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Wienachtsgschichte von Klaus Schädelin bis Pedro Lenz Cosmos Verlag

Wienachtsgschichte von Klaus Schädelin bis Pedro Lenz

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Weihnachten im Wartehäuschen zwischen Gleis 2 und 3, am tief verschneiten Waldrand ob Minggisrieden, auf einem blauen Plastikstuhl im Restaurant eines Shoppingcenters, auf der Schauenburgerfluh: Weihnachten in 29 Geschichten, erzählt in Mundart und in Hochdeutsch von 15 Schweizer Autorinnen und Autoren.

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Wienachtsgschichtevon Klaus Schädelinbis Pedro Lenz

Cosmos Verlag

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Wienachtsgschichtevon Klaus Schädelin bis Pedro Lenz

Herausgegeben von Roland SchärerCosmos Verlag

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Das Motto ist ein Ausschnitt aus dem Text «Kreativ» in:Klaus Schädelin, Zeitlupe Zytlupe. Cosmos Verlag

Alle Rechte vorbehalten© 2014 by Cosmos Verlag, CH-3074 Muri bei BernLektorat: Roland SchärerUmschlag: Stephan Bundi, BollSatz und Druck: Schlaefli & Maurer AG, UetendorfEinband: Schumacher AG, SchmittenISBN 978-3-305-00468-3

www.cosmosverlag.ch

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Ja, heiterefaane, wie müesste mir de läbe, dass es us däm Läbe e Sinn git? Hüh, Dir, das isch e Frag. Suechet d Antwort nid bi mir. Fraget d Delphine, wo meh Hirni hei als mir. Vo dene weisi nume, dass si erschtens vil schpile, zwöitens nie elei sy, drittens ufenand lose, vier-tens enand geng hälfe – und dass dermit d Fröid ihres Läbe füllt. Dir, vilecht wüsste die en Antwort uf di Frag, was sinnvoll isch. Vilecht hei si nis se scho ggä.

Klaus Schädelin

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Inhalt

Ernst Burrengott ist die liebe 28dr hans het gmöögget 49d wienacht loslo 101

Stefanie GrobVilech chli z blau 38

Alexander Heimann Wolfszeit 69

Guy KrnetaFribi 45 Franz 81

Martin LehmannStop the shoppers 36Die Sache mit dem Heiland 85

Pedro LenzLukas zwöi 13Der Inder von Celtic 51Der guet Wirt 88Zwüsche Gleis 2 und 3 133

Achim ParterreNo einisch schlafe 41Blockflöte 67 Ds füfte Täuer 102

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Markus RamseierChristkind, gib mir mein Velo! 24

Klaus SchädelinO du fröhliche 9D Gschicht vom Arme und vom Ryche 54

Christian SchmidSamichlaus 43Wienachte 96

Susy Schmid… da komm ich her 105

Margrit Staub-HadornDer Ängu Gabriel 34Was isch kes Läbe meh? 79Wienachtsgschänk 94Gedankefötzeli 110

Beat SterchiEin Fest der Liebe 111

Andrea WeibelHeimkehr 120

Fritz Widmer’s wird langsam Nacht 118

Die Autorinnen und Autoren 139

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Klaus Schädelin

O du fröhliche

Dir, vo oben abe hei si mir la usrichte, so ne «Zytlupe» am Wienachtstag syg chly heiss: Die dörf de nid z luschtig wärde. – «O du fröhliche», aber ja nid luschtig. I weiss, «fröhlech» isch nid genau ds Glyche wi «lusch-tig». Aber einewäg: Es dünkt mi je lenger, deschto meh, me wün schi enand zwar geng no fröhlechi Wienacht, aber me tüeg so zimlech alls, damit si weder fröhlech no luschtig wärd.

A vilne Orte verbiete si scho ne Wuche vorhär ds Tanze, und am Wienachtstag schtelle si de grad alles ab, was de Lüt ds Jahr düre Vergnüege macht. Ke Beiz isch offe – nid emal für di Einsame; natürlech über-houpt ke Schport; i allne Färnsehprogramm sygs läng-wylig wi verruckt, und me schtelli se am gschydschte überhoupt nid aa; und wenn me dür ne Schtadt louft, würkt si wi usgschtorbe. He ja, es isch guet, dass alli einisch e Tag frei hei; aber i kenne mänge, wo am füfe-zwänzigschte gärn gieng i ne Beiz ga abwäsche, für dass dä Tag nid so läär wär.

