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Barbara Merker, Frankfurt/M
Phänomenologie und Pragmatismus
Die frühen Phänomenologen Edmund Husserl und Martin Heidegger sind nicht gerade als
Verteidiger des Pragmatismus bekannt. Vermutlich hatten sie nicht genügend Kenntnisse über
ihn. Dennoch ist der Heidegger von "Sein und Zeit" häufig als Pragmatist interpretiert
worden, zuletzt in zwei Aufsätzen von Robert Brandom.1 Dagegen scheint es unmöglich zu
sein, den ganz und gar Cartesischen Philosophen Husserl in eine Beziehung zu
pragmatistischen Ideen zu bringen. Im folgenden möchte ich genau dies tun. Im ersten Teil
beschreibe ich eine innere Spannung in der Philosophie Husserls, der unter dem Deckmantel
cartesischer Rhetorik Annahmen und Präsuppositionen verbirgt, die sich mit denen decken,
die auch viele Pragmatisten vertreten haben. Im zweiten Teil versuche ich, Husserls nicht-
cartesischen Begriff fundamentaler philosophischer Rechtfertigung verständlich zu machen.
Im dritten Teile möchte ich zeigen, in welchem Sinne Husserl die pragmatistische Aufgabe
erfüllt, die Probleme der Menschheit zu lösen. Und im vierten und letzten Teil versuche ich
die pragmatistische Priorität dere Praxis-These, zum Teil mit Blick auf Heidegger, zu
verstehen und zu kritisieren.
1. Husserls impliziter Pragmatismus
Die prominente Position von Descartes in der Philosophie Husserls bringt der Titel seines
späten Werkes "Cartesianische Meditationen" zum Ausdruck, das 1931 zuerst auf französisch
publiziert wurde. Der Titel geht nicht nur auf das Faktum zurück, daß dieses Werk auf
Vorlesungen basiert, die Husserl 1929 in Paris in dem berühmten Amphithéatre Descartes
gehalten hat. In den meisten seiner Werke spielt Descartes eine wichtige, obwohl ambivalente
Rolle: In seiner Abhandlung über die "Krisis der europäischen Wissenschaften" wird
Descartes getadelt als Initiator eines naiven naturalistischen Objektivismus und szientistischen
Realismus, der verantwortlich dafür war, daß Galileis Konzeption der Natur Eingang in die
Philosophie fand, aber zugleich gepriesen als Vater der Einsicht in die Bedeutung des ego
cogito und der Transzendentalphilosophie. Was Husserl in seinen Meditationen besonders und
mit Sympathie hervorhebt, ist Descartes Idee einer Art fundamentaler philosophischer
Rechtfertigung, die notwendig sei für unsere alltäglichen Überzeugungen, für die Annahmen
der verschiedenen Wissenschaften und für die Philosophie selber. Angesichts dieser
1 Robert Brandom 2002, 298-347; vgl. Barbara Merker 2005, 103-125.
cartesianischen Rhetorik kann man überrascht sein, eine Fülle an Reflexionen zu finden, die
ganz und gar nicht zu Descartes passen.
Erstens wiederholt Husserl immer wieder, daß die Basis und der Ausgangspunkt der
Philosophie die sogenannte "natürliche Einstellung" ist. Als ein konstitutives Merkmal dieser
natürlichen Einstellung betrachtet er das Faktum, daß wir ganz selbstverständlich glauben,
was wir wahrnehmen, bis wir Gründe haben, daran zu zweifeln. Eines seiner berühmten
Beispiele für diese natürlichen Einstellung, für einen primären Glauben an das
Wahrgenommene und den Beginn eines Zweifels finden wir in Husserls berühmtem Bericht
seines Besuches im Wachsfigurenkabinett in Wien oder Berlin, wo er zuerst mit Vergnügen
eine Frau ihm zuwinken sah, aber bei näherem Hinsehen mit Enttäuschung feststellen mußte,
daß er sich irrte und daß es nicht eine wirkliche Frau, sondern nur eine Wachspuppe war. In
der natürlichen Einstellung, so Husserl, beginnen wir zu zweifeln, wenn eine Disharmonie,
ein Konflikt, eine Diskrepanz unsere normalerweise harmonischen Erfahrungen stört, wenn
die Antizipation oder Präsumtion, die in jeder Wahrnehmung involviert ist, nicht durch
Anschauung bestätigt wird. In diesem Fall ist eine Korrektur der Überzeugung, die man zuvor
hatte, erforderlich. Aber selbst wenn die Realität eines besonderen Objektes in Frage steht
oder als Illusion oder Halluzination zurückgewiesen wird, kann dies nur gegen einen
Hintergrund kontinuierlicher Gewißheit hinsichtlich der Realität der Welt im allgemeinen
geschehen. Zweifel können, so Husserl gegen Descartes, immer nur lokal, niemals global
sein.
Zweitens beschreibt Husserl die natürliche Einstellung nicht nur auf diese phänomenologisch-
pragmatistische Weise; er betrachtet sie auch als vollständig legitim. In seiner Sicht sind wir
berechtigt zu glauben an das, was wir wahrnehmen, so lange es keine Gründe oder Evidenzen
für die Möglichkeit gibt, daß wir uns täuschen und falsch liegen. In jedem Fall haben wir
keinen Grund zu zweifeln, daß Husserl die natürliche Einstellung als vollständig
gerechtfertigt betrachtet und als unbedürftig einer speziellen philosophischen Rechtfertigung.
Außerdem behauptet Husserl explizit, daß nicht nur die relativen Evidenzen unseres
alltäglichen Lebens, sondern auch jene der verschiedenen Wissenschaften mit ihren stärkeren
Anforderungen an Rechtfertigung keinerlei Philosophie brauchen, um ihre
Forschungsergebnisse berechtigterweise als Wissen zu bezeichnen. So können wir
zusammenfassen: Es gibt keinerlei Bedürfnis nach fundamentaler Rechtfertigung mittels der
Philosophie weder im Rahmen unseres alltäglichen, lebensweltlichen Überzeugungen noch im
Rahmen der verschiedenen Wissenschaften.
Drittens kritisiert Husserl immer wieder das erkenntnistheoretische Vorurteil von Empiristen
und Rationalisten, daß wir unmittelbaren Zugang nur zu inneren Repräsentanten der Welt
haben, zu Ideen, cogitata, noemata, Sinnen oder Sinnesdaten, von denen aus wir unseren Weg
zur Realität beispielsweise durch Schlüsse oder andere mentale Mittel erst bahnen müssen.
Weil er es für selbstverständlich hält, daß unsere Intentionen normalerweise die Welt direkt
und unmittelbar erreichen, betrachtet er Beweise der Existenz der Außenwelt als genauso
sinnlos wie universale oder partiale, wirkliche oder methodologische skeptische Zweifel an
ihr.
Aus diesem Grund müssen wir schließlich viertens und letztens auch seine berühmt-
berüchtigte epoché nicht im Sinne ihrer Erfinder als Instrument eines Skeptikers betrachten,
der die Möglichkeit des Wissens bezweifelt und empfiehlt, mittels der epoché von jedweden
Geltungsansprüchen zurückzutreten in der Absicht, Irrtum zu vermeiden und ataraxia zu
erreichen. Als eine konstitutive Methode der Phänomenologie ist die epoché eine Weise des
Einklammerns, des Außerspielsetzens von Geltungsansprüchen, Positionen unserer
natürlichen Einstellung, die die einzige Aufgabe hat, die Aufmerksamkeit der Intentionalität
unserer natürlichen Einstellung von der intendierten externen Welt weg und hin zu den
Phänomenen oder Erscheinungen oder Noemata zu lenken. Aber die epoché ist eine
Enthaltung des Glaubens, die "vereinbar ist mit der unerschütterlichen Überzeugung der
Wahrheit" des Glaubens. Insoweit, behauptet Husserl, beläßt die epoché alles genau so, wie es
ist. Entgegen den Annahmen der Skeptiker wird Husserls holistische epoché möglich und
notwendig für seine Zwecke, gerade weil wir normalerweise intentional auf die Welt gerichtet
sind und daher etwas tun müssen, um diese natürliche Verbindung zu durchschneiden.
