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SINN:SCHRIFT wir schreiben Zukunft Mai 2011, Ausgabe 00, Preis: 4,90€ Die Zukunft der Bildung Hannes Androsch fordert Änderungen Der Weg raus aus dem Atomstrom Konkrete Pläne wie es funktionieren wird Christoph Leitl im Gespräch Die Entwicklung der Wirtschaft

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… ist grenzenloses Vertrauen in die Handlungen des Partners.… ist die völlige, bedingungslose Hingabe an das, was man am liebsten macht.… ist eine gemeinsame, aufregende Entdeckungsreise in unerforschte Höhen.… ist das gewagte Spiel mit kreativen Instinkten.

Ergebnis:Tiefe Befriedigung und die Erfüllung aller Wünsche und Träume des Partners.

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SINN:SCHRIFTw i r s c h r e i b e n Z u k u n f t

Mai 2011, Ausgabe 00, Preis: 4,90€

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Die Zukunft der BildungHannes Androsch fordert Änderungen

Der Weg raus aus dem AtomstromKonkrete Pläne wie es funktionieren wird

Christoph Leitl im Gespräch Die Entwicklung der Wirtschaft

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Jede Idee, die zur Bereicherung des Gemeinwohls beiträgt, ist es wert umgesetzt zu werden, das gilt für Wirtschaft genauso wie für Bildung und sozial-ambitio-nierte Projekte. Dafür steht die Sinnschrift.

Ganz nach Sokrates‘: „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ gehen wir an verschie-dene Herausforderungen unseres Zusammenlebens heran und bereiten sie journalistisch auf. Die Sinnschrift ist das Medium für zukunftsorientierte Menschen, die über den Tellerrand hi-nausblicken wollen.

Unser Ziel ist es, Menschen zum Quer-denken anzuregen und sie mit span-

nenden Projekten vertraut zu machen und ihre Bereitschaft in der Gesell-schaft etwas bewegen zu wollen, zu fördern. Die Sinnschrift versteht sich als Förderer von Informationen, setzt sich für ein respektvolles Zusammenle-ben aller Menschen ein.

Neben der Print- und Onlineausgabe werden Podiumsdiskussionen, Exper-tenrunden und Think-Tanks zu den verschiedensten Themen veranstaltet.

Wie kam es zur Sinnschrift?Vier berufsbegleitende Studenten der FHWien haben 2010 den ehrenamt-lichen Verein „Sinnschrift Medium In-formationsplattform“ ins Leben geru-fen. Die Gründer vereinte von Anfang

an ein gemeinsames, ambitioniertes Ziel, das einfach ausgedrückt lautet: Bewegung in die Gesellschaft bringen.

Wir freuen uns über die große Reso-nanz die wir bereits bekommen haben und möchten uns an dieser Stelle für jede Unterstützung bedanken.

Neben der finanziellen Förderung schätzen wir aber auch Anregungen, Ideen und jeden weiteren Input. Wir sind immer auf der Suche nach Ko-operationspartnern, bewegenden Projekten und fundamentalen Diskus-sionsthemen.

Wir schreiben ZUKUnFT.

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Aufwind für Erneuerbare Energien.

Ernst Ulrich von Weizsäcker weiß wie der Ausstieg aus

der Atomenergie geschafft werden kann.

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Von Stefan: Miejski

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Der Enegieexpert und Bestseller-Autor Ernst Ulrich von Weizsä-cker spricht im Gespräch mit der Sinnschrift über die Chancen von Erneuerbaren Energien, den Aus-stieg aus der Atomkraft und was es braucht, um diese Pläne auch umzusetzen.

Sinnschrift: Herr Professor, ist der Ausstieg aus der Atomkraft durch eine Ablöse vonErneuerbarer Energie rea-listisch? Weizsäcker: Selbstverständlich. Aber mit Erneuerbarer Energie die enorme Verschwendung ausgleichen zu wollen ist Wahnsinn. In Österreich werden kaum mehr neue Wasserkraftwerke gebaut und spätestens, wenn die er-sten Solarkollektoren und Windräder zu Sondermüll werden, wird es auch hier Widerstand geben. Es muss mit der Vergeudung aufgehört werden, dann reicht Erneuerbare Energie definitiv aus. Sinnschrift: Österreich ist ein sehr kleines Land. Zu klein um in diese Rich-tung überhaupt etwas bewegen zu können?