Und i gloube, es isch nid ganz e Zuefall, dass di meischte Wienachtsgschichte, wo si nis früecher hei vorgläse, so unerchannt truurig sy gsi: alli da di arme, arme Chind, im Schnee barfuess vorusse, bis ne e mild-tätigi Frou am Heiland syni Socke het gschänkt; aller-dings ohni Schue. Und öppis anders us myr Juget isch ou nid Zuefall: Wenn albe my Mueter i dr guete Schtube

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dr Wienachtsboum het gschmückt und d Gschänkli ypackt, hei mir dür ds Schlüsselloch gglüüsslet, für z gseh, was mir überchöme: Wohl Mähl, das het is d Mue ter schön abgschtellt: Wenn mir das no einisch machi, de brönni üs ds Wienachtschindli d Ougen uus. Jähä, und di isch de notabene Pfarrfrou gsi.

Mit däm Wunsch zur Fröhlechkeit schtimmt irgend-öppis nid. Woni i dr letschte «Zytlupe» e Satz über di glückleche Delphine ha gseit, het mer nachhär en Arzt la usrichte, di Tier syge wäg öppis anderem so glück-lech: Dene heig no nie e Pfarrer d Höll heiss gmacht. Ja, di heissi Höll. Mängisch dünkts mi, si machi eim sogar no dr Himel heiss.

Und wenn Dir mi fraget, warums eigetlech um di hei ligi Zyt ume so unheimlech vilne Lüt so unheim-lech schwär isch, de bruucheni d Antwort nid wyt furt ga z sueche: Das chunnt zum Teil dadervo här, dass us dr Fro he Botschaft e Drohig isch worde.

Wi sött me de da fröhlech sy, wenn eim ds Wie-nachtschindli d Ouge und d Fröid chönnt usbrönne. Das hätt dr Chirche z Bärn müesse z dänke gä, wo vor nes paarne Jahr es Schtadtoriginal imene Inserat het yglade, am Heilige Aabe a d Junkeregass z cho: «Ich putze Ihnen dort die Weihnacht weg!» Und vor vilne Lüt het er du e Sänklochtechel poliert und versilberet.

Dir, wohne ächt in Ängland nume gottlosi Tüüfle, dass es dert am füfezwänzigschte Bruuch isch, es mords luschtigs Fescht abzla, dass eim d Träne chöme vor La che. Oder sy öppe mir vo dr Würklechkeit wyt wägg, mir, wo us dr Frohe Botschaft schier e Beärdi-gung mache?

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Äh, jitz bini natürlech i ds Schimpfe cho, und das isch de würklech nid luschtig; und drum sötti doch no versue che, uf my Wys z erkläre, warum hütt e fröhle-che Tag isch. Und wenn i scho nid darf luschtig sy, so versuechenis halt mit ere truurige Gschicht.(...)

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Pedro Lenz

Lukas zwöi

Lukas zwöi, het mer der Hürzeler letscht Summer gseit, Lukas zwöi söu i läse, Lukas zwöi, Värs eis bis einezwänzg. Dört sig aues dinne, di ganzi Wienachts-gschicht.

Auso bini hei und ha Lukas zwöi gläse, Värs eis bis einezwänzg. Isch übrigens gar nid läng, knapp e Site, i meine, i minere Bibu, wo zimlech chliin gschriben isch. Di Bibu hani sinerzit zur Konf übercho, steit sit zwänzg Johr bi mir im Büechergstöu. Normalerwiis brucheni di Bibu nie, bi jo ke Bibuläser. Aber wo mer der Hürzeler seit, i söu Lukas zwöi nocheläse, gsehni, das isch jo fasch nüt! Das si numen es paar Abschnitte. Und wenn de nächär überleisch, was do nid aues scho isch uf-gfüert und verzöut worde. Dänket doch mou! Wi mängi Schueu, wi mängi Chilegmeind, wi mängi Leie gruppe, wi mängs Puppetheater dass di Wienachtsgschicht scho ufgfüert het. Das si meischtens Uffüerige, wo ne ganzen Oobe lang dure. Derbii hesch Lukas zwöi, Värs eis bis einezwänzg i drü Minute gläse. Chöits säuber go nocheluege, Lukas zwöi isch nüt. Uf em Computer wäre das vilecht öppe zwöiehaubtuusig Zeiche, nid meh.

