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„Führt das Erbe von Wallraff fort!“ Leserschaft, Nutzung und Bewertung des BILDblog Jan Schmidt Florian L. Mayer, Gabriele Mehling, Johannes Raabe, Kristina Wied, Berlin, 13.03.2008

Ergebnisse der BILDblog-Leserbefragung

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re:publica, 2.4.2008, Berlin

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Page 1: Ergebnisse der BILDblog-Leserbefragung

„Führt das Erbe von Wallraff fort!“ Leserschaft, Nutzung und Bewertung des BILDblog

Jan Schmidt

Florian L. Mayer, Gabriele Mehling,

Johannes Raabe, Kristina Wied,

Berlin, 13.03.2008

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BILDblog-Studie Seite 2 von 26

Worüber ich heute spreche

• Eine kurze Geschichte der Bild-Kritik (oder: Was seit 68 so passiert ist)

• Das BILDblog

• Die Umfrage (oder: Wie schnell man Wetten verliert, wenn es um‘s BILDblog geht)

• Die Nutzerschaft (oder: Warum BILDblog-Leser besonders sind)

• Die Nutzungsweisen (oder: Warum BILDblog-Leser anders sind)

• Die Nutzungsmotive (oder: Warum BILDblog-Leser nur das eine und doch das andere wollen)

• Die Einschätzung der Nutzer (oder: Warum so skeptisch?)

• Fazit (oder: Was sagt uns das?)

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BILDblog-Studie Seite 3 von 26

50er Jahre: Bild-Kritik als Lyrik

„Bildzeitung“(Hans Magnus Enzensberger, 1957)

„(…) Auch du auch du auch duwirst langsam eingehn

an Lohnstreifen und Lügenreich, stark erniedrigt

durch Musterungen und Malz-kaffee, schön besudelt mit Straf-

zetteln, Schweiss,atomarem Dreck:

deine Lungen ein gelbes Riffaus Nikotin und Verleumdungmöge die Erde dir leicht sein

wie das Leichentuchaus Rotation und Betrugdas du dir täglich kaufst

in das du dich täglich wickelst.“

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BILDblog-Studie Seite 4 von 26

60er Jahre: Bild-Kritik als Kapitalismuskritik

Quelle: Deutsches Historisches Museum – Sammlung Plakate; http://www.dhm.de/sammlungen/plakate/p94_3144.html

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BILDblog-Studie Seite 5 von 26

60er Jahre: Bild-Kritik als Kapitalismuskritik

„Sowohl während der Studentenunruhen als auch der Septemberstreiks übernahm die BILD-Zeitung die Rolle des kapitalabhängigen ‚Einpeitschers‘, der Notstandsparolen und Drohungen ausruft, um die Kapital-Räson nicht zu gefährden.“ (144)

Bild als Bestandteil der „kapitalistischen Meinungsindustrie (…), die bestehende, gesellschaftlich vermittelte Einstellungen reproduziert, verdoppelt, was für die Medien-Konsumenten zur Bestätigung der bestehenden Verhältnisse gerinnt“ (144)

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BILDblog-Studie Seite 6 von 26

70er Jahre: Bild-Kritik als investigative Recherche

– Günter Wallraff recherchierte 1977 mehrere Monate in der Bild-Redaktion in Hannover

– Publizierte seine Erfahrungen über die vorherrschenden journalistischen Praktiken und Recherchemethoden in „Der Aufmacher“; nach Klage der Springer AG mussten in der 2. Auflage verschiedene Stellen geschwärzt werden

– Hilfsfonds „Wenn Bild lügt, kämpft dagegen„ (1978) bot rechtlichen Beistand für Bild-Geschädigte

– Weitere Bild-kritische Bücher „Zeugen der Anklage“ und „Das Bild-Handbuch: Bild-Störung“

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BILDblog-Studie Seite 7 von 26

