View
0
Download
0
Category
Preview:
Citation preview
Analyse zum IEA –
World Energy Outlook 2014
15.01.2015
Erstellt von
Mag. Georg Günsberg
Dr. Steffen Bukold
DI Andreas Veigl
im Auftrag von
Bundesministerium für Land- und
Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
Abt. I/2: Energie- und Wirtschaftspolitik
1
2
Inhaltsverzeichnis
1. Inhalt und Ziele des Vorhabens .......................................................................................................... 3
2. Bedeutung des World Energy Outlook 2014 ...................................................................................... 4
3. Klimaschutz: Auf dem Weg zu einem globalen 3,6 °C Temperaturanstieg ........................................ 6
4. Subventionen für fossile Energie: Weltweit 548 Milliarden USD – nach wie vor unterschätzt. ........ 8
5. CO2-Preise: Funktionsfähige Bepreisungssysteme sind notwendig ................................................. 12
6. Ölmarktentwicklung: Der Schieferölboom versiegt schon im kommenden Jahrzehnt. ................... 14
7. Steigende Energiepreise: kein Grund zur Entwarnung ..................................................................... 16
8. Preisdisparität: Die Kluft zwischen den Energiepreisen in Europa und den USA wird geringer. ..... 18
9. Europas Energiesicherheit: Risiken der fossilen Energieversorgung bleiben hoch. ......................... 20
10. Keine „Renaissance“ der Kernenergie – Rückbau und Endlagerung als relevante Risiko- und
Kostenfaktoren ................................................................................................................................. 22
11. Erneuerbare Energie im Vormarsch ................................................................................................. 24
12. Schlüsselfaktor Energieeffizienz – Perspektiven für energieintensive Industrien ............................ 28
13. Resümee ........................................................................................................................................... 30
3
1. Inhalt und Ziele des Vorhabens
Der World Energy Outlook (WEO)1 der Internationalen Energieagentur (IEA) ist eine der wichtigsten
internationalen Fachpublikationen zur globalen Energieversorgung. Die jährlich Mitte November
stattfindende Präsentation (12. November 2014 in London) ist Anlass für weitreichende internationale
Berichterstattung und politische Einschätzungen zu zentralen Fragen der Energiepolitik. Der Bericht bietet
eine Vielfalt an Informationen, Analysen und Szenarien und ist aufgrund des für Industriestaaten
behördlichen Charakters der IEA eine in dieser Form einzigartige Orientierungshilfe für Energiepolitiker
in aller Welt. Wichtig ist jedoch auch, dass zwischen dem Bericht selbst und der „Presentation to Press“
teils markante Unterschiede festzustellen sind. So sind einige Folien, Daten und Botschaften der
Pressekonferenz nicht unmittelbar im 726 Seiten starken Bericht enthalten. Insbesondere in den
vergangenen Jahren wurde die Präsentation des WEO von Interessensvertretern genutzt, um spezifische
Themen auf die internationale Medien-Agenda zu bringen. Vor zwei Jahren wurde etwa der US-Boom bei
der Gewinnung von Schiefergas (und Schieferöl) als möglicher Weg für Europa propagiert; im vergangenen
Jahr wurde der Frage einer möglichen De-Industrialisierung Europas durch höhere Energiepreise spezifische
Aufmerksamkeit geschenkt. Wie schon in den vergangenen beiden Jahren, wurde auch 2014 der World
Energy Outlook von IEA-Chefökonom Fatih Birol einen Tag nach der Präsentation in London in Wien
vorgestellt. Die Präsentation in Wien fand zum mittlerweile dritten Mal in Folge auf Einladung der OMV in
der Wiener Hofburg statt.
Ziel des gegenständlichen Dossiers ist die Analyse des IEA-World Energy Outlook 2014 vor dem Hintergrund
der österreichischen und europäischen Klima- und Energiepolitik. Es sollen stichhaltig und fachlich
untermauert die wichtigsten Argumente zu ausgewählten Bereichen des World Energy Outlook dargestellt
werden. Dabei soll mitunter auf Fragestellungen eingegangen werden, die in der aktuellen medialen
Diskussion beleuchtet werden bzw. in den kommenden Monaten mit Bezug zum WEO 2014 Teil der
politischen und medialen Auseinandersetzung sein könnten. Inhaltlich spielen dabei insbesondere folgende
Aspekte eine Rolle:
Klimaschutz,
die Entwicklung und Bedeutung der Energiepreise für den Wirtschafts- und Industriestandort,
fossile Subventionen und die Vergleichbarkeit mit Beihilfen für erneuerbare Energie,
Fragen der Versorgungssicherheit,
die Entwicklung der einzelnen Energieträger, insbesondere der erneuerbaren Energie sowie dem
WEO 2014-Schwerpunktthema Kernenergie,
aktuelle Entwicklungen rund um die nicht-konventionelle Förderung von Öl und Gas,
sowie generell der Verfügbarkeit von fossiler Energie.
Das Argumentationspapier wird sich auf den World Energy Outlook selbst bzw. die Presse-Unterlagen der
IEA, bestehende Studien und Untersuchungen stützen, hat selbst jedoch keinen Studiencharakter. Die
inhaltliche Erarbeitung erfolgt durch Mag. Georg Günsberg (Günsberg Politik- und Strategieberatung),
gemeinsam mit DI Andreas Veigl und dem international tätigen Energieexperten Dr. Steffen Bukold
(EnergyComment Hamburg).
1 Zu finden unter www.worldenergyoutlook.com
4
2. Bedeutung des World Energy Outlook 2014
Am 12. November erschien der alljährliche World Energy Outlook (WEO) der Internationalen Energieagentur
(IEA). Mit seinen über 700 Seiten ist er der Hauptbericht der IEA. Er präsentiert eine Analyse der Lage und
der Perspektiven aller Energieträger und zahlreicher energiepolitischer Fragen. Hinzu kommen jährlich
wechselnde Schwerpunktthemen, so in diesem Jahr die Kernenergie und die Energieversorgung Afrikas.
Der WEO wird gerne als „Bibel der westlichen Energiepolitik“ bezeichnet. Dem eigenen Anspruch nach
enthält er nur Daten und zeigt Szenarien auf, aber in der Wahrnehmung der Medien und der Politik liefert
er eine Vielzahl von Prognosen und Empfehlungen. Die zentrale Stellung der Szenarien im WEO-Bericht und
die plausible Annahme, dass die IEA kein Hauptszenario hervorheben würde, welches sie selbst für
unrealistisch hält, führen dazu, dass die Daten wie Prognosen interpretiert und zur Grundlage
energiepolitischer Planungen und von Investitionsentscheidungen gemacht werden. Die jeweils im
Sommer/Herbst erscheinenden Medium-Term Market Reports beschränken sich hingegen in getrennten
Berichten auf einzelne Energieträger wie Kohle, Öl, Erneuerbare oder Gas, sowie seit kurzem auch das
Thema Energieeffizienz. Sie richten sich stärker als der WEO an ein Branchenpublikum. Der monatlich
publizierte Oil Market Report wiederum behandelt nur den Ölmarkt. Insofern ist der WEO der einzige
umfassende Energiebericht der IEA. Auch der zeitliche Horizont der Berichte unterscheidet sich: Der WEO
soll die langfristige Perspektive bis 2040 erfassen, die Medium-Term Reports decken fünf Jahre ab, der
Monatsbericht nur einige Quartale.
Der Bericht ist bei aller Objektivität auch ein Spiegel seiner Zeit. Im letzten Jahrzehnt wurde zu lange an der
damals vorherrschenden These einer schier endlosen Verfügbarkeit billiger fossiler Energie festgehalten. Die
IEA galt daher bei kritischen Energieexperten als Sprachrohr der Öl- und Gasindustrie. Der Preisanstieg beim
Öl ab 2006 brachte die IEA dann in der Tat in Erklärungsnöte. Heute ist es nahezu umgekehrt: Während sich
viele Experten von der Schieferöl- und Schiefergasrevolution sowie von den fallenden Öl-, Gas- und
Kohlepreisen beeindruckt zeigen, hält die IEA die mahnende Fahne hoch: Die Risiken der Energieversorgung,
so auch der aktuelle Bericht, seien nach wie vor hoch, Peak Oil – das globale Ölfördermaximum – komme
zumindest außerhalb der OPEC schon in wenigen Jahren, und die Preise würden unaufhaltsam zulegen. Der
Schieferölboom würde laut WEO 2014 schon im nächsten Jahrzehnt abflauen, der US-Schiefergasboom sei
Ende der 2030er vorbei. Dies ist insofern bemerkenswert, als noch vor zwei Jahren der US-Schiefergasboom
bei der WEO2012-Präsentation als die große Energierevolution propagiert wurde.
Auch in diesem Jahr werden im WEO mehrere Szenarien präsentiert:
1. Ein „Laissez-Faire“-Szenario („Current Policies Scenario“, CPS), das davon ausgeht, dass keine neuen
politischen Maßnahmen zum Klimaschutz bzw. zur beschleunigten Erhöhung der Energieeffizienz
ergriffen werden.
2. Das Hauptszenario („New Policies Scenario“, NPS), welches davon ausgeht , dass die Politik
diejenigen Programme in die Tat umsetzt, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt bereits beschlossen
oder auch nur angekündigt worden sind. Dazu gehören u.a. gut funktionierende CO2-Märkte und
die völlige Abschaffung von Subventionen für fossile Energie in Importländern. Die Autoren lassen
trotz dieser anspruchsvollen Erwartungen zwischen den Zeilen keinen Zweifel daran, dass dieses
Szenario ihr „Best Guess“ ist.
3. Ein normatives Szenario („450 Scenario“) – das Klimaschutz-Szenario – mit einer Zielvorgabe,
nämlich der Begrenzung der Erderwärmung auf 2 Grad Celsius. Das entspräche nach den
Untersuchungen des IPCC maximal 450 ppm CO2 in der Atmosphäre.
5
Die Hervorhebung des „New Policies Scenario“ (NPS) als Hauptszenario konnte bis 2012 mit der allgemein
vorherrschenden energiepolitischen Stimmung gerechtfertigt werden. Aber spätestens seit dem letzten Jahr
erscheint diese Wahl fraglich: Die faktische Entwicklung der Energiemärkte zeigt, dass das „Current Policies
Scenario“ (CPS) im Moment realistischer ist. Insbesondere ist nicht absehbar, ob oder wann die den
Szenarien auf unterschiedlichem Niveau zugrunde liegenden CO2-Preise nennenswert steigen werden.
