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WWF Extrablatt zur Bundestagswahl

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Page 1: WWF Extrablatt zur Bundestagswahl

www.wwf.de/bundestagswahl

Klimaschutz oder KriseEs bleibt nicht mehr viel Zeit, um den Klimawandel abzu-bremsen >> seite 03

Klimaschutz ist nicht allesDrängende Probleme für Umwelt und Natur werden durch den Klimawandel noch verschärft >> seite 06

Parteien aufdem PrüfstandKlima- und Umwelt- programme der Parteien unter der Lupe des WWF >> seite 08

Bundestagswahl 2009Extrablatt

Die ganz große Koalition für Klima- und Naturschutz

Klimawissenschaftler warnen vor unKontrollierbarem Klimawandel +++ Globale co2-emissionen sprenGen alle

vorhersaGen +++ usa vollziehen wende in der KlimapolitiK +++ „new Green deal“ soll weltweit millionen von zusätzlichen

arbeitsplätzen schaffen +++ umfraGe: Klimawandel dränGendstes problem für JuGendliche in deutschland +++ wald-

vernichtunG verursacht ein fünftel der co2-emissionen +++ 80 prozent der fischbestände weltweit überfischt +++

Klimawandel beschleuniGt artensterben +++ Klimaschutz zahlt sich für die wirtschaft aus +++ (schlaGzeilen aus der presse 2009)

D ie Meldungen überschlagen sich (siehe unten). Viele machen Angst, manche machen Hoffnung. Kann die Mensch-heit noch die Wende schaffen? Wird es

ihr gelingen, den globalen Klimawandel und den Artenschwund auf ein gerade noch erträgliches Maß zu begrenzen? Noch hat die Welt die Wahl, wenn sie schnell und grundlegend umsteuert.Auch wir in Deutschland haben 2009 die Wahl. Sel-ten war eine Legislaturperiode so wichtig: Jede Wäh-lerstimme, jede Politikerin und jeder Politiker zäh-len, wenn es darum geht, das Klima zu stabilisieren und die Welt für unsere Kinder und Enkel bewohn-bar zu halten. Die nächste Wahlperiode bietet auch international enorme Chancen, denn auf der Agenda stehen bedeutende globale und europäische Ent-scheidungen: Ein neues UN-Klimaabkommen, das eine neue Energieepoche mit höchster Energieeffi-zienz und erneuerbaren Energien sowie den Schutz

der Tropenwälder einleiten soll, außerdem große Reformen in der Europäischen Union zur Zutei-lung der Haushaltsmilliarden und zur Landwirt-schafts- und zur Fischereipolitik. Bei diesen Rich-tungsentscheidungen für das kommende Jahrzehnt wird die nächste Bundesregierung eine wichtige Rolle einnehmen.

Es geht um die Zukunft des PlanetenFür all diese Aufgaben braucht es keine große, sondern eine ganz große Koalition. Die künf-tige Bundesregierung und alle Abgeordneten im neuen Bundestag müssen sich ihrer Verantwortung bewusst sein. Wer heute falsche Entscheidungen trifft oder richtige verzögert, schadet nicht nur der Umwelt, sondern auch der technologischen und damit der ökonomischen Zukunft unseres Landes. Der WWF möchte mit diesem „Extrablatt“ zur Wahl deutlich machen, was auf dem Spiel steht.

Wir präsentieren, welche Ziele aus unserer Sicht ein kommendes Regierungsprogramm zur Lösung der Klima- und Umweltschutzaufgaben enthalten muss und geben eine kurze Bewertung dessen, was die Wahlprogramme der Parteien dazu aussagen. Unser Schwerpunktthema für diese Wahl ist der Klimaschutz, ohne dabei das andere große Thema zu vergessen, die Bewahrung der Artenvielfalt.Politik in Zeiten einer Wirtschaftskrise ist nicht einfach. Doch die drohende nächste, viel größere Krise, die Weltklimakrise, müssen wir abwenden, bevor es zu spät ist. Das können wir auch. Wir haben das Wissen und die Mittel dafür. Was bislang fehlt, ist der politische Wille, entschlossen zu han-deln. Deshalb gilt für Politikerinnen und Politiker bei ihren Entscheidungen und für die Wählerinnen und Wähler an der Wahlurne im September:

Wählen Sie Klima- und Naturschutz!