80er Jahre: Resignative Bild-Kritik

Hans Magnus Enzensberger schien in den 80er Jahren eher resigniert zu haben: Wer Presse-Freiheit wolle, könne die Bild nicht kritisieren, sie sei nämlich deren zwangsläufiger Ausdruck„Bild wird gelesen nicht obwohl, sondern weil das Blatt von nichts handelt, jeden Inhalt liquidiert, weder Vergangenheit noch Zukunft kennt, alle historischen, moralischen, politischen Kategorien zertrümmert; nicht obwohl, sondern weil es droht, quatscht, ängstigt, schweinigelt, hetzt, leeres Stroh drischt, geifert, tröstet, manipuliert, verklärt, lügt, blödelt, vernichtet. Gerade dieser unveränderliche alltägliche Terror verschafft dem Leser den paradoxen Genuß, den er mit jedem Süchtigen teilt, und der sich von der bewußt erlebten Erniedrigung, die mit ihm verbunden ist, gar nicht trennen läßt.“Aus: „Der Triumph der Bild-Zeitung oder Die Katastrophe der Pressefreiheit.“ (1983) In: Baukasten zu einer Theorie der Medien. Kritische Diskurse zur Pressefreiheit. Hrsg. von Peter Glotz. S. 141. Hervorhebungen J.S.

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BILDblog-Studie Seite 8 von 26

00er Jahre: Kommunikationswissenschaftliche Bild-Kritik

– Boenisch: Analyse von Kampagnenjournalismus in der Bild am Beispiel der Berichterstattung über Joschka Fischer und Jürgen Trittin Anfang 2001

Es „wurden die politischen und gesellschaftlichen Hintergründe Fischers ehemaliger Militanz und Trittins ehemaliger kommunistischer Gesinnung weitgehend vernachlässigt, (…) ihre Handlungen und Aussagen nicht oder unzureichend bis manipulativ eingeordnet und sie stattdessen mit Spekulationen und Suggestionen stereotypisiert und kriminalisiert sowie ihre politische Eignung als Repräsentanten des Staates in ihren neuen Funktionen als Außen- respektive Umweltminister unterschwellig, aber durchaus auch explizit in Frage gestellt.“ (Vasco Boenisch, Strategie: Stimmungsmache. Köln, 2007. S. 282)

– Reinemann: Analyse der Bild-Berichterstattung über Hartz IV im Sommer 2004 „Aus medienkritischer Sicht bleibt noch zu ergänzen, dass die Handlungsweise von Bild nicht dem

entspricht, was das Blatt selbst in Hinblick auf die Integrität des Handelns von politischen Akteuren erwartet. Für einen Akteur, der außerparlamentarische Opposition sein will, waren weder Zeitpunkt, noch Form, noch Inhalte der Einflussnahme auf den politischen Entscheidungsprozeß überzeugend gewählt. Außerdem wurde Bild keineswegs seinem eigenen Anspruch gerecht, Sprachrohr der kleinen Leute zu sein. Zudem neigt auch der Chefredakteur von Bild (…) dazu, die Verantwortung für die unbeabsichtigten Folgen des eigenen Handelns von sich zu weisen .“(Carsten Reinemann: „Guter Boulevard ist immer auch außerparlamentarische Opposition“ Das Handeln von Bild am Beispiel der Berichterstattung über Hartz IV. In: Pfetsch, Barbara / Adam, Silke (Hrsg.): Massenmedien als Akteure im politischen Prozess. Konzepte und Analysen. Wiesbaden, 2007.)

Page 9: Ergebnisse der BILDblog-Leserbefragung

BILDblog-Studie Seite 9 von 26

Auch das sind die 00er: Enzensberger in der Bild-Zeitung

Bild-Zeitung, 8.9.2004 - Quelle: http://home.arcor.de/unipohl/PolitRSR.htm

Page 10: Ergebnisse der BILDblog-Leserbefragung

BILDblog-Studie Seite 10 von 26

Das BILDblog

• Watchblog, das kritisch über BILD, BamS und bild.de berichtet

• Existiert seit Juni 2004• Täglich ca. 40.000-50.000 Besuche

• War bis November 2007 das am häufigsten verlinkte Blog in der deutschsprachigen Blogosphäre [dann kam Robert Basic…]