Weizsäcker: Ganz im Gegenteil, Öster-reich kann eine Vorreiterrolle in Europa übernehmen. Das Bewusstsein für die Energieproblematik ist hier überdurch-schnittlich hoch. Leider ist es so, dass sich Erneuerbare Energie viel besser verkaufen lässt als Energieeffizienz. Erneuerbare Energie kann man mit einem Foto darstellen, Energieeffizienz nicht und die Menschen haben gerne Fotos. Sinnschrift: Welche Auswirkungen haben die jüngsten Ereignisse in Japan auf die Energiezukunft?Weizsäcker: Im Moment reden ganz Europa und Japan davon, dass Energie teurer wird. Das ist eine wunderbare Neuigkeit. So scheußlich und tragisch die Naturkatastrophe in Verbinung mit technischem Versagen in Japan auch war, steigende Energiepreise sind für uns ein Segen. Sinnschrift: Wie kommen Sie zu der Schlussfolgerung? Die meisten Men-schen wünschen sich niedrige Energie-preise.Weizsäcker: Die Lust auf niedrige En-ergiepreise ist von Dummheit erzeugt. Lenin wollte auch, dass die Energie

nichts kostet. Dadurch kam die So-wjetunion in die Krise. In den 1970er Jahren war man in Europa und Japan in Aufruhr wegen den steigenden Ener-giepreisen. Japan hat die Energiepreise künstlich teurer gemacht als konkur-rierende Länder. Natürlich gab es dort einen Aufschrei. Nur 15 Jahre später war Japan das modernste und entwi-ckelste Land der Welt, weil sie mit der Verschwendung erfolgreich aufgehört hatten. Sinnschrift: Lässt sich aus diesem Beispiel die Wirkung von teurer Energie wirklich ableiten?Weizsäcker: Zumindest brauchen wir keine Panik mehr zu haben, wenn En-ergie teurer wird. Noch ein historischer Vergleich: Dänemark und USA. In den USA hat man einen Kreuzzug gegen Bezinsteuern gemacht, während in Dä-nemark die Steuern sogar angehoben wurden. In der Folge wurden in Ame-rika die SUVs erfunden und es fand eine absolut närrische Zersiedelung des Landes statt. Als die Öl-Preise auf dem Weltmarkt dann teuer wurden, schlitterten die USA in eine Finanzkri-se, während die Dänen damit nahezu

„energie Wird TeUrer, das isT WUnderbar.“

INTERVIEW E.U. WEIZSÄCKER INTERVIEW E.U. WEIZSÄCKER

Ernst Ulrich von Weizsäcker

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INTERVIEW E.U. WEIZSÄCKER

keine Probleme hatten. Sinnschrift: Die Energiepreise anzu-heben ist aber unpopulär...Weizsäcker: Das Märchen, dass es den Menschen gut geht, wenn die Energie billig ist, geht von einer statischen Weltsicht aus. Wenn wir es politisch schaffen, die Energie jedes Jahr um so viel Prozent teurer zu machen, wie sie im Vorjahr effizienter wurde, werden die monatlichen Kosten nicht mal teurer. Ein Sozialrabatt kann verein-bart werden, weil der Effizienzfort-schritt bei den Reichen etwas früher ankommt als bei Ärmeren.Sinnschrift: Die Popularität der Politik ist auf einer Talfahrt, halten Sie eine Erhöhung der Energiepreise da für rea-listisch?Weizsäcker: Es gibt drei Möglichkeiten an die Sache heranzugehen. 1. Man sagt eine Glühbirne gehört verboten, weil sie nicht effizient ist. 2. Es gibt Subven-tionen, zum Beispiel verbilligte Kredite für Häuser, die energieeffizient gebaut oder renoviert werden. Das ist intelli-genter. Oder 3. Die Energieverteuerung. Das ist die wirksamste und unbürokra-tischste Lösung, aber leider unpopulär. Sinnschrift: In Atom-Energie wird vergleichsweise noch immer viel mehr Geld investiert, als in Erneuerbare Energie. Ist diese für Investoren über-haupt interessant?Weizsäcker: Auf jeden Fall. Wenn plötzlich alle merken, dass es sich bei Effizienz und Erneuerbaren Energien um die Zukunft handelt, wird das eine Finanzierungslawine auslösen. Sinnschrift: Stellt unsere Wegwerf-mentalität eine Hürde für mehr Effizi-enz dar?Weizsäcker: Die Marktwirtschaft hat natürlich ein Interesse an Viel-verbrauch. Die Produkte werden so gemacht, dass sie schnell kaputt gehen. Viele Marketingleute arbeiten noch im-mer nach diesem Denkmuster aus den 50er Jahren. Am einfachsten macht es sich die Modeindustrie, sie gibt immer neue Trends vor, so dass man sich mit einem drei Jahre alten Kleidungsstück nicht mehr auf die Straße traut. Sinnschrift: Was halten sie von der Me-thode, den Wohlstand eines Volkes mit

