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Auf immer unterschiedliches Wahlverhalten?

Johannes Gutenberg-Universität MainzInstitut für Politikwissenschaft

Seminar: Politische Kultur in Ost- und WestdeutschlandLeitung: Prof. Dr. Jürgen W. Falter

Referenten: Torben Schröder, Felix WolterDatum: 14.2.2006

Gliederung

1. Einführung: Ergebnisse der Bundestagswahlen 1990-2005

2. Wahlverhalten I: Cleavage-Effekte

3. Eigene Auswertungen: Datenbasis

4. Wahlverhalten II: Parteiidentifikation

5. Wahlverhalten III: Die Wählerschaft von CDU/CSU und SPD

6. Wahlverhalten IV: Die Wählerschaft der PDS

7. Fazit

1. Einführung: Ergebnisse der BTW 1990-2005

1990 1994 1998 2002 2005Ges. O W Ges. O W Ges. O W Ges. O W Ges. O W

Union 43,8 42 44 41,4 38 42 35,1 27 37 38,5 28 41 35,2 25 37

SPD 33,5 24 36 36,4 31 37 40,9 35 42 38,5 40 38 34,2 30 35

FDP 11 13 11 6,9 3 8 6,2 3 7 7,4 6 8 9,8 8 10

Grüne 5,1 6 5 7,3 4 8 6,7 4 7 8,6 5 9 8,1 5 9

PDS 2,4 11 0,3 4,4 20 1 5,1 22 1 4 17 1 8,7 25 5REX** 2,2 1 2 1,9 1 2 3,5 4 3 1 2 1 2,2 4 2

WB 77,8 74 79 79 73 80 82,2 80 83 79,1 73 81 77,7 74 78

2. Wahlverhalten I: Cleavage-Effekte

CLEAVAGE-Konzept (Lipset, Rokkan 1967)

• Cleavages = soziale Spannungslinien

• involvierten Großgruppen bildeten sie vertretende Organisationen heraus

• Formation von Parteiensystemen: Allianzen zwischen Gruppen und Parteien

• => Parteiensysteme bilden soziale Interessengegensätze ab

2. Wahlverhalten I: Cleavage-Effekte

4 Cleavages- 1 - Zentrum und Peripherie- 2 - Kirche und Staat- 3 - Stadt und Land- 4 - Kapital und Arbeit

Cross Pressures Mehrere Konflikte wirken zeitgleich, ggf.

gegeneinander.

2. Wahlverhalten I: Cleavage-Effekte

Konfliktlinien im Parteiensystem der BRD• Klassenkonflikt: SPD als Bündnispartner der

Arbeiter • Konfessioneller Konflikt: Unionsparteien als

Bündnispartner der (gläubigen) Christen• (Stadt/Land: CDU/CSU als Partner der

Landwirte)• (Klassenkonflikt: "bürgerliche" Parteien als

Partner der Angestellten/Beamten)

2. Wahlverhalten I: Cleavage-Effekte

Quantitative Bedeutung

• “Arbeiter”: 60er: ca. 45% der Bevölkerung; heute: Ost: 45-50%, West: 25-30%

• “Selbstständige”: 60er >20% der Bevölkerung;heute: Ost: 5%, West: 10%

• "Angestellte & Beamte": 60er ca. 30% der Bevölkerung; heute: Ost: 50-55%, West: 60-

65%

• “Katholiken”: Ost: >5% der Bevölkerung, West: 40-45%

• “Protestanten” Ost: 35% der Bevölkerung, West: 40-45%

2. Wahlverhalten I: Cleavage-Effekte

• CDU/CSU Selbstständige/Landwirte: sinkende Zustimmung Angestellte/Beamte: sinkende Zustimmung; West wesentlich stärker als Ost Arbeiter: steigende Tendenz

• SPD Selbstständige/Landwirte: durchweg schwach, im Osten sehr wenig ZustimmungAngestellte/Beamte: mittlerweile stärker als die UnionArbeiter: sinkende Zustimmung, Augenhöhe mit Union