Gere, bis so guet, hör doch jetz mou uuf mit dim ewige Lukas zwöi. I meine, sorry, aber du hocksch sicher scho ne Stung do a däm Tisch und ig, i ghören immer nume Lukas zwöi, Lukas zwöi, Lukas zwöi. Merksch nid, dass de närvsch.

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Dir heit jo wöue wüsse, wiso dass dä Unfau passiert isch. Vo mir uus chöi mer scho lang über öppis angers schnore. Aber vorhär chunnt der Georges und het mi gfrogt, was mit em Schüeler vom Hürzeler passiert isch. Nächär chunnt der Mänu und wott äbefaus wüsse, was mit em Schüeler vom Hürzeler passiert isch. Zletscht chunnsch du. Und ds Erschte, wo de frogsch: Was isch eigetlech mit em Schüeler vom Hürzeler genau pas-siert?

De verzöu doch ändlech vom Hürzeler und vo däm Schüeler, bis so guet. Und hör mou uuf mit dim ewige Lukas zwöi.

Isch scho rächt. Aber i mues äbe mit däm Lukas zwöi aafo, wöus genau mit däm aafot. Bi üs im Schueu-huus isch jo jedes Johr en angere verantwortlech für d Wie nachtsgschicht. Letscht Johr isch es d Iseli gsi, im Johr vorhär hets der Pfeuti gmacht, vor em Pfeuti der Mumethaler und das Mou hets äbe der Hürzeler preicht. Aber der Hürzeler isch chli angers aus di an-gere Lehrer. Das gsehsch scho ar Art, wi dä Hürzeler mi aus Abwart iibeziet. I meine, d Iseli oder der Pfeuti zum Bispüu, di hei eifach e Wienachts gschicht gno, irgendeini, wos scho git. Nächär hei si mit de Ching aafo probe, hei d Roue verteilt: Du machsch das, du machsch das, und so witer. Nächär hei si es paar Wu-chen im Singsaau güebt. Und zletscht si si zu mir cho, wäg em Bünebüud und wäg em Liecht. Und de han ig müesse luege, wie dass i aues i so churzer Zit häre-bringe. Isch jo gliich, der Abwart isch der Abwart, dä machts immer z go. Der Abwart isch der Löu, dä füert eifach uus. Und zletscht, nach den Uffüerige, wen aues

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guet klappet het, es riisegrosses Merci üsem Abwart Sutter, und fertig Schnätz. Aber der Hürzeler isch an-gers. Das merksch scho a der Art, wi ner auben am Morge grüesst. Nei, würklech, über e Hürzeler cha me säge, was me wott, aber är het mönschlechi Grössi. Und äbe, ds Erschte, wo ner zue mer seit: Gerhard, das Johr mache mer d Wienachtsgschicht nach Lukas zwöi, Värs eis bis einezwänzg, ohni esoterische Firle-fanz, ohni komplizierti Näbegschichte, ohni Künscht-lerei. Nei, eifach Lukas zwöi, Värs eis bis einezwänzg, so wis ir Bibu steit. Sig ir Ornig, hani gmacht. Und äbe, wi gseit, ig am Füroobe sofort hei, di Bibu füre-gno, woni sinerzit zur Konfirmation ha übercho, und afe mou Lukas zwöi noche gschlage, Värs eis bis eine-zwänzg. Und was gsehni dört? Gsehni dörte, dass Lukas zwöi, Värs eis bis einezwänzg fasch nüt isch, nid emou e ganzi Site.(...)

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Markus Ramseier

Christkind, gib mir mein Velo!