dem Bruttoinlandsprodukt zu messen?Weizsäcker: Wir müssen die Messung unseres wirtschaftlichen Erfolges überdenken. Jeder Unfall steigert das Bruttoinlandsprodukt, weil die-ses ja ein Umsatzmaßstab, nicht ein Wohlstandsmaßstab ist. Aber Politik, Wirtschaft und Gewerkschaft wollen Umsatz weil das Beschäftigung und Staatseinkommen bedeutet. Ein Mönch der bescheiden lebt und innerlich glücklich ist, ist für das Bruttoinlands-produkt eine Katastrophe.

Profitieren wir nicht von vielen neuen Geräten?

Weizsäcker: Ich denke an Küchen aus den 1950er Jahren. Da gab es ein Koch-buch und die notwendigsten Geräte zum Kochen. Heute hat jeder Haushalt eine Bücherei an Kochbüchern und die Schränke voll von modernsten Küchen-geräten. In den 1950er Jahren gab es jeden Sonntag festliche Gerichte für die ganze Familie, heute springt man eher zu McDonalds.

Sinnschrift: Was kann jeder einzelne zu einer Energiewende beitragen?Weizsäcker: Da gibt es sehr viele Mög-lichkeiten. Das fängt schon damit an, einmal in der Woche auf Fleisch zu ver-zichten. Bei Kleidung, Auto und vielem mehr kann vernüftig eingekauft wer-den. Und niemand muss sechs Mal im Jahr nach Tenerrifa fliegen. Der frühere Langurlaub war viel erholsamer. Sinnschrift: Wie dringend müssen wir handeln?Weizsäcker: Wir haben keine Zeit zu verlieren. Jede Woche die dahingeht, ohne dass es eine Wendung gibt, ist eine verlorene Woche. Und dann kann es sehr gefährlich werden. Das Reak-torunglück von Tschernobyl hat man 25 Jahre lang verdrängt. Wenn wir die Natur ignorieren und nicht dazulernen, rennen wir ins Verderben…

Ernst Ulrich von Weizsäcker war Präsident der Unversität Kassel, Direktor am UNO-Zentrum für Wissenschaft und Technologie in New York, Direktor des Instituts für Europäische Umweltpolitik Bonn, Paris, London, Präsident des Wuppertal Institut für Klima, Umwelt Energie sowie Dekan der Bren School of Environmental Science and Management an der University of Carlifornia in Santa Barbara.

Politisch war er als Vorsitzender der Enquête-Kommission Globali-sierung der Weltwirtschaft – Herausforderung und Antworten. Seit November 2002 ist er Vorsitzender des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Darüber hinaus ist er Autor der populären Bücher Faktor 4 und Faktor 5.

Das bewegte Leben eines Wissenschaftlers.

Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl spricht im Inter-view mit der Sinnschrift über die Zukunft der Wirtschaft, welche Rolle Österreich darin spielt und wo der Änderungsbedarf am Größ-ten ist.

Sinnschrift: Herr Präsident, bei un-serem letzten Interview im Mozarthaus sagten Sie, die Wirtschaft wird gestär-kt aus der Krise kommen und sich sehr positiv entwickeln. Sind Sie nach wie vor dieser Meinung?Leitl: Ja, wenn ich etwa die fulminante österreichische Exportentwicklung betrachte. Allein im Jänner legten die Ausfuhren um 26,3 Prozent zu. Wir können davon ausgehen, dass wir heu-er wieder das Rekordausfuhrvolumen aus dem Jahr 2008 - also vor Beginn der Weltwirtschaftskrise - von 117 Milliar-den Euro erreichen werden. Unser Ex-port nimmt also wieder die Position des

