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DOSSIER BUSINESS TRAVEL Eidgenossen kämpfen ums Mobile Payment. Mobilem Bezahlen gehört die Zukunft. Laut einer aktuellen Studie von Juniper vom letzten November sollen Mobile Payments bis 2017 auf die stolze Summe von über zwei Milliarden Transaktionen ansteigen. Keine Frage, dass da verschiedene Schweizer Dienst- leister mit eigenen Lösungen auf den Zug aufspringen wollen, wären viele nicht noch im Hintertreffen. VON ROGER BASLER* Ende  letzten  Jahres  wurde  via  Pressemeldungen  bekannt,  dass die PostFinance mit einer neuen App Bar- und Plastikgeld  sowie Treuekarten vergessen machen möchte. Eine ähnliche  Lösung bietet Swisscom bereits mit Tapit an. Auch die SBB  wollten  einst  mitmischen  und  der  unter  anderem  vom Zahlungsabwickler Aduno vorangetriebenen Initiative «Swiss  Alps»  (ALPS  =  Access  Loyalty  Payment  Solution),  die  eine  gesamtschweizerische  digitale  Brieftasche  anpeilt,  ist  der Durchbruch  bisher  nicht  gelungen  –  und  das  in  Zeiten  von  Apple Pay und Google Wallet. Alle wollen mitmischen. «Mobile Payment», also das mobile  Bezahlen per Smartphone oder Tablet, ist stark im Kommen.  Laut einer aktuellen Studie von Juniper, welche in der Netz- woche und im Tages-Anzeiger erwähnt wurde, sollen Mobile  Payments bis 2017 auf die stolze Summe von über zwei Mil- liarden Transaktionen ansteigen. Bereits haben IT-Konzerne  wie  Apple  (mit  Apple  Pay)  und  Google  (mit  Google  Wallet)  diesem noch jungen Business den Kampf angesagt. Und auch  Amazon mit seinem FirePhone setzt auf einen eigenen Zah- lungsprozess  –  die  Idee  bei  allen  drei  Grosskonzernen:  Auf  dem Smartphone etablieren, bequem für den Kunden sein –  und  ein  Wechsel  ist  später  praktisch  ausgeschlossen.  Aber  auch  Schweizer  Player  sind  nicht  untätig,  im  Gegenteil.  Die  jüngste Ankündigung wurde von PostFinance kommuniziert.  Die Tochter der Post hatte die «erste integrierte Payment- und  Shopping-App der Schweiz» in der Pipeline und nennt diese  «Twint», sie soll Mitte 2015 auf den Markt kommen. Mit der  App kann bezahlt und es können auch Coupons und Stempel- karten  genutzt  werden  –  ein  Aufräumen  im  Portemonnaie  also, was PoinZ und Tapit ja auch vorhaben. Twint soll allen  Schweizer Unternehmen, E-Commerce-Anbietern und ande- ren Dienstleistern zugänglich sein.  Harziger Start. Twint  soll  gemäss  eigenen  Angaben  keine  Kredit-  oder  Debitkarten  benötigen  und  funktioniert  un- abhängig  von  Telekomanbietern,  so  das  Argument  zu  den  Alleinstellungsmerkmalen der App. Ein kleiner Seitenhieb an  Mitbewerber  Swisscom,  der  mit  Tapit  eine  ähnliche  Lösung  lanciert  hatte.  Aber  Tapit  funktioniert  bislang  nur  mit  einer  eigenen Swisscom-SIM-Karte sowie mit Kredit- und Prepaid- karten  von  Cornèrcard  und  Viseca.  Leider  stiess  die  App  bisher  auf  wenig  Gegenliebe  und  CEO  Urs  Schaeppi  musste  Zahlen einfach per Smartphone, etwa mit der Lösung Tapit von Swisscom.

Eidgenossen kämpfen ums mobile Payment

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Eidgenossen kämpfen ums Mobile Payment. Mobilem Bezahlen gehört die Zukunft. Laut einer aktuellen Studie von Juniper vom letzten November sollen Mobile Payments bis 2017 auf die stolze Summe von über zwei Milliarden Transaktionen ansteigen. Keine Frage, dass da verschiedene Schweizer Dienst-leister mit eigenen Lösungen auf den Zug aufspringen wollen, wären viele nicht noch im Hintertreffen.