Als Primarschüler habe ich dem Christkind ein Brief-chen geschrieben und mir einen schwarzen Hengst ge-wünscht, auf dem ich neben Winnetou Mähne an Mähne über die endlose Prärie galoppiert wäre. Ich habe den Brief im Prattler Geisswald klammheimlich unter eine junge Buche gelegt und mit einem Stein vor Unwettern und falschen Blicken geschützt. Ausser an meinen bis in den Kopf klopfenden Puls erinnere ich mich an kein anderes Geräusch im Waldesinnern. Daran musste ich denken und ein bisschen schmunzeln, als ich kürzlich im späten Advent bei einsetzender Nacht wieder ein-mal durch meinen Kindheitswald joggte. Und flugs durchschoss mich ein Wunsch: Liebes Christkind, gib mir mein Fahrrad wieder, das mir ein dreister Räuber mitten im Sommer gestohlen hat, das fünfte in sechs Jahren, obwohl es schwer verriegelt war. Ich habe es heiss geliebt. Es war schnell und elegant, schwarz wie ein Rappe und hiess Simplon, nicht Donnerpfeil (so hät te ich meinen Indianerhengst getauft).

Ich leiste immer Trauerarbeit, wenn mir ein Velo wegkommt, am Bahnhof, an der Tramendstation, vor meinem Büro. Zuletzt schlug die Trauer um in Wut, als mir die Versicherung mitteilte, sie kündige mir ent-weder meine Police oder schraube den Selbstbehalt bei Fahrraddiebstahl auf zweitausend Franken hinauf. Drum strample ich jetzt halt mit einem schweren,

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240-fränkigen Billiggöppel aus dem Jumbo durch die Gegend. Der kann mir echt gestohlen bleiben.

Während ich also lief und es zunehmend dunkler wurde, gesellte sich unvermittelt ein zweiter Wunsch zum ersten: Ich wollte die Stille von damals wie der-finden. Ohne Umschweife suchte ich meine Weih-nachtsbuche und fand sie tatsächlich wieder, voller Narben am dicken Stamm, aber hoch und stolz. Nur die Stille war gründlich weg.

Aus der Rheinebene schlug es das Rauschen der Autobahn und das Rattern der Güterzüge ins Holz. Ein Heli kopter knatterte im Tiefflug Richtung Kantons spital. Und hoch über den Wipfeln sirrte die Hoch spannungs leitung in der Kälte. Ich lief weiter, waldein- und -aufwärts, Richtung Schauenburgerfluh. Unterwegs kreuzte ich der Reihe nach einen unter einer letzten Ladung Tannenbäume schnaufenden Traktor, eine späte, in ihren Mantel versunkene Reiterin, zwei verschwitzte und verspritzte Biker und einen ergrauten Mann, der seinen festlich beleuchteten Dackel schüt-zend in die Arme nahm. Weihnächtlich blinkten die roten Lämpchen am Halsband mich an. Dann war ich allein. Doch, o Fluch, oben auf der Fluh war der Lärm noch immer, wenn auch wie in Watte gehüllt.

Mittlerweile war Nacht, das Lichtermeer der Ag-glomeration unter mir eindrücklich. Ich stülpte meine Stirnlampe auf den Kopf und trabte quer über das Horn-Plateau, liess mich von meiner inneren Stimme leiten, die mir sagte: Such dir eine Mulde, die der Lärm überhüpft. Und tatsächlich fand ich eine mit viel Laub gefüllte, weiche Senke zwischen Felsen, um die sogar

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der Wind einen Bogen machte. Dort setzte ich mich auf einen Stein, löschte die Stirnlampe, liess meinen Notvorrat, ein Stück schwarze Crémant-Schokolade, auf der Zunge zergehen und fand zu meiner Freude ei-nen Kugelschreiber in meiner Jackentasche. Doch, es gab noch Stille in den Baselbieter Wäldern.

Geraume Zeit sass ich einfach da neben einem prächtigen, winterlich reglosen Ameisenhaufen, schlot-terte zwar, war aber ganz im Reinen mit mir selbst. Stille Nacht! Ausgerechnet, als ich meine Stirnlampe wieder anschalten und eine kleine Botschaft auf das Schokolade papier schreiben wollte, ertönte wie aus dem Nichts und ganz nah ein Geröchel, (...)