Mit diesen vier basalen Annahmen im Blick ist es nicht so überraschend, daß Husserl auf
einer Seite behauptet, daß seine Phänomenologie "Neo-Cartesianismus" genannt werden
kann, auf der anderen Seite aber betont, daß die Phänomenologie "gezwungen ist, fast den
gesamten Gehalt der Cartesischen Philosophie abzulehnen".2 Was er sich gezwungen fühlt
zurückzuweisen ist der Cartesische Repräsentationalismus, der Cartesische Skeptizismus und
die Vorschrift eines universalen methodologischen Zweifels - zumindest einmal im Leben.
Aber diese Zurückweisungen setzen Annahmen voraus, die er als selbstverständlich und
legitim verteidigt und bei denen es sich um genau die Annahmen handelt, die ihn mit vielen
Pragmatisten verbinden: direkter Realismus, Kritik des Skeptizismus und die Annahme, daß
reale Zweifel lebendige Gründe erfordern.3
2 Husserl, Cartesianische Meditationen § 1.
3 Nach Hilary Putnam sind dies genau die Kriterien, die konstitutiv für den Pragmatismus sind. 1994,
151ff; 1995; 2002.
2. Staunen statt Zweifeln - Fundamentale Rechtfertigung in welchem Sinn?
Mit den vier anti-cartesischen Überzeugungen im Blick muß es einem sonderbar vorkommen,
daß Husserl dennoch auf dem philosophischen Projekt fundamentaler, sogar transzendentaler
Rechtfertigung besteht. Auf der einen Seite behauptet er, daß weder unsere lebensweltlichen
Überzeugungen noch unsere wissenschaftlichen Annahmen eine solche fundamentale
philosophische Rechtfertigung brauchen. Er behauptet sogar, daß es nicht nur nicht notwendig
ist, sie philosophisch zu rechtfertigen, sondern sogar unmöglich, dies zu tun. Und er gibt auch
nicht ein einziges Beispiel für eine philosophische Rechtfertigung, die die Absicht hat, diese
Funktion zu erfüllen, nämlich Gründe für einige oder alle Überzeugungen, die man hat, zu
geben, Gründe dafür, daß man etwas für wahr hält, das durch diese Gründe gerechtfertigt
wird. Auf der anderen Seite erklärt er, daß das ganze Projekt der Phänomenologie in nichts
anderem besteht als in solch einer fundamentalen philosophischen Rechtfertigung. Aber was
ist es dann, wozu eine solche fundamentale philosophische Rechtfertigung gut oder geeignet
oder nützlich sein soll? Wie paßt dieses anscheinend cartesische Projekt fundamentaler
philosophischer Rechtfertigung zu den anti-cartesischen Annahmen, die Husserl nicht müde
wird zu betonen? - Um zu verstehen, daß Husserl sich nicht einfach widerspricht, und um zu
zeigen, daß beide Behauptungen kompatibel sind, ist es hilfreich, einen Blick auf das zu
lenken, was er tut, wenn er nicht seine cartesische Rhetorik gebraucht, sondern uns zumindest
einige Hinweise, Winke oder Rezepte für die Praxis fundamentaler Rechtfertigung gibt.
Zunächst sind das, was Husserl philosophische Rechtfertigung nennt, verschiedene Arten von
Aktivitäten, die in der unnatürlichen Einstellung der epoché oder phänomenologischen
Reduktion stattfinden. Dies ist wichtig, weil es jegliches Interesse an der Wahrheit oder
Falschheit unserer Überzeugungen oder ihrer Übereinstimmung mit der Realität ausschließt.
Aus diesem Grund sind die verschiedenen Arten rechtfertigender Aktivität auf verschiedene
Momente der eingeklammerten Struktur der Intentionalität gerichtet. Was er zeigen möchte
ist, daß die verschiedenen Momente der eingeklammerten Struktur der Intentionalität: das Ich,
die verschiedenen Arten der Intention, die abstrakten oder konkreten Gegenstands-Sinne,
Phänomene oder Noemata nicht kontingent organisiert sind und bloß unverbunden Seite an
Seite stehen, sondern durch essentielle Strukturen oder Relationen zusammengebunden sind.
So ist die dreifache phänomenologische Methode: die Reflexion, die phänomenologische
epoché und die freie Variation als Mittel eidetischer Reduktion vorausgesetzt von oder
impliziert in der Methode, die er gebraucht, um diese verschiedenen Arten von essentiellen
Gesetzen zu erwerben, und die er "intentionale Analyse" oder auch "Horizontanalyse" nennt.
Die intentionale Analyse oder Horizontanalyse ist das Verfahren, explizit zu machen, was in
den Gegenstandssinnen implizit ist, zum Beispiel in dem Gegenstandssinn "schwarzer
Würfel". Jeder Gegenstandssinn, wie z. B. "schwarzer Würfel" hat nach Husserl einen
Horizont oder enthält Möglichkeiten, die wir explizieren und entfalten können. Husserl ist
natürlich nicht interessiert an der speziellen Explikation besonderer Gegenstands-Sinne,
besonderer intentionaler Einstellungen, ihren besonderen Relationen zueinander und zu
besonderen Ichen, sondern an ihrem jeweiligen Wesen. Zum Teil aufgrund des Umstandes,
daß wir verkörpert sind, fähig sind, Habitualitäten, Gewohnheiten auszubilden und so
sinnlich-motorische Geschicklichkeiten zu erwerben - wie Husserl in seiner genetischen
Phänomenologie ebenso wie viele Pragmatisten betont - und dank des Umstandes, daß wir
fähig sind, mit anderen zu kooperieren, haben wir ein implizites Wissen dieser essentiellen
Gesetze. Dieses macht es einsichtig, daß es unmöglich für uns ist, jemals etwas völlig
Unvertrautem zu begegnen.
Was zum Beispiel in dem Gegenstands-Sinn "Schwarzer Würfel" implizit ist, ist, daß es ein
raumzeitliches Objekt ist, ein Sinn, der weiter entfaltet werden kann und so, wie Husserl
glaubt, es der Philosophie ermöglicht, eine regionale Phänomenologie der Natur zu
entwickeln und die Naturwissenschaften mit geklärten Konzepten zu beliefern. Was weiter in
dem Sinn "raum-zeitliches Objekt" implizit ist, sind auch seine Relationen zu verschiedenen
Arten von intentionalen Einstellungen und ihren Relationen zueinander und zu einem Ich mit
diachroner Identität: z. B., daß ein gegenwärtiges raumzeitliches Objekt nicht auf einen
Schlag als Ganzes wahrgenommen werden kann, sondern immer nur partiell und sukzessiv;
daß es auch durch andere wahrgenommen werden kann; daß aber, wenn jemand das Objekt
anschaut oder um es herumgeht, nicht auch jemand anderes dieses gleichzeitig an derselben
Stelle und mit derselben Perspektive tun kann; daß Wahrnehmung Antizipation und
Erinnerung und ein verkörpertes Ich mit der Fähigkeit, sich zu bewegen verlangt; daß wenn es
andere Wahrnehmungen gegeben hätte, auch die Erinnerungen anders gewesen wären usw. -
Wenn es also raumzeitliche Objekte gibt - und Husserl zweifelt, wie gesagt nicht daran, daß
es sie gibt, als Phänomenologe macht er diese Existenzpräsupposition aber nicht mit - wenn es
also raumzeitliche Objekte gibt, müssen sie diesen essentiellen Gesetzen unterliegen. Aber es
wäre irreführend, intentionale Analyse auf die Prozedur der Analyse von Konzepten zu
reduzieren oder auf das Ziehen materialer Inferenzen aus den Gegenstands-Sinnen, weil
Husserl glaubt, daß all dies nicht in Separation von der Anschauung in dem weiten Sinne
einer nicht-inferentiellen Evidenz getan werden kann.
Mit diesem Projekt intentionaler Analyse versucht Husserl, die rationalistische Suche nach
essentiellen Strukturen und Relationen von Gegenständen, die Konstruktion formaler und
regionaler Ontologien und region-konstitutiver Begriffe auf der einen Seite zu verbinden mit
der empiristischen Frage Humes, wie es möglich und zu begreifen ist, daß wir überhaupt
Bewußtsein von Objekten, von identischen Objekten haben können und sogar von solchen,
die abwesend sind. Husserl schreibt, daß er verständlich machen möchte, wie "die Einheit von
Gegenständen zustande kommt und wie diese wunderbare Arbeit der Konstitution identischer
Objekte im Fall jeder Kategorie von Objekten getan werden kann". Überraschenderweise
schwenkt Husserl von der Sprache intentionaler Analyse über in die Sprache transzendentaler
Konstitution und scheint eine Art subjektiven Idealismus zu verteidigen. Aber so wie wir
seine cartesische Rhetorik nicht zu ernst nehmen sollten, so sollten wir auch seine
idealistische Rhetorik nicht zu ernst nehmen. Die Frage, auf die Husserl antworten möchte, ist
die Humesche Frage, wie es möglich ist, daß wir Bewußtsein von identischen Objekten und
der Welt überhaupt haben können.