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Page 2: WWF Extrablatt zur Bundestagswahl

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Mut zum Handelnappell des WWf-Geschäftsführers eberhard Brandes an alle Parteien

Wahl-spezial

Wer in diesem Jahr für ein öffentliches Amt kandidiert, braucht Mut zu weit reichenden Änderungen – und den Willen, die Wählerinnen und Wähler

dafür zu begeistern. Denn mit ein paar Reförm-chen ist die globale Umwelt- und Klimakrise nicht mehr abzuwenden. Bei der Rettung des Weltklimas geht es ums Ganze – oder, um es mit einem heute geläufigen Wort zu sagen: Wenig ist systemrelevanter für das Leben auf der Erde als das Klima und die Artenvielfalt. Von gestern ist das Argument, Umwelt- und Klimaschutz gefährdeten Arbeitsplätze. Heute ist klar, dass diejenigen Länder die Nase vorn haben werden, die am schnellsten über marktfähige Konzepte etwa bei erneuerbaren Energien oder Energieeffizienz verfügen. Je mehr Rohstoffe und Energie wir einsparen, je sauberer und energie-effizienter unsere Produkte und Dienstleistungen werden, desto besser für unsere Arbeitsplätze, unsere Umwelt und unsere Zukunft.In der auslaufenden Legislaturperiode bestimm-te am Ende Kleinmut die Agenda. Zwar hatte

Bundeskanzlerin Angela Merkel sich 2008 beim G 8-Gipfel verbal an die Spitze der internatio-nalen Klimapolitik gesetzt. Doch beim Streit um die Verbrauchsobergrenzen für Autos, bei den Ausnahmen vom Emissionshandel, bei Konjunk-turpaketen, die nur in homöopathischen Dosen ökologische Ansätze enthalten, zeigte sich: Wenn es zum Schwur kam, hat die große Koalition viel zu oft Politik von gestern statt Politik für morgen gemacht.

Wir vom WWF werden die kommende Bundes-regierung vor allem an diesen Themen messen:

in deutschland: Wir müssen in den nächsten vier Jahren entscheiden, wie wir bis 2020 den Treibhausgasausstoß in Deutschland um mindes-tens 40 Prozent gegenüber 1990 zurückfahren und die Weichen so stellen, dass wir bis 2050 fast keine Treibhausgasemissionen mehr verursachen. Wenn in der kommenden Legislaturperiode hingegen weiter Kohlekraftwerke gebaut und geplant sowie Atomkraftwerke länger am Netz gehalten werden, verhindern wir den dringend nötigen Umstieg auf erneuerbare Energien und mehr Energieeffizienz. Die Auktionserlöse aus dem europäischen Handel mit CO

2-Verschmutzungsrechten für Industriean-

lagen müssen außerdem vollständig in den Klima-schutz investiert werden. Zudem muss der Erhalt der heimischen Artenvielfalt mit einem Aktions-plan finanziell stärker gefördert werden.

in europa: In der EU muss die Bundesregierung darauf hinwirken, dass die großen anstehenden Reformen beim Haushalt, in der Landwirtschaft und in der Fischerei so gestaltet werden, dass sie einen deutlichen Rückgang an Treibhausgasen sowie einen Weg zu ökologisch intakten Meeren und Landschaften garantieren. Außerdem muss illegal geschlagenes Holz endlich vom EU-Markt ausgeschlossen werden.

Weltweit: Auf globalem Parkett muss Deutsch-land Vorreiter für ein sehr ehrgeiziges und wir-kungsvolles neues UN-Klimaabkommen sein, das zum Ziel hat, den Anstieg der globalen Tempera-tur auf durchschnittlich unter zwei Grad Celsius gegenüber vorindustriellen Werten zu drosseln. Dieses Abkommen muss auch die noch verbliebe-nen artenreichen und für das Klima so wichtigen Tropenwälder retten. Dafür sollte sich die künf-tige Bundesregierung am Beispiel Norwegens orientieren und ausreichend Geld bereitstellen. Für all diese Weichenstellungen erwarten wir von der Politik, was sie gern von uns allen for-dert: Innovationskraft, Begeisterung, Mut zum Handeln. Die nächste Bundeskanzlerin oder der nächste Bundeskanzler wird im Amtseid schwö-ren, Schaden vom Volk abzuwehren und seinen Nutzen zu mehren. Genau das ist es, was wir brauchen und erwarten.