6
3. Klimaschutz: Auf dem Weg zu einem globalen 3,6 °C Temperaturanstieg
Kernaussagen des WEO 2014
2040 wird die Energieversorgung der Welt laut „New Policies Szenario“ des World Energy Outlook 2014 aus
vier etwa gleich großen Teilen bestehen: Öl, Gas, Kohle und kohlenstoffarme Quellen.
Politikentscheidungen und Marktentwicklungen, die bis 2040 den Anteil fossiler Brennstoffe am
Primärenergieverbrauch auf lediglich unter drei Viertel drücken, werden nicht ausreichen, um den Anstieg
der energiebedingten CO2-Emissionen einzudämmen, die bis dahin um ein Fünftel steigen werden.
Abbildung 1: Energieträgeranteile 2040 nach WEO-NPS. Quelle: WEO 2014
Der Weltklimarat IPCC führt in seinem 5. Sachstandsbericht aus, dass, um den Temperaturanstieg auf 2 °C
zu begrenzen, weltweit ab 2014 nicht mehr als etwa 1000 Gigatonnen CO2 emittiert werden dürfen. Im
Hauptszenario des WEO 2014 wird diese Gesamtreserve (Carbon Budget) bis 2040 aufgebraucht sein. Die
Dringlichkeit, diesem Trend entgegenzuwirken, ist hoch. Paris 2015 wird laut IEA-Chefökonom Fatih Birol zur
letzten Chance. Im vergangenen Jahr sind die CO2-Emissionen um 2,6% angestiegen, was zum aktuellen
Jahresrekord von 33 Gt CO2 führt.2 Im Jahr davor betrug der Anstieg 1,2%. Kohle trägt als
treibhausintensivster Energieträger zu ca. 44% der CO2-Emissionen bei, Öl zu 36% und Gas zu rund 20%.
2 Anm: Sowohl WEO als auch IPCC sprechen in diesem Zusammenhang von CO2-Emissionen (WEO von
energiebezogenen CO2-Emissionen) und nicht von Gesamttreibhausgas-Emissionen.
Zusammenfassung
Der WEO 2014 ist ein klares Signal an die internationale Staatengemeinschaft, die Treibhausemissionen durch verbindliche Ziele deutlich reduzieren zu müssen.
Das Hauptszenario des WEO geht davon aus, dass im Jahr 2040 der Anteil fossiler Brennstoffe am Primärenergieverbrauch immer noch knapp drei Viertel ausmachen wird. Die jährlichen Treibhausgasemissionen liegen nach diesem Szenario 2040 um rund 20 Prozent höher als 2012. Dies würde zu einem globalen durchschnittlichen Temperaturanstieg von 3,6 °C führen.
Um den Temperaturanstieg auf 2 °C zu begrenzen, dürften laut IPCC weltweit ab 2014 nicht mehr als etwa 1000 Gigatonnen CO2 ausgestoßen werden. Im Hauptszenario wird diese Gesamtreserve (Carbon Budget) bis 2040 aufgebraucht sein.
„We are on a dangerous path. We do need to get a clear direction in Paris next year. This is the last chance in Paris. If we are not able to do that, we may say goodbye to the world we are used to.” (IEA-Chefökonom Fatih Birol bei der Präsentation des WEO 2014 in London, ähnlich in Wien)
7
Der WEO 2014 im Verhältnis zum Fünften Sachstandsbericht des IPCC
Der Weltklimarat IPCC veröffentlichte in den Jahren 2013 und 2014 seinen den Fünften Sachstandsbericht.
Der Bericht besteht aus den Beiträgen der drei IPCC-Arbeitsgruppen und einem Anfang November 2014
veröffentlichten Synthesebericht. Der IPCC-Bericht ist auch wichtiger Bezugspunkt des World Energy
Outlook, da er den dringenden Handlungsbedarf in der Gestaltung der zukünftigen Energieversorgung
unterstreicht. Der Synthesebericht3 macht deutlich, dass die weltweit beobachteten Temperaturen von
Land- und Ozean-Oberflächen einen Anstieg von etwa 0,85 °C zwischen 1880 und 2012 verzeichnen. Im
Zeitraum 1901 bis 2010 ist der mittlere globale Meeresspiegel um etwa 19 cm gestiegen. Seit ca. 1950
wurden Veränderungen vieler extremer Wetter- und Klimaereignisse beobachtet, unter anderem ein
Rückgang von kalten Temperaturextremen, die Zunahme von heißen Temperaturextremen, extrem hohe
Meeresspiegelstände sowie häufigere extreme Niederschläge in einigen Regionen. Die kumulativen CO2-
Emissionen, also die Summe der Emissionen seit Beginn der Industrialisierung, bestimmen weitgehend die
mittlere globale Erwärmung der Erdoberfläche bis ins späte 21. Jahrhundert und darüber hinaus. Um diese
mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 66% auf weniger als 2 °C zu begrenzen, ist es notwendig, die
kumulativen CO2-Emissionen seit 1870 auf etwa 2900 Gt CO2 zu begrenzen. Etwa zwei Drittel davon sind bis
zum Jahr 2011 bereits emittiert worden. Das bedeutet, dass nur noch ca. 1000 Gt CO2 übrig sind. Dabei ist
berücksichtigt, dass auch andere Treibhausgase zum Klimawandel beitragen. Das „New Policies Szenario“
macht deutlich, dass dieser Zielpfad ohne massives Gegensteuern deutlich verfehlt wird:
Abbildung 2: Energiebezogene CO2-Emissionen nach Energieträgern und kumuliert bis 2040 (NPS). Quelle: WEO 2014
Abbildung 3: Carbon Budget bis 2034 und jährliche „Low carbon“-Investitionen (real) Quelle: WEO Pressefolien
Um auf dem 2 °C-Zielpfad zu bleiben, ist laut WEO 2014 eine Vervierfachung der Investitionen in saubere
Technologien (worunter die IEA auch Carbon Capture Storage/CCS und Kernenergie zählt) notwendig. Es
brauche seitens der Politik ein klares Signal an Investoren. Ein Sonderbericht der IEA zur Klimarelevanz des
Energiesystems wird Mitte 2015 veröffentlicht werden.
3 Siehe Kernbotschaften des Berichts hrsg. von der Deutschen IPCC-Koordinierungsstelle (De-IPCC):
http://www.de-ipcc.de/_media/141102_Kernbotschaften_IPCC_SYR.pdf (Zugriff 19.11.2014)
8
4. Subventionen für fossile Energie: Weltweit 548 Milliarden USD – nach wie
vor unterschätzt.
Aussagen des WEO 2014
Spätestens seit den Beschlüssen der G20 über eine Reform der Subventionen für fossile Energie im Jahr
2009 kommt diesem Thema hohe Aufmerksamkeit zu. Auch die IEA publiziert jährlich Zahlen zu diesen
Subventionen. Im WEO 2014 macht sie folgende Angaben:
Im Jahr 2013 betrugen die Subventionen für den Konsum fossiler Energieträger 548 Mrd. USD, davon
mehr als die Hälfte für Ölprodukte. Subventionen sind dabei definiert als die Differenz zwischen dem
(internationalen) Marktpreis und dem Konsumentenpreis (siehe Exkurs).
Fast drei Viertel der Subventionen entfielen auf nur zehn Länder, die meisten davon sind wesentliche
Produzenten bzw. Exporteure von Erdöl und Erdgas.
Insgesamt wurden derartige Subventionen in 40 Staaten festgestellt, die mehr als die Hälfte des
globalen Energieverbrauchs abdecken. OECD-Staaten sind davon kaum betroffen.
Die Subventionen binden erhebliche Anteile der Budgets der jeweiligen Staaten, im Schnitt 5% des
jeweiligen BIP. Die Subventionsraten liegen im Schnitt bei 23%, mit Spitzenwerten bis zu 93%
(Venezuela).
Durch die künstlich niedrig gehaltenen Preise für fossile Energieträger sind CO2-arme und
energieeffiziente Technologien in diesen Staaten nicht konkurrenzfähig.
Insgesamt erhöhen diese Subventionen die THG-Emissionen: Schätzungen, etwa der OECD (Burniaux und
Chateau 2011, basierend auf dem Referenz-Szenario des WEO 2010)4, gehen davon aus, dass 2050 die
globalen THG-Emissionen ohne diese öffentliche Unterstützungen um 10% niedriger liegen würden. Weil
durch einen Subventionsabbau jedoch die Nachfrage nach fossilen Energieträgern sinken und Kohle – der
am wenigsten subventionierte fossile Energieträger – dadurch Preisvorteile erhalten würde, käme es
allerdings auch zu Rebound-Effekten, wenn der Abbau nicht von wirkungsvollen Klimaschutz-Policies
begleitet würde (Schwanitz et al. 2014)5.
Zu den Angaben der IEA muss klar festgestellt werden, dass sie nur einen Teil der weltweit wirksamen
Subventionen für fossile Energieträger abbilden:
4 Burniaux, J. and J. Chateau (2011), Mitigation Potential of Removing Fossil Fuel Subsidies: A General Equilibrium
Assessment, OECD Economics Department Working Papers, No. 853, OECD Publishing. 5 Schwanitz, V.J. et al. (2014), Long-term climate policy implications of phasing out fossil fuel subsidies. Energy
Policy, 67, 882-894.
Zusammenfassung
Der WEO 2014 kritisiert zum wiederholten Mal deutlich die hohen Subventionen für die Nutzung fossiler Energie. (Definition siehe Exkurs)
Im Jahr 2013 betrugen die Subventionen für den Konsum fossiler Energieträger 548 Mrd. USD, davon mehr als die Hälfte für Ölprodukte. Fast drei Viertel der Subventionen entfielen auf nur zehn Länder, die meisten davon sind wesentliche Produzenten bzw. Exporteure von Erdöl und Erdgas. Diese Subventionen liegen überwiegend in Nicht-OECD-Staaten.