Wie Helmuth Plessner berichtet, ging er in Göttingen eines Tages mit Husserl von einem
Seminar zurück zu Husserls Haus. Als sie an der Gartentür ankamen, fragte Plessner ihn nach
seiner Einschätzung des Verhältnisses der Phänomenologie zu Fichtes Wissenschaftslehre.
Plessner zufolge antwortete Husserl mit Emphase: "Mir ist der deutsche Idealismus immer
zuwider gewesen. Mein ganzes Leben lang - und dabei zücke er seinen dünnen Spazierstock
mit silberner Krücke und stemmte ihn vorgebeugt gegen den Türpfosten - die Realität
gesucht."4 Unübersehbar plastisch, so Plessner, vertrat der Spazierstock den intentionalen Akt
und der Pfosten seine Erfüllung.
Jetzt können wir die Frage beantworten, warum Husserl auf der einen Seite behauptet, daß
alltägliche wie wissenschaftliche Überzeugungen keinerlei philosophischer Rechtfertigung
erfordern und auf der anderen Seite dennoch auf fundamentaler philosophischer
Rechtfertigung besteht. Die Arten philosophischer Rechtfertigung, die er vor Augen hat,
sollen keine Gründe für die Wahrheit unserer Überzeugungen geben; er akzeptiert vielmehr
die Wahrnehmung, Erinnerung, das Zeugnis anderer und so weiter als normale und legitime
Quellen des Wissens. Offensichtlich gebraucht er den Begriff der Rechtfertigung in einem
weiten Sinn, der eine spezielle philosophische Art der Rechtfertigung enthält. Diese kann
verstanden werden als eine Art der Entdeckung und Erforschung der notwendigen
Bedingungen oder impliziten Präsuppositionen unseres Bewußtseins der Welt, nicht mit der
Intention diese Präsuppositionen als Vorurteile zu kritisieren oder abzuschaffen, denn er
4 Helmuth Plessners Aufsatz ist in seinen Gesammelten Schriften gleich zweimal abgedruckt. In dem
ersten Abdruck "Bei Husserl in Göttingen" heißt es, Husserl sei der deutsche Idealismus "zuwider", in dem
zweiten Abdruck "Husserl in Göttingen" heißt es, er sei ihm "zum..." gewesen. Vgl. auch den Abdruck in:
Edmund Husserl 1859-1959.
betrachtet sie als unverzichtbar, sondern mit der Intention, sie explizit zu machen. Er
betrachtet diese Art philosophischer Aktivität als die "höchste denkbare Form der
Rationalität". Und die Einstellung, die dieser Aktivität unterliegt, ist nicht ein skeptischer
Zweifel, sondern ein Staunen über das Wunder unserer Weise, in der Welt zu sein und eine
Welt zu haben.
Husserls Untersuchungen und Reflexionen scheinen viel mit pragmatistischen Ideen
gemeinsam zu haben: nicht nur den Anti-Skeptizismus, Realismus und Anti-
Repräsentationalismus, sondern auch die Akzentuierung sozialer Kooperation, speziell die
soziale Perspektivität als eine Bedingung der Objektivität, die Idee einer
Forschungsgemeinschaft, die auf lange Sicht die Idee der Wissenschaft realisiert, eine
holistische Sicht des Bewußtseins oder auch die Annahme einer engen Verbindung zwischen
dem Verständnis der Begriffe der Wahrheit und Bestätigung. Sogar die nicht infallible
Methode der intentionalen oder Horizontanalyse läßt sich auf ähnliche Weise zum Beispiel als
Methode des Explizit-Machens in dem Hauptwerk Robert Brandoms finden.
3. Philosophie und die Probleme der Menschheit
Ruth Anna Putnam, die zuerst einige pragmatistische Schlüsselideen wie Interaktion,
Untersuchung, Konversation, Solidarität, Erfahrung und Praxis erwähnt, schreibt dann: "Ich
kann die Frage, was es heute heißt, eine Pragmatistin zu sein, nicht beantworten. Ich bin mir
nicht sicher, ob ich eine Pragmatistin bin oder was es bedeuten würde zu sagen, daß ich eine
bin. Daher möchte ich die Frage ändern. Lassen Sie mich versuchen zu sagen, was es heißt,
den Pragmatismus ernst zu nehmen."5 Aus diesem Grunde bezieht sie sich auf John Dewey,
der in der Einleitung zu seiner "Rekonstruktion der Philosophie" schreibt: "Die Philosophie
wird sich erholen, wenn sie aufhört, sich mit Problemen von Philosophen zu beschäftigen und
sich stattdessen um die Probleme der Menschen kümmert".6 Lassen wir die Frage, warum und
inwieweit Philosophen nicht zu den Menschen gehören beiseite und fragen, wie Husserl in
seiner Phänomenologie diese pragmatistische Aufgabe erfüllt. Zu diesem Zweck möchte ich
mich seinem späten Werk über die Krisis der europäischen Wissenschaften zuwenden.
Der Ausgangspunkt von Husserls unvollendeter Abhandlung, die zum Teil 1936 in der ersten
Nummer der Zeitschrift "Philosophia" in Belgrad erschien und zurückgeht auf Vorlesungen,
die er 1935 in Wien und Prag hielt, ist seine Beschreibung eines allgemeinen Gefühls der
Unzufriedenheit und des Unbehagens, das ganz verschiedene Leute in ganz verschiedenen
Kontexten artikulieren. Er interpretiert diese Gefühle als einen Ausdruck oder ein Sympton
5 Ruth Anna Putnam 2002, 7.
6 John Dewey 1958, 5.
einer verbreiteten Krise, und in den drei Teilen seiner Abhandlung bemüht er sich um eine
Diagnose dieser Krise, um eine Anamnese oder Genealogie und schließlich um eine Therapie.
Dabei ist überraschend, zumindest für diejenigen, die mit Husserls Obsession für die
Phänomenologie nicht vertraut sind, daß er seine persönliche Situation zum Zeitpunkt der
Vorlesungen mit keinem Wort erwähnt. Als Jude in Nazi-Deutschland hatte er die Erlaubnis
verloren, Vorträge innerhalb des Landes zu halten und die Einrichtungen seiner ehemaligen
Universität zu benutzen. Husserl scheint sich gar nicht für diese politischen und persönliche
Gründe für Unbehagen und Unzufriedenheit zu interessieren. In seiner Genealogie der Krise,
die ihm zufolge nicht nur die Natur- und Geisteswissenschaften betrifft, sondern auch die
Europäische Kultur und Menschheit insgesamt, interessiert er sich für einen weiter
zurückliegenden Ursprung dieser negativen Gefühle und dafür, von der Oberfläche dieser
Gefühle weiter nach ihrem tieferen Ursprung zu fragen, der seiner Meinung nach nur
gefunden werden kann durch einen Rückgang in die Geschichte. Seine Diagnose dieser
kontinuierlichen Krise, in der Positivismus, Relativismus und Skeptizismus eine wichtige
Rolle spielen als objektive, aber ebenso oberflächliche Symptome der Krankheit, ist -
zumindest - dreifältig. Es gibt erstens einen Verlust an Realität, zweitens einen Verlust an
Gemeinschaft und drittens einen Verlust an Sinn. - Im folgenden möchte ich nur einige
Bemerkungen zu dem Verlust an Realität machen, vor allem, weil dieses uns zurückführt zu
meinen Reflexionen in den ersten beiden Teilen.
