Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit – Haftungsrisiken für Inhaber, Geschäftsführer und leitende...

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Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit –

Haftungsrisiken für Inhaber, Geschäftsführer und leitende Führungskräfte

Hamburg – 26. April 2012

I. Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit

II. Haftung des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer

I. Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit

Fall 1:

Arbeitgeber A bietet Mitarbeiter M aufgrund befürchteter gesundheitlicher Beeinträchtigungen durch die Bedingungen an dessen Maschinenarbeitsplatz eine arbeitsmedizinische Untersuchung an. M lehnt diese auch auf wiederholte Aufforderung ab. A erteilt M daher eine Abmahnung.

Zu Recht?

Fall 2:

Die Maschinen im Betrieb B können typbedingt nur max . 3 Stunden am Stück laufen und benötigen dann eine Abkühlphase von 30 Minuten. Es droht Überhitzung. In dieser Zeit könne die Mitarbeiter nicht beschäftigt werden. Den Mitarbeitern werden jeweils halbstündige Pausen zugewiesen, für die sie keine Lohnzahlung erhalten.

Ist dieses Vorgehen rechtmäßig?

Fall 3:

Arbeitgeber A hat aus Kostengründen auf die turnusmäßige Wartung einer Maschine verzichtet. Maschinenarbeiter M bemerkt seit Wochen klappernde Geräusche an der Maschine, meldet sie aber nicht. Eines Tages wird M durch ein umherfliegendes Teil der Maschine erheblich verletzt.

In welchem Umfang kann M Entschädigung von A verlangen?

Entwicklung des Arbeitsschutzrechts

• kein einheitliches System

• neue Gefahr neues Gesetz

• ArbeitsschutzG seit 1996

• zahlreiche Verordnungen auf Grundlage ArbSchG

• unübersichtliche Materie

GefahrstoffVO

LasthandhabVO

BaustellenVO

BiostoffVO

BetrSichVOArbeitsstätten

VO

MuSchArbVO

EU-Richtlinien

BundesgesetzeArbSchG, ASiG, SGB VII

Verordnungen

BG-Vorschriften

Technische Regeln

BG-Regeln

Arbeitsschutz ist Querschnittsmaterie

• öffentliches Wirtschaftsverwaltungsrecht

• Verbraucher- und Umweltschutzrecht

• Arbeitsrecht

• unterschiedliche Kontrollinstanzen

Kontrollinstanzen

Gewerbeaufsicht

Berufsgenossen-schaft

sonstige Ämter

Polizei

SozVers-Träger

u.v.a.m.

Das Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG)

• Bestellungspflicht für Betriebsärzte und ASiG-Fachkräfte

• Grundbetreuung + betriebsspezifischer Betreuungsanteil

• Eigenermittlungspflicht für betriebsspezifischen Betreuungsanteil

Grundbetreuung

Betriebsspezifischer Betreuungsanteil

?

Betriebsarzt ASi-Fachkraft

Betriebsarzt

• Bestellungspflicht soweit „erforderlich“

• abhängig von konkreten betrieblichen Gefahren

• umfangreicher Aufgabenkatalog

ASi-Fachkraft

• Sicherheitsingenieure, -techniker und –meister

• Bestellungspflicht, soweit „erforderlich“

• abhängig von konkreten betrieblichen Gefahren

• umfangreicher Aufgabenkatalog

• besondere Anforderungen an zu bestellende Personen

Gesetzliches Unfallversicherungsrecht SGB VII

• Ziel: Verhütung und ggf. Entschädigung

• Durchführung und Kontrolle durch Berufsgenossenschaften

• Bestellung von Sicherheitsbeauftragten ab 20 Beschäftigten durch Arbeitgeber

Betriebsarzt ASi-Fachkraft Sicherheits-beauftragter

Sicherheits-beauftragter

• Arbeitsauftrag abhängig von konkreten betrieblichen Gefahren

• Unterstützungs- und Überwachungsfunktion

• Fortbildungsanspruch und Kostentragung durch den Arbeitgeber für Lohnausfall

Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)

• Rechtsgrundlage für weitere Verordnungen

• dichteste Regelungsmaterie für Arbeitsschutz

• viele allgemeine Regelungen

Leitbild des ArbSchG: menschengerechte Arbeitsplatzgestaltung

• Bewertungspflicht nach Tätigkeiten

• in der Betrachtung: Arbeitsplatz, Arbeitsmittel sowie Verfahren, Abläufe und Arbeitszeit

• auch Ergonomiemängel sind Gefahren

• auch eintönige Arbeit bei maschinenbestimmten Arbeitsrhythmus

ArbSchG: ärztliche Betreuung

• Pflicht zu (freiwilligen) arbeitsmedizinischen Untersuchungen

• kann entfallen, wenn erkennbar kein Gefährdungspotenzial

Fall 1:

Arbeitgeber A bietet Mitarbeiter M aufgrund befürchteter gesundheitlicher Beeinträchtigungen durch die Bedingungen an dessen Maschinenarbeitsplatz eine arbeitsmedizinische Untersuchung an. M lehnt diese auch auf wiederholte Aufforderung ab. A erteilt M daher eine Abmahnung.