Die Schätzungen der IEA umfassen jedoch lediglich den Konsum, also die Subventionen für den Verbrauch fossiler Endenergieträger und fossiler Brennstoffe in Kraftwerken. Subventionen für die Produktion der Energieträger (Exploration, Förderung, …) werden nicht berücksichtigt.
„… I give you money to pollute the world and use energy inefficiently.” (IEA-Chefökonom Fatih Birol bei der Präsentation des WEO 2014 in London, ähnlich in Wien)
9
Die Schätzungen der IEA umfassen lediglich die Konsumentenseite, also Subventionen für die
Verbraucherpreise fossiler Endenergieträger und fossiler Brennstoffe in Kraftwerken.
Subventionen für die Produktion der Energieträger (Exploration, Förderung, …) werden nicht
berücksichtigt.
Damit bleiben Subventionen in OECD-Staaten deutlich unterbelichtet, da hier deutlich niedrigere
Subventionen auf der Konsumentenseite auftreten.
Zu relativieren ist auch die Aussage der IEA, die Subventionen für fossile Energie seien viermal so
hoch wie jene für erneuerbare. Einerseits sind die Subventionen für fossile nur unvollständig erfasst.
Andererseits werden durch diesen Vergleich Subventionen für Produzenten (erneuerbare) solchen
für Konsumenten (fossile) gegenübergestellt.
Andere Schätzungen
Derzeit existieren keine Untersuchungen, die global ein konsistentes Bild all dieser Subventionen zeigen; die
vorliegenden Daten beziehen sich entweder auf ein spezielles Segment der Subventionen, einen geografisch
eingeschränkten Bereich oder sie können methodisch nicht die Gesamtheit bestehender Subventionen
erfassen. Wesentliche Quellen für primäre Daten sind neben der IEA die folgenden Publikationen (zu den
methodischen Ansätzen siehe den Exkurs):
Price-Gap-Schätzungen des IMF: Der International Monetary Fund (IMF) schätzt die Subventionen
für Erdölprodukte, Erdgas, Kohle und elektrische Energie im Jahr 2011 weltweit auf 480 Mrd. USD6
(Clements et al. 2013).7 Dieser Wert ist sowohl bezüglich der Höhe als auch durch die verwendete
Schätzmethode mit den Angaben der IEA vergleichbar. Die externen Kosten der fossilen
Energienutzung sind in den Preisen jedoch nur ungenügend abgebildet, was einer indirekten
Subvention gleichkommt.8 Diese wird vom IMF für 2011 mit 1900 Mrd. USD abgeschätzt, 40%
davon in den hoch entwickelten Staaten.
Inventar von Subventionen der OECD: In den 34 OECD-Staaten wurden fossile Energieträger in den
Jahren 2005 bis 2009 durch Subventionen und Steuererleichterungen jährlich mit Beträgen
zwischen 55 und 90 Mrd. USD unterstützt.9 70 bis 80% davon gehen an die Konsumenten, rd. 20%
an die Produzenten, der kleine Rest firmiert unter „general service support“. Für die EU-27 lässt
sich insgesamt ein Wert von rd. 23 Mrd. EUR für das Jahr 2011 abschätzen, davon über 390 Mio.
EUR in Österreich.10
Analysen der GSI: Die Global Subsidies Initiative (GSI) widmet sich verstärkt auch den – wesentlich
intransparenteren und damit schwerer zu erhebenden – Subventionen der Energieproduktion.
Schätzungen aus dem Jahr 2009 gehen von weltweit mind. 100 Mrd. USD pro Jahr aus.11 Von GSI
liegen zusätzlich zahlreiche neuere detaillierte Studien zu einzelnen Ländern und Sektoren vor.
Schätzungen von ODI und OCI: Im November 2014 veröffentlichten ODI (The Overseas
Development Institute) und OCI (Oil Change International) Zahlen zu öffentlichen Subventionen der
Exploration fossiler Energieträger, einem bislang nicht explizit quantifizierten Bereich. Diese
Subventionen werden für die G20-Staaten auf 88 Mrd. USD pro Jahr geschätzt, davon 49 Mrd. USD
aus Investitionen staatlicher Unternehmen, 23 Mrd. USD durch direkte Subventionen und
Steuererleichterungen sowie 16 Mrd. USD aus der öffentlichen Finanzierung von Banken und
6 Dieser Wert stellt in der Diktion des IMF sog. „pre-tax subsidies“ dar.
7 Clements, B. et al. (2013), Fuel Subsidy reform: Lessons and Implications, International Monetary Fund,
Washington DC. 8
Der IMF spricht von „post tax subsidies“. Sie entsprechen dem Wert, um den die Steuern erhöht werden müssten, um die externen Kosten fossiler Energienutzung zu internalisieren (effiziente Besteuerung). 9 OECD (2013), Inventory of Estimated Budgetary Support and Tax Expenditures for Fossil Fuels, OECD Publishing.
10 Dieser Wert ist als Mindestwert zu sehen. Der Förderungsbericht der Bundesregierung geht bei den Steuermindereinnahmen allein durch die Energieabgabenvergütung 2011 von einem Gesamtvolumen in der Höhe von 550 Millionen Euro aus (BMF (2014) , Förderungsbericht 2013 Bericht der Bundesregierung gemäß § 47 Abs. 3 BHG 2013 11
GSI (2014), Comparison of Fossil-Fuel Subsidy and Support Estimates, IISD/GSI, Geneva.
10
anderen Finanzinstitutionen (ODI 2014)12. Zum Vergleich: Die Top-20 der privaten Erdöl- und
Erdgasunternehmen investierten im Jahr 2013 37 Mrd. USD in die Exploration.
Subventionen im EU-Energiesektor: Im Auftrag der EU-Kommission wurde ein Inventar von
Energiesubventionen in der EU-28 mit dem Ziel erstellt, die Interventionen in die Energiemärkte
vollständig zu erfassen und zu quantifizieren (Ecofys 2014).13 Nach Energieträgern aufgeschlüsselt
werden Subventionen über die gesamte Wertschöpfungskette dargestellt (R&D, Energieproduktion
[Investition, Erzeugung, Haftungsübernahmen, Stilllegung, Lagerung radioaktiver Abfälle],
Energieverbrauch, Energieeinsparungen) und die Wirkung historischer Subventionen abgeschätzt
(siehe Abbildung):
2012 lagen die Energiesubventionen der EU-28 bei 99 Mrd. EUR, rd. zwei Drittel davon
entfielen auf die Erzeugungs-, ein Drittel auf die Verbrauchsseite.
Zusätzlich wurde der Energiesektor durch die kostenlose Allokation von Emissionszertifikaten
mit knapp 14 Mrd. EUR subventioniert. Historische Subventionen des Energiesektors (vor
2008) wurden 2012 im Ausmaß von rd. 9 Mrd. EUR wirksam.14
Von den Subventionen auf der Erzeugungsseite entfielen knapp zwei Drittel auf erneuerbare
Energien, ein Viertel auf fossile Energien und rd. 10% auf Nuklearenergie.15
Abbildung 4: Subventionen im Energiesektor der EU-28. Quelle: Eigene Darstellung auf Datenbasis Ecofys (2014)
12
ODI and OCI (2014), The fossil fuel bailout: G20 subsidies for oil, gas and coal exploration, London. 13
Ecofys (2014), Subsidies and costs of EU energy - An interim report, Ecofys 2014 by order of European Commission. 14
Mittelwert; die Schätzungen reichen von 3 bis 15 Mrd. EUR und beziehen sich auf direkte Subventionen (vor der Liberalisierung) von im Wesentlichen Kohle-, Wasser- und Atomkraftwerken, die 2012 noch nicht abgeschrieben waren. Nicht enthalten sind historische Subventionen für Energieforschung, der Kohleförderung 15
Zum Vergleich: In einem 2013 geleakten Berichtsentwurf der EU-Kommission wurden die Unterstützungsmittel für die Stromproduktion in der Union mit weit über 60 Mrd. EUR angegeben, davon 26 Mrd. EUR für fossile und 30 Mrd. EUR für erneuerbare Stromerzeugung. Die Brisanz der Tatsache derart hoher Subventionen für fossile Energien ist auch daran erkennbar, dass diese Zahlen vor ihrer Veröffentlichung aus dem Bericht gestrichen wurden. (Quelle: Süddeutsche Zeitung, 14.10.2013)
11
EXKURS: Subventionen im Energiebereich
Definitionen Der Begriff der Subvention („subsidy“) ist weltweit nicht einheitlich definiert (siehe Definitionen lt. WEO 2014, S. 315f.):
Für die IEA bestehen Subventionen in jeglicher Maßnahme der öffentlichen Hand, die entweder die Kosten der Energieproduktion senkt, die Preise für die Energieproduzenten erhöht oder für die Energiekonsumenten senkt.
Die OECD definiert Subventionen allgemein als jede Maßnahme, die Preise für Konsumenten unter bzw. für Produzenten über dem Marktniveau hält oder die Kosten für Konsumenten oder Produzenten reduziert. Die IEA-Definition geht damit konform.
Die WTO hat die am weitesten gefasste Definition (WTO 2014)16: Die Definition enthält drei grundlegende Elemente: (i) einen finanziellen Beitrag (ii) von einer Regierung oder einer öffentlichen Einrichtung im Hoheitsgebiet eines Mitglieds, (iii) die einen Vorteil verleiht. Analysen der Global Subsidy Initiative (GIS) richten sich nach dieser Definition.
Weitere Definitionen wurden von IWF, der UNO und der EU entwickelt.
Quantifizierung Grundsätzlich bieten sich zwei Methoden für die Quantifizierung an:
„Price-Gap approach“: Ein Price-Gap ist die Differenz zwischen dem durchschnittlichen Konsumentenpreis für einen bestimmten Energieträger in einem bestimmten Sektor und einem Referenzpreis. Dieser korrespondiert mit den Vollkosten der Versorgung oder, falls angebracht, dem internationalen Marktpreis, zuzüglich der Kosten des Transports und der Verteilung sowie der Mehrwertsteuer. Dieser Ansatz wird von der IEA und dem IMF angewendet.
