformen so populär?

3. Wie verhalten sich etablierte Medien und Netzwerkplattformen zueinander?

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n=650 TV Radio Internet Zeitung Zeitschr.nichts davon

Wenn Du Dich informieren möchtest, was in der Welt los ist

29,5 4,3 34,8 28,5 2,4 0,4

Wenn Du Dich ausruhen möchtest. 42,6 27,1 8,7 4,9 10,3 6,4

Wenn Du Informationen zu einem konkreten Problem suchst, das Dich beschäftigt.

2,5 1,0 90,0 3,1 1,6 1,8

Wenn Du erfahren willst, was gerade „in“ oder „out“ ist. 18,6 2,2 43,6 4,7 27,0 4,0

Wenn Du Spaß haben willst. 27,9 6,3 59,2 0,5 2,0 4,2

„Welches Medium ist am Besten geeignet, … “

Quelle: Schmidt/Paus-Hasebrink/Hasebrink 2009

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Lieblingsangebote nach Geschlecht und Alter (in %; 2008)

N=650 Männ. Weib. 12-14 15-17 18-20 21-24 Ges.

Netzwerkplattformen 47 67 55 70 53 52 57

Sonstiges 43 40 50 43 38 38 41

Provider 24 44 18 25 37 48 34

Suchmaschinen 32 30 26 22 37 36 31

Videoplattformen 37 26 46 42 27 18 31

Journalistische Medien 19 13 7 8 21 25 16

Spiele und -plattformen 20 8 33 6 11 9 14

Ein-/Verkaufen 15 13 2 8 19 22 14

Wiki 10 11 9 11 14 9 11

Sport 11 3 4 7 6 10 7

Instant Messaging 2 9 11 8 3 2 5Erläuterung: Nachträgliche Kategorisierung einer offenen Abfrage von bis zu drei Lieblingsangeboten; Lesebeispiel: 47 Prozent der männlichen Befragten nannten Netzwerkplattformen als eine ihrer drei Lieblingsseiten. Quelle: Schmidt/Paus-Hasebrink/Hasebrink 2009

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Netzwerkplattform-Nutzung nach Geschlecht und Alter (in %; 2008)

N=650 Männ. Weib. 12-14 15-17 18-20 21-24 Gesamt

Regelmäßige SNS-Nutzer 71,0 74,8 68,2 81,8 70,4 71,2 72,8

favorisierte Plattform

Nicht bestimmbar 22,1 23,3 18,9 23,0 22,6 24,5 22,7

schülerVZ 23,9 18,3 37,1 42,6 13,8 1,4 21,1

studiVZ 12,7 15,1 1,5 1,4 13,2 30,7 13,9

MySpace 3,3 3,5 0,8 5,4 3,1 3,3 3,4

MeinVZ 0,3 1,3 0,8 0,0 1,3 1,4 0,8

Lokalisten 3,3 3,8 1,5 2,7 6,9 3,3 3,5

Wer kennt wen 3,3 4,7 3,0 0,7 6,9 5,2 4,0

Xing 0,3 0,0 0,0 0,0 0,0 0,5 0,2

Knuddels 1,2 1,3 0,8 2,7 0,6 0,5 1,2

Facebook 0,0 0,9 0,0 0,0 1,9 0,0 0,5

Schüler.cc 0,6 1,3 3,0 1,4 0,0 0,5 0,9

Netlog 0,0 1,3 0,8 2,0 0,0 0,0 0,6

Quelle: Schmidt/Paus-Hasebrink/Hasebrink 2009

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Was ist der Reiz?

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Agenda

1. Welchen Stellenwert haben Netzwerkplattformen?

2. Was macht Netzwerkplattformen so populär?

Sie unterstützen Prozesse des Identitäts-, Beziehungs- und Informationsmanagements

3. Wie verhalten sich etablierte Medien und Netzwerkplattformen zueinander?

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Was geschieht?

Das gegenwärtige Internet senkt die Hürden für onlinebasiertes…

www.flickr.com/photos/44029537@N00/12760664/

– Identitätsmanagement (Darstellung individueller Interessen, Erlebnisse, Meinungen, Kompetenzen, etc.)

http://flickr.com/photos/mylesdgrant/495698908/

– Beziehungsmanagement (Pflege von bestehenden und Knüpfen von neuen Beziehungen)

http://www.flickr.com/photos/axels_bilder/1267008046/

– Informationsmanagement (Selektion und Weiterverbreitung von relevanten Daten, Informationen, Wissen- und Kulturgütern)

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Identitätsmanagement – Wer bin ich?