„running horse“ ein. Aber wir müssen noch einiges tun, um im globalen Wett-bewerb dauerhaft mithalten zu kön-nen. Stichwort: Bildung und Forschung. Sinnschrift: Sehen Sie Probleme und Änderungsbedarf in unserem Wirt-schaftssystem? Leitl: Ich denke, dass der Ansatz einer „Corporate Social Responsibility“ stär-ker verankert werden muss. Ich bin während der Krise sehr deutlich gegen unverantwortliche Finanz-Speku-lanten, welche etwa Nahrungsmittel-preise ungerechtfertigter Weise in die Höhe treiben, ebenso aufgetreten wie gegen Ratingagenturen oder Bonus-zahlungen an Manager auch in Fällen unternehmerischen Scheiterns. Neben klaren wirtschaftlichen Kennzahlen, nach denen Erfolg beurteilt wird, gilt es, Glaubwürdigkeit, Nachhaltigkeit und Vertrauen zu stärken. Aber da sind wir in Österreich gut unterwegs. Sinnschrift: Die Meinungen über den

Euro schwanken zwischen toller, sta-biler Performance und Unsicherheits-faktor Nummer 1. Wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung des Euros und welche Chancen und Risiken sehen Sie für die Zukunft?Leitl: Es gibt weder für Euphorie noch für Pessimismus einen Anlass. Je bes-ser die Wirtschaftspolitik im Euroraum abgestimmt ist und damit makroöko-nomische Ungleichgewichte ausge-glichen werden, desto krisenfester wird sich die gemeinsame Währung präsentieren. Dieser Meinung bin ich nach wie vor. Kritisch sehe ich, dass die Europäische Zentralbank mit ihrem ersten Zinsschritt seit der Krise im April, eine positive Unternehmensent-wicklung in den kommenden Monaten möglicherweise behindert. Denn so-wohl die Betriebsfinanzierung als auch die private Nachfrage stecken nach der Krise erst wieder in den Startlöchern. Es gibt kein überhitztes europäisches

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Wirtschaftswachstum, welches Infla-tion produziert. Im Gegenteil: Bei der Konjunkturentwicklung hinkt Europa anderen Kontinenten und Ländern hinterher. Sinnschrift: Finden Sie, dass langle-bige und austauschbare Produkte die größten Feinde unserer Wirtschaft sind?Leitl: Nein, denn in einer gesunden Volkswirtschaft gibt es kurz-, mittel- und langlebige Wirtschaftsgüter, das war seit jeher schon so. Langlebige Wirtschaftsgüter müssen serviciert werden und auch daran verdient die Wirtschaft und schafft dadurch Ar-beitsplätze. Schließlich ist der Dienst-leistungssektor jener, der stetig an Bedeutung gewinnt. Sinnschrift: Könnte unser Wirt-schaftssystem auch funktionieren, wenn es keine Wegwerfgüter gäbe?Leitl: Das ist die klassische Frage nach Pfand- oder Einwegflasche. Die Frage ist eher, ob die Konsumenten bereit sind, auf Wegwerfprodukte zu verzich-ten oder Alternativen zu konsumieren. Die Wirtschaft würde sofort auf neue Trends reagieren. Es gilt: Der Kunde ist König. Sinnschrift: Kann Wirtschaften auch ohne Gewinnaufschlag - also nur ko-stendeckend - funktionieren? Leitl: Der Gewinn eines Betriebs ist die Rendite für den Unternehmer, der das unternehmerische Risiko eingeht zu investieren. Ohne Gewinn wird eine Marktwirtschaft nicht funktionieren. Tatsächlich gibt es aber in der realen Wirtschaft einen gewissen Anteil an Unternehmen, die in bestimmten Phasen nur „kostendeckend“ oder mit Verlust wirtschaften. Bedenken Sie, nahezu jeder Jungunternehmer ar-beitet zu Beginn seiner Tätigkeit mit einem bestenfalls überschaubaren Gewinn. Um in diesen Fällen das Risiko zu senken, habe ich mich immer auch für eine soziale Absicherung der Unter-nehmer stark gemacht – jeder benötigt in seinem Erwerbsleben ein „soziales Sicherheitsnetz“.Sinnschrift: Was halten Sie von der Betrachtungsweise, dass ein hohes BIP aussagt, dass die Bedürfnisse der Volkswirtschaft nicht abgedeckt sind?Leitl: Ein hohes BIP alleine sagt noch