„Transfer approach“: Es wird ein Inventar von Subventionen erstellt, die entweder durch direkte Förderungen oder durch Steuererleichterungen die Produktion oder den Konsum fossiler Energie unterstützen. Die Angaben der OECD und der Global Subsidies Initiative (GSI) verfolgen diesen Ansatz. Auch die Ecofys-Studie zu den Subventionen in der EU verwendet einen derartigen Zugang.
Während es der Price-Gap-Approach nicht notwendig macht, ein aufwendiges Inventar aller Subventionen zu erstellen, hat er den gravierenden Nachteil, dass er bei weitem nicht alle Subventionen erfasst. So können bspw. Subventionen, die auf die internationalen Marktpreise selbst wirken oder die nicht direkt eine Reduktion der Konsumentenpreise bewirken, prinzipiell nur ungenügend erfasst werden. Das ist insbesondere für die OECD-Staaten relevant, da hier, wie im WEO 2014 gezeigt, kaum direkte Subventionen vorliegen. Indirekte Subventionen (bspw. für R&D, staatliche Beihilfen für Kohleförderung etc.) werden jedoch nicht erfasst, die Subventionen insgesamt damit krass unterschätzt (vgl. Kopolow 2009)17. Folgende Abbildung zeigt eine Gegenüberstellung der systematischen Ansätze von IEA, OECD und IMF.
Abbildung 5: Vergleich verschiedener Schätzmethoden für Subventionen. Quelle: GSI (2009), S. 2
16
WTO (2014): Subsidies and Countervailing Measures: Overview: Agreement on Subsidies and Countervailing Measures („SCM Agreement”): http://www.wto.org/english/tratop_e/scm_e/subs_e.htm (Zugriff: 1.12.2014) 17
Kopolow 2009: Kopolow D. (2009), Measuring Energy Subsidies Using the Price-Gap Approach: What does it leave out?, IISD.
12
5. CO2-Preise: Funktionsfähige Bepreisungssysteme sind notwendig
Im WEO werden CO2-Preise in der Modellierung als Eingangsgröße angesetzt. Die Annahmen zu ihrer Höhe
und ihrem Anwendungsbereich spiegeln also die Einschätzungen der IEA hinsichtlich der Möglichkeiten und
Notwendigkeiten von Bepreisungssystemen wider. In den Szenarien des WEO 2014 wurden entsprechend
steigende CO2-Preise und eine Ausweitung von Bepreisungssystemen angenommen (siehe Abbildung):
Im „New Policies Scenario“ (Referenzszenario) wird angenommen, dass die CO2-Preise sukzessive
auf (real) 15 bis 37 USD pro Tonne für 2030 und auf 24 bis 50 USD pro Tonne im Jahr 2040 steigen.
Neben den bestehenden Systemen in der EU und Korea werden CO2-Preise in Chile, China und
Südafrika eingeführt.
Im „450 Scenario“ zur Begrenzung des Temperaturanstiegs durch globale Erwärmung auf 2 °C
werden die Preise für 2030 auf 75 bis 100 und für 2040 auf 125 bis 140 USD pro Tonne CO2
angesetzt. Zusätzliche Bepreisungssysteme bestehen ab 2020 in der OECD, China, Russland,
Brasilien und Südafrika.
Abbildung 6: Annahmen für CO2-Preise in den Szenarien des WEO 2014. Quelle: WEO 2014
Aus diesen Annahmen kann abgeleitet werden, dass die IEA von der Notwendigkeit funktionstüchtiger CO2-
Bepreisungssysteme ausgeht, die tatsächlich steuernde Wirkung auf Investitionen entfalten können.
Zusammenfassung
In allen WEO-Szenarien werden sukzessive steigende CO2-Preise angenommen.
Im Referenzszenario steigen sie auf 24 bis 50 USD pro Tonne im Jahr 2040, im „450 Scenario“ auf 125 bis 140 USD pro Tonne CO2.
Die Anwendungsgebiete werden ausgeweitet: Für das „450 Scenario“ wird angenommen, dass neben den OECD-Staaten auch in China, Russland, Brasilien und Südafrika CO2 bepreist wird.
„A reform of the carbon prices and its system will be needed in order to open the way for cleaner energy investments.”(Chefökonom Fatih Birol bei der Präsentation des WEO 2014 in Wien)
13
Die ungenügende Höhe der derzeitigen CO2-Preise in der EU wird insbesondere auch deutlich, wenn die in
den letzten Jahren gestiegene Stromerzeugung aus Kohle in Deutschland betrachtet wird. Berechnungen des
Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zeigen, dass – je nach Wirkungsgrad – CO2-Preise von
mind. 40 EUR pro Tonne notwendig wären, um Kostenvorteile von Gas-Kombi-Kraftwerken gegenüber
Braunkohle-Kraftwerken zu erzielen; für Steinkohle liegt diese Schwelle bei mind. 20 EUR pro Tonne, siehe
Abbildung.
Abbildung 7: Grenzkosten der Erzeugung unter Berücksichtigung unterschiedlicher CO2-Preise.
Quelle: DIW 201418
18 DIW (2014): Kohleverstromung gefährdet Klimaschutzziele: Der Handlungsbedarf ist hoch. DIW Wochenbericht Nr. 26, 2014.
14
6. Ölmarktentwicklung: Der Schieferölboom versiegt schon im kommenden
Jahrzehnt.
Zusammenfassung Analyse WEO2014
Aussagen des WEO 2014
Die Ölnachfrage wird weiter steigen. Für jedes Fass Öl, das in den alten Industrieländern eingespart wird,
werden zwei zusätzliche Barrel in der übrigen Welt verbraucht. Das folgende Schaubild zeigt, dass schon
China und Indien den Rückgang in Europa, den USA und Japan überkompensieren. Aber auch im Rest der
Welt und im internationalen See- und Luftverkehr (Bunkers) steigt der Ölverbrauch.
Abbildung 8: Erwarteter Anstieg der Ölnachfrage nach Regionen in Mio. Barrel pro Tag. Quelle: IEA WEO 2014
Der Wechsel zu alternativen Antrieben im Verkehr und eine höhere Energieeffizienz in allen Branchen sind
entscheidend dafür, dass der Zuwachs im Ölverbrauch relativ moderat ausfällt. Ohne diese beiden Effekte
würde der Ölverbrauch bis 2040 um 53 mb/d19 zunehmen – ein Bedarf, der aus technischen und
geologischen Gründen gar nicht gedeckt werden könnte. Die Trends zugunsten spriteffizienterer Fahrzeuge,
19
mb/d = Millionen Barrel (Fass) pro Tag
Zusammenfassung
Die Ölnachfrage wird laut WEO weiter steigen. Für jedes Fass Öl, das in den alten Industrieländern eingespart wird, werden zwei zusätzliche Barrel in der übrigen Welt verbraucht.
Der Höhepunkt der US-Schieferölförderung wird kurz nach dem Jahr 2020 erreicht sein. Das Maximum der Schieferölförderung wird dann voraussichtlich bei 4,5 mb/d (Mio. Fass pro Tag) liegen, was 4-5% des Weltölbedarfs entspricht.
Einen wichtigen Beitrag wird die Bioenergie leisten: Biokraftstoffe entspannen die Versorgungslage bei fossilem Öl. Sie legen von 1,3 mb/d auf 4,6 mb/d zu, liefern also im Jahr 2040 etwa 8% des Kraftstoffbedarfs
Ohne höhere Energieeffizienz und alternative Mobilität werden Engpässe in der Ölversorgung unvermeidlich.
„After 2020 US non-conventional oil will go down”. (Chefökonom Fatih Birol bei der Präsentation des WEO 2014 in Wien)
15
alternativer Kraftstoffe (Gas, Biokraftstoffe, Elektromobilität) und anderer Mobilitätsformen (Schiene, Bus,
Fahrrad) müssen also beschleunigt werden, um Engpässe in der Ölversorgung zu vermeiden.
Einen wichtigen Beitrag leistet dabei die Bioenergie: Biokraftstoffe entspannen die Versorgungslage bei
fossilem Öl. Sie legen von 1,3 mb/d auf 4,6 mb/d zu, liefern also im Jahr 2040 etwa 8% des
Kraftstoffbedarfs, vor allem dank verpflichtender Beimischquoten.
Die IEA erwartet beim Schieferöl weder technologische Durchbrüche, noch neue Schieferölregionen oder
sprunghafte Verbesserungen in der Produktivität, sodass in den 2020ern die Förderung mangels attraktiver
Bohrplätze so teuer sein wird, dass die Produktion zurückgeht.
Das Maximum der Schieferölförderung wird dann voraussichtlich bei 4,5 mb/d liegen, was 4-5% des
Weltölbedarfs entspricht. Die Abbildung unten zeigt den schwindenden Beitrag der USA zur globalen
Ölversorgung.
Bis 2040 wird nach Ansicht der IEA nur eine Handvoll Länder in der Lage sein, nennenswerte
Schieferölmengen zu produzieren. In den übrigen Regionen fehlen die geeigneten geologischen oder
ökonomischen Voraussetzungen.
Nirgendwo sonst existieren die technischen Voraussetzungen, um den Boom in den US-Schieferölregionen
Bakken oder Eagle Ford zu replizieren. Dort sind 150 bzw. 300 Bohrplattformen mit erfahrenen Crews
gleichzeitig aktiv. Mit Ausnahme von Russland und China verfügen andere Länder insgesamt nur über ein bis
zwei Dutzend dieser Anlagen.
Abbildung 9: Erwarteter Anstieg der Ölnachfrage nach Regionen in Mio. Barrel pro Tag. Quelle: IEA WEO 2014
16
7. Steigende Energiepreise: kein Grund zur Entwarnung
Zusammenfassung Analyse WEO2014
Fossile Energie wird noch in dieser Generation sehr viel teurer werden. Wer rechtzeitig auf erneuerbare
Energien und höhere Energieeffizienz setzt, hat 2040 enorme Kostenvorteile im internationalen
Wettbewerb, minimiert seine Versorgungsrisiken und schützt das Klima. Die IEA erwartet steil steigende
Preise für Rohöl, Erdgas und Steinkohle. Das ist eine Folge der immer höheren Produktionskosten, einer
unablässig steigenden Nachfrage und – bei Öl – einer allmählichen Erschöpfung der Ressourcen in vielen
Förderländern.
