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Deutsch Bewegt: Vorstellen – Darstellen – Verstehen
Dramapädagogische Förderung der Vorstellungsbildung bei
Schüler/innen nicht-deutscher Muttersprache
Masterarbeit
zur Erlangung des akademischen Grade
einer Magistra der Philosophie
an der Karl-Franzens-Universität Graz
vorgelegt von
Magdalena Irene DORNER
am Institut für Germanistik
Begutachterin: Ao.Uni.-Prof. Mag. Dr. phil. Sabine Schmölzer-Eibinger
Graz, 2010
Vorwort Ich möchte mich bei VDir. MAS Friedl-Graber und VDir. Loretto bedanken, dass ich an ihren
Schulen meine Untersuchung durchführen durfte. Weiters gilt mein großer Dank den
leitenden Pädagog/inn/en der dritten Klassen, die mich in meinem Vorhaben unterstützt
haben sowie den Schüler/innen, die mit großem Engagement teilnahmen.
Zudem möchte ich mich bei Prof. Peltzer-Karpf und Prof. Paletta bedanken, die mir
Anregungen und Hilfestellungen leisteten.
Ein großer Dank gilt Prof. Schmölzer-Eibinger, die mir diese Untersuchung ermöglicht und
mich stets bei meinem Vorhaben bestärkt, unterstützt und gefördert hat – vielen lieben
Dank!
Abschließend möchte ich mich bei denjenigen bedanken, die mich privat unterstützt haben:
Bei Marlies, mit der ich Erfahrungen austauschen konnte, und die mir eine große Stütze war.
Bei Mauro, der mir immer Mut gibt und mich liebevoll in meinen Vorhaben bestärkt, grazie!
Bei meinen Brüdern Elias und Simon, die mir auf graphischer Ebene aushalfen und mir
wunderschöne Bilder zauberten, danke euch beiden!
Bei meinem Vater, der für mich die schönen Fotos gemacht hat und mich stets unterstützt.
Mein größter Dank gilt meiner Mutter, die mir mit so viel Liebe, Geduld und Fürsorge
beigestanden ist, eine kritische Leserin und Gesprächspartnerin war und mir zu jeder Zeit
helfend beiseite steht, Danke!
Inhaltesverzeichnis
1 Einleitung 1
2 Vorstellungsbildung 3
2.1 Vorstellung 3
2.2 Vorstellung und Sprache 6
2.2.1 Vorstellung und Zeichen 7
2.2.2 Vorstellung und Wortbedeutung 10
2.3 Bildung der Vorstellung 12
2.3.1 Neurobiologie 13
2.3.2 Gestaltpsychologie 15
2.3.3 Kognitionspsychologie 16
2.3.4. Psychoanalyse 17
2.3.5 Rezeptionsästhetik 18
2. 4 Vorstellungsbildung in der Didaktik 19
2.4.1 Vorstellungsbildung im Literaturunterricht 20
2.4.2 Imaginatives Lernen 22
3 Bewegung 25
3.1 Bewegung von Anfang an 25
3.2 Bewegung und Sprache 28
3.2.1 Voraussetzungen für den Spracherwerb 32
3.2.2 Bewegung, Sprache und Vorstellung 37
3.3 Bewegt lernen 39
3.3.1 Sprachförderung über Bewegung 40
3.3.2 Bewegte DaZ-Förderung 43
4 Spiel 46
4.1 Merkmale und Funktionen des Spiels 46
4.2 Formen des Spiels 51
4.3 Spiel und Sprache 52
4.4 Lernen durch Spiel 55
4.5 Das Spiel im Unterricht 58
4.5.1 Spiel im Lehrplan österreichischer Volksschulen 59
5 Dramapädagogik 65
5.1 Dramapädagogik: Begriffsklärung 65
5.2 Entstehungsgeschichte 67
5.3 Vorstellung in der Dramapädagogik 71
5.4 Bewegung in der Dramapädagogik 72
5.5 Spiel in der Dramapädagogik 73
5.6 Dramapädagogik im Unterricht 73
5.6.1 Lernrelevante Aspekte der Dramapädagogik 74
5.6.2 Aufbau einer dramapädagogischen Unterrichtseinheit 75
6 Deutsch bewegt 79
6.1 Grundlage 80
6.2 Hypothesen, Fragestellungen 86
6.3 Untersuchungsdesign 86
6.3.1 Ausgewählte Bewegungsverben 88
6.3.2 Lückentext 89
7 Lehr- und Lernmethoden 91
7.1 Deutsch bewegt: Vorstellen – Darstellen – Verstehen 91
7.1.1 Unterrichtsphasen 92
7.1.2 Turnunterricht ist Sprachunterricht 97
7.2 Lese- und Schreibunterricht 97
7.2.1 Sätze-Puzzle 98
7.2.2 Schreibaufgabe 100
7.3 Faktor Zeit 101
8 Ergebnisse 102
8.1 Untersuchung zur Effektivität der Lehr- und Lernmethoden 102
8.1.1 SPSS Vorzeichentest 102
8.1.2 SPSS Varianzanalyse 103
8.1.3 Zusammenfassung 105
8.1.4 Überprüfung der Hypothesen 106
8.1.5 Diskussion der Ergebnisse 108
8.2 Untersuchung auf Wortebene 112
8.2.1 Ergebnisse 113
8.2.2 Ergebnis der dramapädagogischen Bewertungsaufgabe 116
8.2.3 Zusammenfassung 118
8.2.4 Antworten auf Forschungsfragen 119
8.2.5 Diskussion der Ergebnisse 120
8.3 Untersuchung zu Leistungsunterschieden nach Muttersprache 120
8.3.1 Ergebnis der Unterschiede zwischen beiden Gruppen 121
8.3.2 Antwort auf die 3. Forschungsfrage 122
9 Resümee 123
10 Didaktische Konsequenzen 125
Literaturverzeichnis 128
Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Semiotisches Dreieck 8
Abb. 2: Beispiel zum semiotischen Dreieck 8
Abb. 3: Zeichenmodell Saussure 9
Abb. 4: Zeichenmodell Saussure 9
Abb. 5: Untersuchungsablauf der Interventionsgruppe (IG) 87
Abb. 6: Untersuchungsablauf der Kontrollgruppe (KG) 88
Abb. 7: Prä- und Posttest 90
Abb. 8: Vorstellungsbildung über das Darstellen 92
Abb. 9: Klangholz für erste Aufwärmübung 94
Abb. 10: Aufgabe der IG, Auswertungsbogen 96
Abb. 11: Vorstellungsbildung über das Lesen und Schreiben 98
Abb. 12: Sätze-Puzzle 99
Abb. 13: Schreibaufgabe der KG 100
Abb. 14: Varianzanalyse, statistischer Vergleich der zwei Untersuchungsgruppen
zu beiden Messzeiten 105
Abb. 15: Punktevergleich der IG und KG zu beiden Messzeitpunkten 106
Abb. 16: IG Wortauswertung, erster Messzeitpunkt 114
Abb. 17: IG Wortauswertung, zweiter Messzeitpunkt 116
Abb. 18: Ergebnisse der IG-Aufgabe 117
Abb. 19: L1-Leistungsvergleich 122
EINLEITUNG ____________________________________________________________________
1
1 Einleitung
Vorstellungskraft ist wichtiger als
Wissen, denn Wissen ist begrenzt.
(Albert Einstein)
Die Fähigkeit, sich etwas vorstellen zu können, ist bestimmend für menschliches Denken
und Handeln. Ohne die Vorstellungsgabe würden wir Menschen ausschließlich im Hier und
Jetzt leben, könnten nicht Zukünftiges planen, Vergangenes nicht reflektieren und müssten
auf vieles verzichten, was uns als Menschen charakterisiert. Ein Mittel, dessen sich der
Mensch bedient, um seine Vorstellungen anderen mitzuteilen, ist Sprache.
Die Wörter einer Sprache stehen symbolhaft für außersprachliche Realität und
bedürfen bei ihrer Produktion und Rezeption gemeinsamer Regeln und Konventionen. Um
sprachliche Zeichen verstehen und aktiv verwenden zu können, bedarf es der Fähigkeit, mit
diesen abstrakten Zeichen eine Vorstellung zu verbinden. Erst über diese konkrete,
individuelle Vorstellung wird sprachlichen Zeichen ‚Leben eingehaucht’, erhalten sie also
ihren Sinn.
Um Vorstellungskraft geht es auch in dieser Arbeit und zwar im doppelten Sinn: die
gedankliche - im Sinne der Imagination - und die körperliche - im Sinne des Darstellens, des
Theaters. Theater spielen, Wörter darstellen, Wörter vorstellen, Wörter bewegen, Wörter
ausprobieren, hypothetische Wort-Bedeutungen mit anderen diskutieren und eigene
Vorstellungen zu diesen Wörtern kreieren, dies sind bestimmende Elemente in dieser
Untersuchung. Dieser Zugang zu Wort-Bedeutungen – im konkreten Fall zur Bedeutung von
Verben der Bewegung - über eine aktive, körperliche, sinnlich-ästhetische, emotionale und
kognitive Auseinandersetzung mit diesen, wird Kindern mit Migrationshintergrund
angeboten. Diese Auseinandersetzung mit Wortbedeutungen soll vom Vorstellen zum
Darstellen führen, und das aktive Handeln mit dem eigenen Körper soll den Erwerb der
Zweitsprache fördern. Sprache wird über die Darstellung bewegt und belebt, und
umgekehrt veranlasst die Beschäftigung mit Sprache die Kinder zur aktiven Bewegung.
Die vorliegende Arbeit lässt sich in zwei Teile gliedern, den theoretischen und den
empirischen. Am Beginn wird die Vorstellung aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet,
auf ihre Verbindung mit der Sprache eingegangen sowie das Potenzial für den (Deutsch-)
Unterricht besprochen. Im Anschluss daran folgt die Betrachtung der Bewegung als wichtige
Fähigkeit eines gesunden Menschen, die den Zugang zur Welt eröffnet und die ihn auch die
EINLEITUNG ____________________________________________________________________
2
Bedeutung von Wörtern ‚erfassen’ und ‚begreifen’ lässt. Von der Bewegung führt der Weg
hin zum Spiel, welches ebenfalls in Verbindung mit dem Erkunden der Umwelt steht. Das
Spiel ist für die Entwicklung des Menschen auch deshalb so bedeutsam, weil Spielen mit
großer Vorstellungsarbeit verbunden ist. Gerade für kleine Kinder ist das Spiel eine Art der
Weltaneignung. Bewegung, Spiel und die Vorstellungsarbeit werden gebündelt in der
Dramapädagogik.
Jedes Kapitel des ersten Teils dieser Arbeit – Bewegung, Spiel, Dramapädagogik -
versucht eine Brücke zu Vorstellung und Sprache sowie zum Erlernen von Sprache zu schlagen,
um das jeweilige Potenzial für die Arbeit im Unterricht deutlich zu machen.
Der zweite Teil der Arbeit handelt von der konkreten Anwendung der
Dramapädagogik im Unterricht; Deutsch bewegt: Vorstellen – Darstellen - Verstehen. Mit
Schüler/innen nicht-deutscher Muttersprache der 3. Klasse Volksschule wurden elf
ausgewählte Bewegungsverben über dramapädagogische Methoden erarbeitet. Durch
angeleitetes Vorstellen und Darstellen sollte es zu einem verbesserten Wortverständnis
kommen. Schüler/innen mit nicht-deutscher Erstsprache haben gerade beim Einsatz von
adäquaten Bewegungsverben – also auf dem Gebiet der sprachlichen Realisierung
dynamischer Prozesse - in der Zweitsprache Deutsch oft große Probleme. Diesen Problemen,
welche im Besonderen durch eine Sprachstandserhebung in Wiener Volksschulen (vgl.
Peltzer-Karpf 2006) dokumentiert sind, sollte mit dramapädagogischen Methoden begegnet
werden. Eine Kontrollgruppe (ebenfalls Schüler/innen nicht-deutscher Muttersprache)
beschäftigte sich mit denselben ausgewählten Bewegungsverben, ihr Zugang zur
Bedeutungserschließung wurde methodisch jedoch ausschließlich über das Lesen und
Schreiben (Lese- und Schreibaufgabe) gestaltet.
Mit statistischen Auswertungsverfahren wird die Wirksamkeit der beiden Lehr- und
Lernmethoden im Vergleich untersucht. Betrachtungen auf der Wortebene – nämlich der
aktiven Anwendung der Verben – bieten Einblick in die Schwierigkeiten von jungen DaZ-
Lernenden beim korrekten Einsatz der Bewegungsverben. Zuletzt wird ein Blick auf
Leistungsunterschiede zwischen Schüler/innen mit unterschiedlichen Erstsprachen in den
beforschten Gruppen geworfen.
Mit der Untersuchung Deutsch bewegt: Vorstellen – Darstellen – Verstehen verbindet
sich das Anliegen, Schüler/innen nicht-deutscher Erstsprache beim Erlernen des Wortfeldes
gehen/bewegen zu unterstützen und damit Schwierigkeiten bei der Beschreibung von
dynamischen Prozessen zu verringern. Als „Nebenprodukt“ dieser Untersuchung wird eine
Unterrichtseinheit vorgestellt, die ohne großen Aufwand im regulären Unterricht eingesetzt
und nach Bedarf an die jeweilige Zielgruppe angepasst werden kann.
VORSTELLUNGSBILDUNG ___________________________________________________________________________
3
2 Vorstellungsbildung
„Alles, was an Großem in der Welt geschah,
vollzog sich zuerst in der Phantasie eines
Menschen, und wie die Welt morgen aussehen
wird, hängt in großem Maß von der
Einbildungskraft jener ab, die gerade jetzt lesen
lernen.“
(Astrid Lindgren)
In diesem Kapitel soll zuerst der Begriff der „Vorstellung“ näher beleuchtet und definiert
werden. Weiters soll der Zusammenhang zwischen Vorstellung und Zeichendekodierung
sowie der Wortbedeutung thematisiert und behandelt werden. Danach soll der Frage
nachgegangen werden, wie Vorstellungsbilder zustande kommen und welchen Einfluss die
Vorstellungsbildung auf die Lektüre von literarischen Texten haben kann. Abschließend soll
erläutert werden, welche Möglichkeiten und Chancen für den Deutschunterricht insgesamt
und den Literaturunterricht im Besonderen entstehen, wenn Vorstellungsbildung aktiv
gefördert und unterstützt wird.
2.1 Vorstellung
Die vorliegende Untersuchung trägt den Untertitel „Förderung von Vorstellungsbildung bei
Schüler/innen nicht-deutscher Muttersprache“. So erhebt sich zunächst die Frage, was
„Vorstellung “ überhaupt bedeutet. 1
Der Begriff „Vorstellung“ wird im täglichen Sprachgebrauch sehr häufig, beinahe
inflationär und in recht unterschiedlicher Weise gebraucht. Im wörtlichen Sinn bezeichnet
„vorstellen“ den Vorgang, bei dem man etwas vor sich hinstellt, sei es aus räumlicher oder
zeitlicher Perspektive. Es wird eine Sache oder eine Handlung gezeigt, die folglich auch für
andere in Erscheinung tritt. Das Wort „Vorstellung“ bezeichnet auch die öffentlichen
Aufführungen im Rahmen eines künstlerischen Betriebes wie Oper, Theater etc.; es wird in
einer „Vorstellung“ etwas zur Schau gestellt und jemandem anderen damit zugänglich
1 In unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen, besonders jedoch in der Philosophie, beschäftigt man sich seit jeher und nach wie vor mit dem zentralen Begriff der Vorstellung. In dieser Arbeit ist es nicht möglich, all dies darzustellen. Schon die Begriffsgeschichte macht deutlich, wie konträr die Ansichten zu diesem Terminus sein können.
VORSTELLUNGSBILDUNG ___________________________________________________________________________
4
gemacht. In der Begriffsgeschichte der Bezeichnung „Vorstellung“ lässt sich keine eindeutig
gleich bleibende Bedeutung erkennen, da Begriffe wie „Vorstellung“, „Phantasie“,
„Imagination“ und „Einbildungs(kraft)“ von verschiedenen Autoren zum Teil synonym und
zum Teil sehr unterschiedlich interpretiert und konnotiert werden. (Vgl. Kehl 2002, 46)
Da dieses Wort mit so unterschiedlichen Bedeutungen gefüllt wird, aber täglich in
Verwendung ist, ist es schwierig, sich von „Vorstellung“ eine genaue Vorstellung zu
machen. Daher folgt der Versuch einer klaren Definition.
Zuerst die Begriffbestimmung aus einem gängigen Nachschlagewerk - dem Duden:
Er beschreibt „Vorstellung“ als „in jemandes Bewusstsein auftretendes, nicht auf unmittelbarer
Wahrnehmung beruhendes Abbild der Wirklichkeit; Bild, das sich jemand in seinen Gedanken von
etwas macht“ (Duden 2010, 1066).
Konkreter definiert der Psychologe Walter PERRIG „Vorstellung“ wie folgt:
„Vorstellungen beziehen sich auf das subjektive Erleben oder die Erfahrung, in der der Mensch
glaubt, konkrete Dinge oder Ereignisse ‚innerlich’ zu ‚sehen’, zu ‚hören’ oder zu ‚spüren’, sobald er
sich gedanklich mit ihnen auseinandersetzt, ohne daß die Dinge auch wirklich und real vorhanden
sind“ (Perrig 1988, 12). Demnach können Menschen mit Hilfe ihrer Vorstellungsgabe sich
Dinge und Ereignisse vergegenwärtigen, auch wenn diese momentan nicht präsent sind -
Vorstellungen ermöglichen das Imaginieren von derzeit nicht gegenwärtigen Dingen und
Sachverhalten. Vorstellungen verbinden daher auch Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
aus der Perspektive des erlebenden Subjekts. Mit Hilfe der Vorstellung ist es möglich,
Abwesendes zu vergegenwärtigen oder sich über räumliche und zeitliche Gegebenheiten
hinweg an andere Orte und in andere Zeiten versetzen zu können. Sie erlauben die
Antizipation der Zukunft sowie auch die Reflexion der Vergangenheit genauso wie
Vorgänge der Gegenwart; somit können Vorstellungen vergangenheits-, gegenwarts- und
zukunftsbezogen sein. (Vgl. Kehl 2002, 294)
Vorstellungen haben mit sensorischen Erfahrungen zu tun. Etwas, was man bereits gesehen,
gehört, gespürt etc. hat, wird mit Hilfe des ‚geistigen Auges’ erneut angeschaut und
betrachtet. PERRIG meint dazu, dass „die Basis von Vorstellungen sinnesspezifische
Repräsentationen eines entsprechenden Wahrnehmungsvorganges sind. Im Falle der visuellen
Vorstellung wäre dies die repräsentierte visuelle Information, die gespeicherten Bilder also“ (Perrig
1988, 30).
Die spezielle Fähigkeit sich Dinge vorstellen zu können scheint dem Menschen
vorbehalten zu sein. So betont der russische Neuropsychologe Alexander LURIJA, dass alle
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5
höheren Erkenntnisfunktionen des Menschen auf Verwendung innerer Zeichen basieren2.
Wenn dies nicht der Fall wäre, so würden wir lediglich im Hier und Jetzt leben und wären
nicht in der Lage, über Zukünftiges sowie Vergangenes zu reflektieren oder es zu
imaginieren. (Vgl. Schnotz 1999, 34). Somit ist die Fähigkeit zur Vorstellung grundlegend für
unser menschliches Denken und Handeln.
Ausgangsbasis für die Vorstellung ist die Tätigkeit des Vorstellens; insofern
bezeichnet der Begriff der „Vorstellung“ zugleich den Prozess sowie sein Produkt: das
Vorstellungsbild. Voraussetzung für das Vorstellen ist die Fähigkeit zur Repräsentation - die
Vorstellungskraft.
Vorstellungen können diverse Funktionen in alltäglichen Situationen erfüllen, wie die
der Wahrnehmung, des Denkens, Träumens, Handelns, Spielens, Erfindens oder Gestaltens.
Vorstellungen können willentlich hervorgebracht werden und somit als Anschauungs- oder
Orientierungsmittel beim Denken und Handeln dienen. Dieser Aspekt könnte sich gerade im
Hinblick auf die Didaktik als bedeutsam erweisen.
Vorstellungen werden aber nicht nur auf bewusster Ebene produziert und erlebt,
sondern auch unbewusst und unwillkürlich, wie zum Beispiel bei einem plötzlichen Einfall
oder einer Erinnerung, einem Traumbild, einer Wahnvorstellung.
Vorstellungen beziehen sich auf ein Objekt, welches sie auf unterschiedliche Weise
repräsentieren können; Vorstellungen können auch unterschiedlichen Charakter besitzen:
Vorstellungen können anschaulich oder begrifflich, konkret oder abstrakt sein, sie können
bildhaften oder zeichenartigen, individualisierenden oder verallgemeinernden Charakter
haben. Im weiteren Sinne bezeichnet der Begriff „Vorstellung“ jeden psychischen Inhalt (d.h.
Gedanken, Bilder, Empfindungen, Begriffe etc.), der als relativ selbstständige Einheit im
Bewusstsein (bzw. im Unbewussten) erscheint. Im engeren Sinne bezeichnet „Vorstellung“
dagegen das anschauliche innere Bild, das ein Moment der Reproduktion oder Bearbeitung
enthält. (Kehl 2002, S. 292 f.)
Vorstellungen sind aber nicht nur innere Bilder, sondern betreffen auch alle Sinnesorgane –
so können sie sich auch in Gesichts-, Gehör-, Geschmacks-, Geruchs-, und Tastvorstellungen
2 Dabei kann sich die Frage stellen, mit welchen internen Zeichen der Mensch beim Wissenserwerb operiert. Die meisten Psychologen gehen davon aus, dass es so etwas wie eine „innere mentale Sprache“ gibt. Wie diese Sprache aber auszusehen hat und ob dem Prozess des Vorstellens mentale Depiktionen (innere Bilder) zugrunde liegen, darüber wurden in der Wissenschaft heftige Kontroversen ausgetragen. Mittlerweile liegen Befunde aus der Neurologie und der Hirnforschung vor, die die Existenz von internen Depiktionen bestätigen. So ist bekannt, dass bei Menschen, Primaten und Pavianen einige visuelle Felder der Hirnrinde derart organisiert sind, dass sie die Struktur des auf der Netzhaut des Auges erzeugten Erregungsmusters bewahren. Weiters ist bekannt, dass visuelle Wahrnehmungen auf den gleichen neuronalen Mechanismen des Gehirns basieren wie visuelle Vorstellungen. Beobachtungen von Patienten mit Hirnverletzungen zeigen, dass diese an Wahrnehmungsdefiziten und in der Folge an entsprechenden Vorstellungsdefiziten leiden. (Vgl. Schnotz 1999, 34f.)
VORSTELLUNGSBILDUNG ___________________________________________________________________________
6
äußern. Es kann somit zu visuellen, akustischen, gustatorischen, olfaktorischen, taktilen oder
auch motorischen Vorstellungen kommen, deren gemeinsame Grundlage die sinnliche
Wahrnehmung ist.
Im Kontrast aber zu der Wahrnehmung, bei der man mit den äußeren Sinnen
wahrnimmt, ist die Vorstellung Gegenstand des ‚inneren Sinns’. Um sich ein Objekt
vorstellen zu können, das zeitlich oder räumlich nicht gegenwärtig ist, muss das Gehirn eine
vorangegangene Wahrnehmung ‚wiederbeleben’ und dies beruht auf einer meist
unbewussten Nachahmung eines Wahrnehmungsvorganges. Vorstellungen gehen aber nicht
nur auf Wahrnehmungen zurück oder ahmen diese nach, sie sind eigentlich grundlegend für
die Wahrnehmung. Demnach strukturieren einzelne Vorstellungen als Gedächtnisinhalte die
Wahrnehmung vor und vereinigen in der Funktion des Sensus communis3 die verschiedenen
Sinneseindrücke zu einem sinnlichen Gesamteindruck.
Vorstellungen gehören zur individuellen Perspektive des Subjekts und lassen sich
nur begrenzt an andere vermitteln. Die persönliche Vorstellungswelt bildet einen wichtigen
Teil der subjektiven Identität, welche aber auch gesellschaftlich konstituiert und vermittelt
wird. Das bedeutet, dass die individuellen Vorstellungen durch die Dinge gebildet werden,
die uns umgeben - der Welt also, in der wir als handelnde Subjekte unsere Erfahrungen
machen, und das ist eine Sache unserer Kultur und Gesellschaft. Der gesellschaftliche
Charakter der Vorstellungen drückt sich in den äußeren, materiellen Bildern, die unsere
Vorstellung prägen aus und im Besonderen in der Sprache, mit deren Hilfe wir unsere
Vorstellungen überhaupt erst bezeichnen und anderen vermitteln können. (Vgl. ebd., 293ff.)
2.2 Vorstellung und Sprache
Das Wesen der Sprache, die Beziehung zwischen Sprache, Wirklichkeit und Denken –
weiter gespannt auch der Konnex von Wort und Vorstellung - beschäftigt seit der Antike
die Menschheit und Sprachphilosophie. Es bildeten sich unter anderem Kontroversen
darüber, was das eigentliche Wesen der Sprache sei, ob sie naturgegeben oder durch
Übereinkunft, also über Konvention entstanden sei. (Vgl. Klann-Delius 2008, 3) Die
Korrelation zwischen dem Bezeichnenten, der jeweiligen Bezeichnung und der damit
verbundenen Vorstellung findet sich in vielen philosophischen und wissenschaftlichen
Ansätzen wieder. Darüber hinaus findet man in diversen Sprachmodellen und
3 Der Sensus communis kann nach Aristoteles nicht als ein zusätzlicher sechster Sinn angesehen werden, vielmehr vereint er widersprechende Sinneseindrücke zu einem Gesamteindruck und erfüllt zugleich unterscheidende und urteilende Funktion. Es ist somit ein Vermögen, das den Sinnen selbst innewohnt. (Vgl. Kehl 2002, 314)
VORSTELLUNGSBILDUNG ___________________________________________________________________________
7
wissenschaftlichen Abhandlungen über die Zeichenhaftigkeit der Sprache und deren
Enkodierung oftmals den Begriff der Vorstellung wieder.
2.2.1 Vorstellung und Zeichen
Die menschliche Sprache ist ein Zeichensystem, mit dessen Hilfe die Sprachbenutzer
einander Aussagen über Dinge übermitteln, indem sie mittels Sprache auf sie verweisen.
Die Definition von „Zeichen“ besagt somit nichts anderes als „aliquid-stat-pro-aliquo“ (etwas
steht stellvertretend für etwas anderes). Zeichen werden somit in Relation mit etwas
anderem definiert. Der Gebrauch sprachlicher Zeichen ist eine essenziell und spezifisch
menschliche Eigenschaft (vgl. Pelz 2007, 39f.). In der traditionellen Zeichentheorie herrschte
jahrhundertelang Uneinigkeit, ob das Relatum des antiken „aliquid-stat-pro-aliquo“ als
konkretes Objekt oder im Sinne von Ideen als geistige Größe definiert werden kann.
Der britische Sprachwissenschafter und Übersetzer des „Tractatus logico-philosophicus“
Charles K. OGDEN und der britische Literaturkritiker Ivor RICHARDS betonen die
zweifache Deutungsmöglichkeit der Zeichenrelation – des „aliquid-stat-pro-aliquo“ – indem
sie darauf hinweisen, dass der Zeichen-Ausdruck einerseits auf die Zeichen-Bedeutung und
andererseits als auf die Gegenstände und Dinge der Welt verweisend definiert werden kann
(Vgl. Busse 2009, 24). Ihr semiotisches Dreieck - auch semantisches Dreieck oder triadisches
Dreieck genannt - beschreibt den Zusammenhang von Symbol, Gedanke oder Begriff sowie
Referent. Entscheidend für diesen Ansatz, dessen Grundideen sich bereits bei PARMENIDES
(ca. 540 – 470 v. Chr.) finden lassen, ist die Hypothese, dass zwischen Symbol (die
sprachliche Bezeichnung, Zeichenträger) und Referent (das konkret Bezeichnete,
Bezugsobjekt) keine unmittelbare Beziehung bestehe. Da es keine direkte Verbindung
zwischen Symbol und Referent gibt, bedarf es eines ‚Umweges’ über den begrifflichen
Inhalt des Wortes, welcher sich auf die Wirklichkeit bezieht. Demnach symbolisiert oder
repräsentiert der sprachliche Ausdruck den Inhalt eines Wortes, welcher wiederum den
Referenten abstrahiert (vgl. Bußmann 2008, 620).
Das Dreiecksmodell von OGDEN und RICHARDS ist dynamisch und stellt einen Prozess
dar, bei dem die Bedeutung eines sprachlichen Zeichens (zum Beispiel eines Wortes) nur
erfasst werden kann, wenn es von einem Zeichenbenützer verwendet wird und damit auf
einen außersprachlichen Gegenstand oder Sachverhalt hinweist. Das bedeutet, dass Wörter
nicht an sich und aus sich heraus etwas bedeuten, sondern erst im Sprachgebrauch
Bedeutung erlangen. Dies veranschaulicht die nicht durchgezogene Basislinie des Dreiecks,
sie macht deutlich, dass es keine naturgegebene logische Relation zwischen Bezeichnung
und dem Bezeichneten gibt. Vielmehr wird eine Bedeutungszuordnung erst über den
VORSTELLUNGSBILDUNG ___________________________________________________________________________
8
Prozess im Zeichenbenutzer garantiert, indem einem abstrakten Symbol ein reales
außersprachliches Bezugsobjekt zugeordnet wird (vgl. Pelz 2007, 45f.).
Abbildung 1: Semiotisches Dreieck
Bezogen auf ein konkretes Beispiel könnte dies bedeuten:
Abbildung 2: Beispiel zum semiotischen Dreieck
Die Beziehung zwischen dem Symbol und dem entsprechenden Objekt verläuft über eine
mentale Repräsentation des Objektes, den Gedanken oder Begriff. Erst über ein solches
geistiges Konzept wird die Zuordnung von Zeichen zu Objekten ermöglicht.4
4 Von diesem Grundgedanken, dass keine direkte Verbindung von Symbol und Referent besteht, geht auch der empirische Teil dieser Arbeit aus. Dabei handelt es sich aber eher um einen pragmatischen Aspekt, der bei den beiden Wissenschaftlern nicht thematisiert wird. In diesem Falle
VORSTELLUNGSBILDUNG ___________________________________________________________________________
9
Anders als bei dem dynamischen, triadischen Modell von OGDEN und RICHARDS
verhält es sich bei dem zeichentheoretischen Ansatz des Genfer Sprachwissenschaftlers
Ferdinand de SAUSSURE. Sein Modell ist dyadisch organisiert und besteht aus zwei Seiten
eines Zeichens: Ausdruck und Inhalt. Für die beiden Seiten des sprachlichen Zeichens (signe
linguistique) wählt er die Bezeichnungen „signifié“ und „signifiant“. Signifié steht für das
Bezeichnete, die Inhaltsseite des Zeichens und signifiant bezieht sich auf die Ausdrucksseite
des Zeichens (vgl. ebd., 45)
Abbildung 3: Zeichenmodell Saussure
Saussure definiert das sprachliche Zeichen wie folgt:
Das sprachliche Zeichen vereinigt in sich nicht einen Namen und eine Sache, sondern eine
Vorstellung und ein Lautbild. Dieses letztere ist nicht tatsächlicher Laut, der lediglich etwas
Physikalisches ist, sondern der psychische Eindruck dieses Lautes, die Vergegenwärtigung
desselben auf Grund unserer Empfindungswahrnehmung. (Saussure 1967 zitiert nach Busse
2009, 27).
Dies bedeutet, dass die grundlegende Zeichenrelation nur als Verbindung zwischen zwei
psychischen Akten, nämlich der Laut-Vorstellung (image acoustique) und der Inhalts-
Vorstellung (concept) zu sehen sei, wobei eine reziproke Evokation, ein gegenseitig Einander-
ins-Gedächtnis-Rufen, zwischen Inhalt und Ausdruck eines Zeichens besteht.
Abbildung 4: Zeichenmodell Saussure
soll die Vermittlung des Gedankens (des Bezugs, der Vorstellung) zu dem Symbol im Vordergrund stehen. Die Vorstellungsbildung zu bestimmten Wörtern, in dieser Untersuchung handelt es sich um ausgewählte Bewegungsverben, soll gezielt angeregt und gefördert werden. Dies soll zu einem besseren Wortverständnis und im Weiteren zu einem besseren Textverständnis führen und soll eine effizientere Wortrezeption sowie Wortproduktion ermöglichen.
VORSTELLUNGSBILDUNG ___________________________________________________________________________
10
Die Vorstellung von einem Gegenstand (concept) ist nicht der Gegenstand selbst, sondern der
Begriff und damit eine Abstraktion aus sämtlichen möglichen Realisierungen. „Image
acoustique“ ist nicht die tatsächliche Lautkette, sondern lediglich die psychologische Spur der
Lautkette, die Vorstellung von den Lauten also.
Das SAUSSUREsche Modell muss statisch gelesen werden und stellt die
Zusammengehörigkeit zwischen einem Namen und einer Inhalts-Vorstellung als einen
festen Zustand dar (vgl. Pelz 2007, 4ff.).
Der amerikanische Philosoph und Wissenschaftler Charles S. PEIRCE verlagert das
Zeichen – so wie SAUSSURE - vollständig ‚in den Kopf’ der Zeicheninterpreten. So werden
bei ihm die landläufig als „Zeichen“ bezeichneten Relationen zu Relationen im Geiste
(Kognition) selbst und somit zur elementaren Basis des Denkens (vgl. Busse 2009, 25). Er
meint dazu, dass ein Zeichen oder Repräsentamen etwas ist, „das für jemanden in irgendeiner
Hinsicht anstelle von etwas anderem steht. Es richtet sich an jemanden, d. h. es schafft im Geist jener
Person ein gleichwertiges (äquivalentes) Zeichen, oder vielleicht sogar ein weiter entwickeltes“
(Peirce, zit. n. ebd. 2009, 25). PEIRCE gilt als einer der ersten Wissenschaftler, der darauf
hinweist, dass das „äußerliche Zeichen“ niemals mit der gesamten Fülle seiner sinnlich
wahrnehmbaren Eigenschaften in die „steht für“-Relation zu dem anderen, auf das es
verweist, eingeht, sondern immer nur hinsichtlich bestimmter ausgewählter Aspekte (ebd.,
25).
2.2.2 Vorstellung und Wortbedeutung
Jedes Wort verallgemeinert bereits, jedes Wort drückt etwas Allgemeines – eine Abstraktion
- aus. Auf diesem verallgemeinernden Potenzial des Wortes basiert die Möglichkeit der
menschlichen Kommunikation mit Hilfe der Sprache, wie auch die Erkenntnisfunktion,
nämlich die Besonderheit der Sprache, Medium des Denkens zu sein. Die Bedeutung eines
jeden Lexems bezieht sich auf ein ganzes Spektrum von außersprachlichen Gegenständen,
auf Objekte der Realität. Die Bedeutung eines sprachlichen Zeichens umfasst aber
letztendlich nur jene Merkmale, die das abstrahierende Denken in einem Analyse- und
Syntheseprozess als charakteristisch und wesentlich für eine kategorielle Abgrenzung und
als elementar für eine bestimmte „Klasse“ erwogen hat. Eben jene Merkmale bilden den
begrifflichen Kern der Bedeutung sprachlicher Zeichen. Sie signalisieren folglich wichtige
und bedeutsame Merkmale des Bezeichneten - seien sie äußerer oder innerer Natur - als
begriffliche Einheit. Hierbei soll unter dem „Begriff“ jene gedankliche Einheit verstanden
werden, die der Sprachbenützer auch bei nichtterminologischer Verwendung eines
sprachlichen Zeichens mit diesem in Verbindung bringt. So grenzt sich zum Beispiel der
VORSTELLUNGSBILDUNG ___________________________________________________________________________
11
sprachliche Begriff „Pferd“ (Merkmale: Huftier – Gebrauchstier – wiehernd; Farbverteilung:
nicht gestreift als Abgrenzung zum Zebra) wesentlich von der deutlich differnzierteren
wissenschaftlich-zoologischen Definition der Sache Pferd ab.
Worte oder sprachliche Zeichen rufen auch individuelle Vorstellungen hervor; so
können beim Benützer bei der Verwendung des Begriffes „Pferd“ ganz persönliche
Assoziationen und Vorstellungen von äußeren Merkmalen hervorgerufen werden. Die
Wortbedeutung umschließt daher sowohl die Begriffs- als auch die
Vorstellungskomponente, da Vorstellung und Begriff weder in der Denkfähigkeit noch in
der Wortbedeutung voneinander zu trennen sind (vgl. Schippan 1975, 75).
In einem Lehrbuch zur marxistischen Philosophie heißt es zur Beziehung von
Vorstellung und Sprache:
Die Vorstellung ist ebenfalls ein sinnliches ganzheitliches Abbild der Objekte mit ihren
Eigenschaften und Beziehungen, jedoch im Unterschied zur Wahrnehmung kein unmittelbares
Abbild gegenwärtig auf die Sinnesorgane einwirkender Objekte, sondern ein reproduziertes
Wahrnehmungsbild früher wahrgenommener Objekte. Sie ist aber keine passive Reproduktion,
sondern besitzt noch größere bewußte Aktivität als die Wahrnehmung. Da sie nicht mehr
unmittelbar mit den Objekten verbunden ist, gestattet sie bereits eine gewisse
Verallgemeinerung. Das macht die Vorstellung zum Bindeglied zwischen Wahrnehmung und
Begriff und verbindet sie noch stärker mit dem Denken und der Sprache als die Wahrnehmung.
(Marxistische Philosophie zitiert nach ebd., 76)
Hier wird deutlich, welchen Stellenwert die Vorstellung in Bezug auf Sprache einnimmt. Sie
wird zum Bindeglied zwischen der Wahrnehmung und dem Begriff und ist elementar für
das Denken und die Sprache. Über die Vorstellung erhalten Wörter - abstrakte Symbole -
ihren Sinn; das zuvor angeführte semiotische Dreieck verdeutlicht diesen Prozess.
In der traditionellen Semasiologie (Bedeutungslehre) überwiegen psychologische
Bedeutungsbestimmungen, sowohl aus individual-psychologischer wie auch ethno-
psychologischer Sicht. Max HECHT meint dazu recht deutlich: „Bedeutungen sind
Vorstellungen“ (Hecht zitiert nach Schippan 1984, 137). WELLANDER merkt an: „die
Bedeutung eines Wortes ist die Vorstellung, die ein Individuum mit diesem Wort verbindet.“
(Wellander zitiert nach ebd., 137). Weiters formuliert Paul HERMANN, deutscher Germanist
und Sprachwissenschaftler, dass man „unter usueller Bedeutung den gesamten
Vorstellungsinhalt“ verstehen kann, „der sich für den Angehörigen einer Sprachgenossenschaft mit
einem Worte verbindet (Hermann zitiert nach Busse 2009, 33).
Für einen kurzen Exkurs in die Psychologie und weiter in die Psycholinguistik soll der
russische Psychologe Lew Semjonowitsch WYGOTSKI zu Wort kommen. In seinem posthum
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12
erschienenen Werk „Denken und Sprechen“ heißt es zu der Beziehung zwischen Sprache
und Vorstellung/Denken unter dem Aspekt der Wortbedeutung:
Wir haben diese Einheit, die die Einheit von Denken und Sprechen in der einfachsten Form
widerspiegelt, in der Bedeutung des Wortes gefunden. Die Wortbedeutung ist eine solche nicht
mehr weiter zerlegbare Einheit beider Prozesse, von der nicht mehr gesagt werden kann, ob sie
ein Phänomen der Sprache oder ein Phänomen des Denkens darstellt. Ein seiner Bedeutung
entkleidetes Wort ist kein Wort: es ist ein leerer Klang; folglich ist die Bedeutung ein
notwendiges, konstituierendes Merkmal des Wortes selbst. Es ist das von der Innenseite
betrachtete Wort. Somit scheint es hinreichend begründet, die Bedeutung als Phänomen der
Sprache anzusehen. Aber psychologisch ist die Wortbedeutung eine Verallgemeinerung oder
ein Begriff. Verallgemeinerungen und Wortbedeutungen sind Synonyme. Jede
Verallgemeinerung aber, jede Begriffbildung ist ein spezifischer und unbestreitbarer Denkakt.
Folglich sind wir berechtigt, die Wortbedeutung als Phänomen des Denkens zu betrachten. [...]
Die Wortbedeutung ist nur insofern ein Phänomen des Denkens, als der Gedanke mit dem
Wort verbunden und im Wort verkörpert ist – und umgekehrt. (Wygotski 1971, 293)
Nach WYGOTSKI kommt Wortbedeutung überhaupt erst durch einen gedanklichen Bezug
zustande. Gedanke und Sprache stehen in enger Beziehung miteinander und sind
konstituierend für die Bedeutung des Wortes. Ein Wort ohne Bedeutung stellt lediglich eine
leere klangliche Hülle dar, ist aber kein lebendiges Wort mehr. Weiters meint der
Wissenschaftler, dass „die Beziehung zwischen Gedanke und Wort ein lebendiger Prozeß der Geburt
des Gedankens im Wort ist“ (ebd., 357). Er fügt hinzu, dass „das des Gedankens beraubte Wort“ ein
„totes Wort“ sei (ebd., 357). Demnach seien Wortbedeutungen nicht statisch zu betrachten,
sondern unterlägen einem lebendigen Prozess, dem Wechselspiel zwischen dem Wort und
dem dazugehörigen Gedanken respektive der Vorstellung.
Unbestreitbar bleibt, nach dieser knappen Betrachtung der Relation von Sprache und
Vorstellung, dass beide eng miteinander in Verbindung stehen und einander bedingen.
Sprache und im Weiteren ihre Verwendung beruhen auf mentalen, kognitiven Fähigkeiten
des Menschen, der mit Hilfe der Vorstellung den abstrakten Begriffen Leben einhauchen
kann. Ohne diese spezifische Fähigkeit wäre Sprache, nach Wygotski, ein leeres und totes
Konstrukt und könnte nicht – so wie im Idealfall – einer gelungenen Kommunikation
zwischen Individuen dienen.
2.3 Bildung der Vorstellung
Im täglichen Sprachgebrauch verbindet man mit dem Begriff der Vorstellung meist eine
mentale Tätigkeit, das Nachdenken über einen bestimmten Sacherverhalt, damit man sich
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13
diesen besser vor Augen führen kann. Jeder kennt sicherlich die Aussage: „Das kann ich mir
gut vorstellen!“, oder: „Gib mir ein Beispiel, damit ich es mir besser vorstellen kann“. Wenn
man sich mit einer neuen und komplexen Aufgabe konfrontiert sieht, so ist man stark auf die
eigene Vorstellungskraft angewiesen, die es einem ermöglicht, abstrakte sowie komplizierte
Sachverhalte leichter zu verstehen oder nachzuvollziehen. (Vgl. Abraham 1999, 14f.)
Wie schon bereits erwähnt, handelt es sich bei der Vorstellungsfähigkeit um eine
spezifisch menschliche Fähigkeit, auf deren Basis alle höheren Erkenntnisfunktionen
ablaufen. (Vgl. Schnotz 1999, 34) Der Akt des Vorstellens ist aber nicht nur für das Denken
und das Sprechen zentral, alle schöpferischen Prozesse und Tätigkeiten liegen ihm zu
Grunde. (Vgl. Lange 1995, 135)
Wie kommt es aber zu der Bildung von Vorstellung und welche Bereiche des
menschlichen Körpers sind daran beteiligt? Die anfängliche Einfachheit des Begriffes
„Vorstellung“ täuscht, da es unterschiedliche – und zum Teil durchaus komplexe -
wissenschaftliche Zugänge zu dem Bereich der Vorstellungsbildung gibt. Fünf davon sollen
hier erwähnt werden, sie werden nach ihrer Beziehung zur Sprach- und Literaturdidaktik im
Folgenden geordnet und angeführt. (Vgl. Abraham 1999, 15)
2.3.1 Neurobiologie
Der Neurologe Antonio R. DAMASIO deklariert, dass das Faktenwissen, welches für
Denken und Entscheiden erforderlich ist, in Form von Vorstellungsbildern produziert wird.
Dies führt zur Frage, was man unter jenen Vorstellungsbildern verstehen darf.
Aus neurobiologischer Sicht kann man Vorstellung und Wahrnehmung nur graduell
unterscheiden und nicht prinzipiell. So sind Bilder von noch nie zuvor Gesehenem ebenso
wie Erinnerungsbilder von bereits Gesehenem und Geschehenem Konstruktionen des
Gehirns. Sie werden von derselben „neuronalen Maschinerie“ (Abraham 1999, 15) erzeugt,
welche auch für die Transformation von Sinneswahrnehmungen zuständig ist - also von
dem, was wir konkret hören, schmecken, sehen, riechen oder ertasten.
Vorstellungsbilder sind nicht-wirklichkeitsgetreue Abbilder von derzeit nicht
gegenwärtigen Dingen und Ereignissen. Das heißt, dass sie kein photographisch genaues
Ebenbild der Realität darstellen.
Wird zum Beispiel eine Herbstlandschaft durchs Fenster betrachtet, dazu
Hintergrundmusik gehört und die Oberfläche des alten Sofas ertastet, so entstehen Bilder
verschiedener Sinnesmodalitäten. Man nimmt etwas Konkretes wahr, weshalb auch die
erzeugten Bilder Wahrnehmungsbilder genannt werden.
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14
Denkt man beim Anblick der Herbstimpression hingegen an den letzten schönen
Sommerurlaub am Meer, so werden wiederum Bilder aktiviert, Formen, Farben,
Bewegungen, Töne, Wörter. Jene Bilder nennt man Erinnerungsbilder, um sie von den
Wahrnehmungsbildern zu unterscheiden. (Vgl. Damasio 2007, 140ff.)
Alle diese Bilder, seien sie Vorstellungs-, Wahrnehmungs-, oder Erinnerungsbilder
werden von einer „komplexen neuronalen Maschinerie aus Wahrnehmung, Gedächtnis und Denken
produziert“ (ebd., 141). Es handelt sich hierbei um einen sehr komplexen Prozess, der
verschiedene Gehirnregionen mit einschließt:
Vorstellungsbilder beruhen unmittelbar und ausschließlich auf jenen neuronalen
Repräsentationen, die topographisch organisiert sind und die in frühen sensorischen
Rindenfeldern stattfinden. Doch sie werden entweder unter dem Einfluß von Sinnesrezeptoren
gebildet, die auf die Außenwelt des Gehirns ausgerichtet sind (etwa in der Netzhaut), oder
unter dem Einfluß von dispositionellen Repräsentationen (Dispositionen), die sich im Gehirn –
in Rindenregionen und subkortikalen Kernen - befinden“. ( Ebd., 142)
Unter Vorstellungsbildern können nicht wirklichkeitsgetreue Abbilder von Dingen,
Ereignissen, Wörtern oder Sätzen verstanden werden, welche täuschend ähnlich
abgespeichert werden; es werden aber keine so genannten Fotoaufnahmen von Menschen,
Gegenständen, Gesprächen etc. angefertigt. Daher kann man davon ausgehen, dass, wenn
man sich ein bestimmtes Ding oder einen bestimmten Sachverhalt wieder vor Augen führen
möchte, keine exakte Reproduktion stattfindet, sondern vielmehr eine Interpretation oder
Rekonstruktion.