Wie viele seiner Zeitgenossen beobachtet Husserl die Artikulation eines verbreiteten Gefühls,
einer Furcht vor Unwirklichkeit, eine eigentümliche Art von Ungewißheit mit Blick auf die
Realität der Welt. Zwei von unzähligen Belegen dafür sind der Chandos-Brief von Hugo von
Hofmannsthal und Robert Musils "Mann ohne Eigenschaften", in dem dieser Situationen oder
Ereignisse untersucht, in denen irgendwann irgendwas wirklich zu werden scheint. Ein Teil
dessen, was Husserl in seiner Abhandlung versucht, besteht darin, ein historisches Narrativ
anzubieten mit der Intention, die Gründe und Ursachen dieses verbreiteten Gefühls von
Unwirklichkeit zu entdecken. Seiner Ansicht zufolge sind schlechte Arten von Philosophie
verantwortlich für die Ungewißheiten oder sogar Zweifel mit Blick auf die Realität. Und er
versucht im Detail zu zeigen, wie auf Descartes naturalistischen Objektivismus, seinen
Repräsentationalismus und seinen methodologischen Zweifel zum einen die rationalistische
Annahme folgt, daß die wirkliche Welt die Welt der mathematischen Physik ist, zum anderen
die skeptisch empiristische Annahme, die in Berkeleys Empirismus kulminiert, daß die
wirkliche Welt die Welt von Sinnesdaten und Ideen sei. Was diese beiden, Rationalismus und
Empirismus, trennt, ist das, was sie als reale Realität betrachten, aber was sie gemeinsam
haben ist die Ansicht, daß die wirkliche Realität nicht die Welt ist, in der wir leben, unsere
alltägliche Lebenswelt, die Husserl zufolge die Basis ist, von der die metaphysische
Spekulationen ebenso wie die empirischen Wissenschaften ausgehen, in der sie arbeiten, auf
die sie immer zurückkommen müssen und auf die sie sich permanent verlassen. Die
Philosophen nach Descartes scheitern nach Husserl alle dabei, unseren natürlichen Glauben
an die Realität der Lebenswelt zu akzeptieren und anzuerkennen, die dennoch für sie
unverzichtbar ist. Und sie scheitern an der Entwicklung einer plausiblen Konzeption der
Intentionalität, dank derer wir unproblematischen Zugang zu der Realität haben, in der wir
leben. Entsprechend ist die Therapie sozusagen von homöopathischer Art: Philosophie hat der
europäischen Menschheit die Krankheit gebracht und nur Philosophie in Form der
Phänomenologie ist fähig, sie zu heilen. Daher haben seine phänomenologische Geschichte
der Philosophie, seine Konzeption der Intentionalität, seine Konzeption philosophischer
Rechtfertigung und seine Theorie der Lebenswelt zusammen die Funktion, diese sekundären,
philosophie-induzierten Zweifel zu zerstören, das Vertrauen in die Realität der Welt, in der
wir leben, zurückzugeben und uns mittels sozialer Kooperation innerhalb der
phänomenologischen Gemeinschaft zu zeigen, wie unser Glaube an die Existenz der
gemeinsamen Lebenswelt möglich und warum er legitim ist.
Ich weiß nicht, ob Dewey dies als die richtige Art philosophischer Problemlösung betrachten
würde, weil es Husserl nur um den speziellen Fall geht, daß die Probleme der Menschen, um
die sich die Philosophie Dewey zufolge kümmern sollte, Probleme sind, die wiederum durch
und zwar schlechte Arten von Philosophie selber in die Welt kamen. Aber auf eine umwegige
Weise können Husserls historische Reflexionen vielleicht zeigen, was geschieht, wenn
Philosophen Probleme behandeln, die nur Philosophen mit der Realität haben, und nicht die
wirklichen Probleme der Menschen.
4. Die Priorität der Lebenswelt
Eine Überzeugung, die alle Pragmatisten zu verbinden scheint, ist die Überzeugung, daß
Praxis eine gewisse Priorität oder einen Primat vor der Theorie hat. Es gibt aber viele
verschiedene Arten von Priorität, viele Arten der Praxis und daher auch viele Arten des
Pragmatismus. Bislang habe ich zwei Weisen vorgestellt, wie man die Prioritätsthese
interpretieren könnte. Die erste war, daß philosophische oder theoretische Zweifel, die unsere
alltäglichen Überzeugungen und die Annahme betreffen, daß diese einer philosophischen
Rechtfertigung bedürftig sind, nicht ernstgenommen werden sollten. Wie wir gesehen haben,
verteidigt Husserl diese Position, aber er beschreibt sie nicht als eine Priorität der Praxis,
sondern als die Priorität oder Unverzichtbarkeit der Lebenswelt und der natürlichen
Einstellung. Dies scheint plausibel zu sein, weil er glaubt, daß die natürliche Einstellung
beides enthält: das Theoretische und das Praktische, und weil er glaubt, daß auch Philosophie
eine spezielle Form von Praxis ist, nämlich eine theoretische Praxis. Die zweite Weise der
Interpretaton des Prioritätsanspruchs bestand darin, daß Theorie oder Philosophie nicht
Probleme erfinden, sondern die wirklichen, nämlich praktischen Probleme der Menschen
lösen sollte. Dieses ist sicher ein wertvoller und vielleicht letzter, aber sicher nicht der einzige
Zweck der Philosophie. Warum kann es nicht einen dritten Weg geben, in dem Philosophie
weder darauf beschränkt wird, die Probleme von Menschen zu lösen, die oder insofern sie
keine Philosophen sind, noch in die Irrtümer verfällt, die Pragmatisten und Phänomenologen
gleichermaßen kritisieren?
Es gibt viele deskriptive und normative Lesarten der Priorität-der-Praxis-These: daß Praxis
eine notwendige Bedingung der Theorie ist und daß sie ontologisch oder genetisch früher ist
als die Theorie, zum Beispiel in dem Sinn, daß wissen, daß stets wissen, wie voraussetzt; oder
daß Praxis ist oder sein sollte der Zweck von Theorie, eine These, die der von Dewey
nahekommt; oder daß Praxis hat oder sollte haben Priorität bei der Explanation oder
Explikation; außerdem kann es Kombinationen dieser Sichtweisen geben.
Weiter kann auch die Differenz zwischen Praxis und Theorie verschiedene Lesarten haben.
Erstens können beide unterschieden werden durch ihre Zwecke: in der Praxis ist mein Zweck,
die Welt meinen Intentionen korrespondierend zu machen, in der Theorie ist mein Zweck,
meine Überzeugungen der Welt korrespondierend zu machen oder zu entdecken, was wahr
über sie ist. So müssen wir zwei Arten von Praxis oder intentionaler, absichtlicher Tätigkeit
unterscheiden: die praktische Praxis und die theoretische Praxis. In diesem Fall würde die
Prioritätsthese beschränkt auf den Bereich der Praxis selber: praktische Praxis würde in
irgendeinem Sinn als früher betrachtet als die theoretische Praxis. Zweitens könnten wir
unterscheiden Praxis als zweckhaftes Verhalten sowohl in praktischem als auch theoretischen
Sinne von sub-intentionalen Handlungen und von der Theorie als bloßem Besitz von
Überzeugungen, egal wie wir zu ihnen gekommen sind. So kann Theorie entweder verstanden
werden als die theoretische Praxis des Versuches, wahre Überzeugungen oder Wissen zu
erwerben, oder als der Besitz wahrer oder falscher Überzeugungen oder als beides. Und
Praxis kann entweder als intentionales oder sub-intentionales Verhalten verstanden werden.
Doch was wir gerade in unserer theoretischen Praxis säuberlich unterschieden haben, ist in
der Realität eng verwoben. Praktische Praxis, nämlich der Versuch, die Realität unseren
Intentionen entsprechend zu gestalten, erfordert Theorie, nämlich im Sinn von
Überzeugungen über die Situation und im Sinn der theoretischen oder sub-intentionalen
Praxis des monitoring oder Kontrollierens dessen, was wir dabei sind zu tun. No action
without perception, feed-back and proprioception. Keine Spontaneität ohne Rezeptivität. Auf
der anderen Seite erfordert Theorie in beiderlei Sinne mannigfaltige praktische Praktiken:
zum Beispiel komplizierte Experimente oder einfach eine Bewegung des Körpers oder sogar
nur der Augen. No perception without action.7
Daher könnte es eine gute Idee sein, die übliche pragmatistische Kritik von Dualismen (von
Fakten und Werten, Fakten und Theorien, Fakten und Interpretationen, Mittel und Zielen,
Analytischem und Synthetischem) auch auf den Dualismus von Theorie und Praxis selber
anzuwenden anstatt den Dualismus zwischen ihnen aufrechtzuerhalten und auf ihm zu
insistieren. In jedem Fall ist es nicht selbstverständlich, wie und warum innerhalb der
Unterscheidung das eine, nämlich die Praxis, hat oder haben sollte Priorität vor dem anderen,
nämlich der Theorie. Sie sind beide notwendig für das menschliche Leben, sie sind
unverzichtbare Momente eines Ganzen und sie sind wechselseitig voneinander abhängig.