In Preisen des jeweiligen Jahres wird sich der Ölpreis und Gaspreis in beiden Szenarien der IEA20 bis 2030
annähernd verdoppeln. Sollten unerwartete Krisen in wichtigen Förderländern auftreten, sind auch weitaus
höhere Preise möglich.
In nominalen Preisen geht die IEA in ihrem Hauptszenario (NPS) von einem Anstieg der Ölpreise von 106 $/b
(2013) auf 244 $/b im Jahr 2040 aus, im Trendszenario (CPS) sogar auf 286 $/b.
Abbildung 10: Entwicklung der Rohölpreise nach NPS und CPS (eigene Darstellung, Datenquelle: IEA WEO 2014)
20
Das „Current Policies Scenario“ ist ein reines Trendszenario. Das „New Policies Scenario“ unterstellt, dass alle energiepolitischen Vorhaben umgesetzt werden und dass die CO2-Preise in wenigen Jahren auf 40-50 $/t steigen.
Zusammenfassung
Fossile Energie wird noch in dieser Generation sprunghaft teurer werden.
Die IEA erwartet steil steigende Preise für Rohöl, Erdgas und Steinkohle. Das ist eine Folge der immer höheren Produktionskosten, einer unablässig steigenden Nachfrage und – bei Öl – einer allmählichen Erschöpfung der Ressourcen in vielen Förderländern.
Die Sicherung der fossilen Energieversorgung wird immer aufwändiger: Etwa 30.000 Mrd. Dollar müssen bis 2040 für die Produktion, den Transport und die Verarbeitung fossiler Energierohstoffe investiert werden, also für Öl, Gas und Kohle. In erneuerbare Energien fließen, selbst wenn alle geplanten Programme umgesetzt werden, lediglich 7.400 Mrd. Dollar.
Wer rechtzeitig auf erneuerbare Energien und höhere Energieeffizienz setzt, hat 2040 enorme Kostenvorteile im internationalen Wettbewerb, minimiert seine Versorgungsrisiken und schützt das Klima.
Quote
17
Die Gaspreise sind wegen der hohen Transport- und Investitionskosten regional sehr unterschiedlich.
Interessanterweise vermutet die IEA, dass die Gaspreise auch in den USA kräftig steigen werden. Selbst
Schiefergas schützt nicht vor steigenden Gaspreisen: Die Ursache ist schlicht, dass die attraktiven Bohrplätze
knapper werden. Die Schiefergaspreise werden in den USA deutlich anziehen: von 3,7 $/MMBtu21 (2013)
auf 8,2 $/MMBtu im Jahr 2040.
In nominalen Preisen werden sich die Gaspreise auch in Europa von 10,6 $/MMBtu (2013) auf 23,5-25,9
$/MMBtu (2040) mehr als verdoppeln.
Abbildung 11: Erdgasimportpreise nach NPS und CPS (eigene Darstellung, Datenquelle: IEA WEO 2014)
Dabei gilt: Die Preisprognosen der IEA sind durchwegs „Schönwetterprognosen“. Sie gelten also nur für
normale Marktentwicklungen. Im Krisenfall könnten die Preise noch deutlich steiler steigen, während sie bei
einer langgezogenen Wirtschaftskrise auch darunter bleiben könnten.
Die Sicherung der fossilen Energieversorgung wird also immer aufwändiger: Etwa 30.000 Mrd. Dollar
müssen bis 2040 für die Produktion, den Transport und die Verarbeitung fossiler Energierohstoffe investiert
werden, also für Öl, Gas und Kohle. In erneuerbare Energien fließen, selbst wenn alle geplanten Programme
umgesetzt werden, lediglich 7.400 Mrd. Dollar.
21
1 MMBtu = 1,05 GJ = 293 kWh
18
8. Preisdisparität: Die Kluft zwischen den Energiepreisen in Europa und den
USA wird geringer.
Zusammenfassung Analyse WEO2014
Im Zuge der Diskussion einer „Deindustrialisierung“ der EU wird vielfach die Höhe der Energiepreise
kritisiert. Insbesondere der Preisabstand zu anderen Regionen, mit denen die europäische Industrie in
Konkurrenz steht, wird dabei angesprochen. Darüber hinaus verschärft dieses Faktum die Gegnerschaft
industrieller Interessensvertreter gegenüber der EU-Klimapolitik – Stichwort „carbon leakage“.
Der WEO 2014 zeichnet zu Preisdifferenzen zwischen den Regionen folgendes Bild:
Die Energiepreise nähern sich – wie bereits im WEO 2013 projiziert – seit dem größten Preisabstand
(etwa im Jahr 2012) einander an.
Die IEA geht in allen Szenarien des WEO 2014 davon aus, dass sich die Preise bis 2040 weiter
annähern werden (siehe Abbildungen). Dabei zeigt der WEO 2014 eine noch stärkere Annäherung
als der WEO 2013, was vor allem auf die Annahme stärker steigender Gaspreise in den USA
zurückgeht.
Diese Annahmen haben Auswirkungen auf die Durchschnittspreise für Endenergie. Siehe Abbildung
14: Im „New Policies Scenario“ liegen die Preise (real/USD 2013) in der EU nach wie vor fast gleichauf
mit Japan deutlich über dem OECD-Schnitt, zeigen aber einen weniger starken Aufwärtstrend als
die Preise in den USA und China.
Insbesondere ist bemerkenswert, dass im „New Policies Scenario“ die Energiepreise in China ab ca.
2030 über jenen in den USA liegen.
Abbildung 12: Annahmen für Erdgaspreise im „New Policies Scenario“. Quelle: IEA WEO 2014
Zusammenfassung
Die IEA geht in allen Szenarien des WEO 2014 davon aus, dass sich die Energiepreise bis 2040 weiter annähern werden. Dabei zeigt der WEO 2014 eine noch stärkere Annäherung als der WEO 2013, was vor allem auf die Annahme stärker steigender Gaspreise in den USA zurückgeht.
Der komparative Energiekostenvorteil der USA bleibt noch für lange Zeit bestehen.
Bemerkenswert ist, dass nach „New Policies Scenario“ die Energiepreise in China ab ca. 2030 über jenen in den USA liegen werden.
19
Abbildung 13: Kohlepreise als Prozentsatz der Erdgaspreise im NPS. Quelle: IEA WEO 2014
Abbildung 14: Gewichteter Durchschnitt der Endenergiepreise einzelner Regionen im NPS. Quelle: IEA WEO 2014
Wesentlich für den Industriestandort sind die Preisdifferenzen für Erdgas, Kohle und elektrische Energie. In
der folgenden Abbildung sind die Preise für die EU, China und die USA für diese Energieträger für 2013 und
für 2040 im „New Policies Scenario“ des WEO 2014 zusammengestellt. Es zeigen sich allgemein
konvergierende Preise. Die Preise in der EU und in China weisen 2040 nur noch geringe Abstände auf; der
Kohleimportpreis liegt in China 2040 über jenem in der EU.22
Abbildung 15: Preise für Erdgas, Kesselkohle und Industriestrom ausgewählter Regionen im NPS in den Jahren
2013 (dunkle Säulen links) und 2040 (helle Säulen rechts). Quelle: Eigene Darstellung. Daten WEO 201423
22
Es kann davon ausgegangen werden, dass in allen Regionen Erdölpreise in praktisch der selben Höhe herrschen. 23
Erdgas: Importpreise (EU, China) bzw. Großhandelspreise (USA). Kesselkohle: Importpreise (EU, chinesische Küstenregion [im chinesischen Inland können die Preise, insbesondere für minennahe Verbraucher, deutlich niedriger sein]) bzw. Durchschnittspreis (USA). Industriestrom: Preise inkl. Steuern.
20
9. Europas Energiesicherheit: Risiken der fossilen Energieversorgung bleiben
hoch.
Zusammenfassung Analyse WEO2014
Die Risiken der fossilen Energieversorgung bleiben hoch. Die IEA warnt vor den Unwägbarkeiten, denen die
globale Energieversorgung ausgesetzt ist, wenn sie auf dem bisherigen Pfad bleibt: „Das globale
Energiesystem läuft Gefahr, Hoffnungen und Erwartungen nicht zu erfüllen.“ Es sei falsch, nur auf die
Märkte, auf Technologie und Effizienz zu setzen. Vielmehr „braucht es unbedingt nachhaltige politische
Bemühungen, um die Energietrends zum Besseren zu wenden.“ (WEO 2014, deutschsprachige
Zusammenfassung)
Insbesondere die Ölversorgung ist nach wie vor gefährdet. Die IEA unterscheidet zwei Phasen: Bis 2025 wird
es den Ländern außerhalb der OPEC gelingen, ihre Produktion bis auf 56 mb/d auszuweiten: Schieferöl aus
den USA, Ölsand aus Kanada, Tiefseeöl aus Brasilien und Russland werden zulegen. Russland wird zumindest
stabile Mengen beisteuern.
Das zusätzliche Angebot von US-Schieferöl kann im Moment noch die Ausfälle im Nahen Osten ausgleichen,
aber in den 2020ern verändert sich die Situation. Die Förderung wird dort schon im nächsten Jahrzehnt
stagnieren und schließlich sinken. Nach 2025 kann der Zuwachs der Nachfrage nur noch durch die OPEC-
Staaten gewährleistet werden, eventuell unterstützt von Kanada mit seiner langsam, aber stetig
expandierenden Ölsandproduktion, und Brasilien, dessen neue Tiefseevorkommen allerdings nur schwer zu
fördern sind. Aber selbst diese Erwartungen sind nach Ansicht der IEA alles andere als gesichert: Die
Investitionen in Brasilien stocken; für Kanada fehlen die Pipelines; der Irak und Libyen gelten als besondere
Risikofaktoren; Russland könnte die Erwartungen des Ölmarkts verfehlen, wenn die Sanktionen längerfristig
weiter bestehen bleiben; Venezuela und Nigeria stecken in schweren innenpolitischen Krisen.
Zusammenfassung
Fallende Ölpreise sind nur ein temporäres Phänomen. Sie sollten nicht „über die Herausforderungen hinwegtäuschen, die vor uns liegen, in Anbetracht einer steigenden Abhängigkeit von einer relativ kleinen Anzahl an Erzeugern.“ (WEO 2014, deutschsprachige Zusammenfassung)
Auch die Gasversorgung steht vor Problemen: Die Nachfrage nach Gas wächst dreimal so schnell wie die nach Öl oder Kohle. Doch in Europa geht die Förderung zurück. Immer mehr muss importiert werden. Selbst beim US-Schiefergasboom ist laut IEA ein Plateau Ende der 2030er in Sicht.
