Der Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz und seine rechtlichen Grundlagen Dr. Michael Merker

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Der Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz und seine rechtlichen GrundlagenDr. Michael Merker

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Übersicht

I. Geschichte des Gesundheitsschutzes

II. Rechtliche Grundlagen1. Ausgangslage2. Allgemeine Fürsorgepflicht3. Massnahmen zum Schutz von Leben

und Gesundheit4. Öffentlichrechtliche

Arbeitsschutzvorschriften

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Übersicht

III. Vollzug Arbeitsgesetz

IV. Zuwiderhandlungen1. Strafbestimmungen2. Dienstverhältnisverletzungen

V. Schlussbemerkungen

I. Geschichte des Gesundheitsschutzes

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Auszüge aus einer Fabrikordnung

• Die Arbeitszeit der Arbeiter, welches auch ihre Arbeiten sein mögen, wird vom Fabrikherrn nach den Umständen und der Jahreszeit bestimmt.

• Jeder Arbeiter ist verpflichtet, länger als gewöhnlich und auch sonntags zu arbeiten, wenn es die Umstände verlangen.

• Alle Arbeiter müssen auf den Glockenschlag auf ihre Arbeit gehen; sie verfallen durch Zuspätkommen in eine Geldstrafe von 6pf.-10Sgr. je nach ihrem Lohn und den Ursachen.

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Auszüge aus einer Fabrikordnung

• Wer aus der Fabrikarbeit austreten will, muss zwei Monate vorher am Zahltag direkt auf dem Comptoir Anzeige davon machen: doch werden an einem Zahltag nicht mehr als drei Kündigungen angenommen. Ebenfalls wird vom Fabrikherrn mit zwei Monaten aufgekündigt.

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Geschichte des Gesundheits-schutzes (1)

• Ausgangslage: – Einsetzung der Industrialisierung anfangs 19.

Jahrhundert – Übergang von Heimarbeit zu Fabrikarbeit– Disziplinierung der Arbeitskräfte in Fabriken– Exzesse im Bereich Frauen- und Kinderarbeit– Sozialkritische Schriften Marx und Engels;

Thematisierung des Problems

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Geschichte des Gesundheits-schutzes (2)

• Beschränkung der Arbeitszeit im Kanton Glarus 1846, Ergänzung durch ein Gesetz über die Fabrikpolizei 1873

• Bis 1873 Erlass von Arbeitsgesetzen auch in den Kantonen St. Gallen, Zürich, Aargau, Basel-Land, Schaffhausen und Tessin (Schwerpunkt Kinderarbeit)

• Bundesverfassung von 1874: Bundeskompetenz für Schutzbestimmungen am Arbeitsplatz

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Geschichte des Gesundheits-schutzes (3)

• 1877: Erlass des eidgenössischen Fabrikgesetzes• 1890: Eidgenössisches Haftpflichtgesetz für

Fabrikbetriebe• 1908: Art. 34ter BV Erweiterung der

Legiferierungskompetenz des Bundes • 1911: Kranken- und Unfallversicherungsgesetz,

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA)

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Geschichte des Gesundheits-schutzes (4)

• 1964: Ausweitung des Schutzes mit Erlass des Arbeitsgesetzes

• 1998: Art. 110 BV - Weiterführung der bisherigen Regelung

II. Rechtliche Grundlagen

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Ausgangslage

öffentlichrechtlichesDienstverhältnis

• Bundespersonalgesetz• kantonale Personalgesetze• kommunale Personalordnung

privatrechtliches Arbeitsvertrags-verhältnis

• Art. 328 Abs. 2 OR• GAV• Arbeitsvertrag

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Ausgangslage

• Grundsatzcharakter der öffentlichrechtlichen wie auch privatrechtliche Regelungen

• Bestimmungen in Personalgesetzen und Art. 328 Abs. 2 OR werden in den öffentlichrechtlichen Schutzvorschriften konkretisiert

• Lehre: Konkretisierung in öffentlichrechtlichen Schutzvorschriften genügt Art. 328 Abs. 2 OR

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Ausgangslage

• Art. 328 Abs. 2 OR

Der Arbeitgeber hat zum Schutz von Leben, Gesundheit und persönlicher Integrität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Massnahmen zu treffen, die nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar und den Verhältnissen des Betriebes oder Haushaltes angemessen sind, soweit es mit Rücksicht auf das einzelne Arbeitsverhältnis und die Natur der Arbeitsleistung ihm billigerweise zugemutet werden kann.