So existieren die meisten Wörter, die man beim inneren Sprechen verwendet (bevor
man sie verbal oder schriftlich tatsächlich realisiert), bereits vorher im Bewusstsein als
akustische oder visuelle Bilder. Gäbe es sie nicht als Vorstellungsbilder – und seien sie auch
noch so flüchtiger Art – so wüssten wir nichts davon. Dasselbe lässt sich auch auf Symbole
und Formeln auslegen: Könnten wir sie nicht mit Hilfe von Vorstellungsbildern beschwören,
so könnten wir nichts von ihnen wissen und in unserem Bewusstsein nicht mit ihnen
umgehen. (Vgl. ebd. 2007, 152f.)
Vorstellungsbilder machen laut DAMASIO vermutlich den Hauptinhalt der
menschlichen Gedanken aus, „unabhängig von der Sinnesmodalität, in der sie erzeugt werden und
unabhängig davon, ob sie sich auf konkrete Gegenstände beziehen oder ob sie mit Wörtern oder
anderen Symbolen in einer Sprache zu tun haben, die einem Gegenstand oder Prozess entsprechen.“
(Ebd. 2007, 154) Hinter jenen Vorstellungsbildern stehen zahlreiche komplexe und teilweise
recht schwer erkennbare Prozesse, die das Entstehen und die Entfaltung der Bilder in Raum
und Zeit bestimmen. Diese Prozesse bedienen sich der Regeln und Strategien, die in
dispositionellen Repräsentationen verkörpert sind. Sie sind wesentlich für unser Denken,
VORSTELLUNGSBILDUNG ___________________________________________________________________________
15
aber nicht der Inhalt unserer Gedanken. Aus neurobiologischer Sicht sind Vorstellungen
untrennbar mit dem Denken verknüpft. (Vgl. ebd. 2007, 145ff.)
2.3.2 Gestaltpsychologie
Vorstellen kann aus gestaltpsychologischer Sicht nach Rudolf ARNHEIM als anschauliches
Denken beschrieben und verstanden werden. So zeigt sich die Intelligenz eines Menschen
nicht erst in der Verarbeitung der Wahrnehmung, sondern bereits schon in der Anschauung
selber. Die Erkenntnisfunktionen, die man auch Denken nennt, sind „nicht den
Seelenprozessen über und außerhalb der Wahrnehmung vorbehalten, sondern wesentliche Bestandteile
der Wahrnehmung selbst.“ (Arnheim 1988, 24) Dabei handelt es sich um Funktionen wie
„aktives Erforschen, Wählen, Erfassen des Wesentlichen, Vereinfachen, Abstrahieren, Analyse und
Synthese, Ergänzen, Korrigieren, Vergleichen, Aufgaben lösen, Kombinieren, Unterscheiden, in
Zusammenhang bringen.“ (Ebd., 24) Es besteht neurobiologisch und gestaltpsychologisch
grundsätzlich kein Unterschied darin, was tatsächlich geschieht, wenn jemand die Welt
direkt betrachtet oder sich die Welt mit geschlossenen Augen vorstellt und denkt. (Vgl. ebd.,
24) In diesem Sinn ist Anschauung nicht nur ein didaktisches Prinzip, sondern das
Grundprinzip unserer Wahrnehmung der Welt.
Würde man einen Menschen in einer experimentellen Situation längere Zeit von der
Außenwelt und jeglicher sinnlichen Wahrnehmung isolieren, so würden ernsthafte
psychische Störungen bis hin zur Halluzination auftreten, die ARNHEIM als „verzweifelte
Anstrengungen des Seelenlebens, die fehlenden Sinnesreize zu ersetzen“ (ebd., 29) interpretiert. Die
Anstrengung, die fehlenden Sinneseindrücke mit Hilfe der Vorstellung zu ergänzen, weist
darauf hin, dass jede Sinnestätigkeit nicht nur dem bloßen Reizempfang dient. Sie ist die
unentbehrliche Vorbedingung für das Funktionieren des Geistes im Allgemeinen.
Der Mensch denkt in ‚seinen Sinnen’, wobei sich aber die fünf Sinne in der
Möglichkeit, wie in ihnen zu denken ist, unterscheiden. Nach ARNHEIM ist der Gesichtsinn
die Domäne für anschauliches Denken. Geruchs- und Geschmackssinn laden ein zum
„Schwelgen“, jedoch eigenen sie sich kaum fürs Denken. Im Sehen und Hören können
anhand von Formen, Farben, Bewegungen, Tönen etc. sehr bestimmte und zum Teil auch
komplizierte Raum- und Zeitformen organisiert und strukturiert werden. Diese zwei Sinne
dienen daher am besten der Intelligenz. Der Muskel- und Tastsinn kann zwar den Sehsinn
unterstützen, nach ARNHEIM kann er es jedoch nicht mit dem Sehsinn aufnehmen. Der
große Vorzug des Sehens besteht darin, dass es nicht nur ein hochstrukturiertes Medium
darstellt, sondern dass seine Formenwelt “unerschöpflich reiche Auskunft über die Dinge und
Ereignisse der Außenwelt gibt“ (ebd, 29).
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16
2.3.3 Kognitionspsychologie
Vorstellung bedeutet aus der Sicht der Kognitionspsychologie nicht nur Denken und
Anschauung, sondern auch Strukturierung. Der amerikanische Psychologe und Philosoph
James WILLIAMS hielt fest, dass Vorstellungen die Gegenstände ganzheitlich-gestalthaft
wiedergeben und erst dann von Einzelheiten absehen, wenn sie nicht typisch für die
betreffende Klasse von Objekten sind. Vorstellungen sind ja nicht fotografische Abbilder von
originaler Wahrnehmung, sondern erfüllen vielmehr als Bedeutungsformen die geistige
Funktion von so genannten mentalen Modellen. Jene bilden nichts ab, sondern organisieren
die Wahrnehmung und ihre gedankliche Verallgemeinerung und ergänzen gegebenenfalls
das Wahrgenommene unbewusst. So ist es empirisch erwiesen, dass der Mensch nicht nur
wirklich gesehene Objekte oder Ereignisse imaginiert, sondern diese in neuer Weise zu
kombinieren versteht oder daraus tatsächlich nie gesehene Muster generieren kann. (Vgl.
Abraham 1999, 16)
So vertritt inzwischen auch die Lehr- und Lernforschung die Ansicht, dass eine
Bewältigung und Gestaltung von Wirklichkeit nicht erst durch reines Wissen möglich ist,
sondern durch die Fähigkeit zur eigenständigen mentalen Konstruktion von Vorstellungen
(vgl. ebd. 16). Daher war auch ein Ansatz der Kognitionspsychologie fachdidaktisch von
großer Bedeutung, nämlich die Theorie der dualen Kodierung von Allan PAVIO (vgl. Pavio
2007, 129 ff.). Ihr zufolge werden Wahrnehmungen im menschlichen Bewusstsein doppelt
repräsentiert, bildlich wie verbal. Das Verhältnis zwischen bildlicher und verbaler
Repräsentation ist jedoch individuell unterschiedlich. Es hängt nicht nur von der Art der
„Stimuli“ ab, sondern auch vom Subjekt selbst. Dabei kann man zwischen ‚guten
Vorstellern’ und ‚schlechten Vorstellern’ unterscheiden. Folglich zeichnen sich die ‚guten
Vorsteller’ besonders im Umgang mit fiktionalen Texten und deren Verarbeitung aus. Ihr
reduziertes Lesetempo wird durch eine bessere Textrezeption wettgemacht. Sie lesen zwar
langsamer, können aber das Gelesene detaillierter wiedergeben und den Inhalt besser
behalten. Dasselbe gilt auch für pragmatische Texte, bei denen die bloße mentale
Repräsentation der sprachlichen Strukturen zwar schneller abläuft, aber auch schneller
wieder verloren geht als bei der Repräsentation durch Vorstellen von mentalen Modellen,
welche besonders geübte Leser aktiv bilden. Die Tätigkeit des Vorstellens beansprucht
gewiss mehr Zeit, dafür ist sie aber umso nachhaltiger für die Textproduktion sowie
Textrezeption und zeigt somit auch besondere Relevanz für den Deutschunterricht. (Vgl.
Abraham 1999, 16)
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17
2.3.4. Psychoanalyse
Aus der Sicht der Psychoanalyse Sigmund FREUDs zeichnet die Tätigkeit des Vorstellens
auch eine affektive Funktion aus, welche gerade fürs Lernen, die Lernmotivation und für
etwaige Lernprobleme von großer Bedeutung sein kann: Vorstellen ist nicht nur Denken,
Anschauen und Strukturieren, sondern auch Spielen.
In seinen Aufsätzen „Der Dichter und das Unbewusste“ (1908) und „Das Unbewusste“
(1915) werden die Vorstellung und der Ursprung der Vorstellung thematisiert. Er beleuchtet
die Zusammenhänge zwischen dem kindlichen Spiel, dem Tagtraum und der künstlerischen
Phantasie. Demnach begeben sich der künstlerisch tätige Dichter wie auch das Kind in eine
Phantasiewelt, die wiederum in einem ganz spezifischen Verhältnis zur realen Welt steht.
(Vgl. Kehl 2002, 181f.)
Jedes spielende Kind benimmt sich wie ein Dichter, indem es sich eine eigene Welt erschafft
oder, richtiger gesagt, die Dinge seiner Welt in eine neue, ihm gefällige Ordnung versetzt. Es
wäre dann unrecht zu meinen, es nähme die Welt nicht ernst; im Gegenteil, es nimmt sein Spiel
sehr ernst, es verwendet große Affektbeiträge darauf. Der Gegensatz zum Spiel ist nicht Ernst,
sondern Wirklichkeit (Freud 1969, S. 171)
Heranwachsende und Erwachsene spielen im Gegensatz zum Kinde nicht, sondern bedienen
sich der Imagination, der Vorstellung. Das Phantasieren im Jugendalter ist ein Weiterführen
des kindlichen Spiels, nur mit anderen Mitteln. Ursprung und Haupttriebkraft sind nach
FREUD erotische und ehrgeizige Wünsche, die in der Wirklichkeit unbefriedigt bleiben.
Die Grundannahme der spielerischen Vorstellungstätigkeit allein genügt der
Sprachdidaktik nicht und erweist sich als zu einseitig. Der Psychoanalytiker Donald
WINNICOTT sieht den Zusammenhang zwischen Vorstellung und Spiel etwas
differenzierter. Er geht von einem „intermediären Raum“, einem Zwischenraum zwischen
äußerer und innerpsychischer Realität aus, in dem Subjekt und Objekt im allgemeinsten
Sinne, also im Spiel und in der kulturellen Tätigkeit des Menschen miteinander verbunden
sind. Jener „intermediäre Raum“ ist neben der äußeren Realität – der Welt der Objekte – und
der inneren Realität ein dritter Bereich der fließenden Übergänge. (Vgl. Steitz-Kallenbach
1995, 34) Wenn zum Beispiel ein Leser mit einer literarischen Figur mitfühlt, ihre Gedanken
mitdenkt und nachvollzieht, dann ist nicht unbedingt ausschlaggebend, was subjektiv
gesehen Eigenes oder Fremdes ist. Vielmehr kommt es auf das Miteinander an, welches
bewirkt, dass der Leser durch das Andere, das Fremde reicher wird. Die daraus folgende
Konsequenz ist gerade für die Deutschdidaktik von großer Bedeutung, da sich große
Lernchancen in diesem „intermediären Raum“ zwischen Subjekt und Objekt, dem
Wechselspiel von Identifikation und Fremdverstehen, von Phantasie und Sachbezug, von
Nähe und Distanz befinden können. (Vgl. Spinner 1995, 9)
VORSTELLUNGSBILDUNG ___________________________________________________________________________
18
2.3.5 Rezeptionsästhetik
Unter dem Aspekt der Rezeptionsästhetik spielt die Vorstellungsbildung im Hinblick auf
den Akt des Lesens – das heißt der Bildung von Vorstellung anhand literarischer Texte -
eine durchaus bedeutsame Rolle, nämlich, dass die „in der Vorstellungsbildung sich
vollziehende Sinnkonstitution des Textes einen kreativen Akt darstellt“. (Iser 1984, 231) Nach ISER
zeichnen sich folglich die gewonnene Vorstellung beim Lesen, gegenüber jener, mit der wir
nicht präsente Objekte vergegenwärtigen, besonders durch den „kreativen Akt“ aus. Dabei
wird nicht eine bereits existente Wirklichkeit nachgebildet, sondern einen neue Wirklichkeit
konstruiert:
Im lebensweltlichen Verhalten dient das Vorstellungsbild vornehmlich einer solchen
Vergegenwärtigung abwesender, aber doch existierender Gegenstände, deren
Erscheinungsweise natürlich von dem Wissen abhängt, das man von diesem Gegenstand hat
[...]. Dem imaginären Gegenstand fiktionaler Texte aber fehlt die Qualität empirisch
vorhandener Existenz. Hier wird nicht ein abwesender, ansonsten aber existierender
Gegenstand vergegenwärtigt, sondern vielmehr ein solcher erzeugt, der nicht seinesgleichen
hat. Nicht die Abwesenheit bildet den Anstoß zu seiner Hervorbringung; vielmehr ist seine
Erscheinungsweise eher ein Zuwachs zu jenem vorhandenen Wissen, das auch für seine
Hervorbringung eine Rolle spielt. Damit ist zugleich gesagt, daß das Vorstellungsbild eines
existierenden, wenngleich abwesenden Objektes durch die Kenntnis des Objektes kontrolliert
werden kann, während jenes Objekt, das sich als ein Zuwachs einstellt, sich der Kontrolle eher
zu entziehen scheint. [...] die Vorstellungsbildung in fiktionalen Texten vollzieht sich über
bestimmte Vorgegebenheiten, die jedoch bloß eine Steuerungsfunktion besitzen und nicht selbst
im Vorstellungsbild vergegenwärtigt werden sollen. (Ebd., 228)
Dies ist Indiz für den kreativen Akt des Vorstellens, da nicht nur eine existente Wirklichkeit
nachgebildet wird, sondern auch eine neue Wirklichkeit konstituiert wird. (Vgl. ebd., 228)
Nach ABRAHAM ist diese dichotome Gegenüberstellung von Realität – von der die
Vorstellung ein Abbild liefert - und Fiktion – dem kreativen Akt der Vorstellung – so nicht
haltbar. (Vgl. Abraham 1999, 17) ISER fügte in einer späteren Publikation einen neuen
Aspekt hinzu: Er geht – in Anlehnung an WINNICOT - von einer Dreiteilung aus, deren
Eckpunkte das Reale, das Fiktive und das Imaginäre darstellen und kommt damit einem
literaturdidaktisch weiterführenden Vorstellungsbegriff näher. So entsteht zwischen der
fremden Fiktion der Textes und der eigenen Realität des Lesers ein Imaginationsraum, ein
genuiner Spielraum, der für jegliche Auseinandersetzung mit Literatur, wie ausführlich sie
auch immer sein mag, ausschlaggebend ist. (Vgl. ebd., 17) Die Vorstellung schlägt die Brücke
zwischen der lebendigen Wirklichkeit des Innen und des Außen. Sie ist eine dritte
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19
„intermediäre Zwischenwelt“, ein Raum der Selbsterweiterung und gerade auch deshalb für
den Sprach- und Literaturunterricht so essenziell. Die Vorstellung ist an jeder Textrezeption
so wie auch an jeder Textproduktion beteiligt und soll daher gerade in der Didaktik, in
diesem Falle der Deutschdidaktik, besondere Beachtung finden. (Vgl. Lange 1995, 136 f.)
2. 4 Vorstellungsbildung in der Didaktik
Die Fähigkeit, sich Dinge und Situationen vorstellen zu können, ist grundlegend für das
Denken und Verstehen. Vorstellungen weisen bestimmte Charakteristika auf, die gerade für
das Lernen relevant sein können.
Vorstellungen können verschiedene ‚Eigenschaften’ besitzen, die wiederum Auswirkungen auf
das Lernen und die Didaktik haben: Sie können sehr plastisch sein (ähnlich den Erinnerungen),
sie sind flüchtig, ganzheitlich und selektiv (das haben sie mit der Wahrnehmung gemein), sie
können mitunter inkohärent sein (das haben sie mit den Träumen gemein) und voluntativ sein,
das bedeutet sie können bisher noch nicht Erlebtes oder Geschehenes bewusst antizipieren und
erlauben mögliche Handlungsalternativen durchzuspielen und auszuprobieren (das haben sie
mit literarischer Fiktion gemein). (Abraham 1999, 15)
Nach ABRAHAM kommen gerade in der Schule Vorstellungen zur Sprache, deren
sprachliche Fassbarkeit zum Problem oder aber auch zur Chance wird. So könnte die
Vorstellungsbildung als ein Prinzip des Unterrichts angesehen werden, welches darum
bemüht ist „Phänomene der Lebenswelt „draußen“ in Form von Abstraktionen, Modellen oder
anderen medialen Darstellungen ins Klassenzimmer hereinzuholen“ (ebd., 15). Die
Vorstellungsfähigkeit eines Schülers/einer Schülerin wäre somit grundlegend für das
Bestehen im schulischen Alltag und würde die Basis für das Verständnis komplexer
Themen- und Stoffbereiche bilden.
In der naturwissenschaftlichen Didaktik wird die Bildung von Vorstellung besonders
unter dem Stichwort „Schülervorstellungen“ im Kontext der Modelldiskussion behandelt.
Im Physik-, Biologie-, Chemie- oder Mathematikunterricht werden Darstellungen und
Modelle und zur Veranschaulichung von Wissen eingesetzt: als heuristisches Mittel. Ihre
Funktion beschränkt sich oft darauf, dass sie Nicht-Wahrnehmbares durch Bilder oder
Schemata begreifbar machen. Der Einsatz bildhafter Mittel zur Bildung von Vorstellung
wird in der naturwissenschaftlichen Modell-Diskussion weitgehend als selbstverständlich
notwendig und positiv für die Lernleistung bezeichnet und beurteilt. (Vgl. Kehl 2002, 41f.)
VORSTELLUNGSBILDUNG ___________________________________________________________________________
20
2.4.1 Vorstellungsbildung im Literaturunterricht
Vorstellungsbildung, Imagination, kreativer sowie produktiver Umgang mit Texten sind
Schlagwörter der literaturdidaktischen Diskussion geworden. Dies kann als Ergebnis einer
Auseinandersetzung mit den um 1970 dominierenden Positionen gesehen werden, die einen
analysierenden Umgang mit Texten bevorzugten. Dabei galt es insbesondere, das
Erlebnishafte zurückzudrängen zugunsten einer nüchternen, objektiven Haltung gegenüber
literarischen Texten. Die didaktische Einstellung, Texte formal auf ihre Strukturen hin zu
untersuchen, wurde gegen Ende der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts von der kritischen
Literaturdidaktik abgelöst, bei der es vor allem um das Hinterfragen der Texte bezüglich
ideologischer Hintergründe und ihrer Wirkung ging. Auch hier lag der Schwerpunkt
hauptsächlich auf einer rational-kognitiven Auseinandersetzung mit literarischen Texten, da
kritisches Lesen verhindert werde, wenn Identifikation und Nacherleben gefordert werden
und mit im Spiel sind.
Gegen Ende der 70er wurde die ausschließlich rationale Textanalyse vermehrt
kritisiert, was auf den stärker werdenden Einfluss der literaturwissenschaftlichen
Rezeptionsästhetik zurückzuführen ist. Sie machte deutlich, dass der Sinn eines Textes erst
durch den Leser/dieLeserin geschaffen wird und die im Text enthaltenen ‚Leerstellen’ erst
durch den Rezipienten gefüllt werden können. Unter dem Einwirken solcher
rezeptionsästhetischen Annahmen wurden in der Literaturdidaktik nun die subjektiven
Einstellungen der Schüler/innen im Besonderen gefördert; man sprach von einem an
Schüler/innen orientierten Literaturunterricht.
Mit dem rezeptionsästhetischen Ansatz gewann der Begriff der Identifikation immer
größere Bedeutung für die Literaturdidaktik. Lesen wird dabei als wechselseitige
Verfremdung und Erhellung von Text- und Leserhorizont verstanden. Um einen Text
inhaltlich erfassen zu können, muss der Leser über Identifikationsprozesse seine eigene
Vorstellungswelt in den Verstehensakt einbringen, sodass eine Auseinandersetzung mit der
eigenen Identität - mit etwaigen Wunschvorstellungen, Erfahrungen und
Wertorientierungen - und mit der textuellen Welt zustande kommt. Hierbei liegt der
Schwerpunkt nicht so sehr auf den beobachtbaren Lernergebnissen wie beim
lernzielorientierten Unterricht, als vielmehr auf den inneren Prozessen der Schüler/innen.
Diese Auseinadersetzung mit der eigenen und mit der fremden Identität ist für die
weiterführende literaturdidaktische Diskussion besonders wichtig geworden. Sie ist
wesentliche kognitive Voraussetzung für das Bildungsziel des Fremdverstehens, welches als
Schnittpunkt literarischen und sozialen Verstehens gesehen werden kann. Literarische
Identifikationsprozesse lassen den Leser sich in eine Figur versetzen, bei dem die
VORSTELLUNGSBILDUNG ___________________________________________________________________________
21
emphatische Wahrnehmung des Fremden eine wichtige Rolle spielt. Fremdes kann aber nur
erfahren werden, wenn eigene Erfahrungen aktiviert werden. Zugleich muss man sich aber
beim Fremdverstehen von sich selbst distanzieren können, damit nicht nur Eigenes ins
Fremde projiziert wird. Somit wird das Fremdverstehen zum zentralen Ziel des
Literaturunterrichts, da der literarische Text den Leser dazu bestimmt, seinen wirklichen
Standort zu verlassen und sich in eine imaginative Welt zu versetzen. (Vgl. Kehl 2002, 40ff.)
Der Vorstellungsbildung beziehungsweise dem Imaginationsvermögen kommt
gerade im Literaturunterricht eine Schlüsselfunktion zu, da diese Fähigkeit in enger
Verbindung mit Fähigkeiten zur Identifikation oder zum Fremdverstehen beim Lesen von
Literatur steht und zuständig für Perspektivenübernahmen sowie das symbolische
Verstehen ist.
Imaginative Prozesse nehmen beim Aufbau von mentalen Modellen einen
bedeutsamen Platz ein. Imaginative Zugänge als Methode der Textbegegnung sind im
Deutschunterricht wesentlich, da Texte Wirklichkeitsangebote liefern, deren Aufgabe zu
entdecken dem Leser zugedacht ist. Folglich lebt besonders der Literaturunterricht von der
Vorstellungsfähigkeit. (Vgl. Lange 1995, 137)
Die Vorstellungsfähigkeit belebt nicht nur den Literaturunterricht und die
Deutschdidaktik, sie ist auch äußerst wichtig für eine sachangemessene Erschließung
literarischer Texte. Dies wird z.B. im Beschluss der Kulturministerkonferenz in Deutschland
über die Bildungsstandards im Fach Deutsch für den Primarbereich im Jahr 2004 sichtbar.
Darin wird der Teilkompetenz „über Lesefähigkeiten verfügen“ der Unterpunkt „beim Lesen
und Hören von literarischen Texten lebendige Vorstellungen entwickeln“ (KMK zitiert nach
Wittstruck 2010, 117) zugeordnet. Demnach zählt zur Lesekompetenz auch die Fähigkeit,
aktiv Vorstellungen zu erzeugen, die das Verständnis des Textes unterstützen und
erleichtern sollen.
2.4.1.2 Produktionsorientierter Ansatz
Der handlungs- und produktionsorientierte Ansatz kann als eine Art Gegenposition zu den
in der Deutschdidaktik lange Zeit vorherrschenden rationalen Textanalysen gesehen
werden. Dieser Ansatz hat den eigentlichen Durchbruch des Imaginationsbegriffes gebracht,
der als eine Fortentwicklung rezeptionsästhetischer Literaturdidaktik zu betrachten ist. Der
Akt des Lesens literarischer Texte wird nicht nur als kognitiver, sondern auch als
imaginativer Prozess angesehen: ein Vorgang produktiver Phantasie. Der aktiven
Beteiligung bei der Sinnentfaltung eines Textes liegen methodische Verfahren zugrunde, bei
denen sich die Schüler/innen schreibend, spielend, malend etc. mit der literarischen Welt
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22
konfrontieren und sich in sie hineinzuversetzen versuchen. Dadurch werden sie angehalten
sich aktiv gestaltend mit einem Text auseinander zu setzen und nicht nur über ihn zu
sprechen. Der bloße analytische Umgang mit literarischen Texten kann unter diesem Aspekt
als substanzlos angesehen werden, da er nicht von dem produktiven Umgang mit Texten
ausgeht, bei dem der literarische Text in der Imagination inszeniert werden kann. Der
produktionsorientierte Ansatz kann aber auch als Reaktion auf die heutige
Medienzivilisation gesehen werden, da audio-visuell sozialisierte Kinder in besonderem
Maße Anregung ihrer Vorstellungskraft bei der Wahrnehmung des gedruckten Wortes
bedürfen. (Vgl. Köppert/Spinner 1999, 47ff.)
In der Literaturdidaktik und im Deutschunterricht etablierten sich somit seit Mitte
der 90er Vorstellung und Imagination mehr und mehr als Schlagworte. Im Besonderen
Wissenschaftler wie SPINNER, KÖPPERT, ABRAHAM und andere diskutieren seither neue
Formen der Literaturunterrichts, bei denen der Imagination seitens der Schüler/innen
höhere Bedeutung eingeräumt wird als bei kognitiv ausgerichteten Textanalysen. Dies
geschieht auf vielfältige Art und Weise, sei es im Gespräch über Texte oder in
produktionsorientierten Formen wie dem „Kreativen Schreiben“ oder dem „Darstellenden
Spiel“, bei der die individuelle Imagination der Schüler/innen und der gemeinsame
Austausch darüber vorrangig ist und dadurch neue Zugänge zur Literatur eröffnet werden
können. (Vgl. Kehl 2002, 41f.)
2.4.2 Imaginatives Lernen
Der Forschungsschwerpunkt des „Imaginativen Lernens“ ist um eine Zusammenführung
verschiedener pädagogischer Ansätze bemüht. Als Bezugsrahmen für die Überlegungen
dienen die reformpädagogische Schulkritik sowie die konstruktivistische Erkenntnistheorie.
Die von KANT formulierte Einsicht, dass wir uns mit Hilfe der Einbildungskraft eine innere
Wirklichkeit schaffen, kann als Leitbild heutiger Erkenntnistheorie gelten. (Ebd., 43)
Wir bilden unser Verhältnis zur Welt aus, indem wir durch Denken und Wahrnehmung eine
Vorstellung von der Welt, eine innere Wirklichkeit, konstruieren. [...] Erkennen, Denken und
Lernen bedeuten in dieser Sicht das Erfinden einer inneren Wirklichkeit, die Bildung von
Vorstellungen im Wechselspiel mit der Erfahrung der äußeren Realität, mit dem Menschen, mit
den Dingen, mit uns selbst.“ (Fauser/Imert-Müller, zitiert nach ebd., 43)
Der Akt des Vorstellens stellt eine konstruktive Tätigkeit dar. Lernen und Erkenntnis sind
als aktive und vor allem produktive Vorgänge zu betrachten, bei denen die individuelle
Imagination und Vorstellung von zentraler Bedeutung sind.
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23
Allerdings wird vom Schulsystem das Potenzial der Imagination für Bildung und
Lernen im schulischen Alltag nach wie vor unterschätzt. Die Vorstellungsbildung stellt sich
aber gerade für Lernende als entscheidend heraus, da sie grundlegend für
Verstehensprozesse ist. (Vgl. Ebd., 44)
Grundlegend ist die Einsicht, daß das Lernen, wie alle konstruktiven geistigen Tätigkeiten und
Leistungen, nicht möglich ist ohne leibliche Erfahrung und ohne Imagination, also ohne eigene,
selbst gebildete innere Vorstellung. Daher geht es beim imaginativen Lernen darum, den für
das Lernen entscheidenden aktiven, schöpferischen Aufbau eigener Vorstellungen anzuregen.
(Fauser/Imert-Müller, zitiert nach ebd., 44)
2.4.2.1 Imagination im Deutschunterricht
Unter dem Aspekt des literarischen Verstehens kann der Vorstellungsfähigkeit eine
Schlüsselfunktion zugesprochen werden. Sie ist Bedingung für das Selbst- und
Fremdverstehen in der Literatur, da der Leser Vorstellungen zu den beschriebenen Raum-,
Zeit- und Figurenkonstellationen gewinnen muss, welche ihren Ursprung im literarischen
Text finden. Der Leser/Die Leserin konstruiert mit den Angeboten der im Text enthalten
Informationen eine fiktive Welt. (Vgl. Köppert/Spinner 1999, S. 53f.)
Imagination (z. B. literarische Imagination) entsteht nicht als plane Fläche, die der
Imaginierende wie ein zweidimensionales Bild an eine Wand projiziert. Sinnvoller läßt sie sich
als ein dimensionales Beziehungsgefüge zwischen Imaginierendem und Imaginiertem
charakterisieren. Der wesentliche Schritt zum Konstruieren eines solchen Beziehungsfeldes
besteht in einer aktiven Perspektivenübernahme durch den Imaginierenden, der dabei aber
seine Alltags- bzw. Leserperspektive nicht völlig aufgibt, sondern eine Art Doppelperspektive
einnimmt. (Ebd., 54f.)
Ein zentrales Merkmal der literarischen Imagination bildet die Fähigkeit der
Perspektivenübernahme und die damit verbundene Konstruktion einer fiktiven Welt. Der
Akt des Vorstellens steht auch in enger Beziehung zur kognitiven Leistungsfähigkeit:
Die Vorstellungsfähigkeit schafft eine Verbindung zwischen Gefühltem, Erfahrenem und
Rationalem, zwischen Innen und Außen, zwischen Realem und Fiktivem. Das bringt mit sich,
daß sich auch kognitive Leistungen bei der Imaginationsfähigkeit beobachten lassen. (Ebd., 63)
In der Vorstellungsbildung finden Fühlen und Denken zu einer eigenen, neuen Qualität von
Bewusstsein zusammen, welches Imagination mit Rationalität zu vereinigen und integrieren
vermag. Daher sind Imaginationsprozesse von rational-kognitiven Vorgängen nicht
prinzipiell zu trennen, da sie sich erst in ihrem Ergebnis unterscheiden. Das analytische,
begriffliche Denken ist durch die Forderung charakterisiert, etwas auf den Punkt zu bringen,
während das imaginative Denken sich durch eine Verbindung einfließender und
VORSTELLUNGSBILDUNG ___________________________________________________________________________
24
beeinflussender Elemente auszeichnet und einem prinzipiell unendlichen Prozess entspricht,
einer Unabgeschlossenheit.
Die Komplexität der Imagination ist gerade für ein neues kognitionspsychologisch
bestimmtes Verständnis des Lernens – dies gilt nicht nur für das Fach Deutsch - äußerst
bedeutsam. Bei der Vorstellungsbildung fließen kognitive Elemente (wie zum Beispiel die
konkrete Auslegung von Symbolen) in strukturierter Weise mit ein und verschränken sich
mit Facetten der persönlichen Empfindung und Erfahrung. (Vgl. ebd., 63f.)
Nach all den vorangegangenen Betrachtungen über die Vorstellungsbildung bleibt
unbestreitbar, dass die Vorstellungsfähigkeit konstitutiv für unser Denken sowie auch für
das Lernen und das Leben ist.
Um die individuellen Vorstellungen der Lernenden zu entwickeln und zu fördern,
können Methoden angewendet werden, die das Bilden von Vorstellungen und damit das
Lernen über sinnliche und ästhetische Erfahrung verstärken und unterstützen. Didaktische
Methoden dafür wären: kreatives Schreiben, synästhetische Arrangements, gestalterische
Tätigkeiten, Darstellendes Spiel und damit verbunden auch das „Bewegungslernen“. (Vgl.
Abraham 1999, 21)
Die Dramapädagogik5, eine Methode, die sich theatraler Mittel bedient, kann unter
dem Aspekt „Darstellendes Spiel“ angeführt werden. Mit theatralen Mitteln wird es den
Lernenden ermöglicht, sich auf spielerischer Ebene neuen Sachverhalten anzunähern.
TSELIKAS führt dazu aus:
Dramapädagogik ist ein Ansatz, der die Mittel des Theaters zu pädagogischen Zwecken
einsetzt. Im Vordergrund steht dabei nicht primär das Ergebnis, nämlich die Produktion eines
Theaterstücks, sondern der Lernprozess in allen seinen Dimensionen: physisch, ästhetisch
(sinnlich), emotional und kognitiv. „Drama“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet
„Handlung“. Dramapädagogik ist dementsprechend eine Pädagogik, die handlungsbezogenes
ganzheitliches Lernen herbeiführt. (Tselikas 1999, S.21)
Weitere Ausführungen zur Methode der Dramapädagogik folgen im Kapitel 4. der
vorliegenden Arbeit.
5 Die Methode der Dramapädagogik dient in der empirischen Untersuchung der vorliegenden Arbeit als pädagogische Grundlage zur Förderung von Vorstellungsbildung.
BEWEGUNG ___________________________________________________________________________
25
3 Bewegung
„Das Leben besteht in der Bewegung.“
(Aristoteles)
In der empirischen Untersuchung „Deutsch bewegt: vorstellen – darstellen – verstehen“ ist
Bewegung, ganzheitlich verbunden mit körperlicher wie sinnlicher Erfahrung, ein wichtiges
Kriterium der dramapädagogischen Förderung von Vorstellungsbildung bei Schulkindern
mit nicht-deutscher Muttersprache.
In diesem Kapitel wird der Zusammenhang zwischen Sprache und Bewegung
herausgearbeitet: Es wird Stellenwert der Bewegung für eine ganzheitliche, gesunde
Entwicklung des Kindes sowie die Bedeutung von Bewegung beim Kontakt mit der
Außenwelt, zum Beispiel beim Nachvollziehen von Naturgesetzmäßigkeiten dargelegt.
Zuletzt wird ein Blick auf die Chancen geworfen, die im Einsatz von Bewegung als Mittel
der Sprachförderung in der Muttersprache, der Zweit- und Fremdsprache liegen können.
3.1 Bewegung von Anfang an
Bewegung und Aktivität führen zu neurobiologischer Adaption und beeinflussen dadurch
kognitive, emotionale sowie soziale Prozesse im Menschen. Schon im Fötalstadium werden
durch Bewegungen des Kindes und der Mutter die Bildung, Entwicklung und Vernetzung
von Nervenzellen angeregt; Bewegung zählt zu den wichtigsten Stimulationen des fötalen
Gehirns. Bei körperlicher Aktivität wird neuronale Anpassung gefordert, die eine gesteigerte
regionale Gehirndurchblutung, den Anstieg von neurotropen Wachstumsfaktoren
(Neuronenwachstum) und die Neubildung von Nervenzellen anregen, was zu verbesserter
Lernleistung führen kann6 (vgl. Kubesch 2005, 4f.).
Bewegung kennzeichnet das Leben des Menschen von Beginn an. So lassen sich schon etwa
ab der 7. Schwangerschaftswoche erste - noch sehr unkoordinierte - Bewegungen des im
Fruchtwasser schwimmenden Embryos beobachten. Zu jener Zeit beginnen die vom
6 Dass sich Bewegung - körperliche Aktivität - während der gesamten Lebensspanne auf die Struktur und Funktionsweise des Gehirns auswirken kann, wurde in den vergangenen Jahren eindrucksvoll nachgewiesen. Besonders in Hinblick auf die Ausdauerbelastung zeigt es sich, dass der alterbedingte Verlust von Hirngewebe und der Rückgang diverser Neurotransmitterkonzentrationen verzögert werden kann. Die mentale Leistungsfähigkeit kann durch verbesserte exekutive Funktionen gesteigert werden. Ältere körperlich aktive Menschen schneiden im Vergleich zu inaktiven Personen bei Gedächtnis- und Denkfähigkeitstests signifikant besser ab. Neuere Untersuchungen zeigen, dass körperliche Aktivität präventiv bezüglich Alzheimerkrankheit und Demenz wirken kann (vgl. Kubesch 2005, 4).
BEWEGUNG ___________________________________________________________________________
26
Rückenmark und Gehirn ausgehenden Nervenzellfortsätze mit den Muskelzellen in Kontakt
zu treten. Es entstehen die ersten Verknüpfungen zwischen motorischen und sensorischen
Bahnen, zunächst im Rückenmark und später auch in den übergeordneten für die
Bewegungskoordination zuständigen Schaltzentralen im Gehirn. Es werden jene
synaptischen Verbindungen stabilisiert, welche bei zunehmend koordinierter werdenden
Bewegungsabläufen schon regelmäßig aktiviert wurden. Folglich findet ‚Lernen’ von Anfang
an durch Nutzung und Übung der entsprechenden Körperfunktionen – nämlich durch
Bewegung - statt. Alle Bewegungsabläufe bedürfen der Übung und müssen erlernt werden;
fehlt etwa die Möglichkeit dazu, können die neuronalen und synaptischen Muster nicht
entstehen, die für die Bewegungskoordination zuständig sind. (Vgl. Hüther 2007, 12f.)
Was für die zentralnervöse Steuerung der Körpermuskulatur zutrifft, gilt in gleicher
Weise für die Bildung jener Verschaltungsmuster, die an der Steuerung und Koordination
anderer Körperfunktionen beteiligt sind, wie Regulation der Funktion von inneren Organen,
von peripheren Drüsen, von Blutkreislauf und Atmung etc. Je häufiger diese
Verschaltungsmuster benutzt werden, desto fester und stabiler bilden sich Verbindungen
heraus. Schließlich werden die zuerst entstandenen, einfachen Regelkreise von weiter
aussprossenden Nervenzellfortsätzen auch im Großhirn miteinander verbunden und ihre
Aktivitäten aufeinander abgestimmt (vgl. ebd., 13 ff.).
Zum Zeitpunkt der Geburt ist das Gehirn noch unreif, es sind nur die
Basisfunktionen ausgebildet. Alle Sinnesorgane beginnen Signale aus der Umwelt
aufzunehmen, wie Berührungen, Sprache, Geräusche, Farben und Formen. Aufgrund dieser
Erfahrungen wird die neuronale Vernetzung im Gehirn angestoßen. Von den 100 Milliarden
Nervenzellen, die bei der Geburt eines Kindes im Gehirn angelegt wurden, bleiben letztlich
nur jene erhalten, die über Erfahrung und Übung aktiviert werden. Das Kind entwickelt und
differenziert seine Sinne weiter aus, indem es sie aktiv nutzt. Bei diesem Prozess spielen
Bewegung und sinnliche Wahrnehmung eine wesentliche Rolle und sind bedeutsam für die
gesamte Entwicklung. (Vgl. Zimmer 2010, 19f.)
Die motorischen Bewegungsmuster eines Neugeborenen sind zunächst noch undifferenziert
und nicht zielgerichtet. Der Säugling verfügt aber bereits über eine Reihe von Reflexen, wie
den Saugreflex, den Greif- und Schreitreflex. Wenige Wochen nach der Geburt des Kindes
werden die unkoordinierten Schlag- und Stoßbewegungen differenzierter. Eine Zielrichtung
lässt sich zuerst bei den Kopfbewegungen erkennen. Aber nicht nur Bewegung, auch das
Interesse an der Umwelt nimmt zu. Ersten Greifbewegungen folgen erste
Fortbewegungsformen, bis das Kind dann krabbeln, stehen, gehen und laufen lernt. Sein
Bewegungsradius und damit verbunden auch der Erfahrungshorizont nehmen zu. Im Laufe
der ersten Lebensjahre werden neue Bewegungsformen erforscht und ausprobiert, und diese
BEWEGUNG ___________________________________________________________________________
27
Bewegungsformen werden immer komplexer. Beim Erwerb neuer motorischer Fähigkeiten
wird deutlich, dass Kinder oft selbstständig Problemlösestrategien anwenden. Grundlegend
für die Aneignung neuer motorischer Fähigkeiten beziehungsweise für die motorische
Entwicklung ist zum einen der innere Reifungsprozess, zum anderen aber auch das soziale
Umfeld des Kindes, die familiäre Situation, die Wohnsituation, die Kultur etc.
Bewegungsentwicklung und kognitive Entwicklung - wie auch Sprachentwicklung – sind
keine isolierten Prozesse, sondern integrale Bestandteile der Gesamtentwicklung eines
Kindes. Sprach- und Bewegungsentwicklung sollen demnach ganzheitlich und in
Zusammenhang mit anderen Entwicklungsdimensionen wie zum Beispiel der
Wahrnehmung, der Kognition, der Emotion betrachtet werden.
Bewegung und Wahrnehmung „sind Grundlage dafür, dass der Mensch sich ausdrücken,
mit seiner Umwelt in Kontakt treten oder auf sie einwirken kann“ (ebd., 66). Über die
Sinnesorgane ist es dem Kind möglich, Eindrücke aus der Umwelt aufzunehmen, sie zu
verarbeiten und motorisch wie auch sprachlich darauf zu reagieren. Bewegung und
Wahrnehmung sind die Basis, die es einem Kind ermöglicht, mit seiner Umwelt in Kontakt
zu treten und zunächst nonverbal und im Weiteren dann verbal mit ihr zu kommunizieren
(vgl. ebd., 66f.).
Bewegung als Bildungskomponente
Bewegung zählt zu den elementaren Ausdrucksformen der Kinder und ist zugleich
Äußerung ihrer Lebensfreude und Vitalität: Kinder laufen, springen, kriechen, schleichen,
klettern, balancieren wo und wann immer sie Gelegenheit dazu finden. Sie tun dies aus Lust
an der Tätigkeit und auch aus Interesse an den Dingen. Bewegung und Spiel sind die dem
Kind angemessenen Formen, um sich mit der personalen und materiellen Umwelt
auseinanderzusetzen. Bewegung ist ein wichtiges Medium, um die Welt zu begreifen und
Erfahrungen zu sammeln: Sie stellt eine elementare Komponente in der ganzheitlichen
Bildung und Erziehung eines Kindes dar. Bewegung nimmt auch in der
Persönlichkeitsentwicklung eines Kindes und bei frühkindlichen Bildungsprozessen einen
besonderen Stellenwert ein.
Aus anthropologischer Sicht ist der Mensch ein auf Bewegung und Erfahrung
angelegtes Wesen, welches des Einsatzes aller Sinne bedarf, um sich ein Bild von sich selbst
und von der Welt machen zu können. Der Körper ist Mittler der Erfahrungen, sowie auch
gleichzeitig der Gegenstand, über den Erfahrungen gemacht werden.
Aus entwicklungspsychologischer Sicht sind Körpererfahrungen äußerst bedeutsam
für die Identitätsbildung. Der Körper wird zum Mittler der Ich-Entwicklung und der
Selbstständigwerdung.
BEWEGUNG ___________________________________________________________________________
28
Aus lernpsychologischer und neuropsychologischer Sicht bilden Wahrnehmung und
Bewegung die Grundlage des kindlichen Lernens. In der frühen Kindheit werden durch
Sinnestätigkeit und körperliche Aktivität Reize geschaffen, die die Verknüpfung von
Nervenzellen (Bildung von Synapsen) anregen und unterstützen. Die Verbindungen
zwischen den Nervenzellen hängen vom Stimulus ab und werden intensiver und komplexer,
je mehr Reize über die Sinnesorgane in das Gehirn gelangen.
Aus sozioökonomischer Sicht sind Bewegungsangebote notwendig, um
Bewegungsdefizite und Bewegungsarmut der heutigen Lebenssituation auszugleichen.
Bewegungsmangel ist kennzeichnend für das alltägliche Leben in Mitteleuropa und birgt vor
allem für Kinder weit reichende negative Konsequenzen.
Aus gesundheitspädagogischer Sicht ist es geradezu unerlässlich, der großen Zahl an
Bewegungsmangelerkrankungen (Übergewicht, Stoffwechselerkrankungen, degenerative
Erkrankung von Stütz- und Bewegungsapparat etc.) entgegenzuwirken, die viele Kinder
bereits bei der Einschulung aufweisen.
Bewegung ist eine grundlegende Eigenschaft und Tätigkeit des Menschen, Basis der
Persönlichkeitsentwicklung, der Erfahrung beim Erleben der Umwelt und dem Aneignen
von Wissen. Bewegung ist Grundlage des Lernens und der kognitiven Progression und ist
unerlässlicher Bestandteil des menschlichen Lebens. (Vgl. Zimmer 2007, 23f.)
3.2 Bewegung und Sprache
Bewegung und Sprache stehen in enger Beziehung zueinander und weisen zwei wichtige
funktionelle Parallelen auf. Beide werden eingesetzt bei „der Verwirklichung von erkundenden,
spielenden, arbeitenden und kommunizierenden Handlungen in der geistigen, körperlichen und
sozialen Auseinandersetzung mit der dinglichen und mit menschlichen Umgebung wie auch dem
eigenen Körper und mit dem eigenen Wesen“ (Graichen 1993, 25). Die Ergebnisse und
Erfahrungen aus jenem Handeln sowohl im Bereich der Sprache wie auch der Bewegung
werden abgespeichert und dienen als „Orientierungsbasis für die künftige Lebensbewältigung, als
Repertoire von Fähigkeiten, Fertigkeiten und Wissen“ (ebd., 25). Bewegung ist grundlegend für
die Persönlichkeitsentwicklung des Menschen sowie für den Umgang mit seiner Umwelt:
Bewegung wird [...] als erste und wichtigste Kommunikationsform angesehen, aus der sich
spätere Kommunikationsformen herausdifferenzieren. Wahrnehmen und Bewegen
ermöglichen dem Menschen, ein Abbild der Welt in sich selbst aufzubauen, um mit diesen
Erfahrungen wirkungsvoll in das Geschehen der Umwelt eingreifen zu können. Einen
Menschen zu verstehen heißt, seine Handlungsweise innerlich nachvollziehen zu können. Dazu
ist es notwendig, daß die Menschen ähnliche Wahrnehmungs- und Bewegungserfahrungen
BEWEGUNG ___________________________________________________________________________
29
gemacht haben, um in Worten oder Gesten verschlüsselte Informationen in ihrer gewollten
Aussage erkennen zu können. (Schilling 1993, 56)
In der Entwicklung der Handlungs- und Kommunikationsfähigkeit des Menschen stellt die
Aneignung von Wahrnehmungs- und Bewegungsmustern eine wichtige Grundlage dar.
Sprachentwicklung beginnt nicht erst bei der ersten sprachlichen Äußerung, sondern wird
wesentlich durch die vorsprachliche Phase geprägt. Aus dieser vorsprachlichen Phase, einer
frühen Form der Kommunikation zwischen der primären Bezugsperson und dem Kind,
welche großteils nonverbaler Art ist, entwickeln sich die Sprache wie auch differenziertere
Formen der nonverbalen Kommunikation. Nonverbale Kommunikation nimmt auch später
einen wichtigen Stellenwert in der mündlichen Kommunikation ein: Gestik, Mimik,
Körperbewegungen sowie andere nicht-verbale Schlüsselreize aus dem motorischen Bereich
sind an der Aussage und Wirkung beteiligt, sie können aber auch eine eigenständige, der
verbalen widersprechende Aussage enthalten. Der Kommunikationswissenschaftler Paul
WATZLAWICK (1980) hat zu diesem Sachverhalt die Begriffe digitale und analoge
Kommunikation7 eingeführt.