Europa ist deshalb immer mehr auf Erdgasimporte angewiesen: Ohne die Exporte Russlands, Katars, Nigerias oder Algeriens wird die Nachfrage in Europa nicht gedeckt werden können.
21
Abbildung 16: Veränderung der Ölproduktion in mb/d unterschiedlicher Staaten nach NWS. Quelle: WEO 2014
Aber auch die Gasversorgung steht vor Problemen: Die Nachfrage nach Gas wächst dreimal so schnell wie
die nach Öl oder Kohle. Doch in der EU und auch in Norwegen geht die Förderung zurück. An die 90% des
Gasbedarfs müssen dann importiert werden.
Die Krise in der Ukraine, das überraschende Aus für die Großpipelines Nabucco und South Stream sowie
häufige technische Probleme bei LNG-Terminals (Algerien, Nigeria) zeigen, dass auch große Gasressourcen
in den Exportländern nicht vor Versorgungsrisiken schützen.
Ohne den reibungslosen Export aus Russland, Katar, Nigeria und Algerien wird die Nachfrage in Europa nicht
gedeckt werden können. LNG wird verfügbar sein, aber die Preise könnten angesichts der konkurrierenden
Nachfrage in Ostasien rasch über das aktuelle Niveau steigen.
Selbst beim amerikanischen Schiefergasboom ist ein Plateau Ende der 2030er in Sicht, so die IEA. Sollten die
amerikanischen Gaspreise, wie die IEA erwartet, schneller steigen als die europäischen, würde sich der
Export von US-Schiefergas über den Atlantik angesichts der hohen Transportkosten nicht mehr lohnen. Die
viel zitierte „LNG-Flut aus den USA“ könnte dann ausbleiben.
22
10. Keine „Renaissance“ der Kernenergie – Rückbau und Endlagerung als
relevante Risiko- und Kostenfaktoren
Zusammenfassung Analyse WEO2014
Ein Schwerpunktkapitel des WEO 2014 behandelt die Entwicklungen der Kernenergie. Die
Kernkraftkapazität steigt im Hauptszenario weltweit um fast 60%, von 392 GW im Jahre 2013 auf über 620
GW im Jahre 2040. Von der Zunahme der Kernenergie bis 2040 entfallen 45% auf China, weitere 30% teilen
sich Indien, Korea und Russland untereinander auf. Für die USA wird ein 16%-Anstieg erwartet, während
Europa ein Minus von 10% aufweist. Der Anteil der Nuklearenergie an der globalen Stromerzeugung, der
vor fast zwei Jahrzehnten seinen Höhepunkt erreichte, steigt um lediglich einen Prozentpunkt auf 12%.
1996 waren es noch 18%.
Der WEO 2014 führt aus, dass neue AKW in den vergangenen Jahren nahezu ausschließlich in Strommärkten
errichtet wurden, deren Preise geregelt sind oder in denen staatliche Stellen für die Errichtung
verantwortlich sind. In Nicht-OECD-Staaten sind nahezu alle AKW in staatlichem Besitz. In geöffneten
Energiemärkten – siehe Beihilfen-Diskussion zu Hinkley Point – fällt der Zuwachs deutlich niedriger aus.
Die Investitionskosten für ein neues AKW sind deutlich höher als jene aller anderen konkurrierenden
Technologien. Zum Vergleich: Mit 5100 USD/kW würden in Europa die reinen Investitionskosten fünfmal so
hoch sein wie jene für ein GuD-Kraftwerk (1000 USD/kW) und zweieinhalb mal so hoch wie bei einem neuen
Kohlekraftwerk (2300 USD/kW). Der WEO verweist dabei auf regionale Kostenunterschiede, die
insbesondere durch unterschiedlich hohe Finanzierungskosten entstehen.
Dass versucht wird, die Argumente des WEO seitens der Nuklearindustrie auch anders zu deuten, zeigt die
Reaktion der World Nuclear Association auf den WEO. Generaldirektorin Agneta Rising: „The IEA's central
scenario would set us on a path of a dangerous increase in global temperatures. (…) Nuclear is a cost-
effective way of producing reliable low-carbon electricity on a large scale and must form an increasing part
of the world's energy supply if we are to get serious about addressing climate change.”24
24 http://world-nuclear.org/Source/Pages/WNA/Blog.aspx?blogmonth=11&blogday=12&blogyear=2014&blogid=
3701&id=36564&LangType=2057 (12.11.2014)
Zusammenfassung
Die IEA – traditionell positiv zur Kernenergie eingestellt – schreibt der Nuklearenergie zwar nach wie vor eine wichtige Rolle zu, sieht aber dennoch keine echte Renaissance. Ganz im Gegenteil: Die Unsicherheitsfaktoren werden immer größer. Mangelnde Wettbewerbsfähigkeit neuer Anlagen, geringes öffentliches Vertrauen, Abhängigkeit von staatlichen Finanzierungsmechanismen und politische Rahmenbedingungen werden ins Treffen geführt.
Im zentralen Szenario steigt die Kapazität von Atomkraftwerken bis 2040 um 60%, ihr Anteil an der globalen Stromproduktion jedoch nur um einen Prozentpunkt auf 12%.
Der Rückbau von Atomkraftwerken droht zum unkalkulierbaren Kostenrisiko zu werden. Laut WEO 2014 werden bis 2040 fast 200 Reaktoren vom Netz genommen werden (434 befanden sich Ende 2013 in Betrieb). Die große Mehrzahl davon in Europa, den Vereinigten Staaten, Russland und Japan. Die IEA kalkuliert die Kosten des Rückbaus in diesem Zeitraum weltweit mit knapp mehr als 100 Mrd. Dollar. Jedoch wird im WEO 2014 auch auf entsprechende Kalkulationsunsicherheiten verwiesen. Bisherige Erfahrungen lassen auf deutlich höhere Kosten für den Rückbau schließen.
„
23
Kosten für den AKW-Rückbau
Der WEO 2014 thematisiert einige Kostenrisiken der Kernenergie. Der Rückbau alter Atomkraftwerke wird
dabei explizit behandelt. Rund 200 Reaktoren werden laut IEA-Szenario bis 2040 stillgelegt werden. Die
Kosten des Rückbaus würden in diesem Zeitraum weltweit mehr als 100 Mrd. Dollar (USD 2013) ausmachen.
Die Zahl basiert auf der Annahme, dass für den Rückbau rund 15% der Investitionskosten einer neuen
Anlage zu kalkulieren seien. Wegen der geringen Erfahrungswerte bleiben jedoch große Unsicherheiten.
Abbildung 17: Notwendige Gesamtinvestitionen für den AKW-Ausbau nach NPS 2014-2040. Quelle: IEA WEO 2014
Auf Basis eines Vergleichs mit anderen Referenzen kann geschlossen werden, dass die Kostenannahme des
WEO sehr niedrig angesetzt ist:
Rund vier Milliarden Euro kostet bislang alleine der Rückbau des AKW in Greifswald in Deutschland.
Ob die Summe ausreichen wird, ist noch nicht gesichert. Der Rückbau des 1997 stillgelegten AKW
Würgassen hat statt der kalkulierten 500 Mio. letztlich 1,2 Mrd. Euro gekostet.25
Nach Angaben des deutschen Stromkonzerns RWE (Website 5.12.2014)26 „schwanken die Kosten für
den Nachbetrieb und Rückbau eines Kernkraftwerks je nach Größe, Alter und Betriebsstunden der
Anlagen zwischen 500 Mio. und 1 Mrd. Euro.“
Laut einer aktuellen Studie27 des FÖS im Auftrag des BUND bestehen erhebliche Risiken, dass
Folgekosten der Kernenergienutzung von der öffentlichen Hand getragen werden müssen. Das FÖS
schätzt die Kosten der 23 in Deutschland noch rückzubauenden kommerziellen AKW auf rund 48
Mrd. Euro. Die Rückstellungen für einzelne AKW liegen zwischen rund 1500 EUR/kW (KKW Grohnde)
und 2100 EUR/kW (KKW Brunsbüttel). RWE hat Atomrückstellungen von rund 1300 EUR/kW gebildet,
Vattenfall von über 2000 EUR/kW. Umgelegt auf die im WEO 2014 skizzierten 45 GW rückzubauender
AKW in Europa wird deutlich, dass selbst bei konservativer Berechnung die Kalkulation von 100 Mrd.
US-Dollar für den weltweiten Rückbau von 200 AKW deutlich überschritten werden.28
In Großbritannien werden die Kosten für den Rückbau der 19 bestehenden Nuklearanlagen seitens
der UK Nuclear Decommission Authority mit rund 100 Mrd. britischer Pfund angegeben. Ein
maßgeblicher Teil (rund zwei Drittel) wird dabei Sellafield zugerechnet.
Der World Energy Outlook verweist auch auf das nach wie vor ungelöste Problem der Endlagerung. 60 Jahre
nachdem der erste Atomreakor in Betrieb gegangen ist, hat immer noch kein Staat ein Endlager für
nuklearen Abfall kommerzieller AKW etablieren können. 25
http://www.nwzonline.de/wirtschaft/weser-ems/die-grauen-reste-des-atomzeitalters-die-grauen-reste-des-atomzeitalters_a_19,0,2757219192.html (Aussagen EON-Kernkraft Geschäftsführer Ralf Güldner) 26
http://www.rwe.com/web/cms/de/1030464/rwe-power-ag/standorte/rueckbau-von-kernkraftwerken-fragen-antworten/ (5.12.2014) 27
FÖS (2014): Atomrückstellungen für Stilllegung, Rückbau und Entsorgung. Kostenrisiken und Reformvorschläge für eine verursachergerechte Finanzierung. Studie im Auftrag des BUND. 28
Guardian (23.6.2013): „UK's nuclear clean-up programme to cost billions more than expected”, http://www.theguardian.com/environment/2013/jun/23/britain-nuclear-atomic-clean-up-decommissioning
24
11. Erneuerbare Energie im Vormarsch
Zusammenfassung Analyse WEO2014
Aussagen des WEO 2014
Weiter steigende Bedeutung misst der WEO erneuerbaren Energieträgern bei. Im „New Policies Scenario“
wird von folgender Entwicklung ausgegangen:
Der Anteil erneuerbarer Energie am globalen Primärenergieverbrauch nimmt im Zeitraum 2012 bis
2040 von 13% auf 19% zu – in absoluten Zahlen entspricht das beinahe einer Verdoppelung.
