2. Jahrgang. 1962. Heft 2 Zum Tode von Walter Noddack

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ZEITSCHRIFT FOR CHEMIE Herausgeber : Im Auftrage der Chemischen Gesellschaft in der Deutschen Demokratischen Republik

Prof. Dr. H. Dunken, Prof. Dr. L. Kolditz, Prof. Dr. E. Profft

Unter Mitarbeit von Prof. Dr. H. Beyer, Prof. Dr. R. Geyer, Prof. Dr. H. Grohn, Prof. Dr. R. Havemann, Prof. Dr. S. Herzog, Prof. Dr. H.-A. Lehmann, Prof. Dr. S. Rapoport, Prof. Dr. G. Rienilcker, Prof. Dr. G. Schott und Prof. Dr.-Ing. K. Schwabe

2. JAHRGANG 1962 * H E F T 2

Zum Tode von Walter Noddack Freunde, Schiiler und Mitarbeiter betrauern das

plotzliche Hinscheiden von Prof. Dr. Walter Noddack, der am 7 . Dezember 1960 mitten aus einem bis xur letzten Stunde von unermiidjichem Schaffen erfiillten Leben von uns ging. Die chemische Wissenschaft verlor durch seinen Tod einen For- scher, den ein ungeheurer Ideenreichtum und eine rast- lose Energie z u gropen Leistungen befahigte.

Am 17. August 1893 in Berlin geboren, studiertp Walter Noddack vom Herbst 1912 an Chemie, Mathenzatik und Physik an der Universi- tat Berlin und an der Berg- akudemie Berlin. Der erste Weltkrieg, an dem er von 1914 bis 1918 teilnuhm, liep ihn sein Studium unter- brechen. Kaum zuruckgekehrt, nahm Walter Noddack sein Studium wieder auf und ging an das Physikalisch-Che- mische lnstitut der Uni- versitat Berlin zu Walter Nernst, u m dort zu promo- vieren. Das Thema seiner Doktorarbeit lautete :

,,Neue Beitrtige zum Ein- steinschen photochemischen Aquivaientgesetz . ''

Es sollte hier ein Anulogon zur Chlorknallgasreaktion ge- funden werden, bei dem je- doch keine Kettenreaktion auftritt. Noddack wahlte hier- f u r das Trichlorbrommethan, einen Stoff, der mit Cl-Atomen neben Tetrachlormethan Br-Atome liefert, so dap an der Menge Brom, die wahrend der Belich- tung entsteht, der Verlauf der Reaktion verfolgt werden kann. E s ergab sich, dap durch jedes absorbierte Licht- qwn t ein Brommolekul in Freiheit gesetzt wird. Damit war das photochemische A'quivalentgesetz van Einstein aufs neue bestatigt. Fur diese Arbeit, die zugleich die Preisaufgabe der Philosophischen Fakultat der Uni-

versitat Berlin fur dm Jahr 1920 darstellte, erhielt Walter Noddack die Goldene Medaille der Fakultat.

Bald darau f , wahrend seiner Assistententatigkeit am Institut fur Physikalische Chemie der Universitat Berlin, beschaftigte ihn die Anwendung des Einstein-

schen Quantenaquivalentge- setzes auf den photographi- schen Prozep. Gemeinsam mit J . Eggert stellte er fur den Primarvorgang fest, da@ einem absorbierten Lichtquant etwa ein Silberatom entspricht. I m Anschlup daran wurden die Untersuchungen auch auf Rhtgenstrahlen ausgedehnt; eswurdegefunden,dup beieiner solchen energiereichen Strah- lung (0 ,5 i ) nicht nur ein Silberatom, sondern in dimem Falle etwa tausend erxeugt werden.

1922 wurde Walter Nod- dack a h Regierungsrat an die Physikalisch- Technische Reichsanstalt berufen. In- zwischen widmete er neben seinen photochemischen Ar- beiten einem anderen Problem seine besondere Aufmerksam- keit : der Suche nach den bis dahin unbehnnten E h m n - ganen, eine Aufgabe, der nun sein vorwiegendes Interesse gehorte. Auf Grund ihrer Stellung i m Periodensystem

konnte Walter Noddack zusammen mit Ida Tacke, seiner spiiteren Qattin, wichtige Voraussagen uber die Hau figkeit, das Vorkommen und die chemischen Eigen- schaften der Ekamangane machen. Infolge der auper- gewohnlichen Seltenheit dieser Elemente bestand jedoch keine Aussicht, sie ohne weiteres - wie es beim Haf- nium der Fall gewesen war - durch spektroskopische Nachweismethoden aufzufinden. Erst der Aufschlup von groperen Mengen von Mineralien, wie Columbit, Gadolinit,Tantalit und anderen sowie eine bis zu5000fache