Klimaschutz oder Krise

Wahl-spezial

langjähriger Klimaberater der Bundeskanzlerin, sieht für diesen Fall „das Ende unserer Hochzivi-lisation“ voraus. Deshalb müssen wir uns schon heute nicht nur mit den bei uns zu erwartenden Folgen, sondern vor allem mit Antworten auf die Überlebensfragen für Milliarden von Menschen beschäftigen. Denn sie betreffen auch uns. Je länger wir konsequenten Klimaschutz hinaus-schieben, umso größer werden die Probleme:• Handeln wir nicht, kann – wie in einigen wissenschaftlichen Szenarien beschrieben – ein ungebremster Klimawandel schätzungsweise 100 Millionen Menschen heimatlos machen. Wer ist für sie verantwortlich und sorgt für sie? Müssen

Politik muss Sicherheit und Stabi-lität schaffen. Das ist in Zeiten des Klimawandels aber nur durch einen dramatischen Wandel in der Politik zu

erreichen. Ein „Weiter so“ führt direkt in die Klimakrise und damit in maximale Unsicherheit. Und das „Zeitfenster“ zum Handeln schließt sich schnell. Wollen wir das Schlimmste noch verhin-dern, indem wir den Anstieg der globalen Erwär-mung auf maximal zwei Grad Celsius begren- zen, müssen wir sofort und rasant umsteuern. Wir dürfen nicht noch einmal, wie in der Finanz-krise, untätig bleiben, bis der – dieses Mal ganz große – Crash kommt. Doch momentan sind wir genau dorthin unter-wegs. Tempo und Umfang des Klimawandels sprengen selbst die pessimistischen Szenarien. Ein „Weiter so“ führt bis zum Jahr 2100 aller Voraussicht nach zu einem im Durchschnitt sechs Grad wärmeren Planeten. Und das bedeu-tet – neben vielen anderen Konsequenzen – den Verlust des Regenwaldes, das Abschmelzen der Pole und der Gletscher, das Auftauen der Tundra und eine dauerhafte Störung der Regen- und Trockenzeiten. Es bedeutet auch in Deutschland dramatische Ver-änderungen mit mehr Hitze, mehr Trockenheit und mehr Überschwemmungen sowie unvorstell-bar hohen ökonomischen Kosten. Der renommierte Klimawissenschaftler Hans-Joachim Schellnhuber,

die Nationen gemäß der von ihnen verursachten Schäden für den Klimawandel haften? Deutsch-land trägt durch aktuelle und historische Emissi-onen insgesamt etwa fünf Prozent zum Problem bei – und müsste deshalb dann für fünf Millionen Flüchtlinge sorgen?• Wie ernähren wir 2050 eine Weltbevölkerung von vermutlich rund neun Milliarden Menschen, wenn zum Beispiel Dürren oder Fluten sowie Ernteausfälle bisher ungekannten Ausmaßes auf uns zukommen? Aus den Meeren, die bereits jetzt überfischt sind und durch übermäßige Kohlendioxidaufnahme zusätzlich zu versauern drohen?• Das Abschmelzen der Himalaja-Gletscher und die Störung des Monsunzyklus in Asien wer-den die ohnehin politisch labile Region weiter destabilisieren. Wie verhindern wir schon heute vorhersehbare Katastrophen, politische Unruhen und eine Gefährdung der gesamten Region?Noch immer handelt die bundesdeutsche Poli-tik viel zu zögerlich. Keine einzige Partei hat auch nur in Ansätzen ein Konzept, wie der geforderte ökonomische Umgestaltungsprozess konsequent vonstattengehen soll. Die Politik ist jetzt am Zug. Sie muss handeln und sie kann handeln, denn die gute Nachricht ist: Es ist noch nicht zu spät. Wir haben das Wissen und die Mittel, um die große Krise zu verhindern. Wir müssen nur wollen.

reGine Günther, fachBereichsleiterin Klima und enerGie Beim WWf deutschland: Wir stehen am Scheideweg und müssen schnell entscheiden, ob wir in eine klimasichere oder unsichere Zukunft gehen wollen.