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Ausgangslage

• § 39 Abs. 2 Personalgesetz des Kantons Zürich

Der Staat achtet die Persönlichkeit der Angestellten und schützt sie. Er nimmt auf deren Gesundheit gebührend Rücksicht.

Er trifft die zum Schutz von Leben, Gesundheit und persönlicher Integrität seiner Angestellten erforderlichen Massnahmen.

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Allgemeine Fürsorgepflicht

• Persönlichkeitsschutz im Arbeits- / Dienstverhältnis

• Schutz des Vermögens

• Förderung des wirtschaftlichen Fortkommens

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Allgemeine Fürsorgepflicht

• Persönlichkeitsschutz im Arbeits- / Dienst-verhältnis

– Vermeidung von Eingriffen in Persönlichkeit des Dienstnehmers

– Rechtfertigung: Arbeitsvertrag– Beschäftigungspflicht– Gleichbehandlung– Massnahmen zum Schutz von Leben und Gesundheit– Datenschutz– Freizeit und Ferien

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Massnahmen zum Schutz von Leben und Gesundheit

• Grundsatz (Art. 328 OR / § 39 PG)– Arbeitgeber muss geeignete und erforderliche

Massnahmen treffen– Grenze: technisch möglich und wirtschaftlich

zumutbar

• Konkretisierung– im öffentlichrechtlichen Arbeitsschutzrecht

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Öffentlichrechtliche Arbeitsschutzvorschriften• Übersicht

– Arbeitsgesetz (ArG)– Verordnungen zum Arbeitsgesetz (Vo 1-4)– Arbeitszeitgesetz (AZG)– Heimarbeitsgesetz (HArG)– Berufsbildungsgesetz (BBG)– Landwirtschaftsgesetz (LwG)– Vorschriften SUVA über Verhütung von Berufsunfällen

und Berufskrankheiten (Umsetzung 81 UVG)

• Kritik– starke Zergliederung– Kasuistischer Aufbau

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Arbeitsgesetz

• Problem Anwendungsbereich

– Betriebe der öffentlichen Hand erfasst– Verwaltungen des Bundes, der Kantone,

Gemeinden und Anstalten nicht– Ausnahme: Vorschriften über Gesundheitsschutz

(Art. 6, 35 und 36 a ArG)– Vorschriften des Bundes, der Kantone und der

Gemeinde bleiben vorbehalten. Von den Bestimmungen über den Gesundheitsschutz darf jedoch nur zugunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden (Art. 71 lit. b ArG).

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Art. 6 Arbeitsgesetz

• Anordnung von Massnahmen, die

– nach der Erfahrung notwendig– nach Stand Technik anwendbar– Betriebsverhältnissen angemessen (Abs. 1)

– nach Möglichkeit Vermeidung von Überanstrengungen der Arbeitnehmer (Abs. 2)

– kein Pflichtkonsum von Alkohol (Abs. 2bis)

– Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmer (Abs. 3)

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Art. 35 Arbeitsgesetz

• Gesundheitsschutz bei Mutterschaft

– Vermeidung von Beeinträchtigungen von Mutter und Kind

– Gefährliche und beschwerliche Arbeiten können untersagt werden

– Beschäftigung nur mit Einverständnis– Fortbleiben auf Anzeige hin

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Verordnungen zum Arbeitsgesetz

• Arbeitsgesetz folgen vier Verordnungen

• Anwendbar sind nur diejenigen Bestimmungen der Verordnungen, die sich auf Art. 6, 35 oder 36a ArG beziehen

• Kriterium erfüllt die Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz

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Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz

• Regelt die Gesundheitsvorsorge

• Inhalt (Auswahl):– Information und Anhörung der Arbeitnehmer– Weisungsbefolgungspflicht der Arbeitnehmer– Gebäude und Räume– Licht, Raumklima, Lärm und Erschütterung– Anforderungen an Arbeitsplätze