• Preisgekrönt u.a. durch Grimme Online Award (2005), Leuchtturm-Preis des Netzwerk Recherche (2005)

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BILDblog-Studie Seite 11 von 26

Methodisches Design & Feldphase

• Feldzeit der onlinebasierten Umfrage: 1 Monat (4.10.-4.11.2007)

• Hinweis auf Umfrage im BILDblog per Beitrag und Banner; keine Zufallsstichprobe

Entwicklung der TeilnehmerzahlenRelative Häufigkeit (Balken) und kumulierte Häufigkeit (Linie) pro Tag

• 24.984 Aufrufe des Fragebogens, 19.666 vollständig ausgefüllte Fragebögen

Page 12: Ergebnisse der BILDblog-Leserbefragung

BILDblog-Studie Seite 12 von 26

Mehrheitlich…

männlich (86%)

Soziodemographie

Page 13: Ergebnisse der BILDblog-Leserbefragung

BILDblog-Studie Seite 13 von 26

Mehrheitlich…

männlich (86%)

zwischen 20-29 Jahre alt (54%)

Soziodemographie

Page 14: Ergebnisse der BILDblog-Leserbefragung

BILDblog-Studie Seite 14 von 26

Mehrheitlich…

männlich (86%)

zwischen 20-29 Jahre alt

formal höher gebildet(>80% mit mindestens Abitur)

Soziodemographie

Page 15: Ergebnisse der BILDblog-Leserbefragung

BILDblog-Studie Seite 15 von 26

Mehrheitlich…

männlich (86%)

zwischen 20-29 Jahre alt

formal höher gebildet(>80% mit mindestens Abitur)

berufstätig (53%), Schüler oder Student (40%)

in Deutschland lebend (96%)

Soziodemographie

Page 16: Ergebnisse der BILDblog-Leserbefragung

BILDblog-Studie Seite 16 von 26

Etwa 2/3 lesen Bild nicht, etwa die Hälfte nutzt Bild.de nicht.

Mediennutzung: Bild und bild.de

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BILDblog-Studie Seite 17 von 26

37

63

54

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8

14

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2

15

81

0 20 40 60 80 100

Frauen

Männer

Haupt-/Volksschule

Mittlere Reife

(Fach-) Hochschulreife

Bildblog Bild

Leserschaft von BILDblog und von der Bild-Zeitung unterscheidet sich – BILDblog-Leser haben formal höhere Bildung und höheren Männeranteil

Soziodemographie von BILDblog- und Bild-Lesern

Quelle für Bild: Media-Analyse Presse 2008; http://www.ma-reichweiten.de/

Page 18: Ergebnisse der BILDblog-Leserbefragung

BILDblog-Studie Seite 18 von 26

Nur ein kleiner Teil der Leser blogt selbst (13%)

Drei Viertel dagegen lesen gelegentlich auch andere Weblogs.

Mediennutzung: Weblogs

Page 19: Ergebnisse der BILDblog-Leserbefragung

BILDblog-Studie Seite 19 von 26

Nutzungsdauer: Knapp 2/3 liest seit mehr als einem Jahr

30% wurden durch persönliche Empfehlung aufmerksam, 38% durch Hinweise im Internet.

Nutzungshäufigkeit

Nutzungsarten

Nutzungsweisen

Page 20: Ergebnisse der BILDblog-Leserbefragung

BILDblog-Studie Seite 20 von 26

Nutzungsdauer: Knapp 2/3 liest seit mehr als einem Jahr

30% wurden durch persönliche Empfehlung aufmerksam, 38% durch Hinweise im Internet.

Nutzungshäufigkeit: Über die Hälfte liest täglich BILDblog

Nutzungsarten

Nutzungsweisen

Page 21: Ergebnisse der BILDblog-Leserbefragung

BILDblog-Studie Seite 21 von 26

Nutzungsdauer: Knapp 2/3 liest seit mehr als einem Jahr

30% wurden durch persönliche Empfehlung aufmerksam, 38% durch Hinweise im Internet.