die Politik muss die Weichen neu stellen, wenn sie die ganz großen Katastrophen verhindern will

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Page 3: WWF Extrablatt zur Bundestagswahl

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Wahl-spezial

Kapitel Klima, energie, umwelt

Die öffentlichen Finanzen werden wir effektiver für die Zukunftsaufgaben einsetzen:• Im Rahmen des europäischen Emissionshandels wer-den wir uns für die Versteigerung aller Emissions-rechte ohne Ausnahmen von 2013 an aussprechen;• Sämtliche Erlöse aus der Versteigerung von Verschmutzungsrechten werden wir für Maßnahmen zum nationalen und internationalen Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel verwenden;• Beim EU-Haushalt 2014 bis 2020 wird sich die Bun-desregierung dafür einsetzen, dass fünf Prozent der Ausga-ben den Erhalt der biologischen Vielfalt fördern, die Hälfte aller Strukturfondsmittel für klimarelevante Maßnahmen eingesetzt werden und 85 Prozent aller EU-Agrargelder an emissionsmindernde Produktionsweisen gekoppelt werden.

In der Landwirtschafts-, Meeres- und Forstpolitik werden wir• sicherstellen, dass die klimaschädlichen Emissionen von Lachgas in der Landwirtschaft deutlich reduziert werden. Wir prüfen die Einrichtung einer Abgabe auf Stickstoffüber-schuss;• bei der Nutzung von Agrarrohstoffen für Energie, Treib-stoff, Futtermittel und Lebensmittel einen strengen Nach- haltigkeitsnachweis (siehe Kasten) verlangen;• im Gesetzgebungsverfahren auf EU-Ebene dafür sorgen, dass der Handel mit illegalem Holz unterbunden wird;• in der EU auf eine Neuausrichtung der Fischereipoli-tik drängen: Fangkapazitäten sind an die Fischressourcen anzugleichen, Fangrechte sollen künftig handelbar sein. Der Beifang muss drastisch reduziert werden;

• die weitere Beeinträchtigung der Meeresschutzge-biete in Nord- und Ostsee durch Fischerei und Abbau von Bodenschätzen beenden beziehungsweise neue Beeinträchtigungen verhindern.

Zur Sicherung der biologischen Vielfalt werden wir• unter der deutschen Präsidentschaft des UN-Überein-kommens über die biologische Vielfalt (CBD) bis 2010 und darüber hinaus das in Bonn beschlossene Aktions-programm vor allem in folgenden Schwerpunktberei-chen umsetzen: – Bis 2010 ist eine Vereinbarung zu erzielen, die welt-

weit die Biopiraterie (siehe Kasten) beendet; – die von Deutschland ins Leben gerufene „LifeWeb“-

Initiative zur Erhaltung bestehender und Sicherung neuer Waldschutzgebiete, insbesondere in den Tropen, wird ausgeweitet;

– ein Netz von Meeresschutzgebieten auf hoher See soll bis 2012 mit deutscher Unterstützung eingerichtet werden.

• mit einem neuen Bundesaktionsplan die Umsetzung der nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt finanzieren.

Unser Koalitionsvertrag

Eine ambitionierte deutsche Umwelt-, Klima- und Energiepolitik kann und wird einen zentralen Bei-trag zur Modernisierung unserer Gesellschaft leisten.

Sie soll zum Motor werden für die Entwicklung von Zukunftstechnologien, sie kann die deutsche Volks-

wirtschaft wettbewerbsfähig erhalten und sie wird neue und sichere Arbeitsplätze schaffen. Deutschland soll deshalb noch stärker als bisher eine führende Rolle im

Klimaschutz wahrnehmen. Unser gemeinsames Ziel ist, die weltweite Erderwärmung auf durchschnittlich

unter zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Stand zu begrenzen. Außerdem werden wir uns für eine

nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen und für weitergehende Maßnahmen zur Bewahrung der bio-

logischen Vielfalt einsetzen.

