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Politik für alle Generationen

Publikation demografiestrategie

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Page 1: Publikation demografiestrategie

Politik für alle Generationen

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Inhalt

Grußwort der Bundeskanzlerin S. 03

Jedes Alter zähltDie Demografiestrategie der BundesregierungFähigkeiten in jedem Alter nutzen

S. 04 – 05

01 Familie als Gemeinschaft stärkenZwei auf einem ChefsesselStrom und Windeln

S. 06 – 09

02 Motiviert, qualifiziert und gesund arbeitenNeustart geschafftErfahrung hat Zukunft

S. 10 – 13

03 Selbstbestimmtes Leben im AlterForschen für den AlltagAnders wohnen

S. 14 – 17

04 Lebensqualität in ländlichen Räumen und integrative Stadtpolitik Zahnärztin auf AchseNeues Stadtleben

S. 18 – 23

05 Grundlagen für nachhaltiges Wachstum und Wohlstand sichernMehr als ServiceUnternehmergeist fördern

S. 24 – 29

06 Handlungsfähigkeit des Staates erhaltenEin Plus für die Polizei

S. 30 – 32

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Deutschland verändert sich. Wir werden weniger und im Durchschnitt älter. Wir werden vielfältiger, der Anteil der Menschen mit Zuwanderungs­hintergrund nimmt zu. Heute sind wir auch mobiler denn je. Moderne Technologien durchziehen nahezu jeden Lebensbereich. Sie erleichtern den Alltag im Privatleben und bieten neue Möglichkeiten in der Arbeitswelt.

Demografische Entwicklung und digitale Revolution stellen die Politik und letztlich jeden von uns vor neue Herausforderungen. Mit dem Wandel gehen unverkennbar auch große Chancen einher. Chancen auf Bildung und Aufstieg, auf persönliche Entfaltung, auf berufliche und gesellschaftliche Teilhabe – all das macht Integration und technischen Fortschritt für den Einzelnen wie auch für unser Land insgesamt als Bereicherung erfahrbar.

Es lohnt sich, dass wir uns frühzeitig auch mit wichtigen Zukunftsfragen auseinandersetzen. Wie schaffen wir es, unseren Erfindergeist immer wieder aufs Neue zu wecken? Wie gelingt es, unseren Fachkräftebedarf auch künftig zu sichern? Wie können wir Beruf und Familie noch besser miteinander vereinbaren? Welche Möglichkeiten haben auch Ältere, ihre Erfahrungen weiterhin einzubringen? Auf diese und viele andere Fragen bietet die Demografiestrategie der Bundesregierung Antworten.

Mit herzlichen Grüßen

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Jedes Alter zähltWir leben länger und gesünder, wir sind mobiler als die Generationen vor uns – und wir erleben mehr kulturelle Vielfalt. So weit, so gut. Die Kehrseite der Medaille: Wir werden weniger, immer mehr Menschen leben allein, viele junge Menschen drängt es vom Land in die Städte, die Zahl der Pflege bedürftigen steigt.

Die Bevölkerung wird in Deutschland deutlich altern: Die Gruppe der Hochbetagten wird bis 2030 um die Hälfte wachsen, die Gruppe der Jün­geren um mehr als ein Zehntel abnehmen. Eine Entwicklung, die erheb­liche Folgen für unser Land, unsere Gesellschaft, unser Zusammenleben hat. Da mehr Menschen sterben als geboren werden und dies nicht mehr durch Zuwanderung ausgeglichen wird, geht die Bevölkerung insgesamt zurück. Bis 2030 könnten zwei Millionen und bis 2060 zwölf Millionen Einwohner weniger als heute in Deutschland leben. So hat es das Statis­tische Bundesamt errechnet.

Viele Menschen machen sich deswegen Sorgen. Sorgen, die nicht unbe­gründet sind. Aber wir können etwas tun. In den vergangenen Jahren hat die Bundesregierung bereits viele Maßnahmen ergriffen, damit unser Land im demografischen Wandel seine Stärken und Lebensqualität behält und weiter entwickelt. Bekanntestes Beispiel: die Rente mit 67. Sie ist nötig, weil es immer weniger Beitragszahler und immer mehr Rentner gibt. So bleiben die Beiträge bezahlbar und die Renten auf einem stabilen Niveau.

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�ie �emografiestrategie der �undesregierungNoch sind allerdings viele Aufgaben zu bewältigen. Wie, das zeigt die neue Demografiestrategie der Bundesregierung. Sie lädt alle Bürger ein, die Veränderungen aktiv mitzugestalten.

Letztendlich ist es eine Frage der Sichtweise. Sehen wir nur die Probleme, oder fragen wir uns: Wie können wir den demografischen Wandel gestal­ten? Und wie können wir die Vorteile nutzen, die er birgt?

Engagierte Menschen in ganz Deutschland nehmen die Dinge bereits in die Hand. Sie ergreifen die Chancen, die ihnen unser Gemeinwesen bietet. Sie nehmen ihr Umfeld bewusst wahr und machen politisch Verantwort­liche darauf aufmerksam, welche Maßnahmen sinnvoll sind. Und sie reden nicht nur darüber, was getan werden müsste, sondern übernehmen selbst Verantwortung. Es gibt Tausende Beispiele dafür. Auf den folgenden Seiten stellen wir Ihnen elf davon vor.

Fähigkeiten in jedem �lter nutzenSie zeigen, warum die Familie auch in einer stark individualisierten Gesellschaft den Kern des Zusammenlebens bildet. Und wie sich Kinder­wunsch und Karriere tatsächlich in Einklang bringen lassen – nicht nur für Frauen. Es kommen Mitbürger zu Wort, die sich auch im Ruhestand noch einbringen, sei es durch ihr fachliches Wissen oder im Sinne von wahrer Gastfreundschaft und Nachbarschaftshilfe. Wir stellen Menschen vor, die bereits länger arbeiten und deren Arbeitgeber auf ihre veränderten Bedürfnisse eingeht; Menschen, die der Anonymität in Großstädten entgegenwirken und ihren Stadtteil mitgestalten; Menschen, die Leben und Arbeit aufs Land zurückholen. Und junge Mitbürger mit Migrations­hintergrund, die dank ihrer Sprachkenntnisse und ihres kulturellen Wissens dazu beitragen, dass der öffentliche Dienst der Vielfalt in unserer Gesellschaft entspricht.

Sie und viele andere tragen dazu bei, dass wir in Deutschland Wohlstand, soziale Sicherheit und Lebensqualität erhalten können – trotz der Bevöl­kerungsentwicklung.

Jedes Alter zählt. Wir müssen die Bedürfnisse der jungen Menschen genauso im Auge behalten wie die der älteren. Und allen die Möglichkeit geben, ihre Fähigkeiten zu nutzen. Das ist das Ziel der Demografiestrategie.

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01Familie als Gemeinschaft stärken

6 F� M � � � � � � � � � M � � � � c h � F � � �ä � � � �

�ie Familie steht im Mittelpunkt der �emografiestrategie der �undesregierung. �enn je anonymer unser �usammenleben ist, desto mehr wird uns bewusst: �irgendwo sind �usammenhalt und gegenseitiges Vertrauen stärker als in der Familie. �och in den vergangenen Jahren haben sich immer weniger Paare für �inder entschieden. �nd immer weniger �entner können sich am �achen ihrer �nkel erfreuen. Für viele junge �eute lautet die wichtigste Frage, wie sich �inder, �eruf und �ufstiegschancen in �inklang bringen lassen. �ute �etreuungsangebote, familienfreundliche �rbeitszeiten und hilfen im haushalt sind notwendige Voraus­setzungen. �och auch sie helfen nur, wenn sich �rbeitswelt und �ebenseinstellung verändern. �ir zeigen an zwei �eispielen, dass Paare bereits heute bereit sind, sich �rziehungsarbeit und �erufs­tätigkeit zu teilen. �nd dass �rbeitgeber und hochschulen bereit sind, �arriere auch in �eilzeit zu ermöglichen.