In der Stromerzeugung steigt ihr Anteil von 21% auf 33% im Jahr 2040, was beinahe einer
Verdreifachung entspricht. Damit werden erneuerbare Energieträger noch vor Kohle und Erdgas
den größten Beitrag liefern.
Die Investitionen liegen im Zeitraum 2012-2040 kumuliert bei 7800 Mrd. USD, rd. 95% davon gehen
in die Stromerzeugung.
Die Förderungen werden von jährlich 121 Mrd. USD (2013) auf knapp 230 Mrd. USD im Jahr 2030
ansteigen; durch die steigende Wettbewerbsfähigkeit sinken sie in der Folge jedoch auf 205 Mrd.
USD im Jahr 2040.
Historische Einschätzungen
Der Rolle der erneuerbaren Energieträger wurde von der IEA im WEO im Laufe der Zeit erst sehr langsam
Aufmerksamkeit geschenkt. Eine kursorische Analyse der Jahrgänge 1994 bis 2014 des WEO zeigt, dass sich
in den Analysen und Modellen vor 1998 die Beschreibung erneuerbarer Energie auf die Wasserkraft und ein
Aggregat „Geo/Other“ beschränkt. Biomasse wird nicht explizit ausgewiesen, sondern ist im Aggregat
„Solids“ enthalten bzw. überhaupt nicht erfasst (Nicht-OECD-Staaten).
Einen Wendepunkt stellt der WEO 2004 dar: Einerseits wird seither auch die Biomasse in Nicht-OECD-
Staaten systematisch im Modell erfasst, was den Anteil Erneuerbarer am Primärenergieverbrauch
schlagartig von 7 auf 14% verdoppelt. Andererseits wird seither die Stromerzeugung detailliert abgebildet
(Details siehe Exkurs).Die Analyse der Referenzszenarien der WEO-Jahrgänge 1994 bis 2014 zeigt folgendes
Bild29:
29
In der Analyse wird insbesondere auf die Ausgaben 1994 (älteste verfügbare) und seit 2004 (Umstellung und Erweiterung der Darstellung erneuerbarer Energie) eingegangen. Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden die Ergebnisse jedes zweiten Jahrgangs dargestellt.
Zusammenfassung
Der WEO misst den erneuerbaren Energieträgern weiter steigende Bedeutung zu.
In der Stromerzeugung steigt der erneuerbare Anteil von 21% auf 33% im Jahr 2040, was beinahe einer Verdreifachung in absoluten Mengen entspricht. Die Stromerzeugung aus Wind und Photovoltaik wird sich versechsfachen. Damit werden erneuerbare Energieträger noch vor Kohle und Erdgas den größten Beitrag liefern.
Im Vergleich zu vorangegangenen World Energy Outlooks wird der Beitrag von erneuerbaren Energien zur Energieversorgung – sowohl in absoluten Zahlen als auch relativ – über die Zeit als immer größer eingeschätzt. Die Projektionswerte für 2020 wurden zwischen WEO 2004 und WEO 2014 um knapp 50%, jene für 2030 um fast 70% angehoben. Jene für Windkraft wurden um knapp 140% (2020) bzw. über 150% (2030) nach oben gesetzt. Für Photovoltaik haben sich die Projektionen für 2020 verzehnfacht, für 2030 wurden sie um den Faktor sieben erhöht.
Die Förderungen werden von jährlich 121 Mrd. USD (2013) auf knapp 230 Mrd. USD im Jahr
2030 ansteigen; durch die steigende Wettbewerbsfähigkeit sinken sie in der Folge jedoch auf
205 Mrd. USD im Jahr 2040.
25
Der Beitrag von erneuerbaren Energien zur Energieversorgung wird – sowohl in absoluten Zahlen
als auch relativ – über die Zeit als immer größer eingeschätzt.
Erneuerbare Primärenergie: In den letzten zehn Jahren wurde die Projektion für das Jahr 2020 um
knapp 20%, für das Jahr 2030 um knapp 30% angehoben (siehe Abbildung). Durch den großen
„Sockel“ von „traditioneller“ Biomassenutzung in Nicht-OECD-Staaten wird dieser Effekt jedoch
unterschätzt, da die „traditionelle“ (nicht-kommerzielle) eine wesentlich geringere Dynamik
aufweist als die kommerzielle Biomassenutzung.
Noch deutlich größer fallen die Korrekturen im Bereich der Stromerzeugung aus erneuerbaren
Energieträgern aus, vgl. Abbildung 19: Die Projektionswerte für 2020 wurden zwischen WEO 2004
und WEO 2014 um knapp 50 %, jene für 2030 um fast 70 % angehoben.
Insbesondere die Stromerzeugung aus Wind und Photovoltaik hat sich in den letzten zehn Jahren
noch deutlich dynamischer entwickelt, als von der IEA jeweils projiziert (siehe Abbildungen 20 und
21). Die Szenario-Werte für Wind wurden um knapp 140% (2020) bzw. über 150% (2030) nach oben
gesetzt. Für Photovoltaik haben sich die Projektionen für 2020 verzehnfacht, für 2030 wurden sie
um den Faktor sieben erhöht.
Die Projektionen früherer Szenarien für das Jahr 2010 wurden in Realität – teilweise deutlich –
überschritten.
Abbildung 18: Erneuerbare Primärenergie in den Referenz-Szenarien ausgewählter WEO der Jahre 1994 bis 2014.
Quelle: eigene Darstellung (Daten WEO 1994, 2002, 2004, 2006, 2008, 2010, 2012, 2014)
Abbildung 19: Stromerzeugung aus Erneuerbaren in den Referenz-Szenarien ausgewählter WEO der Jahre 1994 bis 2014.
Quelle: eigene Darstellung (Daten WEO 1994, 2004, 2006, 2008, 2010, 2012, 2014)
26
Abbildung 20: Stromerzeugung aus Windkraft in den Referenz-Szenarien ausgewählter WEO der Jahre 1994 bis 2014. Quelle: eigene Darstellung (Daten 2004, 2006, 2008, 2010, 2012, 2014)
Abbildung 21: Stromerzeugung aus Photovoltaik in den Referenz-Szenarien ausgewählter WEO der Jahre 1994 bis 2014. Quelle: eigene Darstellung (Daten 2004, 2006, 2008, 2010, 2012, 2014)
EXKURS: Wesentliche Veränderungen der Behandlung von erneuerbarer Energie in den WEO
Die Darstellung und Modellierung erneuerbarer Energieträger im WEO hat sich in den vergangenen 20
Jahren stark verändert. Zunehmend wurde ihre Erfassung vollständiger und detaillierter. Nachfolgend
sind wesentliche Schritte dokumentiert.
WEO 1998: Die Biomassenutzung in Nicht-OECD-Staaten wird erstmals explizit ausgewiesen,
jedoch nicht in die Szenario-Berechnungen inkludiert. Sie liegen bei rd. 10% des gesamten
globalen Primärenergieverbrauchs. Diese Vorgangsweise wird in den folgenden Ausgaben des
WEO beibehalten.
WEO 2004: Erstmals ist ein dezidierter „Renewable Energy Outlook“ enthalten. Viele
Detaillierungen werden in die folgenden Ausgaben des WEO übernommen.
27
Biomasse wird genauer differenziert: Erstmals wird Biomasse-Nutzung in Nicht-OECD-
Staaten genauer quantifiziert. „Traditional Biomass“, definiert als nicht-kommerzielle
Biomassenutzung in Entwicklungsländern zu Koch- und Heizzwecken, wird in das Aggregat
„Biomass“ integriert.
Der gesamte globale Primärenergieverbrauch steigt damit im Basisjahr 2002 um fast
800 Mtoe. Zum Vergleich: Der Vergleichswert für 1971 steigt gegenüber den Angaben im
WEO 2002 um rd. 10% von rd. 5000 auf rd. 5500 Mtoe.
Die ausgewiesene Nutzung von RES steigt im Basisjahr 2002 damit auf mehr als das Doppelte
(von über 600 auf knapp 1400 Mtoe), der ausgewiesene Anteil am gesamten
Primärenergieverbrauch steigt von 7 auf 14%.
Entsprechend liegen auch die Szenariowerte – verglichen mit jenen aus dem WEO 2002 und
früher – deutlich höher.
Die Stromproduktion wird detaillierter abgebildet: Zusätzlich zu den Energieträgern „Coal“,
„Oil“, „Gas“, „Nuclear“ und „Hydro“ wird das bisher als „Other Renewables“ bezeichnete
Aggregat aufgelöst in „Biomass and waste“, „Wind“, „Geothermal“, „Solar“ und „Tide and
wave“.
WEO 2010: Als neue Technologie zur Stromerzeugung wird ab nun auch „CSP“ (Concentrated
Solar Power) angegeben, „Tide and wave“ in „Marine“ umbenannt.
Erneuerbare und das 2 °C-Ziel
Das Referenzszenario („New Policies Scenario“) des WEO 2014 impliziert eine Erhöhung der globalen
Durchschnittstemperatur von 3,6 °C. Zusätzlich wird ein „450 Scenario“ entwickelt, das eine Stabilisierung
der THG-Konzentration bei 450 ppm und damit eine 50%-Wahrscheinlichkeit der Beschränkung der
Temperaturerhöhung auf 2 °C gegenüber vorindustriellem Niveau ergibt. Die Analyse zeigt, dass die
Nutzung erneuerbarer Energie im „450 Scenario“ 2030 um knapp 20% und 2040 um 35% über dem
Referenzszenario liegen würden.