2. Wahlverhalten I: Cleavage-Effekte

• FDPSelbstständige/Landwirte: konstant stark

Angestellte/Beamte: abschwächende Zustimmung

Arbeiter: zuletzt stark steigende Werte

• GRÜNESelbstständige/Landwirte, Angestellte/Beamte: stärkste Werte, erhebliches West-Ost-Gefälle

Arbeiter: unterdurchschnittlicher Zuspruch

2. Wahlverhalten I: Cleavage-Effekte

• CDU/CSU Katholiken: massiv überrepräsentiert, sinkende Tendenz; im Osten höhere Werte als im Westen

stark gebundene Katholiken: unvermindert überragende Werte

Protestanten: im Osten über-, im Westen unterdurchschnittlich

Konfessionslose: durchweg sehr niedrige Zustimmung

• SPD Katholiken: unterdurchschnittlich, im Osten sehr geringe Werte

stark gebundene Katholiken: beinah gar keine Zustimmung

Protestanten und Konfessionslose: überrepräsentiert

2. Wahlverhalten I: Cleavage-Effekte

• FDPbei Katholiken im Osten deutlich schwächer, als bei Protestanten und Konfessionslosen

• GRÜNEüberragende Werte bei westdeutschen Konfessionslosen, sehr wenig Zustimmung bei ostdeutschen Katholiken

3. Eigene Auswertungen: Datenbasis

• Datenbasis: Querschnittsdatensätze• Repräsentative Gewichtung, getrennt für Ost und West• Auswertungen:

– Bivariate Ost-West-Analysen im Zeitverlauf– Multivariate binär-logistische Regression zur Bundestagswahl 2002

Vorwahl

Nachwahl

1994 1998 2002 2005

Nachwahl Nachwahl

VorwahlVorwahl Vorwahl

Exkurs: Bias durch unterschiedliche Erhebungsmethoden

rechts1098765432links

30,0%

20,0%

10,0%

0,0%

Prozent

RECHTS98765432LINKS

30,0%

25,0%

20,0%

15,0%

10,0%

5,0%

0,0%

Prozent

Rechts1098765432Links

25,0%

20,0%

15,0%

10,0%

5,0%

0,0%

Prozent

Vorwahlbefragung 2002

N (gültig) =1511% fehlend = 9,2Mittelwert = 5,49Standardabweichung = 2,05

ALLBUS 2004N (gültig) = 2625% fehlend = 10,9Mittelwert = 5,29

Standardabweichung = 1,711

Vorwahlbefragung 2005N (gültig) = 3433% fehlend = 4,2

Mittelwert = 5,71Standardabweichung = 2,69

4. Unterschiedliches Wahlverhalten II: Parteiidentifikation

05

101520253035404550

1994 1998 2002 2005

keine PID W

keine PID O

Pro

zent

4. Unterschiedliches Wahlverhalten II: Parteiidentifikation

05

101520253035404550

1994 1998 2002 2005

CDU/CSU W

SPD W

keine PID W

CDU/CSU O

SPD O

keine PID O

Pro

zent

4. Unterschiedliches Wahlverhalten II: Parteiidentifikation

05

101520253035404550

1994 1998 2002 2005

CDU/CSU W

SPD W

PDS W

Andere W

keine PID W

CDU/CSU O

SPD O

PDS O

Andere O

keine PID O

Pro

zent

4. Unterschiedliches Wahlverhalten II: Parteiidentifikation

Wie stark können die Parteien von „langfristigen Identifizierern“ profitieren?