Von RogeR BasleR*

Ende  letzten  Jahres  wurde  via  Pressemeldungen  bekannt, dass die PostFinance mit einer neuen App Bar- und Plastikgeld sowie Treuekarten vergessen machen möchte. Eine ähnliche Lösung bietet Swisscom bereits mit Tapit an. Auch die SBB wollten  einst  mitmischen  und  der  unter  anderem  vom Zahlungsabwickler Aduno vorangetriebenen Initiative «Swiss Alps»  (ALPS  =  Access  Loyalty  Payment  Solution),  die  eine  gesamtschweizerische  digitale  Brieftasche  anpeilt,  ist  der Durchbruch  bisher  nicht  gelungen  –  und  das  in  Zeiten  von Apple Pay und Google Wallet.

alle wollen mitmischen. «Mobile Payment», also das mobile Bezahlen per Smartphone oder Tablet, ist stark im Kommen. Laut einer aktuellen Studie von Juniper, welche in der Netz-woche und im Tages-Anzeiger erwähnt wurde, sollen Mobile Payments bis 2017 auf die stolze Summe von über zwei Mil-liarden Transaktionen ansteigen. Bereits haben IT-Konzerne wie  Apple  (mit  Apple  Pay)  und  Google  (mit  Google  Wallet) diesem noch jungen Business den Kampf angesagt. Und auch Amazon mit seinem FirePhone setzt auf einen eigenen Zah-lungsprozess  –  die  Idee  bei  allen  drei  Grosskonzernen:  Auf 

dem Smartphone etablieren, bequem für den Kunden sein – und  ein  Wechsel  ist  später  praktisch  ausgeschlossen.  Aber auch  Schweizer  Player  sind  nicht  untätig,  im  Gegenteil.  Die jüngste Ankündigung wurde von PostFinance kommuniziert. Die Tochter der Post hatte die «erste integrierte Payment- und Shopping-App der Schweiz» in der Pipeline und nennt diese «Twint», sie soll Mitte 2015 auf den Markt kommen. Mit der App kann bezahlt und es können auch Coupons und Stempel-karten  genutzt  werden  –  ein  Aufräumen  im  Portemonnaie  also, was PoinZ und Tapit ja auch vorhaben. Twint soll allen Schweizer Unternehmen, E-Commerce-Anbietern und ande-ren Dienstleistern zugänglich sein. 

Harziger start. Twint  soll  gemäss  eigenen  Angaben  keine Kredit-  oder  Debitkarten  benötigen  und  funktioniert  un-abhängig  von  Telekomanbietern,  so  das  Argument  zu  den  Alleinstellungsmerkmalen der App. Ein kleiner Seitenhieb an Mitbewerber Swisscom, der mit Tapit eine ähnliche Lösung lanciert hatte. Aber Tapit funktioniert bislang nur mit einer eigenen Swisscom-SIM-Karte sowie mit Kredit- und Prepaid-karten  von  Cornèrcard  und  Viseca.  Leider  stiess  die  App  bisher auf wenig Gegenliebe und CEO Urs Schaeppi musste 

Zahlen einfach per smartphone, etwa mit der lösung Tapit von swisscom.

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OrGANISATOr Seite 40/41 Ausgabe 1-2/15–6. Februar 2015

jüngst eingestehen, dass die App bisher noch hinter den Er-wartungen  liege.  Der  harzige  Start  von  Tapit  hatte  jedoch zahlreiche  hausgemachte  Gründe.  Zunächst  mal  fehlten Orange  und  Sunrise,  die  bisher  nicht  teilnehmen  können, denn Voraussetzung ist eine besondere NFC-SIM-Karte von Swisscom. Ferner gibt es die App nur für das System Android und auch dort nur für ausgewählte, verifizierte Modelle. Be-sitzer eines Apple-, Blackberry- oder Windows-/Nokia-Tele-fons fielen weg – man konzentrierte sich also auf einen sehr kleinen,  selbst  limitierenden  Markt.  Wenn  man  in  die  Zu-kunft  schaut,  so  wird  das  bei  Apple  wohl  auch  so  bleiben, denn Apple will neben seinem eigenen Apple Pay keine ande-ren  Zahlfunktionen.  Frühere  Apple-Telefone  besitzen  kein NFC-Modul und Googles Nexus-Telefone sowie Android-Be-triebssysteme  möchten  primär  den  eigenen  Google  Wallet protektieren. Bewegen sich alle Anbieter also in unterschied-liche richtungen und landen am Schluss in einer Sackgasse?

