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© Mentus GmbH, 2015 1 Wie ethisches Mentoring einen Unterschied bedeuten kann Es scheint kein Tag zu vergehen, an dem nicht von Organisationen die Rede ist, die einst respektiert waren und nun das Vertrauen der Stakeholder missbrauchen. Die Ereignisse um die FIFA (wohl eher „Thiefa“), in der die Mitarbeiter einem Präsidenten applaudieren, der über Jahre einer korrupten Geschäftspraxis vorstand, könnten unverständlich sein, zeigen aber, wie einfach unmoralische und illegale Geschäftspraktiken ein so selbstverständlicher Bestandteil der Kultur werden, dass die Betei- ligten diese als völlig normal und akzeptabel ansehen. Unser Bedürfnis, uns selbst positiv zu sehen führt dazu, dass Geschichten erfunden werden, um das ansonsten Unverzeihliche gut zu heißen. Wenn dann jemand anderes diese Geschichten in Frage stellt, schützen wir unser Selbstwertgefühl, indem wir die Kritik als unmoralisch und das größere Ganze (gleich Gute) unterminierend darstellen. Schließlich sind unsere (unmoralischen) Handlungen nur auf dieses Gute ausgerichtet. So wurden auch diejenigen, die Korruption in der FIFA offengelegt haben so dargestellt, dass sie die „gute Ar- beit“ zur Förderung des Fußballs in den ärmeren Ländern angreifen. Unsere individuelle und kollektive Unfähigkeit, die Moral unserer Handlungen und unsere eingebaute Selbstverteidigung - falls jemand anderes diese hinterfragt - macht die Veränderung einer korrupten Kultur so schwierig. Alle in einer Organisation ein Versprechen für besseres Verhalten unterschreiben zu lassen, wird die zugrundeliegenden Werte nicht verändern. Die Geschichten, die falsches Verhal- ten rechtfertigen, bleiben im Hintergrund weiter gültig und entfalten ihre subtile Wirkung. Über die Zeit wird das unethische Verhalten sich stets selbst rechtfertigen, sofern nicht konstantes Anarbeiten und ethische Vorbilder dagegen wirken. Die Grundannahmen und Geschichten kollektiven Verhaltens zu verändern, gelingt nur im Dialog aber in einem Dialog, der Selbstreflexion – das Verständnis der grundlegenden Werte und die Art, wie wir diese leben – und ein Verständnis und Anerkennen anderer und übergeordneter Perspekti- ven fördert. Die Verknüpfung mit unseren persönlichen Werten verstärkt die unsere Fähigkeit, uns gegenüber unethischen Verhalten abzugrenzen. Die Verknüpfung mit übergeordneten Perspektiven hilft uns, unethische Annahmen zu hinterfragen, die wir über die Zeit als in unserem Arbeitsumfeld gängig erleben. Diese Art des Dialogs findet nicht in einmaligen Workshops statt. Sie erfordern einen Lernkontext, in dem wir offen für die Überprüfung der inneren und äußeren Welt sind und wie wir dazu stehen. Hie- raus ergibt sich die zunehmend wichtigere Rolle (Anm.: auch als Funktion) des „ethischen Mentors“. Ethische Mentoren sind mit Fähigkeit ausgestattet, mit anderen Menschen über schwierige Sachver- halte zu sprechen und dabei die ethischen Aspekte, z.B. in der Entscheidungsfindung in Einklang mit den Grundwerten, angemessen zu berücksichtigen. Diese Mentoren verfügen häufig über einen gro- ßen Schatz an persönlichen Erfahrungen und Wissen.

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Wie ethisches Mentoring einen Unterschied bedeuten kann

Es scheint kein Tag zu vergehen, an dem nicht von Organisationen die Rede ist, die einst respektiert

waren und nun das Vertrauen der Stakeholder missbrauchen. Die Ereignisse um die FIFA (wohl eher

„Thiefa“), in der die Mitarbeiter einem Präsidenten applaudieren, der über Jahre einer korrupten

Geschäftspraxis vorstand, könnten unverständlich sein, zeigen aber, wie einfach unmoralische und

illegale Geschäftspraktiken ein so selbstverständlicher Bestandteil der Kultur werden, dass die Betei-

ligten diese als völlig normal und akzeptabel ansehen. Unser Bedürfnis, uns selbst positiv zu sehen

führt dazu, dass Geschichten erfunden werden, um das ansonsten Unverzeihliche gut zu heißen.

Wenn dann jemand anderes diese Geschichten in Frage stellt, schützen wir unser Selbstwertgefühl,

indem wir die Kritik als unmoralisch und das größere Ganze (gleich Gute) unterminierend darstellen.

Schließlich sind unsere (unmoralischen) Handlungen nur auf dieses Gute ausgerichtet. So wurden

auch diejenigen, die Korruption in der FIFA offengelegt haben so dargestellt, dass sie die „gute Ar-

beit“ zur Förderung des Fußballs in den ärmeren Ländern angreifen.

Unsere individuelle und kollektive Unfähigkeit, die Moral unserer Handlungen und unsere eingebaute

Selbstverteidigung - falls jemand anderes diese hinterfragt - macht die Veränderung einer korrupten

Kultur so schwierig. Alle in einer Organisation ein Versprechen für besseres Verhalten unterschreiben

zu lassen, wird die zugrundeliegenden Werte nicht verändern. Die Geschichten, die falsches Verhal-

ten rechtfertigen, bleiben im Hintergrund weiter gültig und entfalten ihre subtile Wirkung. Über die

Zeit wird das unethische Verhalten sich stets selbst rechtfertigen, sofern nicht konstantes Anarbeiten

und ethische Vorbilder dagegen wirken.