In der deutschen Klimaschutzpolitik werden wir• die bereits im Jahr 2007 beschlossenen Maßnahmen aus dem „Meseberg-Programm“ der letzten Bundesregierung

in einem „Meseberg-Plus-Programm“ (siehe Kasten) wei-terentwickeln und damit sicherstellen, dass die deutschen

Treibhausgasemissionen bis 2020 um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 gesenkt werden;

• ein Klimaschutzgesetz verabschieden, in dem sich Deutschland verbindlich auf eine Senkung der Treibhaus-gasemissionen um mindestens 40 Prozent bis 2020 und mindestens 95 Prozent bis 2050 gegenüber 1990 festlegt. Zur Begleitung dieses Prozesses werden wir eine Kommis-sion aus unabhängigen Experten einrichten; • einen „Klimaplan 2050“ aufstellen mit den Schritten, die von heute bis 2050 umzusetzen sind, um die Ziele des Klimaschutzgesetzes zu erreichen.Unter anderem werden wir die nationale Energieversor-gung so schnell wie möglich größtenteils auf erneuerbare Energien umstellen. Wir werden eine sichere und bezahlbare Stromversorgung auch ohne den Neubau von Kohlendioxid emittierenden Kohlekraftwerken und mit dem Festhalten am Atomausstieg sicherstellen und ein Energieeffizienzgesetz verabschieden.

Im Rahmen der UN-Klimaverhandlungen werden wir darauf hinwirken, • dass die EU bis 2020 ihre Treibhausgasemissionen gegen-über 1990 um mindestens 40 Prozent und bis 2050 praktisch auf Null zurückführt;• dass auch die Schwellen- und Entwicklungsländer mit Unterstützung der Industrieländer bis 2020 insgesamt 30 Pro-zent weniger Treibhausgase emittieren als bei unveränderter Entwicklung prognostiziert;• dass die Industrieländer die Entwicklungs- und Schwellen-länder bei Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel massiv unterstützen. Dazu gehört als ein neuer Schwerpunkt die Hilfe beim Erhalt der Wälder und damit bei der Reduzierung von Emissionen aus der Waldvernichtung (REDD).

der WWf erspart der Politik bei der Verhandlung über den Koalitionsvertrag viel arbeit. das Kapitel für Klima, energie und umwelt haben wir in den wichtigsten Punkten bereits ausformuliert.

BioPiraterieBiopiraterie ist die Nutzung von biologischen Ressourcen in Entwicklungsländern, zum Beispiel zur Herstellung von Arzneimitteln oder Kosmetika, ohne dass diese ange-messen vergütet wird. Vor allem globale Unternehmen nutzen tropische Pflanzen, Tiere und Kleinstlebewesen für Medikamente und Kosmetika, ohne die Herkunftsländer fair zu betei-ligen. Biopiraterie beraubt die armen Länder ihrer Schätze, verhindert dort Einkommen und wirtschaftliche Entwicklung und kann negative Auswirkungen auf die Artenvielfalt haben.

nachhaltiGKeitsnachWeisUm negative Folgen – etwa zusätzliche Urwaldrodungen – zu verhindern, hat die EU die Kontrolle der Nachhaltigkeit bei der Erzeugung verlangt. Die Umsetzung erfolgt über glaubwürdige Zertifizierungssysteme, die sowohl ökologische als auch soziale Kriterien berücksichtigen. Diese müssen die gesamte Handelskette vom Produzenten bis zum Endverbraucher betrachten.

meseBerG-ProGrammDas Bundeskabinett hatte sich im Sommer 2007 im brandenburgischen Meseberg auf einen Maßnahmenkatalog zur Verringerung des Treibhausgasausstoßes geeinigt. Das „Meseberg-Paket“ wurde später unter dem offiziellen Namen „Integriertes Energie- und Klimaprogramm (IEKP)“ beschlossen. Schwerpunkte des Programms sind unter anderem die Steigerung der Energieeffizienz, die Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien und die Wärmedämmung.

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Page 4: WWF Extrablatt zur Bundestagswahl