• Identitätsmanagement ist im Kontext von Individualisierungsprozessen zu sehen, die moderne Gesellschaften auszeichnen

• Individualität – die eigene unverwechselbare Identität zu entwickeln und darzustellen – ist gesellschaftliches Leitbild und normative Anforderung an den Einzelnen

• Identität ist nicht ein für alle Mal stabil, sondern bildet sich in alltäglichen Interaktionen mit Bezugsgruppen heraus, bleibt dadurch wandelbar

• „Identitätsprojekte“ oder „Identitätspolitik“ (z.B. bei marginalisierten Subkulturen) verweisen auf die Notwendigkeit von aktivem Tun (~ „management“), aber auch auf die Bedeutung von sozialer Anerkennung

www.flickr.com/photos/44029537@N00/12760664/

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Beziehungsmanagement – Wo stehe ich in Gesllschaft?

http://flickr.com/photos/mylesdgrant/495698908/

• Identität ist somit nicht von der Einbettung in soziale Gebilde zu trennen und entsteht nur im Wechselspiel von individuell-persönlichen Merkmalen und sozialen Zugehörigkeiten

• Formen der sozialen Organisation haben sich geändert – zeitlich stabile, traditionell begrün-dete und örtlich gebundene Gruppen verlieren gegenüber flexiblen, interessengeleiteten und ortsübergreifenden Bindungen relativ an Gewicht

• Teilhabe an Gesellschaft, die von „vernetzter Individualität“ gekennzeichnet ist, setzt daher auch die aktive Pflege und das Knüpfen von sozialen Beziehungen voraus; „Networking“ ist nicht nur im beruflichen Kontext eine Schlüsselqualifikation, sondern muss auch im alltäglichen Leben beherrscht werden

• Unterschiedliche Formen der Beziehung („strong ties“ vs. „weak ties“) liefern dabei unterschiedliche Arten des Sozialkapital

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Informationsmanagement – Wie orientiere ich mich in der Welt?

http://www.flickr.com/photos/axels_bilder/1267008046/

• Statt einer „daily me“ (= individuell vorgenom-mene Auswahl professionell produzierter Informationen) fördern Netzwerkplattformen (ähnlich wie die Blogosphäre oder Twitter) vielmehr die „ambient awareness“ für die eigene soziale Umgebung: Was beschäftigt mein Umfeld gerade?

• Orientierung in der Informationsgesellschaft, noch dazu unter Bedingungen konvergierender Medienumgebungen, setzt wiederum eigene Kompetenzen voraus

• Monopol von professionellen Experten (Journalisten, Enzyklopädisten, Bibliothekare, …) auf das Auswählen, Aufbereiten und öffentliche zur-Verfügung-Stellen von Informa- tionen schwindet, weil im Internet die technischen Hürden für diese Prozesse sinken

• Hinzu kommen neue Formen von Öffentlichkeit, bei denen die persönliche Relevanz und das Kommunizieren innerhalb sozialer Netzwerke (statt für disperse Publika) im Mittelpunkt stehen

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Artikulierte soziale Netzwerke

Nutzer von Netzwerkplattformen (12-24jährige; 2008))

Haben im Durchschnitt: 130 Freunde

Haben davon bereits face-to-face getroffen

die meisten: 85 Prozent

weniger als die Hälfte: 5 Prozent

Sehen als enge Freunde an

die meisten: 15 Prozent

weniger als die Hälfte: 62 Prozent

Auf Netzwerkplattformen…

… entstehen „persönliche Öffentlichkeiten“, ...

… die starke und schwache Beziehungen umfassen…

… und den Nutzer zum „Sender“ wie „Empfänger“ macht.

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Persönliche Öffentlichkeiten

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Regulierende Faktoren

Recht•Datenschutzregelungen

•Persönlichkeitsrecht

•….

Informelle Normen•„Netiquette“

•Stilkonventionen & Subkultur

•….

Software-Code•Interface-Vorgaben

•Default Settings

•….

Vertrag (AGBs)•Verbot von Fake-Accounts

•Haftungssausschluss

•….

Nutzung

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Agenda

1. Welchen Stellenwert haben Netzwerkplattformen?

2. Was macht Netzwerkplattformen so populär?

Sie unterstützen Prozesse des Identitäts-, Beziehungs- und Informationsmanagements

3. Wie verhalten sich etablierte Medien und Netzwerkplattformen zueinander?

Komplementarität statt Konkurrenz

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Netzwerkplattformen und professionelle Medien

Netzwerkplattformen sind – anders als z.B. Blogs oder Videoplattformen – keine Konkurrenz zu etablierten Medien in ihrer Rolle als Medienproduzenten

Allerdings unterstützen und verändern sie Praktiken des Filterns und Distribuierens von Medieninhalten

Medieninhalte sind auf Netzwerkplattformen vorrangig Anlass für Konversation – sie werden verlinkt und kommentiert

Unterschiedliche Funktionen von massenmedialer und interpersonaler Kommunikation sind altbekanntes Phänomen (Two-step-flow-of-communication; Anschlusskommunikation)

Meldungen aus etablierten Medien dienen auch und gerade in den persönlichen Öffentlichkeiten als „units of social currency“ – als Anknüpfungspunkt für Gespräche und Konversationen