Aber es könnte noch einen anderen Grund geben, die Priorität-der Praxis-These in frage zu
stellen. Zu diesem Zweck möchte ich mich abschließend Martin Heidegger zuwenden, der
eine Variante dieser These in seiner Analyse der Umweltlichkeit in "Sein und Zeit" entwickelt
hat. Aber er verteidigt sie nicht im Ganzen. Der Grund ist, daß er Theorie und Praxis als
Weisen des Verstehens auf der einen Seite und Stimmungen und Emotionen als Weisen der
Befindlichkeit auf der anderen Seite ebenfalls als wechselseitig voneinander abhängig
betrachtet. Er scheint sogar der These zugeneigt, daß wir die primäre Entdeckung der Welt
unseren Stimmungen verdanken und daß unsere Zwecke auf verschiedene Weisen umrissen
oder vorgezeichnet werden durch unsere Stimmungen und Emotionen. Außerdem macht er
aufmerksam auf das Faktum, daß nicht alle Probleme von Menschen im Prinzip durch Mittel
der Praxis gelöst werden können. In seiner Vorlesung "Die Grundbegriffe der Metaphysik.
Welt-Endlichkeit-Einsamkeit", die er im Winter 1929/30 gehalten hat, versucht Heidegger -
wie Husserl - eine Diagnose des verbreiteten Gefühls des Unbehagens und der
Unzufriedenheit in den ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts zu geben. Aber wie nicht anders
zu erwarten, differieren ihre Diagnosen. Heidegger kritisiert die Kulturphilosophen seiner
Zeit, explizit Spengler, Klages, Scheler und Ziegler und deren Diagnose der gegenwärtigen
Situation. Obwohl deren Ansichten im Detail differieren, versuchen sie alle, die Probleme der
Menschen ihrer Zeit als einen Konflikt zwischen Leben und Geist oder Seele und Geist zu
identifizieren, ein Dualismus, der Heidegger zufolge seinen theoretischen Ursprung in
7 Vgl. Alva Noe 2004.
Nietzsches Beschreibung des Dualismus zwischen dem Dionysischen und Apollinischen hat.
Was daran falsch ist und ebenso an den Annahmen des Neukantianers Ernst Cassirer, ist
Heidegger zufolge, daß Menschen und Kultur in Begriffen der Expression, Objektivation oder
Symbolisierung als typischen Aktivitäten des Geistes oder Verstandes begriffen werden. Das
aber ignoriert nach Heidegger die Möglichkeit, daß Individuen, denen es gelingt, etwas
auszudrücken, daran scheitern, sich selber auszudrücken oder sich selber in den öffentlichen
Expressionen wiederzufinden.8
Für Heidegger besteht die Krankheit der Zeit nicht im Scheitern der Versöhnung von Leben
oder Seele auf der einen Seite und Geist oder Expression auf der anderen Seite, sondern in
einer anderen Form der Selbstentfremdung, die als Symptom die Stimmung der Langeweile
produziert.9 Der Ursprung der tiefsten und gewöhnlich unbemerkten Form der Langeweile ist
in seiner Sicht nicht in speziellen Situationen zu finden, sogar nicht primär in der
langweiligen Welt als Ganzer, sondern in der gelangweilten Person selber. Wenn die
öffentlichen Bedeutsamkeiten ihre persönliche, existentielle Bedeutung verloren haben, wenn
alle Expressionen das Individuum nicht mehr affizieren oder berühren oder ergreifen, wenn es
nichts mehr gibt, woran ihm wirklich liegt, dann breitet sich eine Form fundamentaler
existentieller Indifferenz und und lähmendes Desinteresse aus, eine Leere und Distanz
gegenüber der Welt, an die diejenigen, die an der Langeweile leiden, dennoch gebunden
bleiben und in der sie sich auch weiterhin expressiv engagieren. Obwohl also, wie Heidegger
es beschreibt, das Dasein in einem Sinne präsent ist in den öffentlichen Expressionen und
Rollen, ist es zur selben Zeit in einem anderen Sinne abwesend darin, weil es ihm, indem es
etwas ausdrückt, nicht gelingt, sich selber darin auszudrücken.10
Ich kann hier weder Heideggers Versuch diskutieren, diese Arten von Langeweile einsichtig
zu machen durch Rückgang auf die verschiedenen temporalen Modi, die ihr zugrundeliegen,
noch die Möglichkeit einer philosophischen Diagnose oder Therapie der Probleme der
Menschen. Wie im Fall von Husserl und Dewey könnte es gute Gründe dafür geben, daran zu
zweifeln, daß philosophische Lehnstuhlbemühungen überhaupt hinreichend oder geeignet
sind, diese Aufgabe zu erfüllen. Was für meine Zwecke wichtig ist, ist nur, daß nach
Heidegger keine theoretischen oder praktischen Anstrengungen, sondern nur ein Wechsel der
Stimmung durch eine andere Stimmung, die nicht intentional herbeigeführt werden kann, von
8 Vgl. Merker 1989, 220ff, 234ff.
9 Mich interessiert hier nicht die Frage nach der Richtigkeit der Heideggerschen Diagnose, die bereits für
weite Teile des 19. Jahrhunderts als "epochenbestimmte Erscheinung wachsende thematische Relevanz"
(Wolfgang Preisendanz 1963, 166 Anm. 47) angenommen hat, aber auch als kontextunabhängige Beschreibung
des Phänomens gelesen werden kann. 10
Heidegger, GA 29/30, 104, 112, 235-242.
der Krankheit der Langeweile heilen kann. - Vielleicht aber würden die Pragmatisten, speziell
Dewey, auch in diesem Fall auf der Priorität der Praxis bestehen und die Produktion
artifizieller Mittel empfehlen mit dem Zweck einer Veränderung der Stimmung zur Lösung
der Probleme der Menschen. Aber ich weiß nicht, was ihre Einstellung sein würde.
Zusammengefaßt: es erscheint plausibler für mich, eine andere Prioritätsthese anzunehmen,
die nicht zu den Problemen führt, auf die ich gerade hingewiesen habe. Mein Vorschlag ist
einfach, die vage Priorität der Praxisthese durch die These der Priorität der Lebenswelt zu
ersetzen. Auf diese Weise würden wir eine unnötige und problematische Reduktion oder ein
Ranking der Pluralität unserer menschlichen Kapazitäten vermeiden. Dieses schließt freilich
nicht aus, daß zwar nicht absolut, wohl aber mit Blick auf bestimmte Belange die Ausübung
einer bestimmten Fähigkeit wichtiger ist als die von anderen.
Der Zweck meiner Überlegungen bestand darin, Phänomenologie in Kontakt mit dem
Pragmatismus zu bringen und die Priorität der Praxisthese zu problematisieren. Das Ergebnis
ist, daß Phänomenologie und Pragmatismus - entgegen dem ersten Anschein - viele
Überzeugungen teilen, vielleicht noch mehr, als ich hier präsentieren konnte. So ist es
vielleicht eher eine Sache terminologischer Präferenzen und philosophischer Biographien, ob
wir eine bestimmte Art der Philosophie pragmatisch oder phänomenologisch nennen.
Literatur
Brandom, Robert: Heidegger's Categories in Sein und Zeit, in: Tales of the Mighty Dead.
Historical Essays in the Metaphysics of Intentionality. Cambridge/Mass. 2002, 298-323.
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Putnam, Ruth Anna: Taking pragmatism seriously, in: Putnam (1) 7-13.
Barbara Merker, Frankfurt/M
Phenomenology and Pragmatism
The early phenomenologists Edmund Husserl and Martin Heidegger are not famous as
defenders of pragmatism. Presumably, they had not sufficient knowledge about it.
Nevertheless, the Heidegger of "Being and Time" is often interpreted as a pragmatist, but
what seems to be impossible is to bring the thoroughly Cartesian philosopher Husserl in any
connection with pragmatistic ideas. In what follows I just want to do this. In the first part I
describe an inner tension in the philosophy of Husserl, who under the cover of cartesian
rhetoric hides assumptions and presumptions which coincide with those of many of the
pragmatists. In the second part I will explain Husserl`s non-cartesian concept of fundamental
philosophical justification. In the third part I want to show in what sense Husserl fulfills the
pragmatistic task of solving the problems of men. And in the fourth and last part I try to
understand and, partly by referring to Heidegger, criticize the pragmatistic priority-of-practice
thesis.