Das Berücksichtigen und Einbeziehen der vorsprachlichen Phase in die Betrachtung
der Kommunikationsentwicklung bedeutet, dass „Körper und Motorik eine zentrale Funktion als
Verbindungsglied zur materiellen und sozialen Umwelt erhalten und Sprachentwicklung als Teil
dieses Ganzes gesehen werden muß“ (ebd. 1993, 56). Die Sprachentwicklung beziehungsweise
der Spracherwerb ist ein ganzheitlich komplexer Prozess, an dem die motorische Ebene des
Sprechens und Schreibens, die sensorische des Hörens, Sehens und Bewegungsempfindens,
die emotionale und soziale Ebene der Kommunikationsbereitschaft sowie die kognitive des
Verstehens und Verarbeitens beteiligt sind. Sprache und Bewegung sind untrennbar
miteinander verbunden; ohne Sprechbewegungen kann gesprochene Sprache in gewohnter
Art und Weise nicht zustande kommen, auch begleiten körperlicher Ausdruck und
Bewegung in Form von Mimik und Gestik jede Form von verbaler Äußerung.
Aus entwicklungspsychologischer Perspektive geht die Bewegungserfahrung der
Spracherfahrung voraus, da das Sprechenlernen auf Grundlage des Greifen- und
Gehenlernens erfolgt (vgl. Beier-Marchesi 2007, 256). Das Kind lernt nicht der Sprache wegen
zu sprechen, sondern um sich anderen mitteilen zu können und sich mit seiner Umwelt zu
verständigen. Dies tut es auf verbaler wie auch nonverbaler Ebene, denn lange bevor es
7 Menschliche Kommunikation bedient sich zweierlei Arten von Modalitäten, der analogen und der digitalen. Die digitale Modalität entspricht der Sprache, die analoge die der Körpersprache (nonverbale Sprache). Digitale und analoge Sprache können einander unterstützen, aber auch widersprechen, was zu Verständnisschwierigkeiten führen kann (vgl. Watzlawick 1980).
BEWEGUNG ___________________________________________________________________________
30
sprechen gelernt hat, kommunizierte es mittels Gestik und Mimik – mit seinem Körper also -
mit den anderen.
Sprache wird vom Kind verwendet, um eine Absicht zu realisieren und dem Zweck,
mit Worten „Dinge geschehen zu machen“(Brunner zit. n. Zimmer 2010, 13). Über seinen
Körper und dessen Bewegung erkundet und erforscht es einfache naturwissenschaftliche
Grundsätze und die Selbstwirksamkeit von Bewegung. Sprache und Bewegung kommen
zweierlei Funktionen zu, die expressive und die instrumentelle: Sprache und Bewegung sind
das Medium der Mitteilung und des Ausdrucks wie auch Werkzeuge des Handelns. Sie
erfüllen zwei wesentliche Dimensionen der kindlichen Persönlichkeitsentwicklung und
können zwar getrennt voneinander betrachtet werden, entfalten sich jedoch beide in
Abhängigkeit voneinander und beeinflussen sich gegenseitig. (Vgl. Zimmer 2007, 25ff.)
Empirische Untersuchungen über den Zusammenhang zwischen Wahrnehmung,
Bewegung und Sprache im kindlichen Entwicklungsprozess sind bisher Mangelware.
Empirische Daten stammen in erster Linie von Untersuchungen, in denen die motorischen
Fähigkeiten von Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen überprüft wurden; es wird
folglich bei dieser Zielgruppe häufiger über motorische Defizite berichtet. So berichten
RENTZ et al (1986) von Defiziten in der Grob- und Feinmotorik bei „sprachgestörten“
Schulkindern. Nach NICKISCH (1988) sind rund zwei Drittel aller sprachauffälligen Kinder
motorisch ungeschickter, als es ihrer Altergruppe entspricht (vgl. Zimmer 2010, 90ff.). Die
enge Beziehung zwischen Sprache und Bewegung haben auch Studien bestätigt, die besagen,
dass bei Kindern mit Lese-Rechtschreibschwächen (LRS) häufig eine Beeinträchtigung von
Wahrnehmungs- und Bewegungsfähigkeit zu beobachten ist. So wurde ein Zusammenhang
von LRS und Schwierigkeiten bei verschiedenen grundlegenden Fertigkeiten (Low-Level-
Fertigkeiten8) festgestellt. Demnach haben betroffene Kinder oft Schwierigkeiten verschieden
hohe Töne voneinander zu unterscheiden und zeitliche Abfolgen von Schallereignissen
präzise zu erfassen. Der Psychologe Roderic NICOLSON sieht neben den Problemen auf
akustischer Ebene auch im Bereich des Sehens und der Motorik große Defizite. Kinder mit
LRS reagieren oft langsamer, wenn sie auf ein bestimmtes Zeichen hin eine Taste drücken
müssen und haben Schwierigkeiten, mit dem Finger synchron zu einem Klicken zu klopfen.
Um diesen Lese- und Rechtschreib-Problemen zu begegnen, bedarf es folglich einer
umfassenden und ausdifferenzierten Förderung, die neben dem Hören auch alle anderen
sensorischen Bereiche und die Motorik einbezieht. (Vgl. Warnke, Hanser 2004, 64ff.) Den
8 Der britische Psychologe NICOLSON betrachtet die Lese- und Rechtschreib-Schwierigkeiten als die Spitze eines gewaltigen Eisberges von vielfältigen Defiziten. So lässt sich die Kompetenz, Sprache zu verstehen, in fünf aufeinander aufbauende Bereiche gliedern. Den untersten bezeichnet er als Low-Level. Dieser Bereich umfasst visuelle, auditive sowie motorische Fertigkeiten, die die Grundlage für höher stehende Bereiche (Laute – Silben – Wörter – Sätze) bilden (vgl. Warnke, Hanser 2004, 65f.).
BEWEGUNG ___________________________________________________________________________
31
Stellenwert der auditiven Wahrnehmung bezüglich Sprachentwicklung bekräftigt auch Jutta
KRAFT in ihrer Untersuchung zur psychomotorischen Förderung der
Kommunikationsfähigkeit des gehörlosen Kindes im Kindergartenalter. Sie bezeichnet die
auditive Wahrnehmung als grundlegend wichtig, unter anderem zur phonematischen
Differenzierung: Schwächen in diesem Bereich können zu Sinnverschiebungen
(Phonemverwechslungen) führen und im Weiteren Ursache für Rechtschreibprobleme
darstellen (vgl. Kraft 1986).
Eine neuere Untersuchung betreffend den Zusammenhang von Bewegung und
Sprachentwicklung bei vier- bis fünfjährigen Kindern wurde von Renate ZIMMER et al.
durchgeführt (vgl. Mandler, Zimmer 2006). 126 Kinder, von denen etwa ein Drittel aus
Migrationsfamilien stammte, wurden zum motorischen Entwicklungsstand und zu ihrer
Sprachentwicklung getestet. Weiters wurden den Eltern und Erzieherinnen Fragebögen
ausgehändigt, damit sie die Kinder auf ihre Fähigkeiten (Verhalten bei Spiel- und
Bewegungsangeboten, Sozialverhalten, erste Worte, erste Zweiwortsätze, Zeitpunkt des
Laufen-Lernens, Entwicklungsauffälligkeiten etc.) hin bewerten. Die Ergebnisse dieser
Untersuchung unterstreichen den Stellenwert der Beziehung zwischen Bewegung und
Sprache: Die motorische Verfassung der Kinder (gesamtkörperliche Gewandtheit,
Koordinationsfähigkeit, feinmotorische Geschicklichkeit, Gleichgewichtsvermögen)
korrelierte signifikant mit den Ergebnissen des sprachlichen Untertests „Verstehen von
Sätzen“ und „Satzgedächtnis“. Je höher die motorischen Leistungen waren, desto höher war
auch die sprachliche Leistung beim „Verstehen von Sätzen“ und beim „Satzgedächtnis“.
Weiters fand sich eine signifikante Korrelation zwischen feinmotorischer Geschicklichkeit
und den sprachlichen Untertests „Phonologisches Arbeitsgedächtnis für (Nicht-)Wörter“
und „Gedächtnisspanne für Wortfolgen“. So konnte eine signifikante Wechselbeziehung von
Feinmotorik mit der Sprachentwicklung nachgewiesen werden. Auch die Ergebnisse der
Fragebögen zur Bewertung des sprachlichen sowie motorischen Verhaltens des Kindes
zeigten die enge Beziehung zwischen feinmotorischer Geschicklichkeit und dem
Sprachverhalten. So wurden Kinder, die von Seiten der Erzieherinnen eher geringere
Leistungen im Bereich der Feinmotorik aufweisen auch weniger kompetent in ihrem
Sprachverhalten eingeschätzt (vgl. Zimmer 2010, 91ff.).
All dies zeigt, wie komplex Spracherwerb und Sprachentwicklung sein können, und
dass viel mehr Komponenten Einfluss darauf nehmen, als man anfangs annehmen möchte:
Der Spracherwerbsprozess ist ein multidimensionales Zusammenspiel aus sensorischen,
motorischen, kognitiven, emotionalen und sozialen Entwicklungsprozessen.
BEWEGUNG ___________________________________________________________________________
32
3.2.1 Voraussetzungen für den Spracherwerb
Das Kind wird in eine sprechende Welt hineingeboren. Aus dem Strom der gehörten
Geräusche und Sprache muss es Worte herausfiltern und diese mit Bedeutungen füllen.
Weiters muss es lernen, in welcher Weise Wörter miteinander verknüpft werden, um Sätze
zu bilden. Später muss es die Struktur von Texten sowie die Situationsabhängigkeit der
Sprache erfassen lernen. Es handelt sich beim Spracherwerb um einen höchst komplexen
Entwicklungsprozess, der zu den besonders wichtigen Entwicklungsaufgaben im frühen
Kindesalter zählt. Der Erwerb der Sprache erweist sich als ein humanspezifischer, teilweise
eigenständiger Phänomenbereich, der nicht einfach auf die kognitive oder sozial-
kommunikative Entwicklung reduziert werden kann. Dennoch gibt es wichtige kognitive
und sozial-kognitive Voraussetzungen für den Spracherwerb, wie auch umgekehrt der
Spracherwerb jene Faktoren beeinflussen kann. Beim Spracherwerb muss das Kind viele
teilweise eigenständige Wissenssysteme aufbauen: Es muss die prosodischen,
phonologischen, morphologischen, syntaktischen und lexikalisch-semantischen
Regularitäten der Muttersprache erwerben wie auch den kontextangemessenen,
handlungsorientierten Gebrauch der Sprache. Damit der Spracherwerb möglichst
problemlos ablaufen kann, müssen bestimmte körperliche, psychische, kognitive, sozial-
kognitive, sozial-kommunikative sowie soziale Voraussetzungen erfüllt sein. Sie bilden die
Basis, auf der der Spracherwerb aufbauen kann. (Vgl. Weinert, Grimm 2008, 505ff.)
3.2.1.1 Organische Voraussetzungen
Grundlegend für den ungestörten Spracherwerb sind die Rahmenbedingungen, denen ein
Kind in dieser Zeit ausgesetzt ist sowie seine körperlichen, kognitiven und psychischen
Voraussetzungen. Die Funktionstätigkeit der Sprechwerkzeuge, die Regulation der Atmung,
die Ausbildung der Muskulatur, der Mundmotorik und anderer Bereiche muss auf
organischer Ebene gegeben sein. Zum Sprechen sind neben der Funktionstüchtigkeit der
Sprechwerkzeuge (Kehlkopf, Lunge, Zwerchfell) und der Artikulationsorgane (Kiefer,
Rachen, Gaumen, Nase, Zunge, Zähne und Lippen) auch zielgerichtete Mund- und
Zungenbewegungen nötig, welche willentlich gesteuert werden. Jene komplizierten
Bewegungsabläufe erfordern eine gute Koordination der Muskulatur. Die Fähigkeit dazu
entwickelt sich mit Hilfe des Tastsinns und des Bewegungssinns, wobei gleichzeitig auch die
Entwicklung der Koordination und der Motorik unerlässlich ist.
Ferner soll für den Spracherwerb die organische Grundlage der
Sinneswahrnehmungen ausgebildet sein: im Besonderen die der auditiven Wahrnehmung
BEWEGUNG ___________________________________________________________________________
33
(Ohr). Die Selbstwahrnehmung und das Wahrnehmen der Umwelt bilden wichtige
Voraussetzungen für das Lernen. Unter „Wahrnehmung“ wird in diesem Fall das
Aufnehmen und Verarbeiten von Reizen verstanden, das die Voraussetzung für die
Orientierung in der Umwelt bildet. (Vgl. Zimmer 2010, 31f.)
Auditive Wahrnehmung
Die auditive Wahrnehmung bietet von der Entwicklung her sehr früh eine Sinneserfahrung.
Im vierten Schwangerschaftsmonat ist das Hörorgan bereits ausgebildet, und im letzten
Schwangerschaftsdrittel kann der Fötus unterschiedliche Stimmen bewusst wahrnehmen
und unterscheiden (vgl. ebd., 31). Das menschliche Ohr ist ab dem 6.
Schwangerschaftsmonat bereits voll funktionstüchtig, das Kind nimmt im Mutterleib eine
große Menge an phonetischen und prosodischen Informationen wahr, die „als Vorbereitung,
als Vor-Einstellung beim Spracherwerb nach der Geburt eine bedeutende Rolle spielen. Das Ohr ist
bei der Geburt bereits auf die Muttersprache ‚geeicht’ oder eben auf die Pluralität der Sprachen, mit
denen das Kind in Kontakt kommt“ (Bolla, Drumbl 2009, 23). So können vier Tage alte
Säuglinge schon ihre Muttersprache von anderen Sprachen unterscheiden, sie reagieren
besonders sensibel auf prosodische Merkmale der Muttersprache, wie eine
Untersuchungsreihe von MEHLER et al. im Jahre 1988 nachweisen konnte (vgl. Weinert,
Grimm 2008, 507f.).
Ist jedoch die Hörleistung beeinträchtigt, kommt es zu schwerwiegenden Problemen
auf sprachlicher Ebene: Störungen in der Sprachentwicklung, im Bereich des aktiven und
passiven Wortschatzes sowie auf dem Gebiet der Grammatik sind zu beobachten.
Schwerhörige Schüler neigen zum „Substantivismus“ und verfügen über nur wenige
Oberbegriffe und Synonyme, wobei bei deren Einsatz und Verwendung zusätzlich noch
Unsicherheiten aufkommen; Schüler/innen mit eingeschränkter Hörleistung verfügen meist
nur über einen Bedeutungsinhalt von Homonymen (vgl. Wisotzki 1995, 178f.).
Visuelle Wahrnehmung
Neben der auditiven Wahrnehmung stellt auch die visuelle Wahrnehmungsfähigkeit eine
wichtige Voraussetzung für den Spracherwerb dar. Kinder machen sich die Welt über ihre
Augen zugänglich. Sie fixieren bestimmte Punkte in ihrer Umgebung, und sobald sie in der
Lage sind nach ihnen zu greifen, wird diese Bewegung durch das Sehen gesteuert (vgl.
Zimmer 2010, 81f.). Die Bedeutsamkeit der visuellen Wahrnehmung bestätigt unter anderem
eine Studie von KUHL und METZLOFF aus dem Jahr 1982, die über die Fähigkeit des
Lippen-Lesens bei Säuglingen berichtet. Ungefähr vier Monate alte Säuglinge konnten
Lippenbewegungen den entsprechenden Aussagen zuordnen. Sie betrachteten das Gesicht
BEWEGUNG ___________________________________________________________________________
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länger, dessen Mundbewegungen mit dem gleichzeitig präsentierten Ton übereinstimmten,
wohingegen sie bei fehlender intermodaler Übereinstimmung das entsprechende Gesicht
signifikant kürzer betrachteten (vgl. Weinert, Grimm 2008, 509). Die Wichtigkeit der
visuellen Wahrnehmung kann auch anhand von Beobachtungen des Spracherwerbs bei
blinden Kindern beobachtet werden. Blinde Kinder weisen oft einen verzögerten
Spracherwerb auf und besitzen aufgrund ihrer eingeschränkten visuellen Wahrnehmung
auch meist einen kleineren Wortschatz.9
Taktile Wahrnehmung
Die taktile Wahrnehmung ist eine weitere wichtige Voraussetzung für einen ungestörten
Spracherwerb. Über den Tastsinn und das Erfassen von Informationen aufgrund von
Oberflächenbeschaffenheiten macht sich das Kind seine direkte Umwelt zugänglich. Es
erkennt, was weich, was hart, was rund, eckig, kalt, heiß etc. ist, indem es die Dinge angreift
und ertastet. Folglich werden in Verbindung mit der Sprache „die ‚greifbaren’ Erfahrungen zu
Begriffen“ (Zimmer 2010, 82). Der Mund mit Zunge, Lippen und Gaumen stellt ein
hervorragendes Tastorgan dar, welches sehr sensibel auf das Ertasten von Oberflächen und
Formen sowie anderen materiellen Eigenschaften von Gegenständen reagiert. Die ungestörte
taktile Wahrnehmung ist auch für die Artikulation von Lauten grundlegend. Um einen Laut
richtig bilden zu können, muss zum Beispiel die Position der Zunge im Mundraum reguliert
und wahrgenommen werden. Der Tastsinn ist aber nicht nur für das aktive Entdecken und
Erfahren der Umwelt wesentlich, auch der soziale Kontakt geschieht großteils über
Hautkontakt, über Berührt-Werden. Für Säuglinge stellt die Haut ein wichtiges
Kommunikationsmittel für den Kontakt mit der Umwelt dar; sie nehmen über den Tastsinn
auch die emotionale Bedeutung von Berührung wahr. Taktile Kommunikation kann als erste
Sprache des Kindes angesehen werden, auf deren Basis sich die verbale Sprache aufbaut. Der
Tastsinn wird auch „’die Mutter der Sinne’ genannt. Taktile Berührung ist eine Grundlage der
sozialen Existenz“ (ebd., 83).
Kinästhetische Wahrnehmung
Unter kinästhetischer Wahrnehmung versteht man den Spannungssinn (das Zusammenspiel
von Anspannung und Entspannung der Muskeln), den Kraftsinn (Einschätzung des nötigen
Kraftaufwandes für eine Leistung), den Stellungssinn (Lokalisierung der Gliedmaßen) und
den Bewegungssinn (Kontrolle der Muskeln und Sehnen). Jedes Sprechen ist ebenfalls eine
9 Blinde Kinder können sich die Umwelt zwar nicht über visuelle Wege zugänglich machen, dafür weisen sie meist einen hoch ausgebildeten und stark ausdifferenzierten Hör- und Tastsinn auf. (Vgl. Wendlandt 2006)
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motorische Handlung, da Mund- und Zungenbewegungen aufeinander abgestimmt werden
müssen. Alle Laute einer Sprache bedürfen der Feinabstimmung der gesamten Muskulatur.
Dazu braucht es die Fähigkeit der Bewegungswahrnehmung sowie der Spannungs- und
Kraftregulation. Neben dem Aspekt der Artikulation von Sprache als motorische Tätigkeit
trägt die Bewegungswahrnehmung auch im weiteren Sinne zur Entwicklung von Sprache
bei. Das Kind begreift seine Umwelt zuerst über seinen Körper, um dann im Weiteren mit
Hilfe der Sprache ‚Begriffe’ für seine Erfahrungen zu bilden:
Was Springen heißt, erlebt das Kind zuerst über seinen Körper, und was es bedeutet, wenn ein
Brett, auf dem man steht, wackelt, muss man zunächst in der eigenen Bewegung erfahren. Die
Bewegungswahrnehmung ist also sowohl im engeren als auch im weiteren Sinne mit der
Sprachentwicklung verknüpft. (Ebd., 84)
Die Bewegung und die Wahrnehmung der Bewegung stehen in enger Beziehung zur
Sprachentwicklung, zum Sprachverständnis sowie zur Sprachproduktion.
3.2.1.2 Kognitive Voraussetzungen
Es gibt eine enge und wechselseitige Beziehung zwischen der kognitiven und der
sprachlichen Entwicklung eines Kindes. Anfangs treten Kinder mit Hilfe der Sinne und ihrer
Motorik mit der Außenwelt in Kontakt. Indem sie mit Dingen hantieren, erkennen sie,
welche Eigenschaften diese besitzen und was man mit ihnen zum Beispiel als Werkzeug
anfangen kann. Sie erkennen einfache Naturgesetze über das aktive Ausprobieren und
bilden aus den Beobachtungen und Erfahrungen Hypothesen über die Umwelt. Jene
grundlegenden Erfahrungen sind an den unmittelbaren Umgang des Kindes mit den
Gegenständen gebunden. In der weiteren Entwicklung können Objekte und Dinge für das
Kind auch präsent sein, wenn jene nicht unmittelbar wahrnehmbar sind; sie existieren nun in
der Vorstellung des Kindes. Dadurch werden die äußeren Handlungen – das aktive
Ergreifen, Erfassen, Ertasten etc. – gewissermaßen nach innen verlagert. Wörter einer
Sprache werden als Symbole für reale Dinge verwendet und dienen als deren Stellvertreter.
Über die Sprache ist es dem Kind möglich „Gedanken und Vorstellungen hervorzurufen, die von
den realen Situationen losgelöst sind. Nun können Zusammenhänge erkannt, Schlüsse gezogen
werden, ohne dass sie an das praktische Tun gebunden sind. Probleme können ggf. bereits in der
Vorstellung gelöst werden“ (Zimmer 2010, 85). Man kann daraus schließen, dass Sprache das
Denken ermöglicht, dass aber auch das Denken gleichzeitig die Sprache und deren
Verwendung stark beeinflusst. Die Sprache baut zunächst auf den sinnlichen Erfahrungen
und der Bewegung auf, schließlich verlagern sich jene Handlungen nach innen, indem das
Kind über sie nachdenken kann. Demnach ist die Verwendung von Symbolen ein durchaus
BEWEGUNG ___________________________________________________________________________
36
wichtiger Schritt in der kognitiven Entwicklung des Kindes. Aus dem anfänglichen Ertasten
und Ergreifen der Dinge wird schließlich ein kognitives Erfassen und Begreifen. Die
zunehmende kognitive Reifung ermöglicht es dem Kind sich immer mehr von den
konkreten Handlungen zu lösen und Vorstellungen beziehungsweise Gedanken zu
entwickeln, die es anderen sprachlich mitteilen kann. (Vgl. ebd., 84ff.).
3.2.1.3 Kommunikative Voraussetzungen, Interaktion
Neben den zuvor genannten Voraussetzungen ist die Interaktion des Kindes mit seinem
sozialen Umfeld ein nicht zu unterschätzender Punkt in der Sprachentwicklung und in der
psychischen Entwicklung. Erste Experimente zum phylogenetischen und ontogenetischen
Ursprung von Sprache - so genannte Isolationsexperimente - bestärken die Wichtigkeit der
sozialen Interaktion für den Spracherwerb und für die Gesamtentwicklung des Kindes.10
Eine positive sozial-emotionale Beziehung zwischen der Mutter (der primären
Bezugsperson) und dem Kind ist grundlegend dafür, dass Säuglinge ihre Fähigkeiten
entfalten können.11 (Vgl. Weinert, Grimm 2005, 530)
Nicht nur die Zuwendung der Bezugsperson ist ausschlaggebend, auch von Seiten des
Kindes ist die persönliche Sprechfreude entscheidend für die Sprachentwicklung. Kinder
gehen kreativ mit Sprache um und erfreuen sich an neuen Wortverbindungen; Sprachlust
und Kreativität charakterisieren verbale Äußerungen von Kindern:
Der Spracherwerb ist ein aktiver, schöpferischer Prozess. Damit er sich voll entfalten kann, ist
eine sprechfreudige Umgebung erforderlich. Dazu gehören Menschen, die dem Kind zuhören
und die sich auf die Sprache der Kinder einlassen, die ihnen auch aktive Rollen zugestehen.
(Zimmer 2010, 86)
In der Interaktion mit sprachlich kompetenten Personen lernt das Kind nicht nur neues
Wortmaterial kennen, sondern auch bestimmte sprachlich kommunikative Fähigkeiten und
andere sprachliche Kompetenzen. Nur indem das Kind selbst Gesprächssituationen erfährt,
kann es unter anderem die wichtigen Kriterien eines Dialoges erlernen. Weiters lernt es
10 Bereits im 7. Jahrhundert v. Chr. soll der ägyptische König Psammetich I. ein Experiment angeordnet haben, um die Ursprache der Menschheit ausfindig zu machen. Er isolierte – einem Bericht von Herodot zufolge – zwei Neugeborene aus der menschlichen Zivilisation und ließ sie unter Schafen aufwachsen. Ein ähnliches Experiment ließ Friedrich II. von Hohenstaufen, Kaiser des römischen Reiches (1194 – 1250) durchführen. Dabei ließ er Kinder zwar füttern und waschen, aber jeglicher anderer sozialer Kontakt wurde ihnen verwehrt. Ergebnis dieser und weiterer ‚Experimente’ war, dass die Kinder nicht nur keine Sprache erlernten, sondern auch unter starken psychischen Schäden litten und in der Folge verstarben (vgl. Klann-Delius 2008, 7ff.). 11 1951 beschreibt BOWLBY in seinem Bericht für die World Health Organization diese Mutter-Kind-Beziehung mit den Worten, dass „die Mutterliebe für die geistig-seelische Gesundheit des Kindes so wichtig sei, wie Vitamine und Proteine wichtig für die körperliche Gesundheit sind“ (Bowlby zitiert nach Weinert, Grimm 2008, 530).
BEWEGUNG ___________________________________________________________________________
37
dabei die Abstimmung von Mimik und Gestik beim Sprechen. Dies geschieht bereits in der
vorsprachlichen Phase unter anderem durch emotionale Zuwendung und auf spielerischer
Ebene. Das Spiel, zum Beispiel das Versteckspiel (Mutter versteckt ihr Gesicht hinter einem
Gegenstand und zeigt es nach kurzer Zeit wieder dem Säugling) können zu ersten lustvollen
sprachlichen wie körperlichen Kommunikationsformen anregen. Das Kind erkennt, dass es
mit seiner Reaktion (es lacht zum Beispiel beim erneuten Auftauchen des Gesichtes der
Mutter laut) etwas bewirken kann und andere in ‚Bewegung versetzen’ kann. Später
übernimmt das Kind bei diesem Spiel die aktive Rolle und versteckt sich selbst, um eine
(sprachliche) Reaktion von den Spielpartnern zu provozieren.
Ein wichtige Voraussetzung für den Spracherwerb erbringt das Kind selbst: Es ist
neugierig, befasst sich aktiv mit seiner Umwelt und strebt nach Autonomie sowie nach
Aneignung von Fähigkeiten und Kenntnissen. Diese gesunde Neugier äußert sich in der
Motorik, Kognition und Sprache, das Kind strebt nach Progression und begnügt sich nicht
mit einem einmal erreichten Zustand. Es will „fremdes und eigenes Verhalten beeinflussen,
Aufmerksamkeit lenken, die Dinge verstehen und benennen, sich selbstständig fortbewegen, sich vor
allem mit anderen verständigen“ (ebd., 88).
3.2.2 Bewegung, Sprache und Vorstellung
Bevor das Kind sich sprachlich mitteilen kann, muss es sich Wissen über Dinge und deren
Beziehungen angeeignet haben, was über das aktive Erleben der Umwelt geschieht. Das
durch die Handlung erfahrene Wissen wird mit Hilfe der Sprache zu Begriffen und diese
Begriffe ermöglichen dem Kind eine innere Abbildung der Welt. Folglich erfährt das Kind
zum Beispiel zeitliche Begriffe wie „langsam“ und „schnell“ oder räumliche wie „hoch“ und
„tief“ sowohl in einfachen wie auch in komplexen Bewegungshandlungen und erwirbt so
eine Erweiterung des Wortschatzes. (Vgl. Zimmer 2007, 25ff.) Bewegung ist Ausgangspunkt
für abstraktes Denken. Bewegungserfahrungen in konkreten Räumen „bilden die Grundlage
von Begriffen, die im Laufe der Zeit eine völlig abstrakte, d. h. von ihrem ursprünglichen Sinn
abgeleitete aber auch abgelöste Bedeutung erhalten“ (Schäfer 2007, 40).
Frühkindliche Bildung geht von sinnlicher Erfahrung aus, welche eng mit dem Körper und
der Bewegung verbunden sind; diese bildet den Ausgangspunkt für forschendes Lernen.
Sinnliche Erfahrung und körperliche Aktivität ermöglichen es dem Kind, mit seiner
dinglichen und räumlichen Umwelt zu experimentieren und so Erfahrung über sie zu
sammeln:
BEWEGUNG ___________________________________________________________________________
38
Das Kind setzt sich über Bewegung einerseits mit seiner materialen und sozialen Umwelt
auseinander und gewinnt Erkenntnisse über deren Regeln und Gesetzmäßigkeiten; über seinen
Körper macht es andererseits aber auch wichtige Erfahrungen über seine eigene Person, die die
Grundlage der Persönlichkeitsentwicklung darstellen. (Zimmer 2010, 24)
Über Bewegung und Wahrnehmung entwickeln Kinder Konzepte über die Wirklichkeit, so
wie sie sie selbst erfahren. Jene Konzepte bestehen aus Episoden der Erfahrung, die sich in
vergleichbarer Art und Weise wiederholen. So können sie zum Beispiel Konzepte über das
Schlafengehen oder das Mittagessen entwickeln, welche als Handlungskonzepte im Gehirn
in Form von MERs (Mental-Event-Repräsentationen, Ereignisrepräsentationen) gespeichert
werden. Diese Episoden oder Szenen bilden Vorstellungskonzepte, die im Kopf gedanklich
weiter bearbeitet werden oder im Spiel realisiert werden. Aber erst über die Sprache werden
diese individuellen Vorstellungen anderen zugänglich. (Vgl. Schäfer 2007, 36)
Die Erinnerungsmuster einer durch Bewegung erschlossenen, sinnlich und emotional erfassten
und geordneten Welt werden zu einer repräsentierten Welt verarbeitet. Erfahrene Szenen und
Episoden bilden eine Vorstellungswelt, eine Welt im Kopf, die unabhängig von der gerade
vorhandenen Außenwelt hervorgerufen werden kann. Sie ist ästhetisch geordnet. Sie kann im
Gedächtnis nur gespeichert werden, wenn sie ästhetisch geordnet wurde. Ästhetisch heißt
dabei, mit den Organisationsformen der sinnlichen Erfahrung. (Ebd., 34)
Um zu verstehen, über welche Situation oder über welche Dinge gerade gesprochen wird, ist
es grundlegend, dass schon bestimmte Vorstellungen oder Konzepte mit dem Sachverhalt
verbunden sind. Aus diesem Grund scheint es wenig verwunderlich, dass die ersten Wörter
eines Kindes meist auf die vertrautesten Phänomene des Kindesumwelt bezogen sind.
Kinder wissen, was „Mama“ bedeutet, da sie in den meisten Fällen die engste Bezugsperson
darstellt; sie wissen, wie sie aussieht, wie sie sich anfühlt, wie sie riecht etc. (vgl. ebd., 36f.).
Wörter bekommen erst ihren Sinn, wenn sie „ein lebendiges Bild von der Wirklichkeit im Kopf des
Kindes geworden sind“ (ebd., 36).
Sprache zu lernen bedeutet, in der Lage zu sein, Handlungs- und
Vorstellungskonzepte in Sprache fassen zu können und in sprachlichen Konzepten zu
organisieren.
Ohne differenzierte Bewegungs-, Handlungs-, und die daraus entwickelten
Vorstellungskonzepte gäbe es kein sinnvolles Denken mit Hilfe der Sprache und der
Sprachlogik. Deshalb ist abstraktes Denken auf differenzierte Vorstellung und diese wiederum
auf ausgearbeitete Bewegungs-, Handlungs-, und Sinneserfahrung angewiesen. Oder: ohne
Handlungs- und Vorstellungskonzepte von der Wirklichkeit, in der sie leben, können Kinder
auch nicht abstrakt und logisch über ihre Weltbezüge nachdenken. (Ebd., 37)
Über das Mittel der Bewegung wird zum Beispiel Nähe oder Distanz erzeugt: Sobald Kinder
zu krabbeln und später zu gehen beginnen, können sie selbstständig über das Verhältnis von
BEWEGUNG ___________________________________________________________________________
39
Nähe und Distanz verfügen. Das Thema von Nähe und Distanz wird dann später aus dem
Bewegungsbereich in die Sprache übertragen und findet schließlich auch in abstrakten
Denkprozessen Verwendung.
Das Wissen, welches sich Kinder über Bewegung und aktive Auseinandersetzung mit
der unmittelbaren Umwelt angeeignet haben, ist grundlegend für die Verwendung und das
Verständnis von Sprache. Auch im Hinblick auf die Realisierung von narrativen Strukturen
in einer Geschichte kann sich Bewegungserfahrung als äußerst wichtig herausstellen. Wenn
Kinder oder Erwachsene Geschichten erzählen, so bewegen sie sich durch imaginäre Räume
und Zeitabschnitte, in denen sich gewisse Ereignisse oder Szenen abspielen. Der reale
Erlebnis- und Erfahrungsraum des Menschen ist erfüllt von solchen Szenen, welche
Bewegungen in Raum und Zeit und die damit verbundenen Ereignisse und Erlebnisse
widerspiegeln. Die Ordnung und Abfolge von Bewegung gibt den Geschichten Struktur,
entlang „den Bewegungen in einem Raum, in dem sich Ereignisse abspielen. Das heißt, Bewegung ist
ein organisierendes Element erzählter Geschichten“ (ebd., 39).
3.3 Bewegt lernen
Bewegung aktiviert die motorischen Zentren im Gehirn, welche bei der Verarbeitung von
Informationen und dem Speichern von Inhalten eine wesentliche Rolle spielen. So hat auch
die Gedächtnisforschung nachgewiesen, dass Wörter, Zahlen und andere Inhalte leichter
behalten werden, wenn sie durch Gesten, rhythmische Bewegungen und sprachliche
Wiederholungen begleitet werden. Ursache dafür kann die doppelte Kodierung von
Lerninhalten sein: Lerninhalte werden auf kognitiver wie auf motorischer Ebene
abgespeichert. Diese doppelte Kodierung führt zu einer effizienteren und schnelleren
Wiederfindung von Gedächtnisspuren im Langzeitspeicher. (Vgl. Zimmer 2008, 24)
Bewegung aktiviert zudem das limbische System und unterstützt damit die
Aufmerksamkeit. Darüber hinaus werden durch die Bewegung Neurotransmitterstoffe
ausgeschüttet, die den Lernprozess ebenfalls begünstigen können (vgl. Gasse, Dobbelstein
2003, 20ff.). Dass Bewegung Aufmerksamkeit und Konzentration steigern kann, hat eine
Studie von DORDEL und BRETHECKER im Jahr 2003 empirisch belegt. Es wurden
unterschiedliche Schulklassen beobachtet, Schulklassen mit traditionellem, ‚sitzendem‘
Unterricht und Klassen mit vielfältigem und intensivem Bewegungsangebot. Bei
Schüler/innen des traditionellen ‚Sitzunterrichtes’ ohne Bewegungspausen sank die
Konzentrationsleistung im Verlauf der Unterrichtszeit beträchtlich, wohingegen sich die
Konzentrationsleistung der anderen Gruppe gegen Ende des Unterrichts sogar steigerte.
BEWEGUNG ___________________________________________________________________________
40
Bewegung fördert die Durchblutung des Gehirns, was als Ursache des besseren
Abschneidens der Bewegungs-Klasse angesehen wird. Bewegung regt den Stoffwechsel an
und nimmt zudem Einfluss auf die Aktivität von Neurotransmittern. Über Bewegung
werden aber auch hormonelle Prozesse beeinflusst, was zum Abbau von Stress und zu einer
Steigerung des Wohlbefindens führen kann (vgl. Dordel, Breithecker 2003, 2ff.).
Lernen wird stark von Emotionen beeinflusst. Alle Informationen, die im Gehirn
einlangen, werden auf ihren emotionalen Gehalt hin filtriert und bewertet und dies ist
Aufgabe des limbischen Systems. Wird eine Aufgabe positiv bewertet, so steigt bei der
betreffenden Person der Gehalt an speziellen Neurotransmittern (zum Beispiel Dopamin)
und löst Glücksgefühle aus. Neurowissenschaftler konnten nachweisen, dass Emotionen bei
der Gedächtnisbildung eine wesentliche Rolle spielen und darüber hinaus das Lernen
insgesamt positiv beeinflussen können; Bewegung unterstützt die Aktivierung des
limbischen Systems und beeinflusst dadurch die Gefühlslage des Menschen (vgl. Zimmer
2008, 30f). Zudem können Gefühle das Lernen dahingehend fördern, dass sie die Aktivität
neuronaler Netzwerke intensivieren und damit ihre synaptische Vernetzung unterstützen
und verstärken (vgl. Gasse, Doppelstein 2003).
3.3.1 Sprachförderung über Bewegung
MOSER und CRISTIANSEN untersuchten im Rahmen eines Feldexperiments dem die
Auswirkungen eines psychomotorischen Trainings auf die Sprachkompetenz sowie die
kognitiven Fähigkeiten von Probanden. Zu diesem Zweck ließen sie sieben- und achtjährige
Kinder über einen Zeitraum von zehn Wochen täglich 40 Minuten an einem
psychomotorischen Training teilnehmen und überprüften mögliche Veränderungen
hinsichtlich der kognitiven und sprachlichen Kompetenz der Kinder. Dabei stellte sich
heraus, dass gerade Kinder, welche vor der Intervention als kognitiv schwach eingestuft
wurden, signifikant stark von der bewegungsorientierten Sprachförderung profitierten12,
während man bei den zuvor als kognitiv stark eingestuften Kindern keine deutlich
feststellbaren Unterschiede verzeichnen konnte. (Vgl. Moser, Christiansen 2000)
Renate ZIMMER et al. untersuchte im Rahmen eines Projektes zur Gesundheits- und
Bewegungsförderung im Kindergarten den Einfluss einer bewegungsorientierten
Sprachförderung bei drei- bis fünfjährigen Kindern. Über einen Zeitraum von zehn Monaten
12 Dieses Ergebnis führen die Wissenschaftler auf das Trainingsprogramm zurück, welches „reichhaltige Möglichkeiten für eine qualitativ hochwertige Interaktion zwischen den Schülern sowie zwischen den Schülern und dem Lehrer“ ermöglichte. Weiters kann das „niedrigere Ausgangsniveau der schwächeren Schüler dabei als eine (Mit-)Ursache für die beobachteten großen Fortschritte“(Moser, Christiansen 2000, 94) gesehen werden.
BEWEGUNG ___________________________________________________________________________
41
wurden mit insgesamt 244 Kinder Bewegungsangebote durchgeführt, welche die
Sprachentwicklung der Kinder (Wortschatzerweiterung, Prosodie, Phonologie und
allgemeine Kommunikationsförderung) anregen soll. Die Ergebnisse zeigen, dass die
Leistungen der Versuchsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe im Untertest
„Phonologisches Arbeitsgedächtnis für Nichtwörter“ signifikant zunahm. Die Ergebnisse des
Untertests „Satzgedächtnis“, bei dem die Kinder vorgesprochene, teilweise auch unsinnige
Sätze reproduzieren sollten (Messung linguistischer Kenntnisse) zeigt bei beiden
Versuchsgruppen deutliche, signifikante Zugewinne. Bezüglich dieses
Untersuchungsaspektes war kein signifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen
erkennbar. Die Auswertung der Gesamtmenge an gewonnen Daten gibt nach ZIMMER
deutliche Hinweise darauf, dass „die Kinder von dem Konzept Sprachförderung durch Bewegung
profitierten. Sie verbesserten sich im Vergleich zur Kontrollgruppe deutlich in ihrem
Motorikquotienten (als Maß für den motorischen Entwicklungsstand) und in Phonologisches
Arbeitsgedächtnis für Nichtwörter (als ein Maß für Sprachentwicklung)“ (Zimmer 2010, 107).
Sprechen bedeutet Bewegung. Folglich gibt es viele methodische Ansätze zur Förderung von
Sprachkompetenz, die mit dem Mittel der Bewegung operieren. Die Zielgruppe für eine
Anwendung dieser Methoden reduziert sich aber nicht auf ‚gesunde’ sprachauffällige
Kinder, sondern umfasst auch Personen mit geistiger sowie körperlicher Behinderung oder
Menschen mit schwerwiegenden psychischen Erkrankungen und daraus resultierenden
Sprachproblemen. Der Schwerpunkt der folgenden Betrachtungen soll auf die
Sprachförderung von Kindern gelegt werden, die in ihrer psychischen und physischen
Entwicklung nicht auffallend beeinträchtigt sind, sondern deren Sprachprobleme im
Zweitsprachenerwerb ihre Quelle haben.
Eine Methode zur ganzheitlichen Betrachtung von Sprachproblemen ist die
Psychomotorik13. Bei diesem Ansatz werden die Zusammenhänge zwischen Bewegung,
Wahrnehmung und Sprache betont und ausdrücklich gegen eine isolierte, defizitorientierte
Förderung einzelner Funktionen und Teilaspekte der Sprachentwicklung Stellung
genommen. Auf Basis von bewegungsorientierten Spielhandlungen können basale
sprachlich-kommunikative Fähigkeiten gefördert werden. Dies geschieht im Kontext
sinnvoller Spielsituationen, in denen behutsam die Möglichkeit zur Anregung und
13 Als Wegbegleiter der Psychomotorik können MONTESSORI, FRÖBEL, PESTALOZZI angesehen werden, da sie das Kind in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen stellten und bereits die Wahrnehmungs-, Bewegungs- und Erlebniskomponente in der Entwicklung berücksichtigten. Charlotte PFEFFER war diejenige, die 1955 den Begriff „psychomotorische Erziehung“ prägte und dabei ihren Schwerpunkt auf die ganzheitlich Erziehung von Kindern legte; kindliche Hauptinteressen nach PFEFFER bilden: Bewegung, Spielen und Erfinden. (Fischer 2001, 27)
BEWEGUNG ___________________________________________________________________________
42
Entwicklung sprachlicher Kompetenzen gegeben wird. Zur Methode der Psychomotorik
kann auch das Rollenspiel zählen, bei dem die Erweiterung des Wortschatzes, die
Begriffsbildung, grammatikalische Regeln und die Aussprache spielerisch thematisiert
werden. All jene sprachlichen Fähigkeiten werden dabei nicht isoliert gefördert, sondern
sind in eine für das Kind bedeutungsvolle, kommunikative Handlungssituation
eingebunden, in der echtes Mitteilungs- und Verständigungsinteresse herrscht. (Vgl. Lüthje-
Klose 2004, 38)
Sprache wie auch Motorik entwickeln sich in der Auseinandersetzung mit der
Umwelt. Daher bedarf es auch eines anregenden Lernmilieus, damit das Potenzial, welches
in den Kindern steckt, optimal entfaltet werden kann. Es gilt vor allem die
Sprachlernmotivation des Kindes anzuregen und das Interesse am kreativen Umgang mit
Sprache zu erwecken beziehungsweise zu erhalten. Es sollen Sprechanlässe geschaffen
werden, die sich aus Bewegungsaktivitäten der Kinder ergeben, und es werden bewusst
Spielsituationen zur Integration von Bewegung und Sprache aufgesucht und angewendet. So
kann spielerisch die Sensibilität für die Atmung gestärkt werden, wenn Kinder zum Beispiel
mittels Spiels probieren Dinge mit ihrem Atem zu bewegen (kleine Wattekugeln,
Tischtennisbälle etc.). Dabei lernen sie den Atem bewusst wahrzunehmen, ihn zu regulieren
und erfahren dabei, was der Atem alles bewirken kann.
Für eine gute Artikulation sind Übungen der Mundmotorik nützlich, die die
Eigenwahrnehmung der Mundmuskulatur im gesamten Mundbereich betreffen. So kann
zum Beispiel das Saugen mit einem Strohhalm oder das Schnalzen mit der Zunge etc. ein
bewusstes Erfahren und Üben der Mundmotorik mit sich bringen.
Um die auditive Wahrnehmung zu unterstützen und zu fördern, können Spiele
angewendet werden, bei denen Kinder mit verbundenen Augen die Welt mit ihren
Geräuschen und Klängen erkunden sollen. Weiters gibt es neben Bewegungs-Spielen zur
Förderung auditiver Wahrnehmung auch jene, mit denen visuelle, taktile und kinästhetische
Wahrnehmung gezielt gefördert werden kann, also all jene Wahrnehmungsfähigkeiten, die
grundlegend für die Sprachentwicklung sind. Zudem fördert spielerisches Bewegen die
Entfaltung des Wortschatzes, der Prosodie, der Lautbildung und der kommunikativen
Funktion von Sprache; der Bewegung kommt dabei eine begleitende, motivierende Funktion
zu.
Sprachmelodie und Sprachrhythmus können Aufschluss über den eigentlichen Sinn
von Aussagen geben. Aus der Betonung der Worte kann geschlossen werden, ob es sich
dabei um eine Frage, Aufforderung oder Feststellung handelt. Diese Fertigkeit kann zum
Beispiel in Rollenspielen und in Bewegungsspielen mit Frage-Antwort-Ritualen (verstecken
BEWEGUNG ___________________________________________________________________________
43
spielen etc.) geübt werden. Im Spiel und in der Bewegung lernen die Kinder großteils
unbewusst das Regulieren der Tonhöhen und Betonungen.
Das phonologische Bewusstsein kann mit Spielen zur Differenzierung der auditiven
Wahrnehmung unterstützt werden. Dabei lernen die Kinder genau hinzuhören und üben die
Fähigkeit Geräusche wahrzunehmen und Klänge zu unterscheiden. Mit diesem Können
entwickeln sie mehr Sensibilität für die feinen Nuancenunterschiede der Laute in der
Sprache.
Der Erwerb von Wortbedeutungen wie auch der Aufbau des aktiven und passiven
Wortschatzes kann mit Bewegungsspielen unterstützt werden. So können Kinder beim
Ausführen von bestimmten Bewegungen wie zum Beispiel beim Schleichen, Rutschen,
Stampfen, Klettern, Hüpfen, Balancieren etc. nicht nur bestimmte Bewegungsqualitäten
kennen lernen, sondern auch gleichzeitig die dazugehörigen Begriffe (Kletterwand, Ball,
Bank etc.) erlernen und üben.
Neben den Übungen zur Erweiterung des Wortschatzes können über
Bewegungsangebote auch Grammatik und Syntax gefördert werden. Kinder können in der
Bewegungshandlung zum Beispiel die Bedeutung einer aktiven oder passiven Handlung
erkennen, indem sie selbst jene Positionen einnehmen und sie durchspielen. In jeder
bewegten Spielsituation ist kommunikatives Handeln erforderlich, indem die Kinder eigene
Spielideen einbringen, Rollen festlegen oder Regeln aushandeln. Folglich fordern
spielerische Bewegungsangebote ebenfalls sprachlich pragmatische Kompetenzen wie
kommunikative Fähigkeiten. Es lassen sich die verschiedenen Sprachebenen in den
Bewegungs-Spielen nicht deutlich voneinander unterscheiden, so kann ein Spiel zur
Erweiterung des Wortschatzes gleichzeitig die kommunikative Kompetenz, das
phonologische Bewusstsein etc. fördern. Wichtig bei all jenen Spielen und Übungen ist, dass
die Bewegung als Antrieb und Motor für Motivation und Gruppendynamik fungiert.
Bewegung kommt somit eine unterstützende, motivierende und begleitende Funktion zu;
Bewegung bewegt und belebt die Sprache. (Vgl. Zimmer 2010, 120f.)