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Beispiel: ZDF & Facebook

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Beispiel: Spon & Facebook

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Distributionswege von Online-Nachrichten (NYT; 2008)

Quelle: Kang 2009

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Nur wenig Kritik journalistischer Angebote in Blogs

8,8

11,2

12,3

78,2

82,1

80,5

83,1

9

8,2

14,7 7,1

4,6

0% 20% 40% 60% 80% 100%

Öffentlich-rechtlich

Privat

Top 20 RedaktionelleAngebote

Top 5 Blogs

Positiv Neutral NegativQuelle: Auswertung von N=1.750 Links von Blogs auf populäre journalistische Online-Angebote (Quelle hierfür: www.technorati.com)

Anteil bewertender Verweise von Blogs auf andere Online-Quellen (in %)

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Quellen von Social-News-Plattformen

Colivia

Newstube

Webnews Yigg Digg

Klassische Massenmedien

36,4 47,7 51,0 38,7 33,5

Portale 22,7 5,5 14,9 16,1 22,0

Weblogs/private Webseiten

27,3 29,5 18,2 40,3 22,2

Kommerzielle Angebote

6,8 11,6 6,3 2,2 10,7

Communities/Foren

2,3 4,5 5,1 1,6 8,8

Sonstige 4,5 1,2 4,5 1,1 2,8

Quelle: modifiziert nach Rölver/Alpar 2008, S. 317

Anteile verschiedener Nachrichtenquellen unter den Topbeiträgen ausgewählter Social-News-Plattformen (in %)

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Fazit

Netzwerkplattformen gehören zu den meist genutzten Anwendungen des Internet und sind paradigmatisch für das „neue Netz“ (Social Web, Social Media, Web 2.0)

Netzwerkplattformen unterstützen Identitäts-, Beziehungs- und Informationsmanagement innerhalb von persönlichen Öffentlichkeiten – Informationen von persönlicher Relevanz werden in tendenziell eher kleinen Publika geteilt

Netzwerkplattformen konkurrieren mit etablierten Medienanbietern nicht beim Produzieren von Inhalten, sondern beim Filtern und bei der Distribution von Inhalten

Offene Frage: Wer kontrolliert und gestaltet die Rahmenbedingungen der neuen Kommunikationsräume?

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Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Dr. Jan-Hinrik Schmidt

Hans-Bredow-Institut

Warburgstr. 8-10, 20354 Hamburg

[email protected]

www.hans-bredow-institut.de

www.schmidtmitdete.de

www.dasneuenetz.de

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Weiterführende Literatur

– ARD-ZDF-Onlinestudie 2009:– Van Eimeren, Birgit/Beate Frees (2009): Der Internetnutzer 2009 – multimedial und total vernetzt?

Ergebnisse der ARD/ZDF-Onlinestudie 2009. In: Media Perspektiven, Nr. 7, 2009, S. 334-348. Online verfügbar: http://www.media-perspektiven.de/uploads/tx_mppublications/Eimeren1_7_09.pdf.

– Busemann, Katrin/Christoph Gscheidle (2009): Web 2.0: Communitys bei jungen Nutzern beliebt. In: Media Perspektiven, Nr. 7. S. 356-364. Online verfügbar: http://www.media-perspektiven.de/uploads/tx_mppublications/ Busemann_7_09.pdf.

– Benkler, Yochai (2006): The Wealth of Networks. How social production transforms markets and freedom. New Haven/London.

– Boyd, Danah/ Nicole Ellison (2007). Social network sites: Definition, history, and scholarship. Journal of Computer-Mediated Communication, 13(1), article 11.http://jcmc.indiana.edu/vol13/issue1/boyd.ellison.html

– Bruns, Axel (2005): Gatewatching. Collaborative Online News Production. New York.– Bruns, Axel (2008): Blogs, Wikipedia, Second Life, and beyond. From production to produsage. New York.– Kang, Jeong-Soo (2009): Ausgestaltung des Wertschöpfungsprozesses von Online-Nachrichten.

Unveröffentlichte Dissertation an der Privaten Universität Witten/Herdecke.– Neuberger, Christoph/Christian Nuernbergk/Melanie Rischke (Hg.) (2009): Journalismus im Internet.

Profession – Partizipation – Technisierung. Wiesbaden. – Rölver, Markus/Paul Alpar (2008): Social News, die neue Form der Nachrichtenverteilung? In: Paul

Alpar/Steffen Blaschke (Hrsg.): Web 2.0 – Eine empirische Bestandsaufnahme. Wiesbaden. S. 259-330.– Schmidt, Jan (2009): Das neue Netz. Merkmale, Praktiken und Konsequenzen des Web 2.0. Konstanz.– Schmidt, Jan/Ingrid Paus-Hasebrink/Uwe Hasebrink (Hg.) (2009): Heranwachsen mit dem Social Web. Berlin .