1. Husserl`s implicit pragmatism
The prominent position of Descartes in the philosophy of Husserl is expressed in the title of
his late work "Cartesian Meditations", first published in French in 1931. The title is not only
due to the fact that this work goes back to the lectures Husserl was invited to hold in Paris in
1929 in the famous Amphithéatre Descartes. In most of his works Descartes plays an
important though ambivalent role: in his treatise about the "Crisis of European Sciences"
Descartes is praized as the father of the insight into the importance of the ego cogito and
transcendental philosophy, and he is blamed as the initiator of a naive naturalistic objectivism
and scientific realism who was responsible for the transportation of Galileis conception of
nature into philosophy. What Husserl especially accentuates with sympathy in his
"Meditations" is Descartes' idea of a kind of fundamental philosophical justification necessary
for our everyday beliefs, for the assumptions of the different sciences as well as for
philosophy itself. With this cartesian rhetoric in view, however, the reader is or should be
surprised to find a lot of reflections which do not seem to fit this Cartesian make-up at all.
First of all Husserl repeats again and again that the basis and starting point of philosophy
has to be the so-called "natural attitude". As one constitutive feature of this natural attitude he
regards the fact that we self-evidently believe in what we experience until we have reasons to
doubt it. One of his famous examples for this kind of natural attitude, for a primary belief in
what is experienced and the beginning of a doubt, can be found in Husserl`s report of his visit
in a wax works in Vienna (and Berlin) where he first noticed with pleasure a woman waving
her hand, but when approaching her had to realize with disappointment that he was mistaken
and that it was not a woman, but only a wax figure. In the natural attitude, according to
Husserl, we begin to doubt when a disharmony, a conflict, a discrepancy is disturbing our
normally harmonious experiences, when the anticipation or presumption involved in every
experience is not intuitively confirmed. In this case a correction of the belief held before may
be required. But even when the reality of a particular object is questioned or rejected as an
illusion or hallucination this can be done only against the background of a continuing
certainty concerning the reality of the world in general. Doubts can be only local, never
global.
Secondly Husserl does not only describe the natural attitude in this manner; he also regards
it as completely legitimate. In his view we are entitled to believe in what we experience as
long as there are no evidences for the possibility that we are wrong. In any case we have no
reason to doubt that Husserl regards the natural attitude as completely justified and in no need
of a special philosophical justification at all. Besides that Husserl claims explicitly that not
only the relative evidences of our everyday life but also those of the different sciences with
their stronger requirements of justification do not need philosophy to become entitled to be
called knowledge. So we can summarize: There is no need of a fundamental justification by
means of philosophy neither in the frame of our lifeworld or commonsense beliefs nor in the
frame of the different sciences.
Thirdly Husserl criticizes again and again the assumption that we have immediate access
only to inner representations of the world, to ideas, cogitata, noemata or sense-data, from
which we have to find our way to reality by inferences or other mental means. Because he
takes it to be self-evident that our intentions normally reach the world immediately he regards
proofs of the existence of the external world to be as senseless as universal or partial, real or
methodological sceptical doubts.
For this reason we must finally understand his epoché not in the sense of its historical
inventors as an instrument of the skeptics, who doubted the possibility of knowledge and
recommended to retain from any claims by means of the epoché with the intention to avoid
error and reach ataraxia. As a constitutive instrument of phenomenology the epoché is a way
of bracketing, disconnecting or putting out of play the claims (positions) of our natural
attitude, and it has the single task of directing the intentionality of our natural attitude away
from the (intended) external world and towards the phenomena or appearances or noemata.
But the epoché is a refraining from belief "which is compatible with the unshaken conviction
of truth". Insofar, Husserl claims, the epoché leaves everything exactly as it is. Contrary to the
assumptions of the skeptics Husserl´s holistic epoché becomes possible and necessary for his
purposes just because we are normally intentionally directed to the world and therefore have
to do something to cut off this connection.
Now, with these four basic assumptions in view it is not so surprising that Husserl on one
side claims that his phenomenology might be called "Neo-Cartesianism", but on the other side
emphasizes that phenomenology is "compelled to reject almost the whole content of Cartesian
philosophy".11
What he feels compelled to reject is the Cartesian representationalism, the
Cartesian skepticism and the prescription of a universal methodological doubt - at least once
in life. But these rejections presuppose assumptions which he defends as self-evident and
legitimate and which are just those assumptions which connect him with some of the
pragmatists: direct realism, critique of skepticism and the assumption that real doubts require
vivid reasons.12
2. Wondering, not doubting. - Fundamental philosophical justification in what sense?
With the four anti-cartesian convictions in view it must seem strange that Husserl nevertheless
insists on the philosophical project of fundamental, even transcendental justification. On one
side he claims that neither our commonsense beliefs nor our scientific assumptions need or
require such a fundamental philosophical justification. He even claims that it is not only not
necessary to justify them philosophically, but also impossible to do this. And he does not give
a single example of a philosophical justification intended to fulfill this function, namely to
give reasons for taking a certain belief to be true or for taking some or all beliefs to be true.
11
Husserl, Cartesianische Meditationen § 1. 12
Nach Hilary Putnam sind dies genau die Kriterien, die konstitutiv für den Pragmatismus sind. 1994,
151ff; 1995; 2002.
On the other side he declares the whole project of phenomenology as consisting in nothing but
such a fundamental philosophical justification. But what is it then that such fundamental
philosophical justification is good or apt or used for? How does this seemingly cartesian
project of fundamental philosophical justification fit into the anti-cartesian assumptions
Husserl uses to emphasize continuously? - To understand that Husserl does not simply
contradict himself and to show that both of his claims are compatible it is helpful to have a
look at what he does when he does not only use the cartesian rhetoric but gives us at least
some hints, outlines or recipes for the practice of fundamental justification.
First of all what Husserl calls justification are different kinds of activities which take place
in the unnatural attitude of the epoché or phenomenological reduction. This is important
because it excludes any interest in the truth or falsity of our beliefs or in their correspondance
with reality. For this reason the different kinds of justifying acitivies are directed to different
moments of the bracketed structure of intentionality. What he wants to show is that the
different moments of the bracketed structure of intentionality: the ego, the different kinds of
intention, the abstract or concrete object-senses, phenomena or noemata are not contingently
organized and standing merely disconnectedly side by side, but are bound and bound together
by essential structures or relations.
So the threefold phenomenological method: the reflexion, the phenomenological epoché
and the free variation as a means to eidetic reduction is presupposed by or implied in the
method which he uses to acquire these different kinds of essential laws and which he calls
"intentional analysis" and "horizonal analysis" starting with a certain object-sense, for
example "black cube". Intentional analysis or horizonal analysis is the procedure of making
explicit what is implicit in the object-senses. Each object-sense according to Husserl has an
horizon or entails possibilities which we can explicate and unfold. Husserl, of course, is not
interested in the special explication of particular object-senses, particular intentional attitudes,
their particular relations to each other and to particular egos, but in their essences. Partly in
virtue of our being embodied, of being able to establish customs, habits and habitualities and
so acquiring senso-motorical skills - as Husserl emphasizes in his genetic phenomenology like
many pragmatists do - and of being able to cooperate with others we have an implicit
knowledge of these essential laws which makes it intelligible that it is impossible for us to
ever meet something completely unfamiliar.
What is implicit in the object-sense "black cube" for example is that it is a spatio-temporal
object, a sense which ought to be unfolded further and thus, as Husserl believes, enables
philosophy to develop the regional phenomenology of nature and to provide the natural
sciences with cleared concepts. Further on what is implicit in the sense "spatio-temporal
object" are also its relations to different kinds of intentional attitudes and their relations to
each other and to an ego with a diachronic identity: for example that a present spatio-temporal
object cannot be perceived as a whole but only partially and successively, that it can be
perceived by others as well, that somebody`s looking at or going around the object excludes
others having the same perspective, that perception requires anticipation and memory and an
embodied ego with the ability to move, that if there had been other perceptions there would
have been other memories and so on. So, if there are spatio-temporal objects - and Husserl
does not doubt that there are some - they must fulfill these essential laws. But it would be
misleading to reduce intentional analysis to the procedure of analysing concepts or of drawing
material inferences from the object-senses, because Husserl believes that all this cannot be
done in separation from intuition.