Zu Recht?

ArbSchG: Beschäftigungsverbote und -beschränkungen

• häufig in weiteren Gesetzen konkretisiert (MutterSchG, JugendArbSchG)

• generell besondere Gefahren für bestimmte Beschäftigtengruppen zu berücksichtigen

• geschlechtsspezifische Regelungen nur zulässig, wenn aus biologischen Gründen zwingend

geboten

ArbSchG: Beurteilung der Arbeitsbedingungen

• Kernvoraussetzung für wirksame Maßnahmen

• Ermittlungspflicht des Arbeitgebers

• Bewertung der Schwere der Gefährdung und des Schadenspotenzials

• nur einmalige Bewertung bei gleichartigen Arbeitsplätzen nötig

• Wiederholungspflicht bei Änderungen im Arbeitsbild

Mitbestimmung bei Beurteilung der Arbeitsbedingungen

• starkes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats (§ 87 Abs. 1 Ziff. 7 BetrVG)

• Initiativrecht des Betriebsrats

• häufig große Kostenlast durch Nutzung des Initiativrechts des Betriebsrats

ArbSchG: Dokumentation

• Doku ist anzufertigen und aufzubewahren

• keine Vorgabe zur Dokumentationstiefe

• jeweils aktueller Stand gefordert

• bei gleichartiger Gefährdungssituation zusammengefasste Angaben ausreichend

schematisierte Erfassung ausreichend

• empfehlenswert auch wegen Haftungsperspektive

ArbSchG: Instandhaltung und Kennzeichnung

• bezogen auf technische Geräte mit Gefahrenpotenzial

• weiter Einschätzungsspielraum

ArbSchG: Unterrichtung und Unterweisung

• Unterrichtung rein informatorisch

• Unterweisung mit pädagogischem Anspruch(Anweisungen und Erläuterungen)

• Problem: Quittungspflicht des Arbeitnehmers?

Kostentragung für Maßnahmen nach ArbSchG

• Sachmittelkosten: Arbeitgeber

• organisatorischer Schutz (z.B. Arbeitsunterbrechungen): Arbeitgeber

• Kosten für persönliche Schutzausrüstung: falls erforderlich Arbeitgeber

• nicht: private „Luxusanschaffung“

• Mitbestimmung ohne Kostenzugriff (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG)

Fall 2:

Die Maschinen im Betrieb B können typbedingt nur max . 3 Stunden am Stück laufen und benötigen dann eine Abkühlphase von 30 Minuten. Es droht Überhitzung. In dieser Zeit könne die Mitarbeiter nicht beschäftigt werden. Den Mitarbeitern werden jeweils halbstündige Pausen zugewiesen, für die sie keine Lohnzahlung erhalten.

Ist dieses Vorgehen rechtmäßig?

Pflichten von Beschäftigten

• Pflicht zur Eigensorge

• Pflicht zur bestimmungsgemäßen Verwendung von Schutzvorrichtungen

• Mitteilungspflicht bei Mängeln

• Abmahnungs- und ggf. Kündigungsperspektive

• bestimmt ggf. Haftungsbeteiligung des Arbeitnehmers (§ 254 BGB)

Fall 3:

Arbeitgeber A hat aus Kostengründen auf die turnusmäßige Wartung einer Maschine verzichtet. Maschinenarbeiter M bemerkt seit Wochen klappernde Geräusche an der Maschine, meldet sie aber nicht. Eines Tages wird M durch ein umherfliegendes Teil der Maschine erheblich verletzt.

In welchem Umfang kann M Entschädigung von A verlangen?

Rechte der Beschäftigten

• Vorschlagsrecht

• Beschwerderecht

• Recht zum Verlassen des Arbeitsplatzes

• Whistleblowing?

Whistleblowing im Arbeitsverhältnis

EGMR Urt. v. 21.07.2011 – 28274/08

Kontrollbefugnisse

• Zutritts- und Besichtigungsrecht

• verdachtsunabhängig

• Prüfungsrecht betreffend geschäftliche Unterlagen

• Begleitung bei Betriebsbegehung

• aktive Unterstützungspflicht

Anordnungsbefugnisse

• im Hinblick auf Durchführung der Vorschriften des ArbSchG und von VOen

• im Hinblick auf zusätzliche erforderliche Schutzmaßnahmen

• Verwaltungsakte klagbar

Beratungspflicht

• Arbeitsschutzbehörde hat Beratungspflicht

• Geheimnisschutz gewahrt

• enge Voraussetzungen der Weitergabe von Kenntnissen an andere Behörden

Sanktionen

• Ordnungswidrigkeiten

• Strafvorschriften

• Sanktionen ansonsten aus Haftungsgesichts- punkten ggü. geschädigten Mitarbeitern (II.)