Anteil der Befragten mit entsprechender Parteiidentifikation am Gesamtstimmenanteil der jeweiligen Parteien. Angaben in Prozent. 1994 1998 2002 West Ost West Ost West Ost CDU/CSU 81,5 70,6 85,8 78,9 77,1 66,2 SPD 77,6 58,2 65,5 50,6 77,8 56,6 FDP + grün 61,7 65,5 54,5 64,9 42,4 36,8 PDS 60 65,6 60 Kursiv: Interpretation problematisch, da sehr geringe Fallzahlen. Dennoch ist der χ2-Test signifikant (p < 0,001). Population: Alle Befragte, die wahlberechtigt waren.

5. Unterschiedliches Wahlverhalten IV:Die Wählerschaft von CDU/CSU und SPD

Binär-logistische Regression:• Für dichotome abhängige Variablen (0-1)• Berechnung der Wahrscheinlichkeit, in

Abhängigkeit von mehreren unabhängigen Variablen in die Kategorie 1 (= Stimme für z.B. SPD) zu gehören.

• Formel:

nn

xbxbxba

xbxbxbap

p

ep

nn

...1

ln

1

1

2211

...2211

5. Unterschiedliches Wahlverhalten IV:Die Wählerschaft von CDU/CSU und SPD

• Interpretation der Ergebnisse im Gegensatz zur linearen Regression weitaus komplizierter

• Unproblematisch: Interpretation der...– Vorzeichen der Regressionskoeffizienten– Signifikanzniveaus– Im Ost-West-Vergleich: Stärke der Effekte– Anpassungsgüte (R2)

Wahrscheinlichkeit der Zweitstimmenabgabe für CDU/CSU und SPD bei den Bundestagswahlen 2002 in Ost- und Westdeutschland (binär-logistische Regression)

CDU / CSU SPD

West Ost West Ost

Geschlecht (1 = weiblich) -0,177 -0,214 0,053 0,004

Alter 0,006 0,023 ** 0,002 0,006 Bildung: ohne Abschluß & Hauptschule

-0,078 -0,119 1,168 *** -0,231

Bildung: Mittlere Reife 0,351 0,674 0,481 * 0,013

Bildung: Abitur 0,129 0,833 0,634 ** 0,118

Ortsgröße -0,007 ** -0,012 * 0,001 0,004

Kirchgangshäufigkeit 0,268 *** 0,263 *** -0,1 * -0,203 *** Subjektive Schichteinstufung (1 = Arbeiter)

-0,062 -0,03 -0,136 0,207

Links-Rechts-Selbsteinstufung 0,608 *** 0,499 *** -0,481 *** -0,26 ***

Pro Sozialismus -0,248 *** -0,091 0,009 -0,131

Konstante -4,416 *** -5,182 *** 1,477 *** 1,313 *

N 1466 676 1467 675

Χ2 531,306 *** 149,227 *** 299,086 *** 59,313 ***

-2LL 1456,896 647,492 1611,343 840,12

R2 (McFadden) 0,27 0,19 0,16 0,07

6. Wahlverhalten IV: Die Wählerschaft der PDS

• PDS-Wähler nach Cleavages

unterdurchschnittliche Zustimmung bei Selbstständigen und Arbeitern,

starke Werte bei Angestellten und Beamten

weit überdurchschnittliche Werte bei Konfessionslosen

6. Wahlverhalten IV: Die Wählerschaft der PDS

PDS-Wahl 1994/98-2002 erstmals 1998/2002

Männeranteil 75% 55%

Anteil >60-Jährige 2/3 40%

FH/Hochschulabschluss 2/3 1/3 (dgü. 2/3 HS oder RS)

Qualif. od. leitende Ange- 55% 1/3 (dgü. 1/3 Qualifizierte-stellte/Facharbeiter)

Konfessionslose 90% 75% (dgü. 20% evangelisch)

selten/nie in der Kirche 90% 70%

>2000 Euro Haushaltseink. 40% 22%

subjektiv Arbeiterschicht 2/3 2/3

L/R-Selbsteinstufung (1-11) MW 2,5 MW 3,7

mittel/stark PDS-identifiziert 85% 45%

Kompetenz/wichtigstes Probl. 1/3 2/3

6. Wahlverhalten IV: Die Wählerschaft der PDS

Abitur/Hochschulabschluss + DDR-Nostalgie + subjektives Benachteiligungsgefühl + mindestens fünf positive Antworten auf Sozialismus-Skala => 70%-Wahrscheinlichkeit der PDS-Wahl