With his project of intentional analysis Husserl tries to combine the rationalistic search for
the essential structures and relations of entities, the construction of formal and regional
ontologies and region-constitutive concepts on one side with the empiristic question of Hume
how it is possible and intelligible that we have consciousness of objects, of identical objects at
all and even of somethings which are not present but absent. Husserl writes that he wants to
make intelligible how "object-unities can become intended and how this marvellous work of
constituting identical objects is done in the case of each category of objects". Surprisingly
Husserl now switches from the language of intentional analysis (in)to the language of
transcendental constitution and seems to defend a sort of subjective idealism. But as we
should not take too seriously his cartesian rhetoric we should not take too seriously his
idealistic rhetoric as well. The question he wants to answer is the Humean question how it is
possible that we have consciousness of identical objects and the world at all. - As Helmuth
Plessner reports he and Husserl once walked home from a seminar to Husserl's house. When
they arrived at the door of the garden Plessner asked him what he thought about the relation of
his phenomenology to Fichtes Wissenschaftslehre. According to Plessner Husserl answered
with emphasis: "I have always detested the German Idealism. All my life I was looking for
reality." And while saying this he draw his thin walking stick with the silver gripp, bent
forward and pushed the tip of the stick into the post of the door. Obviously, so Plessner, the
walking stick represented the intentional act and the post its fulfillment.13
Now we can answer the question why Husserl on one side argues that everyday beliefs
like scientific beliefs do not require philosophical justification at all and on the other side
nevertheless insists on it. The kinds of philosophical justification he has in mind do not give
reasons for taking our beliefs to be true; he just accepts perception, memory, testimony and so
on as normal sources of knowledge. Obviously he uses the concept of justification in a wide
sense, entailing a special kind of philosophical justification. This can be understood as a sort
of discovering and inquiring the necessary conditions or implicit presuppositions of our
consciousness of the world, not with the intention to criticize or abolish these presuppositions
as prejudices, for he regards them as indispensable, but with the intention to make them
explicit. He regards this kind of philosophical activity as the "highest imaginable form of
rationality". And the attitude which underlies this acitivity is not a skeptical doubt but a
wondering about the miracle, marvel and mystery of our common way of being in the world.
Husserl`s inquiries and reflections seem to have much in common with pragmatistic ideas:
not only the anti-skepticism and anti-representationalism, but also the accentuation of social
cooperation, especially of social perspectivity as a condition of objectivity, the idea of a
community of researchers trying to realize in the long run the idea of science, a holistic view
of consciousness or even the assumption of a close connection between the understanding of
the concept of "truth" and confirmation. Nevertheless I am skeptical if pragmatists would
appreciate his not infallible method of intentional analysis as a legitimate method of a special
kind of justification, namely philosophical justification, but I am not sure about it.
3. Philosophy and the Problems of men
Ruth Anna Putnam, who first mentions some pragmatistic key ideas like interaction, inquiry,
conversation, solidarity, experience and practice, then writes: "I cannot answer the question,
'What does it mean today to be a pragmatist?' I am not sure whether I am a pragmatist or what
it would mean to say that I am one. So, I want to change the question. Let me try to say what
13
Helmuth Plessners Aufsatz ist in seinen Gesammelten Schriften gleich zweimal abgedruckt. In dem
ersten Abdruck "Bei Husserl in Göttingen" heißt es, Husserl sei der deutsche Idealismus "zuwider", in dem
zweiten Abdruck "Husserl in Göttingen" heißt es, er sei ihm " zum..." gewesen. Vgl. auch den Abdruck in:
Edmund Husserl 1859-1959.
it means to take pragmatism seriously".14
And that is why she refers to John Dewey who in
the Introduction to his "Reconstruction in Philosophy" writes: "Philosophy will recover itself
when it ceases to deal with the problems of philosophers and addresses the problems of
men."15
- Let us put aside the question why and in how far philosophers do not belong to men
and ask whether and how Husserl in his phenomenology fulfils this pragmatistic task. For this
purpose I want to turn to his late work about the crisis of the European sciences.
The starting point of Husserl's unfinished treatise which was partly published in 1936 in
the first number of the Journal "Philosophia" in Belgrade and goes back to lectures he gave in
Vienna and Prague in 1935 is his description of a general feeling of unsatisfaction and
uneasiness articulated by quite different people in quite different contexts. He interpretes
these feelings as an expression or symptom of a widespread crisis, and in the three parts of his
treatise he tries to offer a diagnosis of the crisis, an anamnesis or genealogy, and finally a
therapy. It may be, by the way, surprising, at least for those who are not familiar with
Husserl`s obsession with phenomenology, that he does not even mention his personal
situation when he gave the lectures. As a Jew in Nazi-Germany he had lost the permission to
give talks inside the country and to use the facilities of his former university. Husserl,
however, does not seem to be interested at all in these political and personal reasons for
feeling uncomfortable. In his genealogy of the crisis, which according to him does not only
concern the sciences and humanities, but also the European culture and mankind in general,
he is interested in earlier originated subjective feelings and in going beyond the mere surface
of these feelings of uneasiness and looking for their deeper origin which in his view can be
found only by looking back to history. His diagnosis of the continual crisis, in which
positivism, relativism and skepticism play an important role as objective, but superficial
symptoms of the disease, is - at least - threefold. There is first a loss of reality, second a loss
of community and third a loss of sense. - In the following I want to make only some remarks
concerning the loss of reality, mainly because this leads us back to my reflections in the
preceding parts.
As many of his contemporaries Husserl observes the articulation of a widespread feeling
or fear of unreality, a strange sort of uncertainty regarding the real world. Two well-known of
unnumerous expressions of this are the Chandos-letter by Hugo von Hofmannsthal and Robert
Musil`s "Man without Properties" where he inquires situations or events in which after all
14
Ruth Anna Putnam 2002, 7. 15
Dewey 1958, 5.
anything appears to become reality. Part of what Husserl tries to do in his treatise is to offer a
historical narrative with the intention to discover the reasons and causes of this widespread
feeling of unreality. In his view bad kinds of philosophy are responsible for the uncertainties
or even doubts concerning the reality. And he tries to show in detail how Descartes´
naturalistic objectivism, his representationalism and his methodological doubt is followed by
the rationalistic assumption that the real world must be the world of mathematical physics and
by the skeptical empiristic assumption culminating in Berkeleys idealism, that the real world
is the world of sense impressions and ideas. What separates them is what they regard as real
reality, but what they have in common is the view that the real reality is not the world we live
in, our everyday lifeworld which according to Husserl is the basis from which the
metaphysical speculations as well as the empirical sciences start, are working in, have to
come back to and on which they permanently rely on. They all fail in Husserl´s view in
accepting and recognizing our everyday belief in the reality of the lifeworld which is
nevertheless indispensible for them. And they fail in developping a plausible conception of
intentionality in virtue of which we have unproblematic access to the reality we live in.
Accordingly his therapy is so to say of a homeopathic kind: philosophy has brought the
disease into European mankind and only philosophy in the form of phenomenology is able to
cure it. So his phenomenological history of philosophy, his conception of intentionality, his
conception of philosophical justification and his theory of the lifeworld altogether have the
function to destroy those secondary doubts, to give back the trust into the reality we live in
and to show us by means of the social cooperation within the phenomenological community
how our belief in the common lifeworld is possible.
I do not know whether Dewey would regard this as the right kind of philosophical
problem solving because it concerns the special case that the problems of men which
philosophy should take care of are problems which came into the world by (bad kinds of)
philosophy itself. But in a roundabout way Husserl`s historical reflections may show what
happens when philosophers treat problems only philosophers have with reality and not the
real problems of men.