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�anja Mumot, 34, teilt sich die Leitung einer Commerzbank-Filiale mit Christian Bürgel

„An meinen freien Tagen unternehme ich sehr viel mit meinem vierjährigen Sohn Henry. Für mich bedeutet das eine optimale Balance zwischen Beruf und Privatleben.“

Zwei auf einem Chefsessel

Von Montag bis Mittwoch ist Christian Bürgel der Chef, donnerstags und frei­tags ist Tanja Mumot die Chefin. In der Chefetage einer Commerzbank­Filiale ist Realität, was viele Unternehmen besten­falls in unteren Positionen ermöglichen: Seit April 2009 wechseln sich Bürgel und Mumot bei der Leitung einer Bankfiliale in Duisburg ab. Beide haben Kinder und beide wollen beides: Familie und Arbeit.

„Ich habe durch die zusätzliche Freizeit eine sehr intensive Beziehung zu meinem Sohn bekommen. Auch er freut sich immer auf die beiden Wochentage, an denen Papa zu Hause ist.“

christian �ürgel, 45, Filialleiter der Commerzbank

Christian Bürgel ist Vater des mittler­weile zehnjährigen Alexander. Er wollte sich die Kinderbetreuung mit seiner Frau teilen – ohne fremde Hilfe. Bürgel wusste, dass auch Tanja Mumot, deren

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Sohn Henry heute vier Jahre alt ist, auf der Suche nach einem Teilzeitposten war. Also entwarfen die beiden ein gemeinsames Führungsmodell und präsentierten es ihren Vorgesetzten.

�arrierechancen bleiben„Meine Vorgesetzten haben meinen Wunsch von Anfang an voll mitgetra­gen“, erinnert sich Bürgel. Denn die Bank strebt ganz bewusst an, dass sich ihre Mitarbeiter nicht zwischen Kindern und Job entscheiden müssen. Deshalb ermög­licht sie nicht nur viele Positionen in Teilzeit, sondern auch Telearbeit von zu Hause aus. Bereits seit Anfang der 90er­Jahre gibt es eine entsprechende Betriebsvereinbarung. Und damit nicht genug. Mit dem Programm „Keep in Touch“, einer geringfügigen Teilzeit wäh­rend der Elternzeit, hilft die Bank laut Personalvorstand Ulrich Sieber, eine Unterbrechung der Karriere zu vermei­den. Die Maßnahme „Rückkehrgarantie nach Elternzeit“ gewährleiste über die gesetzlichen Regelungen hinaus, dass Kollegen nach der Kinderpause wieder in derselben Position tätig seien.

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8 F� M � � � � � � � � � M � � � � c h � F � � �ä � � � �

So war es auch für die Mitarbeiter von Tanja Mumot und Christian Bürgel wenig verwunderlich, dass an verschie­denen Tagen verschiedene Chefs zustän­dig sind. Allerdings setzt diese Arbeits­weise großes gegenseitiges Vertrauen und einen gemeinsamen Führungsstil voraus. Und ganz abgeschnitten vom Geschehen sind die beiden auch nicht an ihren Familientagen: „Wir telefonieren regelmäßig miteinander und leiten uns E­Mails weiter, um uns auszutauschen.“

�ut gelaunte VorgesetzteBeide fühlen sich durch das ausgewogene Verhältnis von Beruf und Familie moti­viert. An den freien Tagen können sie sich voll und ganz auf die Familie konzentrie­ren, und an den jeweiligen Arbeitstagen gehört ihre ganze Energie der Bank. So bleibt jede Menge Zeit, um mit den Kin­dern zu spielen, den Haushalt zu organi­sieren, den Garten zu pflegen oder auch mal Sport zu treiben. Die Mitarbeiter pro­fitieren auch davon: Ihre Chefs sind aus­geglichen und stets gut gelaunt.

Strom und Windeln

Der Laie muss das zweimal lesen und versteht trotzdem nur Bahnhof: „Steige­rung der elektrischen Leitfähigkeit orga­nischer Materialien ohne den Verlust der Transmissivität von Licht“. Thorsten Audersetz weiß allerdings sehr genau, was sich dahinter verbirgt. Er studiert im zweiten Mastersemester Physik an der Universität Paderborn und ist dort auch studentische Hilfskraft. Aber Audersetz führt auch noch ein anderes Leben:

Windeln wechseln, nachts von Linus’ Schreien aufwachen und sich an dessen ersten Versuchen zu lächeln erfreuen – auch das gehört zum Alltag. Am 9. März 2012 ist der 25­Jährige Vater geworden.

Dass Audersetz Kind und Studium gut miteinander vereinbaren kann, liegt vor allem daran, wie seine Universität jungen Eltern begegnet. „Wir haben uns ganz bewusst dafür entschieden, noch wäh­rend meines Studiums ein Kind zu bekommen, weil die Voraussetzungen einfach perfekt waren“, erzählt Audersetz.

�undumberatung„Familiengerechte Hochschule“: In Paderborn ist das nicht nur werbetaugli­ches Gütesiegel, sondern gelebter Hoch­schulalltag, den ein Eltern­Service­Büro koordiniert. „Es war ein voller Erfolg, dorthin zu gehen“, erinnert sich Auder­setz an die Besuche bei Barbara Pick­hardt. Die Diplom­Pädagogin weiß nicht nur aufgrund ihrer Ausbildung und Berufserfahrung um die Bedürfnisse junger Eltern. Sie kennt sie auch aus dem eigenen Leben. Denn sie wurde selbst noch während des Studiums Mutter. Heute bietet sie werdenden Eltern Rat und Hilfe in allen Lebenslagen. Von der Finanzierung über die Kinderbetreuung, die zeitliche Organisation von Studium und Elternschaft bis hin zur psycho­sozialen Beratung: Das Eltern­Service­Büro ist die Anlaufstelle.

�ine �ni nimmt �ücksichtSo unromantisch das klingen mag: An erster Stelle steht meist die Frage der Finanzierung. Audersetz hatte sich

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eigentlich nur nach dem Elterngeld erkundigen wollen, als er einen Termin bei Barbara Pickhardt wahrnahm. „Sie hat dann alle Varianten mit mir durch­gerechnet, die ganze Palette rauf und runter“, erinnert sich der junge Vater. Heraus kamen drei Modelle, wie sich „Familie finanzieren“ ließe. Ein Baustein ist die Stelle als studentische Hilfskraft am Lehrstuhl Physik.

Nicht nur dort kam man Audersetz mit dem Satz: „Komm, wann du Zeit hast“ entgegen, auch die Lehrenden sind sensibilisiert. Eine mündliche Prüfung, die kurz nach der Geburt des Kindes anstand, konnte Audersetz verschieben. Nach dem Master will er direkt in den Beruf einsteigen – und hat dafür nach Einschätzung von Pickhardt gute Chan­cen: „Viele Arbeitgeber sehen einen Vor­teil darin, jemanden nach Abschluss des Studiums einzustellen, der den Kinder­wunsch bereits realisiert hat.“www.uni­paderborn.de Stichwort „Familiengerechte Hochschule“

„Ich hätte nie gedacht, dass mein Lehrstuhl mir erleichtert, Studium und Vaterschaft unter einen Hut zu bekommen.“

�horsten �udersetz, 25, Physikstudent, studentische Hilfskraft und Vater

Die BunDesregierung → setzt sich dafür ein, dass Frauen

und Männer auch als Mütter und Väter Führungsaufgaben übernehmen können.