Das Problem: alle kochen ihr eigenes süppchen. Nun darf man  die  eher  konservative  Schweiz  nicht  mit  den  progres-siven USA vergleichen. Mobile Payments sind relativ neu und der Schweizer hat immer noch gerne das Haptische – ob Münz oder  Karten  –  oder  setzt  auf  PIN-Code  statt  NFC.  Dennoch: Mit Apple im rücken, einem nicht etablierten NFC-Standard: Warum kooperieren die hiesigen Unternehmen nicht? Noch vor  wenigen  Monaten  hiess  es  bei  PostFinance,  man  sei  an  Tapit interessiert und auch die Swisscom «sei offen für ande-re Platt formen und für gemeinsame Lösungen». Das erinnert bereits ein wenig an ein Projekt der SBB. Auch sie verfolgten einst  mit  «Wally»  ähnliche  Ziele.  Allerdings  kündigte  Fin-News.ch per Ende 2014 die Einstellung von Wally an. Es über-raschte nachfolgend nicht, als die SBB ankündigten, mit der PostFinance  resp.  deren  App  Twint  zusammenzuarbeiten. Gerade  in  Kombination  mit  railCities  eine  logische  Konse-quenz,  um  mehr  Frequenz  zu  erreichen.  Das  sind  nun  drei 

Grosskonzerne, die neben den Zahlungslösungen vor allem aufs Handy bei den Kunden möchten – ob das im Sinne einer Stärkung des Finanzplatzes in der Schweiz ist, steht auf einem anderen (Konto-)Blatt.

Und was macht die hiesige Bankenszene? Kooperatio-nen und gesamtgültige Standards sucht man leider auch hier vergebens.  Der  Finanzplatz  Schweiz  ist  derzeit  so  stark  mit sich selbst beschäftigt und hat es verlernt zu kooperieren, so-dass jedes Institut in Sachen digitale Zahlungen sein eigenes Süppchen  kocht  –  man  könnte  fast  meinen,  der  Schweizer Kantönligeist ist industrieübergreifend ansteckend. So arbei-tet auch SIX Payment an einer eigenen Brieftasche, während Migros  Bank,  UBS  und  ZKB  Bezahllösungen  übers  Handy  anbieten – mit  jeweils unterschiedlichen Ansätzen von Qr-Code-Scannen über SMS Pay bis hin zu direkten Kontoüber-tragungen im selben Finanzinstitut.

sich vom ausland überholen lassen? Die Frage muss erlaubt sein, wem dieses vereinzelte Vorgehen wirklich dient, zumal es die Schweiz  im rahmen von Kooperation, Erfa-Gruppen und  Branchenverbänden  ja  eigentlich  gewohnt  sein  muss, Wissen und Ziele zu koordinieren und auszutauschen. Man ertappt sich fast dabei, dass man den Anbietern und Herstel-lern  dieser  neuen  Zahlungsmöglichkeiten  andere,  nicht  so hehre Gründe unterstellt – wohl zu Unrecht, denn das Poten-zial ist gross, der Bedarf auch und es wächst eine mobilaffine Kundschaft  heran,  die  keine  Angst  vor  Technologie,  höchs-tens  vor  zu  viel  Komplexität  hat.  Aber  vermutlich  werden  alle  Anbieter  einst  von  einem  grösseren  Player  aus  dem  Ausland überholt werden – hier spielt der Lock-in-Effekt. Wer die Plattform beherrscht, beherrscht den User.

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* Roger Basler ist Unternehmens-Architekt und unter anderem Geschäftsführer der Swiss E-Commerce Academy. Er berät und finan-ziert Internet-Start-ups im In- und Ausland.