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Anreicherung auf Grund der ver~nuteten Eigemchaften der Ekamangane fuhrte schlieplich zu Praparaten, in denen rnit den empfindlichen rontgenspektroskopischen Geraten im Forschungslaboratorium der Siemenswerke Berlin zusammen rnit 0. Berg das Element 75 nachge- wiesen werden konnte, fur das die Entdecker den Namen, Rhenium vorschlugen. Welche Miihe mupte aber dann noch aufgewendet werden, ehe es gelang, eine gropere Menge des Elementes 75 rein darzustellen: Hunderte von Mineralien wurden von Walter Noddack zusam- men mit seiner Gattin au f Studienreisen in Skandinavien gesammelt, um durch deren Analyse einen Uberblick dar- uber zu gewinnen, wclche Mineralien besonders rhenium- haltig sind. 660 Kilogramm Molybdanglanz mupten schlieplich aufgearbeitet werden, ehe im Jahre 1928 ein Gramm Rhenium in den Handen des Forscherehe- v r e s lag. Als Ende 1929 mit Hilfe eines gemeinsam mit W . Feit erarbeiteten Trennungsganges aus den Ruckstanden des Mansfelder Kupferschiefers in der Chemischen Fabrik Leopoldshall in wenigen Monaten mehrere Kilogramm Kaliumperrhenat und metalli- sches Rhenium gewonnen werden konnten, war auch der Weg fur die technische Herstellung des Elements geebnet. Der Verein Deutscher Chemiker verlieh dem Ehepaar Noddack fur diese Arbeiten 1931 die Justus- Liebig-Denlcmiinze, die Schwedische Chemische Gesell- schaft zeichnete die Entdecker des Rheniums 1934 mit der Scheele-Medaille aus. Jedoch gaben sich Walter Nod- dack und seine Gattin mit der Entdeckung und der Rein- darstellung des Rheniums nicht zufrieden, sondern sie trugen daruber hinaus auch noch zur Aufklarung der Eigenscha ften des von ihnen entdeckten Elements und seiner Verbindungen, insbesondere der Sauerstof f - und Hdogenverbindungen, bei.

Daneben sind die Arbeiten Walter Noddacks und seiner Gattin von groper Bedeutung, in denen sie sich mit der Haufigkeit der Elemente in der Erdrinde und im Weltall beschaftigten. Welche ungeheure Arbeits- leistung war notwendig, um 1600 Mineralien und Me- teorite zu untersuchen, damit aus deren Analysenergeb- nissen verlapliche Aussagen uber die Haufigkeit der Elemente gemacht werden konnten. Mit Ausnahme von Clarke und Washington sind wohl von keinem Porscher auf diesem Gebiet Untersuchungen in solchem Umfange vorgenommen worden.

1935 nahm Walter Noddack eine Berufung auf den Lehrstuhl fur physikalische Chemie der Universitat PreiburglBr. an. Hier konnte er seine Forschungen noch erweitern, und zusammen mit einer Reihe von Mitarbeitern seines Instituts veroffentlichte er zahlreiche Arbeiten uber Reduktionspotentiale, Verbindungen und Eigenschaften der Seltenen Erden. Aber auch seine photochemischen Arbeiten wurden hier weitergefiihrt ; zahlreiche Veroffentlichungen seiner ,,Untersuchungen uber die Assimilation der Kohlensaure durch die griinen Pflanzen" erschienen zu dieser Zeit. Ebenso bereicherte er auch seine geochemischen Forschungen durch neue Arbeiten : Untersuchungen uber die Haufigkeit der Schwermetalle in Meerestieren und uber die Teilungs- koef fizienten der Schwermetalle zwischen Eisen und Eisensulfid wurden durchgefuhrt. Man sieht, welche grope Vielseitigkeit das wissenschaftliche Arbeiten Walter Noddacks auszeichnete.

1941 folgte Walter Noddack einem Ruf an die Uni- versitat Strapburg, wo er ebenfalls n#ls ordentlicher Pro-

fessor fur physikalische Chemie und Birektor des I n - stituts tatig war.