4. The Priority of the Lifeworld
One conviction which seems to connect all pragmatists is the conviction that practice has a
certain priority or primacy over theory. But there are many kinds of priority, many kinds of
practice and theory and therefore many kinds of pragmatism, too. Up to now I have presented
two ways of interpreting the priority thesis. The first was that philosophical or theoretical
doubts concerning our everyday beliefs and the assumption that these need philosophical
justification should not be taken seriously. As we have seen Husserl defends this position, but
he does not describe it as a priority of practice, but as the priority or indispensibility of the
life-world and the natural attitude. This seems to be plausible because he believes that the
natural attitude entails both: the theoretical and the practical, and because he believes that
philosophy is a special form of practice too, namely a theoretical practice. The second way of
interpreting the priority claim was that theory or philosophy should not invent problems but
solve the real, namely practical problems of men. This seems to be a worthy and perhaps
ultimate, but not the only purpose of philosophy. Why can`t there be a third way in which
philosophy is neither restricted to solving the problems of men who are not philosophers nor
falling into the errors pragmatists and phenomenologists use to criticize alike?
There are many descriptive and normative readings of the priority-of-practice claim: that
practice is a necessary condition of theory and that it is ontological or genetical prior to
theory, for instance in the sense that knowing that presupposes knowing how; or that practice
is or should be the purpose of theory, which is similar to the claim of Dewey; or that practice
has or should have priority in explanation or explication; and there may be combinations of
this.
Further the difference between practice and theory can have different readings too. Firstly
both can be distinguished by their purposes: in practice my purpose is to make the world
correspond to my intentions, in theory my purpose is to make my beliefs correspond to the
world or to discover what is true about it. Thus we have to distinguish two kinds of practice or
intentional, purposive activity: practical practice and theoretical practice. In this case the
priority thesis would be restricted to the realm of practice itself: practical practice would be
regarded as prior to theoretical practice. Secondly we might distinguish practice as purposive
behaviour both in the practical and theoretical sense from more sub-intentional actions and
from theory as the mere possession of beliefs no matter how we arrived at them. So theory
can be either understood as the theoretical practice of attempting to acquire true beliefs or
knowledge or as the possession of true or false beliefs or as covering both. And practice can
be understood either as intentional or more sub-intentional behaviour.
What we have just neatly distinguished in our theoretical practice is however interwoven
in reality. Practical practice, namely the attempt to make reality correspond to our intentions,
requires theory, in the sense of having beliefs about the situation and in the sense of the
theoretical or sub-intentional practice of monitoring or controlling what we are doing. No
action without perception and proprioception. On the other side theory in both senses requires
varieties of practical practices. It may require complicated experiments or just moving the
body or even only the eyes. No perception without action.
Thus, it might be a good idea to apply the usual pragmatistic critique of dualisms (of facts
and values, facts and theories, facts and interpretations, of means and ends, of analytic and
synthetic) to the dualism of theory and practice as well instead of maintaining and insisting on
the dualism between the two. It is, in any case, not self-evident how and why within the
distinction the one, namely practice, has or should have priority over the other, namely theory.
They are both necessary for human lives, they are indispensable moments of a whole and they
are mutually dependant. In another deeper sense, however, we might argue as normative
linguistic fundamental pragmatists (like Brandom) do that practical abilities and skills, a
practical knowing how is ontological and explanatory prior to all kinds of concept-involving
theoretical or practical intentional attitudes. May be the priority thesis can be justified in this
fundamental sense, but even in this case our fundamental practical knowing how requires
certain sorts of theoretical feed-back.
But there may be another, quite different reason to question the priority-of -practice thesis.
For this purpose I finally want to turn to Martin Heidegger who defends one sort of this thesis
in his analysis of environmentality in "Being and Time". But he does not defend it on the
whole. The reason is that he regards theory and practice as ways of understanding on one side
and moods and emotions as ways of Befindlichkeit (state of mind) on the other side as
mutually dependant too. He even seems to favour the theses that we owe the primary
discovery of the world to our moods and that our purposes are outlined or framed
(vorgezeichnet) in several ways by our moods and emotions. Besides that he pays attention to
the fact, that not all problems of men can in principle be solved by means of practice. In his
lecture "Die Grundbegriffe der Metaphysik. Welt-Endlichkeit-Einsamkeit" held in winter
1929/1930 Heidegger tries - like Husserl - to give a diagnosis of the widespread feelings of
unsatisfaction and uneasiness in the first decades of the 20th century. But as to expect their
diagnosis differ.
Heidegger criticizes the philosophers of culture of his time, explicitly Spengler, Klages,
Scheler and Ziegler and the diagnosis they give of the actual situation. Though their views
differ in detail they all attempt to identify the problems of men at their time as a conflict
between life and spirit or soul and spirit, a dualism which according to Heidegger has its
theoretical origin in Nietzsche´s description of the dualism between what he calls "das
Dionysische" and "das Apollinische". What is wrong with their assumptions as well as with
those of the Neo-Kantian Ernst Cassirer is to understand men and culture in terms of
expression, objectivation or symbolisation as the typical activities of spirit or understanding.
This approach, however, in the view of Heidegger, ignores the possibility that individuals
who try to express something might fail in expressing themselves or in re-finding themselves
in the public expressions.16
For Heidegger the disease of his time does not consist in the failure of reconciling life or
soul on one side with spirit or expression on the other side but in a different form of self-
alienation which produces as its symptom the mood of boredom. The origin of the deepest
and usually unnoticed form of boredom is in his view not to be found in special sitations, even
not primarily in the boring world as a whole but in the bored person herself. When the public
significances have lost their personal, existential meaning, when all the expressions do not
affect or touch or seize the individual any more, when there remains nothing one might really
care about then a form of fundamental existential indifference and desinterest, an emptiness
and distance towards the world is spreading to which those suffering from boredom
preconsciously remain nevertheless bound to or even expressively engaged in. So, as
Heidegger decribes it, though the Da-sein is in one sense present in the public expressions and
roles it is at the same time absent in them, because in expressing something it does not
succeed in coming to the surface of the expressions herself.17
I can neither discuss here Heidegger`s attempt to make these kinds of boredom intelligible
by going back to different temporal modes nor the possibility of a philosophical diagnosis of,
influence on or even therapy of the problems of men. As in the case of Husserl and Dewey
there may be good reasons to doubt that philosophical armchair-efforts are sufficient or apt at
all to do that kind of job. What is important for my purpose is only that according to
Heidegger no theoretical or practical efforts, but only a change of mood by another mood
which cannot be brought about intentionally can cure from the disease of boredom. - May be
16
Merker 1991, 220ff, 234ff. 17
Heidegger GA 29/30, 104, 112, 235-242.
the pragmatists, especially Dewey, would even in this case insist on the priority of practice
and recommend the production of artificial means with the purpose of changing the mood and
thus solving the problems of men. But I do not know what their attitude would be.
To sum up: it appears more plausible to me to adopt a different priority-thesis which does
not lead to the problems I have just tried to point to. My proposal is simply to replace the
vague priority-of-practice thesis by the thesis of the priority-of-the-lifeworld. Thereby we
would avoid an unnecessary and problematic reduction or ranking of the plurality and the
richness of our human capacities. This does, of course, not exclude that not absolutely, but
relative to certain respects the exercise of a certain capacity may be more important than that
of others.
The purpose of my paper was to bring phenomenology in contact with pragmatism and to
question to some extend the priority-of-practice thesis. What I found was that phenomenology
and pragmatism have much in common, and even more than I could present here and now.
This result may lead us to a supposition analogous to that of John Stewart Mill concerning the
relation of his utilitarianism to the traditional kinds of ethics. As Mill assumed that the
principle of utility was implicit in all previous moral philosophies so we might assume that
the principles of pragmatism - perhaps even contrary to what the pragmatists themselves used
to believe - are more or less hidden in many if not all kinds of philosophy and that it is even
only a matter of terminological preferences and philosophical origin, whether we call a certain
style of philosophy "pragmatistic" or "phenomenological".
Literatur
Dewey, John: Reconstruction in Philosophy. New York 1958.
Heidegger, Martin: Die Grundbegriffe der Metaphysik. Welt-Endlichkeit-Einsamkeit, GA
29/30, 103-116.
- Sein und Zeit. Tübingen 1976.
Husserl, Edmund: Cartesianische Meditationen. Eine Einleitung in die Phänomenologie.
Hamburg 1977.
- Die Krisis der europäischen Wissenschaften und die transzendentale Phänomenologie.
Husserliana VI. Haag 1976.
Merker, Barbara: Konversion statt Reflexion. Eine Grundfigur der Philosophie Martin
Heideggers, in: Forum für Philosophie (Hg.), Martin Heidegger: Innen- und Außenansichten.
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Plessner, Helmuth: Bei Husserl in Göttingen, in: Plessner: Gesammelte Schriften IX.
Frankfurt/M 2003, 344-354.
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