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Seite 1 Mainstream Wie einseitig ist Berichterstattung heute? Uwe Krüger „Kriege und Konflikte“ – Tagung von Bundeszentrale für politische Bildung und Kultusministerkonferenz, Berlin 12./13.9.2016 Foto: Harald Schottner / pixelio.de

Mainstream - Wie einseitig ist Berichterstattung heute?

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Mainstream – Wie einseitig ist

Berichterstattung heute? Uwe Krüger

„Kriege und Konflikte“ – Tagung von Bundeszentrale für politische

Bildung und Kultusministerkonferenz, Berlin 12./13.9.2016

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• Vertrauenskrise in Zahlen

• Berichterstattung zum Euromaidan 2013/14

• Berichterstattung zur Griechenland-Krise 2015

• Berichterstattung zur Flüchtlingskrise 2015

• Auswege

Gliederung

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Frank-Walter Steinmeier im November 2014 F

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„Der Meinungskorridor

war schon mal breiter. Es

gibt eine erstaunliche

Homogenität in deutschen

Redaktionen, wenn sie

Informationen gewichten

und einordnen. Der

Konformitätsdruck in den

Köpfen der Journalisten

scheint mir ziemlich hoch

zu sein.“

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Allensbach-Umfrage für FAZ, Dezember 2015

„In letzter Zeit ist hin und wieder das Schimpfwort

'Lügenpresse' zu hören. Damit ist gemeint, dass

die Medien angeblich nicht objektiv berichten,

sondern Sachverhalte verdrehen oder bestimmte

Tatsachen ganz verheimlichen. Finden Sie, an

dem Vorwurf der 'Lügenpresse' ist etwas dran,

oder finden Sie das nicht?“

39%

36%

25%

Ist etwas dran

Finde das nicht

unentschieden,keine Angabe

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Infratest-Umfrage für WDR, Oktober 2015

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Infratest-Umfrage für WDR, Oktober 2015

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Berichterstattung über Euromaidan

• In öffentlich-rechtlichen Abendnachrichten kamen überwiegend

pro-westliche Akteure zu Wort

• Vitali Klitschko als herausragender Oppositionspolitiker

• Rechtsradikale Kräfte

(Swoboda, Rechter

Sektor) spielten kaum

eine Rolle

• Putsch? Nein, demo-

kratische Revolution!

Gut und Böse waren

klar verteilt

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Berichterstattung über Euromaidan

• Scharfschützenmorde wurden ohne Belege Janukowitsch

angelastet

• Unterstützung der Euromaidan-Eliten durch westliche Politiker

und Institutionen wurde vernachlässigt bzw. nicht hinterfragt

(5 Mrd. Dollar aus US-Steuermitteln seit 1991)

• Genaue Vorstellungen der US-Regierung über künftige

Regierung: Jazenjuk als Premier, nicht Klitschko (V. Nuland)

• „Demokratieförderung ist das billigste Instrument, um

amerikanischen Einfluss auszuweiten“ (Prof. Mária Huber)

Geopolitische Dimension wurde kaum aufgezeigt

Page 10: Mainstream - Wie einseitig ist Berichterstattung heute?

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Berichterstattung über Euromaidan

• Von Separatisten festgenommene Bundeswehroffiziere wurden

tagelang fälschlich als OSZE-Militärbeobachter bezeichnet,

obwohl sie nicht zur OSZE-Mission gehörten

• Morde an Euromaidan-Gegnern in Odessa (2. Mai 2014,

Gewerkschaftshaus) wurden ignoriert oder als bedauernswerter

Unfall vertuscht (Tagesschau)

• Mordserie an oppositionellen Politikern und Publizisten in der

Ukraine sowie Verbot der Kommunistischen Partei wurden

ignoriert (doppelte Standards werden sichtbar im Vergleich zu

Russland)

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Mögliche Ursachen für Parteilichkeit

• PR-Abhängigkeit – Klitschko war als Deutsch sprechender

Oppositionspolitiker auf deutsche Journalisten abonniert

• Indexing: Orientierung an den Deutungsmustern und der

Meinungsspanne innerhalb der eigenen Eliten (Gabor Steingart:

„Westliche Medien und Politik sind eins“)

• Unterschwellige Parteilichkeit von Journalisten im Ost-West-

Konflikt durch westliche Sozialisation und Einbindung in

transatlantische Netzwerke (Bündnisrücksichten)

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Transatlantische Netzwerke

Einführung Netzwerke Frames Zusammenhänge

Ressortleiter und Herausgeber als Mitglieder der Atlantikbrücke,

Teilnehmer der Münchner Sicherheitskonferenz, Kurator der

American Academy oder des Aspen Instituts, Präsidiumsmitglied

der Deutschen Atlantischen Gesellschaft usw.