→ fördert die Vereinbarkeit von Studium und Familie, damit die Studienzeit auch Zeit der Familien-gründung werden kann.

→ unterstützt gemeinsam mit den Wirtschaftsverbänden und Gewerk-schaften die Verbreitung familien-bewusster Arbeitszeiten und erleichtert es den Arbeitnehmern, ihre pflegebedürftigen Angehörigen zu betreuen.

→ wird den Ausbau der Kinder-betreuung auf Basis der Vereinba-rungen mit den Ländern sicherstellen und hilft dabei, dass die Kitas ihren Bedarf an qualifiziertem Fachpersonal decken können.

→ wird Möglichkeiten für eine bessere Förderung haushaltsnaher Dienst-leistungen prüfen.

→ wird ungewollt kinderlosen Paaren die Realisierung ihres Kinder-wunsches erleichtern.

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02Motiviert, qualifiziert und gesund arbeiten

�ernen von den �lten. �as einst selbstverständlich war, hat sich zur Floskel entwickelt. �abei tun wir nicht nur älteren Menschen einen �efallen, wenn wir ihren �at suchen und schätzen. �ir profitieren davon – privat und sogar wirtschaftlich. �enn erfahrene Mitarbeiter sichern Produktivität und Qualität – wenn sie gesund bleiben und ihrem �lter gemäß eingesetzt sind. Für den �inzelnen bedeutet das, dass er nicht spätestens mit 60 aussortiert wird. �ir können nicht mehr auf die �rbeitskraft der älteren verzichten. �s geht aber nicht darum, einfach nur länger zu arbeiten, sondern sich dabei gut zu fühlen und �ertschätzung zu erfahren. �nverzichtbare �rundlagen sind allerdings �esundheit, Qualifizierung und eine altersgerechte �estaltung der �rbeitswelt. �ir stellen zwei Menschen vor, die sich körperlich und geistig fit gehalten haben, weil �esellschaft und �rbeitgeber ihnen den �nreiz dazu geboten haben.

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„Ich habe wieder mehr Selbst­bewusstsein und gemerkt, dass meine 30 Jahre Berufserfah­rung viel wert sind. Ein Junger muss diese erst noch sammeln.“

Monika Mattis, 57, Bauingenieurin und Mitarbeiterin der Märkischen Entsorgungsgesellschaft Brandenburg

Neustart geschafft

Morgens im Büro in Prützke, danach ein Ofenbauer in Geltow, dann Unterneh­men in Werder und Glindow, das Handy stets einsatzbereit: Monika Mattis’ Büro ist das Auto. Die 57­jährige Bauinge­nieurin reist im Auftrag der Märkischen Entsorgungsgesellschaft Brandenburg durchs Land und berät Unternehmen in Sachen Entsorgung. Sie ist viel unterwegs und ständig am Organisieren, doch genau das ist es, was Mattis gesucht hatte.

Das Bauunternehmen, in dem sie lange tätig gewesen war, musste eines Tages Konkurs anmelden. Mattis ließ sich davon nicht entmutigen und gründete 1998 ihr eigenes kleines Ingenieurbüro. Trotz einzelner Aufträge überwogen die existenziellen Sorgen. Als sie 2009 vom „Campus der Generationen“ las, zögerte sie deshalb nicht lange und bewarb sich.

�och mal an die �niDas Projekt der Universität Potsdam richtet sich an erwerbslose Menschen ab 50 Jahren mit akademischer Ausbildung

in Brandenburg. Sechs Monate lang sind sie noch einmal an der Uni eingeschrie­ben und können das komplette Angebot in Anspruch nehmen. Vor allem aber arbeiten sie gemeinsam mit Studenten an konkreten Fragen ihres Fachgebietes, die die regionale Wirtschaft stellt. „Die Gene­ration 50­Plus wird am Arbeitsmarkt immer wichtiger“, erklärt Professor Dieter Wagner, Leiter des „Campus der Genera­tionen“, die Idee, die dahinter steckt. In den ersten drei Jahren arbeiteten 57 Teil­nehmer in 25 Projekten. 31 von ihnen fanden im Anschluss eine Anstellung.

�erufserfahrung ist wertvollSo auch Monika Mattis, die sich gemein­sam mit einem Seniorpartner und zwei Studenten mit dem Recycling von Solar­zellen befasst hatte. „Die Arbeit mit den Studenten hat mir mein Selbstbewusst­sein zurückgegeben, und ich habe gemerkt, dass meine 30 Jahre Berufserfahrung viel wert sind“, freut sich Mattis. Direkt im Anschluss an das Projekt fand sie eine Anstellung bei der Märkischen Entsor­gungsgesellschaft Brandenburg.

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Die ursprüngliche Förderung des „Campus der Generationen“ aus dem Europäischen Sozialfonds und vom Land Brandenburg lief Ende 2011 aus. Aktuell bemüht sich die Universität gemeinsam mit der Agentur für Arbeit Potsdam darum, das Projekt aus eigener Kraft weiterlaufen lassen zu können.www.campus­der­generationen.de

Erfahrung hat Zukunft

90 Sekunden hat Siegfried Wirler Zeit. 90 Sekunden, um zu prüfen, ob 40 Kolle­gen aus diversen Einzelteilen ein fehler­freies Auto zusammengesetzt haben. Der 60­jährige Automechaniker arbeitet im BMW­Werk Dingolfing am Fließband. Den 90­Sekunden­Takt absolviert er jeden Tag acht Stunden lang. „Das ist manchmal schon stressig“, gibt Wirler zu, „man muss wirklich immer hundert­prozentig da sein.“

Damit das über Jahrzehnte gut gehen kann, reicht es nicht, am Wochenende die Füße hochzulegen. Menschen wie Siegfried Wirler müssen aktiv etwas tun, damit sie auch mit 60 noch körperlich und geistig fit sind: gesunde Ernährung, Ausdauersport, Kraftübungen und hin und wieder Physiotherapie. Wirler hat einen Arbeitgeber, der das nicht nur schätzt, sondern seine Angestellten sogar dabei unterstützt.

�ngepasste �rbeitsbedingungenDie BMW­Gruppe sieht sich als Spiegel der gesellschaftlichen Entwicklung: Der Anteil der Mitarbeiter, die 50 Jahre und älter sind, nimmt stetig zu. Deshalb hat sich das Unternehmen bereits 2004 Gedanken gemacht, wie eine insgesamt ältere Gruppe produktiv und mit hoher Qualität arbeiten kann. Denn: „Wir können es uns nicht leisten, unsere Mit arbeiter mit 60 in den Ruhestand zu schicken“, so BMW­Personalvorstand Harald Krüger.

BMW hat sich deshalb entschieden, die Arbeitsbedingungen an die Bedürf­nisse des jeweiligen Alters anzupassen. Das Programm „Heute für morgen“ hat laut Krüger das Ziel, „den Schatz, den wir haben, zu nutzen: Erfahrung, Loya­lität und Qualitätsbewusstsein der Mitarbeiter“.