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Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz

– Handhabung von Lasten– Überwachung der Arbeitnehmer– Schutzausrüstung und Arbeitskleidung– Garderoben, Waschanlagen, Toiletten, Ess- und

Aufenthaltsräume, Erste Hilfe– Unterhalt und Reinigung

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Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz

Beispiel Überwachung• Überwachungs- und Kontrollsysteme, die das

Verhalten der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz überwachen sollen, dürfen nicht eingesetzt werden (Art. 26 Abs. 1)

• Wenn aus anderen Gründen erforderlich, Anordnung so, dass Gesundheit und Bewegungs-freiheit nicht beeinträchtigt (Art. 26 Abs. 2).

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Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz

• Überwachungs- und Kontrollsysteme/Folgen:– negative Gefühle beim Arbeitnehmer– Verschlechterung des Betriebsklimas– beeinträchtigen das Wohlbefinden, die psychische

Gesundheit und damit die Leistungsfähigkeit des Personals

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Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz

Beispiel Raumtemperatur

• Temperatur (Art. 16 ArGV3)– Nicht gesundheitsabträglich– 21 - 23 Grad sitzend / 12 - 17 Schwerarbeit– Steigt Aussentemperatur, Überschreitung um 2 - 4

Grad zulässig– Darüber: Kühlung!

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Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz

Beispiel Raumtemperatur

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Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz

Beispiel Raumgestaltung– Soviel Raum wie für ungehinderte Bewegung

notwendig– Zwanglose Körperhaltung muss gewährleistet sein– Sitze bequem– Sicht ins Freie von ständigen Arbeitsplätzen– Stehen - Sitzen, Gewährleistung der Abwechslung

IV. Vollzug Arbeitsgesetz

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Vollzug

• ArG wird grundsätzlich durch die Kantone vollzogen (Art. 41 ArG)

• Bund übt die Oberaufsicht aus

• Durch Gesetz können Bund Vollzugsaufgaben zugewiesen werden (z. B. Vollzug in den Betrieben des Bundes durch Bund; Art. 42 ArG)

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Vollzugsorgane (1)

• Staatssekretariat für Wirtschaft (seco)– Leistungsbereich Arbeitsbedingungen (Auswahl)

• Arbeitnehmerschutz• Grundlagen Arbeit und Gesundheit• Eidgenössische Arbeitsinspektion Ost und West

• Interkantonaler Verband für Arbeitnehmerschutz (IVA)– bezweckt die Unterstützung seiner Mitglieder bei

Aufgaben des Arbeitnehmerschutzes– Mitglieder: kantonale Amtsstellen, die sich mit

Arbeitnehmerschutz befassen

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Vollzugsorgane (2)

• Kantonale Vollzugsorgane (Arbeitsinspektorate)

– Kanton Zürich: Amt für Wirtschaft und Arbeit– Kanton Graubünden: Departement des Innern und

der Volkswirtschaft; Amt für Wirtschaft und Tourismus, Sektion Arbeitsinspektorat; Gemeinden

– Kanton Aargau: Direktion des Innern; Industrie- und Gewerbeamt; Gemeinderäte

V. Zuwiderhandlungen

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Strafbestimmungen

• Sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer machen sich strafbar, wenn sie den Vorschriften über den Gesundheitsschutz zuwider handeln (Art. 59 f. ArG)

• Arbeitnehmer ist nur strafbar, wenn er vorsätzlich handelt. Gefährdet er jedoch andere Personen ernstlich, ist auch die fahrlässige Widerhandlung strafbar (Art. 60 ArG)

• Strafmass: Gefängnis bis 6 Monate, Bussen

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Dienstverhältnisverletzungen

• Bei privat-/öffentlichrechtlichen Verträgen / öffentlichrechlichen Anstellungsverfügungen – Vertragsverletzung (Feststellung der Verletzung

oder Klage auf Erfüllung; Feststellungsverfügung) – Einstellung der Arbeitsleistung (z.B. fehlendes,

defektes Material)– Aufsichtsanzeige– Schadenersatz

VI. Schlussbemerkungen

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