ZDF Die Anstalt 29.4.2014

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Kluft zwischen Elite und Bevölkerung

• Während der Krimkrise 2014 wollten nur 45 Prozent der

Deutschen ihr Land „fest im westlichen Bündnis“ verankert

sehen, 49 Prozent wollten eine „mittlere Position zwischen

Westen und Russland“ (Umfrage für ARD und WELT)

• 57 Prozent der Deutschen wünschen, dass ihr Land

unabhängiger von den USA agiert (Umfrage für GMF 2014)

• Nur 38 Prozent würden ein Nato-Mitglied, das ehemalige

Sowjetrepublik ist, gegen Russland militärisch verteidigen

(Umfrage Pew Research Center 2015)

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Griechenland-Krise 2015

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Berichterstattung über Griechenland

• Syriza-Führung als Bedrohung für Europas Stabilität und

Deutschlands Staatshaushalt, „Extremisten“, „Hasardeure“,

„Amateure“ oder „Spieler“

• EU will mit „Rettungspaketen“ und

„Hilfsprogrammen“ nur Gutes tun,

doch die „gierigen Griechen“ oder

„Pleite-Griechen“ verweigern

Reformen

Gut und Böse waren wieder

klar verteilt

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Berichterstattung über Griechenland

• Studie Uni Würzburg: Analyse von fast 1500 Artikeln aus Bild,

Welt, FAZ, SZ, taz und Spiegel Online aus 1. Halbjahr 2015

• Häufig standen Tsipras und Varoufakis im Fokus, v.a. wurden

aber Aussagen über sie getroffen, sie selbst kamen kaum zu

Wort

• „Medienübergreifend konnte festgestellt werden, dass, wenn

Akteure der griechischen Regierung durch Adjektive im Text

bewertet wurden, diese Wertungen mehrheitlich negativ und

äußerst selten positiv waren“ (Kim Otto/Andreas Köhler)

• Mangel an Neutralität, Ausgewogenheit, Vielfalt und

Hintergrund Perspektive von Berlin und Brüssel

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Berichterstattung über Griechenland

Programmbeschwerde des Vereins „Ständige Publikumskonferenz“ vom 24.6.2015

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Berichterstattung über Griechenland

Antwort von ZDF-Intendant Thomas Bellut vom 10.7.2015:

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Seite 19

Mögliche Ursachen für Parteilichkeit

• Abhängigkeit von den Quellen und menschliche Nähe am

Korrespondentenstandort

• Unbewusste oder bewusste Identifikation mit „unserer“ bzw.

der „guten“ Seite, Vermeidung kognitiver Dissonanz

• publizistischer Kampf gegen die angeblich

verantwortungslose griechische Regierung und für die Stabilität

Europas und des Euro

• Wer aus bestimmten Konsensen ausschert, der wird abgestraft,

z.B. nicht mehr zu Reisen oder Hintergrundgesprächen

eingeladen Angst vor sozialer bzw. beruflicher Isolation

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Flüchtlingskrise 2015

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Berichterstattung über Flüchtlingskrise

• Bemühung, Verständnis für Flüchtlinge und die Politik der

offenen Grenzen zu wecken und Fremdenfeindlichkeit keinen

Vorschub zu leisten

• Bilder zeigten oft Frauen, Kinder und Familien, während der

Großteil der Flüchtlinge junge Männer waren

• Bei Auseinandersetzungen zwischen ungarischen

Grenzschützern und Flüchtlingen zeigte die BBC junge

Männer, die Tore eintraten und Steine warfen – die ARD zeigte

v.a. Frauen und Kinder, die vor Tränengas flohen (Indexing)

• Sorgen der Einheimischen vor staatlichem Kontrollverlust und

kulturellen Problemen nicht abgebildet

Page 22: Mainstream - Wie einseitig ist Berichterstattung heute?

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Berichterstattung über Flüchtlingskrise

ARD Tagesthemen 19.8.2015

Page 23: Mainstream - Wie einseitig ist Berichterstattung heute?

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Mögliche Ursachen für Parteilichkeit

• Wieder Konformität mit dem Regierungskurs

• in besonderen Zeiten werde das ZDF zum

„Gesinnungssender“ (Wolfgang Herles)

• Humanistische Gesinnung in den Redaktionen, liberal-

fortschrittliche Werte – Journalisten sind vom Milieu her kein

repräsentatives Abbild der Bevölkerung

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Frame-Analyse: Thema

• Themenkomplex mit Kluft zwischen Elite und

Bevölkerung

• Auslandseinsätze der Bundeswehr

• „erweiterter Sicherheitsbegriff“

http://www.sinus-institut.de/sinus-loesungen/sinus-milieus/

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Milieuverteilung Journalisten vs. Bevölkerung

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Auswege aus der Vertrauenskrise

• Milieu-Vielfalt in den Redaktionen

• Aufgeben einer pädagogisch-paternalistischen Haltung

gegenüber dem Publikum Augenhöhe

• Unvoreingenommenheit in der Recherche und an den

Konferenztischen

• Zeit und Personal für Recherche und Reflexion

• Fixierung auf die eigenen politischen Eliten lockern („Wir sind

die Guten“), Multiperspektivität und Meinungsvielfalt erhöhen

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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Weiterführend

Uwe Krüger: Mainstream. Warum

wir den Medien nicht mehr trauen.

C.H.Beck, München 2016