gar nichts aus. Man muss das BIP in Be-ziehung zu einer anderen Größe setzen, beispielsweise zur Einwohnerzahl, zur Beschäftigung, zu Zukunftsinvestiti-onen wie Bildung und Forschung. Eine vernünftig wirtschaftende Volkswirt-schaft kann individuelle und gesell-schaftliche Bedürfnisse gut abdecken und ein hohes Bruttoinlandsprodukt erwirtschaften. Das ist kein Gegensatz.Sinnschrift: Wirtschaften ist das Planen des Umgangs mit knappen Gü-tern bzw. Ressourcen. Denken Sie, wir wirtschaften gut? Wie lässt sich das eigentlich messen? Leitl: In einer Marktwirtschaft sind die Preise jene Steuerungssignale, die da-zu führen, dass es am Markt zu einem Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage kommt. Österreich selbst ge-hört zu den wohlhabendsten Ländern der Welt, verfügt über einen hohen sozialen Frieden, ein gutes Sicherheits-netz für den Einzelnen, eine intakte Umwelt und eine gute Beschäftigung. Insofern würde ich behaupten, dass wir tatsächlich gut und verantwor-tungsbewusst wirtschaften. Dazu gehören aber immer engagierte Men-schen - Unternehmer, Arbeitnehmer, kreative und innovative Köpfe, die alle für eine hohe Wettbewerbsfähigkeit sorgen. Das sind die Faktoren einer er-folgreichen Volkswirtschaft. Sinnschrift: Welche sind die größten Gefahren, die auf die österreichische Wirtschaft in den nächsten Jahren zu-kommen?Leitl: Eine echte Gefahr ist, dass wir in einem Reformstillstand verharren könnten, der uns die finanzielle Grund-lage für die Zukunft raubt. Ich spreche hier von einer Sanierung der öffentli-chen Haushalte, von nachhaltiger Bud-getpolitik, von Reformen im Pensions-, Bildungs- und Gesundheitssystem. Das betrifft sowohl die europäische wie die nationale Ebene. In Österreich selbst ist das Thema Nummer eins die Umsetzung einer Verwaltungsreform. Wir können uns es nicht leisten, weiter an der Steuerschraube zu drehen und gleichzeitig auf wichtige Reformen zu verzichten oder sie weiter auf die lange Bank zu schieben. Ich setze auf erneu-ern statt besteuern. Sinnschrift: Denken Sie, ist es not-

wendig Politik von Wirtschaft zu tren-nen? Wie sieht die Situation in Österrei-ch aus?Leitl: Politik hat in jedem Land die geeigneten Rahmenbedingungen für erfolgreiches Wirtschaften zu schaf-fen. Wir in der Wirtschaftskammer versuchen als Interessensvertreter der Arbeitgeberseite immer das Ge-samthafte im Auge zu haben – den Wirtschaftsstandort Österreich, seine Menschen, seine Entwicklung, seine Zukunft. Damit nehmen wir eine um-fassende Verantwortung wahr. Die Sozialpartner sind keine Lobbyisten, sondern verantwortungsvolle Mana-ger des Wandels. Sinnschrift: Herr Präsident, wie ste-hen Sie dazu, dass Universitätsprofes-soren wie Franz Hörmann das Ende des Geldes noch 2011 vorhersagen?Leitl: Die These, dass Ende des Geld-zeitalters sei erreicht, fällt unter unver-antwortliche Panikmache. Richtig ist, dass wir die internationalen Finanz-märkte endlich reformieren, sicherer machen und Blasenbildungen durch Spekulation verhindern müssen. Sinnschrift: Haben Sie einen Leitsatz oder ein Lebensmotto? Welche Ziele haben Sie für die nächsten Jahre? Was wirkt auf Sie motivierend und warum?Leitl: Leben und leben lassen ist mein Motto. Daher habe ich immer auf Fair-ness sowie Vertrauen gesetzt und bin auf meine Partner – egal ob in Politik oder Wirtschaft – offen und ehrlich zugegangen. Um gemeinsam kon-struktiv Probleme lösen zu können, dafür braucht man aber auch klare Standpunkte. Und nicht zuletzt ist mo-tivierend, sich Herausforderungen zu stellen.