�rwerbsbeteiligung der 55 – 64­Jährigen

0 % 2000 2010

10 %

20 %

30 %

40 %

50 %

60 %

Quelle: Statistisches Bundesamt

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„Ich merke, dass mein Arbeit­geber meine jahrzehntelange Erfahrung und meinen Anspruch an die Qualität der Arbeit wertschätzt.“

�iegfried �irler, 60, Kfz-Mechaniker bei BMW

Quelle: Statistisches Bundesamt

ältere sorgen für Qualität2007 startete BMW in seinem Werk in Dingolfing das Pilotprojekt „Produktions­system 2017“. An einem Band wurden – entsprechend der voraussichtlichen Bevölkerungsentwicklung – jüngere Mitarbeiter durch ältere ersetzt und die Bedingungen verändert. Das Ergebnis war eindeutig: „Der Test hat ergeben, dass das Team mit älteren Mitarbeitern genauso produktiv war wie jüngere Teams. Und die Qualität war sogar noch höher als bei den Jungen“, berichtet der Personalvorstand zufrieden. Ein Modell also, das bei BMW jetzt Schule macht.

Siegfried Wirler ist zufrieden: „Ich merke, dass mein Arbeitgeber meine jahrzehnte­lange Erfahrung und meinen Anspruch an die Qualität der Arbeit wertschätzt.“

Die BunDesregierung → wird die Gesundheitsförderung in

Betrieben verstärken, damit sich mehr Unternehmen aktiv für die Gesundheit ihrer Mitarbeiter engagieren.

→ wird zusammen mit den Wirt-schaftsverbänden und Gewerkschaf-ten die Schaffung alters gerechter Arbeitsplätze und eine Kultur des längeren Arbeitens unterstützen.

→ wird die Weiterbildung vor Ort unterstützen, damit selbstverständ-lich wird, dass Weiterbildung von Anfang an zum Berufsleben gehört.

→ will es den Menschen erleichtern, ihre Arbeitszeit über den Lebenslauf so zu verteilen, dass Arbeit und Weiterbildung, Kindererziehung und Pflege Angehöriger besser vereinbar sind.

→ wird für ältere Arbeitnehmer bessere Möglichkeiten schaffen, Erwerbs-tätigkeit und Rente flexibel zu kombinieren.

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03Selbstbestimmtes Leben im Alter

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�rankheit, �inschränkungen und Vereinsamung: �as ist das �ild, das oft vom �lter gezeichnet wird. �abei leben wir zwar länger, aber nicht schlechter. �nd wir leben bewusster. heute bereits ist der �uhestand für viele Menschen nicht mehr das, was das �ort suggeriert. �eutsch­lands �enioren fühlen sich jünger denn je. �ie erleben die Jahre nach ihrem �usscheiden aus dem �erufsleben als einen erfreulichen „�nruhestand“. �eien es die �nkel, �port, der �arten, �ildung oder ein �hrenamt – das �entenalter wird für viele zum aktiv gestalteten und erfüllten �ebensabschnitt. Mit der wachsenden �ahl der älteren und hochbetagten wird aber auch die hilfe­ und Pflegebedürftigkeit zunehmen. �ie meisten Menschen wünschen sich eine Versorgung im häuslichen �mfeld. �afür brauchen wir neue Modelle und müssen unterschiedliche �ngebote mit einbeziehen, auch ehrenamtliche. �ir stellen Menschen vor, die aus ihrem �hrenamt �ebensglück schöpfen und die über �ltersgrenzen hinweg füreinander da sind.

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„Altersgerechte Technik muss nicht einfältige Technik sein. Sie muss bedienerfreundlich und sinnvoll sein. Was für Alte gut ist, ist deshalb auch für Junge gut.“

�arin �uttig, 72, �ndustriekauffrau in �ente, Mitglied der Senior Research Group

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Forschen für den Alltag

Spätabends noch wach sein, wenn Berufstätige schon schlafen – seit dem Eintritt ins Rentenalter genießt Karin Wuttig diese Stunden, die sie nur für sich hat. Viele Bücher hat sie gelesen. Doch seit ein paar Jahren schaltet sie nach dem Abendessen oft den Computer ein: „Ich genieße es, mit der Welt in Verbindung zu stehen“, schwärmt die 72­Jährige. Die meiste Freude bereitet es ihr, wenn sie mit ihrer Tochter in London über das Internet telefonieren kann. Aber oft surft die ehemalige Industriekauffrau auch durchs weltweite Netz, beantwortet Mails oder tüftelt an technischen Pro­blemen herum. „Technik ist richtig toll“, sagt sie strahlend.

Dass aus dem „Bücherwurm“, wie Wuttig sich selbst bezeichnet, ein Technikfreak wurde, liegt an der Senior Research Group (SRG) an der Technischen Uni­versität Berlin. Hier sind Senioren als Forscher tätig. Denn aus Sicht älterer Menschen stellen sich die Ansprüche an

Technik oft anders dar als aus der eines Ingenieurs oder Marketingspezialisten.

�ine andere �icht der �ingeDie 15 bis 20 Senioren, die den Kern der SRG bilden, können und wollen nicht die Spezialisten in den Unternehmen ersetzen. Sie können aber wichtige Ein­blicke in die Lebens­ und Erfahrungswelt älterer Menschen vermitteln, die jünge­ren Menschen nicht bewusst sind. „Ergo­nomische Gestaltung erfordert Einfüh­lungsvermögen in die Zielgruppe, und wie kann das besser gelingen, als durch die aktive Einbindung der Senioren sel­ber“, sagt Professor Wolfgang Friesdorf, der die SRG leitet.

„Was für Alte gut ist, ist auch für Junge gut“, weist Wuttig die Vermutung zurück, das Ergebnis seien spezielle Senioren­geräte. So befasste sich die SRG beispiels­weise mit den Anforderungen an eine barrierefreie Wohnung. Ihre Ergebnisse und Anregungen hatten bleibende Wir­kung: Eine DIN­Norm zur Breite von Badtüren ist bereits geändert. „Das war

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toll“, erinnert sich Wuttig begeistert. Die Auflösung von Handydisplays, der Standort von Fahrkartenautomaten oder die öffentliche Infrastruktur in Berlin: Die Liste der Projekte ist lang, und sie findet noch kein Ende. So begleitet die SRG auch ein Projekt zur generationen­übergreifenden Arbeit in der Zukunft und testet ein Smart­Home.www.srg­berlin.de

Die BunDesregierung→ will selbstbestimmtes Altern unter-

stützen, zum Beispiel bei alters-gerechten Wohnformen, technischen Geräten und Mobilität.

→ wird die Rahmenbedingungen für das Engagement der Menschen ver-bessern, Anlaufstellen und Mehrge-nerationenhäuser breiter verankern.

→ stärkt zukunftsweisende Modelle der Mitverantwortung von Bürge-rinnen und Bürgern – zum Beispiel für Pflege und Betreuung – in den Kommunen.

→ wird eine nationale Allianz für Menschen mit Demenz auf den Weg bringen und dabei die Bildung regio-naler Hilfenetze unterstützen.

→ wird die Pflegeberufe zukunfts-gerecht weiterentwickeln und die Pflegeversicherung einschließlich des Begriffs der Pflegebedürftigkeit neu ausrichten.

Anders wohnen

Das Dorfleben, das sie aus ihrer Kindheit kannten, war ihnen zu eng, die Stadt, in der sie Arbeit fanden, zu anonym. Was tun? Willi Wagner und seine Frau Hanne Schäfer entschieden sich dafür, mit Gleichgesinnten die Art des Wohnens zu ermöglichen, nach der sie sich sehnten: in einer großen Gemeinschaft, in der man die Nachbarn kennt und sich gegen­seitig unterstützt. Die Darmstädter Bau­ und Wohngenossenschaft war genau das, was die Eltern von drei Pflegekindern suchten. Insgesamt 80 Personen leben dort auf 2.900 Quadratmetern Wohn­ und 300 Quadratmetern Gemeinschafts­fläche. 22 von ihnen sind Kinder unter 18 Jahren. Eine Mischung, die bewusst angestrebt war.