U m nach Beendigung des zweiten Weltkrieges der zum Studium drangenden Jugend, d i e von den teilweise arbeitsunfahigen Universitaten nur zum geringen Teil aufgenommen werden konnte, eine Ausbildungsmoglich- keit xu geben, erhielt die Philosophisch- Theologische Hochschule Bamberg den Auftrag, alle Sparten der Geistes- und Naturwissenschaften zu lehren. Walter Noddack, der das Ende des zweiten Weltkrieges in eineni kleinen Ort in Oberfranken erlebte, meldete sich frei- willig zur Mitarbeit, und der freie Lehrstuhl eines ordentl. Professors fur Chemie wurde ihm iibertragen. Mit gewohnter Energie baute er an der Hochschule Bamberg einen umfangreichen Lehrbetrieb mit Vor- lesungen und Laboratoriumsarbeiten fur rund 200 Chemiestudenten auf und konnte damit den vielen jungen Menschen eine unschatzbare Hilfe leisten. Gleichzeitig war damit auch die Moglichkeit gegeben, die Forschungen auf den eigenen Arbeitsgebieten wieder aufzunehmen.

Die Initiative Walter Noddacks fiihrte 1956 zur Grundung des , ,Stadlichen Forschungsinstitutes fur Geo- chemie" in Bamberg, dessen Leitung er iibernahni. Auch hier zeigte sich sein Ideenreichtum, der ihn - verbunden mit einer unermiidlichen Schaf fenskraft und einem Blick fur das Wesentliche - zu einer gropen Vielseitigkeit seiner Arbeiten befahigte. Auf photoche- mischem Gebiet waren es Untersuchungen uber den, Einflu@ physikalischer Faktoren auf die Bildung und Verteilung des latenten Bildes und iiber den Mechunismus der photographischen Sensibilisierung. Letztere Arbeiten gaben Anlap zu einer eingehenden Untersuchung der lichtelektrischen Eigenschaften organischer Farbstoffe. Die Bearbeitung des Problems der Photochemie des menschlichen Auges fiihrte zu einem neuartigen Nach- weis der drei Sehfarbstoffe und ihrer Wirkungsspektren im lebenden Organ. Die Erscheinung der Phototropie war ebenfalls Gegenstand eingehender Untersuchungen.

Seine geochemischen Forschungen vermehrte Nod- dack in diesen Jahren durch Altersbestimmungen von Gesteinen nach der Argonmethode und Untersuchungen iiber die Umwandlung isotropisierter Mineralien mit Hilfe der quantitativen Differentialthermoanalyse. I n gleicher Richtung liegt auch die Entwicklung neuer Verfahren zur Lagerstattensuche, wozu zuniichst Grund- lagenforschungen uber das elektrochemische Verhalten der Xchwermetallsulfide durchgefuhrt wurden. Zu dem gleichen Gebiet gehoren auch seine Arbeiten iiber Spu- renelemente in Organismen und organischen Ablage- rungen mit Hilfe chemischer und spektroskopischer Methoden.

Auch die Arbeiten iiber Seltene Erden wurden fort- gesetzt. Neben Untersuchungen uber die Trennung der Erden im Magnetfeld fiihrte er als erster in Europa die Reindurstellung der Yttererden mit Hilfe von Ionenaus- tauschern und Komplexbildnern in groperem Mapstabe durch. Dadurch war die Ausgangsbasis fur weitere Un- tersuchungen geschaf fen : Leit fahigkeitsmessungen an Oxyden der Seltenen Erden und die Darstellung der reinen Erdenmetalle schlossen sich an.

Schlieplich sind noch Energiemessungen an Initial- sprengstof fen sowie Arbeiten iiber die Chromatographie von Schwermetallkationen an Aluminiumoxyd und uber die Theorie der Loslichkeit von Salzen zu nennen. Man sieht also, von welcher Vielfaltigkeit die Probleme sind,

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die Walter Noddack in den letzten Jahren zusammen mit seinen Mitarbeitern bearbeitete.

Das Bild ware jedoch unvollstandig ohne eine Wur- digrcng Walter Nodducks als Mensch und akademischer Lehrer. Mit groper Energie und personlicher Anteil- nahme setzte er sich unermudlich fur die Belange seiner Studenten ein. Fur jeden seiner Mitarbeiter, die mit den Noten ihrer Arbeiten oder mit personlichen Anltegen zu ihm kamen, hatte er ein aufmunterndes, freundliches Wort, einen guten Rat oder liep ihm irgendeine Hilfe zuteil werden. Er war fur viele ein Doktorvater im wahr- sten Sinne des Wortes. So vernahmen sie voll tiefer

Trauer die Naehricht vom plotzlichen Tode ihres hoch- verehrten Lehrers. Sie alle empfinden Dankbarkeit und die Verpflichtung, in seinem Sinne rveiterzuarbeiten und seinem Vorbild nachzueifern.