Ordnungswidrigkeiten

• Zuwiderhandlung gegen eine Rechtsverordnung nach § 18 oder § 19 ArbSchG

• Zuwiderhandlung gegen eine Anordnung nach § 22 ArbSchG(Arbeitgeber und Beschäftigte)

Strafvorschriften

• bei beharrlicher Verweigerung gegen bußgeldbewehrte Tatbestände

• beharrlich = besonders hartnäckig

GrundverstoßOWi bei

VO-Verstoß

OWi bei Verstoß gegen

Anordnung

Strafbarkeit bei beharrlichem

Verstoß

ansonsten sanktionslos

Beispiele:

• Verstoß gegen Dokumentationspflicht sanktionslos (es sei denn Anordnung)

• Verstoß gegen Lärmschutzvorschriften OWi (Verstoß gegen LärmVO)

• wiederholter Verstoß gegen Anordnung Straftat möglich

Mitbestimmung im Arbeitsschutz (Auswahl)

• § 80 Abs. 1 BetrVG - allgemeine Überwachung

• § 80 Abs. 2 BetrVG - Unterrichtung, Unterlagen

• § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG

• u.v.a.m.

II. Haftung des Arbeitgebers ggü. dem Arbeitnehmer

Fall 4:

Mitarbeiter M hat den Maschinenpark nicht ordnungsgemäß überwacht. Der Maschinenführer F erleidet durch einen Ermüdungsbruch Verletzungen durch umherfliegende Teile. Er verlangt Schadensersatz und Schmerzensgeld von

• Arbeitgeber A• Mitarbeiter M• Geschäftsführer G und• der Berufsgenossenschaft

In welchem Umfang kann er dies verlangen?

Fall 5:

Industriearbeitgeber I hat in seinem Betrieb weder Sicherheitsbeauftragte noch Fachkräfte für Arbeitssicherheit benannt. Es kommt zu einem Schaden, bei dem Arbeitnehmer A erheblich verletzt wird. Die Gewerbeaufsicht kann nicht ausschließen, dass der Schaden bei Bestellung der Kräfte nicht eingetreten wäre.

Haftet I für den entstandenen Schaden?

Verschuldenshaftung möglich aus

• Vertrag (§ 280 Abs. 1 BGB)

• Delikt (§ 823 Abs. 1 und 2 BGB)

• Aufwendungsersatzgesichtpunkten (§ 670 BGB)

ArbSchG und VOen sind Schutzgesetze i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB

Mitverschulden ist nach § 254 BGB zu berücksichtigen

Typische Schadenspositionen

• Körperschäden / Heilungskosten

• Sachschäden an Kleidung

• u.U. Kfz-Reparaturkosten

Verschuldensunabhängige Haftung des Arbeitgebers, wenn Schaden bei Vollzug einer gefährlichen Arbeit entstanden und nicht lediglich allgemeines Lebensrisiko

reine Gefährdungshaftung

Nicht erstattungsfähig sind Sachschäden, die

• der Arbeitnehmer nach der Natur der Sache üblicherweise hinnehmen muss (Verschmutzung, Verschleiß)

• mit dem Entgelt abgegolten werden

Wer haftet?

• Arbeitgeber = Gesellschaft

• schadensstiftender Arbeitnehmer

• u.U. auch Leitungsorgane

Haftet der Arbeitgeber für Fehlverhalten der Angestellten?

„Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden.“ § 278 BGB

Kann dem verletzten Arbeitnehmer ggü. auch der (leitende) Angestellte haften?

• Haftung des unmittelbaren Verursachers immer möglich

• dieser kann aber Freihaltungsanspruch ggü. Arbeitgeber haben

• maßgeblich Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung

Kann der Arbeitgeber den schadensverursachenden Mitarbeiter in Regress nehmen?

• Regress möglich nach Grundsätzen der Arbeitnehmerhaftung

• anrechenbares Mitverschulden der Leitung denkbar (Haftungsmilderung)

Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung:

• keine Haftung bei einfacher Fahrlässigkeit

• Haftungsanteile bei mittlerer Fahrlässigkeit

• Alleinhaftung des grober FahrlässigkeitArbeitnehmers nur bei oder Vorsatz

Durchgriffshaftung ggü. Leistungsorganen?

• private Haftung grundsätzlich nur bei Gläubigerschädigung

• Schadensverursachung aber u.U. fristloser Kündigungsgrund

Fall 4:

Mitarbeiter M hat den Maschinenpark nicht ordnungsgemäß überwacht. Der Maschinenführer F erleidet durch einen Ermüdungsbruch Verletzungen durch umherfliegende Teile. Er verlangt Schadensersatz und Schmerzensgeld von• Arbeitgeber A• Mitarbeiter M• Geschäftsführer G und• der Berufsgenossenschaft

In welchem Umfang kann er dies verlangen?

Fall 5:

Industriearbeitgeber I hat in seinem Betrieb weder Sicherheitsbeauftragte noch Fachkräfte für Arbeitssicherheit benannt. Es kommt zu einem Schaden, bei dem Arbeitnehmer A erheblich verletzt wird. Die Gewerbeaufsicht kann nicht ausschließen, dass der Schaden bei Bestellung der Kräfte nicht eingetreten wäre.

Haftet I für den entstandenen Schaden?

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