Stammwähler • eher ideologische als materielle Einheitsverlierer • Bindung an Partei über PI und Vertretenheitsgefühl, kaum über Issue-Orientierung

Zuwanderer• ideologisch etwas weniger festgelegte, aber strukturell weithin ähnliche

Wählerklientel• eher objektiv-materiell benachteiligt

Abwanderer • abnehmende Positivwertung der DDR • wachsende Demokratiezufriedenheit

7. Fazit

These (Kai Arzheimer)

"Westdeutsche Politiker, die wissen wollen, wie sie in zehn oder zwanzig Jahren Wahlkämpfe führen müssen, sollten heute in die neuen Länder fahren."

Literatur

Arzheimer, Kai; Klein, Markus (1997): Die Wähler der REP und der PDS in West- und Ostdeutschland. Ein empirischer Vergleich. In: Backes, Uwe; Jesse, Eckhard (Hg.): Jahrbuch Extremismus & Demokratie (E & D). 9. Jahrgang. Baden-Baden: 39-63.

Falter, Jürgen W.; Klein, Markus (1995): Zwischen Ideologie, Nostalgie und Protest: Die Wähler der PDS bei der Bundestagswahl 1994. In: Hirscher, Gerhard (Hg.): Parteiendemokratie zwischen Kontinuität und Wandel. Die deutschen Parteien nach den Wahlen 1994. Oberhaching bei München: 314-345.

Falter, Jürgen W.; Schoen, Harald (1999): Wahlen und Wählerverhalten. In: Ellwein, Thomas; Holtmann, Everhard (Hg.): 50 Jahre Bundesrepublik Deutschland. Rahmenbedingungen - Entwicklungen - Perspektiven. Wiesbaden: 454-470.

Lang, Jürgen P.; Moreau, Patrick; Neu, Viola (1995): Auferstanden aus Ruinen...? Die PDS nach dem Super-Wahljahr 1994. Sankt Augustin.

Lipset, Seymour Martin; Rokkan, Stein (1967): Cleavage Structures, Party Systems, and Voter Alignments. An Introduction. In: dies. (Hg.): Party Systems and Voter Alignments: Cross-National Perspectives. New York: 1-64.

Neller, Katja; Thaidigsmann, S. Isabell (2004): Wer wählt die PDS? Ein Vergleich von Stamm- und Wechselwählern bei den Bundestagswahlen 1994-2002. In: Brettschneider, Frank; van Deth, Jan; Roller, Edeltraud (Hg.): Die Bundestagswahl 2002. Analysen der Wahlergebnisse und des Wahlkampfes. Wiesbaden: 185-217.

Schoen, Harald (2005): Soziologische Ansätze in der empirischen Wahlforschung. In: Falter, Jürgen W.; Schoen, Harald (Hg.): Handbuch Wahlforschung. Wiesbaden: 135-182.

Einstellungs-Profile von Links- und Rechtsaußen-Wählern

• "Unter Umständen Diktatur bessere Staatsform"

-> PDS-Sympathie im Westen (0,63)

-> REP-Sympathie im Westen (0,80)

-> REP-Sympathie im Osten (0,77)

• "Pro Regierung - versus PDS"

-> PDS-Sympathie im Osten (-0,70)

Soziodemografische Profile von Links- und Rechtsaußen-Wählern

West: PDS REP Ost: PDS REP • männlich + + ++• 18-24 J. + ++• 25-34 J. + +• 60 J. plus - --• niedr. Bildung -- ++ - -• hohe Bildung ++ - + -• Arbeitslos + + +• Arbeiter ++ ++

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