3.3.2 Bewegte DaZ-Förderung
Der Zweitsprachenerwerb bezeichnet den Spracherwerb in nicht-erstsprachlicher
Umgebung, bei dem die Zweitsprache oder auch Zielsprache (target language) erlernt wird,
dies geschieht in gesteuerter sowie ungesteuerter Form. Der Zweitsprachenerwerb steht in
dieser Hinsicht im Kontrast zum Fremdsprachenerwerb, der einen Spracherwerb in
erstsprachlicher Umgebung vorwiegend in unterrichtlich gesteuerter Form vorsieht (Henrici,
Riemer 2007, 39). Zweitsprachenlernende werden im Unterricht vor hohe Anforderungen
BEWEGUNG ___________________________________________________________________________
44
gestellt, da die zu erlernende Zweitsprache nicht nur als Medium der Kommunikation dient,
sondern auch als Instrument des Wissenserwerbes. Gute Kenntnisse in der Zweitsprache
sind „im Unterricht die Voraussetzung für die Beteiligung im themen- und gegenstandsbezogenen
Gespräch und sie sind das zentrale Instrument des Lernens“ (Schmölzer-Eibinger 2005, 128). Da
die schulische Wissensvermittlung vorwiegend auf textueller Basis erfolgt, ist es für den
schulischen Erfolg notwendig, über ausreichend Textkompetenz zu verfügen14. Für die
Entwicklung schriftsprachlicher Kompetenzen ist der erreichte Sprachstand in der
Erstsprache wichtig, da sich etwaige Kompetenzen von der Erstsprache auf die Zweitsprache
übertragen, wenn ein bestimmtes Niveau an Sprachkompetenz in der Zweitsprache bereits
erreicht ist. Zweitsprachenerwerb bedeutet aber nicht lediglich die einfache Summe von
Erstsprache und Zweitsprache, sondern ist vielmehr ein komplexes Zusammenspiel beider
beteiligten Sprachen. Für die Entwicklung schulsprachlicher Kompetenz spielt daher die
Förderung der Erstsprache eine wichtige Rolle. Seit dem Schuljahr 1992/93 gibt es an den
allgemeinen Pflichtschulen in Österreich (Volksschulen, Hauptschulen, Sonderschulen,
Polytechnische Schulen) muttersprachlichen Unterricht15. Zu kritisieren dabei wäre, dass der
Unterricht der Herkunftssprachen meist nur außerhalb des regulären Unterrichts angeboten
wird und nicht in den Sprach- und Fachunterricht integriert ist16 . (Vgl.ebd., 128ff.)
Mehrere Untersuchungen zur sprachlichen Kompetenz von Grundschüler/innen
haben in letzterer Zeit die Problematik unzureichender Sprachkenntnisse von Kindern aus
sozial benachteiligten Elternhäusern belegt. Die größte Gruppe bilden Kinder mit
Migrationshintergrund, von denen über zwei Drittel aus sozial schwachem Umfeld
14 Textkompetenz ist die Fähigkeit Texte zu lesen, das Gelesene mit eigenem Wissen in Beziehung zu setzen und die dabei gewonnenen Informationen und Erkenntnisse für das weitere Denken wie auch Sprechen und Handeln zu nutzen. Textkompetenz beinhaltet aber auch die Fähigkeit, Texte für andere herzustellen, Gedanken, Wertungen und Absichten verständlich und adäquat mitzuteilen. Textkompetenz „ist die individuelle Fähigkeit, Texte lesen, schreiben und zum Lernen nutzen zu können“ (Portmann-Tselikas 2008, 5) Verfügen Zweitsprachenlernende (wie auch Erstsprachenlernende) über nicht genügend Textkompetenz, führt dies zu weit reichenden schulischen Problemen. Insbesondere Zweitsprachenlernende besitzen oft eine nicht ausreichende Textkompetenz, dies wird deutlich am Leistungsunterschied zwischen Zweitsprachenlernenden aus gesellschaftlich wenig anerkannten sprachlichen Minoritäten und muttersprachigen Lernern, der in den meisten europäischen Ländern eklatant ist (vgl. Schmölzer-Eibinger 2005, 129). 15 Das Sprachenangebot des muttersprachlichen Unterrichts ist von personellen und stellenplanmäßigen Ressourcen abhängig; der Muttersprachenunterricht ist prinzipiell in jeder Sprache möglich. Im Schuljahr 2009/10 wurden an allgemein bildenden Pflichtschulen folgende Sprachen angeboten: Albanisch, Arabisch, Armenisch, Bosnisch/Kroatisch/Serbisch (BKS), Bulgarisch, Chinesisch, Dari, Französisch, Italienisch, Pashto, Persisch, Polnisch, Portugiesisch, Romanes, Rumänisch, Russisch, Slowakisch, Spanisch, Tschechisch, Tschetschenisch, Türkisch und Ungarisch, wobei österreichweit der weitaus größte Teil auf BKS und Türkisch entfällt und die Bundesländer Wien und Steiermark mit 15 bzw. 14 Sprachen das vielfältigste Angebot vorweisen können. (Vgl. BMUKK 2010, 7ff.) 16 Zusätzlich zum Muttersprachenunterricht werden seit dem Schuljahr 2006/07 in der Vorschulstufe wie auch in den ersten vier Schulstufen für außerordentliche Schüler/innen zusätzlich Deutschförderkurse eingerichtet. (Vgl. BMUKK 2010, 7ff.)
BEWEGUNG ___________________________________________________________________________
45
stammen. Es muss jedoch auch angemerkt werden, dass mittlerweile eine zunehmend große
Gruppe von Kindern mit Deutsch als Muttersprache aus sozial benachteiligtem Elternhaus
gravierende sprachliche Probleme und Mängel aufweist. Ergebnisse von
Sprachstandserhebungen aus Deutschland wie der HASE-Test (Heidelberger Auditives
Screening in der Schuleingangsphase) oder der DELFIN 4 (Diagnostik, Elterarbeit und
Förderung der Sprachkompetenz Vierjähriger in Nordrhein-Westfalen), bestätigen ebenfalls
die enge Verbindung von benachteiligter sozialer Herkunft und nicht altersgemäßen
Sprachkenntnissen. Kinder mit Migrationshintergrund und Deutsch als Zweitsprache
schneiden auf diversen sprachlichen Gebieten wie „Nachsprechen von (Kunst)-Wörtern“,
„Nachsprechen von Sätzen“ sowie „Wortschatz“ schlechter ab als Kinder mit Deutsch als
Muttersprache. Neben den sprachlichen Problemen in der Zweitsprache wurden bei
Schuleingangsuntersuchungen in Deutschland sprunghaft angestiegenes Übergewicht sowie
abnehmende Bewegungskompetenz bei Kindern aus sozial benachteiligen Familien, im
Besonderen bei türkischen und arabischen Kindern, prognostiziert. Dies führt zu einer
gravierenden Entwicklungsverzögerung in der Grob- und Feinmotorik. (Vgl. Engin 2010,
188f.)
Auf therapeutischer beziehungsweise sprachheilpädagogischer Ebene besteht Einigkeit, dass
Bewegung einen positiven Einfluss auf die kindliche Sprachentwicklung hat. Um Kinder mit
Deutsch als Zweitsprache auf sprachlicher Ebene zu unterstützen und zu fördern, können
Bewegungsangebote und Bewegungsspiele angeboten werden, die die Kinder animieren,
sich spielerisch und lustvoll mit der Zweitsprache auseinander zu setzen. Sprache kann über
Bewegung mit Handlung verbunden werden, und dies ist eine wichtige Voraussetzung
dafür, dass Sprach-Wissen effektiver im Gehirn vernetzt und abgespeichert wird; dies
bestätigten nicht zuletzt neurobiologische und kognitionspsychologische Studien (vgl.
Gasse, Dobbelstein 2003, Spitzer 2006, Wendler 2001). Bewegung gilt bei Sprach-Bewegungs-
Übungen ebenfalls als Antrieb und Motor für Motivation und Gruppendynamik; Bewegung
unterstützt, motiviert und begleitet die Spielsituation.
Als zentrale Förderpunkte bei Kindern mit Deutsch als Zweitsprache stellen sich
Phonologie/Phonetik, Wortschatzarbeit sowie Syntax heraus. All jene Bereiche lassen sich
bewegungsunterstützt leichter erlernen. In Hinblick auf die Wortschatzarbeit lernen Kinder
neue Wörter vor allem in sinnvollen Handlungszusammenhängen. Das neue Wort kann
eigenständig und spielerisch erprobt und über sinnliche Erfahrung besser memorisiert
werden. Gleichzeitig werden Kinder bei den spielerischen und bewegten Tätigkeiten
produktiv tätig, indem sie Sprache körperlich anwenden. (Vgl. Engin 2010, 188ff.)
SPIEL ___________________________________________________________________________
46
4 Spiel
„Das Spiel ist der Weg der Kinder zur
Erkenntnis der Welt, in der sie leben
und die zu verändern sie berufen
sind.“
(Maxim Gorki)
Das Spiel begleitet uns von Kindheit an. Mit dem Spiel treten wir mit unserer Umwelt in
Kontakt und schaffen uns Kenntnis und Erkenntnis; Bewegung und Spiel sind wesentliche
Elemente der Dramapädagogik. Daher ist das Spiel ein wichtiger Aspekt in der vorliegenden
Untersuchung Deutsch bewegt: Vorstellen – Darstellen – Verstehen.
In diesem Kapitel werden die Funktion des Spiels für die Entwicklung des Kindes und der
Zusammenhang zwischen Spiel und Sprache in der vorschulischen Entwicklung
thematisiert. Das Spiel ‚spielt’ ja nicht nur in der gesunden Entwicklung des Kindes eine
beachtliche Rolle, es findet auch Verwendung im Unterricht. Neben dem fast generell
gültigen motivationalen Aspekt erleichtert es manchen Schüler/innen den Zugang zu
unterschiedlichen Themenbereichen in der Schule; diese Möglichkeit zur Individualiesierung
soll ebenfalls näher betrachtet werden.
4.1 Merkmale und Funktionen des Spiels
Spiele können unterschiedlichen Charakter sowie unterschiedliche Realisierungsformen
besitzen. Aktuell gibt es eine große Vielfalt von Spielen, sei es das Phantasiespiel bei
Kleinkindern, Fangspiel oder Rollenspiel, Denk- und Strategiespiele, Sportspiel, Glücksspiel,
Theaterspiel, Spiel mit Musikinstrumenten etc. (vgl. Einsiedler 1991, 10).
Darin, dass so heterogene Phänomene unter dem Begriff „Spiel“ subsumiert werden,
liegt auch das Problem einer angemessenen Definition des Begriffs „Spiel“. Die Bandbreite
reicht ja vom Spiel eines Babys mit seiner Rassel bis zum Wettkampf zwischen hoch
bezahlten Profifußballern (vgl. Andersen 2002, 13f.).
Die Intervention der vorliegenden empirische Untersuchung veranlasst die Schüler/innen,
spielerisch bestimmte Bewegungsverben zu verkörpern. Über diesen spielerischen Zugang
zu den sprachlichen Bezeichnungen (Bewegungsverben) und über die damit verbundenen
Bewegungen soll den Schüler/innen ein weiterer individueller Lernzugang zu
Wortbedeutungen eröffnet werden. Aus diesem Grund wird in den folgenden
Ausführungen der Blick nur auf das kindliche Spiel, im Besonderen das Rollenspiel,
SPIEL ___________________________________________________________________________
47
gerichtet werden; andere Spielphänomene, wie das Fangspiel, das Denk- und Strategiespiel,
das Sportspiel etc. werden in dieser Arbeit nicht weiter erläutert.
Funktionen des Spiels
Nach Sigmund FREUD erfüllt das Spiel zwei Aufgaben: Wunscherfüllung und Katharsis.
FREUD selbst entwickelte zwar keine Theorie zum Spiel, jedoch liegt ein Schwerpunkt in
seinen frühen Werken auf der wunscherfüllenden Funktion des Spiels. Das Kind kann im
Spiel den Zwängen der Realität entfliehen und tabuisierte Impulse - vor allem aggressive
Bedürfnisse - ausleben. Das Spiel unterliegt dem Lustprinzip, wohingegen außerhalb des
Spiels das Realitätsprinzip regiert. Die Katharsis spielt eine wichtige Rolle im Rahmen der
Psychohygiene, da über das erneute Durchleben früherer Probleme und unerlaubter
Triebwünsche laut FREUD eine Reinigung erfolgt, die das Kind von seinen Ängsten befreit.
Die spielerische Bewältigung von Problemen geschieht über die Wiederholung, die das Kind
zum Beherrscher der Situation macht und den passiven Erfahrungen ein aktives Gegenstück
hinzufügt (vgl. Oerter 2008, 238).
WYGOTSKI sieht im Spiel vor allem die Möglichkeit der Realisation unrealisierbarer
Wünsche:
Das Wesen des Spiels besteht darin, daß es die Erfüllung von Wünschen ist, jedoch nicht von
einzelnen Wünschen, sondern von verallgemeinerten Affekten. Das Kind wird sich in diesem
Alter seiner Beziehungen zu Erwachsenen bewußt, es reagiert auf sie affektiv, jedoch
verallgemeinert es im Unterschied zum frühen Kindesalter diese affektiven Reaktionen (ihm
imponiert z.B. die Autorität der Erwachsenen überhaupt usw.). (Wygotski 1981, 132)
Die Wünsche des Kindes können nicht in der Realität erfüllt werden, sie können aber in der
Spielrealität illusionär verwirklicht werden. Bei den Wünschen, die das Kind besitzt und die
ihm nicht bewusst sind, handelt es sich nicht um konkrete Einzelwünsche, sondern eher um
verallgemeinerte Affekte, wie zum Beispiel groß und stark zu sein (vgl. Andersen 2002, 64f.).
PIAGET sieht das Spiel vor allem in enger Verbindung mit der Denkentwicklung:
Das Spiel ist weitgehend gekennzeichnet durch einen Überhang an Assimilation17, das sind
kognitive Aktivitäten, die die Umwelt einseitig an die Schemata des Individuums anpassen.
Das Spiel ist, im Gegensatz zum objektiven Denken, welches sich „an die Erfordernisse der
äußeren Realität anzupassen versucht“ (Piaget 1969, 117), eine symbolische Transformation, in
deren Rahmen Dinge der eigenen Aktivität ohne Regeln oder Beschränkungen
17 PIAGET unterscheidet zwischen den zwei wesentlichen Möglichkeiten, wie sich ein Individuum mit seiner Umwelt auseinandersetzen kann: Assimilation und Akkommodation. Assimilation bedeutet die Anpassung neuer Erfahrungen an bestehende persönliche Vorstellungsbilder; die Welt wird so verändert, dass das Subjekt mit seinen bisherigen Mitteln zurecht kommt. Akkommodation bedeutet die Anpassung der persönlichen Schemata an die Maßstäbe des realen Umfeldes (vgl. Schäfer 1989, 16f.).
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untergeordnet werden. Das Spiel ist demnach „fast reine Assimilation, d. h. es ist Denken, das
ausgerichtet ist durch das vorherrschende Bedürfnis nach individueller Bedürfnisbefriedigung“ (ebd.,
117). Beim Symbolspiel, also bei jenen Spielhandlungen, bei denen das Kind Gegenstände
umdeutet und Fiktion aufbaut, kommt es nach PIAGET zu einer Gegenreaktion auf den
Sozialisationsdruck und den Zwang der allgemeinen Wirklichkeit (vgl. Oerter 2008, 238).
Das Spiel besitzt die Funktion, die Welt des Ichs „gegen die erzwungenen Akkommodationen an
eine allgemeine Wirklichkeit zu verteidigen“(Piaget 1969, 216). Zudem stellt das Spielen eine
Übung der aktuellen Intelligenz18 und nicht eine Vorübung künftiger Intelligenz dar.
Geistige wie auch körperliche Fertigkeiten bedürfen lebenslang ständiger Übung und
Wiederholung, sonst verkümmern sie, das zeigen auch die aktuellen Forschungsergebnisse
der Neurobiologie. Die sensorischen und motorischen Spiele des Kleinkindes sind also nicht
auf das Erlernen von Neuem ausgelegt, sondern dienen dazu, bereits gelernte Schemata zu
üben und dadurch Fähigkeiten zu konsolidieren (vgl. Einsiedler 1991, 19f.).
Nach HECKHAUSEN weist das Spiel der Kinder bestimmte charakteristische Merkmale auf:
Es ist zweckentbunden, beinhaltet einen Aktivierungszirkel19, ist eine handelnde
Auseinandersetzung mit einem Stück realer Welt, besitzt eine undifferenzierte Zielstruktur
sowie eine unmittelbare Zeitperspektive20 und weist eine Quasi-Realität auf (vgl.
Heckhausen, zit. n. Schenk-Danzinger 1987, 114).
Wesentliche Kriterien des kindlichen Spiels sieht SCHEUERL darin, dass es um
seiner selbst willen ausgeführt wird, keinen üblichen Zwängen untersteht und Momente der
Freiheit21 beinhaltet:
Das Spiel ist frei vom Zwang ungebärdig drängender Triebe, frei von gebieterischen
Nötigungen des Instinkts. Es ist frei von den Bedürfnissen des Daseinskampfes, von der Not
des Sich-Wehrens. Spiel ist nicht Ernst im gewöhnlichen Sinne, was nicht ausschließt, daß es
18 PIAGET widerspricht zum Aspekt der Übung im Spiel ausdrücklich GROOS (1896, 1899), welcher im Spiel eine Vorübungsfunktion für die Bewältigung des Lebens im Erwachsenenalter sah und den Zweck des spielerische Experimentierens - bezogen auf den sensorischen und motorischen Bereich - im Einüben und Ausbilden unfertiger Anlagen sah. PIAGET ist der Ansicht, dass es sich bei einem großen Teil der Kinderspiele nicht um die Entwicklung unfertiger Anlagen, sondern vielmehr um eine Übung der aktuellen Intelligenz handle (vgl. Einsiedler 1991, 18). 19 Beim Aktivierungszirkel handelt es sich um das Generieren eines Wechsels von Spannung und Lösung. Ein Beispiel dafür wäre das „Guck-Guck-Spiel“: Ein Kleinkind versteckt sich, die Spannung steigt, solange es versteckt bleibt. Wird es gefunden, tritt die Lösung der Spannung ein. Das Kind sucht dieses Auf und Ab des Spannungsgefälles in unzähligen Wiederholungen, die es immer wieder neu und lustvoll erlebt (vgl. Schenk-Danzinger 1987, 115). 20 Das Spiel jüngerer Kindern zeichnet sich im Besonderen durch Handlungsabläufe ohne bestimmte Zielsetzung sowie keiner genauen Planung auf längere Sicht (Zeitperspektive) aus (vgl. ebd., 115). 21 Da in der vorliegenden Arbeit der Fokus auf das natürliche kindliche Spiel gerichtet wird, welches sich durch den Aspekt der Freiheit im Spiel auszeichnet, werden im Weiteren bestimmte Ausformungen des Spiels von Adoleszenten und Erwachsenen (sportliche Spiele mit Gewinncharakter, Spiele mit Geld als Spieleinlage etc.) in dieser Arbeit nicht behandelt.
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mit Ernst und mit Eifer betrieben werden kann. Es ist ohne Verantwortung und ohne
Konsequenzen. Es ist nicht auf Zwecke gerichtet, was nicht ausschließt, daß es in sich durchaus
zweckvolle Zusammenhänge enthalten kann. (Scheuerl 1968, 71)
So können unter dem Begriff „Spiel“ verschiedene Verhaltensformen subsumiert werden,
welche größtenteils spontan und frei entstehen und sich durch einen hohen inneren
Befriedigungswert auszeichnen. Weitere Wesensmerkmale des Spiels sind Momente der
inneren Unendlichkeit22, der Scheinhaftigkeit, der Ambivalenz23, der Geschlossenheit24 und
der Gegenwärtigkeit (vgl. ebd., 68ff).
Spiel wäre das Urphänomen einer Bewegung, die durch die Ganzheit jener sechs
Hauptmomente gekennzeichnet ist: durch Freiheit, innere Unendlichkeit, Scheinhaftigkeit,
Ambivalenz, Geschlossenheit und Gegenwärtigkeit. (Scheuerl 1968, 115)
„Spiel“ eindeutig zu definieren erweist sich – so betont HUIZINGA – als problematisch, da
wir es im Spiel „mit einer Funktion des lebendigen Wesens zu tun haben, die sich weder biologisch
noch logisch vollkommen determinieren läßt“ (Huizinga 1994, 15). Spiel zeichnet sich für ihn
durch bestimmte formale Charakteristika aus, wie zum Beispiel das freie Handeln: Kind und
Tier spielen, weil sie Vergnügen dabei empfinden – darin liegt die Freiheit. Außerdem ist das
Spiel nicht mit dem ‚gewöhnlichen und eigentlichen Leben’ gleich zu setzen, es ist vielmehr
„das Heraustreten aus ihm in eine zeitweilige Sphäre von Aktivität mit einer eigenen Tendenz“ (ebd.,
16). Die Ziele des Spiels liegen „außerhalb des Bereichs des direkt materiellen Interesses oder der
individuellen Befriedigung von Lebensnotwendigkeiten“ (ebd., 18) Abgeschlossenheit und
Begrenztheit bilden nach HUIZIGA ein weiteres wichtiges Kriterium. Damit einhergehend
beinhaltet das Spiel nicht nur eine zeitliche Begrenztheit, sondern auch eine räumliche. Das
Spiel zeichnet sich durch eine besondere und teilweise ‚geheimnisvolle’ Welt aus, in die sich
das spielende Kind begibt. In „der Sphäre eines Spiels haben die Gesetze und Gebräuche des
gewöhnlichen Lebens keine Geltung“ (ebd., 21); innerhalb „des Spielplatzes herrscht eine eigene und
unbedingte Ordnung“ (ebd., 19). Im Spiel wird alles anders, die Regeln der ‚gewöhnlichen
Welt’ werden zeitweilig aufgehoben; diese Fähigkeit ist bei Kindern bereits völlig
ausgebildet (ebd., 21). HUIZIGA fasst die formellen Kriterien der Spiels folgend zusammen:
22 Unter dem Begriff der „inneren Unendlichkeit“ kann das Bemühen um fortdauernde Spannung verstanden werden sowie ein Drang nach Wiederholung und Ausdehnung des Spiels in der Zeit (vgl. Scheuerl 1968, 72ff.). 23 Ambivalenz bezeichnet das Hin und Her im Spielgeschehen und das Miteinander der Motivation und Intention des Spielers/der Spielerin und der Reize des Spielmaterials. Ambivalenz bezieht sich auch auf das Sich-Einlassen auf und das Offenlassen von Situationen. Der Spieler kann als frei bezeichnet werden, zugleich ist er aber auch nicht frei, er ist subjektbezogen wie auch objektbezogen (vgl. Scheuerl 1968, 88ff.). 24 Das Spiel zeichnet sich durch Begrenzung aus. Es hat Prozess und Gestalt und ist eine formgebundene Aktivität (vgl. ebd., 93).
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Der Form nach betrachtet kann man das Spiel also zusammenfassend eine freie Handlung
nennen, die als ‚nicht so gemeint’ und außerhalb des gewöhnlichen Lebens stehend empfunden
wird und trotzdem den Spieler völlig in Beschlag nehmen kann, an die kein materielles
Interesse geknüpft ist und mit der kein Nutzen erworben wird, die sich innerhalb einer eigens
bestimmten Zeit und eines eigens bestimmten Raums vollzieht, die nach bestimmten Regeln
ordnungsgemäß verläuft und Gemeinschaftsverbände ins Leben ruft, die ihrerseits sich gern
mit einem Geheimnis umgeben oder durch Verkleidung als anders von der gewöhnlichen Welt
abheben. (Huizinga 1994, 22).
Einige der von HUIZINGA genannten Kriterien lassen sich auch auf andere Bereiche als das
Spiel anwenden, da auch außerhalb des Spiels Tätigkeiten existieren, die keinem bestimmten
Nutzen dienen und dennoch nicht dem Spiel zugerechnet werden können. Auf der anderen
Seite gibt es aber auch Tätigkeiten, die einem bestimmten Zweck dienen und trotzdem zum
Spiel gezählt werden können (Fußballspiel etc.) (vgl. Kleppin 1980, 8).
Nach EINSIEDLER kann unter dem Kinderspiel eine Handlung, eine Geschehniskette
oder eine Empfindung verstanden werden, die intrinsisch motiviert ist (also durch freie
Wahl zustande kommt), die stärker auf den Spielprozess als auf das Spielergebnis
ausgerichtet ist (Mittel vor Zweck), welche „von positiven Emotionen begleitet ist und im Sinne
eines So-tun-als-ob von realen Lebensvollzügen abgesetzt ist“ (Einsiedler 1991, 17).
GARVEY wiederum streicht fünf Merkmale heraus, die für das Spiel charakteristisch
sind:
1. Spiel macht Spaß.
2. Spiel verfolgt keine Zwecke über das Spiel hinaus. Seine Motivationen liegen in ihm selbst
und dienen keinem anderen Zweck. Es ist mehr ein Vergnügen an den Mitteln als ein Bemühen
um ein Endziel. Vom Nutzeffekt her gesehen ist Spiel daher der inneren Natur nach
unproduktiv.
3. Spiel ist spontan und freiwillig. Es ist keine Pflicht, sondern vom Spielenden selbst gewählt.
4. Spiel kommt nicht ohne ein gewisses aktives Engagement des Spielenden aus. [...]
5. Spiel hat bestimmte systematische Beziehungen zum Nichtspiel. Diese Eigenschaft ist die
faszinierendste. Wäre Spiel bloß ein vereinzeltes, isoliertes Vorkommnis, eine weitverbreitete,
indessen vorübergehende und harmlose Kindheitsverirrung, dann wäre es als eine Tatsache
vielleicht interessant, aber ein Studiengegenstand von nur geringem wissenschaftlichem
Aussagepotential. Jedoch wurden auch Zusammenhänge zwischen Spiel und Kreativität,
Problemlösen, Sprechenlernen, der Entwicklung sozialer Rollen sowie zahlreichen weiteren
kognitiven und gesellschaftlichen Erscheinungen gesehen. (Garvey, zit. n. Andersen 2002, 13)
Das bereits öfter genannte Kriterium, dass das Spiel keinem Zweck diene, könnte eventuell
als Widerspruch gegen die Beobachtung verstanden werden, dass das Spiel für die kindliche
Entwicklung so grundlegend wichtig ist. Diesbezüglich sollte zwischen der Perspektive und
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Motivation des spielenden Kindes und der Funktion der Spieltätigkeit für die Entwicklung
des Kindes unterschieden werden: Das Kind spielt, weil es Freude und Lust am Spiel
empfindet und dadurch seine momentanen Wünsche erfüllen kann. Es spielt aber nicht, um
bestimmte Fähigkeiten zu erwerben.
Die Annahme, dass Spiele ihrer inneren Natur nach immer unproduktiv seien, darf
angezweifelt werden. Nicht alle Spielarten besitzen nämlich dieses Merkmal, bei einem
Konstruktionsspiel zum Beispiel kann es sehr wohl um die Herstellung eines Endproduktes
gehen. Das Spiel zeigt eine systematische Beziehung zum Nichtspiel, also zur realen Welt,
zum Problemlösen, zum Sprechenlernen, zur Herausbildung und Aneignung bestimmter
sozialer Rollen etc., was als wichtiger Aspekt des Spiels gelten kann. (Vgl. Andersen 2002,
14ff.)
4.2 Formen des Spiels
Die Formen des Spiels, ihr Verwendungsmodus sowie ihre Häufigkeit verändern sich im
Laufe der Entwicklung des Menschen.
Im ersten und zweiten Lebensjahr werden beim Kind Aktivitäten deutlich, die als
sensumotorisches Spiel bezeichnet werden. Kennzeichen sind Lust und Freude an der
Körperbewegung, was sich im oftmaligen Wiederholen zeigt. Die Bewegungen richten sich
prinzipiell zunächst auf die eigenen Körperteile als ‚Gegenstände’ und nur auf wenige
Objekte aus der Umwelt (Rassel). Später dann werden neue Gegenstände bevorzugt, die
manipuliert werden.
Das Informationsspiel zeichnet sich durch gesteigertes Explorationsverhalten aus. Das
Kind will entdecken und erkunden, was man mit bestimmten Gegenständen alles machen
kann, wie sie beschaffen sind oder wie sie genau aussehen, zum Beispiel wenn sie zerlegt
sind.
Bei Konstruktionsspielen handelt es sich ebenfalls um realitätsorientierte Spielformen,
bei denen Kinder Gegenstände benutzen, um mit ihnen oder mit ihrer Hilfe einen
Zielgegenstand zu erzeugen. Unter Zielgegenständen kann man zum Beispiel eine
Zeichnung, eine geformte Figur etc. verstehen. Die dafür benutzten Gegenstände (Stifte,
Hammer, Knetmasse etc.) - Werkzeuge und Rohmaterial – müssen realitätskonform
gehandhabt und miteinander kombiniert werden.
Beim Symbolspiel, Fiktionsspiel oder auch Als-ob-Spiel deutet das Kind einen
Gegenstand und das auf ihn bezogene Handeln um, damit es seine eigenen Wunsch- und
Zielvorstellungen verwirklichen kann. Die Handlungen entsprechen den Erfahrungen des
Kindes in seinem sozialen Umfeld, welche es ins Spiel übernimmt. Zu dieser Art des Spieles
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zählen das Puppenspiel oder das Cowboy- und Indianerspiel, die als soziales Spiel im
Regelfall die Bezeichnung Rollenspiel erhalten.
Das Rollenspiel ist ein Zusammenspiel mehrerer Personen, welche fiktive Rollen
übernehmen; man nennt es auch soziodramatisches Spiel. Es gewährleistet über kürzere
oder längere Zeit die Aufrechterhaltung von koordiniertem gemeinsamem Handeln. Das
Rollenspiel erfordert von Mitspielern höhere soziale sowie kognitive Kompetenzen.
Das Regelspiel bezeichnet eine soziale Form des Spiels, bei der nach festgelegten
Regeln vorgegangen wird. Die Einhaltung der Regeln ist notwendig und unerlässlich und
stellt zugleich den Reiz des Spiels dar. Regelspiele erfordern meist eine spezifische Fähigkeit
oder Kompetenz, welche zuvor erlernt werden muss. Die Attraktivität der Regelspiele mit
Wettbewerbscharakter liegt im Leistungsvergleich der Mitspieler mit ähnlichem
Fähigkeitsniveau, daher werden Spiele dieser Art als Paradigma der Leistungsmotivation
angesehen. (Vgl. Oerter 2008, 239)
4.3 Spiel und Sprache
Die Beziehung zwischen Spiel und Sprache zeigt sich nach SCHENK-DANZINGER
besonders im Rollenspiel. Dies wird erstmals in jener Entwicklungsphase bei Kindern
beobachtbar, in der auch die Anfänge der Sprache in Erscheinung treten. Die Ursache des
zeitlichen Zusammentreffens von Rollenspiel und Sprache liegt darin, dass beide das
„Vorhandensein von Vorstellungen und das Verständnis für Symbole oder Repräsentanz zur
Voraussetzung“ haben (Schenk-Danzinger 1987, 115). Das bedeutet, dass die Kinder bereits in
der Lage sein müssen, Vorstellungsbilder zu diversen Gegenständen, Ereignissen,
Zeichensymbolen etc. bilden zu können. Eng verbunden mit der Vorstellungsfähigkeit ist
das Verstehen sprachlicher Symbole, welches sowohl bei der Sprachproduktion und der
Sprachrezeption wie auch beim Rollenspiel einen grundlegenden, unerlässlichen Faktor
darstellt (vgl. ebd., 115ff.).
WYGOTSKI beobachtet bei Kindern im Vorschulalter eine Umstrukturierung der
Bewusstseinstätigkeit und damit verbunden auch der Sprache, welche sich in drei Aspekten
äußert: Das Kind beginnt in Vorstellungen zu denken und löst sich allmählich von der
Gebundenheit an das Hier und Jetzt. Es erreicht dadurch die erste Stufe des allgemeinen
Denkens. Die zweite wichtige Veränderung in dieser Zeit bezieht sich auf den Charakter der
Interessen und Bedürfnisse der Kinder. Das Kind gibt der Situation und damit einer
Gesamtheit von Handlungsmotiven, Gegenständen, Personen etc. einen bestimmten Sinn,
welcher von den affektiven Interessen des Kindes geprägt ist. Die dritte Veränderung liegt in
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einem Übergang zu einem neuen Typ von Tätigkeit: der schöpferischen Aktivität. (Vgl.
Andersen 2002, 64f.)
Das Kind im Vorschulalter unterscheidet sich vom Kleinkind durch seine Fähigkeit,
nicht mehr bloß im Hier und Jetzt verankert zu bleiben, sondern darüber hinaus auch in der
Lage zu sein, eine reale Situation umzudeuten und gedanklich über sie hinauszugehen;
davon lebt das Fiktionsspiel. Die mit diesen Veränderungen einhergehenden Fähigkeiten
fordert und fördert gerade das Fiktionsspiel (vgl. Andersen 2002, 65). Im Fiktionsspiel ist das
Kind nicht mehr der Realität unterworfen, sondern entdeckt und kreiert eine eigene, fiktive
Welt, in der es selbst über die Bedeutung von Personen, Gegenständen, Handlungen etc.
bestimmen kann:
Den Gedanken (die Bedeutung des Wortes) vom Gegenstand abzutrennen, ist für das Kind eine
äußerst schwierige Aufgabe. Das Spiel bildet hierzu die Übergangsform. Sobald das Stöckchen,
d. h. der Gegenstand, zur Stütze für die Ablösung der Bedeutung des Pferdes vom realen Pferd
wird, genau in diesem kritischen Moment ändert sich radikal eine der Grundstrukturen, die das
Verhältnis des Kindes zur Wirklichkeit bestimmen. (Wygotski 1981, 138)
Im Spiel kann das Kind das Wort aus dem vertrauten Kontext herauslösen und es in einen
fiktiven Zusammenhang versetzen, dies ermöglicht ihm seine Vorstellungsfähigkeit. Das
Kind gelangt im Spiel zu einer Umdeutung der Wörter, was als Annäherung an die
Erkenntnis des arbiträren Charakters der Sprache interpretiert werden kann:
Ich würde sagen, daß im Spiel das Kind mit der Bedeutung operiert, die vom Gegenstand
losgelöst ist, während sie jedoch von der realen Handlung mit einem realen Gegenstand nicht
losgelöst ist. Auf diese Weise entsteht ein äußerst interessanter Widerspruch, daß nämlich das
Kind mit den von den entsprechenden Gegenständen und Handlungen losgelösten
Bedeutungen operiert, jedoch nicht abgelöst von einer bestimmten Handlung und von einem
bestimmten anderen realen Gegenstand mit ihnen operiert. Hierin besteht auch der
Übergangscharakter des Spiels, der es zum Zwischenglied zwischen der reinen situationellen
Gebundenheit im frühen Kindesalter und dem von der realen Situation losgelösten Denken
macht. Im Spiel operiert das Kind mit Gegenständen als mit Sinn versehenen Gegenständen,
operiert mit den Bedeutungen von Wörtern, die den Gegenstand ersetzen, weshalb die
Emanzipation des Wortes vom Gegenstand erfolgt [...]. Die Übertragung der Bedeutungen wird
dadurch erleichtert, daß das Kind das Wort für die Eigenschaft des Gegenstandes hält, das
Wort nicht sieht, sondern hinter ihm den durch dasselbe bezeichneten Gegenstand. Für das
Kind bedeutet das auf das Stöckchen bezogene Wort „Pferd“: „Da ist ein Pferd“, d.h. es sieht in
der Vorstellung den Gegenstand hinter dem Wort. (Wygotski 1981, 139)
Im Spiel können folglich bereits sprachliche und kognitive Formen realisiert werden, die in
realen Situationen des Handelns von Seiten des Kindes so nicht Verwendung finden. Das
Spiel besitzt Übergangscharakter, das heißt, es ist Bindeglied zwischen dem
situationsgebundenen und dem von realen Situationen losgelösten Denken. Die Umdeutung
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von Personen, Gegenständen, Handlungen etc. beinhaltet eine wichtige sprachliche sowie
kognitive Komponente; Sprache ist hierbei das entscheidende Mittel der Umdeutung. Die
Sprache bekommt ‚Macht’ über die Gegenstände und die Gegenstände und Handlungen
dominieren nicht mehr – wie zuvor in der kindlichen Entwicklung – die Sprache.
Ein weiteres wichtiges sprachliches Kriterium im Spiel ist die Metakommunikation.
BEATSON meint zur Metakommunikation im fiktionalen Spiel von Vorschulkindern, dass
diese den Handlungsrahmen des Spiels festlegt. Sie ist notwendig, damit das Spiel
überhaupt stattfinden kann und dient zusätzlich dazu, Missverständnisse zu vermeiden (vgl.
Andersen 2002, 40f.). GRIFFIN fand in einer Untersuchung im Jahr 1984 heraus, dass es sich
bei den metakommunikativen Äußerungen - welche für das gemeinsame Spiel grundlegend
notwendig sind – um Mitteilungen sowohl ganz innerhalb wie völlig außerhalb des
Spielrahmens handelt. Metakommunikation äußert sich in unterschiedlichen Formen: durch
Ausagieren (man teilt während des Spiels mit, was man gerade spielt), Unterstreichen
(verbales Kommentieren einer Handlung), durch Erzählen von Geschichten
(Handlungsvorgang wird mehrmals ausagiert), Vorsagen (Äußerung außerhalb des
Spielrahmens), durch implizite Spielgestaltung (Äußerungen bestimmen den Spielrahmen,
ohne dass explizit ein Spiel vereinbart wird) oder durch explizite Spielgestaltung. (Vgl.
Oerter 2008, 239ff.). Zu metakommunikativen Äußerungen kommt es laut FEIN (1981)
gewöhnlich erst mit dreieinhalb Jahren (vgl. ebd, 243).
Neben den Besonderheiten auf sprachlicher Ebene im fiktionalen Handeln werden an
das Kind zusätzlich durch die Rollenübernahme und den damit verbundenen Wechsel
zwischen der realen Identität und der Spielidentität große Anforderungen gestellt. Wenn ein
Kind eine Rolle übernimmt und sie spielt, so muss es diese Rolle mit angemessenem
sprachlichem und nicht-sprachlichem Handeln erfüllen: Ein Polizist darf dann nicht
quengeln wie ein Baby, ein Baby darf abends nicht ausgehen und eine Patientin untersucht
nicht eine Ärztin. Dies kennzeichnet einen wichtigen Schritt in der kognitiven und
sprachlichen Entwicklung des Kindes und ist grundlegend wichtig für seine
Persönlichkeitsentwicklung (vgl. Oerter 2008, 242ff.).
Spiel, Sprache und Vorstellung
Vom Kind wird im Symbolspiel (Als-ob-Spiel, Fiktionsspiel) eine beträchtliche kognitive
Leistung erwartet. Es muss sich gegen den Augenschein etwas vorstellen und gemäß dieser
Vorstellung und nicht dem Augenschein nach angemessen handeln. WYGOTSKI führt in
seinem Beitrag Das Spiel und seine Bedeutung in der psychischen Entwicklung des Kindes das
Beispiel vom Stöckchen an, welches für das Kind im Spiel zu einem Pferd wird, da es „in der
Vorstellung den Gegenstand hinter dem Wort“ (Wygotski 1981, 139) sieht. Ein gelber Baustein
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kann im Spiel so zu einer Banane werden und aus einer leeren Kaffeetasse kann heißer
Kaffee getrunken werden. Je mehr Umdeutungen oder Als-ob-Situationen im Spiel
stattfinden, desto eher kommt es zu Veränderungen der Vorstellung von Gegenständen.
Dies könnte die Frage aufwerfen, ob nicht dieser ‚Missbrauch’ von gegenstandsbezogenen
Vorstellungen zu Verwirrungen des Kindes führen kann (vgl. Oerter 2008, 241f.). Dazu
meinen HARRIS und KAVENAUGH (1993), dass die fiktive Episode zu einem
vorübergehenden Handlungsrahmen wird, innerhalb dessen Gegenstände eine neue
Etikettierung erhalten. Sobald dieser Spielrahmen jedoch verlassen wird, erhält der
Gegenstand wieder seine ursprüngliche Bedeutung zurück. Auf diese Weise kann das Kind
in einem Spiel einen Gegenstand mehrfach etikettieren, so kann der gelbe Baustein zuerst
eine Banane sein, mit der ein Bär gefüttert und im weiteren Spielverlauf zu einem Schwamm,
mit dem der Bär gewaschen wird. (Vgl. ebda., 242)
Im fiktiven Spiel wurde ebenfalls das Verständnis kausaler Transformation
nachgewiesen: Trinkt ein Kind aus einer leeren Tasse Kaffee und verschüttet diesen
‚unabsichtlich’ auf dem Tisch, so bekommt der Tisch das Etikett „nasser Tisch“. Dieser
kognitiven Leistung liegen vermutlich die bildhafte Vorstellung und das propositionale
Wissen des Kindes über Zusammenhang von Ursache und Wirkung zu Grunde, das Kind
bewältigt damit eine hohe kognitive Anforderung (vgl. ebda, 241f.).
4.4 Lernen durch Spiel
Spielen und Lernen werden oft noch immer als Gegensatz gesehen, da „das Spielen keinen
außerhalb seiner selbst liegenden Zweck verfolgt, während das Lernen eine zielgerichtete und
zweckgebundene Tätigkeit“ (Belke 2001, 70) darstellt. Diese Gegenüberstellung schließt
allerdings nicht aus, dass das Spiel für das Lernen sehr wohl zweckdienlich, ja dass Spielen
sogar Voraussetzung für Lernen im oben zitierten Sinn ist.
Über das Spiel lernt der Mensch zunächst sich selbst und seine Umwelt kennen. Im „Spiel
lernt der Mensch in seinen ersten Lebensjahren mehr an grundlegenden Fähigkeiten und Fertigkeiten
als in seinem gesamten weiteren Leben“ (Wagner, zit. n. Luttenberger 2000, 18).
TWELLMANN charakterisiert das inhaltliche Verhältnis von Spiel- und
Lernprozessen wie folgt:
Um spielen zu können, muss etwas gelernt werden. Spielen setzt eine bestimmte
Lernbereitschaft, die sich auf den Spielraum, auf das Spielmaterial und auf die Spielregeln
bezieht, voraus. In diesem Betrachtungsausmaß werden die Intentionen der Lehrer bezüglich
des Einsatzes der Lernspiele primär: Das Spielverhalten der Kinder wird mit ganz bestimmten
Spielen, die vom Lehrer gewählt werden, gestillt. Der Spielraum ist die Schule, das
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Klassenzimmer, der Schülertisch, wodurch die Spielmöglichkeiten begrenzt oder erweitert
werden können. Das Spielmaterial setzt teilweise elementare Kenntnisse bereits voraus, um das
Material in Spielform nutzen zu können. Die Kinder sind vielfach bereit, konkrete
Lernforderungen speziell deshalb zu erfüllen, um das Gelernte in besonderen Spielsituationen
anwenden zu können. [...]
Das Spiel wirkt an der Vertiefung und Festigung des Gelernten mit. Dadurch entsteht eine
bestimmte Wechselwirkung: Das für ein Spiel Gelernte wird zum Zwecke des Spiels im Spiel
geübt, gefestigt, mechanisiert, perfektioniert und angewandt. Auf diese Weise wandelt sich das
Lernen vor dem Spiel zu einem Spiel, das dem Lernen zugute kommt. Der Selbstzweck des
Spiels wird zu einem mit bestimmten didaktischen Absichten verbundenen Medium des
Lernens. Am Ende des Lernvorganges kann über das Erworbene spielend verfügt werden.
(Twellmann, zit. n. Luttenberger 2000, 18f.)
Lernen im Spiel ist nach SCHEUERL zunächst Rekapitulation; es beinhaltet ein Einüben
durch Ausüben und stellt ein erprobendes Anwenden dar.
Das Lernen im Spiel unterscheidet sich [...] in nichts vom Lernen in anderen Bereichen: Stets
sind die Reife und alle bisherigen Begegnungen Vorraussetzung für die Fruchtbarkeit jeder
weiteren Begegnung. [...] Spieltätigkeiten können physisch wie psychisch mit Arbeits- oder
Schaffenstätigkeiten voll übereinstimmen. Und nur insofern sie damit übereinstimmen, d.h.
sofern man am Spiel und für das Spiel etwas leistet, kann man im Spiel wie in jedem
Arbeitsprozess etwas lernen. [...] Das Lernen im Spiel, sofern es ein Lernen und nicht nur ein
Reifen ist, geschieht nicht „von selbst“. Es erfordert die volle Beteiligung des Ich. Spiel ist nicht
Traum. Es erfordert Wachheit. (Scheuerl 1968, 180ff.)
Gegen den Aspekt der Zweckungebundenheit und Ziellosigkeit, den einige Spieltheorien als
Charakteristikum des Spiels anführen, richtet sich SCHEUERL ganz bewusst, „weil
Spieltätigkeiten ziel-, sinn- und zweckvolle Handlungen sind, können sie auch Lehrmeister von
Kenntnissen, Fertigkeiten und Haltungen sein, die innerhalb wie ausserhalb der Spielwelt für die
Bildung des Menschen bedeutsam sind“ (Scheuerl 1968, 181).
Lernen ist eine zielgerichtete und zweckgebundene Tätigkeit, die sich auf körperliche sowie
geistige Fertigkeiten, Kenntnisse, Haltungen und Gesinnungen richtet. Eine erste
Verbindung von Lernen und Spielen kommt im Spiel zustande, da Spiele selbst auch gelernt
werden müssen; dieses Lernen ist außerhalb des Spiels angesiedelt (vgl. Steffens 1998, 29).
„Spielen-Lernen ist also zu einem wesentlichen Teil ein vorbereitendes Lernen im Dienste des
Spiels.“(Scheuerl 1968, 178) Von „Spielen-Lernen“ ist das „Lernen im Spiel“ zu
unterschieden, welches ein „erprobendes Anwenden, ein Einüben durch Ausüben“ (Steffens 1998,
30) beinhaltet. Dabei werden Lernerfolge bedeutsam, sei es, indem erlernte Fertigkeiten
verinnerlicht und geübt werden oder Neues entdeckt und mit bereits Gelerntem in
fruchtbare Verbindung gebracht werden kann. Einen besonderen Stellenwert bekommt das
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„Lernen im Spiel“ im schulischen Bereich dann, wenn Lernaufgaben selbst Spiele sind (im
Turnunterricht wird Handball gespielt, im Werkunterricht wird experimentell mit Material
operiert etc.) (vgl. ebd, 30).
„Spielendes Lernen“ verweist auf Lernvorgänge, die spielerische Akzente enthalten. Bei
optimalen Lernvoraussetzungen ereignet sich „spielendes Lernen“ vor allem vor dem
Hintergrund soliden Wissens; Voraussetzung dafür ist, dass der/die Lernende in der
Lernsituation die Möglichkeit zum Spiel entdeckt. „Lernen im Spiel“ und „spielendes
Lernen“ sind eng miteinander verbunden, beide haben im Kindesalter gemeinsame Wurzeln
oder sind sogar identisch; erst nach und nach treten sie auseinander. Auf schulischer Ebene
kann Spielen zum Lernen wie auch Lernen zum Spielen führen (vgl. ebd., 30f.).