Diesen beiden Szenarien wird nun das „2DS“-Szenario der „Energy Technology Perspectives 2014“ der IEA
gegenübergestellt, das ebenfalls von der Einhaltung der 2 °C-Schwelle ausgeht. Es zeigt sich, dass die
Entwicklung erneuerbarer Energie im „2DS“-Szenario noch deutlich über diese Werte hinausgeht. Das lässt
die Einschätzung zu, dass auch in der IEA – zumindest teilweise – das Potenzial erneuerbarer Energien noch
deutlich höher eingeschätzt wird als im WEO publiziert.
Abbildung 22: Erneuerbare Primärenergie in drei Szenarien der IEA aus 2014. Quelle: Eigene Darstellung, Daten: WEO 2014
28
12. Schlüsselfaktor Energieeffizienz – Perspektiven für energieintensive
Industrien
Energieeffizienz wird im World Energy Outlook seit einigen Jahren adressiert, jedoch in der Öffentlichkeit
kaum wahrgenommen. Sie ist für die IEA ein wesentlicher Schlüssel für das Energiesystem der Zukunft.
Ein wesentlicher Aspekt ist der Zusammenhang zwischen Energienachfrage und wirtschaftlicher
Entwicklung. Hier ist in den USA und der Europäischen Union seit 2008 eine erste Trendwende zu erkennen.
In Afrika, China und Indien ist immer noch eine klare Korrelation deutlich: Das Wirtschaftswachstum geht
weiterhin Hand in Hand mit dem Anstieg des Primärenergieverbrauchs. In China hat sich die
Energienachfrage durch den überproportionalen Anstieg energieintensiver Produktion in den vergangenen
15 Jahren sogar beschleunigt. Die EU, Japan und die USA haben hingegen Energienachfrage und BIP
zumindest teilweise entkoppelt. In den USA fällt der Verbrauch sogar trotz weiter wachsender Wirtschaft,
siehe die folgende Abbildung.
Abbildung 23: Trajektorien der Energieintensität. Quelle: World Energy Outlook 2014
Zusammenfassung
Während in China, Indien und Afrika Wirtschaftswachstum und Primärenergieverbrauch korrelieren, haben sich in der EU, Japan und den USA Energienachfrage und BIP zumindest teilweise entkoppelt.
Energieeffizienzmaßnahmen wird im „New Policy Scenario“ des WEO 2014 rund die Hälfte der kumulativen CO2-Einsparungen zugeschrieben. Die projizierte Reduktion wird zu 37% dem Gebäudebereich, zu 32% dem Transportsektor und zu 28% der Industrie zugerechnet.
Energieeffizienz führt in der EU zur Reduktion der Energieimportkosten um ca. ein Drittel. Der Einspareffekt wird mit ungefähr 250 Milliarden Euro jährlich kalkuliert.
Energieeffizienz ist ein relevanter Wettbewerbsfaktor – auch für die energieintensive Industrie. Laut WEO 2014 können die EU-Staaten bei vollständiger Umsetzung des Energieeffizienzpotenzials den Energiekosten-Unterschied zu den USA um 10 bis 35% reduzieren.
29
Treibhausrelevanz und Reduktion der Energieimportkosten
Energieeffizienzmaßnahmen wird im „New Policy Scenario“ des WEO 2014 rund die Hälfte der kumulativen
CO2-Einsparungen zugeschrieben. Die projizierte Reduktion wird zu 37% dem Gebäudebereich, zu 32% dem
Transportsektor und zu 28% der Industrie zugerechnet. Eine Reihe von entsprechenden Effizienz-
Programmen befindet sich in vielen Staaten in Umsetzung. (Neben Europa seien an dieser Stelle auch
China, die USA, Indien oder Japan hervorgehoben.) Der Transportsektor nimmt dabei eine besondere Rolle
ein. Drei Viertel der weltweit verkauften Autos müssen Effizienznormen einhalten. Dies hat eine stark
dämpfende Wirkung auf den Ölverbrauchsanstieg beim Transport. Die Nachfrage nach Öl im
Transportsektor steigt gemäß Hauptszenario des WEO um rund ein Viertel, obwohl sich darin die Anzahl der
PKW und LKW auf den Straßen der Welt bis 2040 mehr als verdoppelt. Neue Bemühungen zur
Effizienzverbesserung begrenzen den Anstieg des Ölbedarfs bis 2040 um etwa 23 Mio. Barrel pro Tag.
Energieeffizienz führt zur Reduktion der Energieimportkosten. Im „New Policy Szenario“ profitieren
insbesondere die USA von strengeren Treibstoffstandards. Auch in der EU wird eine Reduktion der
projizierten Energieimportkosten um ein Drittel dargestellt, was einerseits auf den geringeren
Treibstoffverbrauch der Fahrzeuge, und andererseits auch den geringeren Energieverbrauch von Gebäuden
zurückgeführt wird. Der Einspareffekt wird mit ungefähr 250 Mrd. Euro (USD 2013) jährlich kalkuliert.
Abbildung 24: Öl und Gasimportkosten + Ersparnis durch Effizienzmaßnahmen. Quelle: WEO 2014
Energieeffizienz in der energieintensiven Industrie: Beispiel Stahlindustrie
Neben der Bedeutung der Reduktion des Energieverbrauchs ist Energieeffizienz ein wichtiger Faktor, um aus
regionalen Preisunterschieden resultierende Wettbewerbsnachteile abzuschwächen. Preise und Strategien
sind wesentliche Determinanten für die Energieeffizienz. Laut WEO 2014 können die EU-Staaten bei
vollständiger Umsetzung des Energieeffizienzpotenzials den Energiekosten-Unterschied zu den USA um 10
bis 35% reduzieren. Eine Entwicklung Richtung Innovation, der Trend zu höherwertigen Produkten,
Recycling und Wiederverwertung erhöhen neben Energieeffizienzmaßnahmen die Wettbewerbsfähigkeit.
Zu den genannten relevanten Technologien gehören Lichtbogenöfen in der Stahlindustrie. Dabei wird
Stahlschrott, Eisenschwamm oder Rohstahl zu Baustählen, Qualitätsstählen und Rostfreistählen verarbeitet.
Aufgrund des hohen Stromverbrauchs ist der Strompreis ein entscheidender Kostenfaktor. Dafür kann
jedoch im der Einsatz der Kohle im Hochofen deutlich reduziert werden, was – je nach Strommix - die
Treibhausbilanz deutlich senken würde. 29% der globalen Stahlproduktion (vor allem China, USA und
Indien) werden laut WEO 2014 mittels Lichtbogenöfen produziert. Diese sind für drei Prozent der gesamten
industriellen Stromproduktion verantwortlich. Die Gesamtindustriestrompreise in China und Europa sind
durchaus vergleichbar. Lediglich die USA können mit einem signifikant geringeren Industriestrompreis
aufwarten (siehe Abbildung 15 in Abschnitt 8). Energieeffizienz kann auch hier zu einer weiteren
Kostenreduktion in Europa führen. Lichtbogenöfen in Europa sind um 8% weniger effizient als jene in den
USA. Mit neuen Technologien könnte die Effizienz deutlich erhöht werden, sodass die aktuell um 15 USD
höheren Kosten pro Tonne Stahl auf 10 USD/t reduziert werden könnten.
30
13. Resümee
Der World Energy Outlook 2014 der IEA hat im Vergleich zu den vergangenen beiden Jahren noch
deutlicher ein klares Signal für die Notwendigkeit ambitionierter Klimaschutzmaßnahmen in der
Energieversorgung und verbindlicher Klimaschutzziele ausgesandt und unterlegt.
Zugleich werden die Unsicherheitsfaktoren in der Energieversorgung dargelegt. Insbesondere die
vergleichsweise skeptische Haltung zum langfristigen Erfolg der Shale Revolution ist bemerkenswert
und entspricht nicht dem medialen Mainstream. Der aktuell dramatische Rückgang des Ölpreises wird
nicht von langer Dauer sein.
Ganz aus ihrer Rolle kann die IEA nicht: Insbesondere bei der Nuklearenergie werden die Risiken und
relevante Kostenfaktoren zwar nicht ausgeblendet, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit deutlich
unterschätzt.
Die lange von der IEA unterschätzte Rolle der erneuerbaren Energieträger hat nun einen neuen
Stellenwert erhalten, wiewohl der World Energy Outlook immer noch auf die dominante Rolle fossiler
Energie setzt. Der Vergleich in dieser Analyse zeigt, dass über die Jahre die Prognose für die
Entwicklung erneuerbarer Energie kontinuierlich angehoben wurde. Dies ist auch ein Zeichen dafür,
dass sich Erneuerbare insbesondere im Strombereich durchsetzen.
Unabhängig davon, ob erneuerbare oder fossile Energieträger das Rückgrat des zukünftigen
Energiesystems darstellen: Der Energiebereich wird in den kommenden Jahren Gegenstand der
Auseinandersetzung gigantischer Investitionen. Es wird global sehr viel Kapital notwendig sein, um die
Energiezukunft zu gestalten. Es ist Aufgabe der Politik, entsprechende Signale an den Kapitalmarkt zu
senden. Wird das 2 °C-Ziel ernst genommen, werden Öl und Kohle als verfügbare Energiequellen
teilweise im Boden bleiben müssen. Dem fossil dominierten Kapitalmarkt droht eine Reihe von
Stranded Investments (Stichwort: Carbon Bubble).
Die Bedeutung von Carbon Prices wird im WEO deutlich. Alle Szenarien kalkulieren mit deutlich
höheren CO2-Preisen als den aktuell in Europa herrschenden. Dies kann auch als wichtiges Signal an die
Europäische Union interpretiert werden, nicht allzu zurückhaltend bei der Gestaltung des ETS zu
agieren.
Der Abbau fossiler Subventionen ist für die IEA ein Schlüssel zur erfolgreichen Klimapolitik. Die Analyse
hat gezeigt, dass jedoch der rein konsumorientierte Ansatz der IEA eine Reihe von
produktionsorientierten Beihilfen nicht berücksichtigt. Dies erschwert auch den immer wieder
kommunizierten unmittelbaren Vergleich mit Beihilfen für erneuerbare Energieträger. Allein der Abbau
der Subventionen für fossile Energie sollte genug klimapolitischen Impuls bieten.
Die Energiepreisschere zwischen der EU und den USA geht sukzessive zurück; die EU-Energiekosten
werden niedriger als jene in China.
Recommended