Nutzungshäufigkeit: Über die Hälfte liest täglich BILDblog

Nutzungsarten: Große Mehrheit nutzt direktes AnsteuernNur wenige nutzen RSS „pur“

Nutzungsweisen

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BILDblog-Studie Seite 22 von 26

Unterstützung durch Leser

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14

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5

27

0 10 20 30 40 50 60 70

BILDblog bereits kontaktiert

Hinweis auf Fehler in Bild, BamS, bild.de gegeben

Freunden und Bekannten weiter empfohlen

BILDblog finanziell unterstützt

Könnte mir für die Zukunft vorstellen, BILDblog finanziellzu unterstützen

BILDblog-Leser unterstützen auf unterschiedliche Art und Weise die Arbeit der Redaktion – durch sachdienliche Hinweise, durch das Weiterempfehlen oder (derzeit noch eher selten) durch Spenden oder den Kauf von Merchandise

Page 23: Ergebnisse der BILDblog-Leserbefragung

BILDblog-Studie Seite 23 von 26

Motive für Nutzung des BILDblog

Page 24: Ergebnisse der BILDblog-Leserbefragung

BILDblog-Studie Seite 24 von 26

Beurteilung von Aussagen zum BILDblog

Zustimmung Ablehnung

Page 25: Ergebnisse der BILDblog-Leserbefragung

BILDblog-Studie Seite 25 von 26

Fazit

• BILDblog steht in langer Tradition von Kritik an Bild-Zeitung bzw. dem Axel-Springer-Verlag

• BILDblog verbindet Prinzipien der journalistischen Medienkritik und der „Weisheit der Masse“, steht dadurch auch verbindend zwischen dem etablierten Journalismus und den Öffentlichkeiten des „Web 2.0“

• BILDblog ist ein von professionellen Journalisten erstelltes Angebot, das die Bild-Zeitung an etablierten Kriterien des Journalismus misst

• Erfolg des BILDblog beruht jedoch in hohem Maße auf Hinweisen und Unterstützung aus der Leserschaft

• Nutzer schätzen das BILDblog aufgrund seiner informativen und unterhaltenden Leistungen; zudem verdeutlicht es Qualitätskriterien des Journalismus

• Allerdings herrscht auch Skepsis, ob das BILDblog einen weitergehenden Einfluss hat, insbesondere auf die Bild-Zeitung selbst

Page 26: Ergebnisse der BILDblog-Leserbefragung

BILDblog-Studie Seite 26 von 26

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!

Dr. Jan Schmidt

Hans-Bredow-Institut

Senior Researcher für digitale interaktive Medien und politische Kommunikation

Warburgstr. 8-10, 20354 Hamburg

[email protected]

www.hans-bredow-institut.de

www.schmidtmitdete.de

Page 27: Ergebnisse der BILDblog-Leserbefragung

BILDblog-Studie Seite 27 von 26

Jeweils etwa ein Viertel der BILDblog-Leser nutzt das Internet durchschnittlich pro Tag weniger als zwei Stunden bzw. mehr als fünf Stunden.

Mediennutzung: Internet

Page 28: Ergebnisse der BILDblog-Leserbefragung

BILDblog-Studie Seite 28 von 26

Soziodemographie

Page 29: Ergebnisse der BILDblog-Leserbefragung

BILDblog-Studie Seite 29 von 26

Soziodemographie

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BILDblog-Studie Seite 30 von 26

Auswirkung von Werbung

70 % würden mehr Werbung akzeptieren.

Sollte die Werbung tatsächlich ausgeweitet werden, würden 90% gleich häufig weiternutzen. Nur 9% würden das BILDblog weniger oder gar nicht mehr besuchen.

Die Mehreinnahmen für Werbung sollten das BILDblog generell unterstützen (64%), bessere Recherche-Bedingungen (51%), mehr Beiträge (33%) oder gar Werbung für BILDblog (32%) ermöglichen.

Eine moderierte Kommentarfunktion ist hier nur 22% wichtig.