Lernen ist kein passives Aufnehmen des Bestehenden, sondern meint im Grunde einen
schöpferischen Akt: Das, was man vorfindet, wird nicht bloß aufgegriffen und wahrgenommen,
sondern untersucht und gedeutet, erkundet und abgetastet, verglichen und bewertet. Auf diese
Weise entsteht ein Spiel mit Perspektiven und Standpunkten, ein Abwägen von Wesentlichem
und Unwichtigem, ein Finden von Originellem und Übertragbarem. (Duncker 1995, 4)
Nach DUNCKER ist im Lernen das Spiel impliziert, das erweist sich als grundlegend für das
frühkindliche explorative Verhalten und ist gerade auch deshalb eine zentrale Aufgabe für
Pädagogik, Didaktik und Fachdidaktik. Spiel und Phantasie können als eine Art kreativer
Form von Weltaneignung verstanden werden, beide sind Formen der Erkenntnistätigkeit
(vgl. Duncker 1995, 4).
Im Umgang mit Sprache kann das Spiel entscheidend sein. Gerade unter dem Aspekt der
Arbitrarität von Sprache und im Hinblick auf die ‚unerschöpfliche’ Deutungsmöglichkeit
von sprachlichen Symbolen wird die kreative Potenz von Sprache deutlich: Sprache ist nicht
nur Ausdruck einer Ansammlung von Wissen und Erfahrung, sondern auch Produkt einer
unbegrenzten Zahl an schöpferischen Sprachhandlungen, welche „sich in ihrem originär-
originellen System manifestieren und in besonderer Weise auf den Wortverbraucher zurückwirken“
(Schmidt zit. n. Steffen 1998, 36). Das Spiel mit Bedeutungen, der kreative Umgang mit
ihnen, wird in Kinderspielen und hier vor allem in den eigentlichen Sprachspielen deutlich:
Die Tatsache, daß nicht die Inhalte der Sprachspiele, sondern ihre Form im Zentrum des
kindlichen Interesses steht, eröffnet die Möglichkeit des systematischen Spracherwerbs, das
Üben von Paradigmen, das Trainieren bestimmter Satzstrukturen, die Anwendung formaler
sprachlicher Strategien zur Verknüpfung von Texten, das Variieren von Texten innerhalb von
vorgegebenen syntaktischen und poetischen Strukturen. Das Sprachspiel ist demnach beides:
Ein vom instrumentellen Sprachgebrauch relativ unabhängiges ‚poetisches Register’ und eine
besonders reflektierte Form der Anwendung sprachlicher Regularitäten, die durchaus auch in
das kommunikative Repertoire der Kinder übernommen werden können. (Belke zit. n. ebd., 37)
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Das Spiel mit der Sprache kennzeichnet Etappen des kindlichen Spracherwerbs, dazu
gehören das Spiel mit Lauten, die rhythmische und melodische Produktion sinnloser Silben
(häufig begleitet von Bewegungen wie Hopsen und Klatschen), Erfinden von Reimen,
Verwenden von Nonsense-Silben, welche bestimmte Assoziationen nahe legen, oder das
Verwenden tabuisierter Wörter (zum Beispiel: der Furz vom Herrn Kurz). Der Spaß für die
Kinder besteht offenbar gerade darin, Wörter zu erfinden, die es gar nicht gibt, die es aber
geben könnte; dies ist auch mit Reflexion über Beziehungen zwischen Wörtern verbunden.
Neben dem Verwenden von tabuisierten Worten empfinden Kinder auch großes Vergnügen
daran, neue, lustige Eigennamen zu erfinden und Nonsense-Wörter sowie Nonsense-Texte
zu produzieren (vgl. Andersen 2002, 183ff.).
Betrachtet man die menschliche Entwicklung und die Rolle, die das Spielen darin spielt,
wird die enge Beziehung zwischen Lernen und Spiel deutlich. Lernen ist im Verlauf der
kindlichen Entwicklung im spielerischen Umgang mit der Umwelt impliziert. Die Frage, ob
und wie die Schule an dieses spielerische Erkunden anschließen und auf diesem aufbauen
kann, beschäftigt die Schulpädagogik in Wissenschaft und Praxis, denn Lernen muss nicht
von vorhinein das Spiel und das Spiel nicht das Lernen ausschließen. Gerade im Hinblick
auf die Merkmale des Spiels, dass es nämlich Vergnügen bereiten kann, das Motivation
erzeugt, dass es Engagement von Seiten des Spielenden fordert, vielfältige Parallelitäten zum
Nichtspiel aufweist, immer auch handelnde Auseinandersetzung mit einem Stück realer
Welt beinhaltet, sich durch einen hohen inneren Befriedigungswert auszeichnen kann etc. –
jene Merkmale sind für das Lernen und im Besonderen für den Lernprozess in der Schule
bedeutsam. Spielerische Zugänge können die Motivation zum Lernen steigern, sowie einen
niederschwelligen Erstzugang zu Unterrichtsthemen, die nicht direkt der Lebenswirklichkeit
der Schüler/innen entstammen, ermöglichen. Das folgende Unterkapitel beschäftigt sich
daher mit spielerischen Zugängen im Rahmen des schulischen Lernens.
4.5 Das Spiel im Unterricht
Lernen im Spiel geschieht auf unterschiedlichen Ebenen, da „geistige, kommunikative und
technisch-handwerkliche sowie fein- und grobmotorische Fähigkeiten [...] erworben, trainiert und
weiter entwickelt“ (Baer 2007, 9) werden. Zudem können Spielaktivitäten von Kindern und
Jugendlichen als angenehme, unterhaltende Tätigkeit empfunden werden, da sie häufig mit
viel Bewegung und großen Selbststeuerungsanteilen, Interaktivität und abwechslungsreicher
Erlebnisqualität einhergehen. Die Lernleistung ist beim Spielen nicht postulierter Zweck,
SPIEL ___________________________________________________________________________
59
sondern wird vielmehr unbemerkt „nebenher“ erbracht. So kann das Spiel auf angenehme
Art und Weise soziale Kompetenzen und die Allgemeinbildung der Beteiligten fördern.
Tatsächlich aber geraten die Wesensmerkmale des Spiels mit den traditionellen
Organisationsformen der Schule oft in Konflikt. Vorurteile gegenüber dem Spiel – besonders
in allgemeinbildenden höheren Schulen - prägen häufig den schulischen Alltag und das
methodisch-didaktische Vorgehen der Lehrer/innen. Typische Vorbehalte gegenüber
Spielaktivitäten lauten: Spiele könnten schnell zu einer gewissen (unerwünschten)
Eigendynamik führen, Schülergruppen seien dann ‚schwieriger zu bändigen’ als im
Frontalunterricht. Spiel sei oft Ursache von Lärm und Unordnung, verbunden mit der
Inanspruchnahme großer Raum- und Flächenkapazitäten. Spiel sei zwar dienlich zur
Unterhaltung und könne zur Kompensation von anstrengenden Unterrichtsaktivitäten
eingesetzt werden, jedoch eigne es sich nicht zur Förderung einzelner Schüler oder zur
systematischen Stoffvermittlung. Zudem sei das Spiel im Verhältnis zu seiner
Bildungswirkung viel zu aufwändig in der Vorbereitung. Spiel sei letztlich nur Spaß,
Ablenkung, wenn nicht sogar Flucht aus dem realen Leben; beim Spielen werde nichts
richtig gelernt etc. (vgl. ebd., 9ff.).
In der vorliegenden Untersuchung handelt es sich bei den Proband/inn/en um
Volksschulkinder. Aus diesem Grund soll im Folgenden nur die Situation und Verwendung
des Spieles in der Volksschule thematisiert und besprochen werden.
Da eine Befragung österreichischer Lehrkräfte zum Einsatz des Spiels im Unterricht den
Rahmen meiner Arbeit gesprengt hätte, gehe ich im folgenden Unterkapitel der Frage nach,
wo und in welcher Form das Spiel im österreichischen Lehrplan für die Vorschul- und
Primarstufe zu finden ist.
4.5.1 Spiel im Lehrplan österreichischer Volksschulen
Das Spiel wird im Lehrplan der österreichischen Volksschule als Schulfach der Vorschulstufe
gesehen. Die Bildungs- und Lehraufgaben der Spiels werden dabei wie folgt begründet:
Spielen ist eine Möglichkeit des Lernens, die dem Entwicklungsstand des Schulanfängers in
besonderer Weise angemessen ist. Durch den handelnden Umgang mit den Dingen im Spiel
werden grundlegende Erfahrungen und Einsichten für das anschauliche Denken des Kindes
erworben.
Im Spiel sollen alle Bereiche der Entwicklung stimuliert und gefördert werden:
- die Spontanität und das schöpferische Tun,
- die Freude am eigenen Körper und an den eigenen Bewegungen,
- die Bereitschaft, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten und die eigene Rolle innerhalb
einer Gemeinschaft zu finden,
SPIEL ___________________________________________________________________________
60
- die Wahrnehmung und das Denken,
- das Sprachverständnis und die sprachliche Ausdrucksfähigkeit,
- die Lern- und Leistungsbereitschaft. (BMUKK 2008, 75.)
Unter den didaktischen Grundsätzen zum Fach „Spiel“ wird angeführt, dass das Spiel in der
Vorschulstufe als „methodisches Prinzip alle Bildungsbereiche durchziehen“ (ebd., 78) und daher
keineswegs nur auf bestimmte Stunden beschränkt werden soll. So wird auch erwähnt, dass
Kinder unterschiedliche Spielfähigkeiten aufweisen können und Kinder, die nicht spielen
können, oft in ihren Lernleistungen beeinträchtigt sind. Spiel soll jedenfalls bewusst „zur
Auflockerung und Entspannung, zum Aggressionsabbau und zur Überwindung von Hemmungen
eingesetzt werden. Im gelenkten Spiel können auch bestimmte Themen und Ausgänge vorbereitet bzw.
verarbeitet werden“ (ebd., 78).
Was in der Vorschulstufe als wichtiges didaktisches Prinzip und als Unterrichtsfach gilt,
verliert jedoch im weiteren Schulverlauf sukzessive an Wichtigkeit. Die Volksschule hat die
Aufgaben zu erfüllen, „ausgehend von den eher spielorientierten Lernformen der vorschulischen
Zeit zu bewusstem, selbstständigem, zielgerichtetem Lernen“ (ebd., 7) zu führen. Dies kann durch
grundschulgemäße Formen gefördert werden, wie „Lernen im Spiel, offenes Lernen,
projektorientiertes Lernen, entdeckendes Lernen, informierendes Lernen, wiederholendes und übendes
Lernen“ (ebd., 13).
4.5.1.1 Spiel im Sprachunterricht
Gilt das Spiel in der Vorschulstufe noch als eigenes Unterrichtsfach, so muss das Fach
„Spiel“ im späteren Schulverlauf - dem regulären Alltag der Volksschule also - anderen
Fächern weichen. Das Spiel25 ist in „Deutsch, Lesen, Schreiben“ auf der Grundstufe I und der
Grundstufe II aber als Methode verankert. So finden sich unter für die Grundstufe I (1. und
2. Schulstufe) folgende Anweisungen:
Unter dem Bereich Sprechen wird erwähnt, dass ein „spielerischer, kreativer Umgang mit
Sprache“ (ebd., 105) anhand von „Laut- und Wortspielereien, Reimbasteleien u.a.m.“ (ebd., 105)
im Unterricht realisiert werden kann. Gespräche können vorbereitet werden,
beziehungsweise kann zu einem Gespräch hingeführt werden, indem „spielerische Formen des
Miteinander-Sprechens (zB Kennenlernen, Rate- und Fragespiele, Zuhörspiele und Spiele zur
Weitergabe des Wortes)“ (ebd., 105) Verwendung im Deutschunterricht finden. Auch unter
25 Die Aufzählung der Beispiele zum Spiel im Deutschunterricht (Grundstufe I & II) beschränkt sich auf explizite Nennungen des Begriffes „Spiel“ im Lehrplan österreichischer Volksschulen im Fach „Deutsch/Lesen/Schreiben“.
SPIEL ___________________________________________________________________________
61
dem Teilbereich des deutlichen Sprechens werden Sprach-Spiele angeführt, die das Beachten
der deutlichen Artikulation beim Sprechen bewusst machen.
Im Bereich des Schreibens werden im Lehrstoff Spiele vorgesehen, die zum Training
der Grob- und Feinmotorik dienen, also jenen grundlegenden Bewegungsmustern, die für
das Schreiben von großer Bedeutung sind. Es sollen daher „Lockerungsübungen, insbesondere
für die Schulter-, Arm-, Hand-, und Fingermuskulatur; auch beidhändige Übungen; Fingerspiele und
anderes“ (ebd., 109) im Unterricht Verwendung finden.
Auf dem Gebiet der Sprachbetrachtung sollen Schüler/innen über einen „spielerischen
Umgang mit sprachlichen Elementen“ (ebd., 113) Einsicht in die Sprache und ihre Strukturen
gewinnen.
Der Lehrplan sieht für die Grundstufe II (3. und 4. Schulstufe) im Bereich Sprechen gerade im
Rollen-Spiel eine Möglichkeit, situationsbezogenes Sprechen zu schulen. In Rollenspielen
können verschiedenartige Sprechhandlungssituationen sprachlich bewältigt werden (mit
jemandem Kontakt aufnehmen, trösten, wünschen, fordern, einem anderen zustimmen, die
eigene Meinung begründen etc.). Durch „verschiedene kommunikative Spiele“ (ebd., 116) sollen
die Schüler/innen im Hinblick auf Gespräche auf den Ebenen des „Zuhörens, Aufeinander-
Hörens und Verstehens“ (ebd., 116) geschult werden. Auch das deutliche Sprechen und das
ausdruckvolle Sprechen können im Rollenspiel anhand des Erprobens bestimmter sprachlicher
Situationen lt. Lehrplan gefördert werden. Zudem kann das deutliche Sprechen mit
Sprechspielen zur Übung und Schulung der Artikulation gezielt trainiert werden.
Im Bereich des Lesens wird im Lehrplan der österreichischen Volksschule erwähnt,
dass sich die Sinnerschließung literarischer Texte (Märchen, Sagen, Erzählungen etc.) über
das Wiedergeben einfacher Handlungsfolgen vollziehen kann; dies geschieht zum Beispiel
über das Erzählen oder Spielen der Handlungen. So kann man den Handlungsverlauf „eines
Geschehens durch Erzählung, durch spielerische oder pantomimische Darstellung wiedergeben“
(ebd., 120).
Zur Sprachbetrachtung wird empfohlen zum Beispiel die Stellung des Zeitwortes in
verschiedenen Satzarten auf spielerischem Wege zu erlernen, um so Einsicht in Funktion
und Bau von Sätzen gewinnen zu können. So können auch „Fürwörter als Stellvertreter für
Namenwörter“ (ebd., 129) anhand von „Spielen und Gesprächen“ (ebd., 129) erlernt werden,
indem sie zum Beispiel durch Gesten ersetzt werden.
SPIEL ___________________________________________________________________________
62
4.5.1.2 Das Spiel im Sprachunterricht – DaZ
Der österreichische Lehrplan der Volksschule enthält einen Lehrplanzusatz, der sich mit dem
Sprachunterricht von Schülerinnen nicht-deutscher Muttersprache auseinandersetzt. Hierbei
findet das Spiel im Lehrstoff ähnliche Verwendung wie in der Lehrstoffbeschreibung des
‚regulären Sprachunterrichts’ der Schüler/innen mit Deutsch als Muttersprache. So wird
unter dem Aspekt Hörverstehen und Sprechen, welches mit dem Teilbereich Sprechen des
Fachlehrplanes korrespondiert, das „Rollensprechen im szenischen Darstellen“ (ebd., 136), also
„einfaches Rollenhandeln in Spielszenen erproben und einüben“ (ebd., 136) empfohlen, um
mündliches Sprachhandeln gezielt zu schulen. So können auch in
Sprachhandlungssituationen des Alltags und in Rollenspielen der passive Verstehens- und
der aktive Sprechwortschatz erworben beziehungsweise kontinuierlich erweitert und
ausdifferenziert werden.
Ebenso können Gehörschulung und Aussprache mit bestimmten
Sprachabwandlungsspielen, die phonetischen Übungscharakter besitzen, spielerisch geübt
werden.
Im Bereich Lesen wird bei Zweitsprachenlernenden empfohlen, „Lautgedichte,
Sprachspiele u.Ä. vorlesen und ‚nachlesen’“ (ebd., 139) zu lassen. Wie auch das sinnerfassende
Lesen und die selbstständige Auseinandersetzung mit verschiedenen Textsorten durch das
Nachspielen von Handlungen verstärkt und unterstützt werden können. Dabei können die
Schüler/innen in Gesprächen über Texte persönlich Stellung zu ihnen nehmen, „Texte
miteinander vergleichen, sie untersuchen, weiterdenken, nachspielen“ (ebd., 140) und Textteile neu
zusammenstellen sowie verändern.
Aus dem Lehrstoff der Volksschule wird ersichtlich, dass der spielerische Umgang mit
Sprache sowohl in der Arbeit mit Schüler/innen deutscher Muttersprache wie auch mit
Schüler/innen mit Deutsch als Zweitsprache Verwendung findet. Der Einsatz des Spiels ist
situationsabhängig und reicht vom Sprachspiel (Spiel mit Lauten einer Sprache, Reime etc.)
über das Bewegungsspiel bis hin zum Darstellenden Spiel. Alle diese Spielformen sollen den
Zweck erfüllen, den Schüler/innen spielerisch die Inhalte des Fachs Deutsch zugänglich zu
machen. Dies betrifft die Phonetik, das korrekte Sprechen, die Erweiterung des
Wortschatzes, Hilfe bei der Sinnerfassung von Texten, die Unterstützung beim kreativen
Umgang mit Sprache, die Sprachbetrachtung, aber auch die für das Schreiben notwendige
Fein- und Grobmotorik. Das „Lernen im Spiel“, die spielerische Auseinandersetzung mit
Themen- und Stoffgebieten wird im Lehrplan der Volksschule überdies als Lernform in allen
Pflichtgegenständen empfohlen (ebd., 4ff.).
SPIEL ___________________________________________________________________________
63
4.5.1.3 Darstellendes Spiel
Die unverbindliche Übung „Darstellendes Spiel26“ soll es den Schüler/innen zusätzlich
ermöglichen, sich intensiver und umfassender mit dem Spiel auseinandersetzen zu können.
Es wird im Lehrplan hingewiesen, dass vor allem das „Darstellende Spiel“ positive
Auswirkung auf die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes haben kann. Im „Darstellenden
Spiel“ gilt besonders:
- die Lust am Spiel, die Lebensfreude und Heiterkeit der Kinder zu erhalten
- sich mit eigenen Gefühlen, Ideen, Wünschen und Bedürfnissen auseinander zu setzen
(Selbsterfahrung) und das Selbstwertgefühl zu stärken
- sich in die Rolle des anderen hineinzuversetzen (Empathie)
- kooperative Verhaltensweisen zu entwickeln (soziales Lernen)
- Spannung zu lösen und Aggression im Spiel abzubauen
- Fantasie, Kreativität und divergentes Denken weiterzuentwickeln (ebd., 137)
Zudem wird angeführt, dass das „Darstellende Spiel“ im weitesten Sinne ein „Lernen in
Erfahrung“ (ebd., 237) darstellt, welches neben musischen Komponenten auch wesentliche
Zielsetzungen des sozialen Lernens und der politischen Bildung beinhaltet.
Aus didaktischer Sicht ist es grundlegend wichtig, dass das Kind auf spielerische
Weise, lustbetont und ohne jeglichen Leistungsdruck lernen soll, um seine individuellen
Fähigkeiten zu erleben und darzustellen. Ein Spielprodukt wie das Spiel vor Zuschauern
kann, muss aber nicht das vordergründige Ziel sein. Die unverbindliche Übung soll dem
Kind die Möglichkeit der Selbsterfahrung im sozialen Rahmen der Gesellschaft bieten. Alle
Spielangebote sollten immer auf freiwilliger Basis erfolgen und keineswegs von den Kindern
erzwungen werden. Der ‚Lehrstoff’, der dieser unverbindliche Übung zugrunde liegt, setzt
sich zusammen aus Interaktionsspielen zum Aufbau von Kontakt- und Spielbereitschaft,
Ausdrucksübungen zur Förderung der Spielfähigkeit und –fertigkeit, Improvisationen zum
Einstieg ins Rollenspiel sowie der Auseinandersetzung mit verschiedenen technischen
Mitteln und Requisiten (vgl. ebd., 237f.)
Das Spiel begleitet den Menschen durchs Leben. Es kann zum Mittel der Weltaneignung
werden, dem Lernen, dem Vergnügen, der Unterhaltung und Freude dienen.
Von der Dramapädagogik wird seine Bedeutung als elementar bewertet:
Eine der Grundannahmen der Dramapädagogik ist, dass der Mensch als Spielender auf die
Welt kommt [...]. Der Drang zum Spielen und Schauspielen ist angeboren und das
Theaterspielen ein natürlicher Prozess, der leider zu oft blockiert wird, da der Spielinstinkt
26 Das „Darstellende Spiel“ bildet die Grundlage der dramapädagogischen Intervention „Deutsch bewegt“. Daher soll diese unverbindliche Übung näher betrachtet werden.
SPIEL ___________________________________________________________________________
64
unter dem Mantel rationaler Tätigkeiten, sozial akzeptablen Verhaltens und schulischer wie
akademischer Bildung begraben wird. (Tselikas 1999, 22)
Es gilt daher im dramapädagogischen Prozess „auf diese natürlichen Anlagen des Menschen
zum Spielen und Schauspielen zurückzugreifen und darauf aufzubauen“ (ebda., 22), um (Sprach)-
Lernprozesse voranzutreiben (vgl. ebd., 22).
DRAMAPÄDAGOGIK ___________________________________________________________________________
65
5 Dramapädagogik
„Wir sind gleichzeitig Zuschauer und
Schauspieler im großen Drama des
Seins.“
(Niels Bohr)
Die Dramapädagogik dient in der vorliegenden Untersuchung als didaktische Methode zur
Wortschatzerweiterung, die es empirisch auf ihre Effektivität hin zu untersuchen, zu belegen
und zu untermauern galt.
In diesem Kapitel wird der Begriff „Dramapädagogik“ näher beleuchtet, wie auch die
Entstehungsgeschichte der Dramapädagogik skizziert. Weiters werden die
Sujets der ersten drei Kapitel Vorstellung, Bewegung und Spiel mit der Methode der
Dramapädagogik in Beziehung gesetzt. Zuletzt werden jene lernrelevanten Aspekte
angeführt, welche die Dramapädagogik als Unterrichtsmethode für das Erlernen einer
Sprache (und so auch von Deutsch als Erst-, Fremd- und Zweitsprache) besonders geeignet
erscheinen lässt.
5.1 Dramapädagogik: Begriffsklärung
Die Dramapädagogik als Unterrichtskonzept wurzelt in der britischen Tradition des Drama
in Education (vgl. Wagner 1979, Bolton 1984a, 1984b, 1993) und wurde im Jahr 1993 von
Manfred SCHEWE als „Dramapädagogik“ für den deutschsprachigen Raum adaptiert und
auf den Fremdsprachunterricht bezogen (vgl. Even 2003, 52).
Dramapädagogik bedient sich der Mittel des Theaters und setzt diese zu
pädagogischen Zwecken ein. Primär wichtig ist hierbei nicht das Ergebnis, etwa die
Produktion eines Theaterstückes, sondern der Lernprozess auf physischer, ästhetischer,
emotionaler und kognitiver Ebene. „Drama“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet
„Handlung“, daher ist die Dramapädagogik eine Pädagogik, die vor allem
handlungsbezogenes, ganzheitliches Lernen ermöglichen soll (vgl. Tselikas 1993, 21). Die
Mittel des Theaters erlauben es, über die Ebene der linguistischen und paralinguistischen
Zeichen hinauszugehen, indem „mimetische, gestische und proxemische Zeichen bewusst(er) ins
Spiel“ gebracht werden (Schewe 1993, 6). Dies bedeutet, dass „visuelle Zeichen, die gesetzt
werden durch körperliches Handeln bzw. Bewegung durch den Raum“ (ebd., 6) einen hohen und
anderen Stellenwert erlangen als im ‚herkömmlichen Unterricht’.
DRAMAPÄDAGOGIK ___________________________________________________________________________
66
Dramapädagogik beruht auf einer kommunikativ orientierten Didaktik und ist
darum bemüht, integrativ sowie ganzheitlich zu wirken. Integrativ insofern, als Elemente
und Grundgedanken handlungsorientierter, erfahrungsbezogener, interaktiver und
alternativer Sprachlehransätze zusammengeführt werden. Ganzheitlich deshalb, weil
möglichst viele Lernkanäle und Sinne des/r Lernenden aktiviert werden. SCHEWE fügt
deswegen PESTALOZZIs klassischer Formel: „Lernen mit Kopf, Herz und Hand“, den Fuß
hinzu, da dieser Unterricht zur körperlichen Bewegung im Raum ermutigen und ein
Ausschalten der „permanenten Selbstkontrolle durch den Kopf zugunsten spontaner
körperlich(sprach)licher Erfahrungen“ (ebd., 7) ermöglichen soll. Der Fokus im
dramapädagogischen Unterricht liegt nicht nur auf dem Aspekt des ganzheitlichen Lernens,
sondern auch auf dem des ganzheitlichen Lehrens, bei dem die Lehrperson alle ihr zu
Verfügung stehenden Ausdrucksmittel einsetzt. Das Lernen und Lehren mit Hand und Fuß
soll nicht in isolierten und nur auf bestimmte Fertigkeiten abzielenden Übungen geschehen,
sondern in inhaltlich anspruchsvollen, inszenierten Kontexten. Es soll im
dramapädagogischen Unterricht zu einem „produktiven Wechselspiel zwischen äußeren und
inneren ‚Lernbewegungen’, d.h. zwischen (äußerem) In-Bewegung-Sein und (innerem) Bewegt-Sein“
(ebd., 7) kommen. Dramapädagogischer Unterricht erfordert daher auch intensive
produktive, rezeptive und reflexive Spracharbeit im Vorfeld (vgl. ebd., 404ff.).
Dramapädagogik verläuft ganz nach dem Motto learning by doing und versteht sich als
Erweiterung und Konkretisierung des kommunikativ orientierten Unterrichtsansatzes (vgl.
Even 2003, 52). Dramapädagogik gibt Lernenden die Möglichkeit, Gedanken und Gefühle
verbal wie auch nonverbal zum Ausdruck zu bringen, selbst Gestaltungserfahrungen zu
machen, individuelle persönliche Fähigkeiten zu entdecken und zu nutzen und sich mit den
Ausdrucksformen der jeweiligen Mitspielenden auseinanderzusetzen. Lehr- und
Lernprozesse werden durch die Dramapädagogik theatralisiert: Dadurch können „komplexe
Themen mit allen Sinnen bearbeitet werden, wobei durch das Zusammenwirken von kognitiven und
emotionalen Inhalten der Unterrichtsertrag erhöht und selbstständiges Lernen unterstützt“
(Bibermann 2009, 76) wird. Bei den Lernprozessen, die ästhetische und psychosoziale
Erfahrungen ermöglichen, geht es um „schöpferisches Tun, um die Stärkung von sprachlich-
kommunikativen Fähigkeiten und um die Förderung differenzierter Wahrnehmung“ (ebd., 77).
Diese Form des Unterrichts lässt sich besonders gut für den Sprachunterricht – auch
so wie bei SCHEWE für den Fremdsprachenunterricht – nützen. Das Lernen einer (neuen)
Sprache kann durch diese Unterrichtsmethode viel intensiver und individueller vonstatten
gehen. TSELIKAS führt mögliche Vorteile des dramapädagogischen Unterrichts an:
Dramapädagogisches Lernen stellt eine effektivere und lustvollere Art des Lernens dar durch
das Ansprechen der natürlichen menschlichen Anlagen und die Aktivierung des gesamten
DRAMAPÄDAGOGIK ___________________________________________________________________________
67
Wesens. Es entstehen grössere Spontaneität, Flexibilität und Natürlichkeit im Ausdruck, mehr
Lust an der fremden Sprache, Aktivierung des gesamten Wissensrepertoires, selbstsichereres
Auftreten, Überwindung der Ängste, die mit dem Ausdruck in der fremden Sprache
zusammenhängen, bessere Artikulation, Erweiterung des kulturellen Wissens nicht nur auf der
kognitiven Ebene, kulturell adäquate Gestik, Mimik usw. (Tselikas 1999, 59)
Die angeführten Argumente sollen aber nicht zum voreiligen Schluss führen, dass
dramapädagogischer Unterricht nur für den Sprachunterricht tauglich wäre; vielmehr lässt
sich diese Methode im Sinne des „Sozialen Lernens“, im fächerübergreifenden Unterricht
(Geschichte, Geographie etc.) und im Konflikttraining einsetzen. Theatrales Arbeiten
bedeutet auch Lernen von und über sich selbst: die Art und Weise, wie man sich gegenüber
anderen präsentiert, sich einbringt, Situationen beobachtet und lernt, angemessen auf sie zu
reagieren, ist ebenso Teil dieser Arbeit wie Angebote aufzunehmen und zu gestalten,
spontan zu reagieren, sich zu konzentrieren sowie „sich in eine Sache zu vertiefen und die
erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten in anderen Kontexten erneut anzuwenden“ (Eigenbauer
2009, 67).
5.2 Entstehungsgeschichte
Dramapädagogik stellt die deutsche Version von Drama in Education aus Großbritannien dar.
Die Anfänge der britischen Dramapädagogik reichen bis zur Jahrhundertwende zurück, in
die Zeit der New Education-Bewegung27 (vergleichbar mit der reformpädagogischen
Bewegung in Deutschland). Anfangs des vorigen Jahrhunderts kam es auf diesem Gebiet zu
den ersten Ansätzen eines am Drama orientierten Unterrichts. Vorreiter war zum Beispiel
die Leiterin einer Dorfschule, Harriet FINLAY-JOHNSON, die ein integriertes, drama-
orientiertes Curriculum entwickelte. Der gesamte Lehrstoff - Geschichte, Geographie,
Arithmetik und andere Fächer - sollten ihrer Ansicht nach dramatisch adaptiert werden. Sie
begründete ihre Überlegungen und Entscheidungen durch den natürlichen dramatischen
Instinkt der Kinder. Weitere wichtige Kriterien - die sich mit dem heutigen Ansatz der
Dramapädagogik decken - waren, dass der Prozess des Dramatisierens größeren Stellenwert
hatte als das Produkt (die Theateraufführung) und der wichtige Aspekt der freien
Improvisation, der aber ebenfalls Raum für ein Agieren nach konkreten Textvorlagen zuließ.
27 Diese Bewegung wendet sich von der statisch-unpersönlichen Wissensvermittlung ab, wie sie in traditionellen Lehrkonzepten bis dahin oft Verwendung fand. Sie richtet sich auf ein lernerkonzentriertes Konzept von Erziehung. Bedeutsame Schlagworte dieser Zeit lauten: self-expression, learning by doing, activity method, the child´s whole nature; es ist folglich weniger vom Lerner die Rede, als vom doer and creator. (SCHEWE 1993, 81).
DRAMAPÄDAGOGIK ___________________________________________________________________________
68
Dieser fächerübergreifende dramaorientierte Grundgedanke ist mit Vorstellungen
von COOK (1917) insofern verwandt, als auch er das dramatische Spiel als Erziehungsbasis
ansieht, jedoch mit stärkerer Konzentration auf die Inszenierung von Theaterstücken im
muttersprachlichen Englischunterricht. Demnach sollen Textvorlagen nicht nur lesend
einstudiert, sondern auch szenisch realisiert werden, all dies unter strenger Einhaltung
künstlerischer Formen. Nach COOK soll die Inszenierung von Texten eine aktive Erfahrung
mit der Muttersprache zum Ziel haben und die Freude an ihr erhöhen und fördern.
Der Einsatz von dramaorientierten Arbeitsmethoden nahm seit diesen frühen
Pionieren im schulischen Unterricht stetig zu, sodass nach wenigen Jahrzehnten immer mehr
vom Drama als Lehr- und Lernform die Rede ist. In dieser Zeit lassen sich bereits diverse
Orientierungen und Ausformungen erkennen, denen eine jeweils unterschiedliche
Spielpraxis zugrunde liegt, später sogar miteinander konkurrierende Ansätze. Einerseits
gewinnen jene Lehrer von „Speech and Drama“ an Ansehen, die das Einstudieren von
schauspielerischen Techniken als Erweiterung des „classroom drama“ ansehen und das
Training von Sprechen und Mimik präferieren, andererseits wächst der Einfluss der Lehrer
mit dem Gedankengut von Peter SLADE (Child in drama 1945). Diese Richtung sieht sich als
Gegenpol zu den als zu künstlich und nicht-kindgerecht empfundenen Übungen des
„Speech and Drama“. SLADE vertrat ein entwicklungspsychologisch begründetes Modell
für das freie Spielen (dramatic playing). Dieses fand breite Resonanz und war als
theoretische Grundlage der Unterrichtspraxis im Schulfach Drama, welches zunehmend an
den Schulen eingerichtet wurde, in Verwendung. Seiner Auffassung nach sollte das freie
Spiel - den Entwicklungsstufen der Schüler/innen gemäß - Raum zur freien persönlichen
Entfaltung geben, was gleichzeitig zur Distanzierung von einer literarischen und theatralen
Kunstform hin zu einer „Let´s go to game“-Auffassung von Drama führte. (Vg. Schewe 1993,
81ff.)
Brian WAY (Development through Drama, 1967) richtete sich gegen die Künstlichkeit
eines Drama-Unterrichts, bei dem der Schwerpunkt auf einer künstlerisch ansprechenden
Theateraufführung lag. Er plädierte für ein „creative drama“ als ganzheitliche Lernform, bei
der es um die Ausbildung der Fähigkeiten Vorstellungskraft, Sinnesleistung,
Körperbewusstsein, Konzentration, Sprache, Emotion und Intellekt geht (vgl. Even 2003,
146).
Von der Jahrhundertwende bis in die 1970er Jahre lässt sich in Bezug auf den
dramaorientierten Unterricht eine recht heterogene Unterrichtspraxis erkennen. Ursache
dafür waren unterschiedliche Ansätze für die Herausbildung einer Theorie der
dramaorientierten Pädagogik sowie die dezentrale Struktur des britischen Schulwesens,
DRAMAPÄDAGOGIK ___________________________________________________________________________
69
welches den Schulleitern den Stellenwert der dramatischen Aktivitäten im Curriculum sowie
deren Realisierung offenließ.
Mit der Publikation der Arbeiten von Dorothy HEATHCOTE und Gavin BOLTON
wird dieser kontroversielle Diskurs überwunden, und es kommt zur ersten theoretischen
Fundierung der britischen Dramapädagogik sowie zur inhaltlichen Konkretisierung der
dramapädagogischen Praxis. Somit ermöglichen HEATHCOTE und BOLTON, dass „in den
70er/80er Jahren die in der theatralen Kunstform Drama angelegten Möglichkeiten – kreative,
kognitive, emotionelle, soziale, ästhetische, (senso) motorische – ins pädagogische Bewusstsein
gelangen“ (Schewe 1993, 87) und schaffen damit eine solide Grundlage für
dramapädagogische Unterrichtsarbeit.
Bei BOLTON findet das Drama als Lehr- und Lernform hauptsächlich dann
Verwendung, wenn es um die Bildung und Auseinandersetzung mit Werturteilen geht. Die
Lernenden müssen sich bei der Konfrontation mit einer fremden Rolle mit ungewohnten
Denk- und Fühlweisen auseinandersetzen. Über die dramapädagogische
Auseinandersetzung kommt es zum Verstehensprozess. Verstehen erfolgt hier über das
„Durchbrechen von Stereotypen, Hinterfragen, Zweifel anmelden, Vorahnen von Konsequenzen,
Ausprobieren von Alternativen, Wechsel der Perspektive“ (ebd., 90).
HEATHCOTE geht es allerdings nicht primär um Verstehen, sondern um das Wissen,
welches bei den szenischen Improvisationen erst bewusst wird. Im Drama kann sich der/die
Lernende eigenes, ihm selbst verborgenes Wissen selber zugänglich machen. Auch
HEATHCOTE versteht unter „Drama“ nicht primär die Herstellung eines Produkts, sondern
einen aus der theatralen Kunstform Drama schöpfenden Unterrichtsprozess, der
unterbrochen, weitergeführt, immer wieder abgebrochen und wieder fortgesetzt werden
kann.
Dramapädagogischer Unterricht im Sinne von BOLTON und HEATHCOTE umfasst
die Lernbereiche des kognitiven, fertigkeitsorientierten und sozialen Lernens:
Soziales Lernen: Die Interaktion in der Lernergruppe ist ein wesentliches Merkmal von Drama.
Die meisten Aufgaben erfordern die Kooperationsbereitschaft der Schüler. Einfaches Beispiel:
die Schüler sollen sich in der Kleingruppe auf eine fiktive Situation einigen (s.o.,
Unterrichtsbeispiel von BOLTON).
Kognitives Lernen: erfolgt z.B., wenn das Drama gestoppt wird und in einer Reflexionsphase
Hypothesen gebildet werden, wie z.B. „Wenn wir die Wolfskinder zu den Wölfen
zurückbringen würden, dann...“; oder die Schüler nach Informationen zu einem bestimmten
Problem forschen, wie „Das Rudelverhalten von Wölfen“.
Fertigkeitsorientiertes Lernen: Indem die Schüler bestimmte dramatische Techniken, Formen und
Konventionen im Unterricht an sich erleben, entwickeln sie mit der Zeit ein Gespür für diese
DRAMAPÄDAGOGIK ___________________________________________________________________________
70
„Drama-Werkzeuge“ und lernen, diese zu gebrauchen (z.B. Bau eines Standbildes, Doppel-Ich
etc.).
Ob und wie diese drei Basis-Lernbereiche sich überlappen, entscheidet sich von
Aufgabenstellung zu Aufgabenstellung bzw. Unterrichtssituation zu Unterrichtssituation.
In ihrer idealen Überlappung bzw. Integration bilden diese Lernbereiche die Basis für den
Kernbereich des Drama-Unterrichts, d.h. ästhetisches Lernen: Nur indem eine Lehrerin die
Möglichkeiten dramatischer Kunstformen bewußt ausschöpft, kann sie – über den Weg
emotionellen Erlebens – auf die bedeutsamen Momente hingestalten, in denen „understanding“
bzw. „deeper knowledge“ möglich wird. (Ebd., 97)
Heute ist Drama in Education aus fachwissenschaftlichen Diskursen in Großbritannien nicht
mehr wegzudenken. Allerdings gehört das Fach Drama inzwischen nicht mehr zu den
Kernfächern (Kunst, Musik...), die fester Bestandteil des National Curriculum sind (vgl. Even
2003, 146f.).
Deutsche ‚Drama-Geschichte’
Was in Großbritannien bereits eine lange Tradition als Schulfach aufweisen konnte und
somit zu einer Selbstverständlichkeit im schulischen Alltag zählte, war in Deutschland nur
im erziehungswissenschaftlichen Diskurs vorhanden und fand erst in den 1980er Jahren in
der Form des Szenischen Spiels von Ingo SCHELLER Verbreitung (vgl. ebd., 146). Das
Szenische Spiel beziehungsweise die Szenische Interpretation wurde speziell für
Lesebedürfnisse und spezifische Leseweisen von Kindern und Jugendlichen entwickelt, um
sie zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit literarischen Texten anzuregen.
Grundlegend dabei ist, dass sich die Schüler/innen bestimmter Haltungen bewusst werden.
Die Interpretation eines Textes erfolgt über die aktive Handlung (Darstellung) der
Schüler/innen. Wichtig ist dabei die Selbstreflexion, die das Einfühlen in historisch fremde
Zeiten und literarische Figuren mit all ihren inneren und äußeren Haltungen begleitet; dies
geschieht durch die Übernahme von Rollen. Der Text wird dabei als „Partitur verstanden, als
Spielmaterial für Inszenierungen im Kopf und im Klassenraum“ (Scheller zit. n. Eigenbauer 2009,
66). Das Konzept der Szenischen Interpretation ähnelt durchaus dem des Drama in Education,
ist aber viel stärker und genauer auf den Text bezogen und lässt daher eine offene
Unterrichtsgestaltung im Sinne der Dramapädagogik nur bedingt zu. Das Szenische Spiel
schließt neben emotionalen, sinnlichen und imaginativen Lernprozessen auch kognitive (hier
DRAMAPÄDAGOGIK ___________________________________________________________________________
71
vor allem mit dem Ziel, literarische Texte zu interpretieren28) mit ein (vgl. Eigenbauer 2009,
66).
5.3 Vorstellung in der Dramapädagogik
Die Rolle der Vorstellungsfähigkeit beschreibt TSELIKAS in Dramapädagogik im
Sprachunterricht (1999) wie folgt:
Die Dramapädagogik basiert vor allem auf Vorstellungsarbeit und Improvisation. Die
Lernenden werden ermutigt, sich in fiktive Kontexte zu begeben, sich realistische oder
fantastische Situationen vorzustellen und diese spielend zu repräsentieren. Dabei steigen sie in
Rollen ein, und es ist wichtig, dass sie während des ganzen Spiels in diesen Rollen bleiben.
(Tselikas 1999, 65)
Das bedeutet, dass die Vorstellungsfähigkeit als entscheidende Grundlage für das Darstellen
und Verkörpern von Rollen und Haltungen angesehen werden kann. Vorstellungsbildung
ist nicht nur für schauspielerisches Arbeiten, sondern auch für Lernprozesse von großer
Wichtigkeit. Mit Hilfe der Vorstellungsfähigkeit, des Imaginationsvermögens, können
komplexe Sachverhalte veranschaulicht und damit leichter persönlich adaptiert und in
individuelle Weltaneignungskonstrukte eingebaut werden29.
Laut TSELIKAS befinden sich Schauspieler/innen und Sprachenlernende in einer
analogen Situation: Schauspieler/innen müssen, wenn sie sich in die Lage einer Person
versetzen, dies auf dreifache Weise tun. Mental, indem sie sich in die Situation so gut wie
möglich „hineindenken“ (hier sind sie auf ihre Vorstellungskraft angewiesen), physisch,
indem sie für andere sichtbar die Haltung einer bestimmten Person übernehmen und
emotional, indem sie deren Gefühle nachzuempfinden versuchen. All dies wirkt jedoch nur
dann authentisch, wenn sie „die Elemente der Rollen, die sie spielen wollen, in sich selbst finden
und aktivieren“ (ebd., 16). Auch Sprachenlernende, die Sprachnotsituationen30 ausgesetzt
sind, müssen authentisch und spontan reagieren und „sich rasch orientieren, umorientieren und
von einer Rolle in die andere schlüpfen“ (ebd., 15), solche Situationen ähneln
dramapädagogischen Inszenierungen.
Die Dramapädagogik im Sprachunterricht schafft imaginative Welten mit fiktiven
Kontexten, damit in ihnen gearbeitet werden kann. Die Lernenden werden angehalten, sich
28 Ein weiterer Ansatz, der dem Ingo SCHELLERs ähnelt, ist der des Schweizers Marcel KUNZ (1997). Auch seine szenischen Verfahren sind speziell auf den Literaturunterricht der Oberstufe (Sekundarstufe II) hin orientiert (vgl. ebd., 66). 29 Vgl. Kapitel 2.4 30 Sprachnotsituationen sind Situationen im Alltag eines Fremdsprachigen, in denen sprachlich reagiert werden muss, auch wenn die passenden Worte nicht sofort präsent sind und keine Zeit für längere Überlegungen bleibt.
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mit Hilfe ihrer Vorstellungsfähigkeit in jene imaginativen Welten zu begeben, um zu üben
und in diesen Welten spielerisch (sprachliche) Erfahrungen zu sammeln. Dies geschieht in
einem Prozess des Aussteigens aus der Alltagsrealität, des Einsteigens in die theatralische,
fiktive ‚Realität’ und des erneuten Aussteigens aus dieser dramatischen Realität (vgl.
Tselikas 1999, 16).
Vorstellungsbildung ist essenziell für empathische Vorgänge, die wiederum für das
dramaorientierte Arbeiten und das Erlernen einer (Fremd-) Sprache bedeutsam sind:
Es ist dies ein Begriff der ’sprachlichen Einfühlung’, mit der eine Erschließung ’fremden
Seelenlebens’ erreicht werden soll: ’Die Einfühlung in und durch die Sprache geschieht auf das
Vollkommenste, wenn sie durch die Handlung unterstützt wird.’ Indem der Schüler
Ausdruckmittel, die über bloße Vokabeln weit hinausgehen, verwendet, wird die
Beziehungsbedeutung der syntaktischen Beziehungsmittel beseelt und belebt. (Schindler, zit. n.
Schewe 1993, 129)
Vorstellungsbildung ist in der Dramapädagogik eine wichtige Voraussetzung für
Darstellung, Einfühlung, spielerische Haltung etc. Das Vermögen eigener „imaginativer
Vergegenwärtigung“ gilt auch als entscheidender Aspekt, der (literar-)ästhetische
Erfahrungen überhaupt ermöglicht (vgl. Spinner 2006, 8). Diese grundlegende Fähigkeit –
nämlich die Bildung von Vorstellungen – ist in jedem Menschen angelegt und kann durch
dramapädagogisches Arbeiten stetig erweitert und gestärkt werden.
5.4 Bewegung in der Dramapädagogik
Das Erfahren über den Körper und das Lernen in der Bewegung stellt ein wichtiges Element
der Dramapädagogik dar. Der Körper ist stark an Lernprozessen des täglichen Lebens
beteiligt31; man lernt nicht nur über den Körper, man kommuniziert auch über ihn (vgl.
Tselikas 1999, 137). In der Dramapädagogik dient der Körper als Darstellungs- und
Lerninstrument. Dramapädagogischer Unterricht ermöglicht eine ‚bewegte’
Auseinandersetzung auf körperlicher Ebene mit der Sprache. So kann man sich der Sprache
lustvoll annähern, wenn „man versucht, die Wörter sinnlich zu erleben, sie mit dem Körper
und/oder lautmalerisch nachzuvollziehen“ (ebd. 67).
SCHEWE grenzt die reinen Bewegungsübungen, denen es an dramatischem
Potenzial fehlt, von der Bewegungsarbeit im dramapädagogischen Sinn ab, indem er von
dreidimensionalen Übungsformen (vgl. Schewe 1993, 159) spricht. Dabei handelt es sich um
Übungen mit körperlicher Bewegung im Raum zum Zweck der Sprachaneignung oder
Sprachanwendung. Sie besitzen zwar prinzipiell szenisches Potential, dieses wird jedoch
31 Vgl. Kapitel 3
DRAMAPÄDAGOGIK ___________________________________________________________________________
73
nicht in vollem Maße genutzt. Dreidimensionale Übungen können allerdings zu
dramapädagogischen Übungen gezählt werden, wenn „bei der Entwicklung von
‚dreidimensionalen Übungsformen’ eine Orientierung an dramatischen Kunstformen“ (Schewe 1993,
159) anvisiert und das Potential dramatischer Kunstformen für pädagogische Zwecke
eingesetzt und ausgeschöpft wird (vgl. ebd., 145ff.).
5.5 Spiel in der Dramapädagogik
Der Begriff des „Theaterspiels“ trägt „Spiel“ bereits in seinem Namen; die Dramapädagogik,
welche sich theatraler Mittel bedient, geht davon aus, dass der Mensch ein spielendes Wesen
ist. Der Drang zum Spiel wie auch zum Schauspiel ist dem Menschen angeboren; das
Theaterspielen stellt folglich einen natürlichen Prozess dar. Die Dramapädagogik greift auf
diesen natürlichen Drang, diese natürliche Anlage des Menschen zur Darstellung zurück,
um darauf aufbauend Lernprozesse zu gestalten (vgl. Tselikas 1999, 22). Im Spiel begeben
sich die Lernenden in eine Als-ob-Situation und entwickeln dadurch theatralische
Distanzierung von der Realität. Das Spiel schafft im dramapädagogischen Unterricht fiktive
Welten, und die spielerische Atmosphäre hilft Ängste zu überwinden, die mit
Sprachnotsituationen zusammenhängen.