INTERVIEW C.LEITL

WKO Präsident C. Leitl

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21Mitarbeiter für ein gemeinsames Ziel

Wie düsTer isT es Um die ZUKUnFT Unserer bildUng besTellT? hannes androsch

ForderT dringend ÄnderUngen.

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22.759Ideen für eine zukunftsfähige Zeitschrift

60Seiten Qualitätsjournalismus

in gebundenem Papier1großer Wille etwas zu bewegen

10.000Leser der ersten Ausgabe

7.436mal quer gedacht

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Von Paulina: Parvanov

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Bildung ist Pflicht. Bildung ist die wichtigste Ressource die eine Ge-sellschaft hat. Jeder Staat sollte ein Interesse daran haben sein Volk auszubilden. Das erkannte Maria Theresia bereits im 18. Jahrhun-dert als sie 1774 die allgemeine Schulpflicht einführte.

Das System Schule ruht auf Grundpfei-lern, die im 18. Jahrhundert festgelegt wurden und bis heute gültig sind. Dazu zählen die 9-jährige Schulpflicht die Koedukation und die Verwaltungsauf-gabe von Bund und Ländern. Heute sind die Konsequenzen eines

Systems, das sich den neuen techno-logischen und gesellschaftlichen An-forderungen nicht gestellt hat für alle sichtbar. Der PISA-Test 2000 erzeugte ein Hochgefühl, auf das sechs Jahre später Ernüchterung folgte. Als bekannt wurde, dass die Testergeb-nisse aufgrund falscher Datenerfas-sung und schlechter Stichproben nicht annähern so rosig war wie angenom-men, war es bereits zu spät. Verände-rung muss her, beschloss man damals. Tatsächlich ist in den letzten Jahren aber viel verpasst worden. Nach dem unsere Schüler beim PISA-Test versagt hatten und stetig schlechtere Ergeb-

nisse veröffentlicht wurden machte man sich auf die Suche nach Schuldi-gen. Schnell hieß es: Lehrer arbeiten zu wenig. Kinder mit Migrationshinter-grund sprechen zu schlecht Deutsch. Eltern schieben die Verantwortung an die Schulen ab und die Schulen selbst sind abhängig vom Ministerium und dadurch verhindert ihre Leistung zu erbringen. Der Ruf nach einer Reform wurde laut. Nun steht die große Bildungsreform steht zur Diskussion und ist teilweise still und heimlich angelaufen. Neue Mittelschule, kleinere Klassen sowie bessere Ausbildungs- und Verdienst-

möglichkeiten für Lehrer sollen bes-seren Schulerfolg garantieren. Das Budget des Bundesministerium für Un-terricht, Kunst und Kultur soll bis 2014 jährlich um 80 Millionen pro Jahr auf-gestockt werden. Auf die endgültige Umsetzung warten nicht nur Schüler und Lehrer. Bildung ist ein Thema, das jeden betrifft.

Wie soll die Zukunft nun aussehen? Die Sinnschrift traf den Initiator des Volksbegehrens „Österreich darf nicht sitzenbleiben“ Hannes Androsch zum Interview. Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte war aus seiner Sicht die Forderung die Bundeslehrer zu “verländern“. Derzeit ist der Bund bzw. das Unterrichtsministerium für die Errichtung, Erhaltung und Auflas-sung von Schulen und die Aus- und Weiterbildung der Lehrer zuständig. Die Landesschulräte sind für die Schulaufsicht und die Verwaltung der Pflichtschulen im jeweiligen Bun-desland zuständig. Das ist aber nur ein Streitpunkt der Bildungsdebatte. „Wir haben Stillstand, wir haben Paralyse und verlieren so schleichend gegen-über anderen Nationen.“ Der Text des

Volksbegehrens stellt Forderungen, die alle Bereiche des Bildungswegs umfassen. Das System müsse vom Kin-dergarten an reformiert werden, die Schulen autonom und der Lehrerberuf aufgewertet werden, meint Androsch. Damit trifft das Bildungsvolksbegehren den Nerv der Zeit. Derzeit laufen die Verhandlungen über eine Veränderung des Lehrerdienstrechts. Ganz neben-bei soll die Neue Mittelschule bis 2020 die Hauptschule abgelöst haben. Eine für Androsch wichtige Forderung ist die flächendeckende Ganztagsbetreu-ung. „Alleinerziehende und oft auch alleinverdienende Mütter können mit

Halbtagsschulen ihren Alltag nicht zufriedenstellend bewältigen oder die Kinder sind nicht betreut. Das ist in höchstem Maße unbefriedigend.“ Mit dem Bildungsvolksbegehren wird nun ein Schritt gemacht, um neue Lösungs-wege zu finden und Bewegung in das Bildungssystem zu bringen.