�ewollte Vielfalt„Wir haben uns Quoten gesetzt“, erklärt Winkler, der auch Mitglied des Auf­sichtsrats von WohnSinn ist. So ist mit zwei Dritteln der Wohnungen ein Dauer­wohnrecht verbunden, ein Drittel hat die Baugruppe mit Kreditunterstützung von Land und Kommune als Sozialwohnun­gen gebaut. Der Grund: „Wir wollten einen Querschnitt durch Arm und Reich bilden.“ Im ersten Konzept fehlte aller­dings die gesellschaftliche Mitte jener Menschen, die zwar keine Sozialhilfe beziehen, sich aber keine Eigentums­wohnung leisten können. Deshalb wurde direkt eine weitere Einheit gegründet, an deren Finanzierung sich die Mieter beteiligen konnten.

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„Meine Frau und ich kommen beide aus kleinen Dörfern. In der Stadt haben wir diese Gemeinschaft und die gelebte Nachbarschaftshilfe immer gesucht. Deshalb sind wir Mit­glied von WohnSinn geworden.“

�illi �agner, 57, �eschäftsführer einer �ruckerei und Aufsichtsrat der Bau- und Wohnungs-genossenschaft WohnSinn e. G.

� � � � � � � � � � � M M � � � � � � � � � M � �� � � 17

Neben der Wirtschaftskraft spielen in den barrierefreien Häusern auch Alter, Familienstand, Herkunft und Behinde­rung eine Rolle bei der Auswahl neuer Mitglieder. Die Bewerberliste ist lang, denn viele Städter sehnen sich nach die­ser besonderen Form der Gemeinschaft.

Jeder hat auch PflichtenWie stark sich der Einzelne dann tat­sächlich integriere, sei sehr unterschied­lich, erzählt Wagner. Die Möglichkeiten dafür sind zahlreich: Bewohner halten Vorträge, berichten von Reisen, treffen sich zur Englischkonversation, zur Medi­tation oder einmal pro Woche im Bistro, wo sie, wie Wagner es beschreibt, „den Nachbarn mal mit mehr Zeit treffen, als wenn er morgens ins Auto steigt und ins Büro fährt“. Wer sich gut versteht, passt auf die Kinder des anderen auf, erledigt einen Einkauf oder kümmert sich um einen pflegebedürftigen Mitbewohner ohne Angehörige.

Doch die Darmstädter Insel der Seeligen verlangt ihren Mitgliedern auch Pflich­ten ab: Arbeiten eines Hausmeisters, Hausverwaltung, Reinigung der Gemein­schaftsflächen – all diese weniger freudi­gen Aufgaben werden ebenfalls gemein­sam gestemmt. Streng nach Plan. „Oft lasse ich für mich arbeiten, manchmal muss ich selbst ran“, hebt Wagner den Vorteil dieser Arbeitsteilung hervor. Und bei so vielen Tabellen darf natürlich auch eine Liste der Geburtstage nicht fehlen. Wer so integriert ist wie Willi Wagner, kann deshalb gar nicht genug Kuchen backen für alle Gratulanten. Mit einem Zwinkern verrät Wagner seine Lösung: „Ein Glas Sekt wird auch gerne genommen.“www.wohnsinn­darmstadt.de

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04Lebensqualität in ländlichen Räumen und integrative Stadtpolitik

18 � � � � � � Q �� � � �ä� � � � ä � � � �c h � � � ä� M � � � � � � � � �� � �� � V � � �� �� P � � � � � �

�eniger �ushaltestellen, die �ahnlinie eingestellt, der nächste �rzt 50 �ilometer entfernt und die Jobs weg, woanders, in der �tadt. �n der �tadt, in der immer mehr Menschen auf immer knapperem �aum leben und �uzug zu neuen herausforderungen führt – nicht nur beim �usammenleben von Menschen mit verschiedenen kulturellen hintergründen. Vielerorts ist dies �ealität. �ngagierte Menschen auf dem �and nehmen ihr �usammenleben in die hand. �ie können auf die �nterstützung der �änder und des �undes zählen, zum �eispiel, um die ärztliche Versorgung auch in dünn besiedelten �egionen aufrechtzuerhalten. �nd sie schließen sich als �ürger zusammen, um in der �tadt ihren �ebensraum zu gestalten. �ie leben und arbeiten auf engem �aum. �och sie machen das gemeinsam, sind gesund und im �rünen.

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„Ich bin mit meinen Patienten älter geworden. Viele von ihnen können mich nicht mehr in der Praxis besuchen, weil sie krank oder nicht mobil sind. Also fahre ich zu ihnen.“

�r. �erstin Finger, 52, �ahnärztin und �nbieterin eines mobilen Zahnarztdienstes

� � � � � � Q �� � � �ä� � � � ä � � � �c h � � � ä� M � � � � � � � � �� � �� � V � � �� �� P � � � � � � 19

Zahnärztin auf Achse

Schmerzen in Milmersdorf, eine Routi­neuntersuchung in Ringenwalde oder eine lockere Prothese in Thomsdorf: Ein Anruf genügt, und Kerstin Finger macht sich auf den Weg. Auf den Weg zu ihren Patienten auf dem Land, die es alters­ oder krankheitsbedingt nicht schaffen, zu ihr zu kommen. Sie sind dankbar, dass sich Kerstin Finger um sie kümmert und ihnen sehr viel Mühe erspart.

Seit 1984 praktiziert die Zahnärztin in Templin. Seit 2010 lindert sie das Leid ihrer Patienten auch bei Hausbesuchen. Templin in der Uckermark: Ursprünglich war das nicht das Traumziel der ehr­geizigen Medizinstudentin. Doch als angehende Fachärztin zu DDR­Zeiten wurde sie dorthin „gelenkt“.

Finger hätte insofern allen Grund gehabt, spätestens nach der Friedlichen Revolution das Weite zu suchen. Doch sie blieb. Und nicht nur das. Sie gründete zunächst mit vier Kollegen eine Praxis und machte sich 1992 komplett selbst­

ständig. Dass sie nebenher auch noch promovierte sowie zwei Kinder großzog, ist für die Frau mit Energie für drei kaum der Rede wert. Jetzt bietet sie eben auch noch einen mobilen Zahnarztdienst an.

�icht tatenlos zusehen„Ich bin mit meinen Patienten älter geworden“, sagt Finger. Über die Jahre habe sie komplette Familien kennenge­lernt, über mehrere Generationen hin­weg. Irgendwann wurden die Patienten der ersten Generation so alt, dass es ihnen nicht mehr so leichtfiel, in Fingers Praxis nach Templin zu kommen. Bus­linien wurden in der stark von Abwande­rung geprägten Region eingestellt, Taxis sind zu teuer, denn viele der Patienten sind arbeitslos.

Nicht nur ihr Pflichtbewusstsein als Ärztin, auch ihr persönlicher Widerwille, negative Dinge als gegeben hinzuneh­men, veranlassten die Zahnärztin, dem demografischen Wandel nicht tatenlos zuzusehen. Wer aufgrund von Alter und Krankheit nicht zu ihr kommen konnte, bei dem fuhr sie in der Mittagspause oder

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am Wochenende vorbei. „Denn“, so ihre schlichte Ansicht, „ein kranker Körper kümmert sich nicht darum, ob ein Bus zum Arzt fährt, er braucht schlicht Hilfe.“

�eine �xtrakostenSo ganz einfach war das natürlich nicht. Finger hat viel Geld in ihre mobile Aus­stattung investiert. Das haben ihr Förder­mittel aus dem Europäischen Agrarfonds ELER und des brandenburgischen Land­wirtschaftsministeriums erleichtert. Doch den Großteil steuerte sie selbst bei. „Seither fahre ich richtig schön ausge­stattet“, freut sich die Frau mit der stets positiven Ausstrahlung.