Der Spielcharakter ist zentrales Merkmal dramapädagogischen Unterrichts, jedoch
kann Dramapädagogik niemals unter einem Motto, wie: „Jetzt spielt einmal schön!“, ohne
Unterrichtsvorbereitung also, gelingen. Auch ist nach SCHEWE theatrales Spiel nicht immer
automatisch mit Dramapädagogik gleichzusetzen. Dazu müsste darstellendes Spiel auch
bestimmten dramapädagogischen Grundvoraussetzungen gerecht werden, wie zum
Beispiel, dass die offene Unterrichtsform erhalten bleibt und damit den Lernenden ein
Optimum an Freiraum gewährt wird (vgl. Schewe 1993, 29). Lehrende sollten sich zudem ein
solides Grundwissen über dramatische Kunstformen angeeignet haben, welches sie befähigt,
fiktive Kontexte zu schaffen und zu gestalten. In solchen fiktiven Kontexten sollen die
„gleichen emotionserzeugenden Schemata aktiviert werden wie in Realsituationen“ (ebd., 29), damit
beim Agieren in diesen fiktiven Welten mögliche Schwierigkeiten vorhergesehen und
spielerisch bewältigt werden können. Erst der Erwerb eines solchen Grundwissens über
dramatische Kunstformen ermöglicht es, sich von verfestigten Spielformen (zum Beispiel
Rollenspiel) zu lösen. Dramapädagogischer Unterricht ist daher auch um eine stete
Erweiterung des Wissens und der Erfahrung betreffend das Dramatische bei Lehrenden und
Lernenden sowie um das stetige Erkunden von weiteren Handlungsmöglichkeiten im
fiktiven Raum bemüht (vgl. ebd., 29f).
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74
5.6 Dramapädagogik im Unterricht
Der Umsetzung von Dramapädagogik im Unterricht sind prinzipiell keine Grenzen gesetzt;
diese Methode kann in beinahe allen Fächern Anwendung finden. Dramapädagogik eignet
sich in besonderer Weise gerade für den Sprachunterricht, weil sie den Lernenden erlaubt,
sich in spielerischer Atmosphäre und in der Auseinandersetzung mit fiktiven Kontexten (die
realen Zusammenhängen nachempfunden sind) in Sprachnotsituationen zu begeben, was
die Lernenden auf die reale Sprachverwendung in realen Kontexten vorbereiten soll. Zudem
werden mit dem Übernehmen fremder Rollen eigene (oft nicht bewusst wahrgenommenen)
(Vor-)Urteile und Wertungen zu Tage gebracht, die in der Gruppe reflektiert werden
können. Persönliche Ermutigung und Stärkung von Schüler/innen wird in einer als
„gefahrlos“ empfundenen, weil dramapädagogisch inszenierten, Spielsituation möglich und
wirkt oft nachhaltig in ihre Lebenswirklichkeit hinein.
Die für den Lernprozess relevanten Aspekte, welche in der Dramapädagogik enthalten sind,
werden im Folgenden näher erläutert.
5.6.1 Lernrelevante Aspekte der Dramapädagogik
Die Dramapädagogik kann aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden, die jeweils
für das Lernen relevante Vorgänge beschreiben.
Aus lernpsychologischer Sicht wird dem Faktor „Bewegung“ beim Erwerb einer
Fremdsprache eine zentrale Rolle zugesprochen. Diesen Faktor nutzt z.B. die Sprachlehr-
und -lernmethode TPR (Total Physical Response). So wird eine besonders hohe
Behaltensleistung dann erzielt, wenn Wissen häufig und intensiv in Verbindung mit
körperlichem Tätigsein aktiviert wird. So kann das Vokabellernen nach KALIDOVA et al.
mit einer weiterentwickelten Variation der TPR-Methode zu einem besseren Lernergebnis
führen, wenn das Gehörte nach einem repetitiven Muster motorisch begleitet wird. (Vgl.
Schewe 1993, 207)
Aus neuropsychologischer Sicht wird darauf hingewiesen, dass bei der Vermittlung
einer Fremdsprache besonders die rechte Gehirnhälfte aktiviert wird. Daher sollten
rechtshemisphärische Aktivitäten integraler Bestandteil jedes Fremdsprachenunterrichts
sein. Im Theaterspiel wird die Aktivität der dominanten linken Hemisphäre, welche für das
informativ-lineare Denken zuständig ist, zugunsten der rechten, die sich um emotionale und
bildhafte Aspekte des Denkens kümmert, zurückgedrängt. So kann mittels
dramapädagogischen Unterrichts die rechte Gehirnhälfte verstärkt aktiviert werden. In
natürlichen sprachlich-kommunikativen Interaktionssituationen sowie beim Handeln in
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75
fiktiven Kontexten werden vermehrt rechtshemisphärische Lernprozesse ausgelöst. (Vgl.
ebd., 207ff.)
Aus sozialpsychologischer und psychophysiologischer Sicht ist die Schaffung von
Interaktionssituationen im Unterricht besonders wichtig; dies ist eine zentrale Aufgabe des
dramapädagogischen Unterrichts. Um Interaktionssituationen, die so natürlich wie möglich
gestaltet sind, entstehen zu lassen, ist ein hohes Maß an Geschicklichkeit und Sensibilität von
Seiten des Lehrers erforderlich. SCHIFFLER (1980) entwickelte das Konzept eines
interaktiven Fremdsprachenunterrichts, dem die Hypothese zugrunde liegt, dass positive
soziale Interaktion die wesentliche Voraussetzung für die Wirksamkeit von
Fremdsprachenunterricht ist. Neben dem Aspekt der Interaktion sollte auch auf das positive
Lern- und Gruppenklima und die damit verbundenen Emotionen geachtet werden. All dies
wird durch dramapädagogisches Arbeiten ermöglicht. (Vgl. Ebd., 210ff.)
Aus individualpsychologischer Perspektive wird immer wieder die Forderung erhoben,
in der Schule auch die affektive Seite des Lernens vermehrt zu fördern, um dem nach wie
vor herrschenden Primat des objektiv-inhaltlich-analytischen Lernens durch gezielte
Förderung des subjektiv-persönlichen-interpersonalen Lernens entgegenzuwirken und eine
Balance zwischen den beiden Zugängen herzustellen. Lernen soll über den Weg der
Selbsterfahrung erfolgen, indem Lernende selbst zum Subjekt und Objekt des Lernprozesses
werden; sie arbeiten mit ihren eigenen Erfahrungen, Erinnerungen, Vorstellungen,
Haltungen, Werten, Gefühlen, Überzeugungen etc.; auch dies wird durch Methoden der
Dramapädagogik möglich. (Vgl. ebd., 213ff.)
Aus psycholinguistischem Blickwinkel wird kritisiert, dass die Schule die natürlichen
kognitiven Fähigkeiten, mit denen sich Kinder ihre Erstsprache aneignen, für den
Fremdsprachenerwerb häufig nicht ausreichend nützt. So wird zum Beispiel die
Möglichkeit, körperliche Bewegung mit Sprache zu verbinden, oft nur im
Anfängerunterricht eingesetzt. Auch wird die Interaktion unter Schülern oft nicht
ausreichend pädagogisch genützt. (Vgl., ebd. 217ff.)
Die handlungsorientierte Perspektive macht deutlich, dass physische Handlungen
mögliche Barrieren beim freien Sprechen abbauen können; Lerner verlieren ihre
Befangenheit. Außerdem: Je mehr sinnlicher Kontext vorhanden ist, desto leichter und besser
werden sprachliche Äußerungen verstanden. (Vgl. ebd., 219f.)
Unter erfahrungsbezogener Perspektive kann ebenfalls kritisiert werden, dass im
schulischen Alltag die Unterrichtsthemen häufig noch immer von den Erfahrungen und
Erlebnissen der Schüler/innen losgelöst und als reiner Wissensstoff vermittelt werden. Die
Dramapädagogik hingegen ermöglicht es Lernenden, eigene Erlebnisse, Erfahrungen und
Phantasien zuzulassen und sinnlich-praktisch zu handeln und zu lernen. (Vgl., ebd., 220ff.)
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5.6.2 Aufbau einer dramapädagogischen Unterrichtseinheit
Bevor näher auf den Aufbau einer dramapädagogisch gestalteten Unterrichtseinheit
eingegangen wird, muss betont werden, dass die Einstellung der Lehrperson, ihr Wissen
über dramatische Kunstformen, ihre Sensibilität für dramatische Prozesse sowie ihr
persönliches Engagement für das Gelingen eines dramapädagogischen Unterrichts
grundlegend sind. Außerdem braucht es Regeln oder klar festgelegte Rahmenbedingungen,
das heißt, man schließt mit der Klasse eine Art Vertrag, der die Schüler/innen ‚verpflichtet’,
sich auf diese spezielle Form von Unterricht einzulassen (vgl. Eigenbauer 2009, 70).
TSELIKAS nennt drei wichtige Etappen in einer dramapädagogisch geführten
Unterrichtseinheit: Der Einstieg enthält neben dem zuvor erwähnten Kontrakt
(Klassenvertrag) Aufwärmübungen, welche nicht mehr als 10 – 15% der Gesamtzeit in
Anspruch nehmen sollten. Dem Aufwärmen wird eine besonders wichtige Rolle
beigemessen, da es in „den Lernenden die Spiellust und Spontaneität weckt, Sprachhemmungen
und Ängste abbaut“ (Tselikas 1999, 60). Je besser die Gruppe körperlich, stimmlich und geistig
‚aufgewärmt‘ ist, wenn sie an das Hauptthema der Einheit herangeführt wird, desto
„lustvoller und kreativer wird sie sich an die Lösung der danach gestellten Aufgaben begeben“ (ebd.,
60).
Der Hauptteil einer dramapädagogischen Einheit kann aus diversen
dramapädagogischen Übungen bestehen, die ein spezielles Thema bearbeiten; dies kann z.B.
im DaF/DaZ-Unterricht thematisch vom Grammatikunterricht32 bis zur Landeskunde
reichen.
Der letzte Teil bereitet den Ausstieg aus der fiktiven Welt, in die man sich im
Hauptteil begeben hat, vor. Der Ausstieg sollte verbunden sein mit einer persönlichen
Reflexion über den Lernprozess und die gerade getätigten Erfahrungen (ebd., 57ff.).
SCHEWE sieht eine ähnliche Stundeneinteilung vor. Er teilt seinen Unterricht, immer
abhängig von seiner jeweiligen Zielgruppe, in verschiedene Phasen. Die Phase A - die
Sensibilisierungsphase – enthält besonders für ‚Neulinge’ auf dem Gebiet des
dramapädagogischen Arbeitens die Sensibilisierung für diese neue Arbeitstechnik;
Interaktionsspiele und isolierte Übungen sollen in dieser Phase darauf abzielen, sich und
einander besser kennen zu lernen, eine entspannte Atmosphäre zu schaffen und eine erste
Vorahnung des Lernens mit Kopf, Herz, Hand und Fuß entstehen zu lassen. In dieser 32 Susan Even entwickelte in den 1990er Jahren die Grundlage für das Konzept eines dramapädagogischen Grammatikunterrichtes , die „Dramagrammatik“. Dramagrammatik ermöglicht sowohl eine aktive, ‚dramatische’ Anwendung der Fremdsprache als auch eine bewusste, individuelle, intensive Auseinandersetzung mit sprachlichen Strukturen (vgl. Even 2010, 104ff.).
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Sensibilisierungsphase soll versucht werden, „die Teilnehmer behutsam an das Handeln in
vorgestellten Situationen zu gewöhnen. Sie sollten sich aus ‚erstarrten Lernhaltungen’ graduell lösen
und zu freier(er) Bewegung im Raum ermutigt werden“ (Schewe 1993, 52).
In der Phase B, der Kontextualisierungsphase, soll über Interaktionsspiele und
isolierte Übungen hinausgegangen und ein zielgerichteter, in sich stimmiger
Handlungskontext erschaffen werden. Wichtig ist dabei, dass das Handeln in der Fiktion
kontextualisiert wird. Dabei sollen die Teilnehmer/innen die Fähigkeit entwickeln, sich über
einen längeren Zeitraum in eine fiktive Welt zu begeben und sich mit fiktiven Situationen
sowie fiktiven Figuren zu identifizieren.
Die Phase C – die Intensivierungsphase – kommt nach SCHEWE erst dann in
Betracht, wenn die Lernenden bereits über einen längeren Zeitraum hinweg
dramapädagogisch gearbeitet haben. In dieser Phase soll über die Konfrontation der
Teilnehmer/innen mit unerwarteten und herausfordernden Situationen eine stärkere
Lernspannung erzeugt werden; dies wird nur mit Hilfe bestimmter Inszenierungstechniken33
erreicht (vgl. ebd., 51f.).
Der Ablauf des Unterrichts kann zwar bis ins kleinste Detail geplant werden, jedoch muss
man sich auch bei dieser Unterrichtsform dessen bewusst sein, dass durch die Improvisation
und die offenen dramapädagogischen Übungen der Unterricht immer wieder eine ganz
unerwartete Wendung nehmen kann; gerade das macht ja den dramapädagogischen
Unterricht so herausfordernd lebendig und speziell.
33 Inszenierungstechniken zählen zum Grundwissen dramatischer Kunstformen, Beispiele dazu finden sich z.B. bei SCHEWE (1993), TSELIKAS (1999), EVEN (2003, 2010), BIBERMANN (2009) und EIGENBAUER (2009).
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6 Deutsch bewegt
„Max und Ivo rennen auf allen Vieren
[ ...] und schleichen anschließend wie
Enten mit lautem Gequake im Kreis“
(Kaader, L1 Türkisch; 1. Lückentest)
Deutsch bewegt ist eine Interventionsstudie zum Thema „Vorstellungsbildung“. Sie geht der
Frage nach, ob dramaorientierte Zugänge bei der Auseinandersetzung mit Verben aus dem
Wortfeld gehen/bewegen zu einer nachhaltigeren Wortrezeption führen als wenn die
Bedeutung dieser Verben durch Lesen und Sprechen aus einem Kontext erschlossen wird.
Bei den Wörtern, die im Rahmen der Intervention erlernt wurden, handelt es sich um
elf Bewegungsverben aus dem deutschen Grundwortschatz; die Gruppe der Schüler/innen
umfasst ausschließlich Zweitsprachenlernende der Grundstufe II (3. Klasse Volksschule).
Als Anstoß für diese Untersuchung diente das Ergebnis einer Studie von PELTZER-
KARPF et al.34, der zufolge sich die korrekte Verwendung von treffenden deutschen
Ausdrücken im Zusammenhang mit dynamischen Vorgängen für Schüler/innen mit
Deutsch als Zweitsprache deutlich schwieriger gestaltet als für Schüler/innen mit Deutsch
als Erstsprache, so dass die Lehrkraft diesem Bereich besondere Aufmerksamkeit widmen
sollte.
Es werden zwei Lehr- und Lernmethoden einander gegenübergestellt, mit deren Hilfe das
Wortfeld gehen/bewegen erlernt wird. Einerseits werden Wortbedeutungen aus dem Kontext
über Lese- und Sprechaktivitäten erschlossen, andererseits über körperliches Darstellen; die
Ergebnisse werden miteinander verglichen und statistisch evaluiert.
Es soll keinesfalls der Eindruck entstehen, dass Bewegen und Darstellen zum Erlernen von
Wortbedeutungen eine neuartige Unterrichtsmethode sei. Die Montessori-Pädagogik und
reformpädagogische Ansätze praktizieren seit jeher das Arbeiten mit Körper,
Körperausdruck, Bewegung und Rhythmik, um Lernprozesse nachhaltig zu gestalten. Das
Hauptinteresse dieser Untersuchung liegt daher nicht darin, eine innovative Methode zu
entwickeln, sondern zu untersuchen, welche Methode im oben beschriebenen, begrenzten
Untersuchungsfeld als die effizientere erscheint.
34 Vgl. Peltzer-Karpf, Annemarie et al. (2006): A ku!i sprecham Deutsch. Sprachstandserhebung in multikulturellen Volksschulklassen. Bilingualer Spracherwerb in der Migration; Dokumentation einer vierjährigen Langzeitstudie. bm:bwk (Hrsg.), Wien: BMUKK.
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6.1 Grundlage
Als Ausgangspunkt dient die Sprachstandserhebung A ku!i sprecham Deutsch von PELTZER-
KARPF et al., welche in multikulturellen Volksschulklassen in Wien durchgeführt wurde.
Vier Jahre lang wurden insgesamt über 100 Schüler/innen deutscher und nicht-deutscher
Muttersprache wissenschaftlich begleitet. Dreimal im Jahr wurde bei allen Kindern der
Sprachstand in Deutsch erhoben, bei den Schüler/innen mit Bosnisch/Serbisch/Kroatisch
(BKS) und mit Türkisch als Muttersprache wurde auch ihre muttersprachliche Entwicklung
verfolgt. Das Untersuchungsinteresse der Langzeitstudie betraf unterschiedliche Teilbereiche
der Linguistik, vor allem der Soziolinguistik und Psycholinguistik; im Rahmen der
Ergebnisse zum Spracherwerb von Zweitsprachenlernenden35 förderten gerade die Resultate
zum Bereich Wortschatz (vor allem Verben, die der Beschreibung dynamischer Prozesse
dienen) Probleme von Schüler/innen nicht-deutscher Muttersprache zutage, die für den
alltäglichen Unterricht besonders relevant erscheinen und bisher vielleicht zu geringe
Beachtung fanden36. (Vgl. BMUKK 2008, 1)
35 So wird prinzipiell deutlich, dass die Sprachentwicklung einen langjährigen Prozess darstellt, der am Ende der Volksschulzeit noch nicht als abgeschlossen betrachtet werden kann. Dies offenbaren „sprachliche Turbulenzen“, die im 3. und 4. Schuljahr bei Zweitsprachenlernenden festgestellt werden. Weiters wird bestätigt, dass eine enge Verbindung und Wechselwirkung von Erst- und Zweitsprache vorherrscht; Phasen des Spracherwerbsprozesses werden durch Interferenzen zwischen beiden Sprachen geprägt. Daraus wird für den Unterricht deutlich, dass beide Sprachen gefördert werden müssen und die einseitige Förderung nur einer Sprache (Unterrichtssprache, L2) auf Kosten der anderen (Muttersprache) als nicht zielführend betrachtet werden muss. Zudem wird festgestellt, dass die sprachliche Entwicklung von zweisprachigen und einsprachigen Kindern unterschiedlich verläuft; eine im 3. Untersuchungsjahr durchgeführte Begleitstudie in Bosnien und der Türkei zeigte diesbezüglich deutliche Unterschiede zu den bosnischen und türkischen Schüler/innen in Wien (vgl. BMUKK 2008b, 1). 36 Neben der empirischen Ausgangslage - der Studie von PELTZER-KARPF et al. – gab auch meine persönliche Erfahrung als Nachhilfe-Lehrerin im Fach Deutsch den Anstoß zur Untersuchung Deutsch bewegt: Vorstellen – Darstellen - Verstehen. Besonders im Falle eines 14-jährigen österreichischen Nachhilfe-Schülers sah ich mich mit dem ‚Problem’ betreffend das Wortfeld gehen/bewegen konfrontiert. Dieser Schüler versuchte Wortwiederholungen auf dem Wortfeld gehen/bewegen zu vermeiden, da diese in seinen Schularbeiten mitunter Ursache für negative Noten waren. Seine Professorin hatte ihm eigens dazu eine Liste mit möglichen Synonymen erstellt, die er ‚ganz artig’ verwendete, ohne jedoch zu bemerken, dass dies teilweise unangemessen und nicht korrekt geschah. Es entstanden Konstruktionen, in denen das verwendete Verb nicht in den Kontext passte. Da schlenderte zum Beispiel der Protagonist einer seiner Erlebnisgeschichten (gemächlich) in die Schule obwohl er es eigentlich eilig hätte, da er verschlafen hatte und schnell in die Schule laufen/rennen müsste, um keine Rüge zu bekommen. Ich verstand erst nach und nach, dass die Ursache für die ungewohnte Verwendungsart der Verben auf der semantischen Ebene – dem unzureichenden Verständnis der Bewegungsverben – lag. Der Nachhilfeschüler konnte mit den Verben aus der Liste zum Wortfeld gehen/bewegen keine persönliche Vorstellung verbinden und damit zu keiner semantischen Anreicherung der sprachlichen Symbole gelangen. Ich musste daher gemeinsam mit dem Burschen zuerst Wortbedeutungen erarbeiten: Dies geschah anfänglich nur auf verbaler Ebene, jedoch ohne deutlich positiven Effekt und endete schließlich im aktiven Ausprobieren und Darstellen der Verben, mit großem Lernerfolg.
DEUTSCH BEWEGT: VORSTELLEN – DARSTELLEN – VERSTEHEN ___________________________________________________________________________
81
Ausdruck der Dynamik
Als Basis für die Untersuchung von PELTZER-KARPF et al. zum Teilbereich
Bewegungsverben in der Erst- und Zweitsprache Deutsch multikultureller Volksschulkinder (vgl.
Griessler 2003, 99) diente die Bildergeschichte frog story37; sie wurde von einsprachigen und
zweisprachigen Kindern nacherzählt. In dieser Bildergeschichte, welche viele bewegte,
dynamische Szenen aufweist, begibt sich ein kleiner Bub mit seinem Hund auf die Suche
nach einem vermissten Frosch. Die von den Kindern erzählten Geschichten wurden auf
Ausdrücke der Dynamik, auf Erzähllänge, Type-Token-Relation, affektive und kognitive
Elemente hin untersucht.
Die Auswertung des Datenmaterials zeigt, dass es sich bei rund einem Drittel aller
verwendeten Verben in den Geschichten um Verben der Bewegung handelt.
Im Hinblick auf die Anzahl der verwendeten Verben kann prinzipiell gesagt werden,
dass die Anzahl der Bewegungsverben in Einklang mit der Erzähllänge steht. Eine
Ausnahme bildet die Gruppe der Kinder mit BKS als Muttersprache. Diese Gruppe zeichnet
sich meist durch überdurchschnittlich lange Erzählungen aus38, die jedoch in Relation zur
Länge eher weniger Verben der Bewegung aufweisen. (Vgl. Griessler 2003, 111)
Hinsichtlich der verwendeten Bewegungsverben wird offensichtlich, dass „ein
deutlicher Unterschied zwischen Muttersprachlern und Lernern der deutschen Sprache“ (ebd., 115)
feststellbar ist. So weist zum Beispiel ein Kind mit deutscher Muttersprache im Durchschnitt
ein beinahe doppelt so großes Repertoire an Bewegungsverben auf wie ein Kind türkischer
Herkunft. Schüler/innen mit BKS als Muttersprache wie auch Schüler/innen mit anderen
Diese Erfahrung ließ mich meine bisherigen persönlichen ‚Hypothesen’ zur Lern- und
Verständnisleistung von Gymnasiasten revidieren, hatte ich doch gemeint, Muttersprachler dürften mit 14 Jahren keine Schwierigkeiten mit dem Wortfeld gehen/bewegen beziehungsweise mit der Bedeutung einfacher Verben aus dem Grundwortschatz mehr haben. Weiters war ich der Auffassung gewesen, dass das mündliche Erklären von Wortbedeutungen - indem man mögliche Verwendungskontexte anführt und mehrere Beispiele gibt - ausreichen müsste, um zu einem verbesserten Wortverständnis und zur selbständigen Anwendung zu gelangen. Meine Annahme wurzelt in der Annahme von Wirksamkeit der konventionellen Form des Frontalunterrichts, des verbalen Vortrags des Lehrers/der Lehrerin. Am Beispiel dieses 14-jährigen Gymnasiasten wurde mir persönlich erstmals in der Rolle der Lehrkraft deutlich, dass ein Vortrag in bestimmten Lernsituatonen nicht ausreicht und dass Alternativen gefunden werden müssen. 37 Die Bildergeschichte Frog, Where Are You kurz frog story bsteht aus 24 Bildern. Sie handelt von der erlebnisreichen Suche nach einem davongelaufenen Frosch, auf die sich die Protagonisten (ein Bub und sein Hund) begeben. Die sprachliche Realisierung dieser Geschichte führt zu einer häufigen Verwendung von Bewegungsverben, da viele bewegte Szenen Teil dieser Geschichte sind. (Vgl. Peltzer-Karpf 2006, 138ff.). 38 Hinsichtlich der Erzähllänge liegt die Gruppe der Kinder mit L1 BKS im Spitzenbereich, danach folgen die Kinder mit deutscher Muttersprache, dann die Gruppe mit anderen Muttersprachen und an letzter STelle liegt die Gruppe der türkischen Kinder (vgl. Griessler 2003, 102f.). Außerdem wird deutlich, dass die „türkischen Kinder – mit den im Durchschnitt geringsten Erzähllängen und geringsten type-token-Relationen – über das kleinste Repertoire an deutschen Lexemen verfügen“(ebd., 103).
DEUTSCH BEWEGT: VORSTELLEN – DARSTELLEN – VERSTEHEN ___________________________________________________________________________
82
Muttersprachen liegen hinsichtlich dieses Untersuchungsaspektes (unterschiedliche
Bewegungsverben) im Mittelfeld (vgl. ebd., 115).
Zudem werden semantisch komplexe Bewegungsverben wie jagen oder verfolgen, die in
der Regel sprachentwicklungsgemäß zunehmend Verb-Partikel-Kombinationen (zum
Beispiel hinterhergehen) ersetzen sollen, von türkischen Schüler/innen nicht verwendet und
fehlen daher im Repertoire dieser Untersuchungsgruppe; alle anderen Gruppen hingegen
verwenden diese Bewegungsverben (vgl. Peltzer-Karpf 2006, 146f.). Weitere „Termini mit
zunehmender semantischer Komplexität und Spezifikation, die im langen Prozess des Spracherwerbs
einen entscheidenden Schritt Richtung Erwachsenenkompetenz signalisieren, sind [...] Lexeme wie
purzeln, sich anschleichen, entwischen, entfliehen oder verscheuchen“ (ebd., 147) und finden bei
Kindern mit Deutsch als Muttersprache im vierten Schuljahr Verwendung. Diese Verben
fehlen hingegen gänzlich im lexikalischen Repertoire von türkischen Schüler/innen. Eine
qualitative Analyse der Bewegungsverben zeigt, dass „mit zunehmender Sprachkompetenz das
Lexikon differenzierter und spezifischer wird“ (ebd., 146), dies ist für den Erstsprachen-,
Zweitsprachen- wie auch für den Fremdsprachenerwerb gültig. Bezogen auf die
Bewegungsverben bedeutet dies, dass „Basisbewegungsverben wie gehen bzw. laufen zunehmend
durch spezifizierte Ausdrücke ersetzt werden“ (ebd., 146).
Was den Entwicklungsstand der vier Probandengruppen (L1 Deutsch, L1 Türkisch,
L1 BKS, L1 andere Sprachen) betrifft, so wird ein deutliche Tendenz erkennbar, die sich wie
folgt zusammenfassen lässt:
Hinsichtlich des lexikalischen Erwerbs der Bewegungsverben liegen, wie erwartet, die Kinder
der Kontrollgruppe mit deutscher Muttersprache an der Spitze des Erwerbsprozesses; sie
verfügen über ein überdurchschnittlich differenziertes Repertoire an Bewegungsverbtypen mit
häufiger Spezifizierung der Bewegungsart im Verbstamm und ausführlichen
Richtungsbeschreibungen in Verb + Partikel-Kombinationen. Im mittleren Kompetenzbereich
bewegen sich die Kinder der Gruppe 2 (BKS) und 3 (andere Muttersprachen), während die
Kinder türkischer Herkunft das untere Ende des Kontinuums einnehmen. (Griessler 2003, 119)
Das schlechte Abschneiden der türkischen Schüler/innen wird folgend begründet:
Außerdem gilt zu berücksichtigen [...], dass die türkischen Kinder beim Erwerb ihrer
Zweitsprache Deutsch eine zusätzliche „Hürde“ zu überwinden haben. Auf Grund ihrer
sprachtypologisch divergierenden L1 neigen sie dazu, die Dynamik in ihren Erzählungen
abzuschwächen und einen für Deutsch unidiomatischen statischen Charakter der
Szenenbeschreibungen zu kreieren. (Peltzer-Karpf 2006, 147).
PELTZER-KARPF stellt fest, dass sich die Bildbeschreibungen türkischer Kinder durch
reduzierte Dynamik auszeichnen, die Ursache dafür sieht sie in sprachtypologischen
Unterschieden zwischen Deutsch und Türkisch. Laut Leonard TALMY (1985) können
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83
sämtliche Sprachen der Welt einer von zwei sprachtypologischen Kategorien zugeteilt
werden, die sich gerade hinsichtlich der Ausdrücke der Bewegung stark unterscheiden.
Romanische und semitische Sprachen können der verb-framed Kategorie zugerechnet werden,
germanischen und alle slawischen Sprachen hingegen der satellite-framed Kategorie39. Die
türkische Sprache gehört zur verb-framed Kategorie40 – nicht aber BKS und Deutsch (vgl. ebd.,
145ff.).
Diese sprachtypologischen Unterschiede sind so gravierend, dass dies sogar zu
Problemen in Übersetzungssituationen führen kann. Unter dem Aspekt, dass „diese
Sprachentypen sich hinsichtlich der Bewegungsverben so stark voneinander unterscheiden, ist es nicht
einfach bzw. je nach Sprache sogar unmöglich, eine wörtliche Übersetzung zu finden“ (Peltzer-Karpf
2006, 145). Aufgrund dieser sprachtypologischen Differenzen41 zwischen den Sprachen
39 Bei Sprachen der satellite-framed Kategorie wird die Bewegungsrichtung meist durch mit dem Verb verknüpfte Partikel, so genannte satellites, angegeben (zum Beispiel ankommen, rauskommen, vorbeikommen ect.). Zusätzlich kann die Bewegungsrichtung durch Präpositionalphrasen spezifiziert werden, wobei auch mehrere hintereinander verwendet werden können. Dies führt dazu, dass es in diesen Sprachen sehr einfach ist, detaillierte Auskunft über Bewegungsvorgänge in sehr kompakter Form zu geben. Außerdem weisen Sprachen der satellite-framed Kategorie eine große Bandbreite an lexikalisch spezifizierten Bewegungsverben, welche die Ursache (zum Beispiel runterschütteln) oder die spezielle Art der Bewegung (zum Beispiel fliegen) im Verbstamm inkorporieren (vgl. ebd., 145). 40 Bei Sprachen der verb-framed Kategorie zeigt sich tendenziell, dass die Bewegungsrichtungen im Verbstamm enthalten sind. Sie haben nicht – so wie Sprachen der satellite-framed Kategorie – eine derartige Diversifizierungsmöglichkeit des Lexikons und konzentrieren sich im Allgemeinen eher auf statische Beschreibungen (vgl. Peltzer-Karpf 2006, 145). 41 Neben der sprachtypologischen Ursache für das schlechtere Abschneiden türkischer Kinder beim Beschreiben von Bewegungen könnte aber ein anderer Umstand entscheidend sein: „Das Erlernen von Verben ist schwierig“ (Pulverman et al. 2006, 2) so Rachel PULVERMAN, die sich mit frühkindlichem Erwerb von Verben beschäftigt und verschiedene Ansätze und Gedanken zur Thematik zusammenfasst:
Was macht es so schwierig, Verben zu erlernen? [...] Gentner (1982) trug eine Reihe von Argumenten vor, warum das Erlernen von Verben schwieriger als der Erwerb von Hauptwörtern sein könnte. Seiner Meinung nach unterscheiden sich beide Wortklassen darin, dass Hauptwörter eher dazu tendieren, die Bezugsworte stärker individualisierend und weniger relational zu bezeichnen als Verben dies tun (Gentner & Boroditsky, 2001). Nach ihren Untersuchungen vermuten Snedecker und Gleitmann (2004), dass die konkrete Vorstellbarkeit des Bezugswortes (referent) ebenfalls einen wichtigen Unterschied darstellt, wobei Hauptwörter, die als Bezugswörter fungieren, besser vorstellbar sind. Ferner vermuten Maguire, Golinkoff und Hirsh-Pasek (in Druck), dass es sich um eine Verschmelzung von Merkmalen wie Vorstellbarkeit, Konkretheit und Individualisierbarkeit handelt, die Hauptwörter in der Wahrnehmung leichter – und damit früher – zugänglich machen. Dies gilt sowohl für das konzeptionelle Erlernen von Hauptwörtern wie auch die Zuordnung von Hauptwörtern in der Sprache. (ebd., 2)
Das Problem beziehungsweise die Schwierigkeiten beim Erlernen von Verben fasst PULVERMAN folgend zusammen:
Gentner und Boroditsky (2001) beschreiben z.B. in groben Zügen, dass zum Verb-Lernen sowohl die Konzeptualisierung von Handlungen und Ereignissen wie auch die Zuordnung von Wörtern zu diesen Ereignissen notwendig ist [sic!]. Sie sind zudem der Meinung, dass die Konzeptualisierung von Handlungen und Ereignissen schwieriger als die Zuordnung von Wörtern zu diesen Ereignissen ist, da in unterschiedlichen Sprachen die Handlungen und Ereignisse nicht auf die gleiche Weise durch die Verben zusammengebracht werden. Zum Beispiel kann man im Englischen sagen: „The man limped down the stairs“ („Der Mann hinkte die Treppen hinunter“). Im Spanischen würde der Satz „El hombre bajó las escaleras cojeando“ heißen, und als „Der Mann ging hinkend die Treppe hinunter“ übersetzt werden. Wie sich der Mann bewegt – oder die Art und Weise (manner) dieser Handlung – lässt sich aus dem englischen Verb entnehmen. Im Spanischen hingegen wird in diesem Fall das Verb „gehen“ zusätzlich umschrieben
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Deutsch und Türkisch darf angenommen werden, dass türkische Kinder beim Erwerb der
Zweitsprache Deutsch größere Probleme mit dynamischen Beschreibungen haben als zum
Beispiel Schüler/innen mit BKS als Muttersprache. (Vgl. ebd., 145)
GRIESSLER führt zudem an, dass neben sprachtypologischen Differenzen zwischen
der Muttersprache und der Zweitsprache auch das soziale Umfeld der türkischen
Schüler/innen starke Auswirkungen auf den Spracherwerb und schulischen Erfolg haben
kann. Faktoren wie „die oft schlechte soziale Situation der türkischen Einwandererfamilien in
Österreich, die fehlende Unterstützung für den Deutsch-Erwerb im Elternhaus, das oft
unterentwickelte Niveau in der Muttersprache und das leider noch immer viel zu niedrige Prestige
der türkischen Sprache sowie ihrer SprecherInnen innerhalb Europas“ (Griessler 2003, 119)
beeinflussen oftmals den Zweitsprachenerwerb negativ.
Die Sprachstandserhebung von Annemarie PELTZER-KARPF mit der Teiluntersuchung zur
Beschreibung von Dynamik bringt die Schwierigkeiten Zweitsprachenlernender - im
Besonderen der Lerner/innen türkischer Herkunft - zutage. Die Ergebnisse dieser
Untersuchung legen nahe, dass eine adäquate Beschreibung von Dynamik beziehungsweise
das richtige Verwenden von sprachlich angemessenen Bewegungsverben Schüler/innen mit
nicht-deutscher Erstsprache größere Probleme bereitet.
Zu ähnlichen Beobachtungen kommt auch SCHMÖLZER-EIBINGER bei der
qualitativen Analyse von Texten, die mittels einer kooperativen Schreibaufgabe entstanden.
Zwei Gruppen von Schülerinnen verfassten zu einer Bildergeschichte einen schriftlichen
Text; eine Gruppe bestand zwei Schülerinnen deutscher Muttersprache, die andere aus drei
Schülerinnen nicht-deutscher Muttersprache. Dabei stellte sich heraus, dass die Schülerinnen
deutscher Muttersprache „nicht nur ca. doppelt so viele, sondern auch komplexere Verben der
Bewegung“ (Schmölzer-Eibinger 2008, 126) in ihren Texten verwendeten, als die Gruppe
nicht-deutscher Schülerinnen. (Vgl. ebd., S. 125f.)
Die Schwierigkeiten und Probleme der Schüler/innen nicht-deutscher Muttersprache
hinsichtlich der adäquaten Verwendung von Bewegungsverben lauten zusammengefasst:
(„hinkend“) – das Verb „gehen“ beschreibt somit nur die Art der Bewegung (path) des Mannes. Es könnte daher einige Zeit in Anspruch nehmen, um zu erkennen, welche konzeptionellen Komponenten in einen [sic!] bestimmten Verb einer zu erlernenden Sprache verschlüsselt enthalten sind. Die Frage, was es braucht, um ein Verb zu erlernen, wurde auch von Golinkoff et al. (2002) diskutiert. Sie beschreiben in diesem Zusammenhang drei grundlegende Aufgaben: (1) Aufmerksames Wahrnehmen und Erkennen von Handlungen und Beziehungen in der Umwelt; (2) Bildung von Kategorien für Handlungen und Beziehungen ohne Gebrauch der Sprache; und (3) die Zuordnung von Wörtern zu Handlungen (dynamische Beziehungen) und zu Handlungskategorien (relational) (ebd., 3).
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• In Hinblick auf die durchschnittliche Anzahl an Bewegungsverbtypen ist prinzipiell
ein deutlicher Unterschied zwischen deutschen Muttersprachlern und Lernern der
deutschen Sprache (Zweitsprachenlernenden) zu erkennen (vgl. Griessler 2003, 115).
• Kinder mit deutscher Muttersprache besitzen ein doppelt so großes Repertoire an
Bewegungsverben wie türkische Schüler/innen (vgl. ebd., 115).
• Schüler/innen mit BKS als Muttersprache erzählen zwar die längsten Geschichten, in
Relation zur Erzähllänge verwenden sie aber eher weniger Verben der Bewegung
(vgl. ebd., 111).
• Türkische Kinder neigen dazu, die Dynamik in Geschichten abzuschwächen (vgl.
Peltzer-Karpf 2006, 147).
• Türkische Kinder tendieren dazu, einen für das Deutsche unidiomatisch statischen
Charakter für Szenenbeschreibungen zu kreieren (vgl. ebd., 147).
• Lexeme mit zunehmender semantischer Komplexität und Spezifikation (zum Beispiel
sich anschleichen, purzeln, entwischen) fehlen gänzlich im lexikalischen Repertoire
türkischer Kinder (vgl. ebd., 147).
• In Hinblick auf die Erzähllänge wird deutlich, dass türkische Kinder - im Vergleich
zu den anderen Untersuchungsgruppen - die kürzesten Geschichten verfassen und
das zudem kleinste lexikalische Repertoire besitzen (vgl. ebd., 139).
• Bei türkischen Kindern fehlen in der 3. Klasse noch Verb-Partikel-Kombinationen
(zum Beispiel hinterhergehen, hinterherfliegen etc.), alle anderen Gruppen weisen diese
jedoch bereits auf (vgl. ebd., 146).
Diese Punkte zeigen, dass auf dem Gebiet der Bewegungsbeschreibung – dem Wortfeld
gehen/bewegen also – großer Nachhol- und Förderbedarf bei Zweitsprachenlernenden besteht.
Volksschüler/innen mit nicht-deutscher Muttersprache benötigen eine besonders intensive
und sensible Förderung bei der Beschäftigung mit dem Wortfeld gehen/bewegen, damit sie
dynamische Prozesse differenziert versprachlichen können.
Diese Forderung nach einer intensiven Beschäftigung mit dem Wortfeld
gehen/bewegen führt zur Frage, wie diese zu gestalten sei, ohne dabei den Rahmen des
Möglichen innerhalb einer Schulunterrichtstunde zu sprengen. Was kann konkret gemacht
werden, um diese Schüler/innen zu unterstützen? Wie kann diese Unterstützung aussehen
und welche tatsächlichen Effekte ergeben sich? Auf diese Fragen geht die Untersuchung
Deutsch bewegt: Vorstellen – Darstellen – Verstehen ein.
DEUTSCH BEWEGT: VORSTELLEN – DARSTELLEN – VERSTEHEN ___________________________________________________________________________
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6.2 Hypothesen, Fragestellungen
Die Arbeitshypothesen und Fragestellungen, die dieser Untersuchung zu Grunde liegen,
lauten:
1. Hypothese: Über Bewegung und spielerisch körperliche Darstellung werden Bewegungsverben
mit allen Sinnen individuell erlebt und als persönliche Vorstellung gespeichert; das führt zu einer
nachhaltigen Wortrezeption sowie in der Folge zu angemessener Textproduktion.
2. Hypothese: Bewegungsverben werden durch Darstellung und Bewegung effektiver erlernt als
durch Schreib- und Leseunterricht, welcher weder Bewegung noch Darstellung inkludiert.
3. Hypothese: Über die Aktivierung aller Sinneskanäle beim Darstellen von Bewegungsverben wird
der semantische Gehalt der Verben besser verstanden als bei akustisch-visueller Präsentation.
Zusätzlich zur Überprüfung der Stichhaltigkeit dieser Hypothesen werden drei Fragen näher
betrachtet:
1. Frage: Welche der elf Verben werden in der IG meist nicht korrekt verwendet?
2. Frage: Welche Verben bereiten nach persönlicher Bewertung der Schüler/innen die größten
Schwierigkeiten?
3. Frage: Gibt es Leistungsunterschiede zwischen Zweitsprachenlernenden mit der Erstsprache
Türkisch und BKS?
6.3 Untersuchungsdesign
Die Studie wurde mit insgesamt 70 Schüler/innen durchgeführt, welche allesamt nicht
Deutsch als Muttersprache haben und zum Zeitpunkt der Durchführung die dritte Klasse
Volksschule besuchten. Schüler/innen mit Deutsch als Muttersprache, welche ebenfalls an
dieser Studie teilnahmen, wurden von der Ergebnisauswertung ausgeschlossen, da ein
möglicher Vergleich von eventuellen Leistungsdifferenzen zwischen Erstsprachen- und
Zweitsprachenlernenden nicht im Untersuchungsinteresse lag. Bei den Volksschulen, welche
an dieser Untersuchung teilnahmen, handelt es sich um Schulen mit einem überaus hohen
Anteil an Schüler/innen mit Migrationshintergrund42. Das Alter der Kinder liegt
durchschnittlich bei 8 Jahren.
Es wurden zwei Gruppen gebildet: Die eine mit der dramapädagogischen Förderung
Deutsch bewegt: Vorstellen – Darstellen – Verstehen (n = 34), die andere mit Lese- und
Schreibunterricht (n = 36). Die unterschiedlichen Gruppengrößen der Interventionsgruppe
42 Es handelt sich um die Grazer Volksschulen Bertha von Suttner und St. Andrä.
DEUTSCH BEWEGT: VORSTELLEN – DARSTELLEN – VERSTEHEN ___________________________________________________________________________
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und der Kontrollgruppe sind auf die Größe der jeweiligen Klassen zurückzuführen, welche
geschlossen an dieser Untersuchung teilnahmen. Die anfänglich noch höhere Anzahl an
Proband/inn/en wurde durch Krankheit verringert; Schüler/innen, welche nicht
durchgehend an der Untersuchung teilnehmen konnten, wurden von der
Ergebnisauswertung ausgeschlossen.
Ablauf
Mit beiden Gruppen – der Interventionsgruppe (IG) mit dramapädagogischem Unterricht
und der Kontrollgruppe (KG) mit traditionellem Lese- und Schreibunterricht - werden 11
ausgewählte Bewegungsverben erarbeitet. Um die Effizienz der beiden unterschiedlichen
Herangehensweisen für den Erwerb der Bewegungsverben zu untersuchen, müssen die
Schüler/innen vor und nach der didaktischen Intervention einen Lückentext ausfüllen. Beim
Prä- und Posttest handelt es sich immer um denselben Lückentext. Die Untersuchung lässt
sich in vier Phasen einteilen: Prätest - Unterrichtsintervention (dramapädagogischer
Unterricht oder Lese- und Schreibunterricht) - Aufgabe - Posttest.
Abbildung 5: Untersuchungsablauf der Interventionsgruppe (IG)
Zwischen dem Prätest, der jeweiligen Intervention und dem Posttest liegen mindestens zwei
Tage Abstand, wobei die Tests immer zum gleichen Zeitpunkt (zu derselben Schulstunde)
durchgeführt werden. Da man annehmen darf, dass die Konzentrationsleistung der
Schüler/innen im Verlauf des Schultages nicht konstant bleibt, wird besonders genau auf
diesen zeitlichen Faktor geachtet; damit sollen mögliche Leistungsunterschiede, die
aufgrund verminderter Konzentration entstehen, vermieden werden.
DEUTSCH BEWEGT: VORSTELLEN – DARSTELLEN – VERSTEHEN ___________________________________________________________________________
88
Abbildung 6: Untersuchungsablauf der Kontrollgruppe (KG)
6.3.1 Ausgewählte Bewegungsverben
Mit den Proband/inn/en der Untersuchung Deutsch bewegt: Vorstellen – Darstellen – Verstehen
wird das Wortfeld gehen/bewegen anhand von 11 verschiedenen Verben erarbeitet; es handelt
sich um: rennen, marschieren, springen, schleichen, stolpern, watscheln, hinken, stampfen,
klettern, kriechen, tanzen.
Die Auswahl der Verben orientierte sich an Volksschulbüchern der 2. und 3. Klasse43,
Übungen im Internet44 sowie einer Voruntersuchung in kleinem Rahmen45. Es wurde darauf
geachtet, dass die Verben eine nicht zu hohe semantische Komplexität aufweisen. Dies sollte
dazu dienen, dass Schüler/innen mit Deutsch als Zweitsprache diese 11 Verben ohne allzu
große Schwierigkeiten erlernen können. In Hinblick auf diese Lernergruppe können von den
angeführten Verben nur wenige als schon bekannt vorausgesetzt werden, nämlich die, die
im zielsprachlichen Umfeld wahrscheinlich öfter Verwendung finden (zum Beispiel rennen,
tanzen, springen). Um der Kritik zu begegnen, dass es in der 3. Klasse Volksschule ja viel zu
früh/zu schwierig sei, sich mit dem Wortfeld gehen/bewegen zu beschäftigen, sei darauf
hingewiesen, dass die Erarbeitung dieses Wortfeldes in Abhängigkeit vom Lehrbuch auch
schon vor der dritten Klasse vorgesehen ist (vgl. Lustig, Ruzicka 1992, 189ff.). Außerdem
sieht der Lehrplan der Grundstufe I (1. und 2. Schulstufe) die Beschäftigung mit
Wortfeldern, Wortbedeutungen, Wortfamilien und Oberbegriffen im Bereich Sprechen vor,
um Wortschatzarbeit zu betreiben (vgl. BMUKK 2008, 104). Explizite Erwähnung des
43 Vgl. FREUND, JAROLIM (1994) und LUSTIG, RUZICKA (1992) 44 Vgl. ZIMMERMANN (2010), STÖBERL (2010), KRAPF (2010), HÖNEGGER (2007), BEROLL (2005) und KOHLROSS (2005) 45 Erste Testversuche mit unterschiedlichen Lückentexten wurden mit zwei Volksschülerinnen deutscher Muttersprache durchgeführt. Mein großer Dank gilt Rosa und Lilly, die für die ersten Pilotversuche zur Verfügung standen und tatkräftig mithalfen, eine inhaltliche Verbesserung des Lückentextes zu erarbeiten.