Die Grundannahmen und Geschichten kollektiven Verhaltens zu verändern, gelingt nur im Dialog

aber in einem Dialog, der Selbstreflexion – das Verständnis der grundlegenden Werte und die Art,

wie wir diese leben – und ein Verständnis und Anerkennen anderer und übergeordneter Perspekti-

ven fördert. Die Verknüpfung mit unseren persönlichen Werten verstärkt die unsere Fähigkeit, uns

gegenüber unethischen Verhalten abzugrenzen. Die Verknüpfung mit übergeordneten Perspektiven

hilft uns, unethische Annahmen zu hinterfragen, die wir über die Zeit als in unserem Arbeitsumfeld

gängig erleben.

Diese Art des Dialogs findet nicht in einmaligen Workshops statt. Sie erfordern einen Lernkontext, in

dem wir offen für die Überprüfung der inneren und äußeren Welt sind und wie wir dazu stehen. Hie-

raus ergibt sich die zunehmend wichtigere Rolle (Anm.: auch als Funktion) des „ethischen Mentors“.

Ethische Mentoren sind mit Fähigkeit ausgestattet, mit anderen Menschen über schwierige Sachver-

halte zu sprechen und dabei die ethischen Aspekte, z.B. in der Entscheidungsfindung in Einklang mit

den Grundwerten, angemessen zu berücksichtigen. Diese Mentoren verfügen häufig über einen gro-

ßen Schatz an persönlichen Erfahrungen und Wissen.

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Die Rolle des ethischen Mentors umfasst vier Aspekte. Zunächst sind sie ein Verteidiger gegen den

Reputationsverlust einer Organisation durch Whistleblowing. Der typische Whistleblower geht an die

Öffentlichkeit, weil er sich in der Organisation nicht gehört fühlt. Der ethische Mentor bietet eine

Möglichkeit, die eigenen Bedenken zu äußern und verschiedene Optionen zu eruieren, sich Gehör zu

verschaffen. Weiterhin besitzen Mentoren oft Zugang zu den Entscheidern, denen oft gar nicht be-

kannt ist, wie sich (un)ethisches Verhalten in der Organisation manifestiert. Der Mentor kann einem

Whistleblower helfen, wie die Bedenken am besten vorgetragen werden und wie erforderliche Be-

weise erbracht werden.

Manche Organisationen, insbesondere im Gesundheits- und Sozialbereich, erleben eine andere Art

von Whistleblowern. Diese missbrauchen die bestehenden Strukturen, um von eigenem Fehlverhal-

ten oder eigener Inkompetenz abzulenken oder Rache für deren Offenlegung zu nehmen. Diese Per-

sonen werden nicht mit einem Mentor darüber reden und so großenteils die eigene Reputation ver-

ringern.

Die zweite Rolle des ethischen Mentors besteht darin, jeden in der Organisation zu unterstützen, der

sich in einem ethischen Dilemma sieht und Hilfe benötigt, dieses zu lösen. Im einfachsten Fall sieht

der Prozess der Hilfestellung wie folgt aus:

- Artikuliere das Problem

- Berücksichtige den Kontext

- Berücksichtige die Implikationen

- Welche anderen Meinungen/Perspektiven könnten relevant sein?

- Wäge die Argumente gegeneinander ab

- Komme zu einer abschließenden Bewertung

Die dritte Rolle des ethischen Mentors besteht darin, Menschen zu helfen, eine „ethische Resilienz“

zu entwickeln – die Fähigkeit, ethische Dilemmata zu erkennen, die eigene Aufmerksamkeit zu stei-

gern und ethische Fragen in Einklang mit den eigenen Werten und denen der Organisation zu hand-

haben. Dies ist meist ein langwierigerer Prozess als die beiden ersten Rollen.

Viertens agiert ein ethischer Mentor als „organisatorisches Bewusstsein“. Durch die Auseinanderset-

zung mit unterschiedlichen ethischen Fragen auf allen Ebenen der Organisation und der Reflexion

dieser Fragen, stellt eine einmalige Quelle für die Betrachtung der ethischen Geschichten und Stan-

dards in einer Organisation dar. Der ethische Mentor ist in der Lage Muster im Denken und Verhalten

zu erkennen, ethische Risiken abzuwägen und diese Muster dem Management darzustellen. So kön-

nen Maßnahmen ergriffen werden, bevor es zu Reputationskatastrophen kommt.

Bisher gibt es nur eine Handvoll Organisationen, die einen formalen ethischen Mentor etabliert ha-

ben – Barclays, Standard Chartered, Diageo oder UK National Health Service sind darunter – und

auch diese lernen noch, wie die Rolle am besten gestaltet werden kann, um die Unternehmensmoral

signifikant zu beeinflussen. Nichts desto trotz haben ethische Mentoren eine große Rolle zu spielen.

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Das englische Original dieses Beitrages wurde von David Clutterbuck 2015 veröffentlicht. Der Autor

David Clutterbuck ist einer der profiliertesten und bekanntesten Managementdenker und Autor mit

mehr als 60 publizierten Büchern. Er gehört zu den internationalen Pionieren in der Entwicklung pro-

fessionellen Mentoring und Mitbegründer des European Mentoring & Coaching Council.

Die Mentus GmbH ist Kooperationspartner von David Clutterbuck für den deutschen Sprachraum und

arbeitet aktiv an der internationalen Weiterentwicklung des Mentoring in der Wirtschaft mit.

Kontakt:

Dr. Frank Edelkraut

Mail: [email protected]

Web: www.mentus.de

Tel.: 0171 / 6806893

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