Für die Patienten entstehen trotz Extra­service keine Extrakosten. Reich wird die Zahnärztin damit nicht: „Ich disku­tiere nicht, ob es sich rechnet, sondern ver suche zu zeigen, dass es notwendig und durchführbar ist.“

Die BunDesregierung → wird die öffentliche Förderung für

Regionen, die besonders unter Abwan-derung leiden, besser verzahnen.

→ wertet mit der Städtebauförderung das Leben in den Innenstädten auf und fördert die soziale Integration.

→ wird sich 2014 bei den Verhandlungen auf EU-Ebene für eine angemessene finanzielle Förderung deutscher Regio-nen einsetzen.

→ unterstützt Projekte, um Klein- und Mittelzentren im ländlichen Raum und ihre Zusammenarbeit bei der Daseins-vorsorge zu stärken.

→ will bis 2018 eine flächendeckende Versorgung mit schnellem Internet von 50 Mbit/s erreichen, damit die ländlichen Regionen nicht digital abgehängt werden.

→ unterstützt eine flächendeckende Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum.

→ wird den Nationalen Aktionsplan Integration umsetzen und kommunale Integrationspolitik unterstützen.

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„Das Wissen, komfortabel, aber umweltschonend zu leben, die Abwesenheit von Autolärm, die alten Linden direkt vor dem Haus und die bessere, bunte Infrastruktur – das macht das Leben im Vauban aus.“

�ndreas �elleske, 46, Energieberater, Bewohner des Freiburger Stadtquartiers Vauban

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Neues Stadtleben

Wenn Andreas Delleske sich nach Natur sehnt, muss er nicht in Auto oder Bahn steigen und die Stadt hinter sich lassen. Er kann einfach das Fenster öffnen und in die alten Linden vor seinem Haus blicken. Oder er geht ein paar Schritte zum Biotop. Dabei wohnt der 46­jährige Energieberater nicht in einem kleinen Dorf im Grünen. Sondern gemeinsam mit 5.300 anderen Menschen im Quartier Vauban am Stadtrand von Freiburg im Breisgau.

Bevor hier Familien lebten, waren auf dem Areal am Fuß des Schönbergs fran­zösische Soldaten untergebracht. 1992 zogen sie ab, das Gelände fiel an das Bun­desvermögensamt, und die Stadt hatte plötzlich 38 Hektar bebaubare Fläche vor der Tür. Sie kaufte 34 Hektar. Der Rest ging an das Studentenwerk und ein gemeinnütziges Projekt, das die alte Bau­

substanz erhalten und Wohnraum für geringer verdienende Menschen schaffen wollte. In vier umgebauten Gebäuden, früher Mannschaftsunterkünfte der Sol­daten, wohnen heute 260 Menschen.

Planung mit den �ürgernDoch in Freiburg gab es noch mehr Bürger, die gerne im Quartier leben und dabei mitreden wollten, wie die neu gewonnene Fläche aussehen sollte. Und auch die Stadt sah die Notwendigkeit, die Bürger mehr als bis dahin üblich in die Planung einzubinden. Sie richtete eine spezielle Arbeitsgruppe ein, und die Bür­ger gründeten einen Verein: das „Forum Vauban“. „Wir sahen Vauban als einma­lige Chance und wollten auf dem ehema­ligen Kasernengelände zukunftsfähiges, familiengerechtes Wohnen ermöglichen – überwiegend in Eigentumswohnun­gen“, fasst Roland Veith, Verwaltungsbe­amter und damals Projektleiter Vauban, die Ziele zusammen.

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Niedriger Energiebedarf, das Verkehrs­konzept und das Verhältnis von Wohn­ und Grünflächen – das waren die wich­tigsten Gesichtspunkte. Man ließ sich professionell beraten und gab gemein­sam mit der Bundesumweltstiftung und der Europäischen Union Studien in Auf­trag: Wie lässt sich das Leben in der Stadt mit weniger Energieaufwand gestalten? So entstand ein autoarmer Stadtteil, in dem 20 Hektar Wohnbauland fast sechs Hektar Grünflächen gegenüberstehen. Darunter viel alter Baumbestand wie die Linden vor Delleskes Tür.

�ebensqualität mit weniger �nergieNiedrigenergiebauweise ist Pflicht. Einige Baugemeinschaften gingen sogar noch weiter und errichteten Passivhäu­ser; ein Bauträger realisierte eine Solar­siedlung mit Plusenergiehäusern, die Strom ins öffentliche Netz einspeisen.

Im Vauban spürt man an jeder Ecke, dass sich Menschen mit einer ähnlichen Weltanschauung zusammengeschlossen haben, um ihre Vorstellung vom Leben in der Stadt umzusetzen. „Wir sind keine Kommune von Ökos, sondern ein ganz normaler Stadtteil“, weist Delleske allzu romantische Vorstellungen zurück. Er fügt jedoch hinzu: „Andererseits haben uns die gemeinsame Planung und der Bau schon zusammengeschweißt.“ Man kenne sich besser, teile sich das Auto oder andere Anschaffungen und nehme sich Zeit, wenn man jemanden auf der Straße treffe.

Städtisch

Halbstädtisch*

Ländlich36 %

15 %

49 %* Zu halbstädtischen Gebieten werden diejenigen Gemeinden zusammengefasst, die jeweils eine Einwohnerdichte von 100 bis 500 Einwohner je km² aufweisen.

�tadt­�and­�liederung der �evölkerung in �eutschland

Quelle: Statistisches Bundesamt

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Noch heute kommen das ganze Jahr über Besuchergruppen nach Freiburg, um sich anzusehen, was Stadt und Bür­ger gemeinsam möglich gemacht haben. „Die strengen energetischen Vorschriften und die Tatsache, dass das eigene Auto in den stellplatzfreien Gebieten nicht vor der Tür stehen darf: Das hat damals ganz Deutschland interessiert“, erinnert sich Ex­Projektleiter Veith. Alle hätten wissen wollen: Kriegen die das hin? Die Geschichte hat ihnen recht gegeben.

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05Grundlagen für nachhaltiges Wachstum und Wohlstand sichern

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�nternehmer klagen über den Mangel an Fachkräften, �ozialforscher über ungleiche �ildungschancen und qualifizierte �rbeitskräfte aus dem �usland über zu hohe hürden. �er �undesregierung sind diese Probleme bewusst. �ie fördert die �ildungspotenziale in allen �ebensphasen und hilft, die Fachkräftebasis zu sichern. �enn allen �eteiligten ist klar: �icht die �röße der �evölkerung gewährleistet �ohlstand, sondern die Qualität ihrer �öpfe. �eshalb unterstützt der �taat auch Menschen, die sich aktiv für �inwanderer einsetzen und ihnen helfen, sich in �eutschland einzuleben. �nd er fördert �nternehmer, die Verantwortung übernehmen; die �rbeitsplätze schaffen und dazu beitragen, dass der Mittelstand die tragende �äule der �irtschaft bleibt.