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Wortfeldes gehen findet sich im Lehrstoff der 4. Schulstufe, wo das Sammeln sinnverwandter
Wörter (zum Beispiel sich fortbewegen) angeführt wird, um Bedeutungsunterschiede zu
erlernen und zu beschreiben (vgl. ebd., 129).
Es sei nochmals angemerkt, dass es bei dieser Untersuchung nicht um das Überprüfen von
Vorwissen der Schüler/innen hinsichtlich bestimmter Bewegungsverben und deren
Bedeutungsmöglichkeiten, sondern um das Erlernen und Erfahren neuer Verben mittels
unterschiedlicher Strategien geht.
6.3.2 Lückentext
In der Untersuchung Deutsch bewegt: Vorstellen – Darstellen - Verstehen erhalten die
Proband/inn/en zweimal den gleichen Lückentext als Prä- und Posttest. Dieser Lückentext
weist 10 Lückenfelder und 11 Verben auf. Jedes Verb soll dabei nur einmal verwendet
werden; von den 11 angegebenen Verben muss also eines übrig bleiben.
Inhaltlich handelt dieser Lückentext von zwei Buben namens Max und Ivo, die sich
jeden Tag nach der Schule treffen, um Indianer zu spielen; das Thema „Indianerspiel“ gibt
die Möglichkeit, viele Bewegungsverben in einem inhaltlich sinnvollen und kohärenten Text
zu verwenden.
Bevor die Kinder den Lückentext erhalten – also vor jeder Testphase - wird das
Vorwissen der Schüler/innen aktiviert, mögliche schwierige und unbekannte Wörter (der
Büffel, die Wurzel) werden erklärt, um das Textverständnis zu erleichtern. An die Kinder wird
anfangs immer die Frage gestellt, ob sie denn prinzipiell wissen, was Indianer überhaupt
seien. Die Schüler/innen sollen einander anschließend erklären, wer Indianer sind, wie sie
aussehen, was sie zu tun pflegen, oder ob sie schon einmal selbst als Indianer verkleidet
waren46. Danach werden Fragen zu schwierigen Wörtern im Text gestellt, die sie entweder
selbst beantworten können oder die von der Lehrkraft beantwortet werden.
Nach dieser Vorentlastung wird der Lückentext formal und inhaltlich vorgestellt.
Einerseits wird erklärt, wie das Ausfüllen eines Lückentextes funktioniert und andererseits
wird der grobe Handlungsrahmen des Lückentextes umrissen: Zwei Burschen, die ebenfalls
die dritte Klasse Volksschule besuchen, treffen sich jeden Tag nach der Schule in einem
Garten, um Indianer zu spielen. Dabei wollen die beiden Buben Max und Ivo einen Büffel
jagen, der aber – das wird zuvor erklärt (Büffel zählt zu den schwierigen Wörtern des
46Die Untersuchung wurde um die Faschingszeit durchgeführt, weshalb die Kinder mit großer Freude und Enthusiasmus über ihre ‚Erlebnisse’ mit Indianern Auskunft gaben.
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Lückentextes) – bei uns gar nicht beheimatet ist. Daher stellen sie sich vor, dass die
Gartenbank der mächtige Büffel sei.
Zuletzt wird noch erwähnt, dass die beiden Buben als Indianer noch allerhand
anderes Abenteuerliches erleben, aber was das genau sei, das müssen sie – die
Schüler/innen – selbst lesend erfahren.
Abbildung 7: Prä- und Posttest
Mit dieser betont ausführlichen Vorbereitung auf den Lückentext soll verhindert werden, dass
der Text inhaltlich eine Überforderung der Proband/inn/en darstellt und deshalb die
Aufmerksamkeit nicht mehr auf das Ausfüllen der Textfelder und das richtige Verwenden der
Verben fokussiert wird. Die Schüler/innen haben durchschnittlich 10 Minuten Zeit, um den
Lückentext zu ergänzen47. Vor dem Ausfüllen des Lückentextes wird erwähnt, dass die
Schüler/innen Lücken einfach freilassen sollen, wenn sie nicht genau wissen, welches Verb 47 Diese Zeitvorgabe von 10 Minuten war bei Durchführung der Untersuchung in keinem Falle zu kurz.
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91
passen könnte. Zudem wird klar darauf hingewiesen, dass es sich bei diesem Lückentext nicht
um einen Test oder eine Prüfung handelt. Weiters wird gegenüber den Schüler/innen
ausdrücklich betont, dass für sie wahrscheinlich viele Verben unbekannt sein würden, dies
aber kein Problem darstelle, da sie schließlich alle Verben in den nächsten Stunden kennen
lernen würden.
7 Lehr- und Lernmethoden
In der vorliegenden Untersuchung werden zwei verschiedene Lehr- und Lernmethoden für
das Erlernen des Wortfeldes gehen/bewegen angewendet und im Anschluss daran mit
statistischen Analyseverfahren auf ihre Effektivität hin überprüft. Es handelt sich um eine
dramapädagogisch geführte Unterrichtseinheit sowie eine Schreib-Lese-Einheit. Primärer
Unterschied zwischen beiden Methoden ist, dass bei der einen mit dem Körper und in der
Bewegung gelernt, über spielerisch körperliches Darstellen und Hineindenken in fiktive
Kontexte die Vorstellungskraft angeregt und auf ‚herkömmliche Schreibaufgaben’ verzichtet
wird. Bei der anderen Methode handelt es sich um einen spielerischen Lese- und
Schreibzugang zum Wortfeld gehen/bewegen, der jedoch das Lernen über den Körper, die
Darstellung und Bewegung nicht beinhaltet.
7.1 Deutsch bewegt: Vorstellen – Darstellen – Verstehen
Deutsch bewegt: Vorstellen – Darstellen – Verstehen stellt den Versuch dar, die
Vorstellungsbildung zu Wortbedeutungen über eine dramapädagogische Intervention zu
ermöglichen bzw. zu intensivieren.48 Die Lernenden setzen sich ganzheitlich mit möglichen
Wortbedeutungen auseinander und bringen über diese intensive und mehrkanalige
Erfahrung die eigenen Vorstellungen mit den neu erlernten Wörtern in enge und dauerhafte
Verbindung.
Diese Intensivierung der Vorstellung zu Wortbedeutungen könnte auf sprachlicher Ebene
deutliche Auswirkungen auf das sprachliche Rezeptions- und Produktionsverhalten der
Schüler/innen haben. Durch die persönliche und gründliche Aneignung entsteht Sicherheit
beim Gebrauch der neuen Wörter, die Schüler/innen gewinnen dadurch insgesamt größeres
sprachliches Selbstbewusstsein im Umgang mit der Zweitsprache und könnten sich in der
Folge den Einsatz dieser Wörter besser zutrauen.
48 Die theoretischen Ansätze, die der Versuchsidee zugrunde liegen, wurden in den Kapiteln eins bis vier vorgestellt und diskutiert.
DEUTSCH BEWEGT: VORSTELLEN – DARSTELLEN – VERSTEHEN ___________________________________________________________________________
92
Abbildung 8: Vorstellungsbildung über das Darstellen
Die dramapädagogisch geführte Unterrichtseinheit der Interventionsgruppe wird aus
Gründen der Bewegungsfreiheit und als Zeichen dafür, dass Deutschunterricht nicht nur im
Klassenzimmer stattfinden muss, im Turnsaal durchgeführt. Ein weiteres Kriterium, das in
der Dramapädagogik wesentlich ist, nämlich dass man in eine neue Rolle schlüpft, wird
dadurch in zweierlei Hinsicht erfüllt: Die Kinder müssen sich ihrer Straßen- und
Alltagskleidung entledigten, in ihr Turngewand (analoge Situation zum Theater mit
Kostümen und Probenkostümen) schlüpfen und sich dann im Weiteren imaginativ in die
Rolle eines Schauspielers/einer Schauspielerin begeben.
7.1.1 Unterrichtsphasen
Die dramapädagogische Unterrichtseinheit zum Erlernen der Wortfeldes gehen/bewegen wird
in Anlehnung an TSELIKAS in drei Phasen49 eingeteilt: Aufwärmphase, Hauptteil und
Ausstieg. Die Aufwärmphase geht noch nicht auf die zu erlernenden 11 Bewegungsverben
ein; primäres Ziel ist die Lockerung der Schüler/innen auf verschiedenen Ebenen. Den
Hauptteil bildet die eigentliche Beschäftigung mit den Verben, in dieser Phase werden die
Schüler/innen in der Rolle von Schauspieler/innen mit den Verben konfrontiert; es kommt
damit zur Fokussierung auf das eigentliche Thema. Der Ausstieg entlässt die Schüler/innen
in die Realität und ist mit einer Reflexionsaufgabe verbunden. (Vgl. Tselikas 1999, 43ff.)
49 Vgl. auch Kapitel 5.6.2.
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93
7.1.1.2 Aufwärmphase
Das Aufwärmen dient dazu, die Teilnehmer/innen zu lockern, Hemmungen und Ängste
abzubauen, die Spiellust und Kreativität zu wecken und an das Thema des Hauptteils
heranzuführen. Nachdem alle Schüler/innen ihre Turnkleidung angezogen haben, wird ein
Sitzkreis gebildet, der Ablauf der Unterrichtseinheit wird erklärt und eine Art Vertrag
abgeschlossen, der die Schüler/innen ‚verpflichtet’, ernsthaft an den kommenden Übungen
teilzunehmen. Der Vertrag enthält neben dem Übereinkommen zur aktiven Teilnahme am
Unterricht auch die Regel, dass keiner die vorhandenen Turngeräte (Kletterwand, Bank, Ball
etc.) benützen darf; nur die Vorstellungskraft darf verwendet werden. Weiters wird
klargestellt, dass sich keiner selbst oder andere verletzen darf. Bevor die erste
Aufwärmübung Das klingende Holz vorgestellt wird, wird ausdrücklich betont, dass keiner
der Schüler/innen einen ‚Fehler’ machen kann, weil es in dieser Stunde prinzipiell kein
Richtig oder Falsch gibt.
Das klingende Holz
Bei dieser Übung wird ein Klangholz verwendet, mit dem verschiedene Klopfrhythmen
gespielt werden. Die Schüler/innen haben die Aufgabe, genau auf die unterschiedlichen
Klopfgeschwindigkeiten sowie Klopflautstärken zu hören, um sich dann dementsprechend
im Raum zu bewegen. So sollen sie zu langsamen, lauten Klopfgeräuschen langsame, große,
schwere Schritte und zu leisen, schnellen Klopfgeräuschen tapsende, rasche Schritte
versuchen. Wie sie sich tatsächlich zum unterschiedlichen Klopfen bewegen, bleibt jedem
Kind selbst überlassen; wichtig dabei ist nur, genau hinzuhören und aus dem Bauch heraus
zu entscheiden, welche Bewegungen zur vorgegebenen Geschwindigkeit und Lautstärke
passen könnten. Mit Hilfe der Übung mit dem klingenden Holz werden bei den Kindern alle
Wahrnehmungskanäle aktiviert50 und eine erste körperliche Lockerung wird ermöglicht. Das
Aktivieren der Wahrnehmung betrifft vor allem die akustische und kinästhetische
Wahrnehmung, aber auch die visuelle. Durch das präzise Hinhorchen auf den Rhythmus
und die Lautstärke der Klopfgeräusche und unter dem auditiven Eindruck der
unterschiedlichen Bewegungen (so werden kleine, kurz aufeinanderfolgende Schritte meist
nicht laut oder trampelnd realisiert) wird das genaue Hören trainiert. Die unterschiedlichen
Bewegungsarten gehen zudem auch mit unterschiedlichen Körperhaltungen einher. Dabei
kommt es zu einem Wechselspiel von Körper- und Muskelanspannung und -entspannung
(kinästhetische Wahrnehmung). Beim Beobachten des eigenen Körpers mit seinen
50 Zum Thema der Wahrnehmung vgl. Kapitel 3.2.1.
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94
verschiedenen Haltungen und Spannungen wie auch der Bewegungen anderer Personen im
Raum wird zudem die visuelle Wahrnehmung aktiviert. Die Dauer dieses Bewegungs- und
Aufwärmspieles beträgt ca. 3 – 5 Minuten.
Abbildung 9: Klangholz für erste Aufwärmübung
Ku-Tschi-Tschi
Bei der zweiten Aufwärmübung handelt es sich um einen Kreistanz namens Ku-Tschi-
Tschi51, der unter anderem in der musikalischen Früherziehung Verwendung findet. Die
Schüler/innen müssen dabei einander an den Händen halten und einen Kreis bilden und
sich als Kreis in eine Richtung bewegen. Nach Wiederholung eines bestimmten
musikalischen Musters wird die Richtung geändert, bis der Refrain des Tanzes erklingt.
Beim Refrain sollen die Kinder die Hände, welche während des gesamten Tanzes immer
verbunden bleiben, in die Höhe halten und mit dieser Bewegung auch ein paar Schritte in
das Kreisinnere gehen. Dabei sollen sie so laut wie möglich den Text des Refrains rufen, also
„Ku-Ku-Ku-Tschi-Tschi“ und wieder „Ku-Ku-Ku-Tschi-Tschi“. Dann folgt neuerlich das
Tanzen im großen Kreis zuerst in die eine Richtung und dann wieder in die andere.
Mit diesem Tanz werden die Kinder stimmlich und körperlich aufgewärmt und gelockert,
zudem wird das Gruppengefühl gestärkt52. Die Dauer des Tanzes beträgt 3 Minuten.
51 Musik von Robby SCHMITZ, Einspielung Werner BROCK; FidulaFon 1196 – Tanzkarussell. Das exakte Erscheinungsjahr der Schallplatte konnte nicht ausfindig gemacht werden. 52 Beim Tanzen hatten die Kinder meiner Beobachtung nach große Freude und zeigten sich hoch motiviert. Gerade die Buben, die sich anfänglich eher skeptisch zum Tanzen geäußert hatten, wollten später den Tanz unbedingt wiederholen.
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7.1.1.2 Hauptteil
Der Hauptteil enthält das Erlernen der Bewegungsverben; in dieser 20 Minuten langen Phase
kommt es erstmals zur aktiven Auseinandersetzung mit dem semantischen Gehalt der
Verben. Die Kinder werden gebeten, sich in einem Kreis auf den Boden zu setzen, damit das
Spiel erklärt werden kann: Es gibt 11 verschiedene Plakate, auf denen jeweils eines der
Bewegungsverben steht. Die Wörter dürften, dies wird erwähnt, den Kindern eventuell
bekannt vorkommen53. Dann werden die Schüler/innen gebeten sich vorzustellen, dass sie
Schauspieler sind, die im Folgenden bestimmte Tätigkeiten darstellen und spielen sollen. Die
Tätigkeiten stehen auf den Plakaten. In der Rolle des Schauspielers/der Schauspielerin darf
man so einiges ausprobieren und auch ruhig übertreiben, ohne dass man sich dabei zu
schämen braucht; man ist nicht mehr Schüler/in, sondern eben ‚professioneller’
Schauspieler/‚professionelle’ Schauspielerin, der/die alles darf.
Bevor das Wort von allen dargestellt wird, soll es zuerst laut von der gesamten
Gruppe gelesen und die Wortbedeutung in der Gesamtgruppe diskutiert oder erklärt
werden. Die Erklärung der Wortbedeutungen müssen die Schüler/innen selbst übernehmen,
indem sie kurzzeitig in die Rolle eines Lehrers oder Regisseurs schlüpfen. Wie sie die Verben
ihren Mitschüler/innen näher bringen, ist ihnen ganz selbst überlassen; es werden ihnen
dabei keine Grenzen gesetzt: sie dürfen die Verben darstellen – also vorstellen – oder verbal
erklären, in der jeweiligen Muttersprache oder der Unterrichtssprache Deutsch. Erst
nachdem potenzielle Wortbedeutungen in Interaktion unter den Schüler/innen ‚erarbeitet’
wurden, dürfen alle Kinder das Verb darstellen; dies geschieht in der Rolle eines
Schauspielers/einer Schauspielerin54. Die Kinder - also die Schauspieler/innen - hinken,
marschieren, stolpern, rennen, kriechen etc. von einer Seite des Turnsaales zur anderen. Ist
das Darstellen eines Verbs abgeschlossen, findet man sich erneut wieder zu einem Sitzkreis
am Boden zusammen, um das nächste Wort zu ‚bearbeiten’; auf diese Weise werden alle 11
Bewegungsverben darstellerisch realisiert.
53 Jedes Mal, wenn dies gesagt wurde, wollten die Kinder unbedingt die Bewegungsverben, die sie vom Prätest in Erinnerung hatten, nochmals aufzählen. Dies wurde zugelassen, obgleich dieses Ins-Gedächtnis-Rufen prinzipiell nicht geplant war; die strikte Einhaltung einer Unterrichtsplanung ist jedoch beim dramapädagogisch geprägten Unterricht nicht primäres Ziel. 54 Indem die Schüler/innen gebeten werden in die Rolle eines Schauspielers/einer Schauspielerin zu schlüpfen, kommt es zu einer zweifachen Distanzierung zur eigenen Person. Das kann besonders für zurückhaltende Kinder befreiend wirken.
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7.1.1.3 Ausstieg
Nach dem Erarbeiten und Darstellen der Verben werden die Kinder gebeten sich zum
letzten Mal im Kreis auf den Boden zu setzen. Es wird erklärt, dass sie, bevor sie sich wieder
umziehen, noch eine Aufgabe erhalten. Dazu bekommen sie eine Liste mit allen Verben, die
sie zu Hause ihren Eltern oder Geschwistern nochmals darstellen beziehungsweise
vorstellen sollen. Anschließend sollen sie aus persönlicher Sicht bewerten, ob ihnen dies
schwer oder leicht vorkam. Mit dieser Aufgabe ist beabsichtigt, das soziale Umfeld der
Schüler/innen – ihre Eltern, Geschwister etc. – am Lernprozesses teilhaben zu lassen. Ein
weiterer wichtiger Grund ist, dass die Schüler/innen mittels der Verbliste die Möglichkeit
haben, die Verben zu wiederholen und nochmals zu reflektieren.
Nach Erhalt der Liste und Besprechung der Aufgabenstellung können die
Schüler/innen die Turnkleidung wieder ablegen. Mit diesem doppelten Ausstieg – aus der
Rolle und aus dem ‚Kostüm’ schlüpfen - ist die dramapädagogisch gestaltete Einheit im
Turnsaal beendet.
Abbildung 10: Aufgabe der IG, Auswertungsbogen
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7.1.2 Turnunterricht ist Sprachunterricht
Bei jedem Unterrichtsfach - sei es Mathematik, Sachunterricht, Musikerziehung, Bildnerische
Erziehung, etc. – spielt neben der Vermittlung von Sachkompetenz auch die
Sprachkompetenz eine überaus wichtige Rolle. Die verbale Vermittlung des Lehrstoffes
erfolgt in den meisten Volksschulen in Österreich ausschließlich in der Unterrichtssprache
Deutsch. Neben dem gesprochenen Wort sind meist auch die verwendeten
Unterrichtsmaterialien und Lehrbücher ausschließlich mit deutschen Texten versehen. Mit
zunehmender Komplexität des Lernstoffes nimmt auch die Komplexität von (deutschen)
Texten als Lernmedium zu und damit entstehen auch Schwierigkeiten und Probleme im
Umgang mit ihnen; Textkompetenz lautet dabei das Schlüsselwort. Ohne die nötige
Textkompetenz entstehen Schwierigkeiten, die keine problemlose Schullaufbahn zulassen
und damit lebenslang weit reichende Folgen nach sich ziehen (vgl. Schmölzer-Eibinger 2008,
15ff.).
Der Turnunterricht soll an dieser Stelle als Beispiel dienen. Die Vermittlung von
Turnübungen oder Spielanleitungen erfolgt meist mündlich. Dabei darf nicht vergessen
werden, dass auch im Turnunterricht die Unterrichtssprache für Zweitsprachenlernende
nicht die Muttersprache darstellt. Die Intervention der Untersuchung Deutsch bewegt:
Vorstellen – Darstellen – Verstehen wurde auch deshalb im Turnunterricht durchgeführt, um
das Bewusstsein dafür zu stärken, dass auch in diesem Fach ein großes
Sprachförderpotenzial liegt, welches es zu entdecken und zu nutzen gilt.
7.2 Lese- und Schreibunterricht
Die Kontrollgruppe wird im Klassenzimmer mit der Aufgabe konfrontiert,
Wortbedeutungen aus dem textuellen Kontext zu erschließen und diese in der Gruppe zu
diskutieren. In Interaktion miteinander und über spielerische Zugänge haben die
Schüler/innen alle Möglichkeiten Bedeutungen auszuhandeln, einander diese zu
verdeutlichen und sich so mit dem Wortfeld gehen/bewegen auseinanderzusetzen. Die
Schüler/innen sollen über die gemeinsame Textlektüre (das Lesen und Zuordnen von
Satzteilen des Sätze-Puzzles) und das gemeinsame Erschließen von Wortbedeutungen
konkrete eigene Vorstellungen zu den Bewegungsverben bilden und sie damit nachhaltig im
Gedächtnis verankern und aktiv verfügbar haben. Bei Bedarf wird die Bedeutung aber auch
von der Lehrperson oder der Projektbetreuerin erklärt und verdeutlicht. Primär wichtig
dabei aber ist, dass die Ausführungen lediglich auf verbaler mündlicher oder schriftlicher
DEUTSCH BEWEGT: VORSTELLEN – DARSTELLEN – VERSTEHEN ___________________________________________________________________________
98
Ebene bleiben, dass sie keine körperlich-darstellerischen Elemente enthalten. Die Dauer
dieser Einheit beträgt 20 Minuten.
Abbildung 11: Vorstellungsbildung über das Lesen und Schreiben
7.2.1 Sätze-Puzzle
Um Wortbedeutungen aus dem Kontext zu erschließen, wird ein Sätze-Puzzle verwendet, in
dem Verben einem semantischen Kontext passend zugeordnet werden sollen. Bei der
Erstellung der Puzzle-Sätze waren exemplarische Sätze in Schulbüchern und Arbeitsblätter
im Internet55 Orientierungshilfe. Bei diesen Sätzen des Puzzles ist grundlegend wichtig, dass
die Verben in einem eindeutigen Verwendungskontext genutzt werden, welcher die Basis
für das Erschließen von Wortbedeutungen darstellt. Die Schüler/innen müssen sich für das
Sätze-Puzzle in Kleingruppen (zu dritt oder zu viert) zusammenfinden, um gemeinsam in
Kooperation56 eine Lösung zu finden. Es wird ihnen erklärt, dass sie in dieser Stunde die
Bewegungsverben des Prätests57 erlernen. Dazu werden ihnen Papierstreifen mit Satzteilen
ausgehändigt, die - richtig zusammengefügt - sinnvolle Sätze ergeben. Um das Legen des
Puzzles etwas zu erleichtern, haben die Papierstreifen zwei verschiedene Farben; die
Aufgabenstellung lautet daher, immer einen grauen Streifen mit einem weißen zu
55 Es handelt sich um dieselben Quellen, die auch bei der Auswahl der Bewegungsverben ausschlaggebend waren. 56 Aus persönlicher Beobachtung kann gesagt werden, dass sich die Proband/inn/en im Gruppenverband bei dieser Übung sehr motiviert und engagiert zeigten; bei der Zusammenarbeit wurde rege diskutiert und debattiert. 57 Auch die Proband/inn/en der Kontrollgruppe wollten vor Durchführung der Übung nochmals alle Verben aus dem Gedächtnis vortragen, was vor der Klasse geschah. Obwohl tatsächlich alle Verben wiedergegeben werden konnten, hatten die Schüler/innen teilweise große Probleme, diese Wörter inhaltlich korrekt zu erfassen.
DEUTSCH BEWEGT: VORSTELLEN – DARSTELLEN – VERSTEHEN ___________________________________________________________________________
99
kombinieren. Damit der Fokus auf visueller Ebene noch leichter auf die Bewegungsverben
gerichtet werden kann, sind diese in den Satzteilen optisch hervorgehoben.
Wenn es beim interaktiven und kooperativen Lösen des Puzzles zu Fragen der
Schüler/innen kommt, dürfen diese ausschließlich verbal beantwortet werden. Die
Leistungen der Schüler/innen - nämlich das korrekte Legen des Puzzles - sollen laufend
überprüft und bei Bedarf sofort korrigiert werden. Dabei soll aber nie die Lösung
vorgegeben – also die zwei passenden Puzzle-Teile aneinandergefügt werden, die
Schüler/innen dürfen nur Hinweise bekommen, damit sie eigenständig weitermachen
können. Diese Hinweise können zum Beispiel Gegenfragen enthalten, die zu weiteren
Diskussionen in der Gruppe anregen. Hinweise können auch Umschreibungen sein (zum
Beispiel: stampfen ist, wenn man laut mit dem Fuß auf den Boden tritt).
Dieses Lernspiel zielt darauf ab, dass die Kinder in Gruppenarbeit über
Wortbedeutungen diskutieren und gemeinsam eine Lösung finden. Über das Lesen von
Satzteilen und in interaktiver Auseinandersetzung mit Wörtern und ihren möglichen
Bedeutungen soll es zur Wortschatzerweiterung kommen. Damit keine fehlerhaften
Verknüpfungen eingelernt werden, soll jede Gruppe – wie schon zuvor erwähnt – immer
wieder kontrolliert werden. Erst nachdem alle Satzteile korrekt zusammengefügt sind,
dürfen die Schüler/innen diese auf ein leeres Blatt kleben; das Lernspiel ist damit beendet.
Abbildung 12: Sätze-Puzzle
DEUTSCH BEWEGT: VORSTELLEN – DARSTELLEN – VERSTEHEN ___________________________________________________________________________
100
7.2.2 Schreibaufgabe
Nach der zuvor gestellten Gruppen-Leseaufgabe (Satzteile lesen und Verben in einen
semantisch passenden Kontext einordnen) erhalten die Kindern die Aufgabe, selbst Sätze zu
den Bewegungsverben zu erfinden und niederzuschreiben. Zu allen elf Verben müssen sie
vollständige Sätze schreiben, dies soll in Einzelarbeit geschehen. Es handelt sich hierbei um
eine Aufgabenstellung, wie sie häufig Realität im schulischen Alltag ist - erlernte Wörter
nochmals (schriftlich) zu verwenden. Gefordert wird dabei jedoch nicht, dass die
Schüler/innen abwechslungsreiche und innovative Sätze kreieren, sie sollen nach ihrem
Können und Belieben einfach vollständige Sätze schreiben.
Nach Fertigstellung der Aufgabe wird diese nicht kontrolliert, die Sätze werden nicht
korrigiert. Dies deshalb, weil auch die Aufgabe der Interventionsgruppe – das Darstellen der
Verben – nicht überprüft wird. Der leitende Grundgedanke dieser Schreibaufgabe ist, dass
nochmals alle erlernten Verben reflektiert und diese nach der Leseübung auch schriftlich
realisiert und memorisiert werden.
Abbildung 13: Schreibaufgabe der KG
DEUTSCH BEWEGT: VORSTELLEN – DARSTELLEN – VERSTEHEN ___________________________________________________________________________
101
7.3 Faktor Zeit
Der Zeitrahmen von 20 Minuten zur Beschäftigung mit den 11 ausgewählten
Bewegungsverben ist für beide Gruppen gleich groß. Die Interventionsgruppe mit dem
dramapädagogisch geführten Unterricht hat zwar eine ganze Turnstunde (45 Minuten) zur
Verfügung, jedoch ist das Erlernen der Verben - das Darstellen der Verben – auch auf 20
Minuten beschränkt. Die restliche Unterrichtszeit wird für Wege zum Turnsaal, das
Umziehen der Schüler/innen vor und nach der Einheit sowie für die Phase des Aufwärmens
benötigt.
Natürlich kann man dem Argument des gleich großen Zeitrahmens beider Gruppen
entgegenhalten, dass die Phase des Aufwärmens im dramapädagogischen Unterricht,
welche thematisch auch mit dem Hauptthema Bewegung zu tun hat, ebenfalls zeitlich
eingerechnet werden müsse. Dies führt zum Schluss, dass der IG eine intensivere - weil
zeitlich großzügigere – Auseinandersetzung mit den Verben ermöglicht wird als der KG.
Diesem Argument kann aus dramapädagogischer Sicht entgegengehalten werden, dass die
Phase des Aufwärmens elementar wichtig für dramapädagogisches Arbeiten ist. Zudem sei
erwähnt, dass in dieser Zeit - also den ca. 10 Minuten der Aufwärmphase - auf die 11
Bewegungsverben nicht eingegangen wird.
DEUTSCH BEWEGT: VORSTELLEN – DARSTELLEN – VERSTEHEN ___________________________________________________________________________
102
8 Ergebnisse
Im Folgenden wird auf drei Untersuchungen und deren Ergebnisse eingegangen. Die erste
bezieht sich auf die Effektivität der zwei Lehr- und Lernmethoden, die zweite auf die
Wortebene – die adäquate Verwendung der Bewegungsverben - und die dritte
Untersuchung auf Leistungsunterschiede zwischen den Schüler/innen-Gruppen mit BKS
und Türkisch als Muttersprache.
8.1 Untersuchung zur Effektivität der Lehr- und Lernmethoden
Das Datenmaterial58, auf dem die Auswertung der Ergebnisse basiert, besteht aus den
Lückentexten (alle Texte beider Messzeiten) beider Gruppen (IG & KG). Dabei spielt die
Anzahl der Punkte jedes einzelnen Tests die entscheidende Rolle und wird im Falle der
Varianzanalyse zum bestimmenden Messwert der Untersuchung. Die Endpunktezahl jedes
einzelnen Tests setzt sich aus den korrekten Antworten zusammen; jedes korrekt eingesetzte
Verb zählt einen Punkt. Bei jedem Test können maximal 10 Punkte erreicht werden; die
Punkteskala reicht daher von 0 bis 10. Jede Lehr- und Lernmethode wird mit zwei statistisch
unterschiedlichen Auswertungsverfahren ausgewertet und mit Hilfe der Varianzanalyse
auch miteinander verglichen. Als Signifikanzniveau wird bei allen statistischen Tests != 0.05
festgelegt.
8.1.1 SPSS Vorzeichentest
Der statistische Vorzeichentest ist ein Testverfahren, welches mit ordinalskalierten Daten
operiert. Bei jenen „ordinal skalierten Daten handelt es sich um Merkmale, die zwar
unterschiedlicher Ausprägung A und B sind und diese durch A = B oder A > B oder A < B angeben“
(Weiß, Rzany 2010, 25), jedoch sind mathematische Operationen - wie zum Beispiel die
Errechnung von tatsächlichen Differenzen - nicht enthalten. Dies bedeutet, dass qualitative
Merkmale weder über Abstand noch Verhältnis definiert werden (vgl. ebd., 25). So verfügen
ordinalskalierte Daten zwar über Merkmale und über eine Ordnung, die Abstände zwischen
den einzelnen Ausprägungen lassen sich aber nicht interpretieren (vgl. Apostolopoulos,
Caumanns, Fungk, Geukes 2002, 43). Die Bezeichnung Vorzeichentest kann darauf
zurückgeführt werden, „dass in die Berechnung der Prüfgrößen nur die Vorzeichen der Differenzen
58 Das gesamte Datenmaterial befindet sich auf einer CD-Rom im Anhang.
DEUTSCH BEWEGT: VORSTELLEN – DARSTELLEN – VERSTEHEN ___________________________________________________________________________
103
einfließen. Es wird also nur die Richtung der Abweichung vom Sollwert berücksichtigt und nicht
deren Betrag“ (Weiß, Rzany 2010, 211). Der Vorzeichentest bestimmt daher nur, ob prinzipiell
Differenzen zwischen zwei Merkmalen vorherrschen, deren Größe oder Abstand wird dabei
jedoch nicht beachtet. Im konkreten Fall kann dies bedeuten: Ein Kind, welches beim Prätest
0 Punkte und beim Posttest 10 Punkte erreicht, wird gleich ‚positiv’ bewertet wie eines,
dessen Leistungsniveau nur um einen Punkt steigt.
8.1.1.1 Ergebnis der IG
Als Messwert dieser Untersuchung dient der jeweilige Punktestande des IG-Prätests und des
IG-Posttests aller Teilnehmer/innen der IG (n = 34). Der Mittelwert zum ersten
Messzeitpunkt liegt bei
!
x= 4.9, zum zweiten Messzeitpunkt beträgt der Mittelwert
!
x= 6.9.
Ingesamt kommt es zu 5 negativen Differenzen, zu 25 positiven und zu 4 Bindungen
(Nulldifferenzen) mit einer Signifikanz von p= 0.001. Dies bedeutet, dass die Effektivität des
dramapädagogischen Unterrichts (Unterschiede der Leistungen des ersten und zweiten
Messzeitpunktes) der IG aus Perspektive des Vorzeichentests als hoch signifikant bezeichnet
werden kann.
8.1.1.2 Ergebnis der KG
Als Messwert dieser Untersuchung dienen alle Testergebnisse der KG (n = 36) des ersten
und zweiten Messzeitpunktes (Prätest & Posttest). Der Mittelwert zum ersten Messzeitpunkt
liegt bei
!
x= 4.4, zum zweiten Messzeitpunkt bei
!
x= 4.6. Beim Vergleich zwischen Prätest
und Posttest kommt es zu 14 negativen Differenzen, 16 positiven und 6 Bindungen mit einer
Signifikanz von p= 0.855. Dieses Ergebnis zeigt, dass die Effektivität der Lehrmethode der
KG – also eine Verbesserung der Schüler/innen-Leistung - aus Perspektive des
Vorzeichentestes als nicht signifikant bezeichnet werden kann.
8.1.2 SPSS Varianzanalyse
Bei der Varianzanalyse handelt es sich um ein statistisches Auswertungsverfahren, welches
mit intervallskalierten Daten operiert. Bei intervallskalierten Daten sind Messwerte genau
datiert; im Falle der vorliegenden Untersuchung handelt es sich bei den Messwerten
ebenfalls um die exakte Punkteanzahl vor und nach der jeweiligen Unterrichtssituation. Im
Vergleich zum vorher genannten Vorzeichentest, der nur mit ordinalskalierten Daten
DEUTSCH BEWEGT: VORSTELLEN – DARSTELLEN – VERSTEHEN ___________________________________________________________________________
104
operiert und nur Unterschiede wahrnimmt, aber nicht im Detail (zum Beispiel
Differenzsumme), operiert die Varianzanalyse differenzierter. Sie ermöglicht es, Daten
miteinander zu vergleichen und untersucht, ob sie sich in Durchschnittswerten einzelner
Variablen signifikant voneinander unterscheiden (vgl. Brosius 2008, 239). Ihre Messdaten
sind intervallskalierte Daten, bei denen die Abstände zwischen den Ausprägungen gleich
groß sind. Diese bedeutet, dass der Abstand zwischen 1 und 4 Punkten gleich groß ist wie
zwischen 6 und 10 Punkten, ohne dabei die Punkte mit konkreten Leistungen anzureichern
und dahingehend zu interpretieren (vgl. Schwetz, Mayr, Prenner, Samac, Strassegger-Einfalt
2008, 76). Die Varianzanalyse gilt als Erweiterung des t-Tests, welcher zwei
Stichproben/Gruppen miteinander vergleicht; die Erweiterung der Varianzanalyse liegt
darin, dass man mit ihr mehr als nur zwei Stichproben gegenüberstellen kann (vgl. Brosius
2008, 239).
8.1.2.1 Ergebnis der IG
Bei den Messdaten der Varianzanalyse handelt es sich um die konkrete Punkteanzahl jedes
Tests der IG (n = 34) zum ersten und zweiten Messzeitpunkt. Der Mittelwert des Prätests
liegt bei
!
x= 4.9 und der des Posttests bei
!
x= 6.9 mit einer Signifikanz von p= 0.000. Dieses
Ergebnis legt nahe, dass die Effektivität des dramapädagogischen Unterrichts – die
Besserung der Schülerleistungen vom ersten zum zweiten Messzeitpunkt - aus
Berechnungen der Varianzanalyse als höchst signifikant bezeichnet werden kann.
8.1.2.2 Ergebnis der KG
Als Messdaten dienen ebenfalls die exakten Punkteangaben aller Tests der KG (n = 36) der
ersten und zweiten Messzeit. Der Mittelwert zur ersten Messzeit beträgt
!
x= 4.4, zur zweiten
Messzeit
!
x= 4.6. Die Signifikanz von p= 0.662 bedeutet, dass aus Sicht der Varianzanalyse
die Effektivität des Unterrichts der KG – die Verbesserung der Leistungen nach
Durchführung des Schreib- und Leseunterrichtes - als nicht signifikant bezeichnet werden
kann.
8.1.2.3 Ergebnis des Vergleichs IG und KG
Um die Effektivität beider Lehr- und Lernmethoden miteinander zu vergleichen, wird
ebenfalls die Varianzanalyse verwendet – mit ähnlichem Ergebnis. Als Messdaten dienen
DEUTSCH BEWEGT: VORSTELLEN – DARSTELLEN – VERSTEHEN ___________________________________________________________________________
105
genauso wie bei den vorigen Untersuchungen die konkreten Punkteangaben jedes einzelnen
Tests zu beiden Messzeiten beider Untersuchungsgruppen (IG, KG). Zum ersten
Messzeitpunkt unterscheiden sich die Leistungen beider Gruppen nicht wesentlich
voneinander (siehe Abb. 14); zum zweiten Messpunkt werden jedoch klare Unterschiede
erkennbar. Die Ergebnisse zeigen, dass die Effektivität des Schreib- und Leseunterrichtes der
KG – also die Verbesserung der Schüler/innen-Leistungen vom ersten Messzeitpunkt hin
zum zweiten - im Vergleich zur Effektivität des dramapädagogischen Unterrichts als nicht
signifikant bezeichnet werden kann (p= 0.410). Dagegen kann die Effektivität des
dramapädagogischen Unterrichts (IG) – festgemacht an der positiven Veränderung der
Schüler/innen-Leistungen nach der dramapädagogischen Unterrichtseinheit - in Relation
zum Unterricht der KG als hoch signifikant (p= 0.001) bezeichnet werden.
Die folgende Tabelle zeigt die Ergebnisse beider Unterrichtsmethoden zu beiden
Messzeitpunkten sowie deren Veränderung.
Abbildung 14: Varianzanalyse, statistischer Vergleich der zwei Untersuchungsgruppen zu beiden Messzeiten
8.1.3 Zusammenfassung
Die Effektivität beider Lehr- und Lernmethoden wird mit Hilfe des SPSS Vorzeichentests
und der SPSS Varianzanalyse untersucht. Als Daten dienen bei beiden Untersuchungen die
konkreten Punkte der Lückentexte zum ersten und zweiten Messzeitpunkt. Die Punkte des
Prä- und Posttest ergeben sich aus den korrekten Antworten der Schüler/innen.
DEUTSCH BEWEGT: VORSTELLEN – DARSTELLEN – VERSTEHEN ___________________________________________________________________________
106
Beide statistischen Auswertungsverfahren zeigen, dass die Effektivität des
dramapädagogischen Unterrichts, also die Verbesserung der Schüler/innen-Leistungen nach
der Intervention, als höchst signifikant bezeichnet werden kann. Der Vorzeichentest ergibt
die Signifikanz von p= 0.001, die Varianzanalyse die Signifikanz von p= 0.000.
Die statistischen Auswertungsverfahren des Vorzeichentests wie auch der
Varianzanalyse zeigen, dass die Effektivität des hier eingesetzten Schreib- und
Leseunterrichts – also der Leistungsunterschied zum ersten und zweiten Messzeitpunkt – als
nicht signifikant bezeichnet werden kann. Der Vorzeichentest errechnet eine Signifikanz von
p= 0.855, die Varianzanalyse eine Signifikanz von p= 0.662.
Um die Unterschiede zwischen den Gruppen nochmals zu verdeutlichen, dient die
graphische Darstellung 15. Diese Darstellung bezieht sich nicht auf eines der statistischen
Auswertungsverfahren, sondern kennzeichnet die jeweiligen Punktestände zum ersten und
zweiten Messzeitpunkt beider Gruppen.
Abbildung 15: Punktevergleich der IG und KG zu beiden Messzeitpunkten
8.1.4 Überprüfung der Hypothesen
Hinsichtlich der Ergebnisse der statistischen Auswertungsverfahren zur Überprüfung der
Effektivität der Lehr- und Lernmethoden sollen die drei Arbeitshypothesen diskutiert
werden.
DEUTSCH BEWEGT: VORSTELLEN – DARSTELLEN – VERSTEHEN ___________________________________________________________________________
107
1. Hypothese: Über Bewegung und spielerisch körperliche Darstellung werden Bewegungsverben
mit allen Sinnen individuell erlebt und als persönliche Vorstellung gespeichert; das führt zu einer
nachhaltigen Wortrezeption sowie in der Folge zu angemessener Textproduktion.
Dramapädagogisches Arbeiten inkludiert – gerade in der vorgestellten Unterrichtseinheit –
Lernen über Bewegung und körperliche Darstellung; der Körper wird zum Lerninstrument.
Diese Methode erlaubt das Lernen mit allen Sinnen. Die Ergebnisse beider statistischen
Auswertungsverfahren zeigen, dass die Proband/inn/en der IG ihre Lernleistungen nach
der dramapädagogischen Intervention höchst signifikant verbessern; möglicherweise
geschieht dies infolge eines verbesserten Wortverständnisses durch individuelle
Vorstellungsbildung.
Da dramapädagogisches Arbeiten prinzipiell immer individuelles und mehrkanaliges
Erleben und Lernen ermöglicht und sogar fordert, ist anzunehmen, dass die
Vorstellungsbildung und damit das nachhaltige Verknüpfen von Wortform und
Wortbedeutung und die Verankerung im Gedächtnis durch diese Methode generell
gefördert werden kann. Die Hypothese kann dann im Rahmen dieser Untersuchung
verifiziert werden.
2. Hypothese: Bewegungsverben werden durch Darstellung und Bewegung effektiver erlernt als
durch Schreib- und Leseunterricht, welcher weder Bewegung noch Darstellung inkludiert.
Bei der vorliegenden Untersuchung wird nur exemplarisch ein kleiner Teil der
Bewegungsverben aus dem Grundwortschatz behandelt. Am Beispiel dieser elf Verben wird
jedoch deutlich, dass Bewegungsverben tatsächlich effektiver erlernt werden, wenn dies
über körperliches Darstellen und Bewegung geschieht. Dies bestätigen auch die Ergebnisse
beider Untersuchungsgruppen, welche die Effektivität des dramapädagogischen Unterrichts
belegen, im Gegensatz zum ausschließlich ‚sitzenden’ Lese- und Schreibunterricht. Auch sei
darauf hingewiesen, dass die Ergebnisse der KG nicht allgemein für den Lese- und
Schreibunterricht gelten, sondern nur für die hier angewandte Methode des Sätze-Puzzles
und der Schreibaufgabe. In diesem Untersuchungsrahmen kann die Hypothese verifiziert
werden.
3. Hypothese: Über die Aktivierung aller Sinneskanäle beim Darstellen von Bewegungsverben wird
der semantische Gehalt der Verben besser verstanden als bei akustisch-visueller Präsentation.
DEUTSCH BEWEGT: VORSTELLEN – DARSTELLEN – VERSTEHEN ___________________________________________________________________________
108
Beim dramapädagogischen Arbeiten werden sämtliche Sinnes- und Wahrnehmungskanäle
aktiviert. Im Falle der vorgestellten dramapädagogischen Unterrichtseinheit kann gesagt
werden, dass das Erfahren und Lernen über alle Sinne ein überaus wichtiges Kriterium für
das Behalten und Anwenden von Lerninhalten darstellt. Weiters gilt - wie bereits zuvor
erwähnt - dass es sich um das Erlernen von nur elf ausgewählten Verben handelt und dass
die Ergebnisse dieser Untersuchung nicht auf alle deutschen Bewegungsverben übertragen
werden können.
Die Auswertungsergebnisse bestätigen die Effektivität der dramapädagogischen
Unterrichtseinheit, in der ganzheitliches Wahrnehmen ermöglicht und gefördert wird und so
die Basis für persönliches Verstehen und Erfahren bilden kann. Die Teilnehmer/innen am
dramapädagogischen Unterricht können über diese sinnliche Erfahrung eigene
Vorstellungen bilden und danach die Verben effektiver (korrekter) einsetzen, dies bestätigen
die Analyseergebnisse zur Effektivität der Lehr- und Lernmethoden. Im vorliegenden
Untersuchungsrahmen kann diese Hypothese verifiziert werden.
8.1.5 Diskussion der Ergebnisse
Die Ergebnisse der KG werfen die Frage auf, warum die hier gewählte Lehr- und
Lernmethode eine so geringe Effektivität aufweist.
Meinem ganz persönlichen Eindruck nach war der Unterricht der KG nicht ausreichend
deutlich in den allgemeinen Unterricht integriert. Es macht einen großen Unterschied, ob ein
Sätze-Puzzle im regulären Deutschunterricht oder in der Situation eines Experimentes
realisiert wird. In so einer Untersuchungssituation kann es geschehen, dass die Übungen von
den Schüler/innen als marginale - nicht in das reguläre Unterrichtsgeschehen integrierte
und damit vielleicht auch als eher unwichtige - Übungen empfunden werden, was zu keiner
wirklich intensiven Auseinandersetzung mit dem Lernstoff – den elf Bewegungsverben –
führt. Diesem Argument kann entgegengehalten werden, dass auch der Unterricht der KG
eine Aufgabenstellung beinhaltet, welche kooperatives und spielerisches Arbeiten
herbeiführt, was mitunter Ursache für intrinsische Motivation sein könnte.
Hinsichtlich der IG kann aufgrund meiner persönlichen Beobachtung gesagt werden, dass
das ‚Problem’ der Marginalisierung nicht gegeben war. Die Unterrichtseinheit war gut in
den Unterricht integriert, die Kinder beteiligten sich aktiv und mit großem Engagement. Die
geglückte Integration einer bestimmten Lehr- und Lernmethode mit ihren Übungen und
Aufgaben in den regulären Unterricht hat offenbar Auswirkungen auf deren Wirksamkeit.
Zudem muss darauf hingewiesen werden, dass pädagogisches Handeln ein komplexer, an
DEUTSCH BEWEGT: VORSTELLEN – DARSTELLEN – VERSTEHEN ___________________________________________________________________________
109
Personen gebundener Leistungsprozess ist, der über die Zeit nicht stabil bleibt. Die
„Standardisierung zwischen PädagogInnen und KlientInnen ist im Verlauf einer Intervention nur in
Randbedingungen erreichbar“ (Hackl 2005, 171). Ein Beispiel macht dies deutlich: Eine
Lehrperson mag zwar immer dieselbe sein, doch mit jedem/r Schüler/in spricht sie anders
(vgl. ebd. 171).
Als Ursache für das deutlich positive Abschneiden der IG können folgende Kriterien –
welche bereits hinsichtlich anderer Untersuchungen beobachtet und erforscht wurden59 -
herangezogen werden:
Bewegung, Motivation und Begeisterung: Bewegung hat Einfluss auf die Emotionen des
Menschen und fördert die Motivation. Über Bewegung wird das limbische System aktiviert
und damit die Aufmerksamkeit unterstützt. Zudem werden durch Bewegung
Neurotransmitter ausgeschüttet, die Lernprozesse fördern und begünstigen (vgl. Zimmer
2009, 30). Emotion und Motivation stellen wichtige Faktoren im Lernprozess dar (vgl. Spitzer
2003).
Die Teilnehmer/innen der IG, welche mit und über Bewegung lernten, zeigten hohe
Motivation und Begeisterung.