ÖsTerreichs bildUngssysTem – ein chronischer abrissDie Schulentwicklung von den 50ern bis heute.

• Bildungsstandards werden 2011/12 erstmals für die 8. Schulstufe gemessen. • neue Reife- und Diplomprüfung für vergleichbare Bildungsabschlüsse ab 2013/14 • kleinere Klassen (Richtwert 25) und mehr Kleingruppenunterricht • schulische Tagesbetreuung mit Gütesiegel für Schulen mehr Sprach- förderung

Was sonst noch umgesetzt wird:

Fotos: Zechner, Riedl (2), Shutterstock

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Hannes Androsch

„Wir brauchen da nicht einmal das Rad erfinden, das gibt’s schon, wir müssen es nur noch anbringen und in Bewegung setzen.“ „Wenn Barcelona der beste Fußballklub ist, dann ist da sozusagen die Messlatte und man muss trachten so rasch wie möglich so nahe an diese Messlatte heranzu-kommen.“

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Einig sind sich alle darin, dass etwas getan werden muss, damit wir einen Bildungsvergleich mit anderen Län-dern nicht mehr scheuen müssen. Über das „Was“ herrscht jedoch Unei-nigkeit. Es kann und muss viel getan werden um künftige Generationen eine gute Bildung zu ermöglichen. Vor allem eine Bildung, die auf die Anforderungen unserer Zeit flexibel reagiert. Jeder, der mit Bildung zu tun hat sollte sich diesen Aufgaben bewusst werden. Was konkrete Maßnahmen betrifft ist unsere Po-litik gefordert. Ganz dem Namen des laufenden Bildungsvolksbegehren entsprechend darf Österreich nun nicht mehr Sitzenbleiben. Eine Ei-nigung die Hoffnung auf positive Entwicklungen gibt. Das Sitzenblei-ben wird durch ein flexibles System ersetzt. Damit wird der psychische Druck auf die Schüler geringer. Viele Anregungen, wie man das Bildungs-system verbessern könnte, bietet der zweite Bildungsweg. Beispielsweise gibt es an Volkshochschulen schon lange Modulunterricht. Bei Nicht-Bestehen müssen nur einzelne Mo-dule wiederholt werden. Man verliert

somit kein Jahr, sondern kann die Zeit in seine Zukunft investieren.Eine Forderung des Bildungsvolks-begehrens könnte bis zum Sommer sogar schon umgesetzt werden, denn der neue Plan der Regierung beinhaltet auch den Ausbau der Tagesbetreuung. Der Schritt in die richtige Richtung ist gesetzt. Jetzt sind unsere Politiker, aber auch jeder

von uns verantwortlich, dass Forde-rungen umgesetzt werden und die Bildungsdebatte in Bewegung bleibt. Bessere Bildung zu ermöglichen ist schließlich unsere Pflicht.

Timeline der schulreform1774 – Schulreform Maria Theresias 1849 – Gründung Ministerium für Cultus und Unterricht 1869 – Reichsvolksbegehren 1868 – 1. Mittelschule für Mädchen 1872 – Matura auch für Frauen 1918 – bis heute gültige Schulreform (Otto Glückel) 1927 – Hauptschule als Pflichtschule 1932 – neue Lehrpläne, die das Niveau heben sollten 1934-38 bzw. 39-45 Bildung für Mädchen drastisch reduziert 1962 – 1. Schulnovelle 1974 – 2. Schulnovelle / SchUG 1975 – Einführung der Koedukation 1993 – Behinderte dürfen integrativ unterrichtet werden 2000 – gute PISA-Ergebnisse (2006 stellte sich heraus das sie falsch waren) 2004 – Start der Initiative klasse:zukunft 2005 – Abschaffung der bis dahin notwendigen 2/3 Mehrheit für Schulgesetze Herbst 2011 – Volksbegehren Bildungsinitiative2012 – neues Lehrerdienstrecht tritt in Kraft (wird derzeit ausverhandellt)

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