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„Es ist wichtig für Deutschland, dass die ausländischen Gäste sich gerne an ihre Zeit bei uns erinnern. Davon profitiert auch die deutsche Wirtschaft.“

Franz �oser, 64, Ingenieur im Ruhestand und Vorsitzender des Senior Service Offenburg

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Mehr als Service

China, USA, Europa – 42 spannende Jahre als Ingenieur auf drei Kontinenten. Und dann plötzlich nur noch Offenburg? Die Vorstellung, in den Ruhestand zu gehen, bereitete Franz Roser Sorge: „Ich hatte Angst, dass ich in ein Loch falle, dass mir langweilig wird und dass ich den Kontakt zu jungen Menschen ver­liere.“ Die eigenen vier Kinder waren längst aus dem Haus. Also ging Roser 2009 in die Offensive und wandte sich an das Seniorenbüro seiner Stadt. Von den mehr als 75 Projekten für Ehrenamt­liche sprach den Ingenieur eins sofort an: Der Senior Service Offenburg betreut ausländische Masterstudenten. Etwa 60 aktive Rentner, die an anderen Kul­turen interessiert sind, begleiten etwa 200 Studenten.

�emeinsam die Freizeit gestaltenWährend eines ersten Treffens zu Semes­terbeginn und einer Stadtführung wer­den Telefonnummern ausgetauscht. „Sympathie ist das einzige Kriterium“, erklärt Roser. Das funktioniert jedes Mal. Wer sich besonders gut versteht, trifft sich nicht nur zu den gemeinsamen Aus­flügen in der großen Gruppe, wie etwa zur jährlichen Schwarzwaldwanderung. Sondern man lädt die Gäste aus Indien, Mexiko, Thailand oder Russland zu sich nach Hause ein. Die deutsch­ausländi­schen Gruppen kochen gemeinsam, gehen wandern oder fahren Rad.

Roser und seine Frau haben viel mit indischen Gästen zu tun. Mit Suresh Raman verstehen sie sich besonders gut. Der 26­jährige Software­Entwickler aus Chennai weiß die Gastfreundschaft zu schätzen: „Ich bin Tausende Meilen weit weg von zu Hause, von meinen Eltern. Durch die Rosers habe ich das Gefühl, auch in Deutschland Familie zu haben.“

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�astfreundschaft und �eugierDie Mitglieder des Senior Service Offen­burg sind nicht selten Berater in Lebens­fragen, da sie aufgrund ihres Alters mehr Erfahrung haben und in Deutschland besser vernetzt sind. Viele der Studenten wollen nach ihrem Master in Offenburg gerne in Deutschland bleiben und erst nach ein paar Jahren Berufserfahrung in ihre Heimat zurückkehren. Die Kontakte der Ruheständler zu ihren früheren Arbeitgebern können da nützlich sein.

Umgekehrt ist es nach Rosers Meinung „wichtig für Deutschland, dass die aus­ländischen Gäste sich gerne an ihre Zeit bei uns erinnern“. Davon profitiert seiner Meinung nach auch die deutsche Wirtschaft: „Wen man kennt, mit dem kommt man leichter ins Geschäft.“ Für sein Fazit verwendet der ehemalige Inge­nieur augenzwinkernd eine Vokabel aus der Betriebswirtschaft: „Es ist eine Win­win­Situation: Wir geben Gastfreund­schaft, dafür wird unsere Neugier auf andere Kulturen gestillt.“www.offenburg.de/html/senior_service.html

Der Rückgang an Erwerbstätigen in Deutschland macht die Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte erforderlich.

�ntwicklung der �evölkerung im �lter 20 bis 64

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in Mio

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0 2010 2012 2014 2016 2018 2020 2022 2024 2026 2028 2030

Quelle: Statistisches Bundesamt

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„Am Unternehmergymnasium habe ich vieles gelernt, worauf es als Unternehmer ankommt. Und mir wurde klar, dass man die Verantwortung, die man übernimmt, nicht auf die leichte Schulter nehmen darf.“

Manuel Meier, 20, Maschinenbaustudent und Unternehmer

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Unternehmergeist fördern

Sommer, Sonntag, 30 Grad. Manuel Meier ist gerade am Badesee angekom­men. Da klingelt das Handy. Ein Kunde ist dran, seine Stimme aufgeregt: „Unser Mähwerk ist kaputtgegangen, aber das Gras muss heute noch gemäht werden. Kannst du kommen?“ Der 20­jährige Maschinenbaustudent zögert keine Sekunde, steht eineinhalb Stunden spä­ter mit seinem „Krone Big M“, einem riesigen Mähaufbereiter, auf dem Feld. Meier ist nicht nur Student, sondern auch Unternehmer und als solcher jeder­zeit bereit: „Schließlich habe ich Verant­wortung übernommen.“ Wie wichtig das ist, hat er in der Schule gelernt.

Das Unternehmergymnasium Pfarr­kirchen richtet sich an Schüler, die unternehmerisch denken. Die staatliche Schule mit angegliedertem Internat liegt in Niederbayern, einer von Landwirt­schaft und Mittelstand geprägten Region. Hier wandern weniger junge Menschen ab als in anderen ländlichen Gegenden. Denn viele Betriebe sind in Familien­hand und werden vom Senior an den Junior übergeben. Dass die Jungen darauf überhaupt Lust und vor allem auch das nötige Wissen dafür haben, liegt immer häufiger am Unternehmergymnasium. „Wir zeigen früh auf, welche Berufe da sind und wo Führungsaufgaben darauf warten, übernommen zu werden. Das sichert Arbeitsplätze in der Region“, erklärt Schulleiter Peter Brendel.

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�ngewöhnlicher �tundenplanIdee und Durchführung stammen von zwei engagierten Lehrern: Ute Heim und Joachim Barth organisieren den kom­pletten Lehrplan und alle Veranstaltun­gen des unternehmerischen Teils des Gymnasiums. Ab der zehnten Klasse unterrichten sie ausgewählte Schüler wie seinerzeit Manuel Meier wöchentlich in zusätzlichen Modulen: Businessplan, Finanzierung der Gründungsidee, Wahl der Rechtsform, Präsentation, Marketing und auch Insolvenz stehen auf dem Stundenplan. Außerdem erhält jeder Schüler einen Firmenbesitzer aus der Region als Paten. Der gewährt ihm Ein­blick in seinen Betrieb und stellt sein Wissen als erfahrener Praktiker zur Verfügung.

„Wir wollen den jungen Menschen etwas Handfestes bieten“, erklärt Heim ihr Engagement, „ihnen fehlt sonst jeder Praxisbezug.“ Mittlerweile müssen junge Leute nicht einmal mehr zwingend die Schule wechseln und nach Pfarrkirchen ziehen, wenn sie das unternehmerische Rüstzeug lernen wollen. Sie schalten sich einfach per Internetkonferenz zu den Modulen zu.

Papa als �ushilfeManche von ihnen, so auch Manuel Meier, werden noch während der Schul­zeit zu Gründern. 25.000 Euro investierte er im März 2008 in einen Rückewagen: eine große Maschine, mit der sich Baum­stämme aufheben und transportieren lassen. Meier verlieh ihn an Landwirte aus der Region, die sich die teure Maschine nicht leisten können. Weil das so gut lief, wagte sich der junge Unter­nehmer im Mai 2011 an die nächste, größere Anschaffung: den „Krone Big M“. Hierfür lag die Investition bereits im sechsstelligen Bereich.

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Wenn er selbst an der Uni ist, engagiert Meier seinen Vater und einen Nachbarn als Fahrer. Nach seinem Abschluss als Maschinenbauer würde Meier gerne selbst Landmaschinen entwickeln und sie vor allem besser machen. Ihre Macken kennt er ja aus der Praxis.