Die Wälder Die Naturwälder, besonders in den Tropen, sind Labore der Evolution und Schatzkammern der Artenvielfalt. Sie liefern Nahrungsmittel und Medikamente, sind Wasserspeicher, stabilisieren

das Weltklima und sind Heimat für Milliarden Lebewesen. Trotzdem werden jedes Jahr rund 13 Millionen Hektar Naturwald vernichtet – eine Flä-che von der Größe Griechenlands. Dieser Raub-

bau an den Wäldern vernichtet nicht nur wertvollen Lebensraum für Menschen, Tier- und Pflanzen-arten, sondern verursacht insgesamt auch rund ein Fünftel der weltweiten Kohlendioxid-Emissionen.Gleichzeitig gefährdet der Klimawandel durch Hitze und veränderte Niederschläge die Funktion der Wälder als globale „Klimaanlagen“. Europa, das seine eigenen Urwälder in der Vergangenheit fast völlig vernichtet hat, wirkt auch am Kahl-schlag in den Tropen kräftig mit: Wir importieren Holz, Fleisch, Viehfutter und Palmöl, für deren Gewinnung Regenwald zerstört wird. So stammt zum Beispiel fast ein Fünftel aller Holzimporte in der EU aus illegalen Quellen. Um sicherzustellen, dass all diese für den Verbrauch in Deutschland und Europa bestimmten Produkte für den europäischen und deutschen Markt legal und auf nachhaltige Weise erzeugt werden, braucht es konsequente Regelungen.

Aber ohne Klimaschutz ist alles nichts. Es gibt noch andere wichtige Umweltprobleme neben dem Klimawandel, die wir dringend angehen müssen. Doch wer die Artenvielfalt und die Wälder erhalten, die Meere retten und die Ernährung der Weltbevölkerung sichern will, muss auch die Klimakrise verhindern helfen.

Klimaschutz ist nicht alles

Die Bundesregierung muss auf Absprachen im neuen UN-Klimaabkommen drängen, die den Entwicklungs- und Schwellenländern aus- reichend finanzielle und technische Hilfe garan-tieren, um die Vernichtung ihrer Wälder zu stoppen. Das kann gelingen, wenn die Wald-erhaltung lukrativer wird als die Abholzung.

Die ArtenvielfaltWir Menschen verursachen ein Aussterben von Tier- und Pflanzenarten, das hundertmal rascher voranschreitet als unter natürlichen Bedingungen. Um den unwiederbringlichen Verlust natürlichen Reichtums zu stoppen, ist das UN-Überein- kommen zur biologischen Vielfalt (CBD) zu stär-ken und die Anzahl der Schutzgebiete weltweit wesentlich zu erhöhen.In der EU ist das europäische Netzwerk „Natura 2000“ eine Erfolgsgeschichte. Es umfasst heute 25 000 Schutzgebiete auf 17 Prozent der Land-fläche. Das aber reicht noch nicht aus, um die Arten- und Lebensraumvielfalt in Mitteleuropa zu sichern. Immer noch ist die intensive und hoch subventionierte Landwirtschaft in der EU für große Schäden an der Natur verantwortlich. Naturschutz und Klimaschutz müssen künftig Hand in Hand gehen: Werden mehr Wälder, Moore, Auen und andere Wildnisflächen als natürliche Speicher für Treibhausgase in Europa erhalten, bremst das nicht nur den Artenschwund, sondern auch die Erwärmung der Erdatmosphäre.

nina Griesshammer, forstPolitiK:

Gesunde Wälder sind für mich so wichtig wie die Luft zum Atmen. Und für viele andere Menschen sind sie tatsächlich überlebens-wichtig.

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In Deutschland tragen wir besondere Verantwor-tung für große Wildtiere wie Luchs, Wolf und Bär, die hier wieder eine Heimat suchen. Nicht Abschuss ist angesagt, sondern Toleranz, dann haben diese großen Wildtiere auch bei uns ihren Platz. Aus Verantwortung für die Artenvielfalt in Deutschland insgesamt muss die neue Bundesre-gierung die nationale Strategie zur biologischen Vielfalt konsequent umsetzen und mit einem eigens dafür aufgelegten Bundesaktionsplan finanziell absichern.

Landwirtschaft und KlimaDie Landwirtschaft ist die vielleicht wichtigste Errungenschaft des Menschen, denn sie liefert Nahrungsmittel und Rohstoffe. Heute wissen wir aber, dass die weltweite Agrarproduktion nicht nur direkte Schäden in der Natur verursacht, son-dern auch den Klimawandel anheizt. In Europa kommen alleine neun Prozent aller Treibhausgase direkt aus dem Agrarsektor. Hier belasten neben dem Kohlendioxid aus der Bear-beitung der Felder vor allem Lachgas aus dem Dünger und Methan aus der Nutztierhaltung das Klima. Dabei sind die Ernten auch bei uns

matthias meissner, landWirtschaft:

Umweltfreundliche Landwirtschaft ist viel mehr als Heuhotel-Idylle: Sie ist eben auch Wirtschaft, die sich der Verantwortung fürs Klima stellt!

durch Überschwemmungen, Dürren und andere Wetterextreme gefährdet, die immer stärker und häufiger werden. Die Landwirtschaft trägt also zum Klimawandel bei und leidet gleichzeitig darunter. Sie muss

in Europa dringend reformiert werden, um den Raubbau an den natürlichen Ressourcen zu beenden. Düngen muss klimasicher betrieben und Grünland erhalten werden, damit nicht noch mehr Treibhausgase entweichen. Die EU-Agrar-förderung muss an Umwelt- und Klimaschutz-leistungen der Landwirte gekoppelt werden. Und nicht zuletzt müssen die Verbraucher umdenken: Weniger Konsum von Fleisch und anderen tierischen Produkten ist gesünder und entlastet zugleich das Klima.

Die MeereDie Meere werden immer leerer. 80 Prozent aller kommerziell genutzten Fischbestände sind überfischt oder bis an die Grenze der Tragfähig-keit ausgebeutet, in den europäischen Meeren sogar 86 Prozent. Der weltweite Fischfang pro-duziert bis zu 40 Prozent Beifang. Ein Großteil davon wird ungenutzt und tot wieder über Bord geworfen und taucht daher in keiner Statistik auf. Rabiate Fangmethoden, auch durch Flotten der Industrienationen, zerstören den Meeresboden und die Korallenriffe. Die Plünderung der Welt-meere bedroht nicht nur die marine Artenvielfalt, sondern auch die Nahrungssicherheit von einer Milliarde Menschen, die in ärmeren Ländern auf Fisch als Eiweißquelle angewiesen sind. Doch wir schützen nicht einmal unsere eigenen Meere wirklich. Noch immer sind Sand- und Kiesabbau sowie Öl- und Gasexploration und umweltschädliche Fischerei in den Schutzge-bieten in deutschen Gewässern von Nord- und Ostsee erlaubt.Der Lebensraum im und am Meer steht unter zusätzlichem Stress durch den Klimawandel: Steigender Meeresspiegel und stärkere Stürme bedrohen die Bevölkerung und die Naturräume an den Küsten. Durch die vermehrte Aufnahme von CO

2 versauern allmählich die Meere, was

die Nahrungsketten in den Ozeanen bedroht.

Klimaschutz und Meeresschutz sind deshalb eng verbunden. Nur gesunde Ozeane mit weniger Klimastress, in denen nicht mehr Fische gefangen werden als nachwachsen, liefern uns auch in der Zukunft lebenswichtige Ressourcen.

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Die Welt unter Wasser ist faszinierend und zerbrechlich zugleich. Es muss in die Köpfe der Politiker, dass auch der Reichtum der Meere endlich ist.

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Wahl-Spezial

Page 5: WWF Extrablatt zur Bundestagswahl

Papier ist geduldig, besonders bei Wahlpro-grammen. Welcher Politiker und welche Partei haben sich in den vergangenen Jahren wirklich für Umwelt- und Klimaschutz eingesetzt? Wie plausibel sind die Vorschläge für die nächste Legislaturperiode? Gibt es noch Veränderungen in der öffentlichen Festlegung der Parteien zu Klima- und Umweltfragen? Der WWF wird das für Sie bis zur Wahl Ende September 2009 beobachten. Die Recherchen, Analysen und Kommentare dazu finden Sie auf unseren Sonderseiten zur Bundestagswahl unter

www.wwf.de/bundestagswahl

im Internet. Hier bieten wir Ihnen aktuelle Infor-mationen und interaktive Angebote. Spielerisch können Sie Ihr Wissen über die umweltpoli-tischen Positionen und Aussagen der Parteien und ihrer Spitzenkandidaten testen. Seien Sie auf Überraschungen gefasst!

