2

Click here to load reader

Rezension Müller: Arbeitsbuch Linguistik

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Rezension Müller: Arbeitsbuch Linguistik

Rezension

Rezensionstitel: H. M. Müller (Hg.), Arbeitsbuch Linguistik. Eine Einführung in die

Sprachwissenschaft. 2. Auflage

Autor: Dr. Sascha Bechmann, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Rezension: Mit dem Arbeitsbuch Linguistik, herausgegeben von dem Bielefelder

Sprachwissenschaftsprofessor Horst M. Müller, liegt seit der ersten Ausgabe von 2002 ein fundiertes

und allumfassendes Studienbuch vor, das sich zur Einführung in das Fach Linguistik jedem Studenten

empfiehlt und das nun in der überarbeiteten Auflage von 2009 bei UTB erschienen ist. Auf der Suche

nach einer Einführung in die Teilbereiche des Faches Linguistik stößt man gerade als Studienanfänger

auf eine Vielzahl von Studienbüchern, aber keines ist so umfangreich wie dieses. Müller hat es sich

zur Aufgabe gemacht, mit seiner Einführung in die Linguistik sowohl die traditionellen Fragestellungen

in den Fokus zu nehmen (Was ist Sprache? Wie wird Sprache traditionell beschrieben und

wissenschaftlich untersucht?) als auch neuere Ansätze der Sprachforschung (z.B. Neurolinguistik oder

Computerlinguistik) zu thematisieren und anschaulich darzustellen. Insbesondere diese Fokussierung

auf moderne und anwendungsbezogene Aspekte der Sprachforschung macht dieses Studienbuch

auch für den fortgeschrittenen Leser und nicht zuletzt für Lehrende interessant und wertvoll.

Das Einführungsbuch umfasst 22 Kapitel auf knapp 460 Seiten, so dass dem Leser ein breites

Spektrum linguistischen Grundwissens präsentiert wird. Abschnitt 1, der die Kapitel 1 und 2 umfasst,

befasst sich als Hinführung zu den speziellen Teilbereichen der Sprachwissenschaft mit dem

Untersuchungsgegenstand Sprache selbst, den kognitionswissenschaftlichen Zusammenhängen

zwischen Sprache und Denken und mit der Frage, was Linguistik als Geisteswissenschaft eigentlich

ist.

Die klassischen Teilgebiete der Linguistik Phonetik, Phonologie, Morphologie, Syntax, Semantik und

Grammatik werden in jeweils geschlossenen Kapiteln in Abschnitt 2 besprochen, der den Titel

„Traditionelle Beschreibungsebenen der Linguistik“ trägt. Erstaunlicherweise findet in diesem

Abschnitt die Besprechung des wohl wichtigsten Teilbereichs, die Pragmatik mit ihren vielfältigen

handlungstheoretischen Fixierungen, keine Erwähnung.

Stattdessen stößt man nach einem eigenen Abschnitt 3, der sich mit der Sprachentwicklung, also mit

synchronen und diachronen Fragestellungen beschäftigt, in Kapitel 4 auf pragmalinguistische

Themen, die unter dem Titel „Sprache und Kommunikation“ zusammengefasst sind. Dem Autor

scheinen handlungstheoretische Aspekte der Linguistik so wichtig, dass er ihnen einen eigenen Raum

gibt, was linguistisch sicher vertretbar ist, in einem Einführungsbuch aber leicht verwirren kann,

operieren andere Werke schließlich mit dem Begriff Pragmatik als linguistische Teildisziplin. Dass sich

in diesem Kapitel auch interessante Ausführungen zur Konversationsanalyse und zur klinischen

Linguistik finden lassen, verdient ausdrücklich großes Lob; in anderen Einführungen werden solche

modernen Aspekte der Sprachwissenschaft allenfalls im Vorübergehen gestreift.

Page 2: Rezension Müller: Arbeitsbuch Linguistik

Der fünfte Abschnitt des Studienbuches ist der empirischen Sprachforschung gewidmet, ebenfalls ein

Bereich linguistischer Forschung, der anderswo nicht oder kaum einführend besprochen wird.

Insbesondere die Korpuslinguistik und die Werkzeuge der korpuslinguistischen Arbeit werden an

dieser Stelle besprochen, was lobend hervorgehoben werden darf, weil korpuslinguistische

Untersuchungen in letzter Zeit mehr und mehr zum Arbeitsfeld von Linguisten geworden sind.

Dasselbe gilt auch für die Bereiche Psycholinguistik und Neurolinguistik – zwei überaus spannende

Felder, in denen die Linguistik interessante Befunde in der interdisziplinären Zusammenarbeit mit

Forschern aus naturwissenschaftlichen Fächern hervorgebracht hat und auch in Zukunft noch

verstärkt hervorbringen wird. Dass sich Müllers Einführung auch diesen Themen widmet und für den

Laien verständliche Zusammenhänge und Methoden vorstellt, halte ich für wichtig und hervorragend

gelungen.

Einen eigenen Abschnitt widmet der Autor Fragestellungen zur Computerlinguistik. In den Kapiteln, die

sich mit solchen Themen beschäftigen, findet auch der fortgeschrittene Student oder der lehrende

Sprachwissenschaftler neue Informationen, ist Computerlinguistik – ebenso wie die zuvor

besprochenen Themen aus Abschnitt 5 – kein Bereich, der klassischerweise im Studium behandelt

wird. An dieser Stelle darf man den Wirkungsbereich dieses Buches über die Einführung für Studenten

hinaus durchaus erweitern und kann auch Wissenschaftlern oder interessierten Laien (auch aus

benachbarten oder vernetzten Fächern) das Buch zur einführenden Lektüre empfehlen.

Das didaktische Konzept dieses Buches zeigt sich anhand der stringenten Arbeitsaufträge, die den

Schlusspunkt jedes Kapitels bilden. Es muss aber kritisch angemerkt werden, dass die

Übungsaufgaben nicht gerade einfach sind und – da leider Musterlösungen fehlen – gerade von

Studienanfängern vermutlich nicht sehr gewinnbringend beantwortet werden können. Über dies hält

sich das Buch mit Grafiken und Abbildungen zurück, was zu einer starken Textlastigkeit führt. Dieser

Umstand allein soll noch nicht als Mangel verstanden werden, allerdings würde man sich mehr

typografische Elemente wünschen, die den Textfluss besser strukturieren. Fettdruck oder

hervorgehobenen Textboxen würden den Lesefluss nicht stören und dennoch den Text klarer gliedern

und zudem das Nachschlagen erleichtern.

Im Sinne eines Studienbuches würde ich zudem Literaturempfehlungen am Ende eines jeden Kapitels

vorschlagen, damit der Leser – gerade bei der großen Vielfalt der Themen – den Überblick über die

weiterführende Literatur nicht verliert.

Positiv fällt hingegen das Glossar auf, das dem Text angefügt ist. Damit sich einzelne Aspekte leichter

finden lassen, gibt es zudem ein Sachwortverzeichnis.

Insgesamt handelt es sich um ein thematisch sehr dichtes Studienbuch, das in Sachen Didaktik und

Typografie noch ein wenig Nachholbedarf hat. Ich würde es dennoch als uneingeschränkt

empfehlenswert bezeichnen, da die wenigen Schwächen den vielen Stärken unterliegen. Aufgrund der

inhaltlichen Vielfalt ist das Buch auch in Sachen Preis-Leistung absolut empfehlenswert.