Der Geist des Unternehmergymnasiums wirkt bereits über die Region hinaus. Jede Woche besucht Ute Heim eine andere Schule in Bayern, um dort Schü­lern der Mittelstufen unternehmerisches Denken nahezubringen. Umgekehrt kommen Oberstufenschüler aus dem ganzen Land für Wochenendseminare nach Pfarrkirchen, um sich Projekt­management beibringen zu lassen.www.unternehmergymnasium.de

Die BunDesregierung→ wird die Gründerkultur in Deutschland → schafft mit dem Hochschulpakt 2020

ausbauen und Menschen für den Unter- zusätzliche Studienplätze.nehmerberuf motivieren. → erleichtert die Zuwanderung für gut

→ unterstützt zusammen mit den qualifizierte ausländische Fachkräfte.Ländern Initiativen zur frühen Sprach- → will eine Willkommenskultur schaffen, und Leseförderung. um den Standort Deutschland für

→ richtet die Ausbildungsförderung qualifizierte Menschen attraktiver zu verstärkt auf benachteiligte Jugendliche machen.aus, um allen jungen Menschen den Weg ins Berufsleben zu ermöglichen.

Impressum

HerausgeberPresse­ und Informationsamt der  Bundesregierung, 11044 Berlin

StandDezember 2012

DruckZarbock GmbH & Co. KG, Frankfurt am Main

GestaltungMetaDesign AG, Berlin

BildnachweisJudith Affolter: Seite 11 Sebastian Bolesch: Seite 15, 21Laurence Chaperon: Seite 3Dong­Ha Choe: Seite 6laif/Degas/Madame Figaro: Seite 23Ulf Dieter: Seite 4, 10Sven Ehlers: Seite 17, 31Jens Komossa: Seite 9, 18Burkhard Peter: Titel, Seite 13, 14, 19, 20 (beide), 24, 25, 27, 28 (beide);picture­alliance/dpa/Schlesinger: Seite 30; Andrè Zelck: Seite 7

Diese Broschüre ist Teil der Öffentlichkeits­arbeit der Bundesregierung. Sie wird kostenlos abgegeben und ist nicht zum Verkauf bestimmt.

G r u n d l aG e n f ü r n ac h h a lt iG e s Wac h s t u m u n d Wo h l s ta n d s ic h e r n 29

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06Handlungsfähigkeit des Staates erhalten

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�ie �urokrise hat mehr als deutlich gemacht, wie wichtig tragfähige öffentliche Finanzen und eine funktionierende Verwaltung sind. �nd sie hat uns einmal mehr bestätigt, wie wichtig ein handlungs­fähiger �taat und ein stabiles �emeinwesen für unser �usammen­leben sind. �s ist in unser aller �nteresse, dass dies so bleibt. �eshalb müssen wir dafür sorgen, dass der �taat nicht mehr ausgibt, als er einnimmt. �nd dafür, dass die Verwaltung leistungsfähig bleibt. �ir, das sind nicht nur Menschen deutscher �bstammung, sondern immer mehr Mitbürger mit �uwanderungshintergrund und mit tadelloser �usbildung. �n der �irtschaft sind ihre Fähigkeiten längst gefragt. �ber auch im öffentlichen �ienst brauchen wir sie. �er in zwei �ulturkreisen aufgewachsen ist, kann in vielen �ituationen, bei vielen �ntscheidungen besonders hilfreich sein.

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„Ich möchte etwas bewirken, verändern, Verantwortung übernehmen. Deutschland hat mir sehr viel geboten. Jetzt möchte ich etwas zurückgeben.“

Mahmut �ünay, 23, Polizeikommissar der Bundespolizei am Flughafen Frankfurt

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Ein Plus für die Polizei

Feuerwehrmann, Kapitän oder Astronaut kamen für ihn nie infrage. Mahmut Günay wollte schon immer Polizist wer­den. „Ich weiß“, sagt er und lächelt dabei entschuldigend, „das klingt nach einem Klischee.“ Doch der heute 23­jährige Polizeikommissar hatte einen triftigen Grund. Als kleiner Junge erlebte er, wie sein Vater einen schweren Verkehrsunfall nur überlebte, weil ihn ein Rettungs­hubschrauber gerade noch rechtzeitig in die Klinik brachte. Am Steuerknüppel: ein Polizist der Bundespolizei, der für den kleinen Mahmut zum Helden wurde.

Fast 20 Jahre später trägt der große Mahmut Günay selbst eine blaue Uni­form mit Dienstabzeichen. Am Flughafen Frankfurt kontrolliert er mit Kollegen der Inspektion 2 die Fluggäste. Polizisten stehen ständig im Kontakt mit Men­schen. Viele von ihnen stammen aus anderen Sprach­ und Kulturkreisen. Beamte wie Günay, die Fremdsprachen sprechen und zwei Kulturen in sich ver­einen, sind deshalb unverzichtbar.

„Sie können bei polizeilichen Einsätzen deeskalierend auf die Gesamtlage wirken“, erklärt Wolfgang Wurm, Präsident der Bundespolizeidirektion am Flughafen Frankfurt.

�ehörden sollen Vielfalt spiegelnTatsächlich setzt Günay seine Fähigkeiten nicht nur selbst ein, sondern gibt auch Kollegen kleine Tipps für den Umgang mit türkischen Passagieren. „Bei den Kontrollen merke ich, dass viele Menschen Angst vor der Polizei haben“, erzählt er. Ein paar Worte in der jeweili­gen Landessprache helfen, Berührungs­ängste abzubauen.

Nicht nur bei der Polizei, auch bei ande­ren Behörden wird der Einsatz von Beamten mit Migrationshintergrund immer wichtiger. Denn Deutschland wird immer vielfältiger. Deshalb wirbt der öffentliche Dienst im Zuge des nationa­len Integrationsplanes gezielt in Schulen um die Mitarbeiter der Zukunft. „Wir möchten den jungen Menschen vermitteln, dass ihr Migrationshintergrund eine echte, zusätzliche Chance ist“, erläutert

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Polizeipräsident Wurm die Zielrichtung. Einmal für ihr neues Berufsziel begeis­tert, kommt selbst die Einbürgerung bei den Jugendlichen in Betracht, sofern sie nicht bereits EU­Staatsangehörige sind.

Auch Mahmut Günay entschied sich im Jahr 2000 für die deutsche Staatsbürger­schaft, denn er fühlt sich der Bundes­republik näher als der Türkei. „Deutsch­land hat mir sehr viel geboten und gezeigt, dass man etwas erreichen kann“, erklärt er seine Entscheidung. „Jetzt möchte ich etwas zurückgeben.“ In seiner Familie ist der öffentliche Dienst mitt­lerweile recht populär. Auch Günays 19­jähriger Bruder wird nach dem Abitur dort anheuern: nicht bei der Polizei, sondern beim Zoll.

www.integrationsbeauftragte.de

Die BunDesregierung → wird die Attraktivität des öffentlichen

Dienstes erhöhen, damit sich genügend Fachkräfte gewinnen lassen, und so die Leistungsfähigkeit der Verwaltung erhalten.

→ hat sich mit der Schuldenregel mittelfristig zu einem ausgeglichenen Haushalt verpflichtet, um den Schul-denstand und die Zinslast der öffent-lichen Haushalte zu reduzieren.

→ wird dafür sorgen, dass die öffentlichen Finanzen dauerhaft für alle Genera-tionen tragbar sind.

→ stärkt das Wachstum, indem sie in Bildung, Ausbildung, Forschung, Entwicklung und Infrastruktur investiert.

→ setzt sich mit Nachdruck dafür ein, dass bis Ende 2012 überall in der Eurozone nationale Schuldenregeln eingeführt werden.

→ setzt auf mobile und digitale Verwal-tungsangebote, die die Verwaltung zu den Menschen bringen.

Die vollständige Demografiestrategie der Bundesregierungund viele weitere Informationen dazufinden Sie unter www.jedes-alter-zählt.de

Mehr Informationen zur Politik der Bundesregierung:www.bundesregierung.de