Das fordert der WWF von der nächsten Bundesregierung …

… und so stehen die Parteien in ihren Wahlprogrammen dazu CDU/ CSU

SPD FDP B 90/ GRÜNE

DIE LINKE

Treibhausgasemissionen in Deutschland und Europa bis 2020 um mindestens 40 Prozent reduzieren

Treibhausgasemissionen in Deutschland und Europa bis 2050 um mindestens 95 Prozent reduzieren

Ein Klimaschutzgesetz für Deutschland schaffen, das diese Ziele festschreibt

Alle Emissionsrechte in Europa ab 2013 versteigern

Alle Erlöse aus dem Emissionshandel für den Klimaschutz verwenden

Entwicklungs- und Schwellenländer bei Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel deutlich stärker unterstützen

Entwicklungs- und Schwellenländer bei der Bekämpfung der Entwaldung erheblich stärker unterstützen

Aktionsprogramm der „Bonn 2008-Agenda“ zum Übereinkom-men über die biologische Vielfalt (CBD) konsequent umsetzen

„LifeWeb“-Initiative der bisherigen Bundesregierung für internationale Waldschutzgebiete fortsetzen und ausbauen

Neue Meeresschutzgebiete auf hoher See einrichten

Umsetzung der nationalen Biodiversitätsstrategie durch einen Bundesaktionsplan finanzieren

Keine neuen Kohlekraftwerke bauen ohne sichere Kohlen- dioxidabtrennung und -lagerung (CCS)

Am Atomausstieg festhalten

Deutschlands Energieversorgung so schnell wie möglich auf erneuerbare Energien umstellen

Energieeffizienzgesetz beschließen, das zu einer drastischen Erhöhung der Energieeffizienz führt

Vergabe der EU-Agrarzuschüsse und EU-Strukturfondsmittel an Klimaschutzmaßnahmen koppeln

Klimaschädliche Emissionen aus der Landwirtschaft reduzieren

Strengen Nachhaltigkeitsnachweis für Biomasse in der Ener-gie-, Treibstoff-, Futter- und Lebensmittelproduktion einführen

Strenge Gesetze gegen illegalen Holzhandel in der EU durchsetzen

EU-Fischereipolitik: Fangquoten anpassen und Beifang vermeiden

Beeinträchtigung der Meeresschutzgebiete in Nord- und Ost-see durch Fischerei und Abbau von Bodenschätzen verhindern

Der WWF hat diese Bewertungen auf Grundlage der Wahlprogramme der sechs bisher im Parla-ment vertretenen Parteien vorgenommen bezie-hungsweise – wenn sie noch nicht öffentlich einsehbar waren – auf der Basis der verfügbaren Vorläufertexte. Sie beziehen sich auf den Stand der Parteidokumente zum Redaktionsschluss dieser Veröffentlichung am 12. Juni 2009. Die jeweils aktualisierte Fassung sowie Informa-tionen zu Wahlprogrammen weiterer Parteien finden sich auf www.wwf.de/bundestagswahl.

Die WWF-Redaktion hat ausschließlich die Klima- und Umweltprogramme der Parteien für die Bundestagswahl ausgewertet und mit den eigenen Forderungen verglichen. Die folgenden, sehr groben Bewertungen sind keine Wahlempfehlung für eine oder mehrere bestimmte Parteien. Dem WWF ist bewusst, dass es noch weitere Quellen zur Klima- und Umweltschutzpolitik der Parteien gibt, und dass die Wählerinnen und Wähler ohnehin noch weitere Aspekte in ihre Wahlentscheidung einbeziehen.

Parteien auf dem Prüfstand

IMPRESSUMHerausgeber/Bezug WWF Deutschland Rebstöcker Straße 55, 60326 Frankfurt am Main, Telefon: (0 69) 7 91 44-0, Fax: (0 69) 7 91 44-112; Für den Inhalt verantwortlich: Sandra Exterbrink (V. i. S. d. P.), WWF; Redaktion: Donné Norbert Beyer (Chefredaktion), octopus media; Koordination: Alois Vedder, WWF; Bildredaktion: Annika Magdorf, WWF; Produktion: Natascha Schuck, Panda Fördergesellschaft mbH; Schlussredaktion: Elisa Holz, Süddeutscher Verlag onpact GmbH, Gestaltung und Litho: dworak & kornmesser, Druck: Stark Druck GmbH & Co. KG

Keine aussage

mindestens tendenzielle übereinstimmung

mit wwf-forderung

parteiposition unklar oder erfüllt

wwf-forderung nur zum teil

parteiposition ist konträr zu wwf-forderung

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Wahl-Spezial