Bessere Lernleistung durch Bewegung: Bewegung aktiviert jene motorischen Zentren des
Gehirns, welche auch bei der Verarbeitung von Informationen, beim Lernen und ‚Speichern’
von Inhalten eine wesentliche Rolle spielen. So hat die Gedächtnisforschung nachweisen
können, dass Zahlen, Wörter und Inhalte über Bewegung leichter behalten werden, da eine
doppelte Codierung der Lerninhalte stattfindet; sie werden motorisch und kognitiv
gespeichert, was ein schnelleres Wiederauffinden von Gedächtnisspuren im
Langzeitspeicher ermöglicht als bei Monokodierung (vgl. Zimmer 2009, 24).
Die IG hatte die Möglichkeit, sich den Lernstoff über die aktive Bewegung im Raum –
beim Darstellen der Bewegungsverben im Raum – intensiver zugänglich zu machen als die
Kontrollgruppe.
Persönliche und individuelle Lern-Erfahrung: In der Dramapädagogik werden „Lernende
zum Subjekt und Objekt des Lernprozesses, indem sie an ihren eigenen Erfahrungen, Haltungen,
Überzeugungen, Werten, Bedürfnissen, Gefühlen und Phantasien arbeiten“ (Schewe 1993, 213),
dies geschieht stets in Beziehung zwischen Innen- und Außenwelt. 59 Vgl. Kapitel 3: Bewegung und 4: Spiel.
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110
Die Schüler/innen der IG hatten die Möglichkeit, persönliche und individuelle Lern-
Erfahrungen mittels dramapädagogischen Unterrichts zu erleben. Es wurde keine ‚richtige’
Lösung vorgegeben, die Schüler/innen mussten und durften an sich und aneinander
Lösungsansätze körperlich und sinnlich erproben.
Lernen mit allen Sinnen, ganzheitliches Lernen: Beim Lernen in Bewegung, also dem
Lernen über „den ‚Bewegungssinn’ (kinästhetischer Analysator), dessen Rezeptoren über den
gesamten Körper verteilt in den Muskeln, Sehnen, Bändern und Gelenken liegen“ (Müller,
Schminder 2009, 8), kann der Schüler zusätzliche Informationen zum Lerngegenstand
erhalten während beim ‚herkömmlichen’ schulischen Lernen hauptsächlich akustische und
optische Lernkanäle genutzt werden (vgl. ebd., 8).
Die Schüler/innen der IG konnten über das Darstellen mit dem Körper in der
Bewegung den Vorteil nutzen, mit all ihren Sinnen zu arbeiten und zu lernen.
Gesteigerte Sauerstoffzufuhr und erhöhte Konzentrationsleistung: Die
Gehirndurchblutung wird bereits „durch Bewegungen mit geringerer Intensität, wie [...] Gehen
durch den Raum“ (ebd., 11) angeregt; dadurch kommt es zu einer besseren Versorgung mit
Sauerstoff und Glukose, was eine Optimierung der Informationsverarbeitung mit sich bringt
(vgl. ebd., 11).
Bewegung, welche die Sauerstoffzufuhr erhöht und damit meist mit einer
gesteigerten Konzentrationsfähigkeit einhergeht, war in der konkreten dramapädagogischen
Unterrichtseinheit ein grundlegendes Element.
Offener dramapädagogischer Lernzugang: Dramapädagogisches Arbeiten greift auf die
Mittel des Spiels und die „natürliche Anlage des Menschen zum Spielen und Schauspielen“
(Tselikas 1999, 22) zurück, um Lernprozesse darauf aufzubauen. Das Spiel ermöglicht, dass
„Beziehungen zwischen Sprechen, Denken, Handeln sowie persönlicher und sozialer Identität“ (ebd.,
22) hergestellt werden.
Die Teilnehmer/innen der IG hatten die Möglichkeit, sich dem Unterrichtsstoff über
einen offenen, spielerischen dramapädagogischen Lern-Zugang zu nähern. Es gibt zwar
verbindliche Regeln und Grenzen, die im Klassenvertrag festgelegt sind, aber nicht beim
Darstellen; als Schauspieler/innen dürfen die Lernenden die Verben gänzlich ihrer
persönlichen Vorstellung entsprechend „ausspielen“. Ihre Spiel-Leistung, ihr Darstellen,
wird nicht kontrolliert und korrigiert. Die Teilnehmer/innen der KG konnten sich zwar auch
über einen spielerischen Zugang – ein Lern-Spiel - dem Lernthema nähern, ein Sätze-Puzzle
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111
enthält jedoch keine dramapädagogischen Elemente und ist lösungsorientiert,
gekennzeichnet durch die Kategorien „richtig“ und „falsch“. Es wirkt daher geschlossen,
individuelle Lösungen sind nicht möglich oder intendiert.
Körper als Lern-Zugang: Der gesamte Körper ist bei dramapädagogischen Aktivitäten stark
an Lernprozessen beteiligt, man lernt über den Körper und man spricht mit dem Körper.
Erfahrungen des Menschen prägen sich in den Körper ein und rufen gewisse Reaktionen
hervor (vgl. Tselikas 1993, 137).
Die Schüler/innen der IG hatten die Möglichkeit, ihren eigenen Körper als Lern-
Instrument ganz bewusst einzusetzen und sich über ihn auszudrücken. Diese Möglichkeit
war in der Kontrollgruppe nicht in derselben Intensität gegeben.
Durch eine aktive, aktivierende und intensive Auseinandersetzung mit dem Unterrichtsstoff
kann gerade dramapädagogisches Arbeiten häufig Unterrichtsproblemen in mehrsprachigen
Klassen entgegenwirken. SCHMÖLZER-EIBINGER führt in ihrem Buch Lernen in der
Zweitsprache (2008) Probleme an, die sich oftmals als charakteristisch für
Unterrichtssituationen in mehrsprachigen Klassen erweisen. Drei der angeführten Probleme,
nämlich, dass im Unterricht zu wenig sprachlich aktiv gehandelt wird, dass das Wissen
reproduziert statt aktiv und individuell konstruiert wird, und dass sprachliches und
inhaltliches Lernen nicht koordiniert werden (vgl. Schmölzer-Eibinger 2008, 154f.), kann mit
Unterrichtseinheiten, die dem Muster von Deutsch bewegt: Vorstellen – Darstellen – Verstehen
folgen und es entsprechend modifizieren, begegnet werden.
Das erste Problem – nämlich dass Schüler/innen wenig aktiv sprachlich im
Unterricht handeln – kann mit der intensiven Interaktion zwischen den Schüler/innen bei
dramapädagogischen Interventionen gelöst werden. Im Falle der vorgestellten
dramapädagogischen Unterrichtseinheit müssen die Teilnehmer/innen einander
Wortbedeutungen erklären, die Schüler/innen schlüpfen dazu in die Rolle von Lehrenden,
dabei müssen sie sprachlich aktiv werden; die Lehrkräfte selbst schlüpfen in die Rolle von
Beobachter/inne/n.
Auch dem zweiten Problem - dass Wissen reproduziert statt aktiv und individuell
konstruiert wird - kann mit dramapädagogischen Aktivitäten begegnet werden. Die
Schüler/innen sind in dramapädagogisch gestalteten Lernsettings aktiv und produktiv tätig,
sie lernen nicht nur zum Beispiel die Bedeutung von Wörtern, sondern sie lernen auch über
sich, voneinander und auch über einander. Es wird kein Wissen reproduziert (und rasch
wieder vergessen), sondern die Schüler/innen eignen sich individuelles Wissen über
DEUTSCH BEWEGT: VORSTELLEN – DARSTELLEN – VERSTEHEN ___________________________________________________________________________
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Bewegung, Spiel und Erforschen in der Darstellung an; so wird Wissen individuell
konstruiert, anstatt reproduziert.
Dem dritten häufig genannten Problem in mehrsprachigen Klassen - dass
sprachliches und inhaltliches Lernen nicht koordiniert würden – begegnet das
Sprachenlernen im Turnunterricht. Gerade der Turnunterricht, dem oft nachgesagt wird, er
bestehe ‚nur’ aus körperlichen Übungen und Spielen, hat ein hohes Potenzial an
Sprachförderung. Diese Sprachförderung kann in Kombination mit Bewegung Teil des
Unterrichts sein, sprachliches Handeln wird mit aktivem körperlichem Handeln eng
verbunden. Dadurch werden sprachliches und inhaltliches Lernen in Verbindung gebracht
und gefördert. Über die bewusste Sprachreflexion im Turnunterricht wird vor allem auch für
Kinder mit Deutsch als Zeitsprache eine gezielte Sprachförderung über die Grenzen der
Deutschstunde hinaus möglich.
8.2 Untersuchung auf Wortebene
Die Untersuchung auf der Wortebene sollte Schwierigkeiten bei der Anwendung
verschiedener Bewegungsverben aufzeigen. Bei jedem Lückentext der IG zum ersten und
zum zweiten Messzeitpunkt wurden die nicht korrekt verwendeten Verben gezählt. Die
Summe der nicht korrekt verwendeten Verben wurde mit der Anzahl der nicht bekannten
Verben (Lücke nicht ausgefüllt) addiert. Die Gesamtsumme zeigt hinsichtlich der
unterschiedlichen Verben eine Reihung, die angibt, welche Verben bei der Verwendung die
größten Schwierigkeiten bereiten und welche im Vergleich dazu weniger Probleme machen.
Ausgewählte Ergebnisse dieser Reihung werden hinsichtlich ihres Verwendungskontextes
im Lückentext betrachtet, um Verwendungstendenzen aufzuspüren beziehungsweise
Gründe für das nicht korrekte Verwenden jener Verben zu suchen.
Ergebnisse der ersten Messzeit sollen mit denen der zweiten verglichen werden, um
mögliche Verbesserungen/Verschlechterungen in der korrekten Wortverwendung zu
beobachten und Schwierigkeiten zu erkennen.
In einem weiteren Schritt werden die Ergebnisse der dramapädagogischen Aufgabe -
die Schwierigkeiten beim Erlernen der Wörter aus persönlicher Sicht zu bewerten –
ausgewertet. Es wird der Versuch angestellt, etwaige Korrelationen zwischen
Selbsteinschätzung der Proband/inn/en - dieses Wort ist schwer/leicht für mich - und dem
tatsächlich korrekten Einsatz der Verben herzustellen.
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8.2.1 Ergebnisse
Die Untersuchung befasst sich mit der Anzahl nicht korrekt eingesetzter und nicht
gewusster (Lücke bleibt frei) Verben. Dabei werden ausschließlich die Lückentexte der IG
untersucht, deren Teilnehmer/innen auch die Aufgabe haben, die Verben persönlich zu
bewerten. Schwierigkeiten der Lernenden zum ersten Messzeitpunkt werden mit denen des
zweiten Messzeitpunktes verglichen, um mögliche Tendenzen60 der nicht korrekt
verwendeten Verben ausfindig zu machen.
Die elf Verben lauten: rennen, marschieren, springen, schleichen, stolpern, watscheln, hinken,
stampfen, klettern, kriechen, tanzen.
8.2.1.1 IG-Wortauswertung zum ersten Messzeitpunkt
Die Auswertung der Testergebnisse der IG (n = 34) zum ersten Messzeitpunkt zeigt, dass bei
der Verwendung der Bewegungsverben unterschiedlich große Schwierigkeiten bestehen.
Das Verb marschieren wird von 91% der Schüler/innen nicht korrekt verwendet, rennen von
59%, stampfen von 56%, hinken von 56%, stolpern von 47%, watscheln von 47%, springen von
44%, kriechen von 41%, schleichen von 41%, tanzen von 32% der und klettern von 9%.
Auffallend sind die vier erstgenannten Verben, bei es denen es zur ersten Messzeit zu einer
Fehlerrate von über 50% kam (siehe Abbildung 16).
Das Verb marschieren, welches als einziges Verb im Lückentext nicht eingesetzt
werden sollte, wird von beinahe jedem Kind benützt und oftmals als Synonym für das Verb
rennen verwendet. Im Rückblick auf die dramapädagogische Intervention ist bei diesem Verb
interessant, dass die Kinder vor dem Darstellen über die Bedeutung und den
Verwendungskontext dieses Wortes sehr lange diskutierten. Die Proband/inn/en der IG
beider Schulen wussten nicht so recht, was sie mit diesem Verb - welches sie oft und gerne
im Prätest verwendeten - anfangen sollten und hatten Schwierigkeiten, es rasch zu erfassen
und darzustellen. In beiden Schulen realisierten sie dann das Verb, indem sie ‚soldatisch’
durch den Turnsaal schritten. Vielleicht bewog das ‚kriegerische’ Verhalten der
Protagonisten in der Indianergeschichte (Lückentext) die Schüler/innen dazu, eher das Verb
marschieren anstatt rennen zu verwenden?
60 Es können im Rahmen dieser Untersuchung nur Tendenzen bei nicht korrekt verwendeten Verben beobachtet und Vermutungen über die Ursachen angestellt, aber keine Interpretationen vorgenommen werden, da für eine genauere Analyse weitere Nachforschungen und jedenfalls eine größere Zahl an Proband/inn/en nötig wäre.
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114
Das Verb rennen wird anscheinend häufig im allgemeinen Sinn von sich bewegen/gehen
verwendet, was u.U. zu Folge hatte, dass viele Proband/inn/en es anstelle von Verben mit
einem spezifischen Bewegungsinhalt wie hinken, springen oder stolpern verwendeten.
Insgesamt wird deutlich, dass bei der Beschreibung dynamischer Prozesse gravierende
sprachliche Probleme sichtbar wurden. Die Verben wurden von den Schüler/innen mit
Deutsch als Zweitsprache zwar verwendet, jedoch meist nicht in korrekter Weise.
Selbstverständlich stellt das Ausfüllen eines Lückentextes für Schüler/innen einer 3. Klasse
Volksschule keine natürliche Situation der Sprachverwendung dar; möglich, dass sie diese
selbstständig vielleicht in anderen als den angeführten Verwendungskontexten auch anders
anwenden würden. Jedoch stellt die Arbeit mit ‚fertigen’ Texten - also diese zu lesen, zu
verstehen, Wissen daraus zu gewinnen und das gewonnene Wissen auch mit eigenen
Worten wiederzugeben - eine wichtige Grundvoraussetzung für den weiteren Schulverlauf
wie auch für das berufliche Bestehen in literalen Gesellschaften dar, sodass Ergebnissen aus
derartigen Forschungssettings wohl eine gewisse Bedeutung zukommt.
Abbildung 16: IG-Wortauswertung, 1.Messzeitpunkt
8.2.1.2 IG-Wortauswertung zum zweiten Messzeitpunkt
Die Fehlerrate vom ersten Messzeitzeitpunkt hin zum zweiten verringert sich höchst
signifikant. Der zweite Messzeitpunkt liegt zeitlich nach der dramapädagogisch geführten
Unterrichtseinheit, in der die Schüler/innen die Bewegungsverben nur über das körperliche
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115
Darstellen und das gegenseitige Erklären und Vorführen erlernt haben. Die Auswertung des
Posttests zeigt allerdings, dass bei den Verben marschieren und rennen die Schwierigkeiten
zwar reduziert, jedoch in Relation zu den anderen Verben erhalten bleiben. Genauso verhält
es sich mit der eher unproblematischen Verwendung der Verben tanzen und klettern, welche
auch schon zum ersten Messzeitpunkt die geringste Fehlerrate aufweisen und somit zu den
Verben zählen, die am häufigsten korrekt verwendet werden. Bei allen Verben kommt es im
Durchschnitt zu einer Verbesserung der Wortverwendung: marschieren wird nur mehr von
59% anstatt wie zuvor von 91% der Schüler/innen nicht korrekt verwendet, rennen von 48%
anstatt 59%, springen von 35% anstatt 44%, schleichen von 32% anstatt 41%, kriechen von 26%
anstatt 41%, stampfen von 21 % anstatt 56%(!), watscheln von 15% anstatt 47%(!), hinken von
15% anstatt 56%(!), stolpern von 15% anstatt 47%(!), tanzen von 15% anstatt 32% und klettern
von 6% anstatt 9% (siehe Abbildung 17).
Zu einer deutlichen Verbesserung in der treffsicheren Verwendung kommt es vor
allem bei den Verben stampfen, watscheln, hinken, stolpern, deren Fehlerrate um mehr als die
Hälfe reduziert wird. Diese Verben können mit sehr spezifischen Bewegungsvorgängen in
Verbindung gebracht werden, wie sie ja von den Schüler/innen der IG im Unterricht
ausgeübt und dargestellt wurden.
Interessant erweist sich auch die Verwendung der beiden Verben kriechen und
schleichen; beide Bewegungen werden eher lautlos, also ohne Geräusch, realisiert. Vermutlich
aus diesem Grund wurde so oft im Lückentext das Verb kriechen anstelle von schleichen oder
umgekehrt verwendet. Die Stelle im Lückentest lautet: Die beiden Indianer Max und Ivo
schleichen ganz leise auf Zehenspitzen oder kriechen auf allen Vieren ohne jedes Geräusch in die Nähe
des Büffels. Die beabsichtigte ‚Hürde’ an dieser Stelle ist, dass sich die Protagonisten in beiden
Fällen dezidiert ohne Geräusch bewegen. Dies soll zu einer genaueren Betrachtung der
beiden genannten Verben führen und zur Überlegung, welche der zwei Bewegungen eher
auf Zehenspitzen und welche zumeist auf allen Vieren ausgeführt wird; viele der Kinder
differenzieren beim Ausfüllen des Lückentextes jedoch nicht genau die Art der
Fortbewegung.
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116
Abbildung 17: IG-Wortauswertung, 2.Messzeitpunkt
8.2.2 Ergebnis der dramapädagogischen Bewertungsaufgabe
Den Schüler/innen wurde die Aufgabe gestellt, zu Hause nochmals die Verben, deren
Bedeutung sie sich in der Turnstunde im interaktiven Lernsetting erarbeitet hatten,
darzustellen. Dieses Darstellen sollte vor Publikum - den Eltern, Geschwistern oder
Freunden – erfolgen oder auch allein. Damit sollten die Verben nochmals reflektiert und der
Schwierigkeitsgrad im Anschluss aus der persönlichen Perspektive bewertet werden. Dabei
gibt es zwei Möglichkeiten: Das Wort ist für mich schwierig ! oder leicht "61. Die
Ergebnisse dieser Auswertung sollten möglicherweise Rückschlüsse auf die Ursache der
nicht korrekten Verwendung der Verben zulassen, was sich jedoch nicht bestätigte.
61 Die Fragestellung – das Wort ist leicht/schwierig für mich – wurde mit Absicht so offen formuliert. Die Schüler/innen sollten ihre persönliche Beziehung zu dem Wort deklarieren; diese Aufgabe erwies für keine der Schüler/innen als problematisch oder unverständlich.
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117
Abbildung 18: Ergebnisse der IG-Aufgabe
Auffallend bei den Bewertungen der Schüler/innen ist, dass überhaupt nur selten die Rubrik
Dieses Wort war schwer für mich angekreuzt wird. Bei 34 Aufgabenbögen mit je 11 zu
bewertenden Verben (leicht/schwer) kommt es zu insgesamt 374 Bewertungen. Davon wird
nur 28 Mal das Feld Dieses Wort war schwer für mich markiert; alle restlichen 346 persönlichen
Einschätzungen gelten der Rubrik Dieses Wort war leicht für mich.
Die Verben kriechen und watscheln werden am häufigsten als ‚schwierig’ bewertet.
Danach kommt das Verb stolpern, gefolgt von den gleich oft genannten Verben schleichen,
marschieren, stampfen, hinken. Diese Bewertung der Verben aus persönlicher Perspektive der
Schüler/innen korreliert nicht mit dem Ergebnis ihrer tatsächlichen Lernleistung. Besonders
interessant ist auch die persönliche Einschätzung des Verbs rennen, welches von keinem der
Kinder als „schwer“ bewertet wird, aber in der praktischen Umsetzung offenbar große
Schwierigkeiten bereitet. Bei den Ergebnissen dieses Aufgabenbogens ist keinerlei
gemeinsame Tendenz mit den Ergebnissen der Lückentexte (1. & 2. Messzeitpunkt)
erkennbar. Werden jene Verben als schwer ! bewertet, die nicht täglich oder häufig
Verwendung finden? Dies könnte besonders für die Worte kriechen, watscheln, schleichen,
marschieren, stampfen, hinken zutreffen. Die Verben klettern, tanzen, springen, rennen, welche als
leicht " eingestuft werden, werden vermutlich auch öfter im sprachlichen Umfeld der
Kinder verwendet (z.B. im Turnunterricht).
Es könnten aber auch sprachtypologische Differenzen zwischen Muttersprache und
Zweitsprache für diese persönliche Bewertung entscheidend sein. Denn, wenn bestimmte
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118
Verben in der Muttersprache so nicht existieren, könnten sie ja auch deshalb als schwierig
bewertet werden.
8.2.3 Zusammenfassung
Zur Analyse der Ergebnisse auf Wortebene werden alle Daten der IG-Lückentexte zum
ersten und zweiten Messzeitpunkt sowie die IG-Auswertungsaufgabe rechnerisch erfasst
und miteinander verglichen, um mögliche Tendenzen sichtbar zu machen. Die Beschreibung
dieser Tendenzen erfolgt auf rein deskriptivem Weg und wird durch persönliche
Beobachtungen aus dem Unterricht ergänzt.
Prinzipiell muss gesagt werden, dass der Großteil der Proband/inn/en mit nicht-
deutscher Muttersprache große Probleme mit den exakten Ausdrücken zur Beschreibung
von dynamischen Vorgängen hat.
Vor jeder Testphase wurde ausdrücklich gesagt, dass die Kinder nur dann Lücken
ausfüllen sollen, wenn sie sicher sind, ansonsten sollten sie die Lücke lieber frei lassen.
Überraschenderweise geschah dies selten – in nur insgesamt 14 von allen 340 Lücken der
Lückentexte – die Kinder versuchten offenbar, möglichst alle Lücken zu füllen. Teilweise
waren Verben in einem völlig untypischen Verwendungskontext zu finden (zum Beispiel: Im
Garten steht ein großer Baum, auf den die beiden Indianer gut hinauf watscheln können), sodass
die Frage nach der Ursache gestellt werden muss. Es könnte sein, dass die Schüler/innen
Verben verwenden, aus Angst, als ‚Versager’ zu gelten, wenn sie Lücken frei lassen oder
dass sie die Verben zu kennen glauben und aus dieser Überzeugung heraus einsetzen, aber
nicht in korrekter Weise62.
Die Fehlerrate war bei allen Verben zum zweiten Messzeitpunkt – also nach dem
dramapädagogischen Unterricht – reduziert. Bei Betrachtung der einzelnen Verben sehen
wir, dass die Proband/inn/en vor und nach der Intervention besonders die Verben
marschieren und rennen nicht korrekt verwenden. Marschieren, welches als einziges Verb im
Lückentext nicht eingesetzt werden sollte, wird von beinahe allen Proband/inn/en (31 von
34) zum ersten Messzeitpunkt verwendet. Meiner Beobachtung nach haben auch die Kinder
im dramapädagogischen Unterricht – in der Rolle des Lehrers oder Regisseurs – größere
Schwierigkeiten, das Verb marschieren punktgenau zu erklären oder vorzuzeigen. Der
62 Um die tatsächlichen Gründe für das Verwenden der Verben zu finden, müssten weitere Nachforschungen erfolgen; Hintergründe könnten zum Beispiel durch Interviews geklärt werden.
DEUTSCH BEWEGT: VORSTELLEN – DARSTELLEN – VERSTEHEN ___________________________________________________________________________
119
beinahe inflationäre Einsatz dieses Verbs kann also eventuell darauf zurückgeführt werden,
dass es oft als Synonym für rennen verwendet wird.
Im Vergleich zu marschieren und rennen, welche für die Proband/inn/en die größten
Schwierigkeiten darstellen, sind die Verben klettern und tanzen mit den geringsten
Verwendungsproblemen verbunden. Diese beiden Verben nehmen vor und nach der
dramapädagogischen Intervention die Schlusspositionen unter den nicht korrekt
verwendeten Verben ein.
Eine deutlich positive Veränderung vom ersten zum zweiten Messzeitzeitpunkt ist
bei den Verben stampfen, watscheln, hinken, stolpern ersichtlich, deren Fehlerrate um mehr als
die Hälfe reduziert wird. Die Vermutung liegt nahe, dass die Verben, welche mit sehr
spezifischen Bewegungsvorgängen in Verbindung gebracht werden, über das Darstellen und
persönliche Erleben im dramapädagogischen Unterricht mit genaueren Vorstellungen
verbunden werden und daher treffsicher verwendet werden können.
Die Verben kriechen und schleichen werden häufig synonym verwendet. Ursache dafür
könnte sein, dass beide Bewegungen von den Proband/inn/en sehr leise realisiert werden
und sich in der inneren Vorstellung daher große Ähnlichkeit ergibt. Diese Annahme wird
durch den Kontext im Lückentext gestützt, bei dem die beiden Buben Max und Ivo beide
Bewegungen ausdrücklich sehr leise – ohne jedes Geräusch – ausführen.
Grundsätzlich wird durch die Auswertungen der Testergebnisse auf Wortebene
bestätigt, dass das Wortfeld gehen/bewegen beziehungsweise der korrekte Gebrauch von
Bewegungsverben für Zweitsprachenlernende in der Volksschule nicht unproblematisch ist.
8.2.4 Antworten auf Forschungsfragen
Durch die Auswertung der Lückentexte zum ersten und zweiten Messzeitpunkt mit Fokus
auf der Wortebene können die erste und zweite Forschungsfrage für die IG beantwortet
werden:
Fragestellung 1: Welche der elf Verben werden von der IG meist nicht korrekt verwendet?
Am häufigsten wurden marschieren und rennen nicht korrekt eingesetzt und zwar sowohl vor
als auch nach der dramapädagogischen Intervention. Das bedeutet, dass marschieren zum
ersten Messzeitpunkt von 91% der Schüler/innen nicht korrekt verwendet wird, rennen von
59% und stampfen ex aequo mit hinken von 56%. Sie führen die Liste der nicht korrekt
verwendeten Verben an.
Zum zweiten Messzeitpunkt - nach dem dramapädagogischen Unterricht - zeigten sich
Probleme bei der Verwendung folgender Verben: marschieren wird von 59% der
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120
Proband/inn/en nicht korrekt verwendet, rennen von 48%, springen von 35%, schleichen von
32% und kriechen von 26%.
Fragestellung 2: Welche Verben bereiten nach persönlicher Bewertung der Schüler/innen die größten
Schwierigkeiten?
Die Auswertung der IG-Aufgabenbögen, bei denen die Proband/inn/en die Verben nach
erneutem Darstellen bewerten sollen, ergibt Folgendes: Die Verben kriechen und watscheln
wurden am häufigsten unter dem Aspekt Diese Wort ist schwer für mich ! genannt. Danach
folgt stolpern und im Anschluss daran ex aequo die Verben schleichen, marschieren, stampfen,
hinken. Die persönliche Bewertung der Verben aus Sicht der Schüler/innen korreliert nicht
mit dem Ergebnis ihrer tatsächlichen Lernleistung.
8.2.5 Diskussion der Ergebnisse
Die Untersuchungen auf Wortebene bestätigen die Ergebnisse von PELTZER-KARPF, dass
die Beschreibung von dynamischen Prozessen für Schüler/innen mit Deutsch als
Zweitsprache mit vielen Schwierigkeiten verbunden ist. Zudem machen die Ergebnisse auf
der Wortebene deutlich, dass für das Erarbeiten des Wortfeldes gehen/bewegen ausreichend
Zeit im Unterricht vorgesehen werden muss; Zeit, die unter anderem für ein
dramapädagogisches Lernarrangement effizient genützt werden kann.
8.3 Untersuchung zu Leistungsunterschieden nach Muttersprache
Die Studie A ku!i sprecham Deutsch von PELTZER-KARPF et al. zeigt Leistungsunterschiede
zwischen Schüler/innen mit BKS und Türkisch als Muttersprache. Dabei schneidet die
Gruppe der Kinder türkischer Herkunft tendenziell schlechter ab als die der Kinder mit BKS
als Muttersprache. Als Ursache dafür können sprachtypologische Differenzen zwischen der
Muttersprache und der Zweitsprache angenommen werden, aber auch der sozio-
ökonomische Hintergrund der Schüler/innen. In der Untersuchung von PELTZER-KARPF
mussten die Proband/inn/en zu einer Bildvorlage mit vielen dynamischen Szenen eine
Geschichte erzählen. Das bedeutet, dass sie Verben aus ihrem eigenen produktiven
Wortschatz verwenden mussten. Bei der Untersuchung Deutsch bewegt: Vorstellen – Darstellen
– Verstehen hingegen werden die Proband/inn/en mit einer Textvorlage (Lückentext) und
damit verbunden auch mit Lexemen des passiven Wortschatzes konfrontiert; das bedeutet,
dass die Ausgangssituation nicht dieselbe ist.
DEUTSCH BEWEGT: VORSTELLEN – DARSTELLEN – VERSTEHEN ___________________________________________________________________________
121
Um Leistungsunterschiede zwischen den beiden Gruppen der Schüler/innen mit BKS und
Türkisch als Muttersprache deutlich zu machen, wurden alle Ergebnisse ausschließlich des
ersten Messzeitpunktes (von IG & KG) herangezogen und analysiert, um dadurch ein Bild
von der Ausgangssituation zu bekommen. Dabei wurden alle Proband/inn/en drei
verschiedenen Gruppen zugeteilt, die erste mit Türkisch als Erstsprache, die zweite mit L1
BKS und die dritte mit anderen Erstsprachen. Letztere wurde jedoch aus der Bewertung
herausgenommen, da das Forschungsinteresse auf Leistungsunterschieden zwischen den
ersten beiden – hinsichtlich sprachtypologischer Differenzen homogenen - Gruppen lag
(siehe 7.4.). Tests des zweiten Messzeitpunktes wurden nicht beachtet, da es sich hierbei um
Ergebnisse handelt, die auf unterschiedliche Lehr- und Lernmethoden zurückzuführen sind.
Die Leistungen (Punkteanzahl) aller Schüler/innen beider Gruppen (BKS & Türkisch)
wurden in Relation zur der - jeder Gruppe möglichen - Höchstleistung gebracht. Ein
Beispiel: Bei einem Test konnte die Höchstpunktezahl von 10 Punkten erreicht werden. Bei
einer Gruppe von 5 Personen (n = 5; möglicher Höchstpunktestand = 50) und einem
tatsächlich erreichten Punktestand von 25 Punkten, bedeutete dies, dass 50% der möglichen
Höchstleitung erreicht wurde. Bei einer anderen Gruppe von 6 Personen (n = 6; möglicher
Höchstpunktestand = 60) und einem tatsächlich erreichten Punktestand von 20 Punkten,
waren dies 33% ihrer möglichen Höchstleistung.
8.3.1 Ergebnis der Unterschiede zwischen beiden Gruppen
Es sind deutliche Unterschiede zwischen den beiden Gruppen erkennbar: Die Schüler/innen
mit türkischer Herkunft erbringen im Vergleich zu der Gruppe mit BKS als Muttersprache
geringere Leistungen. Von den insgesamt 70 Teilnehmer/innen geben 22 als Erstsprache
Türkisch, 14 eine der BKS, die übrigen 34 Schüler/innen geben andere Erstsprachen an. Die
Auswertung der Lückentexte zum ersten Messzeitpunkt hinsichtlich der Muttersprache
ergibt, dass die Schüler/innen mit türkischer Muttersprache insgesamt 35% des möglichen
Höchstpunktestandes erreichen; die Gruppe der Schüler/innen mit BKS als Muttersprache
hingegen 52%. Dieses Ergebnis ähnelt tendenziell sehr dem der Untersuchung A ku!i
sprecham Deutsch, bei der die Gruppe von Kindern türkischer Herkunft bei
Bewegungsbeschreibungen die Schlussposition im Gruppenvergleich einnimmt.
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122
Abbildung 19: L1-Leistungsvergleich
8.3.2 Antwort auf die 3. Forschungsfrage
Die 3. Forschungsfrage lautet:
Gibt es Leistungsunterschiede zwischen Zweitsprachenlernenden mit der Erstsprache Türkisch und
BKS?
Die unter 7.3.1. beschriebenen Ergebnisse bestätigen die Beobachtungen von PELTZER-
KARPF, der zufolge Schüler/innen mit türkischer Muttersprache größere Probleme bei
adäquaten Bewegungsbeschreibungen aufweisen als die BKS Gruppe.
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123
9 Resümee
Bei der Untersuchung zur Wirksamkeit bestimmter Lehr- und Lernmethoden zeigt die
dramapädagogisch geführte Unterrichtseinheit deutliche Effekte. Die Leistungen der
Schüler/innen verbesserten sich höchst signifikant, dies wurde anhand eines Lückentextes
(Prä- und Posttest) überprüft. Bei der pädagogischen Intervention wurden die
Proband/inn/en dazu angeleitet, sich eine eigene Vorstellung zu bestimmten
Bewegungsverben zu bilden und sie mit Hilfe dieser Vorstellung auch körperlich
darzustellen. Es wurde ihnen eine aktive, bewegte Auseinandersetzung mit
Wortbedeutungen abverlangt, was zu einem besseren Wortverständnis und einem
differenzierten Vorstellungsbild des betreffenden Wortes führen sollte. Die Schüler/innen
mussten ihren Peers Bedeutungen von Bewegungsverben näher bringen – indem sie sie
erklärten und/oder vorspielten – und diese dann gemeinsam darstellen, also verkörpern.
Als Aufgabe zur Sicherung des Unterrichtsertrags erhielten sie den Auftrag, die Verben zu
Hause nochmals darzustellen und anschließend den Schwierigkeitsgrad zu bewerten.
Im Rückblick kann gesagt werden, dass die Schüler/innen mit großer Freude an
dieser Intervention teilnahmen und sich mit hohem Engagement beteiligten. Diese
Intervention sprach sich in einer der beiden Schulen herum, weshalb ich von den
Schüler/innen der KG gebeten wurde, mit ihnen ebenfalls so eine ‚Turnstunde’
durchzuführen.
Die Wirksamkeit des in der Kontrollgruppe durchgeführten Schreib- und Leseunterrichtes
kann statistisch nicht nachgewiesen werden. In diesem Unterricht mussten die
Schüler/innen mittels Sätze-Puzzles in Gruppenarbeit die möglichen Bedeutungen der elf
Verben diskutieren und diese einem bestimmten Verwendungskontext zuordnen. Hierbei
handelte es sich um eine Leseaufgabe, die in Gruppenarbeit und Interaktion gelöst werden
musste und in eine Schreibaufgabe mündete, diese wurde in Einzelarbeit erledigt. Bei der
Schreibaufgabe sollten die Kinder zu jedem Verb einen vollständigen Satz schreiben.
Als eine mögliche Ursache für das deutlich schlechtere Abschneiden dieser Gruppe
kann die besondere Experiment-Situation angesehen werden: Die Schüler/innen wurden im
regulären Unterricht mit einem Thema konfrontiert, welches im ‚realen’, aktuellen Unterricht
zurzeit nicht behandelt wird. Das könnte bewirkt haben, dass die Schüler/innen an dieser
Lern-Einheit (Sätze-Puzzle), welche im regulären Unterricht (und im gewohnten
Klassenraum) durchgeführt wurde, nicht mit derselben Aufmerksamkeit und demselben
DEUTSCH BEWEGT: VORSTELLEN – DARSTELLEN – VERSTEHEN ___________________________________________________________________________
124
Engagement teilnahmen, wie sie dies im Regelunterricht getan hätten, wo die extrinsische
Motivation durch Noten deutlich spürbar ist.
Die Auswertung der Ergebnisse auf der Wortebene macht deutlich, dass große Probleme
und Schwierigkeiten auf dem Gebiet der Bewegungsbeschreibung bei
Zweitsprachenlernenden vorherrschen. Den Ergebnissen zufolge können Schüler/innen mit
anderen Muttersprachen als Deutsch die angeführten elf deutschen Bewegungsverben nicht
korrekt erfassen und anwenden. Gerade das Verb rennen, welches aufgrund seines häufigen
Vorkommens im sprachlichen Alltag als bekannt angenommen werden darf, wird häufig
nicht korrekt gebraucht.
Es wird zudem auch die Tendenz deutlich, dass die Schüler/innen Verben in einem
semantisch nicht korrekten Kontext verwendeten (auf einen Baum watscheln anstatt zu
klettern, über Wurzeln stampfen – wenn man nicht aufpasst - anstatt über sie zu stolpern, wie
Enten springen anstatt zu watscheln, einen Tanz hinken anstatt ihn zu tanzen, auf allen Vieren
watscheln anstatt zu kriechen etc.). Diese Beobachtungen führen zur Annahme, dass die
Schüler/innen vielleicht wirklich nicht wissen, was diese Verben bedeuten. Sie machen
deutlich, dass Schüler/innen der 3. Klasse Volksschule mit Deutsch als Zweitsprache
Probleme bei Beschreibungen von Bewegungsvorgängen haben, was besondere Maßnahmen
in diesem Bereich erfordert.
Die Auswertung der Lernleistungen hinsichtlich unterschiedlicher Muttersprachen zeigt
einen deutlichen Unterschied zwischen der Gruppe von Schüler/innen mit türkischer
Muttersprache und der Gruppe von Schüler/innen mit BKS als Muttersprache. Türkische
Kinder liegen mit ihren Leistungen hinter denen der Gruppe mit BKS als Muttersprache. Als
Ursache dafür können sprachtypologische Differenzen zwischen Muttersprache und
Zweitsprache angenommen werden, die oftmals ein direktes, wörtliches Übersetzen
unmöglich machen (vgl. Peltzer-Karpf 2006, 145).
An der Untersuchung Deutsch bewegt: Vorstellen – Darstellen – Verstehen nahmen insgesamt 70
Schüler/innen teil, von denen 22 Türkisch als Muttersprache, 14 BKS als Muttersprache und
34 andere Erstsprachen angaben (Albanisch, Arabisch, Bulgarisch, Dingala, Englisch,
Persisch, Slowakisch, Spanisch, Swahili, Tschetschenisch, Twi). Die Zahlen machen deutlich,
dass die Gruppe der türkischen Schüler/innen die größte homogene Gruppe aller
untersuchten Proband/inn/en bildet. Bei der großen Gruppe anderer Muttersprachen
handelt es sich z.T. auch um Sprachen, die sprachtypologische Differenzen (hinsichtlich
dynamischer Ausdrücke) zur Zweitsprache Deutsch aufweisen, aber aufgrund ihrer
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125
heterogenen Zusammensetzung wurde diese Gruppe nicht zu einem Leistungsvergleich
herangezogen.
Jedenfalls wird deutlich, dass nahezu alle Schüler/innen nicht-deutscher Erstsprache
eine intensivere Auseinandersetzung mit Bewegungsverben beziehungsweise mit der
sprachlichen Realisierung von dynamischen Prozessen benötigen.
10 Didaktische Konsequenzen
Im Rahmen dieser Untersuchung konnte gezeigt werden, dass das Erlernen von
Bewegungsverben über das Darstellen und Verkörpern sehr wirksam möglich ist. Es
bestätigt sich, dass Dramapädagogik mehr Dynamik in den Sprachunterricht bringt -
sprachlich wie auch körperlich - und damit die Leistungen der Schüler/innen steigert; das
soll in ein Plädoyer für mehr körperlichen Ausdruck im (Sprach-)Unterricht münden63. Es
handelt sich hier zwar um einen kleinen Untersuchungsrahmen mit einem speziellen
Untersuchungsfeld und einer nicht sehr hohen Anzahl (n= 70) an Teilnehmer/innen, jedoch
sind die Ergebnisse dieser Untersuchung eindeutig hinsichtlich der Effizienz von
dramapädagogischen Methoden im Sprachunterricht.
Neben der statistischen Bestätigung der Wirksamkeit dieser Lehr- und Lernmethode,
soll besonders betont werden, dass die Sprachförderung in allen Schulfächern wichtig ist
und deutlich verstärkt werden sollte. Auch hier gibt es viele Pädagog/innen, die dies bereits
mit großem Einsatz und Engagement seit Jahren praktizieren. Mit dem Ansatz der
bewussten Sprachförderung im Turnunterricht sollte dieser Forderung Nachdruck verliehen
werden. Die beschriebene „Deutsch-Turnstunde“ könnte Anstoß für eine weitere ‚bewusste’
Verwendung der Sprache sein, verbunden mit dem Gedanken der Sprachförderung in allen
Fächern. Allein der Turnunterricht bietet prinzipiell viel Potenzial für Sprachförderung und
viele Möglichkeiten, die Sprachkompetenz von DaZ-Lerner/innen ganz bewusst in einem
Handlungskontext anwendungsorientiert zu erweitern. Das reicht vom Erlernen des
korrekten Einsatzes von Präpositionen (über einen Balken springen, auf eine Leiter steigen,
den Ball hinter dem Rücken halten, neben der Wand stehen etc.), über das Erlernen von
komplexen sprachlichen Strukturen (zum Beispiel das Erlernen von Aktiv und Passiv: die
63 Damit soll keinesfalls unterstellt werden, dass es im Bereich der Pflichtschule keine Lehrer/innen gäbe, die dramapädagogisch oder dramaorientiert arbeiteten. Es gibt z.B. eine Reihe engagierte Pädagog/innen, die Zeit und Energie in dramapädagogische oder dramaorientierte Fort- und Weiterbildung investieren (vgl. z.B. den Lehrgang zur Theaterpädagogik an der PH Steiermark 2010), ihnen sei mit dieser Untersuchung eine kleine Bestätigung ihrer Bemühungen gegeben.
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126
Bank wird getragen, wir tragen die Bank etc.) bis hin zur Erweiterung des Wortschatzes (wie
hier zum Beispiel das Erlernen von Bewegungsverben).
Ein Nebenprodukt dieser Untersuchungsarbeit ist eine Unterrichtseinheit, die im
Schulalltag leicht Verwendung finden und zudem als wirksam für das Erlernen von
Bewegungsverben bezeichnet werden kann. Die Zielgruppe der vorgestellten
dramapädagogischen Unterrichtseinheit sind Volksschulkinder, jedoch kann diese Einheit
beliebig abgewandelt, verändert und auf eine andere Zielgruppe hin ausgerichtet werden.
Zudem kann dramapädagogischer Erwerb von Bewegungsverben sehr unterschiedlich
realisiert werden64.
Ein weiterer Aspekt, der in dieser Untersuchung sehr deutlich wird, ist, dass
Zweitsprachenlernende offensichtlich größere Probleme bei der Beschreibung dynamischer
Prozesse haben als angenommen wird. Untersuchungen auf der Wortebene zeigen, dass
Bewegungsverben zwar verwendet, jedoch in ihrer Bedeutung nicht genau verstanden
werden. Es fehlt bei den Verben aus dem Wortfeld gehen/bewegen meist eine differenzierte
Vorstellung. Die Kinder kennen die Wörter vielleicht aus ihrem sprachlichen Umfeld im
Zielsprachenland, jedoch fehlen konkrete Vorstellungen zum Wort. Gerade drama-
orientiertes Arbeiten ermöglicht eine intensive imaginative Auseinandersetzung mit dem
konkreten Beispiel. Die Vorstellungskraft wird aktiviert und Vorstellungsvorgänge werden
angeregt; auch darin liegt großes Potenzial für die Sprachförderung. Die Dramapädagogik,
welche sich die Fähigkeit zur Vorstellung und Imagination zu Nutze macht, betreibt
Sprachförderung so, dass man sich einer Sprache auf allen Ebenen - physisch, ästhetisch
(sinnlich), emotional und kognitiv – nähert: Man ‚verkörpert’ Sprache - innerlich wie
äußerlich.
Ein wichtiger Punkt, der bisher noch keine Erwähnung fand, ist, dass Schüler/innen
mit Deutsch als Muttersprache, die ja ebenfalls an der Untersuchung teilnahmen, aber aus
der Bewertung herausgenommen wurden, teilweise ebenfalls deutliche Probleme mit dem
Wortfeld gehen/bewegen aufwiesen. Insgesamt nahmen nur 4 Schüler/innen mit deutscher
Muttersprache an der Untersuchung teil, beim Prätest erreichten sie 26 Punkte von
möglichen 40 Punkten. Am Fallbeispiel des Schülers Christian, welcher nur 2 Punkte beim
Prätest erreichen konnte und laut Angabe des Klassenvorstandes aus sozial schwierigsten
Verhältnissen stammt, wird deutlich, dass das soziale Umfeld prägend für die Lernsituation
ist, und dass auch Schüler/innen deutscher Muttersprache durchaus Schwierigkeiten bei der
korrekten Verwendung von Bewegungsverben haben können.
64 Anregungen dazu finden sich z.B. bei SCHEWE 1993 und TSELIKAS 1999.
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Was in dieser Untersuchung mit dem spezifischen Untersuchungsrahmen – nämlich der
Beschäftigung mit Bewegungsverben - nur auf Wortebene geschieht, kann im Weiteren auf
die textuelle Ebene ausgeweitet werden. Hierzu gibt es verschiedene dramaorientierte
Ansätze, die alle die Vorstellungsfähigkeit der Schüler/innen nutzen, um für die Lernenden
Texte auf unterschiedliche Art und Weise aufzubereiten65. So kann auf didaktischer Ebene
die darstellerische dramapädagogische Arbeit nicht nur auf der Wortebene
(Wortschatzarbeit) erfolgen, sondern auch ganze Texte und komplexe sprachliche
Handlungen erschließen helfen.
Die Ergebnisse der Untersuchung Deutsch bewegt: Vorstellen – Darstellen – Verstehen zeigen,
dass über das persönliche Darstellen eines Wortes eine differenzierte und nachhaltig
wirksame Vorstellung vom Wort entsteht. Mittels Spiel und Bewegung können neue
Erfahrungen mit Sprache gemacht werden, die oftmals in gewohnten Unterrichtsituationen
nicht möglich sind. Die Aktivierung der Vorstellungskraft und das aktive Darstellen führen
zu einer individuellen und sehr persönlichen Auseinandersetzung. Sprache wird innerlich
wie äußerlich erfahren und aktiv dargestellt, sodass der Prozess des Vorstellens in ein
Darstellen führt und schließlich ins Verstehen mündet.
65 Vgl. z.B.: Ingo Scheller (2008): Szenische Interpretation. Theorie und Praxis eines handlungs- und erfahrungsbezogenen Literaturunterrichts in Sekundarstufe I und II. 2. Aufl. Kallmeyer/Klett.
LITERATURVERZEICHNIS ____________________________________________________________________
128
Literaturverzeichnis
ABRAHAM, Ulf (1999): Vorstellungs-Bildung und Deutschunterricht. In:
Vorstellungsbildung. Praxis Deutsch 1999 Nr.154, S.14 – 22. ANDERSEN, Helga (2002): Interaktion Sprache & Spiel. Zur Funktion des
Rollenspiels für die Sprachentwicklung im Vorschulalter. Tübinger: Narr, S. 13 – 195.
APOSTOLOPOULOS, Nicolas, CAUMANNS, Jörg Caumanns, Cornelia Fungk, Albert
Geukes (2002): Das Lernlabor zur Grundausbildung Statistik. Dialekt-Projekt Statistik interaktiv! Deskriptive Statistik. 2. Auf. Heidelberg: Springer, S. 43.
ARNHEIM, Rudolf (1988): Anschauliches Denken. 6. Aufl. Köln: DuMont (=Reihe Kunstgeschichte / Wissenschaft), S 24 – 29.
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