Die chemische Wissenscha ft verlor in Professor Dr. Walter Noddack einen Forscher von seltener Viel- seitigkeit und gropem Ideenreichtum, dessen Name stets mit der Entdeckung des Elements Rhenium und vielen Erkenntnissen, vor allem auf den Gebieten der Photo- chemie und der Geochemie, verbunden sein wird.

H . Meier und E. Ruda, Barnberg Z( w 271

Die Bauprinzipien der polycyclischen Kohlenwasserstoffel) Von E. Clar

Chemisches Institut der Universitat Glasgow

Bald nach dem Erscheinen der KekulLschen Benzol- formel ergab sich eine Schwierigkeit. Die nach dieser Formel zu erwartenden' Isomeren konnten nicht ge- funden werden. Dieselbe Schwierigkeit tritt auf, wenn man an den Benzolkern Ringe anfugt oder annelliert. Danach sollte der Ring 1 einen anderen EinfluB haben als der Ring 2 in Formel I.

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I H m

Solche Veriinderungen bei der Annellierung lassen sich durch Zunahme der Reaktivitiit, genauestens aber durch die Verschiebung der Absorptionsbanden, bestimmen. Diese wird gemessen in vx , welches ein MaB fur die reziproke Kernladung ist. Damit wird also der Abschirmungseffekt der Elektronen bestimmt. Die zu erwartenden Unterschiede zwischen Ring 1 und Ring 2 konnten nicht gefunden werden. Im Gegenteil, wenn man Ringe linear aneinanderfugt, erhalt man ganz gleichmii13ige Spektralverschiebungen und es ent- stehen die bekannten Annellierungsreihen [I].

Man kann die erwiihnten Schwierigkeiten umgehen, indem die Struktur des Benzols zunilchst uberhaupt nicht diskutiert wird und die 6 n-Elektronen durch einen Ring symbolisiert, wie das zuerst von Sir Robert Robinson [ a ] vorgeschlagen worden ist. Man erhalt dann bei Anwendung auf das Anthracen (11) zwei gleiche Annellierungseffekte fur die Ringe 1 und 2 . Setzt man jedoch das aromatische Sextett in einen terminalen Ring in 111, dann ergeben sich wiederum Unterschiede fur die Ringe 1 und 2, die nicht vorhan- den sind. Man muB also zumindest annehmen, daB von dem Sextett 2 n-Elektronen durch die- gesamte Liinge eines Acens hindurchwandern konnen und so jeden Ring in ein Sextett verwandeln und ihm damit aroma- tischen Charakter geben konnen. Diese zwei beweg- lichen Elektronen werden durch einen Pfeil gekenn- zeichnet. Wie dies zu verstehen ist, zeigt die folgende Wanderung des Xextetts durch das Heptacen.

Bei dem Heptacen ge- \ \ \ \ \ \

tischer Charakter wird \ \ \ \

hort z. B. das Sextett 7 Ringen an. Sein aroma-

also dabei sehr verdiinnt, so daB Heptacen ein hochst unbestandiger Kohlenwasserstoff ist, der sich nicht mehr in reinem Zustand dar- stellen la& [3]. In einem Acen mit unendlich vie- len Ringen kann also uberhaupt kein aroma- tischer Charakter mehr sein.

DadieQuantenmecha- nik annimmt, daB alle n-Elektronen sich durch einaromatischesSystem frei bewegenkonnen,ist es von Interesse, zu ver- suchen, einen Kohlenwasserstoff herzustellen, der keine Keku1e'-Struktur, aber eine paarige Anzahl von Kohlenstoff- und Wasserstoffatomen und n-Elek- tronen hat. Ein solcher ist das Triangulen C,,H,, (IV) 141. Formuliert man es in der klassischen Weise, so mu13 es ein Diradikal nach Formel IV sein. Es ist auch denkbar, daB es einen polyenischen Rahmen enthfllt, der vier n-Elektronen einschlieot, die sich auf Molekularbahnen bewegen konnten (IVa). Dies sollte um so mehr zu erwarten sein, als der Kohlen- wasserstoff Methylencyclopropan (V) bekannt und be- stilndig ist [ 5 ] . In den erwiihnten Rahmen einge- schlossen sollte es noch bestiindiger sein.

Hydroderivate des Triangulens konnen jedoch selbst unter den sorgfaltigsten Bedingungen, die die Darstel-

1) Plennrvortrag, gehalton nuf drr Ohemiodozonten-Tngnn~ in MrrRcburg &m 23. Juni 1961. H P